Salate für das kalte Folienhaus

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Salate für das kalte Folienhaus
Gemüsebau
Pflanzenbau & Technik
Salate für das kalte Folienhaus
Asia-Salate wachsen schnell und halten extreme Kälte gut aus. In der
Direktvermarktung bereichern sie das Frischesortiment in den Wintermonaten.
A
sien ist Megatrend und schon heute mitten
unter uns. Asia­Shops und ­Restaurants an
zentralen Plätzen der Städte, Stapel von bun­
ten Prospekten in Reisebüros und jede Menge fas­
zinierender Fernost­Kochbücher sind nicht zu über­
sehen. Und da sind wir schon beim Stichwort der
„asiatischen Küche“: Asien schmeckt nach exotischen
Gewürzen und geheimnisvoller Gemüsevielfalt.
Mittlerweile sind einige dieser Spezialitäten schon in
der heimischen Gemüseproduktion und ­vermarktung
angekommen. Sie bereichern das Sortiment beson­
ders für die Direktvermarktung, denn diese vielfäl­
tigen Neuankömmlinge fügen sich wunderbar in
unsere westliche „Salat­Esskultur“ ein.
Die folgende Entdeckungsreise in die Welt der Asia­
Salate konzentriert sich botanisch auf die Gattung
Brassica (Kohlgewächse). Spontan fällt uns dazu der
Chinakohl ein. Tatsächlich ist das der erste Einwan­
derer aus Fernost, lange bevor Schlagworte wie Asia­
Salate oder „japanese greens“ im Umlauf waren.
Unter hiesigen Klimabedingungen wurde der China­
kohl zu einem wichtigen, gut lagerfähigen Herbst­
und Wintersalat. In Ostasien nutzt man eine Vielfalt
von offenen und halboffenen, also nicht kopfbilden­
den Chinakohlsorten, die hierzulande gänzlich unbe­
kannt sind.
Pak Choi – der Asia-Allrounder
Eng verwandt mit dem Chinakohl ist der Pak Choi,
der auch Senfkohl genannt wird. Er bildet allerdings
keine Köpfe, sondern Blattrosetten mit breiten, flei­
schigen Blattrippen. Auf unseren Märkten ist manch­
mal weißstieliger Pak Choi zu finden, der immer wie­
der mit Mangold verwechselt wird. In China sind die
zarten, grünstieligen Sorten, in jungem Zustand als
Baby­Pak­Choi geerntet, besonders beliebt. Fein
geschnitten kann Pak Choi mit anderen Salaten ge­
mischt werden. Im Wok zubereitet, entfaltet er seinen
milden, angenehm­würzigen Geschmack und lässt
sich vielseitig verwenden.
Green Fortune (Enza Zaden), Hanakan (Uniseeds), Sa­
gami (Hild) und der rotblättrige Amur (Hild) sind Sorten,
die halbwegs schossfest sind. Wie bei allen anderen
Asia­Salaten empfiehlt sich ein Anbau erst ab August.
So lässt sich das Schossproblem ebenso wie ein unan­
genehmer Befall mit dem Kohlerdfloh vermeiden.
In China werden auch noch junge Blütentriebe des
Pak Choi im knospigen Stadium geerntet und als Choi
In einem mehrjährigen Forschungsprojekt wurde an
der Versuchsstation Zinsenhof des
Lehr- und Forschungszentrums
für Gartenbau ein
Kulturverfahren zur
heizungsfreien Winterernte von AsiaSalaten entwickelt.
Fotos: W. Palme
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Pflanzenbau & Technik
Gemüsebau
Red Glant als Baby-Leaf
Pak Choi als Baby-Leaf
sum (Blütenkohl) gebündelt auf den Märkten ange­
boten.
Rosetten-Pak-Choi – der dunkle
Pak-Choi-Verwandte
Wahrscheinlich ist der Rosetten­Pak­Choi oder Tatsoi
als Vorfahre des oben beschriebenen Pak Choi anzu­
sehen. Mit seinen ebenmäßigen Rosetten aus dunk­
len, blasigen Blättern sieht er nicht nur edel aus, im
Wok zubereitet schmeckt er auch so. Tatsoi ist ziem­
lich schossfest und im Baby­Leaf­Stadium ein zartes,
saftiges Salatkraut. Empfehlenswert sind die Sorten
Tatsoi (Enza Zaden) und Tama (Hild).
Mizuna – die japanische Salatschönheit
Mizuna ist der Name eines japanischen Gemüses,
das in keiner Asia­Mischung fehlen darf. Die fein ge­
schlitzten, weißgestielten Blätter vermitteln nicht nur
fernöstliche Ästhetik, sie bereichern Asia­Salate mit
einem feinen, zarten Kohlgeschmack. Der im deut­
schen Rheinland traditionell genutzte Rübstiel oder
Stielmus ähnelt dieser Fernostspezialität gemüse­
baulich und botanisch sehr stark. Nicht ohne Pathos
kann man also sagen, dass die Kohlgemüsetraditi­
onen von Ost und West einander hier auf außerge­
wöhnlich genussvolle Weise berühren.
Mizuna ist weitgehend schossfest und bildet Blatt­
rosetten, die bis zu einem Kilogramm schwer wer­
den können. Allerdings sollte man nicht zu spät ern­
ten, denn nur die jungen Blätter ergeben einen zarten
Blattsalat. Als Baby­Leaf angebaut, gehören Mizuna­
Salatkohle zu den am raschesten wachsenden Sor­
ten. Die Samenfirma Hild bietet die Sorte Mandovi an.
Blattsenf – feurige Vielfalt aus Fernost
Eigentlich wird unter dem Namen „Blattsenf“ eine
sehr vielfältige und faszinierende Gruppe von Kohlge­
müsen zusammengefasst. Sie werden im Fernen Os­
ten traditionell als Gemüse genutzt und erfreuen sich
dort großer Beliebtheit.
Klassiker wie Red Giant, Amchoi, Green­in­the­snow
oder Southern Giant bringen Farbe, Struktur und
Feuer in jeden Asia­Salat. Samenfirmen bieten auch
Golden Streaks, Red Streaks (beide Uniseeds) und
Agano (Hild). Diese zeigen fein geschlitzte Blätter,
während Bloody Mary (Hild, farbintensivere Weiter­
entwicklung von Red Giant) runde, rote Blätter aus­
bildet. Das Laub von Frizzy Joe und Kanda (beide Hild)
ist hellgrün gefärbt und fein gekraust. Frizzy Lizzy hat
eine ähnliche Blattform und eine rote Färbung. Allen
Blattsenfsorten gemeinsam ist ihr meerrettichartig­
scharfer Geschmack.
Salate für Energiesparer
Asia­Salate können ähnlich wie Feldsalat entweder
direkt gesät oder gepflanzt werden. Ihnen allen ge­
meinsam sind ihr extrem rascher Wuchs und ihre au­
ßergewöhnliche Kältetoleranz. Ein Forschungsprojekt
am Zinsenhof, der Gemüseversuchsstation des Lehr­
und Forschungszentrums Schönbrunn in Österreich,
zeigte, dass ein ganzjähriger Anbau dieses Sortiments
möglich ist. Durch geschickte Anbaustaffelung konn­
te ein System entwickelt werden, das eine Ernte im
Baby­Leaf­Stadium (6 bis 8 cm Blattlänge) im un­
geheizten Foliengewächshaus während des ganzen
Winters erlaubte. Auch bei Außentemperaturen von
­17 °C sind die Jungsalate praktisch nicht erfroren.
Die Blattrosetten lagen dann zwar flach am Boden
und sahen sehr glasig aus, waren nach langsamem
Auftauen der Blätter aber wieder frisch und unver­
letzt. Wichtig ist nur der Hinweis, dass gefrorene Sa­
latblätter nicht gedrückt oder mechanisch belastet
werden dürfen. Dann zerstören nämlich Eiskristalle
das zarte Blattgewebe, das sich schwarz verfärbt und
matschig wird.
Die Herbst­ und Wintersätze im Foliengewächshaus
werden ab Ende September alle 14 Tage bis Mitte No­
vember ausgesät. In Schönbrunn wurde mit 10 cm
Reihenabstand gesät, 100 bis 150 Korn pro laufendem
Meter. Anschließendes Anwalzen ermöglicht einen
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Mizuna als Baby-Leaf
gleichmäßigen Feldaufgang. Je nach Witterungsver­
lauf erntet man dann ab Anfang November bis über
den Winter. Novemberaussaaten werden erst im zei­
tigen Frühjahr erntereif.
Kühl und trocken
Über den Winter bei kalten Temperaturen wächst
die Pflanze nicht weiter, die Salate bleiben mehrere
Wochen erntefertig. Unsere Beobachtungen zeigten
aber, dass selbst kalte, aber sonnige Wintertage, an
denen sich tagsüber das Folienhaus erwärmt, die
Pflanzenentwicklung förderten. Für eine frostfreie
Ernte sind solche Tage ideal. Falls aber trübe Tempe­
raturen ein Auftauen tagsüber verhindern, muss sehr
vorsichtig geerntet werden. In Innenräumen kann
man die Salate in Ruhe auftauen lassen, erst dann
werden sie verarbeitet oder verpackt. Die Erträge bei
der Baby­Leaf­Ernte liegen je nach Jahreszeit und
Blattlänge zwischen 0,5 und 2 kg/m².
Während der Wintersätze muss man auf eine sehr
trockene Kulturführung achten. Stets sollte die Kul­
tur im Folienhaus mit Frischluft versorgt werden, da
sich Pilzkrankheiten breitmachen können und es zu
Ausfällen kommen kann.
Asia­Salate kommen während der Wintermonate
mit dem reduzierten Lichtangebot zurecht. Man soll­
te aber auf zusätzliche Vlies­ oder Folienabdeckung
auch deshalb verzichten, weil die Kultur dadurch zu­
sätzlich abgedunkelt wird.
Ab Mitte März neigen einige Sorten zum Schossen.
Sie können entweder im Mikrostadium vor Schossbe­
ginn oder aber im knospigen Stadium als Brokkoli­
ähnliches Gemüse geerntet werden.
Die Frühsommersätze werden regelmäßig vom Kohl­
erdfloh befallen. Im Bio­Anbau kann diesen unange­
nehmen Schädlings nur durch eine Bedeckung mit
einem Insektenschutznetz (Maschenweite 0,5 mm)
bekämpfen.
Die Wintersalatsätze können auch mehrmals beern­
tet werden, wenn man die Salate über dem Vegeta­
Blattsenf, Sorte Red Streaks
tionspunkt schneidet. Allerdings entstehen dadurch
meist Unkrautprobleme, wie sie bei Einmalernte
überhaupt nicht auftreten.
Die positiven Erfahrungen aus dem Schönbrunner
Projekt legten den Grundstein für eine neue For­
schungsstrategie an der Abteilung Gemüsebau des
Lehr­ und Forschungszentrums Schönbrunn. Dabei
sollen Produkte mit geringem Energieeinsatz entwi­
ckelt werden, die ökologischen Wert und Genusswert
in zukunftsträchtiger Weise verbinden sollen. Viele
Salatgemüse sind nämlich wesentlich frosthärter, als
es in den Lehrbüchern steht. Das eröffnet neue Chan­
cen für ein spannendes Wintersortiment vor allem für
direkt vermarktende Klein­ und Mittelbetriebe.
Wolfgang Palme, Lehr- und Forschungszentrum für
Gartenbau, Wien-Schönbrunn,
E-Mail: [email protected], www.gartenbau.at
Literaturtipp
Eliot Coleman gilt als Pionier der
Wintergärtnerei und ist erfolgrei­
cher Bio­Gärtner, Autor, Vortragen­
der und Berater. Seit Jahrzehnten
beschäftigt er sich mit der ressour­
censchonenden Winterproduktion
von Bio­Gemüse auf seiner „Four­
season­farm“ in Maine, im kalten
Nordosten der USA. Seine bewähr­
ten und detailliert erklärten Tech­
niken überzeugen auf Anhieb und
sorgen für eine köstliche und vita­
minreiche Ernte im Winter. Im Sommer
erscheint sein tausendfach gelesenes Grundlagenwerk „Winter Harvest
Handbooks“ auch in deutscher Sprache.
Ab Mitte August im Buchhandel erhältlich: Eliot Coleman: Handbuch Win­
tergärtnerei – Frisches Biogemüse rund ums Jahr, aus dem Amerikani­
schen von Angelika Palme übersetzt, ca. 256 Seiten, fest gebunden, mit
zahlreichen Farbfotos und Grafiken, 24,90 Euro, ISBN 978­3­7066­2565­4
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