Anlage, Komplikationen und Pflege des Shunt

Transcription

Anlage, Komplikationen und Pflege des Shunt
Pflege
Hämodialyse
Anlage, Komplikationen und
Pflege des Shunt
Der Shunt wird auch oft
als „Lebensader“ bezeichnet. So individuell wie
jeder Mensch ist, so individuell ist auch der Shunt.
Jeder Shunt ist einmalig in
seiner Art und verlangt
dementsprechend ein auf
ihn abgestimmtes medizinisches und pflegerisches
Vorgehen. Um eine individuelle auf den jeweiligen
Shunt des Patienten abgestimmte Shuntpflege durchführen zu können, bedarf
es bestimmter Voraussetzungen. Das sind spezielles Fachwissen über die
Shuntanlage, potentielle
Probleme und Komplikationen, Punktionstechniken,
spezielle auf den Shunt
des Patienten abgestimmte
Pflegemaßnahmen sowie
die Betreuung und Schulung des Patienten. Zudem
ist eine langjährige Berufserfahrung unerlässlich.
Teil 1 behandelte die
medizinischen und pflegerischen Grundlagen,
im folgenden zweiten Teil
geht der Autor speziell auf
die Pflege des Shunt ein.
Die Schwester/Der Pfleger 39. Jahrg. 7/00
Dieter Schmidt
2. Teil: Pflege des Shunt
Shuntpflege
Unter Shuntpflege versteht
man die Gesamtheit der Pflegemaßnahmen, die für die Anlage,
die Entwicklung und für den
langjährigen Gebrauch des
Shunts/der Fistel notwendig
sind. Die Shuntpflege lässt sich
in drei Bereiche der Pflege unterteilen: die präoperative Pflege, die postoperative Pflege und
in die spezielle Pflege des
Shunts, die mit der Erstpunktion des Shunts beginnt.
Präoperative Pflege
Die präoperative Pflege beginnt
bereits in der Phase der präterminalen Niereninsuffizienz,
wenn der Patient noch über
keinen Shunt/keine Fistel verfügt. Das Ziel der präoperativen Pflege ist die Gefäßschonung und das Gefäßtraining,
die entscheidenden Einfluss auf
die Shunt-/Fistelanlage haben.
Gefäßschonung
Die entscheidenden Maßnahmen für eine Gefäßschonung
sind:
– Eine für diagnostische und
therapeutische Zwecke notwendige Venenpunktion sollte
nur am Handrücken durchgeführt werden.
– Keine Verwendung von Verweilkanülen.
– Rechtzeitige Shuntanlage, besonders wichtig bei einem Patienten mit Diabetes mellitus.
Gefäßtraining
Das
Gefäßtraining
erfolgt
durch die Durchführung eines
gezielten Venentrainings. Mit
dem Venentraining sollte zirka
sechs bis zwölf Wochen vor der
Shuntanlage begonnen werden.
Zunächst wird der Patient über
die Notwendigkeit der Maßnahme aufgeklärt und anschließend in der korrekten
Durchführung des Venentrainings geschult. Diese besteht
darin, einen festen in der Hand
liegenden
Übungsschwamm
oder eine elastische Binde pumpend zusammenzupressen bei
gleichzeitiger
Anlage
einer
Blutdruckmanschette am Oberarm, die auf 60 bis 80 mmHg
aufgepumpt ist.
Das Venentraining sollte zirka
zehnmal zehn Minuten pro Tag
durchgeführt werden. Der Patient entwickelt durch die Eigenaktivität des Venentrainings
zudem Shuntbewusstsein.
Postoperative Pflege
Die postoperative Shuntpflege
beginnt unmittelbar nach der
Shuntanlage und endet mit der
Erstpunktion des Shunts/der
Fistel. Die entscheidenden Aufgaben der postoperativen Pfle-
567
Pflege
ge sind die Wundversorgung
des Shunts/Pflege des Patienten sowie die individuelle Patientenschulung.
Wundversorgung des
Shunts/Pflege des Patienten
Folgende
Pflegemaßnahmen
sind von entscheidender Bedeutung für die Wundversorgung
des Shunts/Pflege des Patienten:
Den Patienten entsprechend
seiner Einschränkungen in den
Aktivitäten des täglichen Lebens unterstützen.
Regelmäßiger
Verbandwechsel (nach ärztlicher Anordnung), in der Regel wird der
Verband nicht täglich gewechselt, sondern mehrere Tage belassen, zur Reduzierung der Infektionsgefahr.
Inspektion der Shuntwunde, im Rahmen des Verbandwechsels, auf Entzündungszeichen, Austritt von Wundsekret
sowie Hämatombildung.
Nach ärztlicher Indikationsstellung Durchführung und
Überwachung der Antibiotikatherapie.
Mehrmals täglich Funktionskontrolle des Shunts durch
das Pflegepersonal.
Shuntarm erhöht lagern als
Prophylaxe, zur Verhinderung
einer ödematösen Schwellung.
Schonung des Shuntarms,
keine starke Belastung.
Der Patient sollte keine beengte Kleidung am Shuntarm
tragen.
Falls erforderlich Gabe von
Schmerzmitteln (nach ärztlicher Anordnung).
Entfernung der Fäden: Teilfäden ab zehnten postoperativen Tag, Restfäden ab zwölften
bis 14. postoperativen Tag.
Pflege des Shuntarms mit
fetthaltigen Salben (erst nach
Entfernung der Fäden).
Patientenschulung
Das Ziel der Patientenschulung
ist es, den Patienten über die
Notwendigkeit der gezielten
Pflege seiner Shuntanlage aufzuklären und ihn zu befähigen,
568
seinen persönlichen Teil zu der
Pflege beizutragen. Folgende
Punkte sind Bestandteil der Patientenschulung:
Wiederaufnahme der Durchführung des Venentrainings ab
etwa dem vierten postoperativen Tag für rund zwei Monate.
Selbstständige Funktionskontrolle des Shunts/der Fistel.
Sauberkeit/Hygiene
des
Shunt-/Fistelarms.
Belastbarkeit und Verletzbarkeit des Shunt-/Fistelarms.
Erkennen von Komplikationen sowie das adäquate Verhalten nach Eintritt einer Komplikation.
Verhaltensregeln zur Verhinderung einer Komplikation.
Beurteilung des Shuntarms
auf Hautreizungen und Allergien.
Spezielle Pflege
des Shunts ab der
Erstpunktion
Die Voraussetzung für den Beginn dieser speziellen Pflege
des Shunts ist die nötige Ausbildung der Shuntanlage des
Patienten. Die Indikation für
die Erstpunktion des Shunts
stellt der behandelnde Nephrologe. Diese spezielle Pflege des
Shunts verlangt meiner Meinung nach ein individuell auf
den Patienten abgestimmtes
Vorgehen. Die Grundlage dieses
Vorgehens ist der Krankenpflegeprozess mit seinen sechs
Teilschritten (1. Informationssammlung, 2. Erkennen von
Problemen und Ressourcen,
3. Festlegung der Pflegeziele,
4. Planung der Pflegemaßnahmen, 5. Durchführung der Pflegemaßnahmen, 6. Beurteilung
der Pflege).
Das Ziel dieser speziellen Pflege des Shunts ist es, Shuntkomplikationen zu vermeiden, um
einen langjährigen Gebrauch
der Shuntanlage des Patienten
für die Hämodialysebehandlung zu ermöglichen.
In der folgenden Gliederung
der speziellen Pflege ab der
Erstpunktion möchte ich Pfle-
gemaßnahmen aufzeigen, die
nach meiner Meinung von entscheidender Bedeutung für die
Erreichung des oben genannten
Zieles sind.
Shuntanamnese
Zur Erhebung der Shuntanamnese gehören:
– Alter des Shunts,
– Lokalisation der Shuntanlage,
– Art der Shuntanlage: CiminoShunt oder E-PTFE-Prothese
sowie Art der Anastomose,
– Ausbildung des Shunts,
– Erstpunktion ja/nein bzw.
wann fand sie statt,
– Hautreaktionen/Allergien auf
Desinfektionsmittel oder Pflaster,
– Blutflussrichtung, Punktionsrichtung,
– Blutungsneigung/Gerinnungsprobleme,
– Nimmt der Patient gerinnungsbeeinflussende Medikamente ein, z. B. Marcumar?
Nach der Erstpunktion ist weiter wichtig:
– Welche
Punktionstechnik
wurde angewendet?,
– Art der Punktionskanülen,
– Punktionsprobleme ja/nein,
wenn ja welche?,
– Schmerzempfindlichkeit des
Patienten,
– 2-Nadel-Dialyse bzw. SNDialyse,
– Arterielle und venöse Drücke
sowie Komplikationen während der Hämodialyse,
– Abdrückzeit nach dem Ziehen
der Punktionsnadeln sowie
Probleme des Nachblutens.
Die Gesamtheit dieser Anamnesepunkte gibt Aufschluss
über den Ist-Zustand des
Shunts, dieser bestimmt die
Planung und Durchführung der
nächsten
gezielt
geplanten
Shuntpunktion. Zudem kann
die Erhebung der Shuntanamnese durch die Krankenschwester/den Krankenpfleger ein erstes Vertrauensverhältnis zum
Patienten schaffen sowie Ängste abbauen.
Die Schwester/Der Pfleger 39. Jahrg. 7/00
Pflege
Shunthygiene
Die korrekte Einhaltung der
Shunthygiene ist die entscheidende Präventionsmaßnahme
zur Verhinderung einer Shuntinfektion. Folgende Richtlinien
sind von entscheidender Bedeutung:
Reinigung des Shuntarms
mit Wasser und Seife. Der Patient muss in der korrekten
Durchführung dieser Maßnahme geschult werden. Zu beachten ist die Waschrichtung nach
distal und das Abtrocknen nach
distal mit Einmalhandtüchern.
„Ziel ist, nicht ein Verreiben
der Keimbesiedelung sondern
das Entfernen“ (1).
Hautdesinfektion: Punktionsareal großflächig desinfizieren. Wichtig: Vorher Allergien
des Patienten erfragen, damit
das für den jeweiligen Patienten notwendige Desinfektionsmittel, z. B. Softasept oder Betaisodona, verwendet wird. Die
ausreichende Einwirkzeit muss
beachtet werden. Alkoholische
Desinfektionsmittel am besten
abtrocknen lassen, da dies zwei
Vorteile hat: 1. Beachtung der
ausreichenden Einwirkzeit, 2.
Vermeidung eines brennenden
Gefühles, das beim Patienten
entsteht, wenn Alkohol durch
die Punktion unter die Haut gebracht wird. Nach der Desinfektion Punktionsareal nicht
mehr berühren.
Nach Abziehen der Kanülenschutzhülle bis zum Abschluss der Punktion darf sowohl der Patient als auch die
Person, die die Punktion durchführt, zur Vermeidung einer
Tröpfcheninfektion nicht sprechen, niesen, husten, lachen
usw. Bei einer Erkältung sollte
ein Mundschutz getragen werden.
Weitere Hygienemaßnahmen für
das Pflegepersonal:
– Täglicher Wechsel der Berufskleidung,
– Das Tragen von Schmuck an
der Hand und Unterarm ist
verboten,
– Lang wallendes Haar muss
nach hinten zusammengebun-
Die Schwester/Der Pfleger 39. Jahrg. 7/00
den getragen werden beziehungsweise Verwendung einer
OP-Haube,
– Durchführung der hygienischen Händedesinfektion vor
und nach jedem Patienten,
– Tragen von Einmalhandschuhen, ggf. Schutzbrille zum
Selbstschutz,
– Bei infizierten Patienten sollte zusätzlich ein Schutzkittel
und Mundschutz getragen
werden,
– Zusätzlich müssen die für eine Dialyseeinrichtung vorgeschriebenen Hygienerichtlinien eingehalten werden, auf
die nicht näher eingegangen
wird,
– Für die Punktion einer
Kunststoffprothese/E-PTFEProthese wird zudem die Benutzung von einem sterilen
Abdecktuch als Unterlage für
den Shuntarm und sterile
Einmalhandschuhe empfohlen, deren Handhabung aber
in den einzelnen Dialyseeinrichtungen sehr unterschiedlich ist.
Funktionsbeurteilung
des Shunts
Durch die korrekt durchgeführte
Funktionsbeurteilung des Shunts
verschafft sich der Punkteur einen
dreidimensionalen Eindruck vom
Shunt des Patienten.
Der dreidimensionalen Eindruck setzt sich zusammen aus
Sehen
(Inspektion),
Hören
(Auskultation) sowie Tasten
(Palpation) des Shunts.
Inspektion: Gibt Aufschluss
über Füllung und Verlauf des
Shunts, Länge der Punktionsstrecke, Platzierung der letzten
Punktionsstelle: Wichtig für die
Anwendung der Strickleiterpunktionstechnik, vorhandene
Shuntprobleme (z. B. Hämatom, Aneurysma, Rötung und
Schwellung) als Zeichen einer
möglichen Infektion, Hautreizungen, Allergien.
Auskultation: Die mit dem Stethoskop hörenden Geräusche
geben Aufschluss über die
Funktion des Shunts. Gleich-
mäßiges gutes Schwirren = gute
Durchblutung und Abtransport, schwaches Schwirren =
arterielle
Durchblutungsstörung, fehlendes Schwirren =
Shuntverschluss, hochfrequente Geräusche/Shunt klopft =
Abflusshindernis mögliche Stenose.
Palpation: Gibt Aufschluss
über die Gefäßfüllung, den Verlauf des Gefäßes, Schmerzempfindlichkeit als Zeichen für eine mögliche Infektion, hohen
Gefäßwiderstand durch Hämatombildung, fehlende Pulsation
als Zeichen eines Shuntverschlusses, ermöglicht eine Differenzierung zwischen echtem
oder falschem Aneurysma, da
echte Aneurysmen in alle Richtungen pulsieren und sich
wegdrücken lassen.
Je unbekannter der Shunt dem
Punkteur ist, desto wichtiger
ist die korrekt durchgeführte
Funktionsbeurteilung des Shunts,
die einerseits die Voraussetzung
ist für eine gezielt geführte
Punktion (= gezielt durch das
Gewebe ins Gefäß geführt) und
andererseits Aufschluss über
Shuntprobleme gibt.
Punktion des Shunts
Irgendwann ist für den Hämodialysepatienten mit Shuntanlage der Tag der Erstpunktion
des Shunts gekommen. Diese
erfolgt nach ärztlicher Anordnung meist erst nach der zweiten bis vierten postoperativen
Woche oder später, was um so
besser für den Patienten ist.
Die Erstpunktion stellt für den
Patienten eine besondere Situation/psychische Belastung
dar.
Eine gezielte Vorbereitung des
Patienten bereits im Vorfeld sowie die psychische Betreuung,
während der Vorbereitung und
der Durchführung der Punktion ist deshalb von großer Bedeutung. Die Erstpunktion sollte nur durch eine Ärztin/einen
Arzt beziehungsweise Krankenschwester/Krankenpfleger
mit großer Erfahrung erfolgen,
da Fehlpunktionen zumal bei
569
Pflege
Punktionsmöglichkeiten des
Gefäßzugangs
Grundsatz-Empfehlungen zur
Shunt-Punktion:
• Genaue Inspektion und Palpation des Shunts,
„bevor es losgeht“
• Individuelle Kanülenstärke und Kanülenlänge
für jede geplante Punktion bestimmen
• Wenn immer möglich, Strickleiterpunktion
(Grundsatz: „Mut zur Lücke“) anwenden
• Nie in die „Bergkuppe“ eines Aneurysmas punktieren
• Stenotische Shuntbezirke durch gezielte
Punktion erweitern
• Ausgiebige Desinfektion und sauberes Arbeiten
• Schnelle (und damit nahezu schmerzlose)
Punktion (Stichwort „Schuss“)
• Individuelle Heparinisierung
• Sichere Fixierung der Kanülen und ausreichend
lange dosierte Kompression nach dem Entfernen
der Kanülen am Schluss der Dialyse
So sichern Sie ein langes und weitgehend
komplikationsloses Leben für die „Lebensader“ und damit für den Patienten.
Abb. 1 Punktionsmöglichkeiten des Gefäßzugangs
der Erstpunktion für den Patienten ein traumatisches Erlebnis darstellen, das schädlich ist
für die Psyche des Patienten
und Angstzustände für weitere
notwendige Punktionen auslösen kann.
Punktionstechniken (Abb. 1)
Wegen der außerordentlichen
Belastung des Shunt, jährlich
mindestens 300 Punktionen, die
zur Narbenbildung an der
Haut, dem subkutanen Fettgewebe und der Gefäßwand
führen, wird deutlich, wie wichtig eine adäquate Punktionstechnik ist, um Shuntkomplikationen zu vermeiden und um eine langjährige Funktionsdauer
des Shunts zu gewährleisten.
Man unterscheidet drei
Methoden der Shuntpunktion:
1. Arealpunktion:
Bei dieser Methode wird für die
Platzierung der arteriellen und
venösen Punktionsnadel jeweils
ein bestimmter Bereich des
Shunts immer wieder genutzt.
Die Folge ist eine vulnerable
atrophische Haut, eine Hypothrophie und Vernarbung des
subkutanen Fettgewebes sowie
die Zerstörung der Gefäßwandstruktur mit Ausbildung von
Narbengewebe, das weniger be-
570
lastbar ist und zur Dilatation
des Gefäßes führt.
Es entstehen somit Aneurysmen
mit einer pergamentartigen
dünnen Hautdeckung. Diese
aneurysmatisch
veränderten
Gefäße neigen zur Ausbildung
von Wandthrombosen, die zu
einem Shuntverschluss führen
können. Außerdem begünstigen
sie eine lokale Infektion durch
die Ausbildung eines chronischen Wundschorfs und bewirken eine Stenosenbildung nach
dem Aneurysma. Deshalb ist
die Arealpunktion als eine ungeeignete Punktionstechnik anzusehen. Sie wird aber dennoch
häufig aus Angst/Sorge um eine
Fehlpunktion angewendet!
2. Knopflochpunktion:
Für diese Methode werden jeweils für die Platzierung der
arteriellen und venösen Punktionsnadel zwei bis drei konstante Punktionsstellen ausgewählt, die im Wechsel genutzt
werden. Entscheidend bei dieser Punktionsmethode ist der
gleiche Punktionswinkel, wodurch ein zylindrischer Narbenwall entsteht, der schließlich die Punktionskanüle führt
und die Gefahr einer Fehlpunktion reduziert.
Vor jeder Punktion muss der
Wundschorf, idealer Nährboden für Keime, entfernt wer-
den, um ein Vorschieben in den
Stichkanal zu vermeiden. Da
diese Gefahr nicht hundertprozentig auszuschließen ist, besteht stets die potentielle Gefahr
einer
Shuntinfektion
durch Anwendung dieser Methode. Deshalb ist die Knopflochpunktion aus hygienischer
Sicht abzulehnen.
3. Strickleiterpunktion:
Bei dieser Methode wird die gesamte Punktionsstrecke des
Shunts gleichmäßig ausgenutzt,
was einen räumlichen und zeitlichen Abstand zwischen den
einzelnen Punktionen ermöglicht. Daraus ergeben sich folgende Vorteile:
– Die punktionsbedingte Narbenbildung und Traumatisierung wird auf die gesamte
Punktionsstrecke des Shunts
verteilt, und eine Aneurysmaoder Stenosenbildung wird
somit meistens verhindert.
– Der räumliche und zeitliche
Abstand zwischen den einzelnen Punktionen reduziert die
potentielle
Gefahr
einer
Shuntinfektion.
– Eine gleichmäßige im kosmetischen Sinne vorteilhafte
Ausbildung der gesamten
punktablen Punktionsstrecke
des Shunts.
– Bei einer Kunststoffprothese/E-PTFE-Prothese bewirkt
sie eine gleichmäßige Belastung des Materials und verlängert somit die Funktionsdauer (Areal- und Knopflochpunktion bewirkt längerfristig eine Zerstörung des Materials in den jeweiligen Punktionsbereichen).
Aus diesen Gründen ist die
Strickleiterpunktion die Punktionstechnik der ersten Wahl!
Für die korrekte Durchführung
einer Shuntpunktion bedarf es
der Einhaltung gezielter Richtlinien, die entscheidenden Einfluss auf potentielle Shuntkomplikationen und damit auf die
Funktionsdauer des Shunts haben. Deshalb halte ich die Einhaltung der folgenden Vorge-
Die Schwester/Der Pfleger 39. Jahrg. 7/00
Pflege
hensweise für die Shuntpunktion als notwendig:
– Erhebung der Shuntanamnese,
– Einhaltung der Shunthygiene,
– Funktionsbeurteilung
des
Shunts,
– Bequeme und entspannte Lagerung des Shuntarms (z. B.
Shuntarm auf Armkeil lagern),
– Abklärung des Allgemeinzustandes (AZ) des Patienten,
bei schlechtem AZ Arzt informieren,
– Psychische Betreuung des Patienten,
– Alle Vorbereitungen für den
Hämodialysebeginn abschließen, Patient wiegen, Check
des Dialysegerätes, Material
für die Punktion bereitlegen
usw.,
– Für gute Lichtverhältnisse
sorgen,
– Dem
Patienten
je
nach
Schmerzempfindlichkeit durch
die Anwendung von lokalem
anästhesierenden Sprays, z. B.
Xylocain oder Salben, z. B.
Emla-Creme (sollte der Patient
bereits zu Hause auftragen),
eine schmerzarme Punktion
ermöglichen,
– Entsprechend der Ausbildung
des Shunts die geeignete
Kanülenstärke auswählen, die
entscheidend ist für die Höhe
der
Blutpumpeneinstellung
und somit für die Dialyseeffektivität. Die Farbcodierung
des Drehflügels gibt Aufschluss über die Kanülenstärke: Zum Beispiel bei der Firma bionic rot: 17 G = 1,5 mm;
grün: 16 G = 1,6 mm; orange:
15 G = 1,8 mm. Für die Erstpunktion einer Ciminofistel
sollten stets rote Punktionskanülen verwendet werden.
Die Punktion einer Kunststoffprothese/E-PTFE-Prothese erfolgt üblicherweise
mit zwei venösen Nadeln der
Stärke 17 G, da eine größere
Kanülenstärke die Prothese
zerstören könnte.
– Stauung des Shunts mittels
Stauschlauch oder Blutdruckmanschette. Vorteil der Blutdruckmanschette:
gezielte
Druckeinstellung; ein Druck
Die Schwester/Der Pfleger 39. Jahrg. 7/00
zwischen 50 bis 100 mmHg
wird empfohlen. Generell
sollte die Stauung nur so
stark und so lange erfolgen
wie unbedingt notwendig. Eine
Kunststoffprothese/EPTFE-Prothese sollte prinzipiell nicht gestaut werden.
– Anwendung der Strickleiterpunktionstechnik, deren Notwendigkeit dem Patient erklärt werden muss,
– Einhaltung des Punktionswinkels: bei einer Ciminofistel 30° und bei einer Kunststoffprothese/E-PTFE-Prothese 45° zur Reduzierung der
Gefäßverletzung.
– Punktionsrichtung:
Arterie:
anastomosennah punktieren,
möglichst drei Zentimeter Abstand zur Anastomose, Vene:
anastomosenferner punktieren
(herzwärts). Zwischen der arteriellen und der venösen
Punktionsnadel sollte ebenfalls mindestens drei Zentimeter Abstand eingehalten
werden
zur
Vermeidung/
Reduzierung einer Rezirkulation.
– Die Punktion sollte zügig und
nicht ruckartig erfolgen, was
zur Schmerzreduzierung beiträgt.
Abb. 2 Zugentlastung und
Fixierung
– Der Kanülenschliff der Punktionskanüle sollte bei der
Punktion nach unten gedreht
sein, woraus sich folgende
Vorteile ergeben: Reduzierung
der Gewebetraumatisierung,
Senkung der Verletzungsgefahr der Gefäßgegenwand, die
Möglichkeit des Festsaugens
wird reduziert sowie Blutungen aus der Punktionsstelle
treten seltener auf.
– Gelenknahe
(Ellenbogen)
Shuntpunktionen möglichst
vermeiden, da erhöhte Gefahr
des Durchstechens (durch das
Gefäß ins Gewebe) der Punktionskanüle durch Armbewegungen des Patienten besteht.
– Gute Fixierung der Punktionskanülen, so dass einerseits
die Spitze der Punktionskanüle in der Mitte des Gefäßlumens liegt und andererseits nicht die Gefahr des
Rausrutschens der Punktionskanüle besteht (Abb. 2).
– Die Kontrolle der korrekten
Lage der Punktionskanülen
im Gefäßlumen erfolgt durch
Aspiration von Blut sowie der
langsamen
Rückgabe
des
aspirierten Blutes, wobei der
Patient keine Schmerzen empfinden sollte und die Punktionsstelle nicht dick werden
darf.
– Weiter ist noch zu erwähnen,
dass die Punktion eines
Aneurysmas, wenn es sich
nicht vermeiden lässt, nur am
Beginn – sozusagen am Fußpunkt des Berges und nie in
den Gipfel – erfolgen darf.
– Generell ist noch festzuhalten, dass die Punktion in ein
bestehendes Hämatom sowie
die Punktion in einen entzündenden Bereich des Shunts
strengstens untersagt ist!
Der Beitrag wird in der nächsten Ausgabe mit dem 3. Teil zur Vermeidung von
Komplikationen abgeschlossen.
Anschrift des Verfassers:
Dieter Schmidt, Fachkrankenpfleger
für Nephrologie, Lehrer für Pflegeberufe
Augrabenweg 7
65929 Frankfurt/Main
571

Documents pareils