Was bedeutet (1) Responsivität? „Responsivität meint die Fähig

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Was bedeutet (1) Responsivität? „Responsivität meint die Fähig
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dies allerdings keinen schwachen, sondern einen starken, reflexiven
und responsiven Staat (vgl. Kleger 1999b: 405). Sowohl Bürgergesellschaft als auch der starke, reflexive, responsive, kooperierende Staat
müssen Schritt für Schritt entwickelt werden.
6.1.2Wie? Strategien, Prinzipien und Fähigkeiten
demokratischer Regierbarkeit
Für diese Entwicklung nennt Kleger zwei Strategien demokratischer
Regierbarkeit: erstens Staatsentlastung und zweitens neue Formen
politischer Verständigung. „Staatsentlastung bedeutet die Übertragung von institutionellen Strukturen, Verfahren, Beteiligungsverhältnissen und Kompetenzen in die Gesellschaft“, wobei der Staat sich eine
„Rechtsaufsicht und Verfahrenssicherung“ vorbehält (Kleger 1993:
167). – Verständigungsorientierte Politik werde sich, „sei es direktdemokratisch, sei es als kooperativer Staat oder sei es verhandlungsdemokratisch über wie auch immer organisierte Dialoge im Vorfeld von
Entscheidungen, vermehrt auf das Gespräch mit Bürgern einlassen
müssen“ (Kleger 1999a: 178, kursiv im Original). Demokratische Regierbarkeit verbessert sich, wo „verschiedene Elemente und Ebenen
der Demokratie“ selektiv kombiniert werden (ebenda: 192).
Die vielfältigen informellen und formalen Prozesse der Verständigung,
Kooperation, Verhandlung und Veränderung sind sowohl Ausdruck als
auch Ergebnis dieser Strategien demokratischer Regierbarkeit. Sie
werden von zwei Prinzipien besonders geleitet: (1) Responsitivität und
(2) Reflexivität. Ersteres betrifft die Art und Weise, wie Politik gemacht
wird, das Zweite die Art und Weise, wie sich Mechanismen und Modi
der Politik selbst verändern. Die Politik der Verhandlungsdemokratie
bedarf der institutionellen und prozeduralen Erneuerung. Ihre responsiven Strategien, Verfahren und Institutionen verändern sich letztlich
reflexiv selbst. Dass dies gelingt, ist eine Frage demokratischer Regierungsfähigkeit.
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Was bedeutet (1) Responsivität? „Responsivität meint die Fähigkeit eines politischen Systems, auf die von den Bürgern aufgestellten Ziele und formulierten Probleme angemessen zu reagieren, was
jedoch nicht heißt, daß das politische System immer imstande sein
muß, alle Probleme der Bürger zu lösen“ (Kleger, Karolewski & Munke
2004: 523). Die Responsivität betrifft sowohl Regierung als auch Bürger: „Andererseits handelt es sich beim Begriff der Repräsentation keinesfalls um eine Einbahnstraße. Das Verhältnis zwischen dem Bürger
und seinem Vertreter soll vielmehr responsiv sein, d. h. den Charakter einer Wechselbeziehung haben, bei dem auf einem kommunikativen Wege beiderseitige Lern- und Sozialisationsprozesse stattfinden“
(ebenda: 524). Zur Herausforderung demokratischer Regierbarkeit gehört es dann, organisierte Dialoge strategisch einzusetzen und zu gestalten: „Das demokratische Miteinanderreden, das nicht immer eines
unter Gleichgesinnten ist, muß allerdings erst noch eingeübt werden,
wenn es inklusiv mit ‚deliberativer‘ und ‚diskursiver‘ Demokratie ernst
wird und nicht bloß exklusiv-akademisch bleiben soll (...). Das Regieren mit Diskussion und problemlösenden Entscheidungen ist gewiß
nicht einfach“ (Kleger 1999a: 179). Responsivität setzt also Strategiefähigkeit und Dialogfähigkeit der Demokraten auf beiden Seiten voraus – der Regierenden und der Regierten. Responsivität ist in dieser
Sicht im Kern eine Frage der persönlichen Kompetenzen.
Demgegenüber stellt (2) Reflexivität nicht auf Akteure, sondern auf das
politische System ab. Sie wird definiert als „die Fähigkeit zur Reform
und Veränderung seiner funktionalen Grundlagen“ (Kleger, Karolewski & Munke 2004: 523). Das politische System verbessert die eigenen Arrangements zwischen formalen, politisch-administrativen Institutionen und den informellen Verfahren der Verständigung, Beratung
und Veränderung. Die angestrebten institutionellen Arrangements dieser „Transformation der Demokratie“ nennt Kleger „Friedensformeln
einer Bürgergesellschaft, deren Minimaldefinition die Zivilisierung der
Politik als sinnvolles und problemlösendes Handeln ist“ (Kleger 1999a:

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