Bachelorarbeit fertig Sabrina Schulz

Transcription

Bachelorarbeit fertig Sabrina Schulz
Katholische Fachhochschule Freiburg
Catholic university of Applied Sciences Freiburg
Hochschule für Sozialwesen
Religionspädagogik
und Pflege gGmbH
Bachelorarbeit
´Demenzfreundliche Kommune`
- Utopie oder Wirklichkeit?
Bei
Erstprüfer(in):
Zweitprüfer(in):
Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff
Prof. Dr. Burkhard Werner
Sabrina Schulz
Soziale Arbeit, 8. Semester
Matrikel-Nr.: 2005 1977
Bahnhofstraße 10
70734 Fellbach
E-Mail: [email protected]
Datum: 09. Juni 2009
Danksagung
I
______________________________________________________________________
Danksagung
Zuerst möchte ich an dieser Stelle allen danken, die diese Bachelorarbeit „Demenzfreundliche Kommune – Utopie oder Wirklichkeit?“ durch ihre fachliche und persönliche Unterstützung begleitet und zu ihrem Gelingen beigetragen haben.
Besonders möchte ich mich ganz herzlich bei Frau Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff bedanken. Sie übernahm die umfangreiche Erstbetreuung und unterstützte mich durch ihre
hilfreichen Anregungen und Ratschläge. Zudem gilt mein Dank auch Herrn Prof. Dr.
Burkhard Werner, der mir als Zweitkorrektor unterstützend zur Seite stand.
Des Weiteren bin ich dem Verein „Aktion Demenz e.V.“ für die zahlreichen Informationen und Materialien dankbar sowie den Interviewpartnern aus der ´Demenzkampagne
„Ostfildern – Wir sind Nachbarn!“` und dem ´Projekt-Demenz-Arnsberg`.
Abschließend bedanken möchte ich mich bei meinen Eltern, die mir dieses Studium
ermöglicht haben und auf deren Unterstützung ich immer zählen kann und konnte; zudem bei meinen Freunden, die mich während dieser Zeit unterstützten und begleiteten.
Zusammenfassung
II
______________________________________________________________________
Zusammenfassung
Diese Bachelorarbeit hat den Titel „Demenzfreundliche Kommune – Utopie oder Wirklichkeit?“. Schon jetzt gibt es in unserer Gesellschaft zahlreiche Menschen mit Demenz
und die Zahl wird künftig weiter steigen. Dabei stellt sich die Frage, wie eine optimale
Versorgung von demenziell veränderten Personen innerhalb eines Gemeinwesens gewährleistet werden kann. Eine mögliche Antwort darauf wäre die Verwirklichung des
Konzepts hinsichtlich einer demenzfreundlichen Kommune.
Das Bild der ´Demenz` ist sehr häufig negativ besetzt. Dadurch finden kaum Begegnungen von Menschen mit und ohne Demenz statt, was oft zur Isolation von Betroffenen führt. Aus diesem Grund ist es notwendig eine ‚Neue Kultur’ in der Begleitung und
Begegnung mit demenziell veränderten Personen zu entwickeln. Kommunen können
ihren Beitrag dazu leisten, indem sie ihre sozialpolitischen und kommunalen Aufgaben
gezielt wahrnehmen, feste Strukturen für die Begleitung und Begegnung von Menschen
mit Demenz schaffen und das Thema Demenz in die Öffentlichkeit transportieren. Auch
die Zivilgesellschaft und bürgerschaftlich Engagierte können ihren Teil zu einem demenzfreundlichen Gemeinwesen beitragen. Dieser ist sogar von sehr großer Bedeutung,
denn ohne deren Beitrag wäre die Realisierung einer demenzfreundlichen Kommune
überhaupt nicht möglich. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass Kommunen
und Fachkräfte dieses bürgerschaftliche Engagement immer wieder fördern, unterstützen und anerkennen.
In dieser Bachelorarbeit wurden zwei Kommunen unter verschiedenen Aspekten beleuchtet, die auf dem Weg zu einer demenzfreundlichen Kommune sind: Die badenwürttembergische ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` und das nordrhein-westfälische ´Projekt-Demenz-Arnsberg`. Dabei stellte sich heraus, dass es bei der
Verwirklichung des Konzepts hinsichtlich einer demenzfreundlichen Kommune sowohl
gemeinsame Grundbausteine, als auch Unterschiede gab. Diese konnten ebenso anhand
von geführten Experteninterviews und deren Auswertung verdeutlicht werden. Das bedeutet, dass man das Konzept zur Realisierung einer demenzfreundlichen Kommune als
fruchtbaren Boden sehen kann, auf dem unterschiedliche Ideen gesät und zum Wachsen
gebracht werden können. Kommunen können mit so einem Konzept scheitern oder in
unterschiedlichsten Weisen erblühen und strahlen!
Inhaltsverzeichnis
III
______________________________________________________________________
Inhaltsverzeichnis
Danksagung .....................................................................................................................I
Zusammenfassung......................................................................................................... II
Inhaltsverzeichnis.........................................................................................................III
Abbildungsverzeichnis.................................................................................................VI
1. Einleitung .................................................................................................................... 1
1.1
Problemstellung ................................................................................................. 1
1.2
Zielsetzung der Arbeit........................................................................................ 2
1.3
Gliederung und Vorgehensweise der Arbeit ...................................................... 3
2. Demenz ........................................................................................................................ 6
2.1
Das Bild der ´Demenz`....................................................................................... 6
2.2
Demenz – Ablehnung oder Akzeptanz?............................................................. 7
2.3
Folgen für Menschen mit Demenz..................................................................... 9
2.4
Bedarf von Menschen mit Demenz.................................................................. 11
3. Kommune.................................................................................................................. 14
3.1
Demenz und Kommune – wie gehören diese Begriffe zusammen? ................ 14
3.2
Sozialpolitische Aufgaben ............................................................................... 15
3.3
Kommunale Aufgaben ..................................................................................... 19
3.3.1
Aufgaben in der Altenplanung ..........................................................................19
3.3.2
Das Thema Demenz in die Öffentlichkeit rücken.............................................23
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement ............ 26
4.1
Die Zivilgesellschaft ........................................................................................ 26
4.1.1
Begriffsbestimmung..........................................................................................26
4.1.2
Aspekte für eine aktive Zivilgesellschaft..........................................................29
4.1.3
Grundbausteine eines zivilgesellschaftlichen Demenzmodells ........................31
4.1.4
„Leben und Sterben, wo ich hingehöre!“..........................................................33
4.2.
Das Bürgerschaftliche Engagement ................................................................. 36
4.2.1
Begriffsbestimmung..........................................................................................36
4.2.2
Merkmale und Akteure .....................................................................................37
Inhaltsverzeichnis
IV
______________________________________________________________________
4.2.3
Formen ..............................................................................................................39
4.2.4
Hochkonjunktur bürgerschaftliches Engagement – wie und warum?...............40
4.3
Bedeutungen für eine demenzfreundliche Kommune...................................... 43
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`........................................................... 45
5.1
Auf dem Weg zum Verein „Aktion Demenz e.V.“.......................................... 45
5.2
Die ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“`:
Oktober 2007 – Juni 2008 ................................................................................ 47
5.2.1
Projektplanung ..................................................................................................47
5.2.2
Projektbeteiligte ................................................................................................48
5.2.3
Ziele und Inhalte des Projektes .........................................................................48
5.2.4
Projektdurchführung .........................................................................................50
5.2.5
Ergebnisse und Wirkungen ...............................................................................51
5.3
Das ´Projekt-Demenz-Arnsberg`: Januar 2008 – etwa Dezember 2010.......... 53
5.3.1
Projektplanung ..................................................................................................54
5.3.2
Projektbeteiligte ................................................................................................54
5.3.3
Ziele und Inhalte des Projektes .........................................................................55
5.3.4
Projektdurchführung .........................................................................................56
5.3.5
Ergebnisse und Wirkungen ...............................................................................58
6. Empirische Untersuchung ....................................................................................... 60
6.1
Methodische Vorgehensweise.......................................................................... 60
6.1.1
Strukturiertes Leitfadeninterview am Beispiel des Experteninterviews ...........60
6.1.2
Auswahl der Interviewpartner...........................................................................60
6.1.3
Aufbau und Inhalt des Interviewleitfaden.........................................................61
6.1.4
Vorbereitung und Durchführung der Interviews...............................................62
6.1.5
Vorgehensweise der Auswertung......................................................................64
6.2
Verarbeitungen der Erkenntnisse ..................................................................... 64
6.2.1
Auswertung der Interviewergebnisse................................................................64
6.2.1.1 Ergebnisse in Bezug auf den Theorieteil ..........................................................65
6.2.1.2 Ergebnisse in Bezug auf den Praxisteil.............................................................73
6.3.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der vorgestellten Initiativen................... 80
7. Handlungsempfehlungen......................................................................................... 84
Inhaltsverzeichnis
V
______________________________________________________________________
8. Fazit und Ausblick ................................................................................................... 87
8.1
Fazit.................................................................................................................. 87
8.2
Ausblick ........................................................................................................... 89
Quellenverzeichnis ....................................................................................................... 90
Bibliografie ................................................................................................................... 90
Zeitschriftenartikel ...................................................................................................... 94
Internetquellen ............................................................................................................. 95
Anhangsverzeichnis ..................................................................................................... 98
Anhang 1: Prävalenz von Demenzen in Abhängigkeit vom Alter ........................... 99
Anhang 2: Geschätzte Zunahme der Krankenzahl von 2000 bis 2050 ................... 99
Anhang 3: Freiwillig Engagierte und „nur“ gemeinschaftlich Aktive.................. 100
Anhang 4: Freiwillig Engagierte nach Altersgruppen............................................ 100
Anhang 5: Freiwilliges Engagement und Bereitschaft zum freiwilligen
Engagement ............................................................................................. 101
Anhang 6: Freiwillig Engagierte und „nur“ gemeinschaftlich Aktive in den
alten und neuen Ländern ....................................................................... 101
Anhang 7: Leitfragebogen......................................................................................... 102
Anhang 8: Thesenpapier ........................................................................................... 104
Abbildungsverzeichnis
VI
______________________________________________________________________
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: "Wohlfahrts-Viereck" .........................................................................16
Abbildung 2: Begriffsdefinition ‚Zivilgesellschaft’ nach Kocka ..............................27
Abbildung 3: Begriffsdefinition ‚Zivilgesellschaft’ nach Klie ..................................28
Abbildung 4: Trialogische Grundstruktur des Helfens nach Dörner .....................34
1. Einleitung
1
______________________________________________________________________
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Das Thema Demenz ist ein Phänomen, das unsere Gesellschaft in der Gegenwart und in
der Zukunft mit immer größeren Herausforderungen konfrontiert. Weltweit sind nach
einer Einschätzung des „Alzheimer’s Disease International“ etwa 24 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen. Allein in Ländern der Europäischen Union leben
etwa 6 Millionen demenziell veränderte Personen, das sind etwa ein Viertel aller weltweit Betroffenen, eine wirklich große Zahl. Davon leben gegenwärtig etwa 1,1 Millionen Menschen mit Demenz 1 in Deutschland und die Tendenz ist steigend. Es gibt Zahlen, basierend auf Vorausberechnungen der Bevölkerungsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland, die besagen, dass im Jahr 2050 mit etwa 2,6 Millionen Menschen mit
Demenz
2
zu rechnen ist.
3
Solche epidemiologischen Daten stehen häufig am Anfang
von Veröffentlichungen oder Vorträgen, aber diese Fakten sind so aussagekräftig, dass
man sie an dieser Stelle nicht umgehen kann.
Durch diese epidemiologischen Daten stellt sich die Frage, wie unsere Gesellschaft sich
dem Thema Demenz und den daraus resultierenden Herausforderungen stellen will. Das
Phänomen der Demenz muss zuerst im Ganzen erfasst werden. Da es so viele Menschen
mit Demenz gibt und in Zukunft geben wird, ist es erforderlich, dass neue Lösungsansätze oder Lösungsmöglichkeiten gefunden werden. Eines ist sicher: Unser derzeitiges
Gesundheitssystem ist diesem Anstieg nicht gewachsen und wird auch dessen finanziellen Rahmen mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit sprengen. Zudem kann unsere Gesellschaft diesen Herausforderungen nur begegnen, wenn alle am selben Strang ziehen und
das in die gleiche Richtung! 4 Das Thema Demenz ist bereits heute in aller Munde und
bekommt sehr viel Aufmerksamkeit in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen.
1
Vgl.: Anhang 1: Prävalenz von Demenzen in Abhängigkeit vom Alter
Vgl.: Anhang 2: Geschätzte Zunahme der Krankenzahl von 2000 bis 2050
3
Vgl.: Internetquelle 7: www.deutsche-alzheimer.de
4
Vgl.: Plemper, Burkhard (2007): Gemeinsam betreuen. S. 2-6
2
1. Einleitung
2
______________________________________________________________________
Zum Beispiel in der Sozialpolitik, aber auch in unserer Gesellschaft an sich. Gerade
Betroffene selbst, ihr soziales Umfeld, privat oder professionell betreuende Menschen
und das Gesundheitssystem allgemein, werden durch das Thema Demenz vor besonders
verschiedene Problematiken gestellt. Meistens sind deren Auseinandersetzungen mit
den einzelnen Problemstellungen zu sehr auf einen Bereich, beziehungsweise eine Disziplin fokussiert und es wird nicht das komplette Spektrum an Themen erkannt, die diese Herausforderungen von unserer Gesellschaft verlangen. Man muss in Bezug auf die
Demenz neue Perspektiven und Ansätze auch hinsichtlich des Umgangs, der Unterstützung und der Begleitung von Menschen mit Demenz gewinnen. In der bisherigen
Sichtweise fehlt sehr häufig eine zivilgesellschaftliche Perspektive auf das Thema Demenz. 5
Vor dem Hintergrund einer optimalen Versorgung von Menschen mit Demenz in der
Kommune stellt sich für diese die große Herausforderung, wie man eine solche Versorgung gewährleisten kann. Ein guter Ansatz hierfür wäre die Realisierung des Konzepts
hinsichtlich einer demenzfreundlichen Kommune. Der Ansatz oder die Idee dieses Konzepts ist es, wie man ein an der Zivilgesellschaft ausgerichtetes Gemeinwesen für Menschen mit Demenz gestalten kann.
1.2 Zielsetzung der Arbeit
Diese Bachelorarbeit orientiert sich am Konzept für Initiativen zur Umsetzung von demenzfreundlichen Kommunen. Dieses darf aber nicht als die endgültige Lösung betrachtet werden, sondern soll eher als fruchtbarer Boden gesehen werden, auf dem weitere Ideen gesät und zum Wachsen gebracht werden können. Unsere Gesellschaft und
vor allem die Kommunen und die in ihr lebenden und handelnden Akteure, müssen sich
künftig den Herausforderungen, welche von der Demenz diktiert werden, stellen.
5
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 13-16
1. Einleitung
3
______________________________________________________________________
Um diesen Anforderungen in Zukunft gerecht zu werden, müssen sich Kommunen verpflichten mit verschiedenen Themenkomplexen, welche die Demenz und das Konzept
einer demenzfreundlichen Kommune betreffen, sich auseinandersetzen. Zu diesen Themenkomplexen zählen verschiedene Bereiche des Themas Demenz an sich, Aspekte
von und für Kommunen, sowie eine zivilgesellschaftliche Perspektive und das bürgerschaftliche Engagement. Welche einzelnen Aspekte dabei genauer berücksichtigt werden müssen, was diese detaillierter zum Inhalt haben und welche Aussagen sich daraus
treffen lassen, wird als Ziel dieser Bachelorarbeit definiert und soll genauer erörtert und
dargestellt werden.
Ein weiteres Ziel ist es, dass die aus dem theoretischen Teil dieser Bachelorarbeit gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse, durch eine detaillierte Betrachtung von zwei
Initiativen, die sich auf den spannenden Weg zu einer demenzfreundlichen Kommune
gemacht haben, sowie einer empirischen Untersuchung durch strukturierte Leitfadeninterviews am Beispiel von Experteninterviews, bekräftigt oder ergänzt werden können.
Das Thema dieser Bachelorarbeit lautet „Demenzfreundliche Kommune – Utopie oder
Wirklichkeit?“. Von diesem Titel ausgehend, lässt sich die finale Zielsetzung ableiten:
Ist ein an der Zivilgesellschaft ausgerichtetes Gemeinwesen für Menschen mit Demenz,
auch demenzfreundliche Kommune genannt, in der Realität umsetzbar? Wenn dies
wirklich möglich ist, gibt es auf dem Weg dahin gewiss auch bestimmte Grundvoraussetzungen, die berücksichtigt werden sollten. Doch welche sind dies? Überlegungen
dazu sollen am Ende dieser Arbeit erörtert und vorgestellt werden.
1.3 Gliederung und Vorgehensweise der Arbeit
Für die Bearbeitung der vorliegenden Bachelorarbeit „Demenzfreundliche Kommune –
Utopie oder Wirklichkeit?“ wurde als erstes ein theoretischer Rahmen gesetzt, gefolgt
von einem praktischen Teil. Diese Bachelorarbeit ist insgesamt in acht Hauptkapitel
untergliedert. Im ersten Kapitel soll an das Thema dieser wissenschaftlichen Arbeit
herangeführt, die Problemstellung gegeben und die Zielsetzung dargestellt werden.
1. Einleitung
4
______________________________________________________________________
Im zweiten Kapitel folgt eine kurze, nur auf die relevanten Bereiche für den Inhalt dieser Bachelorarbeit fokussierte Darstellung des Themas Demenz. Was zeichnet sie aus,
welche Folgen hat Demenz für Betroffene und welche Bedarfe ergeben sich daraus.
Das dritte Kapitel beinhaltet die Sicht von Kommunen auf das Thema Demenz. Sollen
sich Kommunen überhaupt mit dem Thema auseinandersetzen, beziehungsweise betrifft
es diese überhaupt? Nach einer Klärung wird daraufhin dargestellt, welche sozialpolitischen und kommunalen Aufgaben sich daraus erschließen.
Im vierten Kapitel wird geklärt, was man unter dem Begriff der ‚Zivilgesellschaft’
versteht und warum eine aktive Zivilgesellschaft wichtig ist. Zudem wird anhand eines
zivilgesellschaftlichen Demenzmodells und der trialogischen Grundstruktur des Helfens
nach Dörner erläutert, wie die Zivilgesellschaft mit der Demenzthematik umgehen kann.
Folgend steht der Begriff des ‚bürgerschaftlichen Engagements’ im Mittelpunkt. An
dieser Stelle wird geklärt, welche Merkmale und Formen das bürgerschaftliche Engagement aufweist und warum besonders in diesem Bereich eine Hochkonjunktur gegeben
ist. Ebenso wird dargelegt, warum das bürgerschaftliche Engagement vor allem bei der
Umsetzung einer demenzfreundlichen Kommune von äußerster Wichtigkeit ist.
Das fünfte Kapitel beinhaltet eine genauere Beschreibung von zwei Initiativen, die sich
auf den Weg zu einer so genannten demenzfreundlichen Kommune begeben haben. Es
werden hierfür verschiedene Aspekte zum einen von der baden-württembergischen
´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` und zum anderen von dem nordrhein-westfälischen ´Projekt-Demenz-Arnsberg` beleuchtet.
Im sechsten Kapitel folgt die empirische Untersuchung. Als erstes wird auf die methodische Vorgehensweise eingegangen. Im Rahmen dieser empirischen Untersuchung
wurden vier Experten aus den beiden Initiativen interviewt, jeweils zwei Experten aus
der ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` und zwei Experten aus dem
´Projekt-Demenz-Arnsberg`. Ziel der Interviews war es, professionelle Meinungen zum
Thema dieser Bachelorarbeit „Demenzfreundliche Kommune – Utopie oder Wirklichkeit?“ einzuholen, sowie den Ursprung, den aktuellen Stand und die künftige Planung
der beiden einzelnen Kampagnen zu erfragen. Diese Experteninterviews wurden ausge-
1. Einleitung
5
______________________________________________________________________
wertet und in Bezug auf die Theorie und die Praxis dieser wissenschaftlichen Arbeit
dargestellt. Abschließend werden in diesem Kapitel Gemeinsamkeiten und Unterschiede
der vorgestellten Initiativen erarbeitet.
Im siebten Kapitel stellt der Autor - aufbauend auf den Ergebnissen des sechsten Kapitels, den theoretischen Grundlagen sowie eigenen Überlegungen - verschiedene Handlungsempfehlungen vor. Diese könnten in weitere Konzepte hinsichtlich demenzfreundlicher Kommunen einfließen.
Das achte Kapitel bildet den inhaltlichen Abschluss dieser Bachelorarbeit. Es beinhaltet ein Fazit des Autors und einen Ausblick in die Zukunft.
Es folgt ein Quellen- und Anhangsverzeichnis.
2. Demenz
6
______________________________________________________________________
2. Demenz
2.1 Das Bild der ´Demenz`
Das Thema Demenz und seine Erscheinungsformen werden in unserer Gesellschaft häufig als Schreckgespenst betrachtet. Warum ist das so und entspricht dies wirklich der
Realität? Dieses Demenzbild soll nun im Folgenden betrachtet und erörtert werden.
Der Begriff ‚Demenz’ trat schon bei den alten Ägyptern in Erscheinung. Dort entsprach
er jedoch nicht unserer heutigen Auffassung einer Krankheit, sondern vielmehr der Beschreibung eines merkwürdigen oder abweichenden Verhaltens. Erst Anfang des 20.
Jahrhunderts wurde der Begriff ‚präsenile Demenz’ durch Dr. Alois Alzheimer geprägt,
in der medizinischen deutschsprachigen Literatur verfestigt und als Krankheit definiert.
Das heutige Negativbild von Demenz hat seinen Ursprung seit den 1960er und 1970er
Jahren. Es stammt vor allem aus der Medizin und dem daraus resultierenden medizinisch-biologischen Demenzmodell und hat Einzug in die Klassifikationssysteme wie
ICD oder DSM gehalten. 6 Der Begriff ‚Demenz’ wird in diesem Modell über ein organisches Erklärungsmuster, über Aussagen einer dement klassifizierten Person von außen
und über den Verlaufsprozess einer Demenz definiert. Nach diesem Modell wird die
Demenz als eine Krankheit aufgefasst, welche von einem Kompetenzabbau und einem
Verlust von Fähigkeiten und Lebensqualität gekennzeichnet ist. Die Krankheitssymptome werden deutlich in Verhaltens-, Reaktions-, und Erlebensausdruck von demenziell veränderten Personen. 7 Die Krankheit, so wird zumindest angenommen, kann nur
einen negativen Verlauf einnehmen und die Chance, dieser auch etwas Positives abzugewinnen, wird abgesprochen. Außerdem werden nach dieser Auffassung die Menschen
mit Demenz dementsprechend auch als Kranke betrachtet.
6
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 32-33 & 39-42
7
Vgl.: Wißmann, Peter et. al (2007): Demenzkranken begegnen. S. 15
2. Demenz
7
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Dieses negative Demenzbild wird nicht nur in der Medizin vertreten, sondern ist auch in
Printmedien oder sogar in Verbänden und Initiativen eingeflossen, die im Prinzip die
Interessen von Menschen mit Demenz vertreten sollen und wollen. 8 Doch ist dies wirklich der richtige Weg, wäre es nicht an der Zeit umzudenken?
Künftig wird es immer mehr Menschen mit Demenz geben. Dies ist eine Tatsache und
die Gesellschaft und besonders Kommunen müssen einen Weg finden, mit dem Thema
Demenz umzugehen. Tun wir dies nicht, werden wir auf eine Katastrophe zusteuern.
Daher macht es Sinn zu prüfen, wie unsere Gesellschaft einen würdevolleren Umgang
mit einer immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe pflegen kann. 9
2.2 Demenz – Ablehnung oder Akzeptanz?
Wie in Kapitel 2.1 beschrieben, wird die Demenz als Krankheit angesehen und das gesellschaftliche Bild von ihr ist eindeutig negativ. Bei Menschen mit Demenz tritt tatsächlich häufig eine deutliche kognitive Verschlechterung auf und es kommt zum Auftreten von nicht-kognitiven beziehungsweise psychiatrischen Symptomen. Darunter
versteht man grundlegende Veränderungen des Verhaltens und der Gefühle, wie zum
Beispiel Depressionen, Schlafstörungen, Angstzustände, Halluzinationen oder Aggressivität.
10
Zudem treten auch Einschränkungen bei Aktivitäten des alltäglichen Lebens
auf. Es kann zu Einschränkungen in der Selbstversorgung, wie zum Beispiel Körperhygiene, An- und Auskleiden, Mobilität oder Inkontinenz kommen, sowie zu Einschränkungen in der Durchführung bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, wie zum Beispiel
dem Einkaufen, der Zubereitung von regelmäßigen Mahlzeiten oder dem Putzen führen.
11
Doch machen diese Einschränkungen das Leben eines demenziell veränderten Men-
schen nicht mehr lebenswert? Kann man das Leben nur nach rational-logischem und
8
Vgl.: Wißmann, Peter (2004): Die Begleitkultur. S. 14-16
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 22-23
10
Vgl.: Werner, Burkhard (1997): DEMENZ. S. 151-153
11
Vgl.: Schäufele, Martina; Köhler, Leonore; Teufel, Sandra; Weyerer, Siegfried (2006): Betreuung von
dementiell erkrankten Menschen in Privathaushalten: Potentiale und Grenzen. S. 111-117
9
2. Demenz
8
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unterscheidendem Denken ausrichten? Nach Meinung des Autors lautet die Antwort
kurz und prägnant: „Das Leben ist trotz allem lebenswert!“. Mit einer Demenz zu leben,
bedeutet zwar, dass man spezifische Denkfähigkeiten verliert, aber es bedeutet nicht den
Verlust dessen, was den Menschen zum Menschen und seinem Dasein ausmacht. Es
besteht auch die Möglichkeit aus einem Verlust neuen Mut zu schöpfen und man sollte
seinen Lebenssinn und seine Lebensfreude nicht an einzelne Fähigkeiten und Körperfunktionen knüpfen. Häufig fokussiert man sich in einer Verlustsituation auf andere
weiter vorhandene Kompetenzen oder Sinne. Es kann sogar zu einer Intensivierung von
diesen führen, woraus man wiederum neue Lebensfreude und Lebensenergie schöpfen
kann. 12
Es ist durchaus möglich, das Thema Demenz aus einer positiveren Perspektive zu betrachten. Nach Tom Kitwood und seinem ganzheitlichen, personenzentrierten Demenzmodell kann man sogar bestimmte Fähigkeiten neu oder wieder erlernen. Er formulierte
dies unter dem Begriff der so genannten ‚Remenz’. In Wohngruppen, die ein sozialpsychologisch, förderndes und personenzentriertes Milieu und Betreuungskonzept umsetzen, ließ sich beobachten, dass Menschen mit Demenz, die bei Einzug in Kommunikation, sozialer Interaktion und Mobilität beeinträchtigt waren, nach mehreren Monaten des
Lebens dort, deutlich höhere Kompetenzen in diesen Bereichen aufzeigen konnten.
13
Eine weitere Fähigkeit, die sich besonders bei demenziell veränderten Personen weiter
ausprägt, ist die Intuition. Diese bietet Menschen mit Demenz eine gefühlsmäßige anstatt logisch ausgerichtete Orientierung an der Umwelt. Rational ausgerichtete Menschen können von demenziell veränderten Personen etwas abschauen, da man durch
Intuition die Welt und ihr Geschehen anders erkennen und eigene Wesenszüge besser
beurteilen kann.14
12
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 53-56
13
Vgl.: Wißmann, Peter (2004): Die Begleitkultur. S. 19-21
14
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 61-63
2. Demenz
9
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2.3 Folgen für Menschen mit Demenz
Das negative Demenzbild führt dazu, dass viele Menschen eine ablehnende Einstellung
gegenüber dem Thema Demenz haben. Das Motto lautet: „Im Prinzip kann man dagegen sowieso nicht viel tun. Man kann nur hoffen, dass man in der pharmakologischen
Forschung irgendwann ein Medikament findet, das die Krankheit Demenz heilen
kann.“. Doch solch eine innere Haltung führt dazu, dass demenziell veränderte Menschen in ihrer Lebensqualität, aber auch die allgemeine Pflegekultur beeinträchtigt werden. Es kann zu keiner Weiterentwicklung und Begegnung von Menschen mit und ohne
Demenz kommen.
Eine Folge davon kann sein, dass innerfamiliäre Beziehungen häufig einer großen Belastung ausgesetzt sind. Verborgene Erwartungen sind bei allen Familienangehörigen
vorhanden. Es kommt zu einem psychischen Druck vor allem bei pflegenden Angehörigen und häufig erreichen diese sehr schnell eine Belastungsgrenze. Angehörige von
Menschen mit Demenz wollen sich oft mit ihnen nicht in der Öffentlichkeit zeigen, da
sie ein zu großes Schamgefühl haben. „Wie könnten die Leute darauf reagieren, wenn
mein Angehöriger wieder einen immensen Drang verspürt, andauernd vor sich hin zusprechen und auf und ab zu gehen?“. Das kann dazu führen, dass Kontakte abbrechen
werden und es zu keinen Begegnungen im sozialen Nahbereich kommt. Es folgt ein
Rückzug der demenziell veränderten Person und deren Angehörigen aus dem gesellschaftlichen und sozialen Leben. Es kommt zur Isolation oder sogar manchmal zu einer
Dekompensation des Hilfesystems innerhalb der betroffenen Familie.
15
Dies hat weit
reichende Auswirkungen für Menschen mit Demenz selbst, sowie für ihre Familien,
Freunde und Bekannte.
Man kann nur Mutmaßungen anstellen, wie die Situation mit einer Demenz zu leben,
auf Menschen mit Demenz selbst wirken muss. Meist treten schon vor einer Diagnose
erste Symptome auf. Dadurch werden demenziell veränderte Menschen oft schon vor
15
Vgl.: Wißmann, Peter et. al (2007): Demenzkranken begegnen. S. 16-18
2. Demenz
10
______________________________________________________________________
der Erkennung ihrer Krankheit Fehlhandlungen oder Nachlässigkeiten unterstellt. Es
kann wieder Konfliktpotenzial innerhalb des primären Bezugsystems entstehen. 16 Zum
einen wissen die Betroffenen selbst nicht, warum sie plötzlich Sachen vergessen oder
andere Reaktionen zeigen als sonst. Zum anderen haben sie häufig ebenso das Negativbild von Demenz im Kopf. Sie verlieren ihre Autonomie, sie werden pflegebedürftig,
sie bekommen Verhaltensstörungen oder noch weitere Krankheiten dazu. Und diese
Überlegungen belasten, auch wenn nur ein Verdacht auf diese Krankheit bei ihnen
herrscht. 17
Deshalb ist eine Früherkennung von Demenz ausgesprochen wichtig. Es sollte möglichst früh ein Arzt aufgesucht werden, um eine diagnostische Abklärung zu erhalten.
Aber dies ist ein langer und schwerer Weg von einem (Fach-)Arzt zum anderen. Und
selbst wenn dann eine Diagnose gestellt wurde, fühlen sich Betroffene und ihre Angehörigen mehrfach zunächst im Stich gelassen, weil sie nicht darüber informiert werden,
wie man mit dieser Krankheit leben und umgehen kann. 18
Menschen mit Demenz möchten so lange wie möglich ihr Personendasein erhalten und
hoffen dabei auf Unterstützung von ihrem sozialen Umfeld. Zudem tritt oft bei ihnen ein
Gefühl von Fremdheit auf. Dies kann auch durch Reaktionen aus ihrer Umwelt verstärkt
werden. Wenn dieses Gefühl erscheint, versuchen Menschen mit Demenz immer wieder
etwas Altes und Vertrautes zu finden. Doch sie bemerken häufig, dass die Realität, wie
sie diese erleben, nicht der Wahrheit entspricht und ihr Umfeld diese anders wahrnimmt. Dadurch kommt ein Gefühl des Unverständnisses und der Ausgrenzung auf. Sie
ziehen sich in ihre eigene Welt zurück, um ihre eigene Identität und ihr Empfinden der
eigenen Person gegenüber aufrechterhalten zu können. 19
16
Vgl.: Zsolnay-Wildgruber, Helga (1997): Alzheimer-Kranke und ihr primäres Bezugsystem. S. 55-56
Vgl.: Schneider, Kordula; Welling, Karin (2004): Ältere Menschen in Deutschland: Eine
gesellschaftliche Herausforderung. S. 59-60
18
Vgl.: Zsolnay-Wildgruber, Helga (1997): Alzheimer-Kranke und ihr primäres Bezugsystem. S. 55-56
19
Vgl.: Zsolnay-Wildgruber, Helga (1997): Alzheimer-Kranke und ihr primäres Bezugsystem. S. 68-69
17
2. Demenz
11
______________________________________________________________________
2.4 Bedarf von Menschen mit Demenz
Aus den eben beschriebenen Folgen ergeben sich auch einige Bedarfe, welche Menschen mit Demenz haben. Diese können aber bei jeder demenziell veränderten Person
und ihrem jeweiligen sozialen Nahbereich variieren. Aus diesem Grund können an dieser Stelle nur einzelne Bedarfe plakativ vorgestellt werden. Diese richten sich an verschiedene Personen, Institutionen, Organisationen, Kommunen und die Politik.
Es muss sich vor allem der Betroffene selbst und sein sozialer Nahbereich der neuen
Situation mit Demenz anpassen. Bisherige Lebensgewohnheiten müssen oftmals neu
strukturiert, bisherige Rollen angepasst und viele Ressourcen mobilisiert werden.
20
Ei-
ne Hauptpflege-, beziehungsweise Bezugsperson wird unumgänglich. Die Pflege und
Betreuung kann aber auch zwischen zwei oder drei Personen aufgeteilt werden. Zudem
sollte man die Wohnung oder das Haus des Menschen mit Demenz ausreichend pflegegerecht ausbauen. Dadurch kann ein gewohnter Alltagsablauf gewährleisten werden. 21
Außerdem hat sich gezeigt, dass ein zuverlässiger Freundeskreis und ein reger Kontakt
zu Angehörigen klinische Anzeichen von Demenz verhindern oder hinauszögern können. Je größer ein soziales Umfeld bei Menschen mit Demenz ist, desto weniger werden
seine Fähigkeiten beeinträchtigt.
22
Hierbei kann man zwischen einem informellen und
einem formellen Netzwerk unterscheiden. Zu den informellen Netzwerken gehören Familienmitglieder, Freunde, Bekannte und Nachbarn. Je nachdem wie die Beziehungen,
die Persönlichkeiten und die Belastbarkeiten zwischen dem Menschen mit Demenz und
diesen Personenkreisen sind, kann dieses informelle Netzwerk wachsen oder sich verkleinern. Dies kann sich während des ganzen Krankheitsverlaufes, was sich über Jahre
erstrecken kann, ständig verändern. Wenn das informelle Netzwerk an seine Grenzen in
Bezug auf Betreuung oder Pflege stößt, tritt das formelle Netzwerk als Unterstützung
20
Vgl.: Zsolnay-Wildgruber, Helga (1997): Alzheimer-Kranke und ihr primäres Bezugsystem. S. 68-69
Vgl.: Schäufele, Martina; Köhler, Leonore; Teufel, Sandra; Weyerer, Siegfried (2006): Betreuung von
dementiell erkrankten Menschen in Privathaushalten: Potentiale und Grenzen. S. 118-120
22
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – Eine Streitschrift.
S. 126
21
2. Demenz
12
______________________________________________________________________
beziehungsweise sogar als Ersatz in Erscheinung. Zuerst werden ambulante Dienste und
Personen einbezogen, wenn nötig auch teil- oder vollstationäre Einrichtungen, wie zum
Beispiel Tagespflegegruppen und Kurzzeitpflegen.
eventuell mit Hausbesuchen ist wünschenswert.
24
23
Auch eine ärztliche Versorgung,
Wenn bei einem späteren Stadium
dieser Krankheit die Versorgung zu Hause nicht mehr gewährleistet werden kann, folgt
eine stationäre Heimversorgung. 25
Ohne diese sozialen Netzwerke ist eine soziale Unterstützung für Menschen mit Demenz überhaupt nicht vorstellbar. Darunter versteht man Leistungen, die innerhalb eines
Netzwerkes ausgetauscht werden und die der demenziell veränderten Person helfen,
ihren Alltag zu bewältigen. Diese Leistungen kann man unterscheiden zwischen affektiven, beziehungsweise emotionalen (zum Beispiel Vermittlung von Nähe, Vertrauen
oder Geborgenheit), instrumentalen (zum Beispiel finanzielle, praktische oder unterstützende Hilfen) und kognitiven (zum Beispiel Informationsvermittlung) Unterstützungen.
So eine soziale Unterstützung kann zwar Menschen mit Demenz Sicherheit und Geborgenheit vermitteln, sie kann aber auch gegensätzlich als Bevormundung, beziehungsweise Kontrolle empfunden werden. 26 Deshalb ist seitens der sozialen Netzwerke auch
immer darauf zu achten, welche Bedürfnisse die demenziell veränderte Person zu dem
gegebenen Zeitpunkt hat.
Ein weiterer Bedarf für Menschen mit Demenz ergibt sich, wenn die Umwelt einen neuen Zugangsweg zu ihnen finden will und umzudenken lernt. Ist ein Mensch nur über
seinen Verstand zu erreichen? Gibt es nicht auch andere Zugangswege? Man darf das
Menschsein nicht nur über rationales Denken definieren. Es gibt auch einen Zugang
beispielsweise über die Sinneswahrnehmungen und Emotionen von Menschen.
23
27
Dies
Vgl.: Werner, Burkhard (1997): Demenz. S. 171-175
Vgl.: Bunzendahl, Iris; Hagen, Björn Peter (2004): Soziale Netzwerke in der ambulanten Versorgung
älterer Menschen. S. 121-122
25
Vgl.: Werner, Burkhard (1997): Demenz. S. 171-175
26
Vgl.: Bunzendahl, Iris; Hagen, Björn Peter (2004): Soziale Netzwerke in der ambulanten Versorgung
älterer Menschen. S. 99-100
27
Vgl.: Muthesius, Dorothea; Ganß, Michael (2004): Interventions- und Kommunikationsformen.
S. 130-131
24
2. Demenz
13
______________________________________________________________________
gilt für Menschen mit und ohne Demenz. Kommunikation und Interaktion kann über
Kunst, Literatur, Musik, Sprache oder einfache Gesten erfolgen. Eine Kommunikation
könnte also nonverbal, am Körper orientiert und auf die Sinne bezogen sein.
28
Gerade
diese Möglichkeiten des Erlebens und des Ausdrucks, sind für Menschen mit Demenz
sehr wichtig.
Aufgrund der Bedürfnisse von Menschen mit Demenz ist es angebracht, eine so genannte ‚Neue Kultur’ in der Begleitung und Betreuung von Menschen mit Demenz zu schaffen. Diese beinhaltet prinzipiell die bereits vorgestellten Aspekte. Dabei wird aus einem
‚Demenzkranken’ ein ‚Mensch mit Demenz’. Betreuer von ihnen verstehen sich als deren Begleiter. Sie nehmen sie als ganzheitliche Person wahr, unterstützen sie in ihrem
Personendasein und finden neue Formen der Kommunikation und Interaktion. Professionell Tätige und pflegende Angehörige arbeiten kooperativ zusammen und begegnen
sich auf derselben Augenhöhe. Es kann dadurch zu einer Veränderung von Rahmenbedingungen in der Pflege und im Umgang miteinander kommen. Dieser Weg, der zu einer Veränderung der Begleitkultur von demenziell veränderten Personen führen soll, ist
ein langsamer und auch sehr mühevoller, aber gleichzeitig auch ein erforderlicher und
gangbarer Weg. 29
28
29
Vgl.: Wißmann, Peter et. al (2007): Demenzkranken begegnen. S. 30-35
Vgl.: Wißmann, Peter (2004): Erklärung für eine „Neue Kultur“ in der Begleitung von Menschen mit
Demenz. S. 250-252
3. Kommune
14
______________________________________________________________________
3. Kommune
3.1 Demenz und Kommune – wie gehören diese Begriffe zusammen?
Zunächst einmal soll an dieser Stelle erläutert werden, in welcher Form der Begriff
‚Kommune’, auch im Sinne einer demenzfreundlichen Kommune, in dieser wissenschaftlichen Arbeit verstanden wird:
„Mit dem Begriff Kommune sind in Deutschland in der Regel Gemeinden
und Landkreise als Gebietskörperschaften gemeint. Dieser Begriff wird
hier davon abweichend als Sammelbegriff für Gemeinden, Landkreise,
Städte und Dörfer verwendet.“ 30
Es lässt sich feststellen, dass alle Kommunen heute und künftig, unter anderem aufgrund der höheren Lebenserwartung oder der Abwanderung von der jüngeren Generation in andere Gebiete, altern werden. Auf diese Entwicklung sind nur einige wenige
Kommunen vorbereitet, obwohl es seitens der kommunalen Senioren- oder Sozialpolitik
von höchster Wichtigkeit wäre. Je früher sich eine Kommune mit dem Gedanken der
pflegerischen, beziehungsweise häuslichen Versorgung älterer, auch demenziell veränderter Personen oder sich mit dem sozialen Miteinander von verschiedenen Generationen auseinandersetzt, desto besser können diese künftig davon profitieren.
31
Aber das
Gegenteil ist häufig der Fall. Es kommt zu einer Singularisierung, Individualisierung,
Isolierung der Menschen und zum Zerbröckeln von sozialen Milieus in unserer Gesellschaft. Wenn man dieses Thema sehr kritisch betrachtet, entstehen durch die ältere Generation höhere Kosten, zum Beispiel durch die Rentenfinanzierung, die Gesundheitsversorgung oder durch eine so genannte Industrialisierung des Sozialen. Dies bedeutet,
dass informelle Betreuungsformen langsam aber stetig durch formelle Betreuungsformen ersetzt werden, aber dafür finanzielle Ressourcen nicht in ausreichendem Maße
vorhanden sind.
30
31
Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift. S. 146
Vgl.: Große Starman, Carsten; Schmidt Kerstin (2007): Kommunen im demographischen Wandel –
Trends und Handlungsstrategien. S. 149
3. Kommune
15
______________________________________________________________________
Gerade deswegen entwickelt sich auch das Thema Demenz zu einer bedeutenden sozialen, politischen, ökonomischen und humanitären Herausforderung. Doch es ist nicht
ausreichend, wenn Kommunen vereinzelte „Maßnahmen“ aufgreifen, damit eine
Grundversorgung von Menschen mit Demenz gewährleistet ist. Sie müssen auch soziale
Beziehungen innerhalb unserer Gesellschaft stärken und einen Neuanfang ermöglichen.
Demenz ist oder wird immer mehr eine zentrale soziale Frage in unserer Gesellschaft.
Das heißt also, Kommunen müssen das Thema Demenz als Zukunftsaufgabe wahr- und
annehmen und sich intensiv damit auseinandersetzen. 32
3.2 Sozialpolitische Aufgaben
Die Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Grundgesetz als sozialer Bundesstaat
ausgerichtet. Aber das Gesetz beinhaltet keine genaueren Vorgaben, was dies im Einzelnen beinhalten soll oder wie es auszuführen ist. Begriffe wie beispielsweise Wohlfahrtsstaat, Solidarität oder Gemeinwohl sind verhandelbare Prinzipien und werden
nicht als Grundwerte betrachtet.
Bis in die 1980er Jahre gab es eine politisch-ideologische Polarisierung bezüglich des
Wohlfahrtsstaates. Es ging um dessen Ab- oder Ausbau oder dessen Reform. Sozialpolitik war dahingehend ausgerichtet, inwieweit Verteilung von Leistungen und Lasten
nach dem Prinzip „von oben nach unten“ möglich und wie hoch der administrative
Aufwand seitens der öffentlichen Hand ist. Genau dies hat sich in den letzten Jahren
verändert. Gerade im Altenbereich suchte man auch nach anderen Quellen von Wohlfahrt. Neben der klassischen Nationalökonomie von Staat (gelb) und Markt (rot) wurden
auch private Haushalte und Beziehungsnetze (blau) sowie Zwischenformen im intermediären Bereich (grün) gesucht. Dies lässt sich im so genannten „Wohlfahrts-Viereck“
grafisch darstellen.
32
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 81-91
3. Kommune
16
______________________________________________________________________
Staat, Land,
Kommune
Intermediärer
Bereich
Wohlfahrt
Im Alter
Markt von
Anbietern und
Klienten
Primäre
Sozialnetze
Abbildung 1: "Wohlfahrts-Viereck" 33
Die Sozialpolitik wird nicht nur in ihrem eigenen Bereich (gelb) tätig, sondern übernimmt auch häufiger Moderations- und Steuerungsaufgaben im gesamten Viereck.
34
Diese Verpflichtungen nehmen wiederum die Kommunen in ihrer Altenplanung wahr.
Es lassen sich vier Hauptpflichten unterscheiden.
Zum einen sind die Leistungsverpflichtungen von Kommunen zu nennen (gelb). Das
heißt, Kommunen sind als Sozialhilfeträger für einige Leistungsverpflichtungen verantwortlich, welche Belange von älteren Menschen zum Gegenstand haben. Dazu zählen unter anderem Leistungen der Hilfe zur Pflege (§ 61 ff. SGB XII), der Altenhilfe
(§71 SGB XII) und der Persönlichen Hilfen (§ 10 ff. SGB XII). Bei den Leistungen der
Hilfe zur Pflege handelt es sich um ergänzende Funktionen gegenüber der Pflegeversicherung. Beispielsweise müssen Kommunen als Sozialhilfeträger Pflegeleistungen übernehmen, wenn diese die Pflegeversicherungen noch nicht gewähren. Leistungen der
Altenhilfe beinhalten die Übernahme von Beratungsfunktionen seitens der Kommune
sowie zahlreiche weitere Leistungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel Leistungen für von
33
Vgl.: Blaumeister, Heinz; Blunck, Annette; Klie, Thomas; Pfundstein, Thomas; Wappelshammer,
Elisabeth (2002): Handbuch kommunale Altenplanung. S. 73
34
Vgl.: Blaumeister, Heinz; Blunck, Annette; Klie, Thomas; Pfundstein, Thomas; Wappelshammer,
Elisabeth (2002): Handbuch kommunale Altenplanung. S. 72-74
3. Kommune
17
______________________________________________________________________
Desintegration bedrohten älteren Menschen. Die Leistungen der Persönlichen Hilfen
umfassen Beratung, allgemeine Lebenshilfe und persönliche Unterstützung, wenn dies
im Einzelnen von Nöten ist. Die Träger der Sozialhilfe sind bei der Aus- und Durchführung dieser Aufgaben nach dem Kooperationsprinzip verpflichtet. Dies bedeutet, sie
sollen beispielsweise mit Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden zusammenarbeiten. 35
Zu den Förderobliegenheiten zählen unter anderem die Komplementärfinanzierung von
Einrichtungen und Diensten durch Kommunen, welche häufig in den Landesförderrichtlinien der jeweiligen Bundesländer festgelegt sind (gelb). Dies können zum Beispiel
Nachbarschaftshilfen oder Beratungsstellen sein. Zudem können Kommunen ihr individuelles Altenhilfeprofil erstellen, indem sie zum Beispiel Hospizarbeit, Altenbegegnungsstätten oder Bildungs- und Freizeitaktivitäten älterer Menschen bezuschussen und
fördern.
Des Weiteren ist hier die Planungs- und Infrastrukturverantwortung von Kommunen zu
nennen (rot). Kommunen haben die Pflicht auf eine Kommunal- und Stadtentwicklung
zu achten, welche ihrer Gemeindeordnung entspricht. Zum Beispiel in der so genannten
Bauleitplanung, wo man die Belange von Älteren beziehungsweise Menschen mit Demenz mit einbeziehen muss. Unter Infrastrukturverantwortung versteht man, dass
Kommunen als Sozialhilfeträger zur Sicherung der Versorgung älterer Menschen Bedarfserhebungen, Pläne und Koordination von Hilfen, Diensten und Einrichtungen vornimmt. Damit langfristig eine optimale Versorgungsstruktur gewährleistet werden kann.
Entweder übernehmen sie diese Verantwortung als Träger selbst oder kooperieren mit
anderen Trägern. Dies ist zwar mit Kosten verbunden, aber auf Dauer eine lohnende
Investition in die Zukunft.
Als vierten Bereich muss man die kommunalen Moderationsaufgaben anführen. Kommunen haben zur Aufgabe, verschiedene Einrichtungen und Dienste zu koordinieren
und Prozesse der Willensbildung, der Qualitätsentwicklung und der Zivilisierung von
35
Vgl.: Rothenburg, Eva Maria (2004): Rechtliche Grundlagen. S. 73
3. Kommune
18
______________________________________________________________________
wichtigen Märkten zu moderieren. Dazu zählt auch, zivilgesellschaftliches und bürgerschaftliches Engagement zu stützen, zu fördern und zu initiieren (grün). Auf diesen intermediären Bereich des ‚Wohlfahrts-Vierecks’ wird ab Kapitel 4.3) dieser Bachelorarbeit noch näher eingegangen. Des Weiteren ist es wichtig, dass eine kommunale Altenplanung den privaten Nahbereich unterstützt. Das heißt, dass Kommunen ausreichende
Informationen und Beratungen für Bürger/Innen zur Verfügung stellen und eine stetige
Öffentlichkeitsarbeit bezüglich des Alters durchführen. Damit das Bewusstsein der Öffentlichkeit erreicht werden kann.
36
Kommunen müssen allerdings nicht nur ihre Aufgaben wahrnehmen und in diese investieren, sondern sie können auch davon profitieren. Gerade das soziale und pflegerische
Aufgabenfeld ist als lokaler Wirtschaftsbereich wichtig und kann für die Kommune ein
so genannter Wachstumsfaktor sein. Aus der beschäftigungspolitischen Sichtweise heraus können gerade bei der Abdeckung von Pflege, Betreuung und hauswirtschaftlichen
Hilfen neue Serviceangebote und Arbeitsplätze entstehen. Diese werden dann zwischen
Markt und Staat angesiedelt (rot).
37
Zudem ist das Thema der Versorgung von älteren
Menschen - auch von Menschen mit Demenz - in einer Kommune von zunehmender
Wichtigkeit, wenn man dies aus wahlstrategischer Sicht der kommunalpolitischen Akteure betrachtet. Menschen mit Demenz sind möglicherweise noch selbst Wähler oder
von einem größeren Personenkreis umgeben; dies können Verwandte, Bekannte, Freunde oder auch professionelle Helfer sein. Wenn in einer Kommune eine engagierte Altenpolitik umgesetzt wird und intensiv auf die Problemlagen und Belange von Betroffenen eingegangen wird, fühlen diese sich wieder ernst genommen. Als Folge davon können politische Akteure mit den Wählerstimmen dieser Personen rechnen und profitieren.
38
Eine zukunftsorientierte Seniorenpolitik in den Kommunen wird immer bedeutender.
Das heißt, sie muss sich mit der Bau- und Verkehrsplanung, mit Bildungs- und Gesundheitsthemen, mit Wohnformen im Alter und mit Aspekten des bürgerschaftlichen Enga-
36
Vgl.: Blaumeister, Heinz; Blunck, Annette; Klie, Thomas; Pfundstein, Thomas; Wappelshammer,
Elisabeth (2002): Handbuch kommunale Altenplanung. S. 76 & S. 92-95
37
Vgl.: Blunck, Annette (1999): Sozialräumliche Zugänge im Kontext kommunaler Altenplanung –
Alltägliche Versorgung als soziale Netzwerkpflege. S. 72-73
38
Vgl.: Bölicke, Claus et. al (2007): Ressourcen erhalten. S. 48-49
3. Kommune
19
______________________________________________________________________
gements auseinandersetzen. Dabei ist es auch wichtig, dass Potenziale von älteren Menschen - auch von Menschen mit Demenz - aktiviert werden und dass eine kommunale
Planung von, für und mit Senioren geschieht. 39
3.3 Kommunale Aufgaben
3.3.1 Aufgaben in der Altenplanung
Kommunale Altenplanung muss folgende Ziele verfolgen:
-
Hilfen für ältere Menschen werden gewährleistet.
-
Alltagsmanagement für ältere Bürger: Sie verfügen auch über zahlreiche Leistungspotenziale. Wie kann man Netzwerke aufbauen, neue Unterstützungsformen fördern und neue Leitbilder in der Öffentlichkeit verankern?
-
Zuständigkeitsgrenzen von Dienstleistungssystemen werden überwunden. Es
kommt zu einer Vernetzung von Institutionen und Professionen.
-
Es gibt generationsübergreifende Formen der Vorsorge.
-
Es gibt eine stadtteilbezogene Orientierung an Lebenslagen.
-
Es besteht ein Gleichgewicht zwischen den Anforderungen, welche die Lebenssituation an die Betroffenen stellt und den Fähig- und Fertigkeiten der älteren
Menschen. 40
Im Folgenden sollen nun exemplarisch zwei Aufgabenbereiche in der kommunalen Altenplanung dargestellt werden. Zum einen müssen Kommunen stets die individuelle
Lebenswelt und die Lebenslagen von älteren Menschen beachten. Zum anderen ist der
Aufbau von netzwerklichen Strukturen wichtig sowie Aspekte aus dem Sozialmodells
der ´Koproduktion`.
39
Vgl.: Große Starman, Carsten; Schmidt Kerstin (2007): Kommunen im demographischen Wandel –
Trends und Handlungsstrategien. S. 150
40
Vgl.: Blaumeister, Heinz; Blunck, Annette; Klie, Thomas; Pfundstein, Thomas; Wappelshammer,
Elisabeth (2002): Handbuch kommunale Altenplanung. S. 18-20
3. Kommune
20
______________________________________________________________________
Lebenslage und Lebenswelt
Die Lebenslage und die Lebenswelt von älteren Menschen - auch Menschen mit Demenz - ist ausschlaggebend für ihre Lebensqualität. Bereiche wie die Wohnsituation, die
Mobilität, die alltägliche Versorgung, die materielle Lage, die Gesundheit, die Geselligkeit, die Beteiligung, die Bildung und Aspekte rund um das Thema „Ende des Lebens“
sind wichtig. Deswegen sollten diese Punkte auch in einer kommunalen Altenplanung
berücksichtigt werden. Was die Wohnsituation betrifft, sind zahlreiche Fragen zu klären, wie zur Wohnraumanpassung im privaten Bereich, zum Bau von Altenheimen oder
Betreuten-Wohnanlagen, zur Gartengestaltung, zur Gestaltung des öffentlichen Raums,
um einige Beispiele an dieser Stelle zu nennen. In Bezug auf die selbstständige Versorgung im Alltag ist es wichtig, dass man in einer Kommune eine altersgerechte Infrastruktur umsetzt. Das heißt, dass ausreichend Fußgängerüberwege angelegt oder Sitzmöglichkeiten aufgestellt werden, aber auch, dass der Orts- oder Stadtkern mit Einkaufsmöglichkeiten erhalten bleibt oder wieder aufgebaut wird. Auch hier können ältere
Menschen - auch mit Demenz - am öffentlichen Leben teilhaben und anderen Menschen
begegnen. So können ein Netzwerk des alltäglichen Zusammenhalts und eine Kultur der
Kommunikation entstehen. Im Bereich Gesundheit sollten Kommunen in ihre Planung,
neben der medizinischen und ärztlichen Grundversorgung leicht zugängliche Angebote
für Prävention oder Rehabilitation aufnehmen. Sie sollten soziale Netzwerke aufbauen
sowie kulturelle Angebote und Veranstaltungen planen.41
Aufbau von Netzwerken und das Sozialmodell der ´Koproduktion`
Schon öfter ist das Stichwort ‚Netzwerke aufbauen’ gefallen. Dies scheint ein sehr wichtiger Aspekt zu sein. Was versteht man überhaupt unter einem Netzwerk und wie kann
man Netzwerke aufbauen? Welche Funktionen und Aufgaben können sie haben? Diese
Fragen sollen nun im Folgenden erläutert werden.
41
Vgl.: Blaumeister, Heinz; Blunck, Annette; Klie, Thomas; Pfundstein, Thomas; Wappelshammer,
Elisabeth (2002): Handbuch kommunale Altenplanung. S. 64-71
3. Kommune
21
______________________________________________________________________
„Netzwerke sind Konstrukte, die es ermöglichen, Beziehungen zwischen
Menschen, Gruppen und Institutionen zu beschreiben und diese bildhaft
darzustellen. Bei der professionellen Netzwerkarbeit geht es vor allem
um den Ausbau von Versorgungsstrukturen, um die Ressourcenmobilisierung und eine Optimierung der Zusammenarbeit von Netzwerkmitgliedern.“ 42
Wenn man soziale Netzwerkarbeit auf die Versorgung pflegebedürftiger älterer Menschen und demenziell veränderte Personen in der Kommune bezieht, dann bedeutet dies,
dass Informationen ausgetauscht, Unterstützung mobilisiert, Ressourcen genutzt, Aktivitäten abgestimmt und Strukturen verändert werden.
Grundsätzliche Überlegungen beim Netzwerkaufbau sind, welche Strukturen und Ressourcen schon in der Kommune vorhanden sind und wie man diese nutzbar machen und
einsetzen kann. Dazu zählen auch die Personal- und Infrastrukturgegebenheiten. Zudem
ist es wichtig, dass man ein breites Spektrum an Akteuren einbezieht. Eine verbesserte
Versorgung pflegebedürftiger älterer Menschen in der Kommune kann nur gelingen,
wenn es eine interdisziplinäre und sektorenübergreifende Basis gibt. Dazu gehören beispielsweise kommunale Einrichtungen, Kranken- und Pflegekassen, Pflegedienste, Beratungsstellen, der medizinische Sektor, Selbsthilfegruppen oder auch Pflegeheime.
Nach Feststellung der bereits vorhandenen Strukturen könnte man zum Beispiel Unterarbeitsgruppen einsetzen oder das Einzugsgebiet der sozialen Netzwerke definieren.
43
Wichtig ist auch eine so genannte Koordinierungsstelle seitens eines kommunalen Trägers. Dort werden Hilfestrukturen zusammengeführt und bei Bedarf ergänzende Angebote vorgeschlagen. Ebenso können dort viele Aktionen koordiniert und Weiter- und
Fortbildungen angeboten werden. 44
42
Bunzendahl, Iris; Hagen, Björn Peter (2004): Soziale Netzwerke in der ambulanten Versorgung
älterer Menschen. S. 84-85
43
Vgl.: Bunzendahl, Iris; Hagen, Björn Peter (2004): Soziale Netzwerke in der ambulanten Versorgung
älterer Menschen. S. 108-111
44
Vgl.: Bredenkamp, Rainer et. al (2007): Die Krankheit frühzeitig auffangen. S. 54-55
3. Kommune
22
______________________________________________________________________
Netzwerke haben verschiedene Funktionen und Aufgaben, die besonders wichtig für die
Bürger/Innen einer Kommune sein können. Der Aufbau von Netzwerken kann zur sozialen Integration dienen, bei kritischen Lebensereignissen unterstützen und Ressourcen
aktivieren. Sie können sinnstiftend sein, Hilfen anbieten, als Information dienen, Beratung und Weiterbildung vermitteln, das Wohlbefinden steigern und das allgemeine Altersbild innerhalb einer Kommune aufwerten. 45
In die Netzwerkarbeit müssen zwar sehr viel Zeit und Geldmittel investiert werden, aber
langfristig bedeutet sie eine sehr gute Investition, die zu einer erheblichen Entlastung
und Kosteneinsparung führt. Ein Aufbau von qualifizierten und leistungsfähigen kommunalen Netzwerkstrukturen ist unter anderem auch Aufgabe von Kommunen. Das
Angebot in vielen Kommunen ist zwar quantitativ meistens sehr gut, aber die Vernetzung und Kooperation unter den verschiedenen Institutionen und Einrichtungen ist qualitativ nicht ausreichend. 46
Wenn man die Netzwerkarbeit mit dem Thema Demenz verknüpft, erscheint in der
Fachliteratur der Begriff des Sozialmodells der ´Koproduktion`. Was versteht man darunter?
Das Sozialmodell der ‚Koproduktion’ basiert auf der Idee, dass zunächst einmal unter
anderem in den Bereichen Betreuung und Versorgung tätige Akteure, nicht nur miteinander kooperieren, sondern dass durch die kollektive Tätigkeit ein so genannter sozialer
Mehrwert entsteht. Das Konzept der Koproduktion setzt an der künstlerisch- ästhetischen und innovativ-gestaltenden Ebene an. Das heißt, dass nicht allein der Aspekt der
Ökonomie von Bedeutung ist, sondern auch Formen der Kommunikation und Interaktion. Zudem soll eine gemeinsame Findung und Förderung von diesen im Mittelpunkt
stehen. 47 Deswegen sollten auch Menschen mit Demenz selbst, Angehörige, professio-
45
Vgl.: Fischer, Veronika (2003): Netzwerkarbeit – Ein neuer Typus der sozialen Arbeit mit Älteren.
S. 81-83
46
Vgl.: Bölicke, Claus et. al (2007): Ressourcen erhalten. S. 12-13 & S. 76
47
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 124-125
3. Kommune
23
______________________________________________________________________
nelle Fachkräfte, freiwillig Engagierte und Techniker (zum Beispiel durch den Einsatz
von Videoüberwachung) an der Umsetzung des Konzepts der Koproduktion beteiligt
sein. Aber es müssen auch Rahmenbedingungen hierfür geschaffen werden: Der Staat
sollte koproduktive Strukturen schaffen und fördern und Kommunen sollten eine intensive Unterstützung anbieten. Beim Thema Demenz bringt das Konzept der Koproduktion viele Vorteile mit sich, weil die Versorgung von demenziell veränderten Menschen
immer schwieriger wird. Auch wegen der zahlenmäßigen Zunahme und weil klassische
Formen der Betreuung in Einrichtungen, Institutionen oder Familien oft nicht ausreichend oder zu kostspielig sind. Deswegen muss man die neuen Anforderungen, welche
das Thema Demenz stellt, als Chance er- und begreifen. Das Konzept der Koproduktion
kann eine demokratische, zivilgesellschaftlich gesicherte Kultur des Pflegens ausdrücken. Das heißt, dieses Konzept zielt auf Gleichgewichte und nicht auf Ganzheitlichkeit
ab und der Freiheitsgrad von Betroffenen erhöht sich immens. 48
3.3.2 Das Thema Demenz in die Öffentlichkeit rücken
Auch Kommunen können dazu beitragen, dass das Thema Demenz in der Öffentlichkeit
behandelt wird. Das ist notwendig, weil Demenz jeden Bürger/In betreffen kann und
somit jeden etwas angeht. Sei es der Nachbar, der durch seine zunehmende Vergesslichkeit auffällt, sei es der Sportpartner, der zu den Vereinstreffen nicht mehr erscheint
oder die Kundin, die an einem Tag bereits dreimal in den Laden einkaufen kommt.
Menschen mit Demenz können jedem Einzelnen im gewöhnlichen Alltag begegnen.
Genau aus diesem Grund ist es sehr wichtig das Gemeinwesen für das Thema Demenz
zu sensibilisieren.
49
Im Folgenden sollen nun ein paar Ideen dargestellt werden, wie
Kommunen solch eine Sensibilisierung unterstützen können.
48
49
Vgl.: Plemper, Burkhard et. al (2007): Gemeinsam betreuen. S. 19-22
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 148-151
3. Kommune
24
______________________________________________________________________
Kommunale Landes- oder Bundesbehörden, zuständig für das Schulwesen, könnten
Kontakte und Begegnungen zwischen Jung und Alt ermöglichen, indem sie das Thema
Demenz beispielsweise in die Unterrichtspläne aufnehmen. Dafür wären auch geeignete
Materialien und Medien notwendig. Um ein Beispiel an dieser Stelle für die Umsetzung
zu nennen, könnten Patenschaften zwischen Schulen und Pflegeheimen eingegangen
werden, bei denen ein regelmäßiges Treffen einmal die Woche stattfinden würde. Somit
würden auch schon junge Menschen sensibilisiert werden.
Ein weiterer Aspekt wäre, dass Kommunen Interventions- oder Wirkungsstudien in
Auftrag geben oder diese zumindest teilweise finanziell unterstützen könnten. Somit
könnten neue Zugangswege, Ausdruck- und Kommunikationsmöglichkeiten sowie Begegnungsformen zu demenziell veränderten Menschen gefunden, wissenschaftlich belegt und unterstützt werden. Die gewonnenen Daten könnten ebenso an die Öffentlichkeit weitergegeben werden.
Auch bei der Fort- und Weiterbildung von Angehörigen und professionell Tätigen
könnten Kommunen finanzielle Unterstützung bieten. Für Qualifizierungsangebote ist
nicht nur das Angebot an sich wichtig, sondern auch die Bereitstellung von Betreuungsmöglichkeiten für die Menschen mit Demenz während der Dauer der Fort- und
Weiterbildungen. Diese Betreuung könnte beispielsweise durch bürgerschaftlich Engagierte erfolgen, welche durch kommunale Unterstützung gewonnen werden könnte.
Des Weiteren wären öffentliche Veranstaltungen sinnvoll, indem auch Menschen mit
Demenz ihre Sicht der Dinge darstellen oder auch ihre Angehörigen zu Wort kommen.
Denn sie sind Experten ihrer Lebenssituation! Sie können am besten ihre Bedürfnisse,
Wünsche und Forderungen formulieren oder artikulieren. Wenn politisch Verantwortliche diese Meinungen hören, können sie diese auch besser in die kommunale Altenpolitik einfließen lassen.
50
50
Vgl.: Wißmann, Peter et. al (2007): Demenzkranken begegnen. S. 52-59
3. Kommune
25
______________________________________________________________________
Derartige öffentliche Veranstaltungen könnten auch ein Baustein von Kampagnen sein,
welche von Kommunen initiiert oder unterstützt werden, um eine breite Öffentlichkeit
anzusprechen. Diese Kampagnen könnten, wie im Folgenden kurz dargestellt, aussehen.
Sie sollten mit einer Auftaktveranstaltung beginnen, damit viele Bürger/Innen auf ein
Thema - beispielsweise auf das Thema Demenz - aufmerksam werden. Zudem sollten
über einen längeren Zeitraum Aktivitäten, (Info-)Veranstaltungen, Aktionen und ähnliches angeboten werden. Dabei sollten immer möglichst viele unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden. Dies kann zum Beispiel durch Aktionstage, Pressemitteilungen oder Freizeitaktivitäten (Theater, Kino, Oper) umgesetzt werden. Damit das Thema
länger und nachhaltiger im Blickfeld der Öffentlichkeit bleibt, müssen auch nach Abschluss einer Kampagne immer wieder Inputs und zentrale Botschaften in die Öffentlichkeit getragen werden. 51
51
Vgl.: Bredenkamp, Rainer (2007): Die Krankheit frühzeitig auffangen. S. 71-73 & S. 81
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
26
______________________________________________________________________
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches
Engagement
Peter J. Whitehouse versteht unter dem Begriff der Alzheimerkrankheit den Versuch
unserer Kultur oder Gesellschaft, einem natürlichen Prozess, den die Menschen nicht
kontrollieren können, einen Sinn zu geben. Diese Aussage bezieht sich auf die Alterungsprozesse des Gehirns. Er fordert deshalb, den Mythos Alzheimer zu entzaubern,
indem eine neue Sicht der Dinge gewagt und indem eine „neue Geschichte geschrieben“
wird.
Laut den Autoren Peter Wißmann und Reimer Gronemeyer könnte in diesem Ansatz der
„Schlüssel für eine zivilgesellschaftliche Aneignung des Themas Demenz und seiner
Entdämonisierung“ liegen.
52
Doch wie lässt sich dies bewerkstelligen? Was beinhaltet
der Begriff ‚Zivilgesellschaft’ und wie könnte ein Zivilgesellschaftliches Demenzmodell aussehen?
4.1 Die Zivilgesellschaft
4.1.1 Begriffsbestimmung
Seit den 1980er Jahren wird der zivilgesellschaftliche Begriff in einer unermesslichen
Breite diskutiert. Deswegen kamen immer mehr Definitionen von verschiedenen Autoren, Wissenschaftlern, Aktivisten und Politikern auf,
53
deren Unermesslichkeit sich
auch in der (Fach-) Literatur widerspiegelt. Viele von diesen Definitionen beinhalten
dasselbe und überschneiden sich. Aus diesem Grund wird nun eine Definition von Jürgen Kocka aufgegriffen in Verbindung mit der Auffassung von Thomas Klie. Für den
Begriff der ‚Zivilgesellschaft’ wird in Deutschland auch häufig der Begriff der ‚Bürgergesellschaft’ als Synonym verwendet.
52
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 34-35
53
Vgl.: Adloff, Frank (2005): Zivilgesellschaft. S. 9-13
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
27
______________________________________________________________________
Definition nach Jürgen Kocka
Jürgen Kocka unterteilt den Begriff der ‚Zivilgesellschaft’ in zwei Bereiche: Zum einen
in einen normativen Begriff und zum anderen in einen deskriptiv-analytischen Begriff,
wobei letzterer vor allem in den Sozialwissenschaften verwendet wird.
Begriffsdefinition ‚Zivilgesellschaft‘ nach Kocka
Normativ:
Bei dem normativen Begriff handelt es
sich um einen „utopischen Entwurf einer
zukünftigen zivilen Gesellschaft, in der
die Menschen als mündige Bürger
friedlich
zusammenleben
würden:
selbstständig und frei. In Assoziationen
(Vereinen) kooperierend und im öffentlichen Diskurs das Nötige entscheidend,
unter der Herrschaft des Rechts und der
Verfassung, aber ohne Gängelung durch
den Obrigkeitsstaat, mit Toleranz für
Vielfalt und Sinn für individuelle Leistung, aber ohne allzu große soziale
Ungleichheit.“
Der Begriff ‚Zivilgesellschaft’ erhält im
17. und 18. Jahrhundert eine moderne
Prägung.
Deskriptiv-analytisch:
Bei dem deskriptiv-analytischen Begriff
versteht er „ ‚Zivilgesellschaft’ als einen
spezifischen Bereich, einem gesellschaftlichen Raum, den Raum gesellschaftlicher Selbstorganisation zwischen
Staat, Ökonomie und Privatheit, die
Sphäre der Vereine, Zirkel, sozialen
Beziehungen und Nichtregierungsorganisationen, einen Raum der öffentlichen
Diskurse und gemeinwohlbezogen, mehr
oder weniger institutionalisierten Initiativen und Gruppen, den Raum in dem
„bürgerschaftliches Engagement“ vor
allem stattfindet und dem Ganzen Kraft
zuführt.“
Abbildung 2: Begriffsdefinition ‚Zivilgesellschaft’ nach Kocka 54
Definition nach Thomas Klie
Thomas Klie unterscheidet in seiner Definition von ‚Zivilgesellschaft’ drei Dimensionen: Den Sektor von Gesellschaft, die Dimension des Ordnungsprinzips oder der Bewegungsrichtung von Gesellschaft und ein normatives Konzept.
54
Eigene Darstellung. Datenquelle: Vgl.: Kocka, Jürgen (2002): Das Bürgertum als Träger von
Zivilgesellschaft. S. 16-17
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
28
______________________________________________________________________
Begriffsdefinition ‚Zivilgesellschaft’ nach Klie
Sektor von Gesellschaft
Ordnungsprinzip von Gesellschaft
Normatives Konzept
Der Bereich liegt zwischen:
- Staat
- Markt
- Primäre soziale Netze
und tritt in Wechselwirkung mit
vielen freien Assoziationen des
Dritten Sektors
Wichtig sind Prinzipien der:
- Selbstorganisation
- Partizipation
- Demokratie
Interaktion
zwischen
und
innerhalb den gesellschaftlichen
Sektoren, wobei „zivile Regeln
des Umgangs“ beachtet werden
sollen
Abbildung 3: Begriffsdefinition ‚Zivilgesellschaft’ nach Klie 55
Wenn man diese beiden Definitionen miteinander verbindet, versteht man unter dem
Begriff ‚Zivilgesellschaft’ einen Bereich zwischen Staat, Ökonomie, primären Netzen
und dem so genannten dritten Sektor. Außerdem handeln in den einzelnen Unterbereichen verschiedene Akteure. Der Staat, also die Politik, kann auf Bundes-, Landes- und
kommunaler Ebene agieren. Hierzu gehören Parlamente, Verwaltungen und die Justiz.
Sie dienen der rechtlichen Absicherung und können nationalstaatliche Rahmenbedingungen schaffen. Auch die Wirtschaft ist ein Akteur der Zivilgesellschaft. Sie kann Organisationen und Einrichtungen finanziell unterstützen. Primäre Netze - Familie, Freunde oder Nachbarschaften - beziehen sich auf die Bürger/Innen selbst und ihr Engagement, beispielsweise in Parteien, in Vereinen, in Sozialen Diensten oder Initiativen.
Dies sind Bereiche, die dem dritten Sektor, also Nichtregierungsorganisationen, zuzuordnen sind.
56
Da vor allem dieser Bereich künftig immer bedeutender wird, sollen ab
Kapitel 4.3) Aspekte des bürgerschaftlichen Engagements näher erläutert werden. Zudem sollten diese Sektoren nach den Prinzipien der Selbstorganisation, der Partizipation
und der Demokratie agieren, indem auch zivile Regeln des Umgangs miteinander, wie
beispielsweise Akzeptanz, Toleranz oder Gerechtigkeit beachtet werden.
55
Eigene Darstellung. Datenquelle: Vgl.: Klie, Thomas (2007): Bürgerschaftliches Engagement und die
Zukunftsfähigkeit der Städte und Gemeinden. S. 254-255
56
Vgl.: Priller, Eckhard (2002): Zum Stand empirischer Befunde und sozialwissenschaftlicher Theorie
zur Zivilgesellschaft. S. 40-43
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
29
______________________________________________________________________
4.1.2 Aspekte für eine aktive Zivilgesellschaft
Eine aktive Zivilgesellschaft zu haben ist aus unterschiedlichen Gründen von großer
Bedeutung. Als Erstes kann dadurch Ausgrenzung verhindert und damit Inklusion geschaffen werden. Wenn Kommunen eine Einbindung von älteren Menschen nicht erreichen, kann es zu einer geteilten Gesellschaft oder zu einer gespaltenen Stadt kommen,
in denen bestimmte Problemlagen gebündelt und diese auf einen bestimmten Ort (Heim
oder Stadtteil) beschränkt werden. Da man dies als aktives, ziviles Gemeinwesen nicht
anstrebt, muss man Strategien der Inklusion schaffen, wobei der Gedanke einer demenzfreundlichen Kommune ein guter Ansatz ist. Der zweite Aspekt schließt sich an den
Ersten an. Durch eine aktive Zivilgesellschaft kann mehr soziales Leben in Einrichtungen - wie Heime, Krankenhäuser oder Schulen - stattfinden. Solche Institutionen liegen
örtlich meistens sehr nah beieinander, sind aber in ihren Aktionen dennoch getrennt und
isoliert vom aktiven Gemeinwesen. Hingegen sollte immer ein Austausch angestrebt
werden, indem zum Beispiel eine Schulklasse zusammen mit Heimbewohnern einen
freistehenden Heimraum renoviert und sich dort einrichtet. So haben Menschen, die das
Heim nicht mehr verlassen können, die Möglichkeit an solchen Aktionen teilzunehmen.
Ein dritter Aspekt wäre, dass viele Bürger/Innen durch eine aktive Teilnahme am zivilgesellschaftlichen Leben erneut einen sozialen Sinn in ihrem Leben bekommen. Dieser
ist häufig durch den Wohlstand in unserer Gesellschaft verloren gegangen. Aber wenn
Bürger/Innen sich engagieren, haben sie häufig das Gefühl, etwas Sinnvolles getan und
ihr Leben bereichert zu haben. Man kann sich also auch aus Eigennutz für bestimmte
Dinge engagieren; Menschen handeln nicht immer aus christlicher Nächstenliebe sondern auch aus Gründen des Individualismus und der Selbstverwirklichung. Als vierter
und letzter Aspekt ist eine aktive Zivilgesellschaft sehr wichtig, weil dadurch das so
genannte soziale Kapital in unserer Gesellschaft steigt. 57
57
Vgl.: Dettling, Warnfried (2000): Die aktive Bürgergesellschaft als Reformperspektive. S. 36-40
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
30
______________________________________________________________________
Da das soziale Kapital wichtig für die Gesellschaft ist, möchte der Autor dieses kurz
erläutern. Das Konzept des sozialen Kapitals hat der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Putnam wieder in die öffentliche Debatte getragen. Die Basis für soziales
Kapital bildet der so genannte soziale Kitt. Damit sind soziale Bindungen, die Menschen eines Gemeinwesens eingehen, gemeint. Dieser soziale Kitt ist besonders bei sozialen Gruppen, wie beispielsweise Vereinen, Familienverbänden und Kirchengemeinden sehr ausgeprägt. Diese sozialen Gruppen können entweder nebeneinander koexistieren oder miteinander vernetzt sein. Wenn sie vernetzt sind, bilden sie so genannte soziale Brücken. Je mehr sozialer Kitt und je mehr soziale Brücken in einem Gemeinwesen
vorhanden sind, desto höher ist das soziale Kapital.
58
Putnam unterscheidet noch zwei
Arten des sozialen Kapitals: Zum einen das ‚brückenschlagende’ soziale Kapital; damit
sind soziale Netzwerke gemeint, die eine Person mit anderen Personen verbindet, die
anders sind als diese selbst. Zum anderen das ‚zusammenschmiedende’ soziale Kapital;
damit sind gesellschaftliche Bande gemeint, die eine Person zum selben Typus oder
zum gleichen Geschlecht hinzieht. Beide Arten des sozialen Kapitals sind gleich bedeutend. Dennoch sollte die Gesellschaft besonders das ‚brückenschlagende’ soziale Kapital verfolgen, indem zum Beispiel der Aufbau von sozialen Netzwerken unterstützt
wird. Somit können Spaltungen in einer Gesellschaft oder in einem Gemeinwesen verhindert werden.
59
Was bedeutet das soziale Kapital nun für den Einzelnen oder ein
Gemeinwesen? Für einzelne Bürger/Innen im Gemeinwesen ist das soziale Kapital deshalb so wichtig, weil diese im Bedarfsfall Hilfe und Unterstützung durch das Gemeinwesen bekommen. Für ein Gemeinwesen bedeutet ein höheres soziales Kapital, dass es
im Bedarfsfall Ressourcen mobilisieren kann, die soziale Infrastruktur besser funktioniert und dass eine soziale Selbstversorgung gewährleistet ist. 60
58
Vgl.: Eichener, Volker (2003): Mobilisierung sozialen Kapitals durch bürgerschaftliches Engagement.
S. 20-22
59
Vgl.: Putnam, Robert (2002): Soziales Kapital. S. 258-260
60
Vgl.: Eichener, Volker (2003): Mobilisierung sozialen Kapitals durch bürgerschaftliches Engagement.
S. 20-22
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
31
______________________________________________________________________
Gegenwärtige Daten zum sozialen Kapital in Deutschland zeigen, dass dieses nicht zurückgegangen ist. Aber sich ein Wandel im bürgerschaftlichen Engagement abzeichnet.
Die Teilnahme in Bereichen des dritten Sektors - Non-Government-Organisations, gemeinnützige Verbände und Assoziationen, welche zwischen Staat und Markt angesiedelt sind
61
- ist oft abhängig von Einkommensverhältnissen, religiösen Bindungen und
vom Bildungsniveau. Zum Beispiel sind untere Einkommensgruppen mit niedrigerem
Bildungsniveau in Bereichen des dritten Sektors unterrepräsentiert und verfügen somit
über weniger soziales Kapital. 62
4.1.3 Grundbausteine eines zivilgesellschaftlichen Demenzmodells
Gerade in Zeiten, in denen traditionelle Milieus verschwinden und es zu einer Singularisierung oder Individualisierung der Menschen in unserer Gesellschaft kommt, Menschen sozial veröden, in einer Zeit, die geprägt ist von Mobilität und Elektronifizierung
des Alltags und Sozialsysteme weiter ausgehöhlt werden,
63
gerade dann ist es wichtig,
dass sich die Zivilgesellschaft mit dem Thema Demenz auseinandersetzt.
Peter Wißmann und Reimer Gronemeyer haben in ihrem Buch ‚Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift’ ein Leitbild für ein zivilgesellschaftliches Demenzmodell
erstellt, das folgende Hauptaspekte beinhaltet:
•
„Demenz wird nicht pathologisiert, sondern als ein Teil des Lebens und als eine
Möglichkeit das Alter zu erleben anerkannt.“
Das bedeutet, dass Menschen mit Demenz nicht als solche etikettiert und stigmatisiert werden sollen. Wenn dies dennoch geschieht, betrachtet die Gesellschaft
diese Menschen als minderwertig und verkennen deren Ganzheit und Integrität.
61
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 137
62
Vgl.: Adloff, Frank (2005): Zivilgesellschaft. S. 124-127
63
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 108-109
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
32
______________________________________________________________________
•
Der Mensch, auch mit Demenz, wird als leiblich-geistiges und soziales Wesen
betrachtet und nicht nur auf seine kognitiven Fähigkeiten reduziert.“
Wenn neue, sinnesorientierte Erfahrungs- und Interaktionsräume für Menschen
mit Demenz erschlossen werden, können diese die Welt neu erfahren, neue
Kommunikationsformen erleben und an der Gesellschaft teilhaben.
•
„Menschen mit Demenz werden als Personen mit all ihren Fähigkeiten, Schätzen
und Angeboten wahrgenommen.“
Das Verhalten von Menschen mit Demenz wird häufig als defizitär beschrieben.
Diese Ansicht führt zu einer sozialen Exklusion. Diese kann vermieden werden,
wenn die Zivilgesellschaft dieses Verhalten nicht nur einseitig betrachtet, sondern auch die Chancen und Fähigkeiten von Menschen mit Demenz erkennt. Sie
muss solche Lebens- und Rahmenbedingungen für Menschen mit Demenz schaffen, dass sie ein gutes Leben bestreiten können.
•
„Zivilgesellschaft entwickelt eine eigene, humanistisch orientierte Sprache.“
Bezüglich dem Thema Demenz herrscht noch vorwiegend eine technokratische
Fachsprache. Diese befremdliche Sprache führt dazu, dass kein oder nur wenig
ziviler Umgang zwischen Menschen mit und ohne Demenz möglich ist.
•
„Menschen mit Demenz werden als Bürger/Innen betrachtet.“
Diesen Bürgerstatus haben auch Menschen mit Demenz, nur wird er ihnen häufig durch ihre Krankheit und Pflegebedürftigkeit abgesprochen. Eine Aberkennung des Bürgerstatus darf nicht sein. Diese Tatsache muss die Zivilgesellschaft
verstehen und diesen Status demenziell veränderten Menschen wieder verleihen.
•
„Die Gesellschaft erkennt, dass das Thema Demenz jeden Bürger/In etwas angeht.“
Das bedeutet, dass nicht nur die Sichtweise der Wissenschaft, vor allem der Medizin, eine wichtige Rolle beim Thema Demenz spielt. Sondern dass sich Wissenschaften in der professionellen Diskussion ein wenig zurücknehmen und auch
Beiträge des sozialen Umfelds anerkennen.
•
„Die Forschung muss auf Fragen des sozialen Miteinanders, des Umgangs und
der Schaffung von Lebens- und Betreuungsbedingungen eingehen.“
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
33
______________________________________________________________________
Die Forschung kann einen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von
Menschen mit Demenz leisten. Aber die bisherigen Forschungsbemühungen liegen häufig in dem biomedizinischen und pharmakologischen Bereich. Davon
sollte man wegkommen und auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise
Schaffung neuer Umgangsformen, forschen.
•
„Die Gesellschaft sieht das Thema Demenz als Chance der Reifung.“
Das Thema Demenz darf weder verherrlicht, noch dramatisiert werden. Die Zivilgesellschaft muss erkennen, dass es auch eine Chance der Reifung bietet, weil
dadurch die Wunden unserer Gesellschaft aufgezeigt werden. Entweder kann die
Zivilgesellschaft diese ignorieren oder sie ergreift sie als Chance der Entfaltung
und Reifung und unternimmt etwas zur Linderung oder sogar zur Heilung. 64
Wenn die Zivilgesellschaft diese Aspekte künftig in ihrem Handeln und Tun berücksichtigt, kann sie die großen Herausforderungen, die das Thema Demenz an sie stellt,
bewältigen.
4.1.4 „Leben und Sterben, wo ich hingehöre!“
In Bezug auf die Zivilgesellschaft hat der Psychiater und Autor Klaus Dörner ein Konzept vorgestellt, wie Menschen mit Demenz in unserer Gesellschaft gut versorgt werden
können. Er setzt dabei nicht auf eine Heimversorgung, wie es bisweilen im Altenbereich
häufig der Fall ist, sondern er befürwortet eine Deinstitutionalisierung von Heimen.
Dafür sollte man sich ein Beispiel am Bereich der Kinder- und Jugendhilfe nehmen,
denn dort gibt es schon seit mehreren Jahren gute Beispiele für ein deinstitutionalisierungsförderndes Sozialraum-Budget. Mitarbeiter aus verschiedenen Dienstleistungsbereichen, in einem definierten Sozialraum, bilden einen Zusammenschluss. Dort ist ein
Sozial-Budget vorhanden, das für ambulante und stationäre Hilfen, sowie für Hilfen der
64
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 73-77
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
34
______________________________________________________________________
Förderung der Integrationsbereitschaft des Sozialraums verwendet werden kann. Dieser
Gedanke fördert auch das bürgerschaftliche Engagement und die Mitwirkenden fühlen
sich vermehrt verantwortlich für diesen definierten Sozialraum.
65
Warum sollte dies
nicht auch im Altenbereich umgesetzt werden können?
Dörners Konzept hierfür beruht auf einer trialogischen Grundstruktur des Helfens
Bürgerhilfe
Trialogische
Grundstruktur
des Helfens
Hilfsbedürftige
Professionelle /
Staat
Abbildung 4: Trialogische Grundstruktur des Helfens nach Dörner 66
Es gibt drei verschiedene Perspektiven für das Hilfesystem. Die BürgerhilfePerspektive, die Hilfsbedürftigen-Perspektive und die Profi-Perspektive. Inwieweit diese Bereiche auf die Gesamtstruktur des Helfens Einfluss haben, wird nun kurz dargestellt.
Bürgerhilfe:
Bürgerhilfe setzt sich aus Hilfen durch den eigenen familiären Haushalt, durch die
Nachbarschaft, durch die Kommune und durch die Kirchengemeinden zusammen. Die
Wichtigkeit des familiären Haushaltes stellte der Autor bereits in Kapitel 2.4) dieser
65
66
Vgl.: Dörner, Klaus (2007): Leben und sterben, wo ich hingehöre. S. 52-54
Eigene Darstellung. Datenquelle: Vgl.: Dörner, Klaus (2007): Leben und sterben, wo ich hingehöre.
S. 80
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
35
______________________________________________________________________
Bachelorarbeit vor. Die Hilfen durch die Nachbarschaft, entspricht den kommenden
Unterkapiteln ab 4.3.) in denen Aspekte des bürgerschaftlichen Engagements erläutert
werden. Ergänzend wäre an dieser Stelle zu sagen, dass Klaus Dörner diesen zentralen
Ansatz sinngemäß formuliert hat: „Bürger/Innen engagieren sich für sich selbst, mit
anderen und für andere. Damit später bei Bedarf, sich auch jemand um sie kümmert.“
Dies sei eine gute Formel für ein funktionierendes Gemeinwesen. Außerdem wurden
bereits die Hilfen durch die Kommunen, im 3.) Hauptkapitel genauer dargestellt. 67
Hilfsbedürftige:
Hilfsbedürftige ziehen es vor, dass Hilfen zu ihnen nach Hause kommen, das heißt in ihr
gewohntes Umfeld. Wenn dies nicht mehr möglich sein sollte, sollten Hilfsbedürftige
zumindest in ihrem gewohnten Viertel oder Stadtteil verweilen können, auch wenn sie
räumlich umziehen müssten. Jeder Mensch, mit oder ohne Demenz, benötigt einen Sinn
im Leben und eine Tagesdosis an Bedeutung für Andere. Naturgemäß wollen Menschen
Hilfen nicht gerne in Anspruch nehmen. Wenn man aber das Gefühl hat, als Gegenleistung auch etwas geben zu können, fällt die Annahme für Hilfsbedürftige leichter. 68
Professionelle / Staat:
Wichtig ist, dass professionelle Helfer, ihren Teil zu dieser Neuen Kultur des Helfens’
beitragen. Diese Perspektive ist in einer trialogischen Grundstruktur von großer Bedeutung. Zudem ist es Aufgabe des Staates, seine Rolle in diesem Steuerungsmix des Helfens neu zu definieren. 69
Wenn nun alle drei Perspektiven der trialogischen Grundstruktur des Helfens in eine
neue Pflegekultur einbezogen werden und dort ein Gleichgewicht herrscht, führt dies zu
einer Deinstitutionalisierung von Heimen. Dadurch können Menschen – auch mit Demenz - in ihrer vertrauten Umgebung leben und sterben.
67
Vgl.: Dörner, Klaus (2007): Leben und sterben, wo ich hingehöre. S. 80-110
Vgl.: Dörner, Klaus (2007): Leben und sterben, wo ich hingehöre. S. 125-140
69
Vgl.: Dörner, Klaus (2007): Leben und sterben, wo ich hingehöre. S. 167
68
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
36
______________________________________________________________________
4.2. Das Bürgerschaftliche Engagement
Das bürgerschaftliche Engagement in einer Zivilgesellschaft ist beim Thema dieser Bachelorarbeit „Demenzfreundliche Kommune - Utopie oder Wirklichkeit?“ eine sehr
wichtige Komponente. Denn ohne dieses bürgerschaftliche Engagement, kann ein an
der Zivilgesellschaft orientiertes Gemeinwesen nicht umgesetzt werden oder funktionieren. Was versteht man unter bürgerschaftlichem Engagement und wer übt es aus? Welche Möglichkeiten und Formen gibt es? Warum gibt es eine große Bereitschaft der Bevölkerung sich bürgerschaftlich zu engagieren? Diese Fragen sollen nun im Folgenden
erörtert und dargestellt werden.
4.2.1 Begriffsbestimmung
Bürgerschaftliches Engagement kann in einem enger gefassten und in einem weitläufigeren Sinn beschrieben werden.
„Im enger gefassten Sinn werden Bürger und Bürgerinnen als Mitglieder
eines politischen Gemeinwesens betrachtet. Und ihr Verhalten, das aus
dieser Stellung heraus realisiert wird, also ihre politische Einflussnahme
auf den Staat und den Markt, bezeichnet man als bürgerschaftliches Engagement. Also bekommen diese Handlungen einen bürgerschaftlichen
Charakter.“ 70
Diese eher politische Begriffserklärung, ist zu begrenzt und muss durch weitere Aspekte, welche auch der Begriff ‚bürgerschaftliches Engagement’ beinhaltet, erweitert werden.
„Im weiter gefassten Sinn ist das bürgerschaftliche Engagement eher ein
Oberbegriff. Er meint die gesamte Bandbreite von ehrenamtlichen, freiwilligen, und auf Selbsthilfe zielende Aktivitäten. Sowie das bereits eben
erwähnte politische Engagement, zum Beispiel in Bürgerinitiativen oder
sozialen Bewegungen.“
70
Vgl.: Otto, Ulrich; Schmid, Josef; Mansour; Julia; Plank, Sven; Schönstein, Stephanie; Steffen,
Christian ( 2003): Bürgerschaftliches Engagement. S. 26-27
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
37
______________________________________________________________________
Damit ein bürgerschaftliches Engagement zustande kommen kann, bedarf es grundlegender Voraussetzungen. Diese sind vor allem durch die Grund- und Menschenrechte
bestimmt und lauten Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Schutz vor willkürlicher Verhaftung und der Gewalt von Sicherheitskräften und die Freiheit des Andersdenkens. 71
4.2.2 Merkmale und Akteure
Ausgangslage für bürgerschaftliches Engagement ist immer ein konkreter Belang oder
eine bestimmte gegebene Situation. Sei es, dass man sich für Dritte einsetzen möchte
oder aus altruistischen Motiven. Bürgerschaftliches Engagement ist ein Ausdruck von
gelebtem Eigeninteresse, das vielen Menschen zugute kommen kann. 72
Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hat im Jahr 2002 Merkmale bestimmt, an welchen man bürgerschaftliches Engagement erkennen kann. Sie hat dafür
fünf verschiedene Kriterien entwickelt. Dazu zählen Freiwilligkeit, Gemeinwohlorientierung, Stattfindung im öffentlichen Raum, gemeinschaftliche Ausübung und keine
Orientierung oder Ausrichtung an materiellen Dingen. 73
Um bürgerschaftliches Engagement zu initiieren und dieses längerfristig aufrechterhalten zu können, sollten verschiedene Akteure miteinbezogen werden. Insgesamt lassen
sich sechs wichtige Akteurs-Gruppen benennen: Bürger/Innen, professionelle Fachkräfte, Kommunalverwaltungen, Wohlfahrtsverbände, politische Gremien und die Wirtschaft.
71
Vgl.: Guggemos, Peter (2007): Bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfe und Selbstorganisation.
S. 168-169
72
Vgl.: Braun, Joachim (1999): Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen: Motive und
Aktivitäten. S. 204
73
Vgl.: Behringer, Jeanette (2007): Zivilgesellschaft in der Demokratie. S. 209
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
38
______________________________________________________________________
Bürger/Innen können aktiv durch gemeinsames Engagement zur Lösung eines Problems
beitragen, welches weder vom Staat, noch vom Markt, noch vom sozialen Nahraum
allein lösbar wäre. Aus diesem Grund soll ein breites Spektrum an Bürger/Innen angesprochen werden und zwar egal welchen Alters, Geschlechts, welcher Staatsangehörigkeit, Bildungsgrades, Lebenssituation. 74 Professionell Tätige sind ebenso wichtig, denn
sie unterstützen das bürgerschaftliche Engagement durch ihre fachliche Kompetenz. Es
sollte stets darauf geachtet werden, dass in diesen Bereichen ein Gleichgewicht herrscht.
Das heißt, es sollten keine Unterschiede zwischen bezahlten Professionellen und Bürgern/Innen gemacht werden. Jede Partei ist gleichberechtigt und soll ernst genommen
werden. Durch das Gefühl derselben Augenhöhe sind Bürger/Innen besonders gut geeignet Verantwortung für ihren unmittelbaren öffentlichen Lebensraum zu übernehmen
und ein soziales Miteinander zu schaffen.
75
Auch die Verankerung in Kommunalver-
waltungen ist von großer Bedeutung und zwar sowohl auf der horizontalen, als auch der
vertikalen Verwaltungsebene. Das heißt, es muss zu einer nachhaltigen Verankerung der
Förderung des bürgerschaftlichen Engagements kommen. Dies kann erzielt werden
durch Leitbild-, Handlungsstil- und Organisationsentwicklung. Auch die Wohlfahrtsverbände fördern bürgerschaftliches Engagement. Bei ihnen ist es aber wichtig, dass die
verschiedenen Verbände konstruktiv miteinander arbeiten, so dass keine Kommunikations-, oder Kooperationsprobleme untereinander oder zu anderen Verbänden, Organisationen und Kommunen auftreten. Auch die Verankerung in politischen Gremien ist sehr
wichtig. Ebenso muss die Wirtschaft auf das Thema bürgerschaftliches Engagement
aufmerksam gemacht werden. Denn auch diese profitiert davon, indem ihr Standortfaktor durch ein Engagement aufgewertet wird. Die Unterstützung kann durch Sach- und
Geldspenden, Sponsoring von Gruppen und Initiativen oder als Kooperationspartner
von Projekten geschehen. 76
74
Vgl.: Klie, Thomas (1999): Bürgerschaftliches Engagement in Baden-Württemberg. S. 133-158
Vgl.: Blaumeister, Heinz; Blunck, Annette; Klie, Thomas; Pfundstein, Thomas; Wappelshammer,
Elisabeth (2002): Handbuch kommunale Altenplanung. S. 88-89
76
Vgl.: Klie, Thomas (1999): Bürgerschaftliches Engagement in Baden-Württemberg. S. 133-158
75
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
39
______________________________________________________________________
4.2.3 Formen
Bürgerschaftliches Engagement kann in sozialen, gesundheitlichen, kulturellen Bereichen, im Sport und in der Politik stattfinden. Überall können und wollen Bürger/Innen
ihr Partizipations- und Gestaltungsinteresse zum Ausdruck bringen, damit sie an der
demokratischen Gesellschaft teilhaben können. 77 Deshalb gibt es auch unterschiedliche
Formen des bürgerschaftlichen Engagements.
Es lässt sich ein klassischer und ein modernerer Strang von Engagement erkennen. Traditionelle Ressorts von bürgerschaftlichem Engagement sind zum Beispiel Arbeit in
Vereinen, Kirchen sowie verbandsorganisierte Sozialarbeit. Im Hinblick auf eine Demenzerkrankung wären dies unter anderem, kirchliche Besuchskreise oder wohlfahrtsverbandliche Betreuungsvereine. Dieser Strang wird häufig von der Regierung und der
Wirtschaft unterstützt und als organisiertes, freiwilliges Engagement bezeichnet.
78
Die
moderneren Bereiche sind zum Beispiel Kampagnenarbeiten, Anwaltschaften oder Bürgerstiftungen, um Ursachen und Folgen von gesellschaftlichen Problemen lösen zu können. Auf das Thema Demenz bezogen, können dies Initiativen für eine demenzfreundliche Kommune, Pflegebegleiter-Projekte, Hospizgruppen oder neue Konzeptionen für
Betreuungsgruppen für Menschen mit Demenz sein. 79
Zudem gibt es noch die an der Gemeinschaft orientierten Unterstützungshilfen, wie zum
Beispiel Nachbarschaftshilfen, (Zeit-)Tauschbörsen oder Seniorengenossenschaften, die
auf gegenseitige Hilfe abzielen. Dies wird auch als informelles Engagement bezeichnet.
80
Nicht zu vergessen sind die alten und neuen Formen der Selbsthilfe.81 Außerdem gibt
es bürgerschaftlich Engagierte, die in politischen Gremien mitarbeiten oder öffentliche
77
Vgl.: Braun, Joachim (1999): Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen: Motive und
Aktivitäten. S. 204-205
78
Vgl.: Boothe, Brigitte (2007): Sich freiwillig engagieren – warum? S. 218
79
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 135-136
80
Vgl.: Boothe, Brigitte (2007): Sich freiwillig engagieren – warum? S. 218
81
Vgl.: Fettweis, Peter (2003): Förderung des Bürgerengagements im Rahmen der Seniorenpolitik.
S. 29-30
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
40
______________________________________________________________________
Funktionen wahrnehmen. Diese werden häufig von Regierung oder Verwaltung geführt
oder unterstützt.
82
Die Formen des bürgerschaftlichen Engagements sind mannigfaltig
und dies spiegelt auch unsere pluralistische Gesellschaft.
4.2.4 Hochkonjunktur bürgerschaftliches Engagement – wie und warum?
In unserer Gesellschaft herrscht eine Hochkonjunktur an bürgerschaftlichem Engagement. Doch wie ist es dazu gekommen? Als Erstes ist anzumerken, dass die Haushaltssituation auch auf kommunaler Ebene defizitär ist. Das heißt, der Staat hat seine
Leistungs- und Gestaltungsgrenzen erreicht und erkannt. Er kann nur bestimmte Teile
seiner öffentlichen Aufgaben erfüllen. Aus diesem Grund setzt der Staat auf die Übernahme vereinzelter Aufgaben durch Bürger/Innen und deren Engagement. Denn in der
Bevölkerung sind Zeit und Kompetenz für die Übernahme öffentlicher Aufgaben vorhanden. Weiter ist anzumerken, dass es zu Veränderungen in zentralen gesellschaftlichen Institutionen gekommen ist, Lebensweisen und -führungen sich gewandelt und
bisherige traditionelle Rollenverteilungen sich geändert haben. Die Mobilitäts- und Flexibilitätserwartungen in der Bevölkerung haben zugenommen, die alltägliche Solidarität
füreinander ist schwieriger geworden und die Möglichkeiten und die Bereitschaft zum
bürgerschaftlichen Engagement sowie die Mentalität der Menschen haben sich verändert. Aus all diesen Gründen hat sich die Bereitschaft für bürgerschaftliches Engagement gesteigert, ist individueller geworden und hat neue Formen angenommen. 83
Im 2. Freiwilligensurvey 2004 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend - eine repräsentative Studie und die wichtigste empirische Quelle für bürgerschaftliches Engagement - wurde Engagement zum einen in die Kategorie ‚Gemeinschaftliche Aktivitäten’ und zum anderen in die Kategorie ‚Freiwillig Engagierte’ eingeteilt. Bei der ersten Kategorie handelt es sich um Personen, die an öffentlichen Aktivitä-
82
Vgl.: Guggemos, Peter (2007): Bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfe und Selbstorganisation.
S. 170
83
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 133-134
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
41
______________________________________________________________________
ten teilnehmen und bei der zweiten Kategorie sind Personen gemeint, die freiwillig
Aufgaben, Ämter und andere Arbeiten innerhalb von Gemeinschaftsaktivitäten übernehmen. 84 Danach lässt sich die Aussage treffen, dass im Jahr 2004 36% der deutschen
Bevölkerung sich freiwillig engagierten, 85 dies entspricht etwa 29 Millionen Menschen,
eine immense Zahl. Am meisten engagierte sich die Altersgruppe der 40-49-jährigen,
gefolgt von den 50-59-jährigen und den 60-69-jährigen. 86 Des Weiteren wären etwa 1/3
der deutschen Bevölkerung bereit, sich unter bestimmten Bedingungen zu engagieren. 87
Was ein enormes Engagementpotenzial darstellt. Festzustellen ist, dass freiwilliges Engagement in den alten Bundesländern einen höheren Stellenwert einnimmt als in den
Neuen. 88 89
Warum ist die Bereitschaft sich zu engagieren so hoch und welche Beweggründe haben
Bürger/Innen? Folgende Motive wurden im 2. Freiwilligensurvey 2004 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend genannt: Durch das Engagement
wollen Bürger/Innen wenigstens im Kleinen die Gesellschaft mitgestalten. Ebenso
wichtig ist die Tatsache, dass sie dadurch mit anderen Menschen zusammen kommen
und für andere etwas tun und helfen können. Auch das Pflichtgefühl ist ein wichtiger
Ansporn, ebenso können Werte und Normen ausschlaggebend sein. Dazu zählen unter
anderem Verantwortung, Selbstverwirklichung, Wertschätzung, Nächsten- und Schöpfungsliebe, Pflichtgefühl, persönlicher Nutzen und der Geist der Brüderlichkeit, Gleichheit, Freiheit.
90
Viele Bürger/Innen engagieren sich, weil sie durch ihr Engagement
neue Kompetenzen und Fähig- und Fertigkeiten erwerben möchten, um beispielsweise
ihre eigene Lebenssituation bewältigen zu können.
91
Viele Bürger/Innen sind der Mei-
nung, dass es Aufgaben in dieser Gesellschaft gibt, die einfach getan werden müssen.
84
Vgl.: Behringer, Jeanette (2007): Zivilgesellschaft in der Demokratie. S. 209
Vgl.: Anhang 3: Freiwillig Engagierte und „nur“ gemeinschaftlich Aktive
86
Vgl.: Anhang 4: Freiwillig Engagierte nach Altergruppen
87
Vgl.: Anhang 5: Freiwilliges Engagement und Bereitschaft zum freiwilligen Engagement
88
Vgl.: Anhang 6: Freiwillig Engagierte und „nur“ gemeinschaftlich Aktive in den alten und neuen
Ländern
89
Vgl.: Internetquelle 5: www.Bmfsfj.de.
90
Vgl.: Internetquelle 5: www.Bmfsfj.de
91
Vgl.: Oelschlägel, Dieter (2001): Zur Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements im Rahmen von
Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung. S. 182-186
85
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
42
______________________________________________________________________
Zudem sei dies auch eine Form von politischem Engagement. 92 Die aufgezeigten Motive lassen sich in drei Gruppen einordnen: Zum einen spielen so genannte ‚ökonomische’ Motive eine Rolle. Bürger/Innen engagieren sich, um Eigeninteressen verfolgen
zu können. Sie hoffen dadurch auf soziale Anerkennung, mehr gesellschaftliche Chancen, Gegenleistungen oder Sicherheit. Hinzu kommen so genannte ‚psychologische’
Motive. Das bedeutet, dass bürgerschaftliches Engagement auch sinnstiftend sein kann.
Ein altruistischer Beweggrund kann sein, dass man anderen hilft, für sie da sein möchte
und im Gegenzug das Gefühl hat gebraucht zu werden. Liegt dem Engagement ein so
genanntes ‚soziologisches’ Motiv zugrunde, bedeutet dies, dass Bürger/Innen durch ihr
Engagement ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe beziehungsweise zu dieser Gesellschaft erreichen können. Sie bekommen eine zivile Identität, die ein Grundbaustein
dieser Gesellschaft ist. Nur mit ihr werden wir in Zukunft existieren und als Sozialstaat
überleben können. 93
Damit diese Hochkonjunktur des bürgerschaftlichen Engagements weiter gehen kann,
müssen dafür bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden sofern diese nicht
bereits vorhanden sind. Seitens der Verwaltungen und Kommunen soll es eine Anerkennung für bürgerschaftliches Engagement geben. Diese soll nicht nur durch Symbole
wie Urkunden oder Orden geschehen, sondern beispielsweise durch Angebote von Qualifizierungsmöglichkeiten.
94
Zudem sollen hemmende Rahmenbedingungen (zum Bei-
spiel Bürger/Innen haben keine klare Vorstellung über Engagementmöglichkeiten) oder
erschwerende Regelungen (zum Beispiel wenn für das Engagement eine Mindestzeitgrenze vorgegeben ist) für bürgerschaftliches Engagement abgeschafft werden und es
sollen vermehrt finanzielle oder Sachmittel zur Verfügung gestellt werden. Es ist auch
wichtig, dass gewisse Qualitätsstandards gesetzt werden. Dies ist auch eine Aufgabe der
Kommunalpolitik. Dazu gehört, dass kommunale örtlich angesiedelte Anlauf- und Kon-
92
Vgl.: Klein, Ansgar (2007): Bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliche Reformpolitik.
S. 212-213
93
Vgl.: Blaumeister, Heinz; Blunck, Annette; Klie, Thomas; Pfundstein, Thomas; Wappelshammer,
Elisabeth (2002): Handbuch kommunale Altenplanung. S. 86-87
94
Vgl.: Guggemos, Peter (2007): Bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfe und Selbstorganisation.
S. 173-174
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
43
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taktstellen geschaffen werden,
95
dass Fachberatungen mit kommunalen Spitzenverbän-
den kooperieren und ein weit reichendes Netzwerk aufgebaut wird. Es ist notwendig,
dass Einsatzmöglichkeiten auf Bürger/Innen und ihren individuellen Fähigkeiten abgestimmt werden. Deshalb müssen klare Aufgabenbeschreibungen, Anforderungsprofile
und Weiterbildungen angeboten werden.
96
Bürgerschaftlich Engagierte benötigen auch
Freiheiten und Freiräume. Sie sollten „Umwege“ gehen dürfen sowie Alternativen und
Lösungen austesten. Auch mit der Möglichkeit, dass sie mit ihrem Vorhaben scheitern
werden. Sie brauchen die Freiheit, in ihrer Person, in ihrem Handeln und in ihrer individuellen Begabung sich in Projekte einbringen zu können. 97
Bürgerschaftliches Engagement ist ein wichtiger Teil und Stütze unserer Zivilgesellschaft. Aus diesem Grund müssen wir alle - vor allem auch die Politik und Kommunen erkennen, dass ein Engagement von Bürger/Innen nicht selbstverständlich ist. Kommunen können in Zukunft Einsparungen erzielen, wenn sie heute schon in bürgerschaftliches Engagement investieren.
98
4.3 Bedeutungen für eine demenzfreundliche Kommune
Bei dem Aufbau eines demenzfreundlichen Gemeinwesens geht es nicht ohne das zivilgesellschaftliche oder bürgerschaftliche Engagement. Das Thema Demenz betrifft die
ganze Gesellschaft, es betrifft nicht nur Fachkräfte, Institutionen und Disziplinen. Es ist
nötig, alle Gruppen in unserer Gesellschaft zu integrieren, auch wenn es nicht immer
einfach ist, das Engagement von Bürger/Innen für das Thema Demenz zu gewinnen.
Dies ist nur möglich, wenn man das wie in Kapitel 2.1) beschriebene Negativbild von
Demenz beiseite schiebt und vermittelt, dass Bürger/Innen und ihr Engagement beson-
95
Vgl.: Braun, Joachim (1999): Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen: Motive und
Aktivitäten. S. 205-206
96
Vgl.: Otto, Ulrich; Schmid, Josef; Mansour; Julia; Plank, Sven; Schönstein, Stephanie; Steffen,
Christian ( 2003): Bürgerschaftliches Engagement. S. 40-46
97
Vgl.: Oelschlägel, Dieter (2001): Zur Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements im Rahmen von
Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung. S. 182-186
98
Vgl.: Hahn, Robert (2007): Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement in BadenWürttemberg. S. 242-245
4. Zivilgesellschaftliche Perspektive und Bürgerschaftliches Engagement
44
______________________________________________________________________
ders für Menschen mit Demenz gebraucht werden. Zum Beispiel als Betreuer für Familien, als Paten für die Verteidigung von Rechten demenziell veränderter Personen oder
als Projektinitiatoren und vieles mehr. Nur so können Menschen mit Demenz am Leben
in der Gemeinschaft teilhaben, ihren berechtigten Platz einnehmen und werden nicht
isoliert. 99
Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements ist in einer demenzfreundlichen
Kommune und in der Altenhilfe und –pflege von sehr großer Bedeutung. Durch dieses
Engagement kann die Selbstständigkeit und die Integration einer Person in das jeweilige
soziale Umfeld von Bürger/Innen, ermöglicht werden. So kann es zu neuen Umgangsformen mit der Hilfebedürftigkeit im Alter, oder durch die Demenz, kommen. Nicht
zuletzt ist die Bereitschaft für bürgerschaftliches Engagement ein guter Beitrag zu einer
verantwortungsvollen Zivilgesellschaft. Wenn jeder Einzelne die Lebensqualität und
Würde des Anderen wahrt, respektiert und die Herausforderung der Mitarbeit an unserem Gemeinwesen annimmt,
100
stellt dies für die gesamte Bevölkerung einen Gewinn
dar.
99
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 151-153
100
Vgl.: Plemper, Burkhard et. al (2007): Gemeinsam betreuen. S. 33-35
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
45
______________________________________________________________________
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
5.1 Auf dem Weg zum Verein „Aktion Demenz e.V.“
Das Thema Demenz stellt zahlreiche Herausforderungen an viele unterschiedliche Ebenen in unserer Gesellschaft. Dies gilt für Betroffene, ihr soziales Umfeld, betreuende
Personen, professionell Tätige, Städte, Kommunen, Länder oder unser Gesundheitssystem. Jede Ebene muss herausfinden, wie sie damit umgehen will beziehungsweise muss.
Aus diesem Grund rief die Robert-Bosch-Stiftung im Jahr 2004 die Initiative
´Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz` ins Leben. Sie lud hierzu siebzig Vertreter aus den Bereichen Medizin, Pflege, Politik, Verwaltung, Angehörigenorganisationen und anderen Disziplinen ein. In insgesamt sieben unterschiedlichen Werkstätten
wurden Aspekte bezüglich des Themas Demenz bearbeitet. Hierbei sollten neu geplante
oder bereits bestehende Aktivitäten durch eine Zusammenarbeit gestärkt und eine übergreifende Netzwerkarbeit initiiert werden. 101
Aus der Initiative ´Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz` der Robert-BoschStiftung, wurde 2006 der Verein „Aktion Demenz e.V.“ in Berlin gegründet. Dieser
Verein setzt sich zum Ziel, Lebensbedingungen für demenziell veränderte Personen zu
verbessern, Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Demenz zu schaffen, das
Thema in die Öffentlichkeit zu tragen und die Stigmatisierung des Themas Demenz
aufzulösen. Der Verein selbst versteht sich als eine Art von Netzwerk und Vermittlungsstelle. Er möchte Bürger/Innen gewinnen, welche das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz steigern wollen und sich für deren Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben einsetzten möchten. Der Verein „Aktion Demenz e.V.“ hat vier große Aufgabenbereiche. Er fordert Kommunen zu mehr Engagement auf und verknüpft engagierte
Kommunen, damit eine ‚Neue Kultur des Helfens’ entstehen kann. Der Verein dient als
Ansprechpartner für neue oder bereits bestehende Initiativen, um diese zu unterstützen
101
Vgl. Bredenkamp, Rainer et. al (2007): Die Krankheit frühzeitig auffangen. S. 5-6
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
46
______________________________________________________________________
und deren Arbeit zu erleichtern. Er ist Anstifter und Berater, damit Lebensumstände von
Betroffenen sich verbessern, freiwilliges Engagement wächst und sich neue soziale Zusammenhänge und Nachbarschaften entwickeln können. Zudem dient der Verein als
Netzwerkknotenpunkt für Aufklärung und Bewusstseinswandel, um die Bemühungen
und die Ergebnisse auch mit Hilfe der Medien in die Öffentlichkeit zu tragen. 102 In diesem Sinne sind in den letzten Jahren, mit Unterstützung des Vereins „Aktion Demenz
e.V.“, zahlreiche Initiativen in Deutschland hinsichtlich eines demenzfreundlichen Gemeinwesen entstanden, in dem sich Menschen mit Demenz wohlfühlen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
103
In den weiteren Unterkapiteln wird nun zum
einen die ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` und zum anderen das
´Projekt-Demenz-Arnsberg` unter verschiedenen Gesichtspunkten vorgestellt. Dazu
zählen die jeweilige Projektplanung, die Vorstellung der Projektbeteiligten, die Ziele
und Inhalte der Projekte, die Projektdurchführung und die Ergebnisse und Wirkungen.
Die Robert-Bosch-Stiftung setzt sich weiterhin für Thema Demenz ein. Bis Ende März
2009 lief eine Ausschreibung für das Förderprogramm ‚Menschen mit Demenz in der
Kommune’. Mit diesem Förderprogramm sollen lokale Projekte unterstützt werden,
welche das Thema Demenz in ihrer Kommune ansprechen, bürgerschaftliches Engagement aktivieren oder fördern und Menschen mit Demenz begleiten und entlasten wollen.
Diese Unterstützung ist auch finanzieller Art. Den Auftrag für die Durchführung und
Verwaltung des Förderprogramms ‚Menschen mit Demenz in der Kommune’ bekam der
Verein „Aktion Demenz e.V.“.
104
Dieser soll die neu entstehenden Projekte beraten,
unterstützen und einen Austausch untereinander organisieren.
102
Vgl.: Aktion Demenz e.V.: Demenz und Kommune. (Broschüre)
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 146
104
Vgl.: Internetquelle 10: www.bosch-stiftung.de
103
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
47
______________________________________________________________________
5.2 Die ´Demenzkampagne
Oktober 2007 – Juni 2008
Ostfildern
„Wir
sind
Nachbarn!“`:
Die Einwohnerzahl der Stadt Ostfildern im Bundesland Baden-Württemberg, beläuft
sich auf etwa 35.000. Zum heutigen Zeitpunkt leben dort etwa 600 Menschen, die von
einer mittelschweren bis schweren Demenz betroffen sind. Laut einer Einschätzung von
unterschiedlichen lokalen Experten, wird die Zahl der Betroffenen auf etwa das Doppelte geschätzt, mit einer durchschnittlichen Erkrankungsdauer von 7 Jahren.
Demenziell veränderte Personen in Ostfildern leben überwiegend in privaten Haushalten mit Familienangehörigen. Aus diesem Grund ist eine nachhaltige Begleitung und
Betreuung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen notwendig. Daher wurde
im Oktober 2007 die ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` initiiert.
5.2.1 Projektplanung
Die ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` wurde innerhalb eines Jahres
in einer so genannten „Denkwerkstatt“ vorbereitet und geplant. Dieser Projektgruppe
gehörten an:
- Fachkräfte aus der Stadt Ostfildern:
+ Beratungsstelle für ältere Menschen und ihre Angehörige
+ Tagespflege Ostfildern
+ Fachbereich Bildung, Kultur, Sport und Soziale Lebenswelten der
Stadt Ostfildern
- Fachkräfte aus dem Landkreis Esslingen:
+ Altenhilfefachberatung des Landkreises Esslingen
+ Sozialpsychiatrischer Dienst für alte Menschen - SOFA
- Fachkräfte aus der Landesebene:
+ Demenz-Support-Stuttgart
+ Alzheimergesellschaft Baden-Württemberg.
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
48
______________________________________________________________________
In dieser Planungsphase wurde ein Konzept entwickelt. Anhand von diesem wurde die
weitere ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` durchgeführt. Als Projektleiterin wurde Frau Gabriele Beck von der ‚Leitstelle für ältere Menschen’ der Stadt
Ostfildern eingesetzt.
105
5.2.2 Projektbeteiligte
An der Umsetzung der ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` waren die
im vorherigen Unterkapitel beschriebene Projektgruppe, weitere Dienste und Einrichtungen der Altenhilfe in Ostfildern sowie kommunale Einrichtungen beteiligt. Dazu
gehörten unter anderem die Volkshochschule Ostfildern, die Stadtbücherei, die städtische Musikschule und Galerie, die Aerpah-Klinik-Esslingen und viele andere Treffpunkte. 106
5.2.3 Ziele und Inhalte des Projektes
Die Ziele der ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` wurden in folgenden prägnanten Aussagen formuliert:
„Der Erfolg der Demenzkampagne wird sich daran messen lassen müssen,
in wie weit es gelingt folgende Ziele umzusetzen:
- Demenz wird zu einem Gesprächsthema in der Stadt:
„Man spricht darüber!“
- Das Wissen über Demenz ist gewachsen!
- Die Anlauf- und Beratungsstellen konnten ihren Bekanntheitsgrad
steigern!
- Das Wissen über Chancen der Früherkennung ist gestiegen!
- Das Bewusstsein bei den Menschen ist gewachsen:
„Jeder kann etwas tun!““ 107
105
Vgl.: Internetquelle 4: www.demenz-ostfildern.de
Vgl.: Internetquelle 1: www.aktion-demenz.de
107
Internetquelle 4: www.demenz-ostfildern.de
106
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
49
______________________________________________________________________
Die Verbreitung des Themas Demenz in der Öffentlichkeit soll zur Integration von
Menschen mit Demenz und deren Angehörigen sowie zur Enttabuisierung führen. Des
Weiteren soll eine Plattform geschaffen werden, indem jeder sich Kompetenzen im
Umgang mit demenziell veränderten Personen aneignen kann.
Inhaltlich sind vier unterschiedliche Schwerpunkte bei der ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` gesetzt worden. Erstens sollte auf keinen Fall das so genannte Endstadium der Demenz im Fokus dieser Kampagne stehen sondern die zahlreichen Vorstufen der Erkrankung. Gerade während diesen Vorstufen benötigen Menschen
mit Demenz Hilfen im Alltag, Kontakte und Begegnungen. Zweitens soll jeder Bürger/In erkennen, dass er etwas tun kann, sei es als Freund, Kollege oder Nachbar. Menschen mit Demenz benötigen nicht nur professionelle Hilfen sondern oft auch Unterstützung aus ihrem unmittelbaren sozialen Nahbereich. Als dritter inhaltlicher Schwerpunkt soll in der Demenzkampagne vermittelt werden, dass das Thema Demenz wirklich alle etwas angeht. Wenn man sich bewusst in seinem Familien-, Bekannten- oder
Freundeskreis oder einfach nur auf der Straße umschaut, wird man doch häufiger mit
dem Thema Demenz konfrontiert, als man annimmt. Viertens gelten besonders Nachbarn, Freunde oder Bekannte oft als die so genannten „Experten des Alltags“. Da sie
meist in regelmäßigem Kontakt zu den Betroffenen stehen und deshalb häufig als Erste
bemerken, dass mit ihrem Angehörigen etwas nicht in Ordnung ist. Wenn sie diese ersten Anzeichen erkennen und die Chance ergreifen frühzeitig Hilfen einzuleiten, kann
jeder davon profitieren, die Menschen mit einer beginnenden Demenz sowie ihr soziales
Umfeld. 108
108
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 174-175
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
50
______________________________________________________________________
5.2.4 Projektdurchführung
Die beschriebenen Ziele und Inhalte versuchte man durch zahlreiche, unterschiedliche
Aktivitäts- und Veranstaltungsangebote zu erreichen. Durch sie wollte man eine breite
Öffentlichkeit in der Kommune gewinnen. Sie waren nicht nur an Betroffene und ihre
Angehörigen gerichtet, sondern auch an Freunde, Bekannte, Nachbarn und an jeden
Bürger/In, der Interesse an dem Thema Demenz gezeigt hat.
Zum einen wurden viele Informations-, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen angeboten. Dabei wurden verschiedene Themen zum Bereich Demenz angesprochen sowie versucht, unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen. Zum anderen waren Kulturveranstaltungen für Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen, aber auch für jeden einzelnen Bürger/In der Stadt Ostfildern ein zentraler Punkt. Diese Veranstaltungen (Theatervorstellungen, Filmabende mit Diskussionen, Lesungen und Tanzcafés) sollten die
verschiedenen Gruppen zusammenführen und eine Begegnung ermöglichen. 109
Darüber hinaus wurden ganz spezielle Veranstaltungen durchgeführt. Dazu zählten unter anderem Kunst- und Photoausstellungen, spezielle Bibliotheksangebote, Wunschkonzerte und eine große Demenz-Gala am Ende der ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir
sind Nachbarn!“`. 110
Die Öffentlichkeitsarbeit war von großer Bedeutung. Neben einer Verteilung von Programmheften an jeden Haushalt in Ostfildern und den gängigen Presse- und Internetauftritten wurden Broschüren beispielsweise zum Thema „Was tun bei Demenz?“ entwickelt und auch Prominente zum Thema Demenz befragt. Etwas ganz Besonderes war
die Plakataktion. Es wurde versucht die kommunikative Seite der ´Demenzkampagne
Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` durch visuelle und plakative Anregungen zu begleiten
und zu verstärken. Es sollte die Botschaft unter den Bürgern verbreitet werden, dass
jeder etwas tun kann.
109
110
Vgl.: Internetquelle 4: www.demenz-ostfildern.de
Vgl.: Internetquelle 6: www.demenz-ostfildern.de (Evaluationsbericht)
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
51
______________________________________________________________________
Zudem wurden in Ostfildern besondere Schulungsangebote für Zielgruppen eingerichtet, die weniger mit dem Thema Demenz zu tun hatten. Zum Beispiel die so genannten
„Erste-Hilfe-Kurse Demenz“, die fast drei Stunden dauerten und kostenlos angeboten
wurden. Diese richteten sich an Einzelhändler der Stadt, Ostfilderner Vereine, Banken,
Notare, Servicestellen für Bürger/Innen sowie an Polizisten. Dort erhielten sie die Chance, einen adäquaten Umgang mit Menschen mit Demenz zu erlernen. Das bedeutet, dass
Informationen zum Thema Demenz vermittelt wurden, es wurde versucht das Verständnis für demenziell verändertes Verhalten zu erhöhen und ein Beispiel zu geben, wie man
in bestimmten Situationen mit Menschen mit Demenz umgehen kann. 111
Zusätzlich wurden noch andere Angebote durchgeführt. Dazu zählten ein Adventsgottesdienst zur Weihnachtszeit, eine spezielle Literaturauswahl zum Thema Demenz in
der Bibliothek oder ein besonderer Festabend unter dem Motto „Auf gute Nachbarschaft“. Bei dieser Veranstaltung hatte jeder Teilnehmer die Pflicht einen Nachbarn
einzuladen und zum Fest mitzubringen. 112
5.2.5 Ergebnisse und Wirkungen
Mit den zahlreichen Aktivitäts- und Veranstaltungsangeboten der ´Demenzkampagne
Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` konnten mehr als 2000 Bürger/Innen erreicht werden.
Diese Angebote hatten eine so große Resonanz, dass verschiedene Veranstaltungen
wiederholt werden mussten. Es konnte insgesamt ein breites Spektrum an Betroffenen
und Interessierten erreicht werden.
113
Knapp ein Fünftel der Besucher der verschiede-
nen Aktivitäts- und Veranstaltungsangebote gaben an, bisher noch keine Berührung mit
dem Thema Demenz, weder familiär noch beruflich, gehabt zu haben. Diese Erkenntnis
zeigt, wie wichtig es ist, das Gemeinwesen für das Thema Demenz zu sensibilisieren.
111
Vgl.: Internetquelle 4: www.demenz-ostfildern.de
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 177
113
Vgl.: Internetquelle 3: www.afa-sozialplanung.de
112
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
52
______________________________________________________________________
Ein Gemeinwesen lässt sich auch besonders gut über Polizisten, Einzelhändler oder
Vereinsmitglieder erreichen, wie die ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` aufzeigte. Damit wird ein besserer Umgang mit Menschen mit Demenz möglich
und es kommt zu einer Änderung des Bewusstseins und des Verhaltens in der Bevölkerung. Dafür waren auch die „Erste-Hilfe-Kurse Demenz“ bestens geeignet, welche gut
besucht und als sehr positiv und informativ von den Teilnehmern eingeschätzt wurden.
Das könnte daran gelegen haben, dass auch vor allem die oben genannten Gruppen
vermehrt in ihrem Alltag mit Menschen mit Demenz zu tun haben.
114
Um eine Bewusstseins- und Verhaltensänderung in der Bevölkerung zu erreichen, kann
der Zugang über den Bereich Kunst und Kultur nicht außer Acht gelassen werden.
Wenn man solche Veranstaltungen plant, muss man sich zuerst auf das Thema Demenz
und die davon betroffenen Menschen und ihre Erlebniswelt einlassen und sich somit
automatisch mit diesem Thema auseinandersetzen. Diese Erlebnisse können zu neuen
Erkenntnissen und Erfahrungen führen, von denen jeder Bürger/In profitieren kann.
Diese Erfahrungen beschrieb auch die Städtische Galerie, die mit einer regulären Ausstellung beteiligt war, zu der auch einige Menschen mit Demenz kamen. Denn visuelle
und akustische Erlebnisse können einen neuen Zugang zu Menschen mit Demenz darstellen. Die Musikschule veranstaltete ein Wunschkonzert, bei dem auch demenziell
veränderte Personen und ihre Angehörigen anwesend waren. Die Resonanz auf dieses
Konzert war durchaus positiv. Dies führt dazu, dass die Musikschule auch künftig weitere Veranstaltungen dieser oder ähnlicher Art plant.
Trotz dieser zahlreichen Angebote und Veranstaltungen von der ´Demenzkampagne
Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“`, muss man erkennen, dass dies für die Zukunft nicht
genügt, um das Thema Demenz in der Kommune und bei den Bürger/Innen wach zu
halten. 115 Aus diesem Grund ist künftig der Bau eines „Nachbarschaftshauses“ geplant,
der eine Begegnung im Stadtteil und ein Ort für freiwilliges Engagement ermöglicht.
114
115
Vgl.: Internetquelle 6: www.demenz-ostfildern.de (Evaluationsbericht)
Vgl.: Wißmann, Peter; Gronemeyer, Reimer (2008): Demenz und Zivilgesellschaft – eine Streitschrift.
S. 178-180
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
53
______________________________________________________________________
Zudem sollen dort Wohnmöglichkeiten in Form von ambulanten Wohngemeinschaften
oder Hausgemeinschaften geschaffen werden. Weiterhin sollen noch einmal bestimmte
Zielgruppen angesprochen werden, die nicht so aktiv beziehungsweise überhaupt nicht
an der ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` beteiligt waren. Zum Beispiel weitere Vereine, Kirchen, Einzelhändler oder Kinder und Jugendliche.
5.3 Das ´Projekt-Demenz-Arnsberg`: Januar 2008 – etwa Dezember 2010
Arnsberg liegt im Bundesland Nordrhein-Westfalen und hat etwa 80.000 Einwohner.
Davon sind etwa 1.000 Menschen von einer demenziellen Erkrankung betroffen. Das
´Projekt-Demenz-Arnsberg` ist am 01. Januar 2008 gestartet. Bis Ende des Jahres 2010
sollen Maßnahmen umgesetzt werden, welche die Lebenssituation von Menschen mit
Demenz und ihren Angehörigen verbessern.
In Arnsberg hat man bewusst erkannt, dass das Thema Demenz künftig sehr viele Familien betreffen wird und es in diesen zu einer enormen Belastung durch die Erkrankung
kommen kann. Damit diese Familien eine optimale Unterstützung erhalten können und
es nicht zur Isolation oder Einsamkeit führt, müssen Kommunen sich zur Aufgabe setzen, neue und geeignete Strategien und Maßnahmen zu erschaffen oder bereits vorhandene Hilfsangebote besser zu verknüpfen und bekannt zu machen.
Aus diesem Grund wurde in Arnsberg das ´Projekt-Demenz-Arnsberg` initiiert. Da dieses Projekt jedoch noch nicht beendet ist, sollen nun im Folgenden die bisherigen Ereignisse, beziehungsweise Ergebnisse dargestellt werden und welche Ziele künftig geplant sind. 116
116
Vgl.: Internetquelle 8: www.projekt-demenz-arnsberg.de
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
54
______________________________________________________________________
5.3.1 Projektplanung
Das ´Projekt-Demenz-Arnsberg` wurde innerhalb eines Jahres in einer so genannten
Initiativkonferenz vorbereitet. Dieser Projektgruppe gehörten folgende verschiedene
Vertreter der Stadt Arnsberg sowie Vertreter von Einrichtungen und Institutionen an:
- Vertreter der Stadt Arnsberg
- Verschiedene Arnsberger Akteure bilden eine „Initiativkonferenz“: Diese
setzt sich zusammen aus Vertretern von/des:
+ (vor-) stationären Einrichtungen
+ Krankenhäusern
+ alternativen Wohnformen
+ Caritas-Verbandes
+ Perthes-Werks e.V.
+ Seniorenbeirates
+ Hochsauerlandkreises
Während dieser Planungsphase wurde ein detailliertes Konzept für die Umsetzung des
´Projekt-Demenz-Arnsberg` entwickelt. Dieses Konzept wurde mit Frau Dr. Klöpper
von der Robert-Bosch-Stiftung besprochen. Die Leitung und Steuerung des ´ProjektDemenz-Arnsberg` übernimmt Herr Martin Polenz von der Fachstelle ‚Zukunft Alter’
der Stadt Arnsberg. 117
5.3.2 Projektbeteiligte
Das ´Projekt-Demenz-Arnsberg` wurde als eine so genannte Gemeinschaftsaufgabe
konzipiert. Jeder kann sich daran beteiligen: Bürger/Innen aus verschiedenen Generationen, Institutionen, Organisationen, Verbänden, Vereinen, Schulen, Bildungsträgern,
Medien oder verschiedene Ärzte und Politiker. Das bedeutet, dass sich jeder Mitwirkende in einem bestimmten oder mehreren Aufgabenbereichen beteiligen kann und dass
117
Vgl.: Aktion Demenz e.V.: Eine Kommune auf dem Weg: Arnsberg. (unveröffentlichtes Material)
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
55
______________________________________________________________________
somit viele Aufgaben erfüllt werden. Man kann also sagen, dass das ´Projekt-DemenzArnsberg` für jedermann offen steht, der an dem Thema Demenz Interesse zeigt und
sich in irgendeiner Form engagieren möchte.
118
5.3.3 Ziele und Inhalte des Projektes
Allgemein ist es das Hauptziel des ´Projekt-Demenz-Arnsberg`, die Lebenssituation von
Menschen mit Demenz und deren Angehörigen vor Ort anhaltend zu verbessern. Um
dieses Hauptziel erreichen zu können, wurden folgende Teilziele formuliert:
„Auf den Punkt gebracht wollen wir:
- Die Lebensqualität der Familien und der Betroffenen verbessern
- Die Stimme von Menschen mit Demenz hörbar machen, ihre Lebenswelten
erschließen
- Ihre Teilhabe am Leben in der Kommune und der Gesellschaft ermöglichen
- „Türen öffnen“ Formen der Begegnung zwischen Menschen mit und ohne
Demenz schaffen
- Das Thema Demenz enttabuisieren
- Die Abschottung und Isolierung der Betroffenen entschärfen
- Die Öffentlichkeit, die Medien, die Kulturschaffenden, Industrie, Handel und
Handwerk und besonders auch die Politiker sensibilisieren und zum Handeln
bewegen.“ 119
Dafür soll ein stabiles Netzwerk aus Fachkräften, unterschiedlichen Einrichtungen, Organisationen und ehrenamtlich Engagierten aufgebaut werden. Es soll eine enge Zusammenarbeit von professionellen Hilfs- und Unterstützungsangeboten und bürgerschaftlichem Engagement entstehen, in der es zu einem regen Austausch von Informationen und zu Kooperationen kommen kann. Dafür müssen Informationswege optimiert
werden, um eine schnelle Vermittlung von Hilfen zu gewährleisten. Zudem ist es wichtig die Öffentlichkeit zu kontaktieren und diese über Fortschritte zu informieren. 120
118
Vgl.: Internetquelle 2: www.aktion-demenz.de
Internetquelle 9: www.projekt-demenz-arnsberg.de
120
Vgl.: Internetquelle 2: www.aktion-demenz.de
119
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
56
______________________________________________________________________
5.3.4 Projektdurchführung
Am Anfang des ´Projekt-Demenz-Arnsberg` gab es eine sehr gut besuchte Auftaktveranstaltung. Diese hatte zum Ziel, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das neue
Projekt zu lenken, damit sich auch künftig viele Bürger/Innen für das Thema Demenz
interessieren und sich freiwillig engagieren wollen. Dies wurde zusätzlich durch eine
breit angelegte Plakataktion in Arnsberg unterstützt, die im weiteren Verlauf sogar um
einige Motive erweitert werden musste, da die Resonanz in der Bevölkerung immens
war.
Darüber hinaus wurden in den ersten Monaten drei dezentrale und bürgernahe Beratungsstützpunkte in den jeweiligen Stadtteilen von Arnsberg aufgebaut. In diesen arbeiten drei Mitarbeiter aus unterschiedlichen Berufsgruppen, nämlich eine Pflegefachkraft,
ein Sozialarbeiter und eine Ergotherapeutin zu jeweils fünfzig Prozent. Mit den anderen
fünfzig Prozent sind sie noch bei ihren Hauptträgern beschäftigt. Die Mitarbeiter dieser
Beratungsstützpunkte sollen zum einen Menschen mit Demenz und ihre Angehörige
beraten und zum anderen als Netzwerkknotenpunkt für vorhandene Akteure in den
Stadtteilen dienen. Die Mitarbeiter dieser Beratungsstützpunkte sind zusätzlich mit der
Aufgabe betraut worden, bisheriges Informationsmaterial zum Thema Demenz zu sichten und einen neuen „Demenz-Wegweiser“ für Arnsberg zu erstellen. In diesem Zusammenhang konnten auch zahlreiche Beziehungen zu anderen Kooperationspartnern
auf- und ausgebaut werden. Es kam bereits zu einigen Kooperationsprojekten mit anderen Einrichtungen und Personen.
Ein Beispiel ist das ‚Projekt mit Portraits’, indem eine Kunsttherapeutin Portraits von
demenziell veränderten Bewohnern eines Altenheimes in Arnsberg angefertigt hat. Anschließend haben in einer Projektwoche Grundschüler zusammen mit diesen Senioren teilweise unter deren Anleitung und Vorstellungen - die Portraits ausgemalt. Diese
Kunstwerke wurden bei einer Vernissage in der Kreissparkasse Arnsberg der Öffentlichkeit für vier Monate präsentiert.
Ein weiteres größeres Projekt war das Zirkusprojekt ‚Fantastello’. Bei diesem fand über
einen längeren Zeitraum ein Austausch zwischen einer Kinder- und Jugendsportgruppe
und einer Gruppe von Menschen mit Demenz aus einem Altenheim in Arnsberg statt.
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
57
______________________________________________________________________
Die Kinder und Jugendlichen übten zusammen mit demenziell veränderten Personen
unterschiedliche Zirkus- und Artistennummern ein. Diese führten sie abschließend in
einer sehr gut besuchten ‚Zirkus der Generationen’ -Gala auf und bekamen sehr viel
Lob und Beifall für ihr gelungenes Programm.
121
Auch das Projekt ‚Patenschaften von Mensch zu Mensch’, bereits 2004 entstanden,
konnte sich durch das ´Projekt-Demenz-Arnsberg` weiter etablieren. Es wurden neue
Rollenfelder definiert, Türen für das Engagement geöffnet und Strukturen entwickelt.
Beim Projekt ‚Patenschaften von Mensch zu Mensch’ können sich freiwillig bürgerschaftlich Engagierte aller Generationen melden und gewisse Aufgaben übernehmen.
Beispielsweise als Paten in Kindertageseinrichtungen, als Teilnehmer an Musikprojekten oder als Mitgestalter eines Sinnesgartens für Menschen mit Demenz. 122
Seit Januar 2008 werden in unterschiedlichen Abständen zahlreiche Info-, Qualifizierungs- und Fortbildungsveranstaltungen und Aktionen für verschiedene Zielgruppen
angeboten. Zu diesen zählen unter anderem Menschen mit Demenz, Angehörige, Fachkräfte, bürgerschaftlich Engagierte und die allgemeine Öffentlichkeit, welche am Thema Demenz interessiert sind.
Zudem kam ein angeregter Austausch mit anderen Kommunen zustande, welche auch
an dem Thema Demenz arbeiten. Dort wurden bisher gewonnene Erkenntnisse und Informationen vermittelt und ausgetauscht. Beispiel hierfür ist die Weitergabe von Plakaten an andere Kommunen. 123
121
Information aus ´Projekt-Demenz-Arnsberg` - Interview 2, siehe Kapitel 3.1 im Materialband
Vgl.: Künkenrenken, Uwe (2008): Patenschaften von Mensch zu Mensch. (unveröffentlichtes
Material)
123
Information aus ´Projekt-Demenz-Arnsberg` - Interview 1, siehe Kapitel 2.1 im Materialband
122
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
58
______________________________________________________________________
5.3.5 Ergebnisse und Wirkungen
Da das ´Projekt-Demenz-Arnsberg` erst zur Hälfte durchgeführt wurde, also nicht abgeschlossen und offiziell ausgewertet ist, können an dieser Stelle nur Teilergebnisse aufgezeigt und ein Ausblick für weitere Projekte und Veranstaltungen in Zukunft gegeben
werden.
Arnsberg verfügt schon seit jeher über ein großes und sehr vielseitiges bürgerschaftliches Engagement. Davon kann das ´Projekt-Demenz-Arnsberg` nur profitieren, es erhält
reichlich Unterstützung seitens der Bürger/Innen. Dies lässt sich an den gut besuchten
Veranstaltungen und an den Aktivitäten, beispielsweise im Projekt ‚Patenschaften von
Mensch zu Mensch’ erkennen. Aber auch die Gegenseite, nämlich die professionell
Tätigen, zeigen große Bereitschaft am ´Projekt-Demenz-Arnsberg` mitzuwirken und
dieses tatkräftig zu unterstützen.
Der Projektleiter selbst würde den Erfolg darin begründet sehen, wenn neue bürgerschaftliche Projekte und Kooperationen entstehen und diese Angebote nachhaltig aufrechterhalten werden könnten. Ebenso wäre es ein Erfolg, wenn die drei Beratungsstützpunkte mit ihren Angeboten große Resonanz erzielen würden und auf Dauer zumindest eine, wenn nicht alle Stellen langfristig erhalten werden könnten.
In der ersten Hälfte des ´Projekt-Demenz-Arnsberg` sind kleinere Probleme aufgetreten.
Schon bei der Projektplanung und auch bei der Initiativkonferenz, herrschten unterschiedliche Vorstellungen über die Ziele und Inhalte, die verfolgt werden sollten. Aber
wie man am bisherigen Verlauf sehen kann, konnten die Probleme gelöst und die Ziele
trotz allem definiert werden. Auch die Verbreitung des Beratungsangebotes unter den
Betroffenen stellte sich als eine kleine Hürde dar, sowie die Forderung, dass die drei
Beratungsstützpunkte neutral sein sollten. 124
124
Information aus ´Projekt-Demenz-Arnsberg` - Interview 1, siehe Kapitel 2.1 im Materialband
5. Initiative: ´Demenzfreundliche Kommune`
59
______________________________________________________________________
In der Zukunft sind weitere Einzel- und Kooperationsprojekte in Arnsberg geplant. Vor
allem sollen die Schwerpunkte ‚Demenz und Migration’ und ‚Demenz und Menschen
mit Behinderung’ berücksichtigt werden. Zudem soll es eine besondere Förderung des
bürgerschaftlichen Engagements im Bereich Demenz geben. Auch der Bereich der Öffentlichkeitsarbeit soll künftig nachdrücklich verfolgt werden, hierzu ist zum Beispiel
ein Filmzirkel zum Thema Demenz geplant.
125
125
Vgl.: Aktion Demenz e.V. (2009): Eine Kommune auf dem Weg: Arnsberg. (unveröffentlichtes
Material)
6. Empirische Untersuchung
60
______________________________________________________________________
6. Empirische Untersuchung
6.1 Methodische Vorgehensweise
6.1.1 Strukturiertes Leitfadeninterview am Beispiel des Experteninterviews
Für die Durchführung der Interviews, hat sich der Autor für die Methode des strukturierten Leitfadeninterviews am Beispiel des Experteninterviews entschieden. Diese Methode erlaubt eine Vorangehensweise anhand eines Interviewleitfadens, der eine undetaillierte Strukturierung und eine Flexibilität bietet.
126
Frageformulierungen oder eine
genau vorgegebene Reihenfolge der Fragen sind nicht bindend. Somit kann ein natürlicher Gesprächsverlauf zustande kommen. Zum einen erlaubt dies dem Interviewpartner
frei zu antworten und zum anderen kann der Autor bei bestimmten Abschnitten nachhaken und seine Fragen gegebenenfalls der Gesprächssituation anpassen.
127
Außerdem
lassen sich die Aussagen in der Auswertung sehr gut miteinander vergleichen, da allen
Interviewpartnern inhaltlich dieselben Fragen gestellt wurden.
6.1.2 Auswahl der Interviewpartner
Die Auswahl der Interviewpartner fand durch die persönliche Entscheidung des Autors
statt. Im Vorfeld der Auswahl machte er sich Gedanken, welche Personen aus den beiden Initiativen, in welchem Umfang mit der Thematik ´Demenzfreundliche Kommune`
zu tun hatten. Zum einen fiel die Wahl auf die jeweiligen Projektleiter der beiden Initiativen und zum anderen auf eine jeweils weitere Person, die sich inhaltlich professionell
mit dem Thema auskennt, um ein Verständnis der Fragen im Gesamtzusammenhang zu
gewährleisten. Andere Kriterien, wie beispielsweise Alter oder Geschlecht, spielten bei
der Befragung keine Rolle.
126
127
Vgl.: Mayer, Horst (2004): Interview und schriftliche Befragung. S. 36
Vgl.: Gläser, Jochen; Laudel, Grit (2006): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. S. 36-41
6. Empirische Untersuchung
61
______________________________________________________________________
6.1.3 Aufbau und Inhalt des Interviewleitfaden
Aufbau
Wie bereits im vorherigen Unterkapitel erwähnt, wurde der Interviewleitfaden anhand
der Regeln für die Durchführung von strukturierten Leitfadeninterviews am Beispiel für
Experteninterviews aufgebaut.
Der Interviewleitfaden enthielt insgesamt 15 Fragen. Durch diese Eingrenzung sollte
vermieden werden, dass die Interviews zu viel Zeit in Anspruch genommen hätten.
Wenn weitere Fragen formuliert worden wären, wäre zum einen eventuell die Bereitschaft der Interviewpartner zu detaillierten Antworten verringert worden und zum anderen war die Gesprächszeit der Interviewpartner knapp bemessen. Zudem wollte sich der
Autor offen halten, bei Bedarf nachzuhaken oder weitere Fragen hinzuzufügen.
Inhalt
Der Interviewleitfaden wurde in sieben Themenkomplexe unterteilt und zielte inhaltlich
auf folgende Sachverhalte ab:
A) Allgemeine Angaben
B) Frage zum Thema Demenz
Die Frage zielte darauf ab, was Menschen mit Demenz von ihrem sozialen
Nahbereich benötigen und wie man eine ‚Neue Kultur’ in der Pflege und in der
Begegnung schaffen kann.
C) Fragen zur Kommune
Diese Fragen sollten die kommunalen Rollen und Aufgaben definieren sowie
Unterstützungen durch Kommunen für Menschen mit Demenz erörtern.
6. Empirische Untersuchung
62
______________________________________________________________________
D) Fragen zur Zivilgesellschaft
Diese Fragen sollten klären, wie man die Zivilgesellschaft für das Thema
Demenz öffnen kann und wie man ein solches Engagement fördern könnte.
E) Fragen zum Bürgerschaftlichen Engagement
Diese Fragen zielten darauf ab, warum bürgerschaftliches Engagement wichtig ist, wie man dieses fördern kann und welchen Stellenwert es in einer demenzfreundlichen Kommune einnimmt.
F) Fragen zur Initiative
Diese Fragen zielten auf Erfolgsfaktoren und Grenzen der jeweiligen Initiative beziehungsweise allgemein auf Initiativen ab. Ebenso darauf, welche Auswirkungen es innerhalb der Kommune gab.
G) Abschluss
Dieser Abschnitt bildete den Abschluss des Experteninterviews. Er bot die
Möglichkeit, weitere Fragen zu formulieren und Anregungen einzuholen.
Der detaillierte Interviewleitfaden ist unter Anhang 7 dieser Bachelorarbeit, sowie im
Materialband Kapitel 1.) beigefügt.
6.1.4 Vorbereitung und Durchführung der Interviews
Vorbereitung
Die Vorbereitung der Experteninterviews bestand aus mehreren Phasen. Nach Erstellung des Leitfragebogens wurde dieser mit der Betreuerin Frau Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff und dem Betreuer Herrn Prof. Dr. Burkhard Werner besprochen. Während
dieser Rücksprache wurden die Interviewpartner durch den Autor bestimmt und erneut
6. Empirische Untersuchung
63
______________________________________________________________________
mit den Betreuern abgesprochen. Zuerst wurden diese per E-Mail angefragt, wobei kurze Informationen bezüglich Inhalt und Ziel der Befragung weitergegeben wurden. Daraufhin folgte eine Termin- und Ortabsprache per Telefon.
Durchführung
Die Durchführung der Experteninterviews fand in vier persönlichen Gesprächen statt.
Für die ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` fand das eine Experteninterview in der ‚Leitstelle für ältere Menschen’ in Ostfildern und das andere beim ‚Demenz-Support-Stuttgart’ (Zentrum für Informationstransfer) in Stuttgart statt. Für das
´Projekt-Demenz-Arnsberg` fanden beide Experteninterviews in der ‚Fachstelle ‚Zukunft Alter’’ in Arnsberg statt. Um die Gespräche vertraulich zu behandeln, wurden
diese entweder im Büro des jeweiligen Interviewpartners oder in einem separaten Besprechungsraum geführt.
Zu Beginn der Experteninterviews fand jeweils eine kurze Einleitung statt, in welcher
der Autor seine Person und das Thema der Bachelorarbeit vorstellte. Zudem wurde ein
Zeitrahmen festgelegt und das Ziel des Interviews dargestellt. Während dieser Einleitung wurde auch das Einverständnis der Interviewpartner für die digitale Aufzeichnung
des Gespräches eingeholt, der alle zustimmten. Aus diesem Grund wurde die Einleitung
nicht aufgezeichnet. Durch diese Aufzeichnungen konnte sich der Interviewer voll und
ganz auf die Gespräche konzentrieren und der Interviewpartner hatte mehr Spielraum
hinsichtlich der Ausführung seiner Antworten. 128
Die Gesprächsdauer der Experteninterviews liegt zwischen 33 und etwa 91 Minuten.
Dies lässt sich auf die unterschiedlich ausführlichen Antworten der vier verschiedenen
Interviewpartner zurückführen.
128
Vgl.: Mayer, Horst (2004): Interview und schriftliche Befragung. S. 46
6. Empirische Untersuchung
64
______________________________________________________________________
6.1.5 Vorgehensweise der Auswertung
Die Grundlage für die Auswertung der Experteninterviews bildeten die transkribierten
Aufzeichnungen. Die Experteninterviews dienten zur Informationsbeschaffung und zur
Erfragung der persönlichen Meinung und Einstellung der Interviewpartner. Aus diesem
Grund wurde weniger Wert auf die Stimmlage, die Pausen oder sonstige sprachliche
Elemente gelegt. Dennoch wurde nach jedem einzelnen Experteninterview ein Postskript angefertigt. Zudem behielt es sich der Autor vor, nicht jeden einzelnen Satz in die
Auswertung einzubeziehen, sondern nur die aus seiner Sicht relevanten Inhalte.
Als nächster Schritt folgte nun die Auswertung mit Hilfe der Software MaxQDA für die
sozialwissenschaftliche Forschung. Dabei wurden acht Kategorien, so genannte Codes
(Demenz, Kommune, Zivilgesellschaft, Bürgerschaftliches Engagement, Erfolgsfaktoren, Grenzen, Auswirkungen, Sonstiges) gebildet und einzelne Passagen aus den
Transkriptionen diesen zugeordnet.
Diese acht Kategorien wurden anschließend einzeln mit den zugehörigen Interviewausschnitten als Text ausgedruckt. Anhand von diesen ausgedruckten Texten wurde zu jeder einzelnen Kategorie Hauptthesen gebildet, mit einzelnen Interviewaussagen belegt
und in einem Thesenpapier zusammengefasst.
6.2 Verarbeitungen der Erkenntnisse
6.2.1 Auswertung der Interviewergebnisse
Im Folgenden sollen die aus den Experteninterviews gewonnenen Daten mit den Inhalten aus dem theoretischen und dem praktischen Teil miteinander verbunden werden.
Dabei werden jeweils die bedeutendsten Erkenntnisse aus diesen Teilen mit den aus den
Interviewauswertungen gewonnen Thesen in Zusammenhang gebracht. Die entsprechenden Ankersätze sollen an dieser Stelle nur mit Ankerbeispielen erwähnt werden,
können aber vollständig in Anhang 8 dieser Bachelorarbeit oder in Kapitel 6.) des Materialbandes eingesehen werden.
6. Empirische Untersuchung
65
______________________________________________________________________
6.2.1.1 Ergebnisse in Bezug auf den Theorieteil
Kategorie Demenz:
1. Aussage:
Das Bild der ´Demenz` ist in unserer Gesellschaft häufig mit negativen Assoziationen
besetzt. Dazu zählen Verhaltensänderungen, Gedächtnisverluste oder Verluste über den
eigenen Körper. Dieses Bild löst Angst und Schrecken aus. Wenn ein solches Klima in
unserer Gesellschaft bestehen bleibt, werden diese Menschen ausgegrenzt oder isolieren
sich selbst, weil sie auf Unverständnis stoßen. Dies muss aber nicht sein. Wenn man
dieses Negativbild auch mit positiven Eigenschaften bestückt, erkennt man, dass es für
alle Menschen auf andere wichtige Aspekte im Leben ankommen sollte, beispielsweise
auf Kommunikation, soziale Interaktionen oder Gesten. So ein positiveres Bild benötigen auch Menschen mit Demenz. Ein demenzfreundliches Klima kann in der Gesellschaft erreicht werden, indem man immer wieder Aufklärungsarbeit unternimmt, eine
breite Öffentlichkeit informiert und Begegnungen ermöglicht. Als Resultat folgt daraus,
dass unsere Gesellschaft mehr Solidarität und Verständnis zeigt und sich demenziell
veränderte Personen als Teil der Gesellschaft fühlen. Diese Überlegungen bestätigt auch
die erste These der empirischen Untersuchung:
1.) Menschen mit Demenz benötigen Verständnis, Offenheit, Solidarität, Toleranz und
Akzeptanz, besonders auch zu Beginn einer demenziellen Erkrankung. Sie benötigen ein
demenzfreundliches Klima, in dem auch Begegnungen möglich sind und nicht nur negative Bilder von Demenz vermittelt werden. Dies kann erreicht werden durch klassische Altenhilfepolitik, aber auch dadurch, dass das Thema Demenz unter anderem in soziale
Räume, wie Kindergarten, Schule getragen wird. Wenn Menschen mit Demenz nicht auf
solch ein Klima stoßen, kann es zur Isolation führen, sei es aus Angst oder Unverständnis
vonseiten der Mitmenschen.
Ankerbeispiele:
„Verständnis. Offenheit, Bereitschaft, trotz veränderter kognitiver Leistungen, sozialer Einbindungen.
[…] Dass wir ihm mit Offenheit begegnen. […] Menschen mit Demenz brauchen ganz besonders unsere
Solidarität. Wir müssen ein Klima in unserer Stadt entwickeln. Also da stelle ich mir vor, so dieses offene
Ohr, diese offenen Augen, das offene Herz für Familien.“
„Weil die Betroffenen ja oftmals auch aus eigener Scham oder aus Angst, aus Verunsicherung diesen
Rückzug machen.“
6. Empirische Untersuchung
66
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2.Aussage:
Damit sich demenziell veränderte Personen akzeptiert fühlen, ist es wichtig, dass man
sie in ihrem ganzheitlichen Personendasein anerkennt. Auch wenn sie schrittweise ihre
Denkfähigkeiten verlieren, bedeutet das nicht, dass sie auch alles andere verlieren, was
den Menschen zum Menschen und seinem Dasein ausmacht. Besonders wichtig ist dafür auch die Aufrechterhaltung ihres sozialen Nahbereichs. Denn wie bereits in Kapitel
2.4) erwähnt, können rege Kontakte klinische Anzeichen von Demenz hinauszögern.
Diese Aussage bestätigt auch die zweite These:
2.) Menschen mit Demenz wollen nicht nur auf ein Dasein als Kranke reduziert werden.
Sie wollen, wie jeder andere Bürger/Innen auch, selbst bestimmt handeln und bleiben wie
sie es selbst möchten, mit allen ihren Bedürfnissen und Wünschen. Sie wollen in ihren gewohnten sozialen Räumen, wie beispielsweise in ihrem Freundeskreis bleiben, sich wohl
fühlen und nicht nur auf das Nicht-Mehr-Denkens-Können reduziert werden.
Ankerbeispiele:
„Ist so, dass ich nicht für verrückt weggetan, abgetan werde. Als Kranker weggetan, abgestempelt. […]
Und eben auch ein Stück weit tolerieren. Dass ich so bleiben kann, wie ich sein möchte.“
„Aber wenn man sagt: „Kognituelle Summen. Das Denken nimmt einfach in unserer Kultur einen sehr,
sehr großen Stellenwert ein. Wir definieren uns größtenteils über das was wir denken, was wir sagen.
Demenz hintertreibt das natürlich. Lässt das degenerieren, das Ganze was ich sage, was ich denke. Und
wie andere psychische Erkrankungen auch, ich werde unzuverlässig, ich werde als Person jemand anders
vielleicht. Und also da glaube ich, es hängt stark mit unserer Fixierung auf den kognitiven Bereich zusammen. Auch Logos. Wir haben deswegen ein großes Problem damit, wenn sich das verändert.“
3.Aussage:
Um dieses ganzheitliche Personendasein zu ermöglichen, sind nicht nur soziale Kontakte und Unterstützungen von immenser Bedeutung sondern auch, dass eine gute Grundversorgung in der Stadt oder der Kommune vorhanden ist. Diese Grundversorgung beinhaltet Gebiete der Medizin und Rehabilitation, der Pflege und der Betreuung, also ein
gut strukturiertes Netzwerk.
3.) Einerseits benötigen Menschen mit Demenz eine Grundversorgung im medizinischen,
pflegerischen und betreuenden Bereich, also in den klassischen Feldern der Altenhilfepolitik. Andererseits spielen aber auch soziale Aspekte eine unglaublich wichtige Rolle, beispielsweise der Kontakt zu Anderen oder das Weiterverfolgen von Hobbys.
6. Empirische Untersuchung
67
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Ankerbeispiel:
„Eine gute Grundversorgung oder eine Versorgung im medizinischen, pflegerischen, betreuerischen
Bereich einfach, das ist Grundvoraussetzung eigentlich. […] Es greift aber zu kurz, wenn man sagt:
„Wenn diese Grundversorgung gewährleistet ist, sind wir aus dem Schneider. Dann ist getan, was getan
werden kann oder muss.“. […], gibt es andere Komponenten. Und da kommen eben die sozialen Aspekte
dazu, da kommt das Mitmenschliche, da kommt so etwas wie vielleicht Hobbys und persönliche Betätigungsschwerpunkte dazu.“
Kategorie Kommune:
4.Aussage:
Die Bundesrepublik Deutschland ist als sozialer Bundesstatt ausgerichtet. Dies bedeutet,
dass er die Daseinsfürsorge für seine Bürger/Innen wahrnehmen muss. Dies lässt sich
bis zu den Kommunen herunterführen. Da es künftig immer mehr Ältere und auch Menschen mit Demenz geben wird, ist es eine Pflicht von Kommunen sich mit dem Thema
Demenz und den daraus resultierenden Herausforderungen sozialer, politischer, ökonomischer und humanitärer Art auseinanderzusetzen. Wenn sich Kommunen beispielsweise nur auf eine Grundversorgung von Menschen mit Demenz konzentrieren würden,
könnten zahlreiche Probleme in anderen Bereichen entstehen. Zudem würde diese Fokussierung mit höchster Wahrscheinlichkeit unsere Sozialsysteme sprengen. Dies wird
auch von der vierten These gestützt:
4.) Das Thema Demenz darf in unserer Gesellschaft nicht nur auf eine Versorgungsfrage
reduziert und auf eine Lösung seitens der Pharmaindustrie gehofft werden, denn der
Staat, also auch die Kommunen, haben eine so genannte Daseinsfürsorge für alle Bürger/Innen. Aus diesem Grund müssen Kommunen das Ziel verfolgen, an einer zivilgesellschaftlichen und humanen Sichtweise für das Thema Demenz mitzuwirken. Wenn dies
nicht geschieht, entstehen zahlreiche Probleme, beispielsweise auch ökonomischer Art.
Ankerbeispiele:
„Ich glaube, die Kommunen müssen einfach noch mal überlegen: „Wir haben eine Daseinsfürsorge für
unsere Bürger.“. Hat der Staat insgesamt, aber hat auch die Kommune für die, die hier leben, für alleAlle Menschen sind Bürger, auch die mit einer Demenz und mit anderen Dingen.“
„Weil denen muss klar sein, es ist eine soziale, es ist auch eine ökonomische. Wenn, denn wenn wir, das
was ich jetzt so wortreich da hier erkläre, wenn wir da nicht hinkommen, dann macht sich das ökonomisch ganz gravierend bemerkbar.“
6. Empirische Untersuchung
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5.Aussage:
Kommunen müssen sozialpolitische Aufgaben bei der Umsetzung ihrer Altenplanung
wahrnehmen. Insgesamt sind dies vier Hauptverpflichtungen. Dazu zählen Leistungsverpflichtungen, Förderobliegenheiten, Planungs- und Infrastrukturverantwortung sowie
Moderationsaufgaben. Alle vier Bereiche sind gleich bedeutend, dennoch sollen an dieser Stelle die Moderationsaufgaben besonders aufgegriffen werden. Kommunen sollten
vor allem stark an der Vernetzung der verschiedenen Dienste, Einrichtungen oder Institutionen, welche in ihrer Kommune angesiedelt sind, arbeiten. Zuerst muss geprüft werden, welche Ressourcen mobilisiert, welche Unterstützungen organisiert und welche
Strukturen aus- oder neu aufgebaut werden müssen. Solch eine Vernetzung kann die
Kommune gut fördern, indem sie als neutraler und vermittelnder Moderator verschiedene Stränge miteinander verbindet. Ein wichtiger Aspekt wäre auch die Vernetzung von
bürgerschaftlich Engagierten und Fachkräften. Diese Aussagen werden auch in der fünften These verdeutlicht:
5.) Kommunen haben eine Moderationsaufgabe inne und sollten beispielsweise für bürgerschaftliches Engagement Rahmenbedingungen schaffen. Es müssen Netzwerke zwischen
allen kommunalen Bereichen aufgebaut werden, indem sie unterschiedliche Institutionen
oder Gruppen zusammenführen und gemeinsam überlegen, wie eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut oder welche Prozesse angestoßen werden müssten. Die Kommune
kann dabei eine neutrale und vermittelnde Rolle einnehmen. Häufig besteht noch ein sektorales und konkurrentes Denken, was die Vernetzung erschwert.
Ankerbeispiele:
„Eine demenzfreundliche Kommune, da gibt es ein Netzwerk an Professionellen und bürgerschaftlich
Organisierten oder gestützten Hilfen. Also da gibt es Beratungsstellen, Anlaufstellen, da gibt es Informationen über die Krankheit, da gibt es Qualifizierungsangebote für Angehörige.“
„Also ich glaube, eine Kommune kann in ihrer neutralen Rolle, wie wir es sind, ein Netzwerkpartner sein.
Das heißt also, ein Netzwerk knüpfen zwischen Profis, die sich teilweise nicht grün sind, die ja nun alle
wirtschaftlich denken müssen.“
„Aber dieses sektorale Denken verhindert häufig, dass wir über den eigenen Tellerrand sehen als, ohne
jetzt Vorwürfe machen zu wollen, als Mediziner oder als Pfleger oder als Einrichtungsleiter. Ich habe
immer meinen eigenen Kontext, mein eigenes Menschenbild, das bringe ich alles mit rüber. Die Kommune oder Kommunen insgesamt, hat zumindest die Chance darüber hinaus das gesamte Feld zu beackern.“
6. Empirische Untersuchung
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6.Aussage:
Außerdem müssen Kommunen die Verbreitung der Demenzthematik in der Öffentlichkeit unterstützen. Eine Demenz kann jeden Bürger/In einer Kommune betreffen, sei es
beispielsweise als Betroffener selbst, als Angehöriger, Freund, Nachbar, Einzelhändler
oder auch als Fachkraft. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, dass das Gemeinwesen sensibilisiert wird. Dies kann geschehen, indem Kommunen Kontakte und
Begegnungen zwischen Jung und Alt ermöglichen oder Veranstaltungen und Kampagnen organisieren oder unterstützen. Diese Erkenntnis belegt auch die folgende These:
6.) Das Thema Demenz geht alle Menschen in unserer Gesellschaft etwas an: Betroffene,
Angehörige, Bürger/Innen, Fachkräfte, Einrichtungen, Institutionen sowie den Staat. Für
dieses Thema muss ein Klima in der Stadt beziehungsweise in der Kommune geschaffen
werden. Man muss weg kommen von dem negativen Demenzbild. Dies kann durch eine
massive Öffentlichkeitsarbeit oder persönliche Dialoge auch durch Kommunen geschehen,
bei der Menschen sensibilisiert werden.
Ankerbeispiele:
„Wir müssen was dafür tun, dass ein ‚demenzfreundliches’ Klima und Verständnis geschaffen wird. Und
meine Pflicht als Kommune wäre es, dieses Klima mit zu schaffen. Also ich meine das nicht im Sinne
delegieren, es soll die Politik mal regeln. Das geht nicht. Es ist eine Aufgabe der Gesellschaft, wohl gemerkt, und das sind ganz viele und ganz verschiedene.“
„Versucht alle anzusprechen, die mit Demenz eigentlich keine Berührungspunkte haben. Noch nicht oder
gewollt nicht. Versucht dadurch natürlich auch bürgerschaftliches Engagement zu aktivieren. […] Und
ja, das geht eben neben dieser öffentlich, neben dieser professionellen Öffentlichkeitsarbeit auch über das
Gespräch, über den Dialog.“
Kategorie Zivilgesellschaft:
7. Aussage:
Menschen mit Demenz dürfen nicht etikettiert und stigmatisiert werden. Die Zivilgesellschaft und ihre Akteure müssen demenziell veränderte Personen als Menschen mit
ihren ganzen Fähigkeiten, Kostbarkeiten und Angeboten wahrnehmen. Dies ist möglich,
indem neue Erfahrungs- und Interaktionsräume geschaffen werden, in denen man Erkenntnisse über Demenz erlernt und Begegnungen oder Austausche möglich sind. Damit dies ermöglicht werden kann, muss man unter anderem auch Zeit oder finanzielle
Mittel einbringen. Es ist auch sinnvoll, ein verständliches Klima zu schaffen. Dadurch
kann Ausgrenzung vermieden und Inklusion von Menschen mit Demenz erzielt werden.
6. Empirische Untersuchung
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7.) Das zivilgesellschaftliche Verständnis für das Thema Demenz muss gesteigert werden,
aber nicht durch Zwang zum Engagement, sondern durch Aufklärung über das Thema.
Die Bevölkerung muss lernen mit der Andersartigkeit umzugehen und es müssen stets
Begegnungen ermöglicht werden. Um solch ein Verständnis zu erreichen, muss auch einiges investiert werden.
Ankerbeispiele:
„Und in dem Bereich noch mal Akzente zu setzen und noch mehr, noch mehr zu aktivieren. Oder noch
mehr zu verknüpfen, einzuladen. Menschen, Einrichtungen, Vereine, Gruppen zu sensibilisieren und zu
überlegen, gemeinsam mit ihnen: „Können wir denn vielleicht auch etwas anbieten?“.“
„Das ist ja auch legitim. Aber auch zu lernen, mit Andersartigkeit umzugehen. Sich zu lernen, mit dem
Gedanken umzugehen, dass das ja auch meine Geschichte sein kann. Zu lernen, was kann denn getan
werden, damit auch ein Leben in der Demenz dann ein vernünftiges ist.“
„Und eine Bürgergesellschaft ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Absolut nicht. Kein Nulltarif. Das
heißt, sie müssen an der Stelle wo sie Bürger bewegen wollen, etwas zu tun, auch in sozialkompetente
Menschen investieren.“
8. Aussage:
Wenn ein zivilgesellschaftliches Verständnis für die Demenz und ihre Auswirkungen
erreicht ist, sind Menschen auch sensibler in Bezug auf dieses Thema, erkennen Probleme und handeln dementsprechend. Das heißt, sie werden sich zunehmend engagieren.
Dies ist auch notwendig, da Menschen mit Demenz immer zahlreicher werden und man
die daraus resultierende Verantwortung nicht immer an Institutionen abgeben kann.
Auch Klaus Dörner fordert eine Deinstitutionalisierung von Heimen und eine Versorgung im unmittelbaren Lebensraum von Menschen mit Demenz. Wenn eine Heimunterbringung aber nicht verhindert werden kann, müssen sich zumindest diese Institutionen
öffnen und sich in ein Gemeinwesen integrieren.
8.) An die Frage Demenz muss man zivilgesellschaftlich herantreten. Es muss die Ansicht
verworfen werden, dass die Verantwortung gegen Bezahlung an Institutionen abgegeben
werden kann. Andererseits müssen Institutionen und Fachkräfte ein zivilgesellschaftliches
Engagement auch zulassen. Die Menschen müssen wieder mehr Verantwortung für ihr
Leben und die gesamte Gesellschaft übernehmen. Das bedeutet auch, dass sie Problemlagen erkennen und sich mehr engagieren.
Ankerbeispiele:
„Wir müssen zivilgesellschaftlich an die Frage ‚Demenz’ herangehen. Und das heißt, wir müssen wegkommen von dem was sich diese Gesellschaften, ist ja nicht nur Deutschland, irgendwann mal erlaubt
haben. Was vielleicht historisch damals richtig war. Zu sagen: „Wir delegieren bestimmte soziale und
existenzielle Fragen an Institutionen. Und dafür zahlen wir auch Geld oder Versicherungen oder
Staat.“.“
6. Empirische Untersuchung
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„Eine zivilgesellschaftliche, sagen wir einmal, ein, eine Philosophie zu entwickeln des Hinschauens und
nicht des Wegschauens. […] Kleine Schritte, an kleinen Orten, aber immer, immer wieder und konsequent. Das ist glaube ich, die Kultur des Hinsehens. […] Nachbarschaften wieder zu aktivieren, die früher verständlich waren. Oder auch Jugendliche zu bewegen einfach sich einzubinden und Verantwortung
zu übernehmen.“
Kategorie Bürgerschaftliches Engagement:
9. Aussage:
In unserer Gesellschaft gibt es eine große Bereitschaft für bürgerschaftliches Engagement, es findet sogar ein richtiger Boom statt. Diese Hochkonjunktur ist nur möglich,
wenn dafür bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen und eingehalten werden. Dazu
zählen beispielsweise, dass Aufgabenbeschreibungen und Anforderungsprofile für das
Engagement erstellt werden, dass Kommunen Kontakt- und Anlaufstellen schaffen,
Netzwerke aufbauen oder dass es eine Anerkennung für das Engagement gibt. Wenn in
der Gegenwart in bürgerschaftliches Engagement investiert wird, können künftig enorme Gewinne erzielt werden. Diese Tatsache bekräftigt auch die folgende These:
9.) Es ist ein sehr großes Potenzial in unterschiedlichen Bereichen für bürgerschaftliches
Engagement vorhanden. Für dieses Engagement müssen Rahmenbedingungen geschaffen,
Räume geöffnet und Angebote gemacht werden, auch über Medien, wie beispielsweise die
Lokalpresse. Wenn man diese Rahmenbedingungen heute schon schafft, kann man künftig für viele Betroffene, also eventuell auch die eigene Person, vorplanen.
Ankerbeispiel:
„Sondern man muss Räume eröffnen, wo Leute sagen: „Ja das würde ich gerne machen.“. Man muss
Angebote machen. Was dazu gehört, dass man auch die Chancen und so weiter anbietet. Man muss wegkommen von dem plastischen Ehrenamt. So dass man sagt: „Wir als Stadt oder sonst was, wir brauchen
Ehrenamtliche Helfer. Weil wir auch ein paar Lücken haben und weil wir das sonst nicht machen können.
Sondern ich muss Möglichkeiten eröffnen, indem die Stadt bei uns eine Ausschreibung gemacht hat, auch
über die lokale Presse.“
10. Aussage:
Für bürgerschaftliches Engagement müssen Einrichtungen und Institutionen sich öffnen
und bereit erklären dieses zu unterstützen und zu begleiten. Ebenso müssen diese dem
Engagement gewisse Freiheiten und Freiräume einräumen. Vom Einsatz der bürgerschaftlich Engagierten können auch Fachkräfte profitieren. Bürgerschaftlich Engagierte
sind kein Ersatz für die professionelle Arbeit, sondern eine wertvolle Ergänzung und
Entlastung. Außerdem können sie eine andere Sicht in die Arbeit einbringen.
6. Empirische Untersuchung
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10.) Bürgerschaftlich Engagierte benötigen Unterstützung und Begleitung von Fachkräften, aber ebenso durch sie auch Freiräume. Vor allem die professionell Tätigen müssen
den Gewinn durch bürgerschaftlich Engagierte erkennen und diese nicht als Konkurrenz
betrachten. Bürgerschaftlich Engagierte bringen eine andere Perspektive in die professionelle Arbeit hinein, setzen da an wo sonst nichts wäre und bieten häufig Entlastung für
pflegende Angehörige.
Ankerbeispiele:
„So dass wir also immer wieder signalisieren, wir sind Ansprechpartner. Wenn du dich öffnest. Wir qualifizieren, wir sensibilisieren. Diese Menschen auch zu coachen, zu begleiten, zu qualifizieren, Weiterbildungsangebote zu entwickeln. Ihnen Versicherungsfragen vom Hals zu halten. Fachliche Impulse setzen.“
„Die die Kompetenz des anderen akzeptieren und nicht denken: „Ich bin der Prophet.“. Und sie können
jetzt in einem kleinen Sandkastenbereich, den ich ihnen jetzt stelle, können sie mitwirken. Sondern die
Bereitschaft im Kopf, dass bürgerschaftliches Engagement ein Gewinn ist. Für beide Seiten. Aber dafür
muss ich auch etwas leisten. Muss also eine ja im Grunde eine Waagschale sein.“
11. Aussage:
Menschen engagieren sich aus verschiedenen Motiven. Manchmal wollen sie ein Stück
weit die Gesellschaft mitgestalten, sie handeln aus Pflichtgefühl oder aus altruistischen
Motiven oder wegen gewissen Wert- und Normvorstellungen. Aber die bürgerschaftlich
Engagierten profitieren auch davon. Sie erlangen neue Kompetenzen, Fähig- und Fertigkeiten, die auch eine Stück weit dazu beitragen können, ihr eigenes Leben mit Sinn
zu bestücken oder dieses zu bestreiten. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen. Doch
Bürgerschaftliches Engagement ist nicht immer leicht zu erbringen. Es muss ständig
viel Mut aufgebracht und Verantwortung übernommen werden. Diese Erkenntnisse
werden auch von der kommenden These getragen:
11.) Engagierte Menschen bekommen durch ihre Tätigkeit auch immer einen Erlös. Es
lohnt sich für sie. Der Erwerb muss nicht immer finanzieller Art sein, kann aber. Bürgerschaftlich Engagierte geben anderen Menschen etwas, bekommen aber auch vieles zurück.
Auf der anderen Seite ist dieses Engagement eine schwere Aufgabe, verbunden mit viel
Verantwortung, die auch Mut benötigt.
Ankerbeispiele:
„Und ich sagte Gratifikation oder die Entlohnung, die liegt im Sinn von Fort- und Weiterbildungen. Und
einer natürlich auch persönlichen Weiterentwicklung.“
„Das Thema Demenz ist relativ schwierig, um sich zu engagieren. Es ist mit Verantwortung verbunden.
Aber ich stelle mir jetzt einen Betreuer zum Beispiel vor, oder eine Begleitperson. Da ist immer der direkte menschliche Kontakt und eine gewisse Verantwortung, […] Also die Freiheiten zu gewähren, nach
individueller Gestaltung des Engagements, bei gewissen Verbindlichkeiten.“
6. Empirische Untersuchung
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6.2.1.2 Ergebnisse in Bezug auf den Praxisteil
Kategorie Erfolgsfaktoren:
1. Aussage:
Ob Initiativen erfolgreich sind oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren und Gegebenheiten ab. Als erstes sollte eine Initiative gut durchdacht und konzipiert sein. Vor
allem ist zu beachten, dass so ein Konzept neue Ansätze und Ideen beinhaltet, die auch
Bürger/Innen begeistern, überzeugen und mitreißen. Es ist von Vorteil, wenn Initiativen
über einen längeren Zeitraum und nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit konzipiert und
geregelte Strukturen bestimmt werden. Auch kleinteilige Planungen haben sich als sehr
sinnvoll erwiesen. Diese Erkenntnisse konnte man in beiden bereits vorgestellten Projekten und an den zwei folgenden Thesen erkennen:
12.) Initiativen müssen mit einem neuen, gut durchdachten und geplanten Konzept in Erscheinung treten.
Ankerbeispiel:
„Mit einem frischen Auftritt aufs Feld zu kommen. […] Ein Logo zu haben, eine Art Slogan. Und wir
haben mit einer gewissen Frische ein Thema angefasst, das eben unter den Profis schon seit Jahren,
wenn nicht Jahrzehnten bearbeitet wird.“
13.) Initiativen sind erfolgreicher, wenn sie über einen längeren Zeitraum angelegt sind,
festgelegte Strukturen haben und das Ziel der Nachhaltigkeit verfolgen. Auch engmaschigere Strukturen sind sehr wichtig.
Ankerbeispiel:
„Ja, dann eben dieser Punkt. Nachhaltigkeit. Also dass man keine kurzfristigen Strohfeuer und denkt:
„Ich hab das Problem gelöst, oder so.“. Sondern es ist ein langer, langer, langer Prozess, den man auch
so denken muss. Er muss in die Strukturen gehen. Es geht ja nicht so um Aktiönchen oder irgend und,
und, und banale Öffentlichkeitsarbeit, oder sonst was. Sondern ganz genau überlegen.“
6. Empirische Untersuchung
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2. Aussage:
Zum Erfolg von Initiativen hinsichtlich einer demenzfreundlichen Kommune trägt auch
die Tatsache bei, dass eine breite Masse an Menschen und Gruppen angesprochen und
in die Arbeit integriert wird. Auch dies trifft bei beiden Projekten zu. Sie haben versucht
eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Auch die nächste These wird diese Aussage bekräftigen:
14.) Ein weiterer Erfolgsfaktor ist, wenn die Initiative sich an ein breites Spektrum von
Menschen richtet und sie alle mit einbezieht, nicht nur Profis, sondern auch beispielsweise
Bürger/Innen, Kirchengemeinden, Politik, Verwaltung und Wirtschaft in einer Kommune.
Ankerbeispiele:
„Wir machen nicht nur Profiaktionen. Sondern wir überlegen, wen brauchen wir? Wir brauchen Kirchengemeinden, wir brauchen bürgerschaftlich Engagierte, wir brauchen vielleicht den Apotheker von
der Ecke. Und die gezielt einbindet. Ganz wichtig, sonst wird das nichts.“
„Das heißt also mich mit der Wirtschaft in Verbindung zu setzen. Landschaftspflege zur Wirtschaft zu
betreiben. Zur Sparkasse, zur zu Bürgerstiftungen, zu anderen Stiftungen.“
3. Aussage:
Diese erwähnte Öffentlichkeit kann erreicht , beziehungsweise ein Gemeinwesen sensibilisiert werden, indem man über viele verschiedene medialen und kommunikativen
Zugangswege versucht, die Inhalte und Ziele der jeweiligen Initiative bekanntzumachen. Dies soll schon zu Beginn oder wenn möglich schon vor Start geschehen. Diese
Aussage wird mit der kommenden These bestätigt:
15.) Eine Initiative ist erfolgreich, wenn ein Gemeinwesen beispielsweise für das Thema
Demenz sensibilisiert werden kann. Dies geschieht, indem Initiativen positive Bilder
transportieren und viel Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Zum Beispiel durch Veranstaltungen, Informationsbroschüren, Programmhefte oder Plakataktionen. Wenn möglich, müssen diese Aktionen schon vor Beginn einer Initiative gestartet werden. Auch eine gute Zusammenarbeit mit der Presse ist ausschlaggebend.
Ankerbeispiele:
„Das können wir ruhig. Also ich glaube, die eine Geschichte ist, dass man sagt als Kommune oder wenn
man eine Initiative startet: „Wir verwechseln das nicht mit klassischer Altenhilfepolitik. Also wir, wir
holen nicht ein paar Profis an den Tisch, runder Tisch.“. […] ‚Oh, uns fehlt noch Tagespflege und wie
machen wir das?’“. Sondern wir begreifen als die Hauptaufgabe, Sensibilisierung des Gemeinwesens.“
6. Empirische Untersuchung
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„Wir haben, denke ich mir auch, viel Öffentlichkeitswert mit Plakataktion, wir haben eine Infobroschüre
herausgegeben. Wir haben ein Programmheft gehabt, das an alle Haushalte ging. Und wir hatten auch
eine gute Presse. Und das hing damit zusammen, dass wir also mit der Presse also auch eine Pressekonferenz gemacht hatten. […] Und die Presse ist da sehr mit uns mitgegangen.“
4. Aussage:
Zusätzlich gibt es noch zahlreiche andere Erfolgsfaktoren, die in den Experteninterviews genannt wurden. Einzelne werden in der folgenden These vorgestellt. Die Überbegriffe dazu sind eine gute medizinische und pflegerische Grundstruktur, gute Kooperations- und Austauschmöglichkeiten und viel bürgerschaftliches Engagement mit allen
Facetten, die es umschließt.
16.) Erfolgsfaktoren für Initiativen sind des Weiteren: eine bereits vorhandene Grundversorgung im medizinischen oder pflegerischen Bereich, eine gute Netzwerkstruktur, Fähigkeit zur Teamarbeit, viele Denkweisen und Ideen, Kooperationsbereitschaft, Räume, Fortund Weiterbildungsmöglichkeiten, Supervision oder (Erfahrungs-) Austausch mit anderen, gegenseitige Wertschätzung und eine soziale Entschädigung.
Ankerbeispiele:
„Diese Grundversorgung ist in allen Bereichen relativ gut vorhanden. Das heißt, da muss man also hinschauen, grundsätzlich im Stadtgebiet. Es gibt fast alles, was man sich wünschen kann. Von DemenzWG´s, über stationären Bereich, teilstationären Bereich. […] Wir haben also grundsätzlich das ganze
Projekt, ist überhaupt erst, konnte erst umgesetzt werden, weil es bereits sehr gute Netzwerkstrukturen
gab.“
„Peer-Groups. Keine Alleinkämpfer. Teams, die gemeinsam an einem Thema arbeiten möchten. Offene
Türen im Kooperationsbereich. Also offene Türen, offene Augen, offenes Herz. Räume. Mitwirkung im
Konzept. Qualifikationsmöglichkeit, Supervision, Erfahrungsaustausch, Wertschätzung. Nicht so sehr
kommt es so sehr auf die Geldwertentschädigung an, sondern auf die gesellige Entschädigung.“
Kategorie Grenzen:
5. Aussage:
Beim Thema Demenz muss man immer auch in die Zukunft blicken: Wie entwickelt
sich die Demenz oder welche weiteren Hilfen werden benötigt? Wenn man diesen
Blickwinkel nicht einnehmen will, stoßen auch Initiativen an ihre Grenzen und Projekte
können sich nicht weiterentwickeln. Bei der Arbeit von Initiativen ist es nicht ratsam,
sich auf eine bestimmte Zielgruppe zu fokussieren, denn dadurch können sich nicht berücksichtigte Gruppen ausgegrenzt fühlen. Die folgende These bestätigt diese Aussage:
6. Empirische Untersuchung
76
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17.) Demenz ist ein zukunftsorientiertes Thema und geht alle etwas an. Die Grenze besteht
darin, wenn man nicht mehr in die Zukunft schaut und eine andere Grenze, wenn man
bestimmte Personenkreise nicht in die Initiative mit einbezieht.
Ankerbeispiele:
„Ja, genau. Das ist ein zukunftsorientiertes Thema. Bedeutet für mich aber auch, dass also Grenzen da
sind, wo man nicht mehr in die Zukunft schaut. Wo man nur noch nach hinten schaut.“
„Also ich denke, wir und das haben wir uns so ein bisschen vorgenommen, auch noch einmal für dieses
Jahr, noch einmal mehr in die Vereine zu gehen. […] Wir haben uns auch vorgenommen, noch einmal
das Thema Gottesdienste für Demenzkranke. Die Kirchen waren bei uns jetzt eher mal außen vor. […]
Wir haben die Schulen nicht mit im Boot gehabt. […] Wenn wir jetzt einen Kooperationspartner hätten,
dann auf jeden Fall. Aber das bedarf natürlich auch, dass es von Seiten der Schulen oder Kindergärten
da zum Thema, zum Thema mitgemacht wird.“
6. Aussage:
Wichtig ist ebenso, dass Initiativen im kommunalen Geschehen eingebettet sind. Dies
gilt vor allem in Bezug auf die Politik und Verwaltung. Man kann sich noch so sehr
bemühen, aber wenn man von dieser Seite keine Unterstützung erhält, stößt man sehr
häufig an eine Grenze. Da durch sie Projekte auch finanziell unterstützt werden. Diese
Tatsache wird in der nächsten These bekräftigt:
18.) Eine Grenze von Initiativen liegt darin begründet, wenn es nicht gelingt, die kommunale Politik und Verwaltung einzubeziehen. Zudem stellen auch das Nicht-Vorhandensein
von finanziellen Mitteln eine Grenze dar.
Ankerbeispiel:
„Die Grenzen liegen eher, ja, vielleicht da wo, wo du vielleicht in einem Ambiente operieren musst, wo so
von kommunaler Verwaltung oder so du überhaupt keine Unterstützung bekommst.“
7. Aussage:
Es wurde schon mehrfach erwähnt, dass eine medizinische, pflegerische und betreuerische Grundversorgung innerhalb einer Kommune unabdingbar ist. Ist diese nicht vorhanden, stellt dies vor allem in ländlichen Regionen eine Grenze dar. Auf der anderen
Seite gibt es in urbanen Regionen oft sehr zahlreiche unterschiedliche Anbieter, die dieselben Dienstleistungen anbieten und dadurch in Konkurrenz treten. Auch dies stellt
eine Grenze dar, da eine Weiterentwicklung blockiert wird. Um dies zu vermeiden sind
eine Vernetzung, Kooperationen und Absprachen von exorbitanter Wichtigkeit.
6. Empirische Untersuchung
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19.) Es sollte in einer Kommune eine Grundversorgung in der Medizin, Pflege und
Betreuung vorhanden sein. Eine Grenze besteht darin, wenn diese in ländlichen Bereichen
nicht vorhanden ist. In dichter besiedelten Regionen gibt es oft zahlreiche Anbieter, wodurch häufig ein Konkurrenzdenken entsteht, was wiederum eine Grenze darstellen kann,
weil dadurch neue Ansätze und Ideen blockiert werden. Aus diesem Grund ist die Netzwerkarbeit von so großer Bedeutung, welche aber nicht immer einfach ist, da sie von Personen und Hierarchien abhängt.
Ankerbeispiele:
„Und da gibt es natürlich sehr große Unterschiede. Sie haben in so einem größeren Stadtteil wie hier
Neheim, eigentlich die ganze Palette von mobilen Diensten, teilstationären Einrichtungen, Tagespflegen,
Tageskliniken, bis hin zu dem stationären Bereich, verschiedene Anbieter, und eben die ganze Palette vor
Ort. Wenn Sie in einen Teil gehen wie Rumbeck, in einen Ortsteil, das ist ein kleines Dorf einige Kilometer entfernt, da haben Sie nichts davon.“
„Nein, also wir haben die Ideen, wir haben keine diese, diese Vernetzungsarbeit ist einfach schwierig.
Weil sie hängt von Sachthemen und von Personen ab. Und dann gibt’s auch noch Hierarchien und nicht
immer Zuständigkeiten derselben Person in allen Fragen und so.“
8. Aussage:
Das bürgerschaftliche Engagement ist ein wichtiger Baustein für ein Projekt, das zu
einer demenzfreundlichen Kommune führen soll. Das Projekt benötigt besonders Zeit,
die von freiwillig Engagierten sowie von Fachkräften bereitgestellt werden muss. Auch
müssen sich beide Gruppen auf gleicher Augenhöhe begegnen, was bei Fachkräften ab
und zu nicht der Fall ist. Wenn dies zutrifft, stellt das wiederum eine Grenze dar. Fachkräfte sollten sich für bürgerschaftlich Engagierte Zeit nehmen, sie unterstützen, fortbilden und als gleichwertig betrachten. Auch bürgerschaftlich Engagierte müssen für ihr
Engagement etwas mitbringen. Sie sollen vor allem die Fähigkeit besitzen, sich auf etwas Neues einzulassen und zu lernen, sowie die Bereitschaft haben in einem Team zu
arbeiten. Wenn dies nicht möglich ist, kann das erneut eine Grenze darstellen. Die in
diesem Abschnitt getroffenen Aussagen werden mit den nächsten zwei Thesen belegt:
20.) Eine weitere Grenze liegt darin begründet, wenn bürgerschaftlich Engagierte und
professionelle Kräfte keine, beziehungsweise wenig Zeit füreinander haben. Besonders
Fachkräfte sollten bürgerschaftlich Engagierten auch wirklich Zeit und Raum geben, sie
sollten diese nie rekrutieren oder sie als Lückenfüller einsetzen. Zudem sollte der Profi
sich nicht nur auf sein Fach- und Expertenwissen verlassen, sondern auch andere Blickwinkel und Sichtweisen zulassen.
Ankerbeispiele:
„Da oder wo du nicht schaffst, es ist nicht einfach Leute zu finden, die auch bereit sind, Engagement in
Form von Zeit und sonst etwas, da dann auch mit einzubringen.“
6. Empirische Untersuchung
78
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„Eine weitere Grenze im bürgerschaftlichen Engagement sehe ich, wenn Profis da kleine Gruppen rekrutieren, die dann mal die unleidige Arbeit erledigen, die vielleicht ergänzend nicht tätig werden, sondern
ersetzend auch als Lückenfüller eingesetzt werden. Da sehe ich ein ganz großes Problem.“
21.) Bürgerschaftliches Engagement hat seine Grenzen, wenn die Engagierten nicht teamfähig sind und nicht die Fähigkeiten haben auch etwas Neues zu lernen.
Ankerbeispiele:
„Und zwar gibt es auch Menschen die glauben: „Wo ich bin ist vorne und nur wo ich bin ist vorne.“,
mangelnde Team-Player sind. Immer noch glauben, sie seien der Herr der Reußen. Gerade in bestimmten
Projekten.“
„Ich eigentlich mein Wissen, meine Kompetenz in dem Projekt, im bürgerschaftlichen Engagement nur da
weiter geben kann, wo ich selber ständig dazu lernen möchte. Ich darf nicht stehen bleiben. Also Alter ist
eine herrliche Sache, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heißt.“
Kategorie Auswirkungen:
9. Aussage:
In den beiden in Kapitel 5.) vorgestellten Projekten haben sich drei bedeutende Auswirkungen herausgestellt. Die Bürger/Innen konnten bisher augenscheinlich für das Thema
Demenz sensibilisiert werden. Sie haben einen neuen Blickwinkel eingenommen, eine
Kultur des Hinschauens entwickelt und ihre Handlungen verändert. Wenn nötig, greifen
sie nun ein. Auch auf der institutionellen Ebene konnten Veränderungen festgestellt
werden. Diese öffnen sich nun viel mehr für das Thema Demenz, möchten an dem
Thema arbeiten und künftig ihre Ideen auch in die Tat umsetzen. Ein weiteres Resultat
ist vor allem in den Printmedien zu verbuchen. Das Thema ist in denselben häufiger
vertreten und vor allem auch mit eher positiven Aspekten. Wünschenswert wäre allerdings noch, dass das Thema Demenz auch vermehrt in den visuellen Medien vertreten
wäre. Diese Erkenntnisse wurden aus den drei kommenden Thesen zusammengefasst:
22.) Auf der Ebene der Menschen konnten im Sinne von Handeln und dem Hinschauen
etwas verändert werden. Menschen sind jetzt offener und aufmerksamer.
Ankerbeispiel:
„Auswirkungen gab es einerseits auf der Ebene der Menschen. Dass Leute dort, das ist eine präzise Geschichte für sich, etwas verändert haben, im Blick, aber zum Teil eben aber auch im Handeln. Einfach wo
irgendjemand so, wo viele Leute gesagt haben: „Wir haben etwas gelernt.“. Aber jetzt nicht als abstraktes Wissen, sondern im Sinne von anders darauf schauen und handeln.“
6. Empirische Untersuchung
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23.) Auf der institutionellen Ebene konnte durch die Initiativen etwas verändert werden.
Institutionen öffnen sich vermehrt dem Thema Demenz und setzen sich mit diesem intensiver auseinander und entwickeln weitere Pläne für die Zukunft.
Ankerbeispiele:
„Ich glaube auch, auf der institutionellen Ebene sind Veränderungen passiert. […] Die Musikschule hatte
die Idee: „Wir wollen auch etwas zur Demenzkampagne beitragen. Wir machen ein schönes Konzert für
die Dementen.“. Und dann gab es, haben wir da das dann diskutiert und so weiter. Und haben gesagt:
„Ja, so einfach ist es aber nicht.“. […] Das war ja gar nicht so klar. Also das sind ja die Lernprozesse
die wir machen müssen. Und auch mit der Konsequenz, dass sie das nun regelmäßig machen wollen.“
„Jetzt für dieses Jahr ein großes Projekt was ich mache mit den Pflegediensten zusammen, dass wir eine
Qualifizierungskampagne machen für Mitarbeiter in den Pflegediensten, die dann Betreuungsdienste,
häusliche Betreuungsdienste anbieten.“
„Sondern unser Ziel ist es zum Beispiel, die Sozialpraktika zu verändern, also ganz neue Formen von
Sozialpraktika zu entwickeln. Also einfach sich junge, junge Leute machen sich auf den Weg. Wir haben
zum Beispiel die Berufsschule für Gartenbau und Landschaftspflege gebeten, sich mit dem Thema Sinnesgarten einmal auseinander zu setzten.“
24.) In den Medien ist das Thema Demenz häufiger vertreten, in der lokalen Presse, in
besonderen Zeitschriften und vor allen Dingen nicht mehr so negativ besetzt. Ein weiteres
Ziel ist es, dieses Thema häufiger in das Medium Fernsehen einzubringen, da es nur sehr
selten dort präsent ist.
Ankerbeispiele:
„Dann Medien haben Sie gesagt, es gab eine exzellente Begleitung durch die lokale Presse. Und was
festgestellt wurde, in der Auswertung, einfach. Es ist gelungen, auch in dieser Berichterstattung. Also wir
haben vorher auch über Bilder gesprochen und so weiter. Dass die Idee, dass man gesagt hat: „Wir thematisieren Demenz nicht vom Ende her. Wir thematisieren Demenz nicht unter dem Aspekt Abbau und
Grauen.“. Dass das auch von der Sprache her, sich in den Medien niedergeschlagen hat. Also das konnte
dann auch transportiert werden.“
„In den Medien finden Sie es gar nicht, oder so gut wie gar nicht. Bei Fach-, klar es gibt dann Informationssendungen im Kulturprogramm oder so. Aber ich meine jetzt das Breite, das Nachmittagsprogramm,
das Vorabendprogramm und die Spielfilme. Bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen, findet das einfach
nicht statt.“
Kategorie Sonstiges:
10. Aussage:
Der Verein „Aktion Demenz e.V.“ hat in den letzten Jahren sehr viel für das Konzept
der demenzfreundlichen Kommune geworben und zahlreiche Kommunen für die Umsetzung gewinnen können. Von den beiden Initiativen ´Demenzkampagne Ostfildern
„Wir sind Nachbarn!“` und ´Projekt-Demenz-Arnsberg` wurde der Verein sehr gelobt
6. Empirische Untersuchung
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und als unterstützender Netzwerkknotenpunkt angesehen. Des Weiteren findet auch ein
Austausch zwischen den verschiedenen Initiativen untereinander statt.
25.) „Aktion Demenz e.V.“ versuchte in den letzten Jahren viele Kommunen zu finden, die
ein demenzfreundliches Gemeinwesen aufbauen wollten und hat dafür sehr viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Daraufhin sind immer mehr Initiativen in Deutschland entstanden. Der Verein ist ein guter Vermittlungspartner zwischen den einzelnen Initiativen. Ein
Kontakt und Austausch untereinander findet durchaus statt.
Ankerbeispiel:
„Wir haben ja von „Aktion Demenz“ vor zwei Jahren, sind wir ja so an diesem Punkt gewesen, dass wir
gesagt haben: „Wir müssen auf der kommunalen Ebene ansetzen. […] Dann haben wir ja gestartet, mit
diesem Aufruf ‚Demenzfreundliche Kommune’. Wie können wir, also wir wollen anregen, dass in
Deutschland in Kommunen überlegt wird: „Wie können wir ein Gemeinwesen schaffen, in dem sich gut
leben lässt für Betroffene?“. Ja und da gab es auch noch nicht viel. Da gab es ganz wenig. Und dann
haben sich zwei, drei so auf den Weg gemacht. Und nach einem Jahr waren es auch noch zwei, drei,
vielleicht vier und so weiter. Und seitdem sind wir herum gefahren, haben mit vielen Kommunen gesprochen. […]“
6.3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der vorgestellten Initiativen
Für dieses Unterkapitel verglich der Autor den Inhalt von Kapitel 5.) und versuchte
Gemeinsamkeiten und Unterschiede anhand der Beschreibung der beiden Initiativen zu
gewinnen.
Gemeinsamkeiten
Die beiden vorgestellten Initiativen ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` und ´Projekt-Demenz-Arnsberg` haben sehr viele Gemeinsamkeiten, in der Planung und Zielsetzung, in der Durchführung und in den Ergebnissen.
Beide Initiativen wurden frühzeitig in einer längeren Phase konzipiert, mit verschiedenen Akteuren auf der Stadt-, Landes- und Bundesebene. Vor allem die städtischen Akteure, dazu zählen auch Vertreter von Einrichtungen und Institutionen, sowie einzelne
Bürger/Innen, die mit Menschen mit Demenz sehr viel beruflich oder privat zu tun haben, immens wichtig waren. Sie kennen die Lebenswelt von demenziell veränderten
Personen sowie deren Wünsche und Bedürfnisse. Ebenso wurde in beiden Projekten
schon von Anfang an, eine Projektleitung eingesetzt.
6. Empirische Untersuchung
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Auch die Projektbeteiligten der beiden Initiativen waren sich sehr ähnlich. Es wurde
versucht, möglichst ein breites Spektrum an kommunalen Akteuren einzubeziehen, von
Betroffenen selbst über Institutionen und Einrichtungen bis hin zur Politik und Verwaltung, was auch in beiden Initiativen sehr gut gelungen ist.
Des Weiteren haben sich beide Initiativen ähnliche, wenn nicht sogar dieselben Ziele
für ihre jeweilige Kampagne gesetzt. Man wollte das Thema Demenz enttabuisieren,
das Wissen darüber in der Bevölkerung steigern und es in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Dadurch sollte die Lebensqualität von demenziell veränderten Personen
und ihren Angehörigen verbessert werden und es sollten auch Begegnungen zwischen
Menschen mit und ohne Demenz ermöglicht werden. Zudem wollte man die Öffentlichkeit beziehungsweise das Gemeinwesen, die Politik, die Kulturschaffenden, die Industrie, die Wirtschaft, den Handel und das Handwerk, die Medien, einfach alle Bürger/Innen für das Thema Demenz sensibilisieren, ihre Achtsamkeit schärfen und sie
zum Handeln motivieren. Ein weiteres Anliegen war es, vor allem Fachkräfte, unterschiedliche Hilfs- und Unterstützungsangebote und bürgerschaftlich Engagierte zu verbinden und gemeinsame Netzwerke aufzubauen. Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen sind auf alle angewiesen und benötigen von allen Seiten Hilfe und Unterstützung.
In Bezug auf die Projektdurchführung gibt es Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede. Die Gemeinsamkeiten sind: Beide Projekte haben sehr viele Informations-, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen angeboten sowie Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, in denen versucht wurde, möglichst verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Vor allem sollten Menschen angesprochen werden, die bisher überhaupt nicht
oder nur sehr wenig mit dem Thema Demenz in Berührung gekommen sind, um das
Wissen und die Aufmerksamkeit über das Thema Demenz zu steigern. Beide Projekte
haben versucht, die Menschen über die Ebene der Kunst und Kultur zu erreichen. Es
wurden Kunst- und Photoausstellungen, verschiedene Konzerte und sogar Galaabende
veranstaltet. Ebenso verfügen beide Kommunen von jeher über ein immenses Potenzial
an bürgerschaftlichem Engagement, das häufig in kleineren Unterprojekten in beiden
Projekten weitergegeben wurde. Beide Projekte haben eine gute und sehr breite Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Es gab einen regen Kontakt und Austausch mit der Presse. Es
wurden in beiden Initiativen besondere Plakataktionen gestartet, um die Demenz und
6. Empirische Untersuchung
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ihre Herausforderungen auch über die visuelle Ebene in den Köpfen der Menschen einzuprägen. Die Plakate waren sehr kreativ und haben bei der Bevölkerung viel Aufmerksamkeit erregt.
Die ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` wurde durch den ‚DemenzSupport-Stuttgart’ (Zentrum für Informationstransfer) und der Fachhochschule Esslingen evaluiert. Dieser Evaluationsbericht liegt seit März 2009 vor. Da das ´ProjektDemenz-Arnsberg` erst in der Mitte angelangt ist, liegt hier leider noch keine Evaluation vor. Der Projektleiter, Herr Martin Polenz, versicherte dem Autor, dass ein detaillierter Bericht in Kooperation mit der Fachhochschule Münster geplant ist.
Bei beiden Initiativen sind weitere Projekte in Zukunft geplant. Die ´Demenzkampagne
Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` möchte beispielsweise weitere Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Demenz ermöglichen, ein Nachbarschaftshaus bauen und
bestimmte Zielgruppen noch einmal oder ganz neu ansprechen. Auch das ´ProjektDemenz-Arnsberg` hat weitere Projekte geplant. Da die Initiative noch nicht abgeschlossen ist, können diese Ideen im laufenden Projekt noch realisiert werden. Vor allem möchte Arnsberg weiter an den Themen ‚Demenz und Migration’ und ‚Demenz
und Menschen mit Behinderung’ arbeiten und versuchen, ihre Beratungsstützpunkte in
den drei Stadtteilen zu erhalten.
Unterschiede
Die ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“` und das ´Projekt-DemenzArnsberg` weichen auch in einigen Punkten voneinander ab.
Die ´Demenzkampagne Ostfildern „Wir sind Nachbarn!“ legte in ihrer Projektarbeit den
Fokus auf Wissensvermittlung und Informationsweitergabe innerhalb der Kommune
und ihren Einwohnern. Das erkennt man am Beispiel der „Erste-Hilfe-Kurse Demenz“,
in denen viele Menschen über das Thema und den Umgang mit demenziell veränderten
Personen aufgeklärt wurden. Es waren zwar auch einzelne Begegnungen zwischen
Menschen mit und ohne Demenz möglich, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie
es beim ´Projekt-Demenz-Arnsberg` der Fall ist. Außerdem wurde besonders die Altersgruppe ab etwa 50 Jahren angesprochen, also das so genannte ‚3. Lebensalter’. Man
6. Empirische Untersuchung
83
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ging davon aus, dass diese Altersgruppe am meisten Zeit und Ressourcen zur Verfügung hat und am ehesten mit dem Thema Demenz in Berührung kommt.
Beim ´Projekt-Demenz-Arnsberg` liegt der Schwerpunkt genau anders herum. Die Begegnungsmöglichkeiten zwischen Menschen mit und ohne Demenz, aller Generationen
sind in dieser Projektarbeit von höchster Priorität. Die Informations- und Wissensweitergabe steht an zweiter Stelle. Dies erkennt man besonders an dem Zirkusprojekt ‚Fantastello’, bei dem über einen längeren Zeitraum eine Begegnung zwischen Menschen
mit und ohne Demenz stattgefunden hat. In Arnsberg treten vor allem die verschiedenen
Generationen in einen regelmäßigen und regen Austausch untereinander. Dabei ist es
nicht von Bedeutung ob ein Mensch eine Behinderung hat oder von einer Demenz betroffen ist. Die intergenerationelle Arbeit läuft in Arnsberg sehr gut. Dies lässt sich auch
an dem Projekt ‚Patenschaften von Mensch zu Mensch’ mit ihren zahlreichen, unterschiedlichen Angeboten für Jung und Alt sehr gut verdeutlichen. Daraus lässt sich
schließen, dass in Arnsberg nicht nur eine bestimmte Altersgruppe angesprochen wird,
sondern möglichst viele verschiedene Gruppen.
7. Handlungsempfehlungen
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7. Handlungsempfehlungen
Die Grundlagen der Handlungsempfehlungen für die Realisierung einer demenzfreundlichen Kommune setzen sich zusammen aus dem theoretischen Rahmen, den Ergebnissen der empirischen Untersuchung sowie den eigenen Überlegungen des Autors. Diese
Handlungsempfehlungen könnten in weitere Konzepte für demenzfreundliche Kommunen einfließen, beziehungsweise als Grundbausteine für solche verwendet werden.
Vor Initiativstart:
Bevor eine Initiative in die Tat umgesetzt wird, ist es äußerst wichtig, dass ein neues
und gut durchdachtes Konzept entwickelt wird. Damit dieses zu Stande kommen kann,
müssen als erstes die gegebene Situation und die vorhandenen Ressourcen innerhalb der
Kommune analysiert, Lücken aufgedeckt und Bedarfe erhoben werden.
Initiativen müssen folgende Ziele verfolgen und definieren:
•
Durch die Initiative wird ein positiveres Bild von Demenz transportiert, das
nicht mehr von Angst und Schrecken geprägt ist. Zudem werden bereits frühe
Aspekte einer Demenz beleuchtet und nicht erst deren Endstadium. Dadurch
werden Menschen mit Demenz in das Gemeinwesen integriert und wieder in ihrem Personendasein anerkannt.
•
Begegnungsmöglichkeiten zwischen Menschen mit und ohne Demenz aller Generationen werden geschaffen. Es werden neue Formen der Kommunikation und
Interaktion beachtet und es kommt zu einer ‚Neuen Kultur’ in der Begleitung
von demenziell veränderter Personen.
•
Ein breites Spektrum an Akteuren innerhalb einer Kommune wird angesprochen
und in die Initiative integriert. Wichtige Akteure sind im Sinne eines zivilgesellschaftlichen Verständnisses Betroffene selbst, ihre Angehörigen, Einrichtungen
und Institutionen - zum Beispiel Pflegedienste, Heime oder Krankenhäuser - ,
bürgerschaftlich Engagierte, Kirchengemeinden, Schulen, Vereine, Gewerbetreibende, die Wirtschaft und die kommunale Politik und Verwaltung. Das Thema Demenz geht jeden etwas an!
7. Handlungsempfehlungen
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•
Die Initiative wird von Politik und Verwaltung getragen und erhält deren Unterstützung.
•
Die Lebenslage und Lebenswelt von Menschen mit Demenz wird verbessert.
Dies bedeutet nicht nur eine soziale Integration, sondern auch eine Optimierung
von Wohnbedingungen, beispielsweise durch die Umsetzung von neuen Wohnformen, die nachbarschaftliche Kontakte ermöglichen. Ein weiterer Aspekt ist
die Verbesserung der Infrastruktur oder der medizinischen, ärztlichen oder
betreuerischen Grundversorgung.
•
Netzwerke werden aufgebaut, erweitert und optimiert. Es wird eine Koordinierungs- und Anlaufstelle geschaffen.
•
Bürger/Innen und Institutionen werden erreicht, die bisher noch keinen Bezug
zum Thema Demenz hatten.
•
Eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema Demenz wird erreicht,
indem man die Bereiche Kunst und Kultur einbezieht und von Anfang an mediale Wege beschreitet, das heißt, dass eine enge Zusammenarbeit mit der jeweiligen Lokalpresse angestrebt wird.
•
Zivilgesellschaftliches und bürgerschaftliches Engagement wird aktiviert. Dafür
sind auch Rahmenbedingungen geschaffen worden.
Um diese Ziele erreichen zu können, muss ein derartiges Konzept gründlich vorbereitet
werden. Es muss neue Ideen und Ansätze beinhalten, geregelte Strukturen und Phasen
erkennen lassen, in kleineren und überschaubaren Bereichen geplant und über einen
längeren Zeitraum konzipiert sein. Zudem sollte bereits früh eine Projektleitung mit
zugehöriger Projektgruppe bestimmt werden, die ständiger Ansprechpartner und Koordinator in und während der Initiative ist und eine Steuerungsfunktion innehat. Akteure
von neu geplanten Initiativen können mit Akteuren von bereits durchgeführten und evaluierten Initiativen in Kontakt treten. Dabei kann ein Informations- und Erfahrungsaustausch stattfinden. Es hat sich als sehr positiv erwiesen, dass der Verein „Aktion Demenz e.V.“ eine vermittelnde Rolle übernimmt.
7. Handlungsempfehlungen
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Während der Initiative:
Die Realisierung des Konzepts hinsichtlich einer demenzfreundlichen Kommune kann
verschiedene Schritte und Aktivitäten beinhalten. Die Umsetzungsmöglichkeiten sind so
vielfältig, dass man sie an dieser Stelle nicht beschreiben oder zusammenfassen kann. In
jeder Initiative sind andere Ideen und Umsetzungen möglich.
Nach Initiativende:
Nachdem eine Initiative durchgeführt wurde, ist es sehr wichtig, dass diese auch evaluiert wird. Dies kann geschehen, wenn Initiativen beispielsweise mit Hochschulen oder
anderen wissenschaftlichen Institutionen zusammen arbeiten. Dadurch können Initiativen aufgearbeitet, Ergebnisse und Erkenntnisse gewonnen und für andere Initiativen zur
Verfügung gestellt werden.
Kommunen, in denen eine Initiative umgesetzt wurde, sollten erkennen, dass mit Abschluss der jeweiligen Initiative das Ende einer Auseinandersetzung mit dem Thema
Demenz nicht gegeben ist. Es gilt das Prinzip der Nachhaltigkeit. Man muss weiterhin
die Achtsamkeit und das Bewusstsein der kommunalen Akteure schärfen, damit das
Thema Demenz aufrechterhalten werden kann. Dies könnte geschehen, wenn man beispielsweise 3 – 4 Mal pro Jahr besondere Veranstaltungen durchführt.
8. Fazit und Ausblick
87
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8. Fazit und Ausblick
8.1 Fazit
In der Einleitung dieser Bachelorarbeit wurde daraufhin gewiesen, aus welchen Gründen eine Auseinandersetzung von Kommunen mit dem Thema Demenz und seinen daraus resultierenden Herausforderungen so wichtig ist. Auf Grund des demographischen
Wandels wird es künftig immer mehr Menschen mit Demenz geben, für die eine optimale Versorgung innerhalb der Kommune gewährleistet werden sollte. Doch wie ist
dies realisierbar?
Eine Zielsetzung dieser vorliegenden Bachelorarbeit bestand darin, einen theoretischen
Überblick zum Thema Demenz und dem Konzept der demenzfreundlichen Kommune
zu geben. Dazu erfolgte zuerst die Betrachtung der Aspekte auf das Thema Demenz an
sich sowie eine Beschreibung des in unserer Gesellschaft überwiegenden Negativbildes
der Demenz, welche Folgen dies für Menschen mit Demenz hat und welche Bedarfe
sich daraus ergeben. Daraufhin wurde das Thema Demenz in Verbindung mit Kommunen gesetzt und sozialpolitische und kommunale Aufgaben aufgezeigt. Anschließend
erfolgte eine intensive Auseinandersetzung mit den Aspekten der Zivilgesellschaft und
dem Bürgerschaftlichen Engagement. Es wurde der Begriff der ‚Zivilgesellschaft’ definiert, erörtert warum eine besonders aktive Zivilgesellschaft von Bedeutung ist und ein
zivilgesellschaftliches Demenzmodell sowie eine trialogische Grundstruktur des Helfens erläutert. Zudem wurde der Begriff des ‚Bürgerschaftlichen Engagements’ definiert
und dessen Merkmale und Formen herausgearbeitet. Ebenso wurde dargestellt, warum
es eine Hochkonjunktur des bürgerschaftlichen Engagements in unserer Gesellschaft
gibt, die Motive für bürgerschaftliches Engagement erläutert und begründet wie wichtig
dieses für eine demenzfreundliche Kommune ist.
Eine weitere Zielsetzung dieser Bachelorarbeit war es, zwei Initiativen, die sich auf den
Weg zu einer demenzfreundlichen Kommune gemacht haben, vorzustellen und zu beschreiben. Zum einen wurde die baden-württembergische ´Demenzkampagne Ostfildern
„Wir sind Nachbarn!“` und zum anderen das nordrhein-westfälische ´Projekt-DemenzArnsberg` unter bestimmten Gesichtspunkten betrachtet. Ergänzend dazu wurden weitere Erkenntnisse aus einer empirischen Untersuchung durch strukturierte Leitfadeninter-
8. Fazit und Ausblick
88
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views am Beispiel von Experteninterviews gewonnen, welche die theoretischen Grundlagen bekräftigten oder ergänzten. Anschließend wurden die aus den Experteninterviews
gewonnenen Daten mit den Inhalten aus dem theoretischen und dem praktischen Teil
dieser wissenschaftlichen Arbeit in Verbindung gesetzt, sowie durch eigene Überlegungen des Autors ergänzt und Handlungsempfehlungen für mögliche neue Initiativen ausgesprochen.
Anhand von diesen Empfehlungen, kann die Frage geklärt werden, ob sich das Konzept
der demenzfreundlichen Kommune in der Realität umsetzen lässt oder ob alles nur ein
theoretisches Hirngespinst ist. Dieses Konzept kann einem so genannten Ideal gleichgesetzt werden. Parallelen hierzu liefert das Sprichwort: „Ideale sind wie Sterne, man kann
sie nicht erreichen, aber sich an ihnen orientieren.“
Bei den Handlungsempfehlungen wurde deutlich herausgearbeitet, dass bei der Umsetzung des Konzepts hinsichtlich einer demenzfreundlichen Kommune viele Aspekte zu
berücksichtigen sind. Um ein an der Zivilgesellschaft ausgerichtetes, demenzfreundliches Gemeinwesen zu schaffen, müssen sich Initiativen an ein breites Spektrum von
verschiedenen Akteuren innerhalb einer Kommune richten, zahlreiche Veranstaltungen
und Aktionen durchführen, eine weit angelegte Öffentlichkeitsarbeit betreiben und ein
positives Bild von Demenz transportieren. Auch der Einbezug von kulturellen Bereichen ist sehr wichtig, um ein Gemeinwesen für das Thema Demenz zu sensibilisieren.
Initiativen müssen von vielen Seiten getragen und unterstützt werden. Es muss zu einer
Verbesserung der Lebenssituation von demenziell veränderten Personen kommen, indem Begegnungsmöglichkeiten geschaffen werden und eine ‚Neue Kultur’ in der Begleitung von Menschen mit Demenz erarbeitet wird. Dieses Konzept kann unterstützt
werden, indem Netzwerke aufgebaut, optimiert, erweitert und Rahmenbedingungen
dafür geschaffen werden. Es ist von größter Bedeutung zivilgesellschaftliches und bürgerschaftliches Engagement zu aktivieren und dieses in jeglicher Hinsicht zu unterstützen und zu stärken.
Wenn die geschilderten zahlreichen Aspekte in Initiativen berücksichtigt werden, lässt
sich ein an der Zivilgesellschaft orientiertes demenzfreundliches Gemeinwesen schaffen. Dennoch muss man erkennen, dass Initiativen oft nur als Anstoß für den Weg zu
einer demenzfreundlichen Kommune dienen. Das Bewusstsein für das Thema Demenz
8. Fazit und Ausblick
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muss langfristig innerhalb des Gemeinwesens aufrechterhalten werden. Denn es gilt das
Prinzip der Nachhaltigkeit. Deshalb müssen Kommunen und ihre Akteure es sich nach
Abschluss derartiger Initiativen zur Aufgabe machen, dass entfachte Feuer weiter zu
schüren, damit es weiter brennen kann!
8.2 Ausblick
Wie bereits erwähnt, fand eine Ausschreibung ´Menschen mit Demenz in der Kommune` der Robert-Bosch-Stiftung statt und ist nun abgeschlossen. Dabei wurden zahlreiche
Anträge und Konzeptvorschläge eingereicht. Diese Information erhielt der Autor während des Interviews mit Herrn Peter Wißmann. Nun ist es die Aufgabe des „Aktion Demenz e.V.“, der mit der Durchführung und Verwaltung des Förderprogramms beauftragt
wurde, diese Anträge und Konzeptvorschläge zu bearbeiten. Denn die besten Vorschläge für die Realisierung hinsichtlich einer demenzfreundlichen Kommune erhalten eine
finanzielle Unterstützung.
Daraus lässt sich schließen, dass das Interesse von verschiedenen Kommunen zur Schaffung eines demenzfreundlichen Gemeinwesens äußerst groß ist. Aus diesem Grund wäre es künftig interessant zu beobachten, inwieweit diese Ideen umgesetzt werden und
welche neuen Erkenntnisse daraus gewonnen werden können. Es hat sich herausgestellt,
dass das Konzept der demenzfreundlichen Kommune immer weiter getragen wird und
das Thema Demenz und dessen Herausforderungen in den Köpfen unserer Gesellschaft
immer mehr Platz findet.
Quellenverzeichnis
90
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Aktualisierungsdatum: 08.02.2009
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http://www.projekt-demenz-arnsberg.de/ueber-uns/ziele/
Aktualisierungsdatum: 08.03.2009
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http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/downloads/Demenz_in_der_ Kommune_fuer_Druck.pdf
Aktualisierungsdatum: 08.03.2009
Anhangsverzeichnis
98
______________________________________________________________________
Anhangsverzeichnis
Anhang 1: Prävalenz von Demenzen in Abhängigkeit vom Alter ........................... 99
Anhang 2: Geschätzte Zunahme der Krankenzahl von 2000 bis 2050 ................... 99
Anhang 3: Freiwillig Engagierte und „nur“ gemeinschaftlich Aktive.................. 100
Anhang 4: Freiwillig Engagierte nach Altersgruppen............................................ 100
Anhang 5: Freiwilliges Engagement und Bereitschaft zum freiwilligen
Engagement ............................................................................................. 101
Anhang 6: Freiwillig Engagierte und „nur“ gemeinschaftlich Aktive in den
alten und neuen Ländern ....................................................................... 101
Anhang 7: Leitfragebogen......................................................................................... 102
Anhang 8: Thesenpapier ........................................................................................... 104
Anhangsverzeichnis
99
______________________________________________________________________
Anhang 1: Prävalenz von Demenzen in Abhängigkeit vom Alter
129
Anhang 2: Geschätzte Zunahme der Krankenzahl von 2000
bis 2050
130
129
130
Vgl.: Internetquelle 7: www.deutsche-alzheimer.de
Vgl.: Internetquelle 7: www.deutsche-alzheimer.de
Anhangsverzeichnis
100
______________________________________________________________________
Anhang 3: Freiwillig Engagierte und „nur“ gemeinschaftlich
Aktive
131
Anhang 4: Freiwillig Engagierte nach Altersgruppen
132
131
132
Vgl.: Internetquelle 5: www.Bmfsfj.de
Vgl.: Internetquelle 5: www.Bmfsfj.de
Anhangsverzeichnis
101
______________________________________________________________________
Anhang 5: Freiwilliges Engagement und Bereitschaft zum
freiwilligen Engagement
133
Anhang 6: Freiwillig Engagierte und „nur“ gemeinschaftlich
Aktive in den alten und neuen Ländern
134
133
134
Vgl.: Internetquelle 5: www.Bmfsfj.de
Vgl.: Internetquelle 5: www.Bmfsfj.de
Anhangsverzeichnis
102
______________________________________________________________________
Anhang 7: Leitfragebogen
A) Allgemeine Angaben
Datum:
Beginn:
Ende:
Name des Interviewpartners:
Funktion / Berufsbezeichnung:
Name der Initiative:
B) Frage zum Thema Demenz
1.) Was benötigen Menschen mit Demenz an Unterstützung von ihrem sozialen Nahbereich?
- Wie kann man eine so genannte ‚Neue Kultur’ im Umgang und in der Begegnung mit Menschen mit Demenz schaffen und pflegen?
C) Fragen zur Kommune
2.) „Demenz entwickelt sich zu einer bedeutenden sozialen, politischen, ökonomischen
und humanitären Herausforderung.“
- Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen?
3.) Welche Rollen und Aufgaben können Kommunen dabei übernehmen?
4.) Was benötigen Menschen mit Demenz speziell an Unterstützung von der Gesellschaft beziehungsweise der Kommune?
5.) Wie kann man die häufig schon vorhandene, aber oft geteilte Praxis in Bezug auf das
Thema Demenz zusammen führen und sichtbar machen? (Stichwort: Netzwerkarbeit)
Anhangsverzeichnis
103
______________________________________________________________________
D) Fragen zur Zivilgesellschaft
6.) Wie könnte beziehungsweise kann die Zivilgesellschaft dem Thema Demenz begegnen und wie mit dieser Herausforderung umgehen?
7.) Wie kann man zivilgesellschaftliches Engagement mobilisieren?
E) Fragen zum Bürgerschaftlichen Engagement
8.) Aus welchem Grund beziehungsweise aus welchen Gründen ist das bürgerschaftliche Engagement so wichtig?
9.) Wie kann man Bürger/Innen allgemein zu mehr Engagement bewegen?
10.) Welchen Stellenwert hat bürgerschaftliches Engagement in einer demenzfreundlichen Kommune?
11.) In welcher Form können sich Bürger/Innen in einer demenzfreundlichen Kommune
engagieren?
F) Fragen zur Initiative
12.) Was sind ihrer Meinung nach Erfolgsfaktoren für Initiativen?
13.) Wo liegen eventuell Grenzen?
14.) Gibt es, beziehungsweise gab es auf Ihrem Weg zu einer demenzfreundlichen
Kommune besondere Auswirkungen?
G) Abschluss
15.) Haben Sie noch weitere Fragen oder Anregungen für mich?
Anhangsverzeichnis
104
______________________________________________________________________
Anhang 8: Thesenpapier
Kategorie Demenz:
1.) Menschen mit Demenz benötigen Verständnis, Offenheit, Solidarität, Toleranz
und Akzeptanz, besonders auch zu Beginn einer demenziellen Erkrankung. Sie
benötigen ein demenzfreundliches Klima, in dem auch Begegnungen möglich sind
und nicht nur negative Bilder von Demenz vermittelt werden. Dies kann erreicht
werden durch klassische Altenhilfepolitik, aber auch dadurch, dass das Thema
Demenz unter anderem in soziale Räume, wie Kindergarten, Schule getragen wird.
Wenn Menschen mit Demenz nicht auf solch ein Klima stoßen, kann es zur Isolation führen, sei es aus Angst oder Unverständnis vonseiten der Mitmenschen.
„Verständnis. Offenheit, Bereitschaft, trotz veränderter kognitiver Leistungen, sozialer Einbindungen. […] Dass wir ihm mit Offenheit begegnen. […] Menschen mit Demenz brauchen ganz
besonders unsere Solidarität. Wir müssen ein Klima in unserer Stadt entwickeln. Also da stelle
ich mir vor, so dieses offene Ohr, diese offenen Augen, das offene Herz für Familien.“ Interview
2 am 20
„Ich brauche Verständnis, Toleranz und Akzeptanz.“. Interview 4 am 27
„Am Anfang passiert, dass Freunde und Bekannte nicht wissen, wie gehe ich denn eigentlich
damit um? Sie erleben die Veränderung, wissen aber nicht, wie umgehen, wie ansprechen, was
tun. Und in dem Sinn ist was Menschen brauchen, dass die Anfänge gut gelingen.“ Interview 3
am 23
„Auch andere Bilder zu vermitteln. Also weg zu kommen von diesen Schreckenszenarien und das
also als pures medizinisches Problem zu betrachten. Was immer nur was mit Degeneration und
mit Abbau und so zu tun hat. Sondern, weil ich glaube es geht eigentlich bei dem Umgang wie
wir mit Demenz umgehen. […] Also das ist, ich glaube dass diese Frage: Bilder zu demontieren
und neue Möglichkeiten von Bildern zu schaffen, die Zentrale ist. Und das kann ich auf verschiedenen Ebenen tun. Und eine ist glaube ich, dass ich Begegnungsmöglichkeiten schaffe.“ Interview 4 am 27
„Dass wir da ein einfach ein großes Verständnis mitbringen und wir sind dabei, gerade mit Kindern, mit Jugendlichen, mit Schulen, mit Kindergärten, das Thema Demenz aus der Tabuzone zu
holen. […] Damit auch dieses Thema Krankheit, das Thema Demenz, einfach ganz normal in
den Alltag mitkommt. […] Also so dieses Bewusstsein zu entwickeln, auch mit Schule zu sprechen, dass man im Unterricht auch das Thema Demenz.“ Interview 2 am 20
„Also ich denke, ein großes Thema bei Menschen mit Demenz ist, dass dieser soziale Nahbereich in der Regel, im Verlauf einer solchen Krankheit deutlich bröckelt. […] Und ich sage immer dort, wo Menschen mit Demenz leben oder Familien mit Demenz da dauert es nicht lange,
bis die Familien isoliert sind.“ Interview 3 am 23
„Weil die Betroffenen ja oftmals auch aus eigener Scham oder aus Angst, aus Verunsicherung
diesen Rückzug machen.“ Interview 3 am 23
Anhangsverzeichnis
105
______________________________________________________________________
„Der braucht auch den öffentlichen Raum. Das heißt also, wir sollten nicht, unserer Meinung
nach ist es so, dass wir nicht nur praktisch in, ja, in die Häuser, in der Menschen die dort leben,
sondern sie aus ihrer Isolierung heraus zu holen.“ Interview 2 am 20
„Nichts hilft, nichts hilft, wenn das Klima nicht so ist, dass ich mich hinaus traue. Ja? Die Offenheit dann. Dann gehe ich auch nicht zu einer Beratungsstelle für Früherkennung, weil damit
oute ich mich ja automatisch. Ich gehe nicht irgendwo, was ich genannt habe beispielsweise. ins
Restaurant oder andere, andere Dinge, Gottesdienst vielleicht oder so. Weil ich ja immer die
Angst habe oder vielleicht sogar die Erfahrung, viele haben ja auch negative Erfahrung. Ich stoße da auf Unverständnis und sonst irgend so etwas. Also ich glaube, das ist der Kern was Menschen mit Demenz benötigen, der Kern.“ Interview 4 am 27
2.) Menschen mit Demenz wollen nicht nur auf ein Dasein als Kranke reduziert
werden. Sie wollen, wie jeder andere Bürger/Innen auch, selbst bestimmt handeln
und bleiben wie sie es selbst möchten, mit allen ihren Bedürfnissen und Wünschen.
Sie wollen in ihren gewohnten sozialen Räumen, wie beispielsweise in ihrem
Freundeskreis bleiben, sich wohl fühlen und nicht nur auf das Nicht-MehrDenkens-Können reduziert werden.
„Ist so, dass ich nicht für verrückt weggetan, abgetan werde. Als Kranker weggetan, abgestempelt. […] Und eben auch ein Stück weit tolerieren. Dass ich so bleiben kann, wie ich sein möchte.“ Interview 4 am 27
„Anders wahrgenommen werden können als aktiv Handelnde, als Leute, Menschen, die was
können, als Menschen die eigentlich ganz normal sind.“ Interview 4 am 27
„Dass er also eigentlich ein Mensch mit allen seinen Wünschen, Bedürfnissen ist, wie jeder gesunde Mensch auch.“ Interview 2 am 20
„Und dass man mit der Krankheit ein Stück weit auch im Freundeskreis lebt.“ Interview 3 am 23
„Dass das unheimlich wichtig ist, dass die Menschen sich wohl fühlen. Denn Demenz ist ja also
wirklich eine Geisteskrankheit. Das heißt aber, das Gefühl wird nicht dement.“ Interview 2 am 20
„Aber wenn man sagt: „Kognituelle Summen. Das Denken nimmt einfach in unserer Kultur einen sehr, sehr großen Stellenwert ein. Wir definieren uns größtenteils über das was wir denken,
was wir sagen. Demenz hintertreibt das natürlich. Lässt das degenerieren, das Ganze was ich
sage, was ich denke. Und wie andere psychische Erkrankungen auch, ich werde unzuverlässig,
ich werde als Person jemand anders vielleicht. Und also da glaube ich, es hängt stark mit unserer Fixierung auf den kognitiven Bereich zusammen. Auch Logos. Wir haben deswegen ein großes Problem damit, wenn sich das verändert.“ Interview 1 am 19
3.) Einerseits benötigen Menschen mit Demenz eine Grundversorgung im medizinischen, pflegerischen und betreuenden Bereich, also in den klassischen Feldern
der Altenhilfepolitik. Andererseits spielen aber auch soziale Aspekte eine unglaublich wichtige Rolle, beispielsweise der Kontakt zu Anderen oder das Weiterverfolgen von Hobbys.
Anhangsverzeichnis
106
______________________________________________________________________
„Eine gute Grundversorgung oder eine Versorgung im medizinischen, pflegerischen, betreuerischen Bereich einfach, das ist Grundvoraussetzung eigentlich. […] Es greift aber zu kurz, wenn
man sagt: „Wenn diese Grundversorgung gewährleistet ist, sind wir aus dem Schneider. Dann
ist getan, was getan werden kann oder muss.“. […], gibt es andere Komponenten. Und da kommen eben die sozialen Aspekte dazu, da kommt das Mitmenschliche, da kommt so etwas wie vielleicht Hobbys und persönliche Betätigungsschwerpunkte dazu.“ Interview 1 am 19
„Zu sagen als demenzfreundliche Kommune’, wie schaffen wir ein demenzfreundliches, merkwürdiger Begriff, Klima. Einfach gesagt haben, dass es eben nicht (betonend) reicht, zu sagen,
wir brauchen vernünftige Angebote, Dienstleistungsstrukturen, und ähnlich. Und so weiter. Also
klassische Altenhilfepolitik.“ Interview 4 am 27
„Die sozialen, was man so vielleicht als oder dann als ergänzende Angebote bezeichnen kann.
[…] Da gehören ja dann freundschaftliche Dinge dazu, nachbarschaftliche Organisationsstrukturen. Das was ich kenne ist schon sehr vielfältig, auch sehr breit aufgestellt.“ Interview 1 am 19
Kategorie Kommune:
4.) Das Thema Demenz darf in unserer Gesellschaft nicht nur auf eine Versorgungsfrage reduziert und auf eine Lösung seitens der Pharmaindustrie gehofft
werden, denn der Staat, also auch die Kommunen, haben eine so genannte Daseinsfürsorge für alle Bürger/Innen. Aus diesem Grund müssen Kommunen das
Ziel verfolgen, an einer zivilgesellschaftlichen und humanen Sichtweise für das
Thema Demenz mitzuwirken. Wenn dies nicht geschieht, entstehen zahlreiche
Probleme, beispielsweise auch ökonomischer Art.
„Ich glaube, wir lösen das, was heißt das Problem, wir lösen den, die Tatsache, dass immer
mehr Menschen älter werden und auch demenziell sich verändern. […] Eben nicht, indem wir
diese Frage nur als eine Versorgungsfrage thematisieren.“ Interview 4 am 27
„Viele Milliarden für die Forschung bereitstellen, Pharmaforschung bereitstellen. Um dieses
Problem zu liquidieren. […] Die einen versprechen seit vierzig Jahren: „Wir lösen das Problem.“. Die anderen, kann ich ja verstehen, bauen darauf, weil wer möchte es schon. Und ich
glaube, so lange man darauf fixiert ist, kommen wir nicht weiter.“ Interview 4 am 27
„Ich glaube, die Kommunen müssen einfach noch mal überlegen: „Wir haben eine Daseinsfürsorge für unsere Bürger.“. Hat der Staat insgesamt, aber hat auch die Kommune für die, die hier
leben, für alle. Alle Menschen sind Bürger, auch die mit einer Demenz und mit anderen Dingen.“ Interview 4 am 27
„Und dann auch sagt: „Wir haben eine Aufgabe der sozialen Daseinsvorsorge. Die müssen wir
erledigen.“.“ Interview 2 am 20
„Und ich glaube, dass wenn wir nicht so eine, so eine andere zivilgesellschaftliche, humane haben Sie ja auch gefragt und so weiter, humanitäre Herausforderung, also diesen anderen Blick
und, und so darauf hinbekommen, dass das auch mal Böse enden kann.“ Interview 4 am 27
Anhangsverzeichnis
107
______________________________________________________________________
„Weil denen muss klar sein, es ist eine soziale, es ist auch eine ökonomische. Wenn, denn wenn
wir, das was ich jetzt so wortreich da hier erkläre, wenn wir da nicht hinkommen, dann macht
sich das ökonomisch ganz gravierend bemerkbar.“ Interview 4 am 27
„Nicht nur, dass wir also leistungsmäßig an unsere Grenzen kommen.“ Interview 2 am 20
5.) Kommunen haben eine Moderationsaufgabe inne und sollten beispielsweise für
bürgerschaftliches Engagement Rahmenbedingungen schaffen. Es müssen Netzwerke zwischen allen kommunalen Bereichen aufgebaut werden, indem sie unterschiedliche Institutionen oder Gruppen zusammenführen und gemeinsam überlegen, wie eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut oder welche Prozesse angestoßen werden müssten. Die Kommune kann dabei eine neutrale und vermittelnde
Rolle einnehmen. Häufig besteht noch ein sektorales und konkurrentes Denken,
was die Vernetzung erschwert.
„Aber die Kommune muss glaube ich, dieses Problem erkennen und muss sagen: „Was können
wir damit, dafür tun, damit es dahin kommt?“. „Wie kommen wir zu diesen Rahmenbedingungen
hin? Wen sollten wir in unserer Stadt an einen Tisch holen, um Ideen zu entwickeln, wie wir das
machen können? Was brauchen die an Unterstützung? Was können wir tun?“. Wichtiges Thema
finde ich. „Was können wir tun um Menschen aus ihrer Isolation zu holen? Was können wir tun,
damit ein stützendes Klima da ist?“.“ Interview 4 am 27
„Das heißt also wir müssen ein Netzwerk von Entlastungsstrukturen entwickeln. Und das ist die
Aufgabe von uns als Kommune, Netzwerke aufzubauen, bürgerschaftlich engagierte Paten zu
finden.“ Interview 2 am 20
„Eine demenzfreundliche Kommune, da gibt es ein Netzwerk an Professionellen und bürgerschaftlich Organisierten oder gestützten Hilfen. Also da gibt es Beratungsstellen, Anlaufstellen,
da gibt es Informationen über die Krankheit, da gibt es Qualifizierungsangebote für Angehörige.“ Interview 3 am 23
„Und sie kann Infrastruktur bereitstellen und kann sagen wir fördern bestimmte Geschichten.
Sie kann Dinge tun, Prozesse anstoßen. Immer mit den Bürgern, immer mit Initiativen, den Kirchen und sonst wem was zusammen.“ Interview 4 am 27
„Also ich glaube, eine Kommune kann in ihrer neutralen Rolle, wie wir es sind, ein Netzwerkpartner sein. Das heißt also, ein Netzwerk knüpfen zwischen Profis, die sich teilweise nicht grün
sind, die ja nun alle wirtschaftlich denken müssen.“ Interview 2 am 20
„Und unsere Rolle als Kommune, ist es jetzt praktisch, dieser, diese Spinne im Netzwerk zu sein.
Das heißt also, Menschen an den Tisch zu holen, zu sagen, wir haben ein gemeinsames Problem
in der Zukunft. Die alternde Gesellschaft bringt uns vor riesengroße Herausforderungen.“ Interview 2 am 20
„Aber dieses sektorale Denken verhindert häufig, dass wir über den eigenen Tellerrand sehen
als, ohne jetzt Vorwürfe machen zu wollen, als Mediziner oder als Pfleger oder als Einrichtungsleiter. Ich habe immer meinen eigenen Kontext, mein eigenes Menschenbild, das bringe ich alles
mit rüber. Die Kommune oder Kommunen insgesamt, hat zumindest die Chance darüber hinaus
das gesamte Feld zu beackern.“ Interview 1 am 19
Anhangsverzeichnis
108
______________________________________________________________________
„Und eben nicht in diesem Träger und so weiter Bereich bleibt. Sondern die große Herausforderung finde ich, die zusammen zu bringen. Aber auch da gibt es ja, trotz aller Konkurrenz die ja
gewollt ist, im gesetzlichen, gibt es ja auch viele gute Beispiele von kommunaler Vernetzung von.
Also da wo sich Leute zusammen tun ecetera, ecetera. Immer in einem gewissen Rahmen, weil
Konkurrent bleibe ich trotzdem.“ Interview 4 am 27
6.) Das Thema Demenz geht alle Menschen in unserer Gesellschaft etwas an: Betroffene, Angehörige, Bürger/Innen, Fachkräfte, Einrichtungen, Institutionen sowie den Staat. Für dieses Thema muss ein Klima in der Stadt beziehungsweise in
der Kommune geschaffen werden. Man muss weg kommen von dem negativen
Demenzbild. Dies kann durch eine massive Öffentlichkeitsarbeit oder persönliche
Dialoge auch durch Kommunen geschehen, bei der Menschen sensibilisiert werden.
„Und damit einem zu sagen, jeder kann etwas tun. Es sind nicht nur die Profis. Sondern jeder
Einzelne kann etwas tun, wenn er A möchte und B, dazu, darüber braucht es auch ein Wissen
über die Krankheit.“ Interview 3 am 23
„Wir müssen was dafür tun, dass ein ‚demenzfreundliches’ Klima und Verständnis geschaffen
wird. Und meine Pflicht als Kommune wäre es, dieses Klima mit zu schaffen. Also ich meine das
nicht im Sinne delegieren, es soll die Politik mal regeln. Das geht nicht. Es ist eine Aufgabe der
Gesellschaft, wohl gemerkt und das sind ganz viele und ganz verschiedene.“ Interview 4 am 27
„Ich sage jetzt einmal ein Klima in der Stadt. Ein Bewusstsein, das da heißt, wenn jemand an
Demenz erkrankt ist, dann wird er jetzt nicht abgeschoben in die Psychiatrie, oder in das Heim,
oder in die Tagespflege und wir haben nichts mehr damit zu tun. Sondern, dass es ein Klima in
der Stadt gibt, wo man über dieses Krankheitsbild weiß, wo man sicherlich vielleicht auch weiß,
wo gibt es Unterstützung. Und wo auch, wo man auch dieses Anderssein was Demenzkranke leben. Auf, wenn in die Köpfe der Menschen drinnen ist.“ Interview 3 am 23
„Eine ganz wichtige Antwort ist, wir müssen ein Bild von Demenz und von Menschen mit Demenz entwickeln und transportieren, das positiv ist. […] Eben auch von Menschen die jetzt
nichts mit Demenz zu tun haben“. Interview 1 am 19
„Und da öffnen wir ganz viele Türen. Ja, indem wir ganz, ganz viel Öffentlichkeitsarbeit machen.“ Interview 2 am 20
„Versucht alle anzusprechen, die mit Demenz eigentlich keine Berührungspunkte haben. Noch
nicht oder gewollt nicht. Versucht dadurch natürlich auch bürgerschaftliches Engagement zu aktivieren. […] Und ja, das geht eben neben dieser öffentlich, neben dieser professionellen Öffentlichkeitsarbeit auch über das Gespräch, über den Dialog.“ Interview 1 am 19
„Das heißt, wir müssen immer mehr Menschen sensibilisieren, auch junge Menschen sensibilisieren, einfach mal hinzugucken.“ Interview 2 am 20
Anhangsverzeichnis
109
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Kategorie Zivilgesellschaft:
7.) Das zivilgesellschaftliche Verständnis für das Thema Demenz muss gesteigert
werden, aber nicht durch Zwang zum Engagement, sondern durch Aufklärung
über das Thema. Die Bevölkerung muss lernen mit der Andersartigkeit umzugehen und es müssen stets Begegnungen ermöglicht werden. Um solch ein Verständnis zu erreichen, muss auch einiges investiert werden.
„Aber ich hoffe, dass durch unsere, steter Tropfen höhlt den Stein, durch unsere Öffentlichkeitsarbeit, auch die zivilgesellschaftliche Verantwortung deklariert ist. Das machen wir nicht, indem
wir denen sagen: „Du musst jetzt aber!“. […] Wir haben ein Filmforum, wo wir Vorschläge unterbreiten können. Wo wir auch solche Filme, oder unsere kurzen Werbespots im Grunde reinbringen. Und sagen: „Diese Menschen brauchen uns alle!“.“ Interview 2 am 20
„Und in dem Bereich noch mal Akzente zu setzen und noch mehr, noch mehr zu aktivieren. Oder
noch mehr zu verknüpfen, einzuladen. Menschen, Einrichtungen, Vereine, Gruppen zu sensibilisieren und zu überlegen, gemeinsam mit ihnen: „Können wir denn vielleicht auch etwas anbieten?“.“ Interview 1 am 19
„Das ist ja auch legitim. Aber auch zu lernen, mit Andersartigkeit umzugehen. Sich zu lernen,
mit dem Gedanken umzugehen, dass das ja auch meine Geschichte sein kann. Zu lernen, was
kann den getan werden, damit auch ein Leben in der Demenz dann ein vernünftiges ist.“ Interview 4 am 27
„Im Sinne zivilgesellschaftliches Engagement, das heißt im Sinne einer unanstrengenden Begegnung, weil jeder einen Gefallen daran hatte. Und ich glaube, das ist etwas enorm Wichtiges,
Räume aufzumachen, wo Begegnung möglich ist. Und zwar unanstrengend möglich ist. Oder
noch besser gesagt, wo auch mit Vergnügen möglich ist.“ Interview 3 am 23
„Um sie in die Öffentlichkeit zu bringen. […] Aber dass wir bei der Vernissage die Öffentlichkeit
in die Sparkasse, in die Hauptgeschäftsstelle zu einer Kunstvernissage eingeladen haben. […]
Das macht eigentlich den öffentlichen Raum aus. Und wir haben es dann auch erreichen können,
dass vier Monate die Ausstellung dort war und immer mal wieder also Tage waren, wo man also
Ausstellungsberatung gegeben hat.“ Interview 2 am 20
„Und eine Bürgergesellschaft ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Absolut nicht. Kein Nulltarif.
Das heißt, sie müssen an der Stelle wo sie Bürger bewegen wollen, etwas zu tu, auch in sozialkompetente Menschen investieren.“ Interview 2 am 20
8.) An die Frage Demenz muss man zivilgesellschaftlich herantreten. Es muss die
Ansicht verworfen werden, dass die Verantwortung gegen Bezahlung an Institutionen abgegeben werden kann. Andererseits müssen Institutionen und Fachkräfte
ein zivilgesellschaftliches Engagement auch zulassen. Die Menschen müssen wieder
mehr Verantwortung für ihr Leben und die gesamte Gesellschaft übernehmen.
Das bedeutet auch, dass sie Problemlagen erkennen und sich mehr engagieren.
Anhangsverzeichnis
110
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„Wir müssen zivilgesellschaftlich an die Frage ‚Demenz’ herangehen. Und das heißt, wir müssen wegkommen von dem was sich diese Gesellschaften, ist ja nicht nur Deutschland, irgendwann mal erlaubt haben. Was vielleicht historisch damals richtig war. Zu sagen: „Wir delegieren bestimmte soziale und existenzielle Fragen an Institutionen. Und dafür zahlen wir auch Geld
oder Versicherungen oder Staat.“.“ Interview 4 am 27
„Das die Profis sich auf Augenhöhe, das meine ich sehr ernst, auf Augenhöhe mit engagierten
Menschen zusammensetzen. Zum Wohl, des Menschen. Die müssen nicht immer hoch qualifiziert
sein. Es kann auch die Nachbarin sein. Es kann auch einfach nur die, die liebe Frau um die Ecke
sein. Also dass sich Profis darin einen Gewinn sehen. Das Zeitressource mitbringt, Wertschätzung, Zuwendung, die ich als Profi nicht mehr bringen kann. Weil ich also im, am Limit arbeite.
[…] Denn wir brauchen das zivilgesellschaftliche Verantwortungsgefühl.“ Interview 2 am 20
„Zivilgesellschaft heißt für mich einfach auch, wir nehmen wieder ein Stück mehr Verantwortung für unser Leben und für die Gesellschaft. Es muss stärker eine zivilgesellschaftliche Aufgabe auch sein, die dazu kommt. Es muss stärker das Engagement der Bürger dazu kommen.“ Interview 4 am 27
„Eine zivilgesellschaftliche, sagen wir einmal, ein, eine Philosophie zu entwickeln des Hinschauens und nicht des Wegschauens. […] Kleine Schritte, an kleinen Orten, aber immer, immer
wieder und konsequent. Das ist glaube ich, die Kultur des Hinsehens. […] Nachbarschaften wieder zu aktivieren, die früher verständlich waren. Oder auch Jugendliche zu bewegen einfach sich
einzubinden und Verantwortung zu übernehmen.“ Interview 2 am 20
„Und so eine Reflektionsarbeit braucht Demenz natürlich auch, wenn man es als Thema der Zivilgesellschaft formuliert. Es braucht eine bewusste Hinwendung eigentlich der Gesellschaft hin
zu diesem Thema.“ Interview 1 am 19
Kategorie Bürgerschaftliches Engagement:
9.) Es ist ein sehr großes Potenzial in unterschiedlichen Bereichen für bürgerschaftliches Engagement vorhanden. Für dieses Engagement müssen Rahmenbedingungen geschaffen, Räume geöffnet und Angebote gemacht werden, auch über
Medien, wie beispielsweise die Lokalpresse. Wenn man diese Rahmenbedingungen
heute schon schafft, kann man künftig für viele Betroffene, also eventuell auch die
eigene Person, vorplanen.
“Es gibt ja ein irres Potenzial an Ehrenamt, bürgerschaftlichen Engagement und so weiter. Irre
und sogar wachsend, auch im Altenbereich. […] Also Menschen sind Bereit sich zu engagieren,
das ist so.“ Interview 4 am 27
„Die Antworten darauf sind so vielfältig, wie die Menschen, die sich engagieren. Es gibt vom
Verein, der bürgerschaftlich engagierte Menschen hat, über Amnesty oder, oder solche Bereiche
von denjenigen, die sich engagieren. Es gibt die ganze Palette. Ja, die wollen, die einen brauchen feste Strukturen und die klare Aufgabe.“ Interview 1 am 19
„Ich möchte eine neue, sinnvolle Aufgabe haben. Aber dafür brauche ich Rahmenbedingungen.
Aber auch Strukturen dafür geschaffen.“ Interview 2 am 20
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„Sondern man muss Räume eröffnen, wo Leute sagen: „Ja das würde ich gerne machen.“. Man
muss Angebote machen. Was dazu gehört, dass man auch die Chancen und so weiter anbietet.
Man muss wegkommen von dem plastischen Ehrenamt. So dass man sagt: „Wir als Stadt oder
sonst was, wir brauchen Ehrenamtliche Helfer. Weil wir auch ein paar Lücken haben und weil
wir das sonst nicht machen können. Sondern ich muss Möglichkeiten eröffnen, indem die Stadt
bei uns eine Ausschreibung gemacht hat. Auch über die lokale Presse.“ Interview 4 am 27
„Ich glaube, dass es für Bürgerengagement Konditionen braucht. Und das heißt, die jeweiligen
Konditionen, die da sind, ich muss eine Aufgabenbeschreibung machen. […] Und wir haben, wir
haben eine sehr detaillierte Aufgabenbeschreibungen gemacht. Haben sie in der Zeitung kommuniziert.“ Interview 3 am 23
„Aber ich glaube, dass man über die örtliche Presse und über ja wirklich in, zu den Leuten gehen und die Leute auch dazu zu bringen miteinander über Menschen mit Demenz zu sprechen.“
Interview 1 am 19
„Ich will mit an Rahmenbedingungen heute arbeiten, wie ich auch mal behandelt werden will.
Und in welchem Ambiente ich bin. Und all diese Geschichten. Zu engagieren, weil wir gestalten
unsere Zukunft auch ein Stück mit.“ Interview 4 am 27
10.) Bürgerschaftlich Engagierte benötigen Unterstützung und Begleitung von
Fachkräften, aber ebenso durch sie auch Freiräume. Vor allem die professionell
Tätigen müssen den Gewinn durch bürgerschaftlich Engagierte erkennen und diese nicht als Konkurrenz betrachten. Bürgerschaftlich Engagierte bringen eine andere Perspektive in die professionelle Arbeit hinein, setzen da an wo sonst nichts
wäre und bieten häufig Entlastung für pflegende Angehörige.
„So dass wir also immer wieder signalisieren, wir sind Ansprechpartner. Wenn du dich öffnest.
Wir qualifizieren, wir sensibilisieren. Diese Menschen auch zu coachen, zu begleiten, zu qualifizieren, Weiterbildungsangebote zu entwickeln. Ihnen Versicherungsfragen vom Hals zu halten.
Fachliche Impulse setzen.“ Interview 2 am 20
„Andere wollen, dass ihnen keiner reinpfuscht. Ganz selbst bestimmt. Privat quasi, irgendwas
machen in Eigenregie.“ Interview 1 am 19
„Dass wir nicht immer rein reden. Dass wir auch manchmal Augen zudrücken, was die, ja was
vielleicht die Flyer, die Plakate ausmacht, unsere Logos ausmacht. […] Aber dass man auch
Mut zur Lücke schon einmal hat.“ Interview 2 am 20
„Die die Kompetenz des anderen akzeptieren und nicht denken: „Ich bin der Prophet.“. Und sie
können jetzt in einem kleinen Sandkastenbereich, den ich ihnen jetzt stelle, können sie mitwirken.
Sondern, die Bereitschaft im Kopf, dass bürgerschaftliches Engagement ein Gewinn ist. Für beide Seiten. Aber dafür muss ich auch etwas leisten. Muss also eine ja im Grunde eine Waagschale
sein.“ Interview 2 am 20
„Das wir also die Angst der Hauptamtlichen nehmen müssen. Dass ihnen die Arbeitsplätze weggenommen werden. Dass ihnen Aufgaben Wegbrechen. Dass Ehrenamtliche Dinge tun, die eigentlich bezahlbar sind.“ Interview 2 am 20
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„Ja, das bringt eine andere Sicht hinein. Weil, sage ich einmal, wenn ich als Bürger mit anderen, mit Dementen und so weiter zu tun habe. […] Sondern ich bin da ja irgendetwas. Der Pfleger, der Arzt, der Diagnostiker oder irgendwie so etwas bin ich ja. Das ist immer eine hierarchische, funktionale Beziehung. Als Bürger kann ich da anders heran gehen. Für mich ist er erst
einmal der Nachbar. Mit bestimmten Verhaltensweisen und so weiter. Aber er ist der Nachbar.
Und auf dieser Ebene begegne ich ihm erst einmal. […] Der Klaus Dörner hat das irgendwann
so schön formuliert, dass er gesagt hat: „Das ist der, die besondere Mitgift des bürgerschaftlichen Engagements. Dass hier etwas hinein kommt in die Beziehung, was niemals ein Profi bringen kann.“. Dieses auf mehr oder weniger, auf gleicher Ebene. Von Bürger zu Bürger, von
Nachbar zu Nachbar oder sonst etwas.“ Interview 4 am 27
„Wir müssen ganz klar machen, bürgerschaftliches Engagement setzt da an, wo sonst nichts wäre.“ Interview 2 am 20
„Bürgerschaftlich Engagierte leisten einen immensen Anteil an Entlastung von pflegenden Angehörigen. Und damit auch dass überhaupt eine häuslich, ambulante Pflege mit möglich ist.“ Interview 3 am 23
11.) Engagierte Menschen bekommen durch ihre Tätigkeit auch immer einen Erlös. Es lohnt sich für sie. Der Erwerb muss nicht immer finanzieller Art sein, kann
aber. Bürgerschaftlich Engagierte geben anderen Menschen etwas, bekommen
aber auch vieles zurück. Auf der anderen Seite ist dieses Engagement eine schwere
Aufgabe, verbunden mit viel Verantwortung, die auch Mut benötigt.
„Und das hat die Dame, eine von vielen wahrscheinlich, als ihr bisschen, ihr Glück und ihren
besonderen Profit da einfach auch noch mal formuliert. Dass sie gesagt hat: „Das ist doch nicht
so, dass ich da nur gebe oder so. Im Gegenteil, ich bekomme sogar viel. Ich lerne ganz viel.“ Also wo Ältere, Pflegebedürftige oder demenziell veränderte Menschen, auch uns helfen.“ Interview 4 am 27
„Man lernt noch voneinander.“ Interview 2 am 20
„Sie müssen ja diese Schranke überwinden: „Warum kann es für mich lohnend sein, mich auch
für andere demenziell veränderte Menschen beispielsweise zu engagieren. Oder mit ihnen, oder
sonst irgendwo was.“: Also das heißt, dann muss ich ja auch das Bild haben, dass das lohnend
sein kann.“ Interview 4 am 27
„Und den Gewinn für bürgerschaftliches Engagement eigentlich auch in den Köpfen der Menschen breit zu machen. Das ist bei uns sicherlich weit verbreitet. Aber noch nicht in allen Köpfen.“ Interview 2 am 20
„Und ich sagte Gratifikation oder die Entlohnung, die liegt im Sinn von Fort- und Weiterbildungen. Und einer natürlich auch persönlichen Weiterentwicklung.“ Interview 3 am 23
„Wir haben zum Beispiel in Arnsberg die Ehrenamtskarte entwickelt. Das heißt also, jeder der
sich ehrenamtlich engagiert, über fünf Stunden in der Woche, kann kostenlos ins NASS (örtliches
Schwimmbad) kommen oder günstig im, wir haben also so Netzwerke auch mit Anbietern von
Restaurants.“ Interview 2 am 20
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„Daneben gibt es zum Beispiel ‚die Auszeit’ in Arnsberg. Das ist ein Betreuungsdienst, der nach
Hause kommt, stundenweise, oder auch einmal über Nacht, oder mal einen ganzen Tag. Wird
nicht ganz kostenlos. Der kostet 12,50€ die Stunde. Und diejenigen, die sich dort engagieren, sie
bekommen davon etwa 8€, glaube ich.“ Interview 1 am 19
„Also einfach jemanden an die Hand zu nehmen und zu sagen: „Ich traue es mir zu. Ja, ich
nehme ihn jetzt mit spazieren, wir gehen jetzt mal schwimmen. Ja, wir gehen mal ins Kino oder
ins Café. Ja, wir besuchen mal den Menschen auf dem Friedhof, den Angehörigen.“. Interview 2
am 20
„Das Thema Demenz ist relativ schwierig, um sich zu engagieren. Es ist mit Verantwortung verbunden. Aber ich stelle mir jetzt einen Betreuer zum Beispiel vor, oder eine Begleitperson. Da ist
immer der direkte menschliche Kontakt und eine gewisse Verantwortung, […] Also die Freiheiten zu gewähren, nach individueller Gestaltung des Engagements, bei gewissen Verbindlichkeiten.“ Interview 1 am 19
Kategorie Erfolgsfaktoren:
12.) Initiativen müssen mit einem neuen, gut durchdachten und geplanten Konzept
in Erscheinung treten.
„Mit einem frischen Auftritt aufs Feld zu kommen. […] Ein Logo zu haben, eine Art Slogan. Und
wir haben mit einer gewissen Frische ein Thema angefasst, das eben unter den Profis schon seit
Jahren, wenn nicht Jahrzehnten bearbeitet wird.“ Interview 1 am 19
„Und das, das glaube ich gehört dazu. Also genau zu überlegen: „Wie machen wir das?“. Institutionen zu überlegen: „Wen brauchen wir?“. Die Musikschule, die Volkshochschule und anderes. Also weg aus diesem klassischen Denken.“ Interview 4 am 27
„Wir sind so als Projekt einfach, das ist wie frischer Wind. Mit Aufbruchcharakter, mit so einem
Startgefühl. Da schauen erst einmal alle hin: „Was passiert denn da? Ist das was für uns?“.“ Interview 1 am 19
„Eine gute Idee. Egal von wem.“ Interview 2 am 20
13.) Initiativen sind erfolgreicher, wenn sie über einen längeren Zeitraum angelegt
sind, festgelegte Strukturen haben und das Ziel der Nachhaltigkeit verfolgen. Auch
engmaschigere Strukturen sind sehr wichtig.
„Ja, dann eben dieser Punkt. Nachhaltigkeit. Also dass man keine kurzfristigen Strohfeuer und
denkt: „Ich hab das Problem gelöst, oder so.“. Sondern es ist ein langer, langer, langer Prozess,
den man auch so denken muss. Er muss in die Strukturen gehen. Es geht ja nicht so um Aktiönchen oder irgend und, und, und banale Öffentlichkeitsarbeit, oder sonst was. Sondern ganz genau überlegen.“ Interview 4 am 27
„Und einen langen Atem. Sich nicht entmutigen lassen von Rückschlägen, die gibt es, die gehören dazu.“ Interview 1 am 19
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„[…] Ich glaube, dass Kleinteiligkeit wichtig ist. Also man muss das was du machst, möglichst
weit hinunter brechen. Also es muss persönlich identifizierbar sein. Es macht einen Unterschied,
ob du zentral, abstrakte Kampagne irgendwo in einer großen Stadt von dreihunderttausend Leuten oder so hast. Oder ob du es herunter brichst, vielleicht sogar auf einen Stadtteil oder so. Wo
der Apotheker persönlich bekannt ist. Oder derjenige, oder der Kioskbesitzer, oder der Pfarrer.
Das ist glaube ich ganz wichtig, du musst auf dieser Ebene ansetzen.“ Interview 4 am 27
14.) Ein weiterer Erfolgsfaktor ist, wenn die Initiative sich an ein breites Spektrum
von Menschen richtet und sie alle mit einbezieht, nicht nur Profis, sondern auch
beispielsweise Bürger/Innen, Kirchengemeinden, Politik, Verwaltung und Wirtschaft in einer Kommune.
„Also das muss schon. Aber wenn du die hast. Wenn es dir gelingt, die Idee zu verbreitern. Wenn
du wirklich dort auch in die Breite gehst, wie ich das skizziert habe. Und und, und die an einen
Tisch bekommst. Und also überlegst, so dann glaube ich, kannst du fast überall eine ganze Menge bewegen.“ Interview 4 am 27
„Wir machen nicht nur Profiaktionen. Sondern wir überlegen, wen brauchen wir? Wir brauchen
Kirchengemeinden, wir brauchen bürgerschaftlich Engagierte, wir brauchen vielleicht den Apotheker von der Ecke. Und die gezielt einbindet. Ganz wichtig, sonst wird das nichts.“ Interview 4
am 27
„Das heißt also mich mit der Wirtschaft in Verbindung zu setzen. Landschaftspflege zur Wirtschaft zu betreiben. Zur Sparkasse, zur zu Bürgerstiftungen, zu anderen Stiftungen.“ Interview 2
am 20
„Mit der Erfolg trägt auch dabei, dass es dann auch irgendwann politisch getragen ist. Dass
sich Türen öffnen. Dass Möglichkeiten eröffnet werden und ähnliches. Das ist am Anfang vielleicht gar nicht gegeben. Aber ich glaube, es muss dir gelingen, irgendwann auch Politik, Verwaltung und so weiter da mit hinein zu bekommen.“ Interview 4 am 27
15.) Eine Initiative ist erfolgreich, wenn ein Gemeinwesen beispielsweise für das
Thema Demenz sensibilisiert werden kann. Dies geschieht, indem Initiativen positive Bilder transportieren und viel Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Zum Beispiel
durch Veranstaltungen, Informationsbroschüren, Programmhefte oder Plakataktionen. Wenn möglich, müssen diese Aktionen schon vor Beginn einer Initiative
gestartet werden. Auch eine gute Zusammenarbeit mit der Presse ist ausschlaggebend.
„Das können wir ruhig. Also ich glaube, die eine Geschichte ist, dass man sagt als Kommune
oder wenn man eine Initiative startet: „Wir verwechseln das nicht mit klassischer Altenhilfepolitik. Also wir, wir holen nicht ein paar Profis an den Tisch, runder Tisch.“. […] ‚Oh, uns fehlt
noch Tagespflege und wie machen wir das?’“. Sondern wir begreifen als die Hauptaufgabe,
Sensibilisierung des Gemeinwesens.“ Interview 4 am 27
„Indem man sagt: „Zentraler Inhalt dessen, was wir machen, ist es, andere Bilder zu transportieren.“ Interview 4 am 27
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„Eine ganz wichtige, also ich sage einmal Öffentlichkeitsarbeit, war neben den Veranstaltungen
vielleicht noch der größere Teil an Aktivität.“ Interview 3 am 23
„Also ich war in ganz, im Vorfeld der Kampagne, in ganz vielen Szenen. Und habe erst einmal
informiert, was wir wollen. War bei sämtlichen, der ganzen Stadtverwaltung, in den Vereinen,
/ehm wo auch immer. Also das war im Vorfeld, haben wir viel für die Kampagne geworben.“ Interview 3 am 23
„Wir haben, denke ich mir auch, viel Öffentlichkeitswert mit Plakataktion, wir haben eine Infobroschüre herausgegeben. Wir haben ein Programmheft gehabt, das an alle Haushalte ging.
Und wir hatten auch eine gute Presse. Und das hing damit zusammen, dass wir also mit der
Presse also auch eine Pressekonferenz gemacht hatten. […] Und die Presse ist da sehr mit uns
mitgegangen.“ Interview 3 am 23
16.) Erfolgsfaktoren für Initiativen sind des Weiteren: eine bereits vorhandene
Grundversorgung im medizinischen oder pflegerischen Bereich, eine gute Netzwerkstruktur, Fähigkeit zur Teamarbeit, viele Denkweisen und Ideen, Kooperationsbereitschaft, Räume, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Supervision oder
(Erfahrungs-) Austausch mit anderen, gegenseitige Wertschätzung und eine soziale
Entschädigung.
„Diese Grundversorgung ist in allen Bereichen relativ gut vorhanden. Das heißt, da muss man
also hinschauen, grundsätzlich im Stadtgebiet. Es gibt fast alles, was man sich wünschen kann.
Von Demenz-WG´s, über stationären Bereich, teilstationären Bereich. […] Wir haben also
grundsätzlich das ganze Projekt, ist überhaupt erst, konnte erst umgesetzt werden, weil es bereits
sehr gute Netzwerkstrukturen gab.“ Interview 1 am 19
„Die Chance zu sehen, viele Köpfe denken lassen. […] Wir haben zum Beispiel auch Menschen,
die praktisch unsere Denkfabrik sind. Die mit uns denken, weiter denken. Also auch Professoren
der Universität, der also jetzt nicht den Ärmel hochkrempelt und mir hilft.“ Interview 2 am 20
„Die Kampagne, ein zweiter Punkt der glaube ich wichtig ist, dass die Kampagne jetzt nicht von
mir allein getragen war. Sondern ich hatte die Projektssteuerung, aber an diesem Projekt waren
sieben Kollegen und Kolleginnen aus unterschiedlichen Szenen, die aber alle mit dem Thema
Demenz zu tun haben, in der Beratung, in der Begleitung, in der Tagespflege, aber auch auf
Planungsebene.“ Interview 3 am 23
„Peer-Groups. Keine Alleinkämpfer. Teams, die gemeinsam an einem Thema arbeiten möchten.
Offene Türen im Kooperationsbereich. Also offene Türen, offene Augen, offenes Herz. Räume.
Mitwirkung im Konzept. Qualifikationsmöglichkeit, Supervision, Erfahrungsaustausch, Wertschätzung. Nicht so sehr, kommt es so sehr auf die Geldwertentschädigung an, sondern auf die
gesellige Entschädigung.“ Interview 2 am 20
„Gemeinsame Fortbildungsangebote. Wenn wir als Projekt ein spezielles Thema anbieten, dann
kommt das, wird das sehr gut angenommen, eigentlich. […] Dann wir kriegen einen kleinen Austausch der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vielleicht hin. Das ist natürlich auf einer niedrigen
Ebene, aber auch da, wenn man da sich kennen lernen kann, das so ein weicher Faktor vielleicht
ist.“ Interview 1 am 19
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Kategorie Grenzen:
17.) Demenz ist ein zukunftsorientiertes Thema und geht alle etwas an. Die Grenze
besteht darin, wenn man nicht mehr in die Zukunft schaut und eine andere Grenze, wenn man bestimmte Personenkreise nicht in die Initiative mit einbezieht.
„Ja, genau. Das ist ein zukunftsorientiertes Thema. Bedeutet für mich aber auch, dass also
Grenzen da sind, wo man nicht mehr in die Zukunft schaut. Wo man nur noch nach hinten
schaut.“ Interview 2 am 20
„Also ich denke, wir und das haben wir uns so ein bisschen vorgenommen, auch noch einmal für
dieses Jahr, noch einmal mehr in die Vereine zu gehen. […] Wir haben uns auch vorgenommen,
noch einmal das Thema Gottesdienste für Demenzkranke. Die Kirchen waren bei uns jetzt eher
mal außen vor. […] Wir haben die Schulen nicht mit im Boot gehabt. […] Wenn wir jetzt einen
Kooperationspartner hätten, dann auf jeden Fall. Aber das bedarf natürlich auch, dass es von
Seiten der Schulen oder Kindergärten da zum Thema, zum Thema mitgemacht wird.“
Interview 3 am 23
18.) Eine Grenze von Initiativen liegt darin begründet, wenn es nicht gelingt, die
kommunale Politik und Verwaltung einzubeziehen. Zudem stellen auch das NichtVorhandensein von finanziellen Mitteln eine Grenze dar.
„Grenzen von Initiativen, glaube ich, werden zum Beispiel da sein, wo es ihnen nicht gelingt, in
einer richtigen Kommune auch die Politik mit ins Boot zu holen. Also die kommunale Politik oder so. Auch das gibt es ja. Die muss nicht der Initiator sein und die, oder, oder sonst irgendwas.
Sondern ich glaube, die gehört dazu. Also dass es politisch mit getragen ist. Für bestimmte Geschichten. Das ist ganz wichtig.“ Interview 4 am 27
„Die Grenzen liegen eher, ja, vielleicht da wo, wo du vielleicht in einem Ambiente operieren
musst, wo so von kommunaler Verwaltung oder so du überhaupt keine Unterstützung bekommst.“ Interview 4 am 27
„Grenzen sind immer finanzielle und so weiter..“ Interview 4 am 27
19.) Es sollte in einer Kommune eine Grundversorgung in der Medizin, Pflege und
Betreuung vorhanden sein. Eine Grenze besteht darin, wenn diese in ländlichen
Bereichen nicht vorhanden ist. In dichter besiedelten Regionen gibt es oft zahlreiche Anbieter, wodurch häufig ein Konkurrenzdenken entsteht, was wiederum eine
Grenze darstellen kann, weil dadurch neue Ansätze und Ideen blockiert werden.
Aus diesem Grund ist die Netzwerkarbeit von so großer Bedeutung, welche aber
nicht immer einfach ist, da sie von Personen und Hierarchien abhängt.
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„Und da gibt es natürlich sehr große Unterschiede. Sie haben in so einem größeren Stadtteil wie
hier Neheim, eigentlich die ganze Palette von mobilen Diensten, teilstationären Einrichtungen,
Tagespflegen, Tageskliniken, bis hin zu dem stationären Bereich, verschiedene Anbieter, und eben die ganze Palette vor Ort. Wenn Sie in einen Teil gehen wie Rumbeck, in einen Ortsteil, das
ist ein kleines Dorf einige Kilometer entfernt, da haben Sie nichts davon.“ Interview 1 am 19
„Dann müsste man sich wieder überlegen, wer macht das jetzt? Wer bietet das an? Und dann
kommt wieder dieses Konkurrenzdenken.“ […] Mit Rückschlägen auch leben. Es gibt sehr viele
einzelne Interessen und da braucht man immer mal wieder Elan, muss man immer wieder den
Mut haben, eine neue Idee hinein zu bringen, von der vielleicht nicht immer alle begeistert
sind.“ Interview 1 am 19
„Und weil es ein Konkurrenzgeschäft trotz allem ist, fühlen sich andere dann benachteiligt oder
mutwillig ausgeschnitten, ausgegrenzt.“ Interview 1 am 19
„Aber private Anbieter die, also es ist sehr, sehr komplex und das hab ich mir am Anfang stellenweise einfacher vorgestellt Kooperationen anzuschieben.“ Interview 1 am 19
„Nein, also wir haben die Ideen, wir haben keine diese, diese Vernetzungsarbeit ist einfach
schwierig. Weil sie hängt von Sachthemen und von Personen ab. Und dann gibt’s auch noch
Hierarchien und nicht immer Zuständigkeiten derselben Person in allen Fragen und so.“ Interview 1 am 19
20.) Eine weitere Grenze liegt darin begründet, wenn bürgerschaftlich Engagierte
und professionelle Kräfte keine, beziehungsweise wenig Zeit füreinander haben.
Besonders Fachkräfte sollten bürgerschaftlich Engagierten auch wirklich Zeit und
Raum geben, sie sollten diese nie rekrutieren oder sie als Lückenfüller einsetzen.
Zudem sollte der Profi sich nicht nur auf sein Fach- und Expertenwissen verlassen,
sondern auch andere Blickwinkel und Sichtweisen zulassen.
„Da oder wo du nicht schaffst, es ist nicht einfach Leute zu finden, die auch bereit sind, Engagement in Form von Zeit und sonst etwas, da dann auch mit einzubringen.“ Interview 4 am 27
„Eine weitere Grenze im bürgerschaftlichen Engagement sehe ich, wenn Profis da kleine Gruppen rekrutieren, die dann mal die unleidige Arbeit erledigen, die vielleicht ergänzend nicht tätig
werden, sondern ersetzend auch als Lückenfüller eingesetzt werden. Da sehe ich ein ganz großes
Problem.“ Interview 2 am 20
„Und Grenze insofern, wenn ich denke: „Das werde ich schon richten. Ich weiß am Besten was
los ist. Ich kann mich in Lage meiner Bürger versetzen.“. Dann glaube ich, ist es fehl am Platze.
Sondern nur das die Kommunikation mit den Experten in ihrer eigenen Sache.“ Interview 2 am
20
„Grenze sehe ich auch noch einmal darin, wenn ich keine Zeit für bürgerschaftlich Engagierte
habe. Die brauchen ganz viel Zeit und Wertschätzung. Das ist auch manchmal sehr anstrengend.
Sehr, sehr anstrengend. Weil auch Erwartungen kommen. Und man auch nicht einfach Dinge im
Raum stehen lassen kann. Sondern es erfordert auch Wertschätzung, Zeit, Zuwendung.“ Interview 2 am 20
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21.) Bürgerschaftliches Engagement hat seine Grenzen, wenn die Engagierten
nicht teamfähig sind und nicht die Fähigkeiten haben auch etwas Neues zu lernen.
„Und zwar gibt es auch Menschen die glauben: „Wo ich bin ist vorne und nur wo ich bin ist
vorne.“, mangelnde Team-Player sind. Immer noch glauben, sie seien der Herr der Reußen. Gerade in bestimmten Projekten.“ Interview 2 am 20
„Ich eigentlich mein Wissen, meine Kompetenz in dem Projekt, im bürgerschaftlichen Engagement nur da weiter geben kann, wo ich selber ständig dazu lernen möchte. Ich darf nicht stehen
bleiben. Also Alter ist eine herrliche Sache, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heißt.“
Interview 2 am 20
Kategorie Auswirkungen:
22.) Auf der Ebene der Menschen konnten im Sinne von Handeln und dem Hinschauen etwas verändert werden. Menschen sind jetzt offener und aufmerksamer.
„Auswirkungen gab es einerseits auf der Ebene der Menschen. Dass Leute dort, das ist eine präzise Geschichte für sich, etwas verändert haben, im Blick, aber zum Teil eben aber auch im
Handeln. Einfach wo irgendjemand so, wo viele Leute gesagt haben: „Wir haben etwas gelernt.“. Aber jetzt nicht als abstraktes Wissen, sondern im Sinne von anders darauf schauen und
handeln.“ Interview 4 am 27
23.) Auf der institutionellen Ebene konnte durch die Initiativen etwas verändert
werden. Institutionen öffnen sich vermehrt dem Thema Demenz und setzen sich
mit diesem intensiver auseinander und entwickeln weitere Pläne für die Zukunft.
„Ich glaube auch, auf der institutionellen Ebene sind Veränderungen passiert. […] Die Musikschule hatte die Idee: „Wir wollen auch etwas zur Demenzkampagne beitragen. Wir machen ein
schönes Konzert für die Dementen.“. Und dann gab es, haben wir da das dann diskutiert und so
weiter. Und haben gesagt: „Ja, so einfach ist es aber nicht.“. […] Das war ja gar nicht so klar.
Also das sind ja die Lernprozesse die wir machen müssen. Und auch mit der Konsequenz, dass
sie das nun regelmäßig machen wollen.“ Interview 4 am 27
„Wir sind jetzt daran bei uns in der Stadt wird ist gerade ein Nachbarschaftshaus in Planung, da
werden Hausgemeinschaften für Demenzkranke entstehen. Da wird eine ambulante Wohngemeinschaft entstehen. Da gibt es Planungen, ein Atelier einzurichten in diesem Haus, um Demenzkranke, aber auch Bürger und Bürgerinnen aus dem Stadtteil einzuladen mit Kunst etwas
anzufangen.“ Interview 3 am 23
„Jetzt für dieses Jahr ein großes Projekt was ich mache mit den Pflegediensten zusammen, dass
wir eine Qualifizierungskampagne machen, Für Mitarbeiter in den Pflegediensten, die dann
Betreuungsdienste, häusliche Betreuungsdienste anbieten.“ Interview 3 am 23
„Sondern unser Ziel ist es zum Beispiel, die Sozialpraktika zu verändern, also ganz neue Formen
von Sozialpraktika zu entwickeln. Also einfach sich junge, junge Leute machen sich auf den Weg.
Wir haben zum Beispiel die Berufsschule für Gartenbau und Landschaftspflege gebeten, sich mit
dem Thema Sinnesgarten einmal auseinander zu setzten.“ Interview 2 am 20
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24.) In den Medien ist das Thema Demenz häufiger vertreten, in der lokalen Presse, in besonderen Zeitschriften und vor allen Dingen nicht mehr so negativ besetzt.
Ein weiteres Ziel ist es, dieses Thema häufiger in das Medium Fernsehen einzubringen, da es nur sehr selten dort präsent ist.
„Dann Medien haben Sie gesagt, es gab eine exzellente Begleitung durch die lokale Presse. Und
was festgestellt wurde, in der Auswertung, einfach. Es ist gelungen, auch in dieser Berichterstattung. Also wir haben vorher auch über Bilder gesprochen und so weiter. Dass die Idee, dass man
gesagt hat: „Wir thematisieren Demenz nicht vom Ende her. Wir thematisieren Demenz nicht
unter dem Aspekt Abbau und Grauen.“. Dass das auch von der Sprache her, sich in den Medien
niedergeschlagen hat. Also das konnte dann auch transportiert werden.“ Interview 4 am 27
„Zum Beispiel die ‚Sicht’. Die Sichtredaktion ist also eine ehrenamtliche Redaktion. Die bekommen keinen Pfennig dafür. Also die treffen sich jeden Mittwoch und schreiben über Engagementmöglichkeiten. Über ‚Zukunft Alter’, was sie bewegt als ältere Menschen.“ Interview 2 am
20
„In den Medien finden Sie es gar nicht, oder so gut wie gar nicht. Bei Fach-, klar es gibt dann
Informationssendungen im Kulturprogramm oder so. Aber ich meine jetzt das Breite, das Nachmittagsprogramm, das Vorabendprogramm und die Spielfilme. Bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen, findet das einfach nicht statt.“ Interview 1 am 19
Kategorie Sonstiges:
25.) „Aktion Demenz e.V.“ hat versucht viele Kommunen zu finden, die ein demenzfreundliches Gemeinwesen aufbauen wollten und haben dafür sehr viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben. In den letzten Jahren sind immer mehr Initiativen in
Deutschland entstanden. Der Verein ist ein guter Vermittlungspartner zwischen
den einzelnen Initiativen. Ein Kontakt und Austausch untereinander findet durchaus statt.
„Wir haben ja von „Aktion Demenz“ vor zwei Jahren, sind wir ja so an diesem Punkt gewesen,
dass wir gesagt haben: „Wir müssen auf der kommunalen Ebene ansetzen. […] Dann haben wir
ja gestartet, mit diesem Aufruf ‚Demenzfreundliche Kommune’. Wie können wir, also wir wollen
anregen, dass in Deutschland in Kommunen überlegt wird: „Wie können wir ein Gemeinwesen
schaffen, in dem sich gut leben lässt für Betroffene?“. Ja und da gab es auch noch nicht viel. Da
gab es ganz wenig. Und dann haben sich zwei, drei so auf den Weg gemacht. Und nach einem
Jahr waren es auch noch zwei, drei, vielleicht vier und so weiter. Und seitdem sind wir herum
gefahren, haben mit vielen Kommunen gesprochen. […]“Interview 4 am 27
„Dafür ist ja so was wie „Aktion Demenz“, auch ein toller Partner. Dass man den Austausch
dort eigentlich ganz unproblematisch hin bekommt, Ideen von anderen kennt und übernehmen
kann.“ Interview 1 am 19
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„Kamen paar, kamen Anfragen, ob denn es möglich sei diese Plakate selbst zu verwenden. […]
Jetzt haben wir es also ermöglicht, dass Städte, die das haben wollen, mit unseren Designern
kurz sprechen. Die schreiben dann deren Kontaktdaten da hinunter. Dasselbe Motiv, kurz irgendwo ein kleines Hinweis auf das Projekt hier.“ Interview 1 am 19
Eidesstattliche Versicherung
Hiermit versichere ich, Sabrina Schulz, diese vorliegende Bachelorarbeit
´Demenzfreundliche Kommune`
- Utopie oder Wirklichkeit?
selbstständig und ohne fremde Hilfe angefertigt zu haben. Ich habe dabei nur die in der
Arbeit angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt. Die aus den verwendeten Quellen
wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen wurden als solche kenntlich gemacht.
Diese Bachelorarbeit wurde in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.
Ich bin mir des Weiteren bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben
kann.
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(Freiburg, den 09.Juni 2009)
(Unterschrift)

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