Raumtexte Picasso. Fenster zur Welt 6. Februar bis 16. Mai 2016

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Raumtexte Picasso. Fenster zur Welt 6. Februar bis 16. Mai 2016
Raumtexte
Picasso. Fenster zur Welt
6. Februar bis 16. Mai 2016
Das Motiv des Fensters zieht sich durch das gesamte Werk Picassos. Es war für ihn weit mehr als ein
alltäglicher Gegenstand. Das Fenster thematisiert das Sehen, für Picasso ist es das Symbol der
Malerei. Es ruft das Atelier als Produktionsstätte auf, in der sich der Maler die Welt vor Augen führt. Es
öffnet den Raum und vermittelt zwischen Innen und Außen.
Schon im Frühwerk arbeitete Picasso mit dem Fenstermotiv als einem Medium seines künstlerischen
Selbstverständnisses. Indem er das Fenster verhüllt oder mit einer Leinwand assoziiert, setzt er es mit
der Malerei gleich. Das Fenstermotiv, das immer auch ein Nachdenken des Künstlers über sich selbst
enthält, beschäftigte Picasso bis in sein spätes Werk.
In Phasen der Neuorientierung kam er immer wieder auf das Fensterthema zurück und behandelte
darin künstlerische Grundfragen. Sie stellten sich beim Übergang in eine neue Werkphase, etwa beim
Neubeginn nach dem Kubismus, ebenso wie im Zusammenspiel mit seinen Skulpturen oder in der
anhaltenden Auseinandersetzung mit Henri Matisse. Er legte das Fenstermotiv in Serien an, die er
unmittelbar nach ihrem Abschluss in Ausstellungen präsentierte. Die Fensterbilder Picassos enthalten
seine gemalte Bildtheorie.
Das Fenster als Bild. Barcelona 1899–1905
Schon als 18-Jähriger löste sich Picasso von der traditionellen Malerei, wie sie an den Akademien
unterrichtet wurde. Scheinbar beiläufige Motive aus den Straßen von Barcelona hielt er in Ölstudien
fest. Am Blick durch Türen und Fenster nach innen interessierte ihn der Kontrast zwischen dem
gleißenden Licht auf der Fassade und dem Dunkel des Innenraums. Der Blick aus dem Atelierfenster
wurde ihm für sein gesamtes Werk zur Herausforderung. Für Picasso war das Fenster nicht mehr wie
seit der Renaissance ein Rahmen für das Abbild der Wirklichkeit, sondern Schnittstelle zwischen
Künstler und Welt.
Öffnung zum Raum. Saint-Raphaël und Paris 1919–1929
Das Jahr 1919 war für Picasso ein Umbruch. Der Kubismus, mit dem er sich an die Spitze der
künstlerischen Avantgarde in Paris gesetzt hatte, schien ihm erschöpft. Er begann eine Serie, in der
das Fenster zeichenhaft für den konkreten Raum steht, der die Gegenwart des Künstlers thematisiert.
Dessen Werk ist auch durch gemalte kubistische Skulpturen präsent. Erstmals brachte Picasso die
verschiedenen Stile zusammen. Er maß diesen Gemälden große Bedeutung bei; unmittelbar nach
ihrer Entstehung zeigte er sie in einer Ausstellung in Paris.
Weitere Presse-Informationen und Bildmaterial:
Julia Boberski, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Bucerius Kunst Forum,
Telefon: +49 (0)40/36 09 96 78, Telefax: +49 (0)40/36 09 96 71, [email protected]
Frauen am Fenster. Paris und Juan-les-Pins 1932–1936
Seine wechselnden Lebensgefährtinnen spielten für Picasso immer auch die Rolle der Muse. Bei der
Arbeit im Atelier waren sie wie selbstverständlich anwesend. Er malte sie, während sie bei der Lektüre
entspannten, während sie zeichneten oder schliefen. Ihr müßiges Tun inspirierte Picasso zum
Schaffen und zum Nachdenken über sich. Ihre Offenheit machte die Muse zu einem ähnlichen
Reflexionsmedium wie das Fenster, vor dem er sie häufig zeigte.
Malerei und Skulptur. Paris und Boisgeloup 1925–1933
In Lithographien und Gemälden zeigte Picasso einen Bildhauer, sein Alter Ego. Stillleben mit
antikisierenden Gipsbüsten vor Fenstern weisen ebenfalls auf die lange Geschichte der Bildhauerei
hin. Picassos Beschäftigung mit der Antike befeuerte das Interesse der Surrealisten für den Mythos.
Aber das Repertoire künstlerischer Möglichkeiten, das Picasso vor dem Fenster zur Schau stellt, ist
ein Gegenbild zum Surrealismus. Es thematisiert bewusste Entscheidungen und handelt von Kontrolle
und Souveränität, während das surrealistische Verständnis des Mythos auf das Unbewusste zielte.
Todesthemen. Paris 1942–1948
Während des Zweiten Weltkriegs und der Besetzung von Paris durch die Deutschen konzentrierte
sich Picasso auf sein Atelier. Dort entstand kurz nach der Befreiung auch eine Serie von Stillleben mit
Schädel, Krug und Lauch vor einem Fenster. In dieser Zeit waren selbst die einfachsten Gaben wie
Lauch und Wasser – Essen und Trinken – mit der Kriegsthematik aufgeladen. Vor dem Fenster, das
für die kriegserfüllte Außenwelt steht, platzierte Picasso nicht mehr wie zuvor die Attribute seiner
Kunst, sondern das Signet des Todes. Die gekreuzten Lauchstangen unter dem Schädel stehen für
die Knochen der Vanitasdarstellungen.
Schatten. Antibes und Vallauris 1952–1955
In den Fensterbildern verband Picasso seit 1919 die Malerei mit dem eigenen skulpturalen Schaffen.
In Gemälden wie Der Schatten reflektiert er seine Arbeit mit Lichtprojektionen. Das Fenster ist hier nur
noch indirekt das Motiv, es ist als Lichtfeld im Raum sichtbar und kontrastiert mit der schwarzen
Silhouette des Malers. Dieses neue Vexierbild verwandelt das Atelier in eine Dunkelkammer, in der
der Maler mit Hilfe des Fensters belichtet.
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Innere Landschaften. Cannes 1955/56
Der Tod seines langjährigen Freundes Henri Matisse veranlasste Picasso im Oktober 1955 zu einer
Folge von Gemälden, die er als „innere Landschaften“ bezeichnete. Sie entstanden in der Villa La
Californie in Cannes, wo Picasso sein Atelier in einem Salon mit großen Jugendstilfenstern
eingerichtet hatte. Die durch die Scheiben sichtbaren Palmen und die Ornamentik erinnern an die
leuchtenden Farbflächen von Matisse. Im Frühjahr 1957 stellte Picasso die neue Fensterserie in Paris
aus.
Tauben im Atelier. Mougins und Vauvenargues 1960–1973
Eine der bekanntesten Darstellungen Picassos ist die Lithographie einer Taube, die seit 1949 als
Symbol für die Friedensbewegung steht. Tauben waren Picasso schon seit seiner Kindheit vertraut.
Sein Vater hatte eine Taubenzucht. In Cannes hatte Picasso Tauben in seinem Atelier gehalten. Seit
dieser Zeit verband Picasso das Motiv der Taube mit dem Fenster. Die Vögel stehen für Freiheit wie
das offene Fenster, dessen leuchtendes Blau Weite und Ungebundenheit verheißt.
„Es muss überall Dunkelheit sein außer auf der Leinwand, damit der Maler von seinem eigenen Werk
hypnotisiert wird und fast wie in Trance malt N Er muss so tief in seiner eigenen inneren Welt bleiben,
wenn er die Grenze überschreiten will, die seine Vernunft ihm aufzudrängen versucht.“
Pablo Picasso nach Françoise Gilot 1964
„Meine nächtliche Beleuchtung ist herrlich, ich ziehe sie sogar dem Tageslicht vor N Sie müssten
einmal kommen, um zu sehen, wie das Licht jeden Gegenstand hervorhebt, wie tiefe schwarze
Schatten die Bilder einrahmen und auf die Balken werfen. Sie können das in fast allen meinen
Stillleben finden, ich habe sie größtenteils nachts gemalt N“
Pablo Picasso nach Brassaï 1964
„Ich gehe mit dem Malen um, wie ich mit Dingen umgehe, ich male ein Fenster genau so, wie ich aus
einem Fenster blicke. Wenn ein offenes Fenster auf einem Bild falsch aussieht, ziehe ich den Vorhang
auf und schließe es, so wie ich es auch in meinem eigenen Zimmer tun würde.“
Pablo Picasso nach John Berger 1992
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