Arbeitsrecht - Das Weisungsrecht des Arbeitgebers – Inhalt

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Arbeitsrecht - Das Weisungsrecht des Arbeitgebers – Inhalt
Autorin: Anja Sollmann
Foto: iStockphoto
138 | AMBULANTE PFLEGE
Arbeitsrecht
Das Weisungsrecht des
Arbeitgebers – Inhalt und Grenzen
Das Weisungsrecht, auch Direktionsrecht genannt, ist für alle Arbeitsverhältnisse in § 106 Gewerbeordnung (GewO) geregelt. Darin heißt es,
dass der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach
billigem Ermessen näher bestimmen kann.
oweit der Arbeitsvertrag
keine konkreten Regelungen vorsieht, hat der Arbeitgeber das Recht, die Arbeitsverpflichtung, aber auch Regelungen zur Ordnung und zum
Verhalten des Arbeitnehmers
näher auszugestalten. Es ist das
bestimmende Merkmal des Arbeitsverhältnisses als abhängigem Beschäftigungsverhältnis,
dass der Arbeitnehmer weisungsgebunden ist. Anders ist es
bei freien Mitarbeitern, die dem
Auftraggeber gegenüber keinen
Weisungen nach § 106 GewO
unterworfen sind.
S
Art, Ort und Zeit
Der Arbeitsvertrag enthält zumeist keine konkretisierten Fest-
legungen zu Inhalt, Ort und Zeit
der vereinbarten Arbeitsleistung.
Je weniger konkret die Bedingungen der Beschäftigung im
Arbeitsvertrag ausgestaltet sind,
desto weiter ist der Spielraum
beim Weisungsrecht. Der Arbeitgeber übt sein Weisungsrecht
einseitig aus, so dass ein Einverständnis des Arbeitnehmers
nicht erforderlich ist.
Beispiel: Eine Pflegende ist nach
ihrem Arbeitsvertrag als Gesundheits- und Krankenpflegerin mit einer wöchentlichen
Arbeitszeit von 40 Stunden in
einem ambulanten Pflegedienst
in Hannover beschäftigt.
Inhaltlich kann der Inhaber des
ambulanten Pflegedienstes seine
Mitarbeiterin mit allen Tätigkeiten betrauen, die dem Berufs-
und Tätigkeitsbild einer Gesundheits- und Krankenpflegerin entsprechen. Eine dauerhafte
Zuweisung anderer Aufgaben ist
dagegen nicht per einseitiger
Anordnung zulässig. Die Gesundheits- und Krankenpflegerin darf also nicht als Hauswirtschaftskraft beschäftigt werden.
Ist der Einsatzort im Arbeitsvertrag nicht benannt, kann der
Arbeitgeber seine Mitarbeiter
nur innerhalb der Gemeinde
beschäftigen, in der der Pflegedienst seinen Sitz zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
unterhält. Eine Versetzungsmöglichkeit an andere Standorte
muss im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart werden.
Das Weisungsrecht hinsichtlich
der Zeit der Arbeitsleistung beDie Schwester Der Pfleger plus+ 09|12
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zieht sich auf die Verteilung der
im Arbeitsvertrag vereinbarten
wöchentlichen oder monatlichen
Arbeitszeit auf die einzelnen
Wochentage. Die Dauer der Arbeitszeit ist davon nicht erfasst,
lediglich die zeitliche Lage.
Grenzen des Weisungsrechts
Die Grenzen des Weisungsrechts
ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag, der Stellenbeschreibung,
einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung und schließlich aus gesetzlichen Regelungen. In der Personalpraxis der
ambulanten Pflege stellen sich
Fragen zur Ausübung und zu
den Grenzen des Weisungsrechts
häufig im Zusammenhang mit
dem Dienstplan, mit der Anordnung von Überstunden, aber
auch der Möglichkeit, zur Flexibilisierung der Arbeitszeit Minusstunden einzuplanen.
Mit dem Dienstplan macht der
Arbeitgeber von seinem Weisungsrecht hinsichtlich der zeitlichen Lage der Arbeitszeit Gebrauch, indem die zu leistenden
Dienste und Touren der Mitarbeiter auf die Wochentage verteilt werden. Der Dienstplan
weist auch die freien Zeiten sowie Abwesenheit aufgrund von
Urlaub und Arbeitsunfähigkeit
aus. Wenn der Arbeitgeber bei
kurzfristigem Personalausfall
auf die Mitarbeiter im Frei zurückgreifen möchte, ist das vom
Weisungsrecht nach § 106 GewO
nicht erfasst, da der Arbeitgeber
kein Direktionsrecht in der Freizeit des Arbeitnehmers hat. Eine
Dienstplanung nach Bedarf ist
lediglich in den Grenzen des § 12
Teilzeit- und Befristungsgesetz
zulässig. Danach muss vertraglich vereinbart werden, dass die
Arbeitsleistung entsprechend
des Arbeitsanfalls zu erbringen
ist. Der Abruf zum Dienst muss
außerdem vier Tage vorher erfolgen.
Dienstverpflichtung
in Notsituationen
Der Arbeitnehmer hat in außergewöhnlichen Notfällen aufDie Schwester Der Pfleger plus+ 09|12
grund seiner Treuepflicht auch
Anweisungen in seiner arbeitsfreien Zeit zu befolgen und muss
einspringen, wenn ein Schaden
für den Arbeitgeber anders nicht
abzuwenden ist. Ein regelmäßiger Ausfall von Kolleginnen und
Kollegen oder ein ständiger
Pflegefachkräftemangel sind jedoch keine außergewöhnlichen
Notfälle. In diesem Fall kann
der Arbeitgeber nicht auf sein
Weisungsrecht zurückgreifen,
sondern benötigt das Einverständnis der Mitarbeiter, wenn
diese einspringen sollen.
Ansonsten gilt auch hier, dass
die vertraglich vereinbarte Dauer der Arbeitszeit nicht dem einseitigen Weisungsrecht unterliegt. Kurzfristige Arbeitsausfälle gehören zum Betriebsrisiko
und können daher nicht dauerhaft mit Minusplanung aufgefangen werden. Zulässig ist es,
wenn der Arbeitgeber in diesen
Fällen einen Überstundenabbau
anordnet, sofern Überstunden
vorhanden sind. Die Mitarbeiter
haben – anders als beim Urlaub
Umgang mit Überstunden
Im Unterschied zur zeitlichen
Lage ist die Dauer der Arbeitsleistung vom Weisungsrecht nach
§ 106 GewO nicht erfasst. Diese
wird vielmehr im Arbeitsvertrag
geregelt, in dem Arbeitgeber und
Arbeitnehmer beispielsweise eine wöchentliche Arbeitszeit von
40 Stunden vereinbaren. Eine
Anordnung von darüber hinausgehender Arbeit ist nur möglich,
wenn die Verpflichtung des Ar-
„Je weniger konkret die Beschäftigung im
Arbeitsvertrag ausgestaltet wird, desto mehr Spielraum
hat der Arbeitgeber beim Weisungsrecht.
Grenzen erfährt das Weisungsrecht jedoch dort,
wo Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bereits
rechtlich verbindlich festgelegt sind“
Anja Sollmann, Rechtsanwältin des DBfK Nordwest e.V.
beitnehmers zur Ableistung von
Überstunden vertraglich festgehalten wurde. Ist das der Fall,
können Überstunden in den
Grenzen des Arbeitszeitgesetzes
verlangt werden.
– keinen Anspruch auf Berücksichtigung individueller Wünsche für die Lage der Überstundenfreizeit.
Anschrift der Verfasserin:
Wird die Arbeitszeit auf Arbeitszeitkontenbasis geführt, ist eine
Planung mit Plus- und Minusstunden möglich und zulässig.
Die Einrichtung von Arbeitszeitkonten ist im Arbeitsvertrag
zu vereinbaren.
Anja Sollmann
Rechtsanwältin, Referat Rechtsund Versicherungsfragen
DBfK Nordwest e.V.
Müller-Breslau-Straße 30 a, 45130 Essen
E-Mail: [email protected]

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