Umluft adiabat kühlen

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Umluft adiabat kühlen
lüftungs-/klimatechnik
Umluft adiabat kühlen
Mitte der 90er Jahre überboten sich die Hersteller von
Lüftungsgeräten gegenseitig mit Systemen adiabater Kühlung.
Konkret handelte es sich um indirekte Systeme, bei denen
die Abluft adiabat befeuchtet wurde und diese dann in
einem Wärmeaustauscher die warme Außenluft abkühlte.
Schon damals waren die Argumente Umweltschutz und
niedrige Investitions- und Betriebskosten.
H
eute – nach mehr als 10 Jahren
Betriebs- und Markterfahrung
– ist von dieser Euphorie nicht
viel übrig; die Umsätze und Stückzahlen sind weit hinter den Erwartungen
zurück geblieben. Nur einige wenige
Hersteller können als Anbieter von
Gesamtgeräten oder wenigstens von
kompletten adiabaten Komponenten einigermaßen zufrieden sein.
Die Gründe für diesen „Misserfolg“
sind schnell aufgezählt. Zum einen war
die Zuverlässigkeit und damit die Leistung nicht immer wie gewünscht, wofür
meist die Ursache auf der Wasserseite
(Wasserqualität und -aufbereitung) zu
suchen war. Auf der anderen Seite waren
die Investitions- und auch Betriebskosten nicht so niedrig wie erhofft. Positiv
ist, dass mit den zwischenzeitlich installierten und in Betrieb befindlichen Anlagen Betriebserfahrungen gesammelt
werden konnten, die Verbesserungen
ermöglichen und so die Idee der adiabaten Kühlung gerade im Zusammenhang mit der jetzt neu aufgeflammten
Umweltschutzdiskussion (globale Erwärmung, CO2-Ausstoß) wieder in Erinnerung rufen. Dabei ist die Anwendung
als adiabate Umluftkühlung neu, sie soll
nachfolgend thermodynamisch näher
beschrieben werden.
Definitionen
Bevor auf die technischen Details der
neuartigen adiabaten Umluftkühlung
eingegangen wird, sind – um Missverständnisse zu vermeiden – erst einige
Definitionen notwendig:
Adiabate Kühlung
Man versteht darunter die Befeuchtung
von Luft unter adiabaten (wärmedichten) Bedingungen, d. h. es wird weder
Energie zu- noch abgeführt. Die für die
Verdunstung notwendige Wärme wird
der Luft entnommen, die dadurch abkühlt. Die Zustandsänderung verläuft
in Richtung der Nebelisotherme (näherungsweise auf einer Isenthalpe) [1];
die minimal mögliche Temperatur ist
die Kühlgrenze auf der Sättigungslinie
(Bild 1).
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Direkte adiabate Kühlung
Wird der zu kühlende Luftstrom befeuchtet, so spricht man von direkter
adiabater Kühlung (Bild 1). Da damit
die Feuchte im Raum ansteigt, ist diese
Anwendung nur selten, z. B. bei Industrieprozessen (Textilindustrie), möglich.
Zu beachten ist auch eine etwaige
Kontamination der Zuluft durch die
Befeuchtung.
Indirekte adiabate Kühlung
Dabei wird die Kühlluft (in der Regel
die Abluft) befeuchtet und damit über
einen Wärmeaustauscher indirekt die
Warmluft (meist die Zuluft) gekühlt. Die
Zuluft wird dabei also nicht befeuchtet;
eine Kontamination ist ausgeschlossen. Dieses Prinzip wird neu auch für
die Kühlung von Umluft verwendet:
Außenluft wird als Kühlluft verwendet,
befeuchtet und wieder ins Freie geblasen; vorher kühlt sie aber in einem Wärmeaustauscher die Umluft ab. Vorbild
für diese Idee sind die maschinellen
dezentralen Kühlanlagen, die üblicherweise, um die Energie für die Kondensation der Außenluftfeuchte zu sparen, im
Umluftbetrieb arbeiten.
2-stufige indirekte adiabate Kühlung
Die beiden Zustandsänderungen der
Kühlluft, Befeuchtung und Kälteübertragung, sind räumlich und zeitlich
getrennt. Zunächst wird befeuchtet
(Verdunstungsbefeuchter,
Sprühbefeuchter oder Kaltdampferzeuger) und
anschließend wird die Kälte in einem
Wärmeaustauscher auf die Warmluft
übertragen (Bild 2). Im Durchschnitt
wird mit diesem Verfahren ein adiabater
Wirkungsgrad von ca. 80% erreicht [2].
1-stufige indirekte adiabate Kühlung
Befeuchtung und Kälteübertragung finden gleichzeitig am gleichen Ort statt;
die Kühlluft wird also direkt im Wärmeaustauscher befeuchtet (Bild 3). Die für
die Verdunstung notwendige Energie
wird der Kühlluft und (durch Wärmeübertragung) der Warmluft entnommen.
Im strengen Sinn ist dies also nicht mehr
adiabat (= wärmedicht); die Funktion
Bild 1:
Direkte adiabate Befeuchtung von Luft.
und die Effizienz sind aber ähnlich wie
beim 2-stufigen Verfahren. Im Durchschnitt wird mit diesem Verfahren ein
adiabater Wirkungsgrad von ca. 76%
erreicht [2].
Adiabater Wirkungsgrad
Die Effizienz einer adiabaten Kühlanlage hA lässt sich einfach mit der Kühlgrenztemperatur als theoretisch niedrigste Temperatur im Prozess definieren;
es wird die tatsächliche Abkühlung der
Zuluft zur max. möglichen Abkühlung
(auf die Kühlgrenze) ins Verhältnis gesetzt [2]:
Leistungseinflüsse
Der Wirkungsgrad der indirekten adiabaten Kühlung hängt zum einen von der
Qualität der Befeuchtung und zum anderen von der Qualität des Wärmeaustausches ab. Die bisherige Betriebserfahrung mit verschiedenen Anlagen
zeigt aber, dass eine einseitige Fokussierung auf Höchstleistung nicht immer
betriebswirtschaftlich optimal ist.
Befeuchtung
Pauschal kann man sagen, dass die Befeuchtungsqualität (der Befeuchtungswirkungsgrad) direkt mit der erforderlichen Wasserqualität gekoppelt ist.
Kurz (und leider aus Platzgründen nicht
umfassend) sind die einzelnen Befeuchtersysteme wie folgt zu klassifizieren:
– Kontaktbefeuchter: Dieses System hat
sich vor allem in den USA seit Jahren
bewährt. Es ist zuverlässig und kostengünstig und kann somit von Zeit zu
Zeit anstelle einer Reinigung ausgewechselt werden.
– Sprühbefeuchter: Damit gibt es im
Moment in Europa die meisten Erfahrungen. Das System ist (vor allem
mit großen Düsendurchmessern)
zuverlässig und unempfindlich. Eine
Wasserbehandlung ist nur in AusnahÖsterreichs einzige spezialisierte Fachzeitschrift für
die Bereiche Heizung, Lüftung, Klima- und Kältetechnik
Heizung Lüftung Klimatechnik – 5/2007
Heizung
Lüftung
Klimatechnik
lüftungs-/klimatechnik
Bild 2:
2-stufige indirekte adiabate Kühlung.
Bild 3:
1-stufige indirekte adiabate Kühlung.
Bild 4:
Einfluss des Vorkühlers auf die Kühlgrenze.
mefällen notwendig. Es ist das einzige
System, dass derzeit beim 1-stufigen
Verfahren verwendet wird.
– Kaltdampferzeuger
(Hochdruckbefeuchter): Die hohe Befeuchtereffizienz verlangt in der Regel wegen der
kleinen Düsendurchmesser aufbereitetes Wasser. Dies schlägt sich in den
Kosten nieder.
Für alle Verfahren gilt, dass bisher keine
Probleme mit gesundheitsschädlicher
Kontamination der Warmluft (z. B. Legionellen) bekannt sind.
Wärmeübertragung
Grundsätzlich können beim 2-stufigen
Verfahren alle Arten von Wärmeaustauschern, sprich Wärmerückgewinner,
eingesetzt werden. Wichtig ist aber, dass
dabei nicht auch Feuchte übertragen
wird, da sich sonst das Kühlpotenzial
verringert.
Praktisch werden beim 2-stufigen Verfahren in der Regel Plattenwärmeaustauscher eingesetzt; in manchen Fällen
haben sich aber auch Kondensationsrotoren bewährt.
Bei 1-stufiger indirekter adiabater Kühlung werden dagegen ausschließlich
Plattenwärmeaustauscher verwendet,
zur Verbesserung der Effizienz manchmal mit hydrophiler Beschichtung. Um
die Wärmeübertragung zu verbessern,
werden oft auch zwei Plattenaustauscher hintereinander oder (bei kleineren
Luftleistungen)
Gegenstromtauscher
eingesetzt. Dies macht bei Lüftungsanlagen mit Außenluft/Fortluft Sinn, da
diese Tauscher auch zur Wärmerückgewinnung dienen. Bei der Anwendung
Österreichs einzige spezialisierte Fachzeitschrift für
die Bereiche Heizung, Lüftung, Klima- und Kältetechnik
Heizung
Lüftung
Klimatechnik
5/2007 – Heizung Lüftung Klimatechnik
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lüftungs-/klimatechnik
Bild 5: Schema adiabates Umluftkühlgerät: 1 – Ablauf,
2 – Zulufttemperaturfühler, 3 – Befeuchterpumpe,
4 – Wasserwanne, 5 – Befeuchter, 6 – Kühler, 7 – Vorkühler,
8 – Zuluftventilator, 9 – Fortluftventilator, 10 – Zuluftfilter,
11 – Kühlluftfilter, 12 – Zulauf.
Vorkühlung
Die Überlegungen mit mehreren Kreuzstromtauschern im Gleich- und Gegenstrom verführen zur Frage, ob es
nicht bessere Schaltungen gibt. Eine
mögliche Antwort darauf ist die patentierte Idee, einen Tauscher als Vorkühler
der Kühlluft zu verwenden. Damit ist es
möglich, die Kühlgrenztemperatur zu
senken, was mit sehr guter Befeuchtung
und Wärmeübertragung zu Wirkungsgraden von über 100% führen kann
(Bild 4). Messungen mit dem nachfolgend beschriebenen adiabaten Umluftkühlgerät zeigen, dass der darin enthaltene Vorkühler eine Leistungssteigerung
von etwa 20% erbringt. Wichtig ist hier
auch der Hinweis auf den verminderten
Wasserverbrauch für die Befeuchtung.
Umluftkühlgerät
Bild 6:
Schnittbild
des adiabaten
Umluftkühlgerätes.
Tabelle 1:
Kühlleistungen
und Zulufttemperaturen des
adiabaten
Umluftkühlgerätes
bei verschiedenen Luftkonditionen.
im Umluftbetrieb ist aber abzuwägen,
welche Schaltung die bessere ist:
–G
egenstrom: Wenn die Kapazität der
Warmluft überwiegt (große Termperaturdifferenz Warmluft – Kühlgrenze),
erhält man damit die besten Werte.
– Gleichstrom: Wenn die Qualität der
adiabaten Kühlung gut ist und die damit erzeugte Kühlkapazität überwiegt
(z. B. bei geringer Temperaturdifferenz
Warmluft – Kühlgrenze), wird aus
dem Massengleichstrom ein Kältegegenstrom und somit die bestmögliche
Leistung. Messungen von einem und
zwei Kreuzstromtauschern im 1-stufigen Verfahren zeigen aber, dass die
Unterschiede nicht gravierend sind
und man durchaus auch mit einem
einzigen Kreuzstromtauscher sehr gute Werte erreichen kann.
Es handelt sich um ein adiabates Umluftgerät zum Kühlen von großen Räumen und Industriehallen. Die Funktion
ist in Bild 5 dargestellt.
Ein Zuluftventilator saugt Luft (ca. 6.000
m3/h) aus dem Raum an, diese wird im
Kühler abgekühlt und wieder dem Raum
zugeführt. Als Kühlmittel wird Außenluft
(ca. 4000 m3/h) verwendet. Diese wird
über einen Filter angesaugt und im
ersten Plattenwärmeaustauscher vorgekühlt; damit sinkt die Grenztemperatur
der adiabaten Kühlung. Die Außenluft
wird anschließend von oben zunächst in
einen Kreuzstromtauscher (Kühler) und
anschließend in den zweiten Kreuzstromtauscher (Vorkühler) geblasen.
Beide Tauscher sind untereinander angeordnet und zusammengeflanscht. Die
Außenluft (und die Plattenwärmeaustauscher) werden von oben mit speziell
ausgelegten Sprühdüsen befeuchtet und
damit abgekühlt. Nach dem Vorkühler
wird die Kühlluft wieder ins Freie geblasen.
Das Gerät wird sinnvollerweise außen
an der Halle montiert. Die Absaugung
kann über einen Wanddurchbruch direkt erfolgen (Bild 6). Die Zulufteinbringung sollte wegen der niedrigen
Temperatur über Verdrängungsauslässe
erfolgen.
Das Gerät arbeitet also mit einem
1-stufigen indirekten adiabaten Verfahren mit Vorkühler. Ausführliche Mes-
Index
1. Index
1 = Warmluft
2 = Kühlluft
2. Index
0 = Eintritt Vorkühler
1 = Austritt Vorkühler/Eintritt Befeuchter
2 = Austritt Befeuchter/Eintritt Wärmeaustauscher
3 = Austritt Wärmeaustauscher
3. Index
K = Kühlgrenze
sungen im Labor des ILK Dresden
zeigen, dass damit hervorragende Kühlleistungen erreicht werden:
– Der adiabate Wirkungsgrad liegt relativ konstant bei ca. 90%; bei kleinen
Temperaturdifferenzen werden sogar
Werte bis zu 106% erreicht. Und dies,
obwohl das Luftvolumen (Massenstrom) der Kühlluft geringer ist als das
der Warmluft.
– Der Vorkühler verbessert die Leistung
um ca. 20%, d. h. der adiabate Wirkungsgrad ohne Vorkühler beträgt nur
ca. 75%.
Die tatsächliche Kühlleistung des Gerätes hängt natürlich von den Luftkonditionen ab. Mit den oben genannten
Messungen sind die in der Tabelle 1
aufgeführten Werte zu erwarten.
Die Regelung der Kühlleistung kann
einfach über die eingespritzte Wassermenge und die Luftleistung erfolgen.
Beurteilung
Mit der Verwendung der adiabaten
Kühlung für Umluft wird eine neues Anwendungsgebiet erschlossen, bei dem
auch neue Komponentenanordnungen
möglich sind. Mit dem Vorkühler wird
nicht nur die Leistung verbessert, sondern auch der notwendige Wasserverbrauch reduziert. So erreicht man mit
bewährten, zuverlässigen und kostengünstigen Komponenten vergleichsweise hohe adiabate Wirkungsgrade und
somit Kühlleistungen. Im Bezug auf die
Investitions- und Betriebskosten lässt
sich eine günstige und, in Hinsicht auf
die Umwelt, zukunftsorientierte Kühlung realisieren. Eine weitere Optimierung des Prozesses, z. B. durch andere
Luftmengenverhältnisse oder Materialien, ist möglich.
Dr.-Ing. Edgar Beck,
Hovalwerk AG, Vaduz/Liechtenstein
Literatur
[1] Reinmuth, Friedrich: Lufttechnische Prozesse, Verlag C. F. Müller, 1992
[2] Beck, Edgar: Adiabate Kühlung mit Plattenwärmeaustauschern, TAB 1996, Heft Nr.
11 und 12
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Heizung Lüftung Klimatechnik – 5/2007
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