Sicherheit rund ums Pferd
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Sicherheit rund ums Pferd
Romo Schmidt Sicherheit rund ums Pferd Inhalt Mensch und Pferd – (nur) mit Sicherheit ein gutes Team 1. Sicherheit fängt mit artgerechter Haltung an Stabiles Nervenkostüm durch Außenreizflutung 2. Der sichere Umgang mit dem Pferd Pferde sicher anbinden Halfter und Stricklängen Sicherheitsknoten und Panikhaken Sicherheitsregeln für die Pferdepflege Sicherheit beim Führen 5 6 8 10 12 14 15 17 19 Kleidung, Halfter und Führstrick 21 Sicherheit beim Pferdetransport 23 Das sichere Gefährt Sicher Verladen und Entladen Sicherheit durch umsichtige Fahrweise 23 25 28 Pferde sicher behandeln und beschlagen 29 Sicherheit durch Übung Sicherheit durch Verständnis und Geduld Sicherheit durch Ruhigstellen 30 30 32 Sicher aufs Pferd steigen Sicherheit durch die Aufstieghilfe Sicherheit durch korrektes Aufsitzen 3. Sicherheitsausrüstung fürs Reiten Helme Reithelmtests 33 33 34 36 37 38 Reithandschuhe und -schuhe Sicherheitssteigbügel Sicherheitswesten 39 40 40 Airbagwesten: »Luftschutz« beim Reiten 42 Reflektierendes Zubehör bei Nachtritten und schlechter Sicht 4. Sicherheit für den Reiternachwuchs Das ideale Schulpferd für Kids Kindgerechter Reitunterricht Überforderung vermeiden! Reitunfälle bei Kindern und Jugendlichen 46 48 50 51 52 54 5. Unfallverhütung im Stall, auf der Weide und in der Reitbahn 55 Sicherheitsvorkehrungen im Stall und auf der Weide Sinnvolle Sicherheitsregeln Bahnregeln Benimm-Regeln für Stallhunde 56 57 57 58 Sichere Reitplatzeinfassungen 60 6. Sicher durch Gelände und Straßenverkehr 62 Schwierige Geländeformationen und ungünstige Bodenverhältnisse Riskante Begegnungen, Wetterunbilden Pferde verkehrssicher machen Haftung bei Unfällen im Straßenverkehr 7. Sicherheitsrisiko Rittigkeitsprobleme Buckeln Scheuen Durchgehen Steigen 63 65 68 70 71 75 75 76 77 8. Organisationen und Projektgruppen zur Reitersicherheit 78 Hamburger Arbeitsgruppe Reitsicherheit 79 Falltraining 80 Wie Reiter richtig vom Pferd fallen lernen 80 Hightechprojekt »Equisave« der Europäischen Union 81 9. Verletzungen richtig einschätzen 83 Richtiges Verhalten im Notfall Erste-Hilfe-Maßnahmen Hilfe holen Auffinden der Unfallstelle Personenortungsgeräte Erste-Hilfe-Reiterstaffeln 84 85 86 88 88 89 10. Unfallversicherungen 90 Ausschließungsgründe 92 Autorenporträt 95 3 Vorwort Mensch und Pferd – (nur) mit Sicherheit ein gutes Team Mensch und Pferd – (nur) mit Sicherheit ein gutes Team Mensch und Pferd – (nur) mit Sicherheit ein gutes Team Alle 17 Minuten verletzt sich in Deutschland ein Mensch, weil ein Pferd da war. Und das sind nur die offiziellen Zahlen. Man schätzt die Dunkelziffer mit leichten bis mittleren Verletzungen, die nicht in die Statistiken von Krankenhäusern, Versicherungen und Krankenkassen eingehen, etwa um das Zehnfache höher. So ist einer aktuellen Studie nach das Unfallrisiko im Reitsport 20-mal höher als beispielsweise im Motorradsport. Diese Tatsache begründet sich unter anderem darin, dass sich Unfälle im Pferdesport im Gegensatz zu denen, die aus anderen unfallträchtigen Sportarten resultieren, nicht nur während der Ausübung des eigentlichen Sports ereignen. Eine große Anzahl aller pferdesportbedingten Unfälle entstehen im bloßen Umgang mit einem Pferd. Diese hohe Verletzungsgefahr wird aber von den meisten Pferdehaltern und Reitern nicht nur unterschätzt, sondern erst gar nicht thematisiert. Sicherlich ist jedem klar, der sich mit Pferden befasst, dass ein vorwiegend instinktgeleitetes Tier auch ein ge- wisses Risiko darstellt, präventives Denken und Handeln erfolgt aber in der Regel daraus nicht oder nur unzureichend. In ihrer 2013 erschienenen Dissertation »Unfallursachen, Unfallmechanismen, Verletzungsmuster und Behandlungsnotwendigkeit von Reitunfällen« schreibt Dr. med. Victoria Christiane Eckert: Äußerst »unbefriedigend sind die aktuellen Sicherheitsstandards sowohl im Freizeit- als auch im Turnierreitsport«. Deshalb seien entsprechende Kenntnisse von großer Notwendigkeit, da diese zum Rückgang von Unfällen im Reitsport sowie zur Minderung der Schwere reitunfallbedingter Verletzungen beitragen könnten. Dieser Ratgeber möchte Wissenslücken schließen, ohne unnötig Ängste zu schüren. Denn auch zu große Unsicherheit gegenüber dem Pferd kann Unfälle heraufbeschwören. Vielmehr besteht die Absicht darin, dem Leser praxiserprobte und alltagstaugliche Sicherheitstipps an die Hand zu geben, mit deren Hilfe er potentielle Gefahren rechtzeitig erkennen und abwenden kann. 5 1. Sicherheit fängt mit artgerechter Haltung an 1 Sicherheit fängt mit artgerechter Haltung an 1. Sicherheit fängt mit artgerechter Haltung an 1. Sicherheit fängt mit artgerechter Haltung an Um es gleich vorwegzunehmen: Von Pferden, die ihr Leben in ausschließlicher Boxenhaltung verbringen müssen, geht in der Regel eine größere Gefahr aus als von solchen, die in einem pferdegerechten Habitat untergebracht sind. Denn es ist mittlerweile wissenschaftlich untermauert, dass eine dauerhafte Einschränkung oder Behinderung der Triebauslebung zu Unausgeglichenheit beim Pferd und damit zu Missverständnissen und Problemen zwischen Reiter und Pferd führen kann. Eine 2011 durch- geführte wissenschaftliche Untersuchung ergab nach Auswertung verschiedenster Verhaltensmuster übrigens Hinweise, dass sich Pferde auch in der Einzelhaltung wohl fühlen können, wenn Haltungsund Stallmanagement auf hohem Niveau geführt werden (Dr. med. vet. Marie Luise Wille: »Einzelhaltung versus Gruppenhaltung – ein Vergleich zweier Pferdehaltungssysteme unter dem Aspekt des Wohlbefindens«, Tierärztliche Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München). Offenstallpferde sind nachweislich nervenstärker und dadurch sicherer. 7 Stabiles Nervenkostüm durch Außenreizflutung Stabiles Nervenkostüm durch Außenreizflutung Pferde sind von Natur aus auf eine multiplexe Reizanflutung angewiesen. Eine ständige Reizverarmung und Senkung der Reizschwelle durch Innenboxenhaltung ohne Auslaufmöglichkeit im Außenbereich können dann bei schlagartiger Reizanflutung (= Herausholen aus der Box, Führen zum Anbindeplatz, Putzen, Satteln und Reiten im Gelände) mehr oder minder starke Verhaltensreaktionen erzeugen, die sich im Extremfall zu sogenannten Verhaltensabweichungen entwickeln: Die Pferdedecke auf der Hallenbande, die rote Bank am Waldrand oder noch viel banalere Dinge, die beim »normalen« Pferd als unterschwellige Reize empfunden werden und daher kaum Reflexe auslösen, werden durch fehlende kontinuierliche Sinneswahrneh- mungen als sogenannte überschwellige Reize verarbeitet. Dann reicht ein minimales Reizmittel aus, um die volle Reaktion zu erreichen (Alles-oderNichts-Prinzip). Jeder Pferdebesitzer kennt solche Überreaktionen, die sich in Scheuen, Rückwärtsgehen, Steigen oder Stürmen ausdrücken können. Zwar ist jedes Pferd ein Individuum und reagiert unterschiedlich auf verschiedene Stimuli, insgesamt gesehen geht es bei der Pferdehaltung aber eben auch darum, die Reize zu trainieren, um die Reizschwellen zu erhöhen. Dies kann beispielsweise eine entsprechend durchdachte Gruppenauslaufhaltung wie der Bewegungsstall bewirken, weil hier unterschiedliche Reizanflutungen durch Sinneswahrnehmungen wie Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken weitestgehend ermöglicht werden. Besonders speziell eingerichtete Kontakt- und Großzügige Paddockboxen sind eine artgerechte Alternative zur Gruppenhaltung. 8 Stabiles Nervenkostüm durch Außenreizflutung »Vorreiterin« Uta Gräf Die deutsche Berufs- und S-Dressurreiterin Uta Gräf hält ihre Turnier- und Ausbildungspferde so tiergerecht wie möglich: Weide- und/oder Paddockhaltung im Herdenverband, auch bei widrigem Wetter. Ein Teil der Einzelboxen auf Uta Gräfs Reitanlage Gut »Rothenkircher Hof« in Kirchheimbolanden sind drei Meter breit und 12 Meter lang. Daran schließen sich sechs Meter breite und 60 Meter lange frei zugängliche Paddocks an, die den Pferden jederzeit freie Bewegung ermöglichen. Die jungen und in der Grundausbildung stehenden Pferde leben in einem großen Laufstall mit Futterständen. Zusätzlich sind einige Pferde in Panel-Boxen direkt neben dem Laufstall untergebracht. Ein Potpourri an Habitaten mit viel Abwechslung und individueller Ausrichtung auf jedes einzelne Pferd. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Tierarzt Stefan Schneider heißt ihr Leitmotiv »Feines Reiten auf motivierten Pferden«, gleichzeitig auch der Titel des Buches, das mit Co-Autorin Friederike Heidenhof im FN-Verlag erschienen ist. Zu ihren aktuellen Erfolgen gehören unter anderem Siege und Platzierungen in Grand Prix und S-Dressur. Beim CDI Perl erhielt sie übrigens den Sonderehrenpreis für das »harmonischste Abreiten«. Sichtzonen, in denen die Pferde Tag und Nacht Einblicke in das Umfeld der Stallanlage wie Straßen, Wege, Innenhof oder angrenzende Wiesen nehmen (= Fernorientierung) und das Treiben darauf ausgiebig beobachten können, setzen die Reizschwellen herauf. Durch ihre angeborene Neugier werden die Pferde zudem veranlasst, immer wieder diese Reizzonen aufzusuchen, wenn etwas »ansteht« und bleiben dadurch überdies in Bewegung. Dieses Trainieren der Sinne bewirkt nachhaltig ein stabiles Nervenkostüm, das alltäglichen Situationen die notwendige Gelassenheit verleiht. Aber auch eine durchdachte Einzelhaltung mit Einzelpaddock und gegebenenfalls angrenzender Wiese kann die Reizschwelle erhöhen, da auch hier ein gewisses Maß der Fernorientierung gewährleistet ist. Das haben auch schon renommierte Dressurund Springreiter erkannt und mit einer Haltungsumstellung nicht nur physische Verbesserungen ihrer Pferde möglich gemacht wie die Erhöhung der Grundkondition (Lokomotion), ein wehrhaftes Immunsystem durch naturnahe Umweltbedingungen, eine reibungslose Verdauung, stabile Sehnen, Bänder, Muskeln und Knochen durch fortgesetzte Bewegung, ein gesunder Rücken durch ungehindertes Wälzen sowie gesunde Atemwege durch beständige Frischluft, sondern auch psychische wie eben das zuvor erwähnte zuverlässige Nervenkostüm infolge ständiger Außenreize und eine ausgeglichene Psyche durch das Ausleben ständigen Komfortverhaltens. 9 Sicherheitsregeln für die Pferdepflege 5 7 6 Der Equi-Ping gibt mehr Sicherheit beim Anbinden. Handhabung beim Anbinden von Pferden erleichtert und die Sicherheit in Reitbetrieben spürbar verbessert. Sicherheitsregeln für die Pferdepflege Auch beim Putzen oder Waschen eines Pferdes sollte Sicherheit an erster Stelle stehen. Das bedeutet, dass man niemals unachtsam werden darf und die Reaktionen seines Pferdes immer im Auge behalten sollte. Denn fahrlässiges oder gar leichtsinniges Vorgehen etwa aus Bequemlichkeit kann zu bösen Verletzungen führen. Hierzu zählt zum Beispiel das 17 Sicherheit beim Pferdetransport Zum Entladen wird die Hinterstange entfernt und bei nur einem Fahrgast die Trennwand breit gestellt. Das Anbinden im Hänger sollte stets so erfolgen, dass sich das Pferd ungehindert orientieren und ausbalancieren kann. Beim Rückwärtsrichten sollte dem Pferd Hilfestellung gegeben werden. links: Ein Fohlengitter ist ein Muss, wenn die obere Hängerklappe geöffnet bleibt. 27 Sicher aufs Pferd steigen Antiquiertes Aufsitzen bringt nicht nur das Pferd aus dem Gleichgewicht, sondern kann auch für den Reiter gefährlich werden. den Riemen gleich lang bleiben. Vor allem der Reiter profitiert, weil das Aufsitzen sicherer, leichter und mit einem besseren Winkel vonstatten geht. In vielen Reitställen gibt es leider noch immer als unsportlich, eine solche Hilfe zu nutzen. Doch selbst in den Richtlinien der FN wird inzwischen eine Aufstieghilfe zum Aufsitzen empfohlen und viele 34 Profireiter wie Ingrid Klimke sitzen zu ihrer eigenen Sicherheit und zur Schonung ihrer Pferde nur mit Aufstieghilfe auf. »Die Nutzung einer Aufsitzhilfe ist praktiziertes Horsemanship«, sagt Martin Plewa, Reitmeister und Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster. Allerdings sollten ausschließlich professionelle Aufsteighilfen verwendet werden. Ein Hocker, eine kleine Bank, umgestülpte Kisten oder Strohballen können gefährlich werden, da diese keine ausreichende Stabilität während des Aufsteigvorgangs bieten. Für die Reithalle gibt es auch professionelle Aufsitzhilfen, die an der Wand hinter der Bande angebracht werden, und automatisch wegklappen, wenn der Reiter aufgesessen hat (Info: Mounty Sport Products GmbH & Co. KG Münster, www.mounty.biz). Auch für moderne Pferdeanhänger werden inzwischen als Zubehör herunterklappbare Aufsitzhilfen angeboten, mit deren Hilfe man unterwegs, etwa auf einem Turnier, sicher und problemlos aufs Pferd steigen kann. Zum Nachrüsten für ältere Hänger gibt es zwei stabile Stützen, die links und rechts an der Heckklappe des Pferdehängers angebracht werden. Öffnet man diese bei geschlossener Klappe, lässt sie sich in eine horizontale Lage bringen und verwandelt sich so in eine Art Podest und somit zur Aufsitzhilfe (zum Beispiel »Mounty Step-Up Mobile Aufsitzhilfe«, Info unter www.horseservice-olpenitz.de; Preis um 140 Euro). Sicherheit durch korrektes Aufsitzen Manchmal wird der Aufsitzvorgang aber auch durch das Ungeschick des Reiters zum Problem. Sei es, dass man dem Pferd mit der Fußspitze in den Bauch tritt, lange am Sattel hängt, mit dem Schwungbein Sicher aufs Pferd steigen Korrektes Aufsitzen mit Aufstieghilfe ist pferdeschonend und sicher für den Reiter. die Kruppe berührt oder sich unsanft in den Sattel plumpsen lässt. Deshalb sollte man unbedingt seine eigene Art des Aufsteigens überprüfen, bevor man die Schuld beim Pferd sucht. Viele ältere Reiter steigen noch nach überholten Aufsitzregeln aufs Pferd: Sie stehen rückwärts mit Blickrichtung zur Kruppe und ziehen sich beim Hochschwingen mit der rechten Hand am Hinterzwiesel des Sattels hoch. Dadurch verdreht man sich aber während des Aufsitzens sehr stark, sodass das Pferd lange »gegenhalten« muss. Der Sattel rutscht leicht und man kann mit den Zügeln kaum mehr Einfluss nehmen. Außerdem muss man die Hand hinten am Sattel loslassen, um dem schwingenden Bein Platz zu machen. In diesem Moment stützt man das eigene Gewicht nur noch mit einer Hand ab, verliert schnell die Balance und fällt dann wie ein Mehlsack in den Sattel. Steigt man dagegen richtig auf, schont man sein Pferd und vermeidet gefährliche Aufsitzprobleme: Das Pferd gerade und parallel zu sich positionieren, sodass es sein Gewicht gleichmäßig auf alle vier Beine verteilt. Links seitlich zum Pferd mit Blickrichtung zum Pferdekopf stellen. Die Zügel zusammen mit einem Stück Mähne in die rechte Hand nehmen und den linken Fuß mithilfe der linken Hand in den Bügel stellen. Die Zügel in die linke Hand wechseln, wobei die Zügellänge gerade ausreichen soll, um das Pferd unter Kontrolle zu halten. Mit der rechten Hand über den Sattel auf die andere Seite des Vorderzwiesels oder Sattelblatts greifen. Mit dem Standbein abdrücken und sich bäuchlings mit dem Oberkörper über den Sattel schieben. Das rechte Bein über den Sattel schwingen und sanft in den Sattel gleiten, das heißt erst wenn der innere Oberschenkel Kontakt zum Pferd hat, das Gewicht von den Händen auf den Sitz verlagern. Mithilfe der rechten Hand den rechten Fuß in den zweiten Steigbügel stellen, aufrichten und die Zügel in beide Hände nehmen. 35 3. Sicherheitsausrüstung fürs Reiten 3. Sicherheitsausrüstung fürs Reiten Ein allgemein zunehmendes Sicherheitsdenken und moderne Materialien haben eine ganze Reihe neuer und innovativer Sicherheits-Ausrüstungsgegenstände auf den Markt kommen lassen: Reithelme, Reitschuhe und -handschuhe, Sicherheitssteigbügel, Wirbelsäulenprotektoren und Schutzwesten mit Halsstützen und Airbag. Der australische Humanmediziner DJ. Pounder ermittelte nach zehnjähriger Forschung die neun häufigsten Ursachen für Reitunfälle (Quelle: Barbara Schilling: Der tödliche Reitunfall, Dissertation der medizinischen Fakultät der Universität Hamburg): Sturz vom Pferd, vom Pferd gequetscht werden, beim Reiten gegen ein Objekt stoßen, im Steigbügel hängenbleiben, in den Zügeln hängenbleiben, beim Sitzen auf dem Pferd einen Kopfstoß bekommen (Hochschlagen des Pferdekopfes), nach dem Stürzen tritt das Pferd auf den Reiter am Boden, das Pferd tritt oder springt gegen den daneben stehenden Menschen und Bissverletzungen Übrigens wurden nach der Einführung der Helmpflicht für Reiter in Großbritannien fünfmal weniger Kopfverletzungen verzeichnet. Helme Heute gibt es sichere, bequeme und zudem optisch ansprechende Modelle für die unterschiedlichsten Reitdisziplinen wie Dressur, Springen, Vielseitigkeit oder Distanzrennen, die nicht nur ein hohes Maß an Bruchsicherheit besitzen, sondern auch eine gute Durchlüftung sowie einen sicheren Halt am Kopf durch entsprechende Schnallen, Nackenpolster und Nackenriemen ermöglichen. Die Optik reicht von traditionell über modisch bis sportlich elegant. Bei hoher Nutzung sollten Helme nach fünf Jahren aussortiert werden, so die Hersteller. Und nach einem Viele Reiter werden nach dem Sturz durch Huftritte verletzt. Dabei sei der häufigste Unfallmechanismus aller nichttödlichen Reitunfälle der Sturz vom Pferd. In der bisherigen Literatur über Verletzungen im Zusammenhang mit Reitunfällen werden Stürze mit Angaben zwischen 60 % und fast 100 % als Unfallursache angegeben. Britische Studien wiederum ergaben, dass bis zu 83 Prozent der Todesfälle durch Kopfverletzungen verursacht werden. Das erklärt auch die Entwicklung der »neuen Generation« von Reithelmen weltweit. 37 Helme Ein moderner Reithelm muss alle relevanten Sicherheitskriterien erfüllen. Mittels eines Drehkopfs lässt sich der Helm exakt anpassen. und es dürfen keine spitze Gegenstände in die Außenhülle dringen. Die Schutzpolster müssen aus solidem Material und ausreichend dick sein. Der Halt muss so gut sein, dass der Helm selbst beim Aufprall nicht verrutscht. Deshalb sollte der Kinnriemen an mehreren Punkten des Helms befestigt sein. Als sehr gut haben sich Drehknöpfe erwiesen, die eine Feinjustierung der Passform ermöglichen. Hat der Helm eine Sonnenschirmblende, sollte diese elastisch und biegsam sein, damit bei einem Aufprall Verletzungen im Gesicht vermieden werden. Als Zubehör zum Reithelm gibt es das USG-Nackenpolster, das die Halswirbelsäule beim Sturz vom Pferd stabilisiert. Das weiche und stufenlos verstellbare Band wird um den Reiterhals gelegt und mittels Klettverschluss fixiert. Es gibt ihn in drei Größen (S, M und L) und er besteht innen aus Latexschaum und außen aus Baumwolle (erhältlich bei den großen Reitartikel-Versandhäusern, Preis um 20 Euro). Reithelmtests Sturz auf den Kopf sollte der möglicherweise beschädigte Helm sofort ausgetauscht werden. Wichtig ist, dass der Reithelm exakt passt und man beim Kauf auf das Sicherheits-Prüfsiegel achtet. Denn umfassenden Schutz bieten nur Helme, die nach der Europanorm EN 1384 geprüft sind. Diese Prüfungen umfassen Stoßdämpfung, Belastbarkeit, Abstreifsicherheit und Durchbiegung des Schirms. Bei einem Sturz muss der Helm den Stoß abfangen 38 Auf der Website »Testbericht.de« werden Testergebnisse von 650 Zeitschriften zusammengefasst und vorgestellt. Interessierte erhalten auf der Website »Reithelme Test-Testberichte.de« alle Informationen über die insgesamt 53 getesteten Reithelme. Auch die »Stiftung Warentest« hat 15 Reithelme getestet. Dabei wurde übrigens dreimal die Note mangelhaft vergeben – also immerhin 20 Prozent und wie folgt bewertet: »Schützt den Kopf nur unzureichend, Normgrenzwerte werden überschrit- Reithandschuhe und -schuhe Helmpflicht ab 2013 Mitte November 2012 hat der Weltreiterverband FEI auf seiner Generalversammlung in Rio De Janeiro weitreichende Änderungen in seinem Regelwerk beschlossen. So wurde eine verpflichtende Helmpflicht eingeführt, die ab Januar 2013 für das gesamte Turniergelände in den Disziplinen Dressur, Springen, Vielseitigkeit, Fahren und Distanzreiten gilt. Leider betrifft diese etwas halbherzige Helmpflicht nur Jugendliche bis 18 Jahre und Reiter auf sechsjährigen oder jüngeren Pferden. Für die Westerndisziplin Reining wurde diese ab Mitte 2013 verpflichtend. Wie dieses in der Praxis aussehen kann, führte Dressurreiterin Isabell Werth beim Nürnberger Burgpokal in der Dressurprüfung Klasse S national auf dem Internationalen Festhallenturnier Frankfurt vor. Sie tauschte ihren Zylinder dauerhaft mit einem Reithelm, der speziell für den Dressursport entwickelt wurde. ten. Helm für je eine Größe, passt gut, aber schwache Belüftung« oder »Schlechtester Helm im Test, schützt den Kopf nur unzureichend, Normgrenzwerte deutlich überschritten. Rutscht leicht vom Kopf« (Infos: Reithelme-Unser Rat-Test-Stiftung Warentest.de). Reithandschuhe und -schuhe Reithandschuhe sollten selbstverständlich sein. Denn sie schützen nicht nur vor Kälte, sondern ver- Rückrufaktion für Reithelme 2013 hat der Reithelm-Hersteller Uvex drei Produkte aus Sicherheitsgründen zurückgerufen. Dazu heißt es auf der FirmenWebsite (www.uvex-sports.de) unter anderem: »Wichtiger Sicherheitshinweis Uvex Reithelme: Im Mai 2013 hat die schwedische Verbraucherbehörde »Konsumentverket« insgesamt 11 Reithelme verschiedener Hersteller getestet, wovon es bei 10 Helmen zu Beanstandungen gekommen ist. Einer dieser Helme ist der Uvex Helm exxential (vormals uvision). Anlässlich dieses Testergebnisses haben wir umfassende interne Prüfungen aller Helmserien vorgenommen und teilweise Abweichungen von der Norm im Bereich Durchdringungsfestigkeit und/oder Stoßdämpfung festgestellt. Dies könnte unter Umständen bei einem Unfall zu Verletzungen führen«. hindern auch das Aufscheuern der Haut bei den beim Reiten durch den Zügel besonders beanspruchten Ringfingern. Für Freizeitreiter oder Kinder sind in der Regel schon einfache und erschwingliche Strick- oder dünne Baumwollhandschuhe mit Noppen ausreichend, um das Wegrutschen der Zügel aus der Hand oder das Verfangen zu vermeiden. Gute Baumwollhandschuhe sind meist noch durch eine zweite Stoffschicht zwischen dem kleinen Finger und dem Ringfinger sowie am Daumen verstärkt. Weitere geeignete Materialien sind Leder, Kunstleder, Fleece, Polyester, Neopren und Mikrofaser. 39 Sicherheitswesten Der Klickverschluss lässt sich mit zwei Fingern ein- und ausklinken. hat. Wir sind mit der Airbag-Weste inzwischen 4000 Kilometer im Gelände ohne Probleme geritten. Auch die anfänglichen Bedenken, dass sich beim Durchreiten unter Bäumen oder Ästen die Spiralschnur darin verfangen könnte, haben sich nicht bestätigt. Wichtig ist natürlich auch, das Ausklinken vor dem Absitzen nicht zu vergessen, weil die Airbag-Komponenten nicht nur ab einem Zuggewicht von 30 Kilogramm, sondern auch ab einem Zug-Abstand von 30 Zentimetern (zusätzlicher Raum zum üblichen Bewegungsraum z.B. beim Leichttraben oder leichten Sitz) ausgelöst werden. Und was viele nicht wissen: Die Weste bleibt nach dem Auslösen nicht aufgeblasen, sondern die Luft entweicht innerhalb etwa einer Minute langsam wieder, sodass man anschließend wieder aufsitzen und weiterreiten kann – allerdings dann ohne »Luftschutz«. Das Wechseln der Kartusche ist übrigens nicht ganz einfach. Eine detaillierte Beschreibung liegt beim Kauf der Weste zwar bei, wer jedoch unsicher ist, kann das auch durch den Hersteller durchführen lassen. Denn macht man dabei einen Fehler, ist die Funktion nicht gewährleistet – von Bedeutung im Versicherungs- beziehungsweise Schadensfall. Außerdem sollte man die Kartusche etwa alle zwei Jahre auf ihre Funktionstüchtigkeit vom Hersteller prüfen lassen, auch wenn sie nicht ausgelöst wurde. Wichtig auch: Die Luftpolsterkammern sollten nicht mit spitzen Gegenständen in Kontakt kommen. Denn auch beim kleinsten Loch kann sich die Weste nicht mehr voll ausblasen. Dasselbe gilt, wenn man beim Stürzen eventuell auf einen spitzen Gegenstand gefallen ist. Wer schon ein- oder mehrmals vom Pferde gefallen ist und sich gegebenenfalls verletzt hat, weiß, wie traumatisierend solch ein Sturz sein kann. Danach reitet die Angst ständig mit und man ist in zukünftigen brenzligen Situationen außerordentlich gestresst und neigt nicht selten zu falschen Handlungsweisen. Zudem überträgt sich diese Angst 45