Giovanni Serro (um 1600–um 1675)

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Giovanni Serro (um 1600–um 1675)
Giovanni Serro (um 1600–um 1675)
Misoxer Baumeister
Von Giovanni II (auch «Zuan, Zan», Johann) Serro (auch Scero, de Scerris, del Scero,
Cerro) aus Roveredo fehlen uns die Lebensdaten.1 Er ist nach dem Buch der Bruderschaft
von San Giulio in Roveredo der Sohn von «Zan» Antonio Serro2, der Hofingenieur von
Kurfürst Wolfgang Wilhelm (1614–1653) von Pfalz-Neuburg ist. In Bruderschaftsbuch von
Roveredo wird Giovanni 16233 als «Zuan» erstmals erwähnt. Im Zeitraum von 1634 bis
1672 ist er als Baumeister aktenkundig. Er wirkt 1640–1657 in Neuburg an der Donau, wo
er das Obergeschoss des Rathauses erneuert und Langhaus und Turm der Kirche St. Peter
baut. 1654 wird Serro von Fürstabt Roman Giel von Gielsberg nach Kempten gerufen, wo er
in Nachfolge des in Ungnade gefallenen Michael Beer den Neubau der Stiftskirche St. Lorenz
und der fürstäbtlichen Residenz weiterführt. Seine Änderungen der geplanten und schon
gebauten Bauteile sind so gewaltig, dass Serro mit Recht als der eigentliche Schöpfer des
aussergewöhnlichen Kirchenbauwerkes betrachtet werden muss. Er ist in Kempten mit
Unterbrüchen bis 1670 tätig, baut für den Fürstabt auch an den heute abgegangenen
Schlössern Schwabelsberg und Kemnath und errichtet Wohnhäuser für den Hof in Kempten.
In Immenstadt baut er das Spital nach den Kriegszerstörungen wieder auf. Im
Winterhalbjahr ist Serro regelmässig in seinem Heimatort anzutreffen. Im Rechnungsbuch
des Tavernenwirtes ist er mehrfach in Gesellschaft der Brüder Barbieri, des Giovanni
Rigaglia und des Giovanni Zuccalli, dem Vater von Enrico, aufgeführt. Nachdem er
vermutlich bereits Urheber der 1656 eingeweihten Kirche Madonna del Ponte Chiuso in
Roveredo (GR) ist, wird ihm auch die 1664–1672 erbaute Pfarrkirche in Santa Domenica
(GR) zugeschrieben. Gemeinsam mit seinem Landsmann Giulio Barbieri plant er 1666–1667
den Hofflügel der Abtei St. Gallen und um 1672 den Neubau der Abtei Pfäfers. Nachher
verlieren sich die Spuren auch in seiner Heimat Roveredo.
Ort und Jahr seines Todes sind noch unbekannt. Eine Tätigkeit in Polen-Litauen, vielleicht
sogar eine Identität mit dem zwischen 1655 und 1671 in Vilnius und Krakau tätigen Jan
Zaor, ist zurzeit noch Hypothese.4
Für die 1685 begonnene Klosterkirche Fischingen kann er altershalber nicht in Frage
1
Die Serro von Roveredo sind Stamm einer in Someo im Valle Maggia beheimateten Familie. Verwandtschaftliche
Beziehungen zur Baumeister- Bildhauer- und Malerfamilie der Petrini aus Caneggio bestehen (Quelle: Ursula
Stevens).
2
Antonio Serro (um 1565–nach 1630), Hofingenieur, der 1622—1629 die Jesuitenkirche Sankt Andreas in
Düsseldorf baut und zur gleichen Zeit den Turm der Hofkirche in Neuburg an der Donau fertig stellt. Quelle: Ursula
Stevens, auch Beatrice Sendner in: Neues Licht auf Fischingen, Frauenfeld 2008. Nach Zendralli ist der in
Deutschland eingebürgerte Antonio Serro eher ein enger Verwandter (Onkel?).
3
Der Eintrag ins Meisterbuch erfolgt frühestens mit Beginn der Lehre im Alter von 11 bis 12 Jahren. Serros
Geburtsdatum kann deshalb mit spätestens 1612 angenommen werden.
4
Ursula Stevens stellt diese Hypothese in ihrem Aufsatz zu den verwandschaftlichen Beziehungen der Petrini und
Serro (Literatur) auf.
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kommen, obwohl diese Kirche vor allem im Gewölbebau Ähnlichkeiten mit den Arbeiten von
Giovanni Serro aufweist5.
Werkliste (nach Pfister):
1640–1642
Neuburg an der Donau (D), Rathaus, Obergeschoss.
1641–1646
Neuburg an der Donau (D), Kirche St. Peter, Neubau Langhaus und Turm.
1648–1656
Roveredo (CH), Kirche Madonna del Ponte Chiuso, Neubau (Zuschreibung).
1648, 1657
Roveredo (CH), Kirche S. Antonio, Mitarbeit.
1654–um 1670
Kempten (D), Benediktinerabteikirche St. Lorenz, Neubau.
1656
Neuburg an der Donau (D), Heiliggeistspital, Glockenturm, Neubau.
1656-1658
Kempten (D), Schloss Schwabelsberg, Umbau? (Gebäude abgegangen).
1656–1664
Kempten (D), Benediktinerabtei, Neubau Süd-, West- und Ostflügel.
1657
Neuburg an der Donau (D), Klosterkirche St. Wolfgang, Turm, Neubau
(Zuschreibung).
1658
Blindheim bei Dillingen (D), Pfarrkirche St. Martin, Turmerhöhung.
1658–1663
Kemnath bei Kaufbeuren (D), Schloss, Neubau (1803 abgebrochen).
1659
Immenstadt im Allgäu (D), Spital, Wiederaufbau (verändert ab 1856).
1664–1665
Kempten (D), Stiftsstadt, Wohnhäuser für Stiftsbedienstete.
1664–1672
Santa Domenica im Calancatal (CH), Pfarrkirche, Neubau (Zuschreibung).
1666–1667
St. Gallen (CH), Benediktinerabtei, Hofflügel (heute Bischofsflügel),
zusammen mit Giulio Barbieri, Planung, Ausführung durch Giulio Barbieri
und Daniel Glattburger.
1672
Pfäfers (CH), Benediktinerabtei, Hofflügel (heute Bischofsflügel),
zusammen mit Giulio Barbieri, Planung, Ausführung durch Ulrich Lang aus
Sargans.
Pius Bieri 2008/2013
5
Beatrice Sendner weist in: «Neues Licht auf Fischingen» auf die Ähnlichkeiten hin und vermutet Giovanni Serro
oder dessen Umkreis als Baumeister von Fischingen.
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Benutzte Literatur:
Zendralli, Arnoldo Marcelliano: Graubündner Baumeister, Zürich 1930.
Zendralli, Arnoldo Marcelliano: I Magistri Grigioni, Poschiavo 1958.
Pfister, Max: Baumeister aus Graubünden, Chur 1993.
Santi, Cesare: Serro, Giovanni, in: Dizionario storico della Svizzera, Locarno 2006.
Denkmalpflege des Kantons Thurgau (Hrsg): Neues Licht auf Fischingen. Die Restaurierung
der Klosterkirche, Frauenfeld 2008.
Stevens, Ursula: Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Baumeistern Petrini
aus Caneggio im Muggiotal, Tessin, dem Maler Petrini aus Carona, Tessin, und den
Baumeistern Serro aus Roveredo, Graubünden, in: Bollettino Genealogico della Svizzera
Italiana 12/2008. Separatdruck Poschiavo 2009.
Links:
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/i/I24496.php
Textdokument aus
http://www.sueddeutscher-barock.ch
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