ein neuer Meteoritenfall in niederbayern
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ein neuer Meteoritenfall in niederbayern
Welt der Wissenschaft: Meteoriten Stubenberg Ein neuer Meteoritenfall in Niederbayern Am späten Abend des 6. März 2016 leuchtete über Oberösterreich und dem südlichen Bayern eine sehr helle Feuerkugel auf. Kurz danach gingen Fragmente eines Meteoriten nahe der bayerischen Ortschaft Stubenberg nieder. Schon sechs Tage nach dem Fall wurden erste Bruchstücke aufgespürt. Von Dieter Heinlein D en leuchtstarken Boliden vom die Standorte der Digitalkameras Fornach ner Höhe von 85,9 Kilometern über dem 6. März 2016 erfassten sechs und Gahberg, die deutschen Stationen oberösterreichischen Ort Mattighofen und automatische, digitale All-Sky- Streitheim und Neukirch des Europäi- endete ungewöhnlich tief in einer Höhe Feuerkugelkameras in Tsche- schen Feuerkugelnetzwerks, die Webcam von nur 17,6 Kilometern im Osten der chien (siehe Bild rechts). Ihr Betrieb wird am Wendelstein sowie private Videokame- Stadt Braunau. Damit lag der Endpunkt vom Astronomischen Institut der Tsche- ras in Blaustein und Radebeul. Der Bolide exakt über der österreichisch-deutschen chischen Akademie der Wissenschaften wurde sogar noch von einer Videokamera Grenze, die in dieser Region durch den in Ondrejov durch den Astronomen Pavel in Lindenberg/Tauche aufgezeichnet, die Spurný koordiniert. Bilder der Feuerkugel vom Meteor etwa 470 Kilometer weit ent- Fluss Inn gebildet wird. Ein derart tiefes Eindringen kosmi- lieferten die Kameras von Chu̇rán̆ov, Ko- fernt war. scher Körper wurde in den mehreren celovice, Kunžak, Ondrejov, Ružová und Jahrzehnten europäischer Feuerkugelfor- Svratouch (siehe Karte rechts). Die Abstän- Die Leuchtspur der Feuerkugel de zwischen den Meteorkameras und der Laut den Berechnungen des tschechischen tet, wie zum Beispiel am 6. April 2002 beim Feuerkugel betrugen zwischen 125 und Forscherteams trat am 6. März 2016 um Fall des Meteoriten Neuschwanstein (sie- 320 Kilometer. Die in diesem Beitrag vor- 22:36:51 Uhr MEZ ein großer Meteoroid he SuW 6/2002, S. 66, und SuW 9-10/2002, gestellten Ergebnisse basieren vollständig mit einer Masse von rund 600 Kilogramm S. 68). Nachdem alle Aufnahmen der Feu- auf der Auswertung der hochauflösenden in die Erdatmosphäre ein. Er bewegte sich erkugel in Rekordzeit ausgewertet waren, Digitalfotos durch das Forscherteam um mit der relativ geringen Geschwindigkeit wurde bereits wenige Tage nach dem Er- Spurný. Zusätzlich wurden die von den von 14 Kilometern pro Sekunde. Der kleine eignis klar, dass hier Meteoritenbruchstü- tschechischen Ortungsstationen regist- Himmelskörper traf in einem steilen Win- cke den Erdboden erreicht haben müssen. rierten Radiometerdaten und ein Mete- kel von 20 Grad gegen die Vertikale auf die orspektrum für die Untersuchungen ver- irdische Lufthülle und erzeugte dabei eine wendet. Feuerkugel. Diese war für Sekundenbruch- Wo sind die Meteoritenfragmente? schung bislang nur sehr selten beobach- Die Feuerkugel zeichneten übrigens teile heller als der Vollmond. Die maxima- Da der Meteoroid vom 6. März 2016 bei weitere Kameras im Umfeld des Ereignis- le absolute Helligkeit betrug –15,5 mag. Die seinem Durchflug durch die Atmosphäre ses auf. Deren Bilder sind jedoch von deut- Leuchtspur erstreckte sich über eine Länge mehrfach zerbrach und dabei größere und lich geringerer Qualität oder erfassten von 72 Kilometern, und die Leuchterschei- kleinere Meteorite produzierte, ist das Ge- den Meteor nur durch eine Wolkendecke. nung dauerte insgesamt 5,5 Sekunden. biet, in dem Bruchstücke zu finden sein Daher eigneten sie sich nicht dazu, die Dabei wurde das Objekt stark abgebremst, mussten, trotz der präzise bestimmten Bahn des Boliden zu vermessen und zu be- wobei es mehrfach in kleinere Stücke zer- Bahn einige Quadratkilometer groß. Hö- rechnen. Auf der Karte finden sich zudem brach. Die steile Leuchtspur begann in ei- henwinde lenken Meteoritenfragmente 40 August 2016 Sterne und Weltraum Pavel Spurný Auf diesem Ausschnitt aus der All-Sky-Aufnahme der tschechischen Meteormit unterschiedlicher Größe beim Sturz kamera in Kocelovice zeigt sich die Feuerkugel vom 6. März 2016 horizont- auf die Erdoberfläche mehr oder weniger nah im Südsüdwesten. stark von der direkten Absturzbahn ab. Das berechnete Streufeld liegt vorwiegend auf bayerischem Gebiet, nördlich des Inns, zwischen den niederbayerischen 0 50 100 Kilometer Radebeul Růžová Ortschaften Stubenberg und Ering. Dabei sollten sich größere Meteoritenfragmente eher im nordwestlichen Teil des Fallgebiets finden lassen. Tschechien Ähnlich wie beim Meteoriten Neuschwanstein im Jahr 2002 konnten die Astronomen die Sonnenumlaufbahn des Ondřejov Svratouch Deutschland Kocelovice Meteoroiden vor seinem Zusammenstoß mit der Erde präzise bestimmen. Seine bis Kunžak Churáňov in den inneren Asteroidengürtel reichenzität und weist nur eine sehr kleine Bahn- Blaustein neigung relativ zur Erdbahn auf (siehe Streitheim Spur des Meteors Fornach Gahberg Grafik S. 42 oben). Ein glücklicher Fund Neukirch Österreich Dieter Heinlein / SuW-Grafik de Bahn hat eine relativ geringe Exzentri- Wendelstein Nachdem Pavel Spurný das Fundge- Kameras des europäischen Feuerkugelnetzwerks privat betriebene Kameras biet berechnet hatte, nahm er mit mir Kontakt auf, damit ich auf bayerischem Gebiet die Suchaktionen organisieren konnte. Ich arbeite schon seit Jahrzehnten gut mit den tschechischen Forschern Der Meteor vom 6. März 2016 wurde von sechs professionellen Feuerkugel- im Bereich der Feuerkugelfotografie und ortungsstationen in Tschechien sowie von weiteren Kameras in Österreich Meteoritenortung zusammen. Weniger und Deutschland aufgezeichnet. Die steile Leuchtspur des Boliden erscheint als eine Woche nach dem Fall, am Sams- in der Projektion auf die Erdoberfläche stark verkürzt. www.sterne-und-weltraum.de August 2016 41 Die Bahn des Meteoroiden Stubenberg weist eine relativ geringe Exzentrizität auf und ist nur sehr wenig gegen die Erdbahn Stubenberg ebene geneigt. Sie ragt in ihrem sonnenfernsten Bereich jenseits der Umlaufbahn des Mars in die inneren Bereiche des Asteroidengürtels hinein. 6. März 2016 Merkur Erde Sonne Venus Pavel Spurný / SuW-Grafik Michael Krippner und Sabine Gumpenberger fanden am 12. März 2016 das erste Mars Bruchstück des Stubenberg-Meteoriten. Das 23,6 Gramm schwere Fragment besteht 1 Astronomische Einheit innen aus hellgrauem Gestein, das von einer mattschwarzen Schmelzkruste über- Dieter Heinlein zogen ist. 1 Zentimeter tag, dem 12. März 2016, traf ich mich mit einem Gewicht von 6,2 und 23,6 Gramm zuvor visuell beobachtet und fotografisch einer Gruppe von Suchbegeisterten zur waren die größten Teile eines Meteoriten- erfasst. Er fand bei unserer Expedition ersten Expedition ins Fallgebiet. Zwölf steins, der offensichtlich beim Aufprall auch noch ein kleines und absolut frisches Meteoritenkundige aus Oberösterreich auf einen Feldstein in viele Fragmente Meteoritenfragment. und Bayern folgten spontan meiner sehr zerbrochen war (siehe Bilder oben). Etliche Anhand dieses glücklichen Erstfunds kurzfristigen Einladung. Es mutet fast wie ein Märchen an, dass der rasch herbeigeeilten Mitglieder unse- bestimmte der Mineraloge Addi Bischoff rer Suchgruppe fanden im Umkreis von vom Institut für Planetologie an der Uni- unsere Gruppe bereits nach zwei Stunden zehn Metern um das erste Fundstück noch versität Münster die genaue Stoffklasse eher oberflächlicher Suche fündig wurde. weitere kleine Splitter des Steinmeteori- des Meteoriten: Er ist ein gewöhnlicher Ziemlich zentral im berechneten Streufeld ten. Insgesamt spürten wir 14 Bruchstücke Chondrit des Typs LL6, das heißt, er ent- erspähten die Meteoritensucher Michael mit einer Gesamtmasse von 47,9 Gramm hält nur geringe Gehalte an metallischem Krippner und Sabine Gumpenberger aus auf. Besonders glücklich war an diesem Eisen und anderen Metallen. Die Abkür- Linz auf einem unbestellten Acker die Samstag übrigens der Sternfreund Her- zung LL steht englisch für »low iron, low ersten beiden Fragmente! Ihre Funde mit mann Koberger: Er hatte die Feuerkugel metal«. Das Meteoritenmaterial ist eine 42 August 2016 Sterne und Weltraum springer.com Ich will es wissen. Springer Sachbücher und Ratgeber 2016, IX, 325 S. Geb. € (D) 19,99 | € (A) 20,55 | *sFr 21,50 ISBN 978-3-662-47589-8 € 14,99 | *sFr 17,00 ISBN 978-3-662-47590-4 (eBook) 2., überarb. und erw. Aufl. 2016, IX, 421 S. 250 Abb. in Farbe. Geb. € (D) 34,99 | € (A) 35,97 | *sFr 36,00 ISBN 978-3-662-48871-3 € 26,99 | *sFr 28,50 ISBN 978-3-662-48872-0 (eBook) 4., akt. u. erw. Aufl. 2016, I, 61 S. Brosch. € (D) 17,99 | € (A) 18,49 | *sFr 18,50 ISBN 978-3-658-10857-1 € 12,99 | *sFr 14,50 ISBN 978-3-658-10858-8 (eBook) 2016, IX, 239 S. 50 Abb., 42 Abb. in Farbe. Brosch. € (D) 14,99 | € (A) 15,41 | *sFr 15,50 ISBN 978-3-662-48452-4 € 9,99 | *sFr 12,00 ISBN 978-3-662-48453-1 (eBook) 2016, XIII, 233 S. 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Die Fundorte der sechs bislang bekannten Bruchstücke des StubenbergMeteoriten liegen alle in dem von den tschechischen Meteoritenforschern Ralph Sporn berechneten Streufeld. Links unten im Bild ist das Ende der Feuerkugelbahn eingezeichnet (gelbe Pfeilspitze). 0 Stubenberg 500 Meter 1000 1320 g Ering 35,9 g 7,7 g 47,9 g 19,2 g Pavel Spurný / SuW-Grafik Mühlau Frauenstein 42,4 g Ende der Feuerkugelbahn Mining Brekzie aus kleineren Gesteinsbruchstü- alter zu ermitteln. Es gibt an, wie lange cken, die einen festen Verbund bilden. Das der Meteoroid nach der Abtrennung von Weitere Meteoriten machen sich rar Gestein wurde während der 4,5 Milliarden seinem Mutterkörper im Sonnensystem Infolge Jahre bis zur Ankunft auf der Erde nur ge- unterwegs gewesen war. Für die Unter- 17. März 2016, die vom Boliden und dem ringfügig von Stoßwellen überprägt. der Pressemitteilungen vom suchungen wurde das zuerst gefundene, sensationellen Fund berichteten, suchten Wenn es gelingt, Meteorite so rasch 23,6 Gramm schwere Meteoritenfragment in den folgenden Tagen und Wochen viele nach dem Fall zu bergen, lassen sich die per Expresspaket nach Italien in ein Labor Meteoritenfans aus ganz Europa nach wei- im Gestein durch die kosmische Strahlung unter dem Berg Gran Sasso d’Italia ge- teren Fragmenten. Leider traten fast alle erzeugten kurzlebigen Radionuklide mes- schickt. Die Auswertung der Messdaten ist dieser Enthusiasten ihre Heimreise ohne sen, um das so genannte Bestrahlungs- noch im Gang. den erhofften Meteoriten im Rucksack an, 44 August 2016 Sterne und Weltraum — Das verbo(r)gene Ralph Sporn Universum 1 Zentimeter da sie sich nur schwierig finden ließen. Die Streufeld und die Massenverteilung der Fragmente enthalten sehr wenig metalli- dort zu findenden Meteoritenfragmente sches Eisen und sind daher auch nicht mit (siehe Karte links). der rasche Erstfund überaus glücklich. Bis heute wurden nach dem intensiven Der Meteorit Stubenberg Durchkämmen des berechneten Streu- zwischen den Wissenschaftlern des Obser- felds und der teilweise bewundernswert vatoriums Ondrejov und den überaus en- hartnäckigen Suche, fünf weitere Frag- gagierten Suchern im Gelände, war es nur mente dieses Meteoritenfalls gefunden. noch eine Formsache, dass das Ereignis Nach der vorbildlichen Zusammenarbeit So entdeckte Moritz Karl aus Frankfurt vom 6. März 2016 am 12. Mai von der Me- am 23. März 2016 einen komplett mit teoritical Society als neuer dokumentier- schwarzer Schmelzkruste überzogenen ter Fall bestätigt wurde. Die Meteoriten Meteoritenstein mit einem Gewicht von tragen nun offiziell den Namen Stuben- 42,4 Gramm am nördlichen Innufer, berg. Dies war nur möglich, weil die Finder während der Geologe Dennis Harries ihre Fundstücke bereitwillig als Leihgaben aus Jena ein im Flug zerbrochenes Frag- für die wissenschaftlichen Untersuchun- ment mit 35,9 Gramm barg. Die »Könige gen zur Verfügung gestellt hatten. Zudem der Sucher« sind wohl Ralph Sporn und spendeten sie rund 20 Gramm des Materi- Martin Neuhofer aus Ruhpolding: Die bei- als dauerhaft als so genanntes »Type spe- den Männer – sie hatten bereits im Jahr cimen« (Belegexemplar) für das Institut 2003 das zweite Exemplar des Meteori- für Planetologie in Münster. ten Neuschwanstein gefunden – bargen drei komplett erhaltene Fundstücke: zwei Dieser Artikel und Weblinks im Internet: kleinere Exemplare mit Gewichten von 7,7 www.sterne-und-weltraum.de/artikel/ und 19,2 Gramm, sowie – nach mehr als 1413433 400 Mannstunden gemeinsamer Suche – sogar den bislang größten Meteoriten mit Dieter Heinlein betreut einem Gewicht von 1320 Gramm (siehe im Auftrag des DLR-Instituts Bilder oben). Insgesamt wurden bislang für Planetenforschung das 1473 Gramm aus diesem Fall gefunden. deutsche Feuerkugelnetz. Die Positionen aller Fundstücke bestätig- Als Meteoritenkenner ist er ten übrigens die Berechnungen der tsche- Mitglied der Forschervereini- chischen Forscher im Hinblick auf das gung »Meteoritical Society«. www.sterne-und-weltraum.de 544 Seiten, €/D 24,99 — Erweiterte Neuausgabe zur Entdeckung der Gravitationswellen — 100 Jahre Allgemeine Relativitätstheorie: Einsteins Forschung, Einsteins Leben — Auf dem Weg zur Weltformel: von der Relativitätstheorie zur Quantengravitation © Tjefferson / fotolia einem Metalldetektor zu orten. Somit war BESTELLEN SIE JETZT AUF KOSMOS.DE BESUCHEN SIE UNSAugust UNTER: 2016 45 FACEBOOK.COM/KOSMOS.ASTRONOMIE