PDF erzeugen

Transcription

PDF erzeugen
Bundesfinanzhof
Urt. v. 18.07.2001, Az.: X R 23/99
Eigenheimzulage: Geld für den Sohn im Haus seiner Mutter
Steht einem Sohn, der auf dem Grundstück seiner Mutter ein Haus gebaut hat, in das er eingezogen ist, die
Eigenheimzulage von je 1.250 € für 8 Jahre zu, obwohl das Gebäude rechtlich der Mutter gehört? Ja, wenn
ihm für den Fall, dass er auszieht, „Anspruch auf Ersatz des Verkehrswertes des Gebäudes zusteht“.
Quelle: Wolfgang Büser
Voraussetzungen wirtschaftlichen Eigentums; Voraussetzungen der Wohneigentumsförderung nach
§ 10e Einkommenssteuergesetz (EStG); Auseinanderfallen des zivilrechtlichen und wirtschaftlichen
Eigentums; Begriff des wirtschaftlichen Eigentums; Vorliegen einer Nutzungsvereinbarung für ein
Gebäude; Beurteilung der Nutzungsdauer eines Nutzungsverhältnisses; Entschädigungsanspruch bei
Beendigung des Nutzungsverhältnisses
Gericht: BFH
Datum: 18.07.2001
Aktenzeichen: X R 23/99
Entscheidungsform: Urteil
Referenz: JurionRS 2001, 22652
Verfahrensgang:
vorgehend:
FG Brandenburg
Rechtsgrundlagen:
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977
§ 10e EStG
§ 95 BGB
§ 812 Abs. 1 BGB
Fundstellen:
BFHE 196, 145 - 151
b&b 2002, 2
BB 2001, 2413-2414 (amtl. Leitsatz)
BFH/NV 2002, 100-102
BStBl II 2002, 281-284 (Volltext mit amtl. LS)
DB 2001, 2691-2693 (Volltext mit amtl. LS)
DStR 2001, 2016-2019 (Volltext mit amtl. LS)
DStRE 2001, 1272 (amtl. Leitsatz)
EStB 2001, 446
1
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
FR 2001, 1287-1290
HFR 2002, 109-110
INF 2002, 28-29
KFR 2002, 47-48
KÖSDI 2001, 13088-13089 (Kurzinformation)
NZM 2002, 355
SteuerBriefe 2002, 122-124
StSem 2002
ZEV 2002, 34-37
ZfIR 2002, 322-325
BFH, 18.07.2001 - X R 23/99
Amtlicher Leitsatz:
Wer auf fremdem Grund für eigene Rechnung ein eigengenutztes Einfamilienhaus errichtet, kann als
wirtschaftlicher Eigentümer zur Inanspruchnahme der Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG berechtigt
sein, wenn ihm für den Fall der Nutzungsbeendigung ein Anspruch auf Ersatz des Verkehrswertes des
Gebäudes zusteht. Ein solcher Anspruch kann sich aus einer vertraglichen Vereinbarung oder aus dem
Gesetz, insbesondere aus Bereicherungsrecht, ergeben.
Gründe
1
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete für eigene Rechnung auf dem Grundstück
seiner Mutter ein Einfamilienhaus, das er nach Fertigstellung ab Oktober 1993 zu eigenen
Wohnzwecken nutzte.
2
Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 18. Januar 1993 überließ die Mutter Grundstück und
Gebäude dem Kläger unentgeltlich zur ausschließlichen Nutzung. Dafür verzichtete er auf "seinen
Aufwendungsersatzanspruch für die Errichtung des Gebäudes". Die Nutzung wurde für 50 Jahre
überlassen mit einer Verlängerungsoption für weitere 10 Jahre. Sofern nach Ablauf dieses
Zeitraums keine weitere Vereinbarung über die Nutzung des Grundstücks zustande kommen sollte,
hatte die Mutter bzw. hatten deren Erben dem Kläger den verbleibenden Restwert des Gebäudes zu
vergüten. Ende 1995 übertrug die Mutter das Grundstück unentgeltlich auf den Kläger.
3
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 begehrte der Kläger den Abzug vor Bezug
entstandener Finanzierungskosten in Höhe von 42.886,00 DM gemäß § 10e Abs. 6 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) und den Abzug nach Bezug entstandener Schuldzinsen gemäß
§ 10e Abs. 6 a EStG in Höhe von 5.106,00 DM. Aus den Herstellungskosten des Gebäudes
ermittelte er einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 15.799,00 DM, den er für das
Jahr 1993 aber (noch) nicht in Anspruch nahm.
4
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte im Einkommensteuerbescheid für
1993 --ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 43.465,00 DM-- die
Einkommensteuer auf 9.077,00 DM fest. Dabei berücksichtigte das FA die beantragte
Wohneigentumsförderung mangels Eigentums des Klägers an dem Grundstück nicht. Der
2
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er sei wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes,
war erfolglos.
5
Im finanzgerichtlichen Verfahren beantragte der Kläger, die Einkommensteuer für 1993 auf 0,00 DM
festzusetzen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es änderte den
Einkommensteuerbescheid für 1993 in der Fassung der Einspruchsentscheidung dahin gehend,
"dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten
Abzugsbeträge i.S.d. § 10e EStG neu festzusetzen ist". Die Berechnung übertrug es dem FA. Das
Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 775 veröffentlicht.
6
Mit der Revision trägt das FA vor: Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. November
1996 X R 92/92 (BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97) könne der auf fremdem Grund Bauende nur
dann wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes sein, wenn sich der Wert des Gebäudes innerhalb
der mit dem Grundstückseigentümer vereinbarten Nutzungszeit verzehre und deshalb der dann
entstehende Herausgabeanspruch des Grundstückseigentümers wirtschaftlich wertlos sei. Das FG
habe dagegen unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 I R 88/92 (BFHE 172, 333 [BFH
28.07.1993 - I R 88/92] , BStBl II 1994, 164) wirtschaftliches Eigentum angenommen, weil der
Kläger während der vereinbarten Nutzungsdauer die tatsächliche Herrschaftsgewalt über das
Grundstück ausüben könne und ihm nach dieser Zeit der wirtschaftliche Wert des Gebäudes in
Form des vereinbarten Restwertausgleichs zustünde. Diesem BFH-Urteil lasse sich jedoch nicht
entnehmen, dass ein Aufwendungsersatzanspruch wirtschaftliches Eigentum des Bauenden
begründe, wenn sich der Wert des Gebäudes während der vereinbarten Nutzungsdauer nicht
verzehrt habe. Denn der Sachverhalt, über den der I. Senat entschieden habe, lasse den Schluss
zu, dass die eingebauten Gegenstände innerhalb der vereinbarten Nutzungsdauer verbraucht
gewesen seien. Im Streitfall habe sich die vereinbarte Nutzungszeit einschließlich
Verlängerungsoption aber nicht über die gewöhnliche Nutzungsdauer erstreckt, die bei Gebäuden
mit 100 Jahren anzunehmen sei.
7
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
9
II.
Die Revision ist unbegründet.
10
Zutreffend hat das FG dem Kläger als wirtschaftlichem Eigentümer die Wohneigentumsförderung
nach § 10e EStG zugestanden.
11
1.
Sowohl die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG als auch der Vorkostenabzug nach § 10e Abs.
6 Satz 1 EStG und der Schuldzinsenabzug nach § 10e Abs. 6 a EStG setzen voraus, dass der
Steuerpflichtige eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im eigenen Haus oder eine
eigene Eigentumswohnung hergestellt oder angeschafft hat. Er muss Eigentümer des begünstigten
Objekts sein. In Fällen, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum (hier: am Gebäude)
nicht übereinstimmen, steht die Förderung dem wirtschaftlichen Eigentümer (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der
Abgabenordnung --AO 1977--) zu (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 12. April 2000 X
R 69/98 , BFH/NV 2000, 1331, m.w.N.).
12
2.
Im Streitfall ist die Mutter des Klägers als Grundstückseigentümerin zivilrechtlich auch Eigentümerin
des Gebäudes geworden, weil der Kläger dieses weder in Ausübung eines dinglichen Rechts noch
zu einem vorübergehenden Zweck (§ 95 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) errichtet hat ( §§
93 , 94 , 946 BGB ). Er ist aber jedenfalls wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes geworden.
3
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
13
a)
Die von der Rechtsprechung zu § 39 AO 1977 entwickelten Grundsätze zum Begriff des
wirtschaftlichen Eigentums gelten im Rahmen des § 10e EStG uneingeschränkt (Senatsurteile vom
21. Mai 1992 X R 61/91 , BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944, und vom 20. September 1995 X R
94/92 , BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186).
14
aa)
Wirtschaftlicher Eigentümer ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 derjenige, der die
tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen
Eigentümer auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.
Einen wirtschaftlichen Ausschluss in diesem Sinn nimmt die Rechtsprechung an, wenn nach dem
Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch besteht oder der Herausgabeanspruch des
zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (vgl. die Nachweise in den
Senatsurteilen in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97, und vom 12. April 2000 X R 20/99 ,
BFH/NV 2001, 9). Das beim zivilrechtlichen Eigentümer verbleibende Verfügungsrecht,
insbesondere das Recht zur Belastung und Veräußerung, schließt wirtschaftliches Eigentum eines
anderen nicht aus, denn entscheidend ist der wirtschaftliche Ausschluss des Eigentümers von der
Einwirkung auf die Sache (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1970 I 133/64, BFHE 100, 516,
BStBl II 1971, 133, unter III. 1., und in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97, unter 3. d, jeweils m.w.N.).
15
bb)
Errichtet jemand im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf einem fremden Grundstück ein
Gebäude, ist der Grundstückseigentümer nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich
zivilrechtlicher und zugleich wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes, wenn die Errichtung des
Gebäudes sowohl dem Interesse des Bauenden als auch dem des Grundstückseigentümers dient,
der Wert des Gebäudes sich nicht innerhalb der vereinbarten Nutzungszeit verzehrt und nach Ablauf
der Nutzungszeit die Verhältnisse neu gestaltet werden können (Senatsurteil in BFHE 182, 104,
BStBl II 1998, 97, unter 3. c, m.w.N.). Dagegen ist der Bauende als wirtschaftlicher Eigentümer zu
beurteilen, wenn er aufgrund eindeutiger im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter
Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft --unter dauerndem
Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers-- innehat, weil ihm allein Substanz und Ertrag des
Gebäudes für dessen voraussichtliche Nutzungsdauer zustehen (Senatsurteil in BFHE 182, 104,
BStBl II 1998, 97, unter 3. d, m.w.N.).
16
cc)
Diese Voraussetzungen sah der Senat in einem Fall als erfüllt an, in dem die
Grundstückseigentümerin ihrem damaligen Lebensgefährten und späteren Ehemann vor der
(gemeinsamen) Errichtung des Gebäudes das dauernde, durch den Tod des Berechtigten nicht
endende Recht eingeräumt hatte, das Gebäude für dessen "Lebensdauer", mindestens aber für 50
Jahre wie ein Miteigentümer zu nutzen (BFH-Urteil in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97). Aufgrund
dieser --vererblichen-- Nutzungsvereinbarung habe die zivilrechtliche Eigentümerin bis zum
wirtschaftlichen Verbrauch des Gebäudes keinen Herausgabeanspruch ( § 986 BGB ) gegenüber
dem Mitbenutzungsberechtigten gehabt. Da das Gebäude nach der (allein maßgeblichen)
voraussichtlichen Dauer des Nutzungsverhältnisses bei normalem, der gewählten Gestaltung
entsprechenden Verlauf wirtschaftlich verbraucht sei, hätten Substanz und Ertrag des Gebäudes auf
Dauer zur Hälfte dem Nutzungsberechtigten zugestanden. Die Verfügungsbefugnis der
Eigentümerin sei zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich (wirtschaftlich) eingeschränkt gewesen, zumal
sie im Falle eines Verkaufs dem Nutzungsberechtigten schadenersatzpflichtig geworden wäre.
17
4
b)
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
Substanz und Ertrag des Gebäudes sind dem Nutzungsberechtigten aber nicht nur zuzurechnen,
wenn das Gebäude nach Ablauf der voraussichtlichen Nutzungsdauer wirtschaftlich verbraucht ist,
sondern auch dann, wenn zwar die voraussichtliche Nutzungsdauer des Gebäudes die Dauer der
Nutzungsbefugnis überschreitet, der Nutzungsberechtigte, der die Kosten des Gebäudes getragen
hat, aber für den Fall der Nutzungsbeendigung einen Anspruch auf Ersatz des vollen
Verkehrswertes des Gebäudes gegen den Grundstückseigentümer hat.
18
Entgegen der Auffassung des FA kann aus dem Senatsurteil in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97
nicht gefolgert werden, der auf fremdem Grund Bauende könne nur wirtschaftlicher Eigentümer sein,
wenn sich der Wert des Gebäudes innerhalb der mit dem Grundstückseigentümer vereinbarten
Nutzungszeit verzehre. Die Formulierung in dieser Entscheidung (unter 3. e) "nach der allein für die
Beurteilung wirtschaftlichen Eigentums maßgebenden voraussichtlichen Dauer des
Nutzungsverhältnisses bei normalem, der gewählten Gestaltung entsprechenden Verlauf" besagt
--wie sich aus der kursiven Hervorhebung sowie den Rechtsprechungs- und Schrifttumsnachweisen
ergibt-- lediglich, dass es für die Beurteilung der Nutzungsdauer allein auf die voraussichtliche, nicht
auf die tatsächliche Dauer des Nutzungsverhältnisses ankommt. Sie engt aber wirtschaftliches
Eigentum bei Bauten auf fremdem Grund nicht auf die Fälle der vereinbarten Nutzung des
Gebäudes bis zu dessen wirtschaftlichem Verbrauch ein. Kann der zivilrechtliche Eigentümer
deswegen den Wert des Gebäudes nicht für eigene Rechnung realisieren, weil er den
Nutzungsberechtigten bei Beendigung der Nutzung in Höhe des Verkehrswertes des Gebäudes
entschädigen muss, ist sein Anspruch auf Herausgabe des Gebäudes in gleicher Weise
wirtschaftlich wertlos. Substanz und Ertrag des Gebäudes stehen in diesem Fall ebenfalls dem
Hersteller zu.
19
c)
Ein die steuerliche Zurechnung eines Gebäudes aufgrund wirtschaftlichen Eigentums
rechtfertigender Entschädigungsanspruch kann sich aus einer Vereinbarung oder aus dem Gesetz
--insbesondere nach Bereicherungsrecht-- ergeben. An seiner Auffassung, dass ein Anspruch nach
§§ 951 , 812 BGB die Zurechnung eines auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäudes auf
den Bauenden nicht rechtfertigt (vgl. zuletzt Senatsurteil in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97), hält
der Senat nicht mehr fest.
20
Wer auf einem fremden Grundstück in der Erwartung, er werde später Eigentümer des Grundstücks
werden, ein Gebäude errichtet, hat nach näherer Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH) einen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB , wenn die
Erwartung später enttäuscht wird (BGH-Urteil vom 12. Juli 1989 VIII ZR 286/88 , Neue Juristische
Wochenschrift --NJW-- 1989, 2745, m.w.N.). Dabei lässt der BGH offen, ob es sich um eine
Bereicherung durch eine Leistung oder in sonstiger Weise handelt, weil sowohl die
Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (Erlangen in sonstiger Weise ohne rechtlichen
Grund, sog. condictio indebiti) als auch die der Leistungskondiktion wegen Zweckverfehlung ( § 812
Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB , sog. condictio ob rem) gegeben seien. Denn unabhängig von der
Rechtsgrundlage sei für das Entstehen des Anspruchs und die Berechnung des Wertzuwachses der
Zeitpunkt maßgebend, in dem feststehe, dass der bezweckte Erfolg nicht eintrete bzw. die
Bereicherung ungerechtfertigt sei (BGH-Urteile vom 16. Oktober 1969 VII ZR 145/69 ,
NJW 1970, 136, und in NJW 1989, 2745). Der Anspruch auf Wertersatz richte sich nicht auf Ersatz
der einzelnen wirtschaftlichen Leistungen, sondern auf den Ersatz des Wertes, den das Gebäude
als wirtschaftliche Einheit für den Bereicherten zu dem Zeitpunkt habe, in dem die Nutzung durch
den Hersteller ende (BGH-Urteil vom 10. Juli 1953 V ZR 22/52 , NJW 1953, 1466).
21
Dieser gesetzliche Anspruch auf Wertersatz führt dazu, dass der zivilrechtliche Eigentümer insoweit
über sein Eigentum wirtschaftlich nicht verfügen kann, weil er im Falle einer rechtlichen Verfügung
dem Nutzungsberechtigten oder dessen Rechtsnachfolger (Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom
17. November 1994 5 U 1818/93 , Versicherungsrecht --VersR-- 1996, 238) Wertersatz zu leisten
hätte. Substanz und Ertrag des Gebäudes stehen daher wirtschaftlich nicht dem zivilrechtlichen
Eigentümer, sondern dem in Eigentumserwartung Bauenden zu.
5
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
22
d)
Die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung steht dem nicht entgegen.
23
aa)
Der I. Senat hat im Urteil in BFHE 172, 333 [BFH 28.07.1993 - I R 88/92] , BStBl II 1994, 164, in
dem über die Zurechnung von sog. Mietereinbauten zu entscheiden war, für die Annahme
wirtschaftlichen Eigentums der Mieter an den Einbauten darauf abgestellt, dass diese bei
Beendigung des Mietverhältnisses eine nach dem Abnutzungsgrad zu bemessende Entschädigung
gegen die Grundstückseigentümerinnen hatten. Damit habe ihnen der jeweilige Wert der Einbauten
zu jedem gedachten Zeitpunkt des Mietverhältnisses wirtschaftlich zugestanden. Wegen der
Vergütungsverpflichtung hätten die Eigentümerinnen wirtschaftlich nicht über den Wert der
Einbauten verfügen können, einem Herausgabeanspruch sei kein Wert zugekommen.
24
bb)
Der BGH hat im Urteil vom 6. November 1995 II ZR 164/94 (NJW 1996, 458, 459) für die
Entscheidung, ob einem Kaufmann ein Gebäude auf fremdem Grund nach § 242 Abs. 1 des
Handelsgesetzbuchs unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlichen Eigentums zuzurechnen ist, geprüft,
ob der Bauende ein rechtlich gesichertes Nutzungsrecht oder einen Entschädigungsanspruch bei
Beendigung des Nutzungsverhältnisses hat. Da diese Voraussetzungen in jenem Fall nicht
vorlagen, hat der BGH wirtschaftliches Eigentum verneint.
25
cc)
Auch der XI. Senat des BFH hat im Urteil vom 11. Juni 1997 XI R 77/96 (BFHE 183, 455,
BStBl II 1997, 774) unter Bezugnahme auf die Urteile in BFHE 172, 333 [BFH 28.07.1993 - I R
88/92] , BStBl II 1994, 164 und in NJW 1996, 458 für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums bei
Mietereinbauten und sonstigen Bauten auf fremdem Grund als maßgebend angesehen, dass der
Bauende die Kosten des Baus getragen hat, den Bau nutzt und bei Beendigung der Nutzung einen
Entschädigungsanspruch gegen den Grundstückseigentümer hat.
26
e)
Die Entscheidung des FG, dass der Kläger als wirtschaftlicher Eigentümer zur Inanspruchnahme der
Wohneigentumsförderung befugt ist, erweist sich hiernach jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.
27
Bei der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnung nach den Grundsätzen des § 39
Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 ist auf den "regulären Verlauf" und folglich darauf abzustellen, dass der
Vertrag wie vereinbart durchgeführt wird (Senatsurteil in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97, m.w.N.).
Nach der privatschriftlichen Vereinbarung vom 18. Januar 1993 stand dem Kläger die alleinige
Nutzung des Grundstücks und des von ihm für seine Wohnzwecke errichteten Gebäudes für
mindestens 50 Jahre mit einer Verlängerungsoption für weitere 10 Jahre zu. Nach Ablauf der
vereinbarten Nutzungszeit von 60 Jahren hätte der Kläger nach dem Vertrag, sofern keine weitere
Nutzungsvereinbarung zustande gekommen wäre, einen Anspruch auf Vergütung des "verbliebenen
Restwerts" des Gebäudes gehabt. Der Senat geht davon aus, dass unter dem "verbliebenen
Restwert" nicht die ursprünglichen Herstellungskosten abzüglich (fiktiver) Absetzungen für
Abnutzung zu verstehen sind, sondern der bei Ablauf der Nutzungszeit bestehende Verkehrswert
des Gebäudes.
28
Aber auch bei einer vorzeitigen Beendigung der Nutzung hätte der Kläger gegen die Mutter oder
deren Erben einen Anspruch auf Ersatz des Zeitwertes gehabt. Dem steht nicht entgegen, dass der
Kläger in der Vereinbarung vom 18. Januar 1993 auf "seinen Aufwendungsersatzanspruch für die
Errichtung des Gebäudes" verzichtet hat. Der Verzicht war Gegenleistung für die unentgeltliche
Überlassung des Grundstücks und galt somit nur für die Dauer der Nutzungsüberlassung. Er steht
6
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017
damit wirtschaftlich einer Stundung des Entschädigungsanspruchs gleich.
29
7
Ungeachtet der vereinbarten langjährigen, die Lebenserwartung von beiden Vertragsschließenden
überdauernden Nutzungsberechtigung legen die tatsächlichen Umstände und der
Geschehensablauf (Eigentumserwerb im Jahr 1995) die Annahme nahe, dass der Kläger und seine
Mutter zumindest alternativ die Übereignung des Grundstücks vorgesehen hatten. Das als typisch
zu unterstellende Interesse des Klägers war darauf gerichtet, den von ihm selbst geschaffenen Wert
einschließlich einer Wertsteigerung für sich und seine Erben zu sichern. Hätte die Mutter dem Kläger
das Eigentum an dem Grundstück entgegen seiner Erwartung nicht übertragen und wäre die
Nutzung vor Ablauf der vereinbarten Nutzungszeit beendet worden, hätte der Kläger gegen den
jeweiligen Grundstückseigentümer einen Bereicherungsanspruch auf Ersatz des Verkehrswertes
des Gebäudes gehabt. Die Mutter bzw. deren Rechtsnachfolger hätten daher zu keinem Zeitpunkt
wirtschaftlich über das Gebäude verfügen können. Substanz und Ertrag des Einfamilienhauses
standen vielmehr auf Dauer wirtschaftlich dem Kläger zu.
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 13.01.2017