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Special Zwischenstopp
Stund um Stund
Kurzzeit-Hotels verkürzen lange Umsteigezeiten
W
Foto: © Steve Przybilla
as tun, wenn ein paar Stunden beim Zwischenstopp totzuschlagen sind? An immer
mehr Flughäfen versprechen Kurzzeit-Hotels und Schlafkabinen Passagieren etwas Ruhe inmitten des Getümmels. Doch klappt das auch wirklich?
Grelles Licht, laute Durchsagen, wuselnde
Menschenmassen: Wie soll man da Ruhe
finden? Im Kinofilm „Terminal“ steht der
Osteuropäer Viktor (Tom Hanks) vor
genau diesem Problem. Er darf den
Transitbereich des Flughafens nicht
verlassen, hält es vor Müdigkeit aber
kaum aus. Notgedrungen verzieht er
sich in einen Bereich, der gerade renoviert wird, reißt Sitzbänke auseinander und schiebt sie zum Schlafen
neu zusammen. Nicht gerade das Hilton,
aber besser als nichts.
Wäre der Film zehn Jahre später erschienen, hätte
es Viktor einfacher gehabt. Heute umwerben Kurzzeit-Hotels und Schlaf-Kabinen jene Reisende, die mehrere Stunden
im Terminal totschlagen müssen. Den Flughafen verlassen
– und in ein reguläres Hotel einchecken – wollen schließlich
die wenigsten. Die Lösung: „Minute Suites“, wie es sie zum
Beispiel am Flughafen Philadelphia gibt. Das Kurzzeit-Hotel
befindet sich dort direkt im Sicherheitsbereich.
„Wie lange soll’s denn sein?“, fragt Brittany May, eine Tourismus-Studentin, die halbtags in der Unterkunft arbeitet.
Nach einem Mindestaufenthalt von einer Stunde kann
man 15-Minuten-Intervalle hinzubuchen. Die Zimmer befinden sich direkt hinter der Rezeption, verborgen hinter einer dicken Schiebetür mit Sicherheitsschloss. „Ich bringe
dann gleich noch die Bezüge“, sagt Brittany und verschwindet wieder.
Die erste Überraschung: Ganz schön eng hier. Die „Suite“ ist
nicht breiter als das Ausziehsofa, das zur Standard-Ausstattung gehört. Der 32-Zoll-Fernseher, mit dem man auch ins
Internet gehen und Flugzeiten nachschlagen kann, wirkt
riesig. Außerdem vorhanden: ein kleiner Tisch, ein Drehstuhl, ein Spiegel, zwei Bügel und ein Radiowecker. Ein
Waschbecken sucht man vergeblich. Und die Toilette? Gibt
es leider nicht. Wer mal muss, muss die regulären FlughafenWaschräume nutzen.
Ruhe finden – das ist das Kernziel eines Kurzzeit-Hotels.
Die Minute Suites werben mit einem „einzigartigen Lärmunterdrückungssystem“, das Hintergrundgeräusche
ausblendet – theoretisch jedenfalls. In der Realität versteht man jedes Wort, wenn Brittany an der Rezeption
telefoniert. Der Gast im Nebenzimmer spielt Ballerspiele.
Außerdem rauscht die Lüftung. Immerhin ist das Sofa bequem, obwohl man auf nacktem Leder schlafen muss.
Die Bettwäsche erschöpft sich in einer Wolldecke
und Papierüberzügen für die Kopfkissen –
ein Gefühl wie beim Arzt.
Und trotzdem: Sobald man den kleinen
Raum verlässt, wird der Unterschied
deutlich. Das Rattern der Rollkoffer,
die lauten Durchsagen, die ununterbrochen dudelnde Flughafenmusik:
All das hört man in der Minute Suite
tatsächlich nicht. Auch das vermeintliche Rauschen der Lüftung hat
einen besonderen Zweck: Bei dem Geräusch handelt es sich nämlich um die
besagte Lärmunterdrückung. Per Drehknopf
lässt sich wählen, wie laut es rauschen soll.
Auch in Europa gibt es bereits Kurzzeit-Hotels, wenngleich
sie immer noch spärlich gesät sind. In Amsterdam sowie
an den Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick kann
man in sogenannten „Yotels“ einchecken. Die Zimmer
sind, anders als bei der amerikanischen Konkurrenz, mit
Dusche und WC ausgestattet. Am Münchner Flughafen
können sich Reisende in Schlafkapseln, genannt „Napcabs“, zurückziehen. Sie sind kleiner als eine Minute Suite,
enthalten aber ein Bett und ein Tischchen.
In Frankfurt, Deutschlands größtem Flughafen, sucht
man Kurzzeit-Hotels bisher noch vergeblich. Aber nicht
mehr lange: Ab nächstem Jahr, verspricht FlughafenSprecher Dieter Hulik, wird es auch dort ein Kurzzeit-Hotel geben.
Steve Przybilla
Info
Minute Suites: Flughäfen Atlanta, Philadelphia & Dallas-Fort Worth,
Preis: 25 Euro/Std., jede weitere 15 Minuten: sechs Euro (nach zwei
Stunden vier Euro), Übernachtungspauschale: 90 Euro, Bezahlung
per Kreditkarte oder in bar, www.minutesuites.com
Napcabs: Flughafen München, Terminal 2 (Ebene 4, Gate 06) &
Terminal 2 (Ebene 5, Gate H32). Preis: 15 Euro/Std. (6 bis 22 Uhr) bzw.
10 Euro/Std. (22 bis 6 Uhr); Mindestbetrag: 30 Euro; Bezahlung per
Kreditkarte. www.napcabs.net
Yotel: Flughäfen London-Gatwick (Süd-Terminal), London-Heathrow
(Terminal 4) & Amsterdam-Schiphol (Haupt-Terminal). Preis:
11,50 Euro/Std., Mindestnutzdauer: vier Stunden. www.yotel.com
November 2014 Reise | CHILLI 69