stone Joss - Absolut Beautiful

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Porträt
Porträt
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Text: Margit Dörner
F o t o s : K r i s t i n B u r n s , D a v e St e w a r t / U n i v e r s a l
44 A b s o l u t
Beautiful
Joss
Stone
Absolut BeauTiful
45
K r i st in Bu r n s
Sie wird „Aretha Joplin” genannt, weil sie die außergewöhnliche Stimme
der Souldiva und die Frische und Jugendlichkeit der 60er-Jahre-Bluesvokalistin hat. Seit einem Jahrzehnt kämpft die britische Sängerin für ihre
künstlerische Freiheit und liebt es, Dinge „for a good laugh” zu machen.
Porträt
Porträt
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Beautiful
Mit 13 Jahren tritt Joss bei der BBC Talentsuche „Star For a Night“ auf und überzeugt
mit Donna Summers Hit „On the Radio“.
Der Soul in ihrer Stimme ist nicht zu überhören. Sie gewinnt und bekommt ein Jahr
später ihren ersten Plattenvertrag in Amerika.
Ihr Debütalbum 2003 entsteht als zufälliges
Produkt: Bei Aufnahmen von Coversongs
bekannter 70er Jahre-Interpreten wie Betty
Wright überzeugt das Ergebnis so sehr, dass
die Sammlung unter dem Namen „The Soul
Sessions“ veröffentlich wird. Joss entscheidet
sich für den Künstlernamen Stone, ein Name,
der Stärke und Kraft verkörpern soll. Wenig
später ist er in aller Munde, denn das Album
Die Türen stehen offen im Musikbusiness. Gemeinsam mit Größen wie
Robbie Williams, Tom Jones, Stevie Wonder und James Brown performt
sie auf der Bühne. MusikerkollegInnen schätzen ihre außergewöhnliche
Stimme und Joss macht gerne mit, solange es Spaß macht. Das einst
kichernde Mädchen wird erwachsen und verlangt nach mehr künstlerischer Freiheit. Sie liebt Musik und möchte mit anderen Musikern Jamsessions veranstalten und Songs aufnehmen, ohne um eine Genehmigung
bei ihrer Plattenfirma betteln zu müssen. 2009 entsteht das neue Album
„Colour Me Free“, das sie in kurzer Zeit im Club ihrer Mutter in einem
kleinen Dorf in Großbritannien aufnimmt. Ein richtiges Tonstudio gibt es
nicht, ganz in Joss’ Sinne wird improvisiert. Aber über so viel Spontanität
ist ihre Plattenfirma EMI not amused, die Zusammenarbeit wird immer
schwieriger und eine Trennung ist am Ende unausweichlich. Die Single
„Free Me“ leitet wortwörtlich eine neue Phase in ihrem künstlerischen
Leben ein. Die nun gewonnene Unabhängigkeit nimmt sie als Anlass, ein
eigenes Label zu gründen, „Stone’d Records“, eine Anspielung auf ihren
Hang zu Marihuana inklusive. Neben ihrer eigenen Vermarktung hält
sie Ausschau nach jungen, vielversprechenden Musikern wie ihre erste
Entdeckung, die britische Band „Yes Sir Boss“.
Joss Stone ist nun mal ein Freigeist, lässt sich nicht gerne binden. Das
bezieht sich auch auf ihr Privatleben. Die absolute Liebe habe sie in
einer Person noch nicht gefunden, aber in der Musik. Das klingt nach
Flowerpower pur. Fehlt nur noch ein VW-Bus und – ach ja – den hat sie
natürlich auch. Janis hat sie ihn getauft, vermutlich nach der Rebellin
Janis Joplin.
Die Freiheit, ausschließlich nach ihrem Willen handeln zu können,
weiß sie auch vollends zu nützen. So ist ihr VW-Bus keineswegs nur
Zierde in ihrem englischen, aber nicht übergepflegten Garten. 2011
erzählt ihr ein Freund von seinen Plänen, nach Spanien zu fahren,
um an seinem Boot zu arbeiten. „Ich hatte in der Woche nichts vor
und dachte mir, warum nicht, hört sich nach Spaß an.“ Und plötzlich fand sie sich wieder, mitten auf den Pyrenäen unter zufälligen
Bekanntschaften und mit einem kaputten VW-Bus. Sie kommt 4
s
Girl meets Soul
Freiheit und Unabhängigkeit
Burn
S ton e ’ d R e cord s
Mit 13 Jahren trat
Joss bei der BBC
Talentsuche „Star
For a Night“ auf und
überzeugte mit
Donna Summers Hit
„On the Radio“. Der
Soul in ihrer Stimme
war nicht zu überhören. Heute hat sie mit
„Stone’d Records“
ein eigenes Label
und entzieht sich
den Zwängen des
Music-Biz.
schlägt ein. Ihr Stil, ein Mix aus Soul und Blues, ist ungewöhnlich und
eine willkommene Überraschung in der Musikwelt. Niemand vermutet
hinter dieser starken Stimme mit besonderer Tiefe und viel Gefühl eine
16-jährige weiße Britin. Joss Stone ist ein wandelnder Widerspruch und
ihr Musikstil ist in Interviews immer Thema: „Ich bin mir sicher, Britney
Spears wurde noch nie gefragt, wie sie zur Popmusik kam. Und wenn ich
schwarz wäre, würde sich auch niemand wundern. Ich mache einfach
Musik und finde es toll, in keine Schublade zu passen.“
Der Druck nach ihrem Erfolgsalbum ist groß, ein Album mit Coversongs
zu produzieren ist eine Sache, eigene Texte zu schreiben eine andere.
2004 erscheint ihr „wirkliches“ erstes eigenes Album, bei dem sie selbst
ihre Kreativität auslebt. „Mind, Body & Soul“ steht dem Erfolg ihrer
vorherigen Veröffentlichung in nichts nach. Joss heimst dafür sogar drei
Grammy-Nominierungen ein, darunter eine für „Best New Artist“. Aber
erst das dritte Album „Introducing Joss Stone“ gibt ihr die Gelegenheit,
mehr von sich preiszugeben, eine andere Facette zu offenbaren. Sie nennt
es auch ihr bis dahin „ehrlichstes“ Album. Schrille Kleider und in allen
Violettnuancen gefärbte Haare signalisieren ihren wachsenden Drang
nach Freiheit. Unglaubliche elf Millionen Mal gehen ihre ersten drei Alben insgesamt über den Ladentisch. Dank ihrer steilen Karriere erleben
die Musikrichtungen Soul und Blues eine Wiedergeburt im Mainstream,
eine Leistung, für die sie international großes Ansehen erntet.
K r is t in
V
ery british zu sein bedeutet in erster
Linie eine Reihe von Klischee-Vorstellungen: Spießigkeit, ein Leben
nach der Etikette und ein überaus
morbider Humor. Joss Stone, aufgewachsen
in Dover in der Region Südostengland, ist
Britin. Typisch britisch ist sie allerdings nicht
im Geringsten.
1987 geboren, ist ihre „Love, Peace and
Rock’n’Roll“-Lebenseinstellung nicht nur
weit weg von jeglichem Klischee, sondern
viel eher scheint sie aus der Hippie-Bewegung
der 70er Jahre entsprungen zu sein. Ihr Stil
ist gewollt „undone“, eine lockige blonde
Mähne und luftige
Sommerkleider sind
ihr
Markenzeichen.
„Ich möchte gerne
von mir selbst glauben, dass ich keinen
bestimmten Stil habe.
Ich trage einfach das,
nach dem mir gerade
ist“. Sie liebt Schuhe,
trägt sie aber nur sehr
selten. Auf der Bühne
erlebt man Joss ausschließlich barfüßig,
nicht nur weil es ihrer freiheitsliebenden
Persönlichkeit entspricht, sondern auch weil
sie von sich selbst behauptet: „Mit Schuhen
werde ich auf der Bühne zu Marge Simpson.
Ich brauche die Erdung.“ Das schrille Organ
der bekannten Zeichentrickfigur ist das Gegenteil ihrer souligen Singstimme, der sie es
hauptsächlich zu verdanken hat, in einem Alter von 24 Jahren bereits ein Jahrzehnt lang
erfolgreich zu sein, während Altersgenossen
erst versuchen ihre Karriere zu starten.
Ihre „Love, Peace and
Rock’n’Roll“- Lebenseinstellung ist nicht nur
weit weg von jeglichem
Klischee, sondern
scheint viel eher aus der
Hippie-Bewegung der
70er Jahre entsprungen
zu sein. Ihr Stil ist gewollt
„undone“, eine lockige
blonde Mähne und lufIm Moment ist die ziertige Sommerkleider sind
liche Schönheit Natalie
ihr Markenzeichen.
Portman rundum glücklich. Sie ist beruflich ganz
oben angelangt und
privat mit dem Mann ihrer
Träume verlobt. Schwanger und glücklich nahm
sie im Jänner den Golden
Globe in Empfang.
Absolut BeauTiful
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Porträt
Porträt
Neue Herausforderungen
Dave Stewart
In der Sonne Spaniens bekommt sie einen Anruf von Eurythmics-Gründer Dave Stewart, er
ist bekennender Joss-Stone-Fan und hat gerne
spontane Geistesblitze. Genau nach ihrem Geschmack. Er schlägt vor, sie solle doch für eine
Woche nach Nashville kommen, er habe ein
Tonstudio, eine tolle Band und sie die perfekte
Stimme. Ohne den Hauch einer Idee, wie ihr neuestes Projekt klingen
soll, begibt sich Joss auf Abenteuerreise. Und hier, in der Hochburg der
Country Music, entsteht in der bemerkenswerten Zeit von sechs Tagen
ihr neues Album mit dem nüchternen Titel „LP1“. Es ist ein Neuanfang für ihre musikalische Zukunft und sie selbst ist überrascht von dem
Sound, der mit Elementen aus Country, Rock und Soul spielt.
Die Kollaboration mit Dave Stewart findet ihre Fortsetzung in der All-StarGruppe SuperHeavy, die ihr Debütalbum im Herbst 2011 veröffentlicht.
Neben Joss Stone und Dave Stewart gesellen sich Rolling-Stones-Frontmann Mick Jagger, Raggaesänger und Bob-Marley-Sprössling Damian
Marley und der indische Komponist und Oscar-Gewinner A.R. Rahman
zu der Formation. Die Idee dahinter, verschiedene Musikrichtungen aus
verschiedenen Teilen der Welt zu vereinen, wurde von Dave Stewart auf
einer Reise in Jamaika geboren. Unter dem Motto „Freiheit für die Musik“ schlossen sich die fünf Musiker zehn Tage in ein Tonstudio ein und
ließen ihrer künstlerischen Intuition freien Lauf. Joss Stone, das Musikküken unter den Männern, fühlt sich in jedem Musikgenre zu Hause und
Steckbrief:
Geboren: 11. April 1987
Sternzeichen: Widder
Geburtsname: Jocelyn Eve Stoker
Isst: Vegetarisch und viel Käse
Liebt: Hunde
Vorbilder: Aretha Franklin, Lauryn Hill
Laster: Bier und Marihuana
Lieblingssong: „Brave and Crazy“ von
Melissa Etheridge
Unterstützt: PETA
Lieblingsparfum: Eden von Cacharel
Discographie:
2003 The Soul Sessions
2004 Mind, Body & Soul
2007 Introducing Joss Stone
2009 Colour Me Free
2011 LP1
2011 SuperHeavy
2011 The Best of Joss Stone
Webadressen:
www.jossstone.com
www.stoned-records.com
www.superheavy.com
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Beautiful
sorgt in der Band für
eine Prise Jugendlichkeit und Soul.
Das heißersehnte
Album
bekommt
unerwartete mediale
Aufmerksamkeit und die erste
Singleauskopplung
„Miracle
Worker“
wird zum Erfolg.
Nicht nur musikalisch stürzt sich Joss immer
wieder in neue Abenteuer, auch in Sachen
Schauspiel ergreift sie gerne reizvolle Angebote. Nach einer Nebenrolle im Fantasyfilm
„Eragon“ in 2006 spielt sie in der Erfolgsserie
„The Tudors“ die Adelige Anne of Cleves mit
deutschem Akzent.
Polydor/Universal
dennoch in Spanien an und aus einer Woche
Boot schrubben werden plötzlich vier.
Landleben, Hunde und Cupcakes
Im Landhaus ihrer Eltern in ihrem Heimatdorf Devon lebt sie bodenständig mit ihren
Hunden, Rottweiler Missy und Malteser
Dusty, die sie auch auf Reisen mitnimmt
und wie ihre Kinder behandelt. Wenn sie zu
Hause ist, frönt sie ihrer Leidenschaft, dem
Kochen und Backen. Dann versorgt sich die
von Geburt an praktizierende Vegetarierin
mit gesunder Kost und backt Cupcakes, die
sie in der lokalen Bäckerei verkauft, nicht unter ihrem Namen, denn „die Leute sollen sie
einfach genießen“.
Aber auch hier im beschaulichen englischen
Dorf ist sie nicht ganz sicher vor Neidern.
2011 werden zwei Männer vor ihrem
Anwesen festgenommen, bewaffnet mit
Schwertern, Stricken und Leichensack. Ganz
knapp entgeht sie einem Verbrechen. „Jetzt
habe ich ein Türschloss, davor hätte ich die
Welt hereingelassen“, sagt sie immer noch
scheinbar sorglos. An einen Ortswechsel
denkt sie nicht, sie will in Devon bleiben,
obwohl oder gerade weil sie eine Weltenbummlerin ist, die der Musik folgt, wohin
die Reise auch gehen mag. Sie ist Optimis­
tin und glaubt daran, dass sich alles fügen
wird. „Man muss einfach nur das machen,
was man wirklich will“, sagt sie ganz salopp,
so als würden in ihrer Welt Probleme nicht
existieren. Joss Stone führt ein scheinbar unbritisches sonniges Leben in ihrem Dorf in
England. Aber dann ist da doch noch eine
Eigenschaft zu finden, die sie als very britisch
entlarvt: Ihr Lieblingsgetränk ist Tee, von
dem sie sogar an heißen Tagen bis zu sechs
Tassen genießt. g
Absolut BeauTiful
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