Kreative Ökonomie und Kreative Räume
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Kreative Ökonomie und Kreative Räume
Kreative Ökonomie und Kreative Räume: Kultur- und Kreativwirtschaft in der integrierten Stadtentwicklung Endbericht ILS – Institut für Landesund Stadtentwicklungsforschung gGmbH Kreative Ökonomie und Kreative Räume: Kultur- und Kreativwirtschaft in der integrierten Stadtentwicklung Endbericht Im Auftrag des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen ILS – Institut für Landesund Stadtentwicklungsforschung gGmbH ILS Prof. Dr. Rainer Danielzyk Deutsche Straße 5, D-44339 Dortmund Fon: +49-(0)231/ 90 51 - 0 Fax: +49-(0)231/ 90 51 - 155 [email protected] www.ils.nrw.de STADTart Planungs- und Beratungsbüro Kultur – Freizeit – Sport Dipl.-Ing. Ralf Ebert, Dr. Friedrich Gnad Gutenbergstr. 34, D-44139 Dortmund Fon: +49-(0)231/ 58 44 99 5 - 0 Fax: +49-(0)231/ 58 44 99 5 - 27 e-mail: [email protected] www.stadtart.com Bearbeiter: Dipl.-Ing./Stadtplaner NW Ralf Ebert (STADTart) Prof. Dr. Rainer Danielzyk (ILS) Dipl.-Ing. Cord Rüdiger Carl (ILS) Dipl.-Geogr. Uwe van Ooy (STADTart) Redaktion, Layout und Fotos STADTart, Dortmund Mai 2008 Inhaltsverzeichnis 1 Auftrag und Zielsetzung der Untersuchung ......................................... 1 2 Kreative Ökonomie und Kreative Räume – eine Einführung in das Forschungsfeld ........................................................................................ 5 Kultur- und Kreativwirtschaft, „Kreative Räume“, „Kreatives Handeln“ in der Stadtentwicklung: ein Überblick ................................ 11 Kultur- und Kreativwirtschaft als Handlungsfeld in ausgewählten Städten Europas ..................................................................................... 15 Vergleich kommunaler Konzepte und Strategien am Beispiel der Städte Berlin, Amsterdam, Manchester und Linz ................................................. 15 Erfahrungen und Schlussfolgerungen für die Stadtpolitik im Handlungsfeld Kultur- und Kreativwirtschaft ............................................. 20 Standortfaktoren in der Kultur- und Kreativwirtschaft und Schlussfolgerungen für die Stadtpolitik .............................................. 22 5.1 Ergebnisse einer Studie in Berlin .............................................................. 22 5.2 Ergebnisse einer Studie in Dortmund ........................................................ 24 5.3 Schlussfolgerungen für die Stadtpolitik ..................................................... 26 6 Stadtentwicklung und Kultur- bzw. Kreativwirtschaft in ausgewählten Städten des Landes NRW .............................................. 28 6.1 Konzepte, Maßnahmen und Initiativen ...................................................... 28 6.2 Fazit .......................................................................................................... 33 7 Arbeitshypothesen zu Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft in den Kommunen des Landes .............................................................. 36 7.1 Kultur- und Kreativwirtschaft in der Hierarchie der Städte ........................ 37 7.2 Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft: „Kreative Räume“, ein Ansatz in der Stadtentwicklungsplanung ............................................. 39 „Kreative Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Metropolregion Berlin/Brandenburg: Ansatz und Ergebnisse ............................................ 40 Modelle zu den Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft im Städtesystem des Landes NRW ................................................................ 44 Schlussfolgerungen und Darstellung der weiteren Vorgehensweise . 53 Literatur .................................................................................................................. 62 3 4 4.1 4.2 5 7.3 7.4 8 Kreative Ökonomie und Kreative Räume 1 Auftrag und Zielsetzung der Untersuchung In einer immer stärker von den Merkmalen der „Wissensökonomie“ geprägten Wirtschaft und Gesellschaft ist Innovationsfähigkeit nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Städte und Regionen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Folgerichtig betonen sowohl die neuen Leitlinien zur Stadtentwicklungspolitik auf Bundesebene als auch die Strukturpolitik der EU die zentrale Rolle, die den Städten als Zentren der Entwicklung von Wissen und Innovation zukommt. Innovationsfähigkeit erfordert dabei einerseits Bildungs-, Forschungs- und Transferinfrastrukturen auf hohem Niveau, andererseits aber auch – ganz allgemein gesprochen – kreativitätsfördernde Rahmenbedingungen. Diese finden sich vor allem in den Städten, da soziale, kulturelle und wirtschaftliche Vielfalt sowie die Auseinandersetzung zwischen und der Umgang mit verschiedenen Lebensformen, Werthaltungen und Milieus schon immer Kennzeichen der „Europäischen Stadt“ waren. Daher finden sich auch hochwertige Dienstleistungen und kreative Berufe in weit überdurchschnittlichen Ausmaßen in großen Städten. Attraktive Stadtzentren und lebendige Quartiere stellen für sie offenkundig ein gutes Umfeld dar. Mit dem Wandel in Richtung einer wissens- und kreativitätsbasierten Ökonomie geht somit auch eine Neubewertung der Qualitäten der „Europäischen Stadt“ einher. So hebt u. a. Richard Florida hervor, dass die Schlüsselfaktoren für den Erfolg moderner wissensbasierter Ökonomien – „Talents“, „Tolerance“, „Technology“ – eng mit urbanen Milieus verknüpft seien (Florida 2007). Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat zu Beginn des Jahres 2007 eine neue Phase der Standort- und Strukturpolitik eingeleitet, deren Leitbild die Stärkung der kreativen Ökonomie in NRW ist und die dabei ausdrücklich auf die Qualifizierung städtischer Räume abhebt: „Ideen und Kreativität werden das wichtigste Wirtschaftsgut des 21. Jahrhunderts sein… Es geht also nicht nur um eine kleine Wissenselite, sondern um die ganze Gesellschaft. Und das heißt im Klartext: Wir sind auf dem Weg zu einer kreativen Ökonomie. Das ist nichts weniger als eine zweite industrielle Revolution. Die große Aufgabe ist, alle auf diesem Weg mitzunehmen. Kunst und Kultur rücken damit ins Zentrum wirtschaftlicher Prosperität. Sie sind nicht mehr nur Luxus oder Zugabe. Sie sind elementar. Denn symbolische Deutungen und Bedeutungen spielen eine immer größere Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg – gerade in der globalisierten Wissensgesellschaft. Sie lebt davon, dass Produkte und Dienstleistungen, ja dass städtische Räume und ganze Regionen eine besondere Bedeutung bekommen. Erst dann werden sie für Menschen attraktiv…“ (Rüttgers 2007). ILS / STADTart 1 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Vor diesem Hintergrund sind in den letzten Monaten eine Vielzahl von Initiativen zur Förderung der Kreativität und Innovationsfähigkeit sowie insbesondere zur Stärkung der kreativen Ökonomie in NRW gestartet worden. Beispielhaft sei hier zunächst hingewiesen auf den Wettbewerb „Create.NRW“ des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, der im Rahmen des EU-NRWZiel 2-Programms 2007 gestartet wurde. Ziel des Wettbewerbes ist es, „Ideen und Konzepte für die Weiterentwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft in den Teilbranchen sowohl auf regionaler Ebene wie auch auf Landesebene zu generieren, mit denen entsprechend den Zielen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), eine Stärkung von Innovationssystemen und zusätzliche Beschäftigung“ in NRW und seinen Regionen erreicht werden sollen (MWME 2007, 7). Hervorzuheben ist auch der von der Landesregierung veranstaltete internationale Kongress „Kulturwirtschaft 07: Wandel durch Kulturwirtschaft – Perspektiven einer Zukunftsbranche“ am 17./18.09.2007 in Essen. Auf diesem Kongress ist eine „Essener Erklärung“ verabschiedet worden, die zahlreiche Begründungen und Hinweise für eine Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft enthält (ohne Autor 2007). Im Hinblick auf das Ruhrgebiet sei hier noch erwähnt, dass sowohl die „Initiative Zukunft Ruhr“ der Landesregierung als auch die Aktivitäten im Zusammenhang mit der Vorbereitung der „Kulturhauptstadt 2010“ einen Schwerpunkt auf die Förderung der Kreativität und die Stärkung der kreativen Ökonomie im Ruhrgebiet setzen. Vitale Städte und insbesondere lebendige urbane Milieus gelten vielfach, wie oben schon erwähnt, als eine wichtige Voraussetzung für Kreativität und Innovationsfähigkeit. Die Stadtentwicklungspolitik des Landes NRW hat schon in der Vergangenheit durch verschiedene Initiativen und Ansätze zur Förderung sozialer und kultureller Innovationen und kreativer Milieus beigetragen. Erwähnt seien hier zum Beispiel die Internationale Bauausstellung Emscherpark, in deren Programmatik das ein ausdrücklicher Schwerpunkt war, aber auch das Programm „Initiative ergreifen“ sowie Teilaspekte des Programms „Soziale Stadt“. Insoweit gibt es schon über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrungen mit entsprechenden Ansätzen und Initiativen im Kontext der Stadtentwicklungspolitik, die zu beachten, aber auch angesichts der veränderten wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen fortzuentwickeln sind. Besonders deutlich wird dieser Wandel etwa im REGIONALE-Ansatz, der sich im Laufe der Zeit immer mehr zu einem strukturpolitischen Ansatz, der auch die Rahmenbedingungen für Kreativität und Innovationsfähigkeit verbessern will, entwickelt hat (MBV NRW/ILS NRW 2006). An dieser Stelle sei auch noch einmal besonders betont, dass die Zielvorstellungen einer kreativitätsorientierten Stadtentwicklungspolitik und einer zeitgemäß verstande- 2 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume nen Wirtschaftsförderpolitik nicht im Gegensatz zueinander stehen, sondern sich vielmehr überschneiden und ergänzen. Das wurde schon in den 1990er Jahren unter dem Stichwort „Bedeutungsgewinn weicher Standortfaktoren“ diskutiert, gerät nun aber noch stärker ins Bewusstsein der beteiligten Akteure. Ein besonders wichtiger Aspekt ist dabei, dass hochqualifizierte Beschäftigte (im Sinne von „Humankapital“) eine wesentliche Voraussetzung für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sind. Nach allen vorliegenden Erkenntnissen sind vielfältige urbane Milieus für sie gleichermaßen Anziehungspunkt wie auch Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten. Ein Defizit an entsprechend qualifizierten Arbeitskräften könnte zu einem Entwicklungshemmnis werden, da wirtschaftliche Dynamik vor allem von wissensintensiven Wirtschaftsbereichen ausgeht, die auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind (vgl. dazu ausführlich Helbrecht/Meister 2007). Vor diesem Hintergrund muss es also darum gehen, eine Stadtentwicklungspolitik zu initiieren, die „Urbanität“ und urbane Milieus stärkt. Ein entsprechender strategischer Ansatz der Stadtentwicklungspolitik ergänzt andere wirtschafts- und kulturpolitisch ausgerichtete Initiativen und Ansätze um spezifische sozialräumliche Aspekte. Dabei stellen sich selbstverständlich viele Fragen, nicht nur nach geeigneten Instrumenten und Prozessen sowie den relevanten Akteuren, sondern auch nach den konkreten Ansatzpunkten für entsprechende Maßnahmen. Darüber hinaus stellen sich Grundsatzfragen nach der Möglichkeit und dem Ausmaß der Plan- und Gestaltbarkeit kreativer Milieus. Hier scheint ein grundsätzlicher Widerspruch zu bestehen, der darauf verweist, dass es eher um Rahmen setzende Strategien (im Sinne einer „Kontextsteuerung“) gehen muss. Des Weiteren entstehen Innovationen und Kreativität vielfach in sozial spannungsreichen Situationen, die aus sozial- wie sicherheitspolitischer Perspektive eigene Probleme mit sich bringen können. Insofern ist im Zusammenhang mit einer kreativitätsfördernden Stadtentwicklungspolitik eine Vielzahl von grundsätzlichen und praktischen Aspekten und Problemen zu diskutieren. Nicht zuletzt ist auch zu erörtern, welche Unterstützung seitens der Landesebene für eine letztlich nur sehr lokalspezifisch zu realisierende kreativitätsfördernde Stadtentwicklungsstrategie gegeben werden kann. In diesem Sinne ist vom Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes NRW ein Forschungsprojekt an das ILS NRW und das Büro STADTart vergeben worden, das die aufgeworfenen Fragen behandeln und ein Spektrum von handlungsorientierten „Bausteinen“ für eine kreativitätsorientierte Stadtentwicklungspolitik erarbeiten soll. Entsprechende „Bausteine“ müssen stadtspezifisch (d. h. in Abhängigkeit von Stadtgröße, Entwicklungstyp usw.) und quartiers-, nutzungs- und entwicklungsspezifisch (z. B. für Innenstädte, Innenstadtrandgebiete, Stadtteilzentren, Brachflächen usw.) zugeschnitten sein. Der zu erarbeitende Ansatz ist in engem Zusammenhang mit anderen Aspekten der Stadtentwicklungspolitik des Landes NRW zu sehen und soll nicht nur ILS / STADTart 3 Kreative Ökonomie und Kreative Räume zur Förderung wirtschaftlicher Dynamik beitragen, sondern auf Raumverträglichkeit und soziale Integration ausgerichtet sein. Die „Bausteine“ sollen vor allem dazu beitragen, mögliche Handlungsstrategien zur Schaffung eines kreativitätsfördernden urbanen Umfeldes zu formulieren und zu unterstützen. Im Sinne des oben begründeten Ansatzes der „Kontextsteuerung“ wird es dabei vor allem um ein zielgerichtetes Einwirken auf die Rahmenbedingungen und eine Beeinflussung der Ressourcenausstattung gehen müssen. Von wesentlicher Bedeutung sind dabei, im Sinne der obigen Ausführungen, die Ansprüche der hochqualifizierten Arbeitskräfte („kreative Klasse“), die insbesondere auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig sind, an das städtische und stadtregionale Umfeld. Im Ergebnis sind also Instrumente und Verfahren zu benennen, die kontextuell Standortbedingungen für eine „kreative Stadt“ stärken helfen. Es besteht kein Zweifel, dass entsprechende „Bausteine“ nur in enger Kooperation mit Kommunen erarbeitet werden können, um einerseits auf ggf. vorliegende Erfahrungen zurückzugreifen, andererseits aber auch sicherzustellen, dass die Handlungsvorschläge für die Planungs- und Politikpraxis vor Ort angemessen sind. Von daher sind im Rahmen des Forschungsprojektes sowohl praktische Erfahrungen ausländischer und deutscher Städte mit entsprechenden Ansätzen als insbesondere auch die konkreten Bedingungen der Städte in NRW zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund des allgemeinen Diskussionsstandes als auch der spezifischen Anforderungen an dieses Forschungsprojekt gliedert sich der vorliegende Bericht wie folgt: Zunächst werden der fachliche Diskussionsstand zur Thematik skizziert, der Betrachtungsgegenstand eingegrenzt und einige Definitionen zur besseren Verständigung in einem durchaus zu „Unschärfen“ neigenden Diskurs vorgenommen (Kapitel 2). Im Anschluss werden die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden spezifischen Anforderungen der Selbstständigen und Unternehmen an „kreative Räume“ bzw. an die Stadtentwicklung erörtert (Kapitel 3) sowie Erfahrungen europäischer Städte mit vorhandenen kommunalen Strategien zur Kreativitätsförderung geschildert (Kapitel 4). Es folgt ein Kapitel über Standortfaktoren in der Kultur- und Kreativwirtschaft (Kapitel 5). Danach werden Konzepte, Maßnahmen und Initiativen vier ausgewählter Städte aus Nordrhein-Westfalen zum Themenfeld „Stadtentwicklung und Kultur- und Kreativwirtschaft“ vorgestellt (Kapitel 6). Die verschiedenen Betrachtungsansätze münden dann in differenzierten Überlegungen zu Raumtypen und Standorten der Kreativitätswirtschaft in den Kommunen des Landes NRW (Kapitel 7). Den Abschluss bildet ein Ausblick auf künftig sinnvolle und notwendige Schritte (Kapitel 8). 4 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume 2 Kreative Ökonomie und Kreative Räume – eine Einführung in das Forschungsfeld An die Stelle klassischer Produktionsmittel, die vor allem im Industriezeitalter die Wertanlage eines Unternehmens verkörperten, treten in der Wissensgesellschaft die Mitarbeiter als Vermögenswert. Humankapital stellt in der postindustriellen Wirtschaft inzwischen die entscheidende Größe dar. Kreative Ökonomie und Kreative Räume in der Stadtforschung Sailer stellt fest, dass Forschungsarbeiten im Bereich der „Human Ressources“ den Raum bzw. die baulich-räumliche Gestaltung als Einflussgröße auf das kreative Arbeitskräftepotential lange Zeit vernachlässigten (Sailer 2004, 2). Raum galt entweder als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen oder als Produkt menschlichen Handelns. Selten nur wurde er aber als Potential verstanden, das – in geeigneter Weise gestaltet – zur Attraktion von Arbeitskräften oder zur Unterstützung ihres Schaffens beitragen kann. Neuere Forschungsansätze gehen davon aus, dass Innovation dort entsteht, wo Lebensstil und Lebensgefühl optimal integriert sind. Menschen in innovationsorientierten Wirtschaftsbereichen fragen offenkundig vor allem Standorte nach, die sowohl urbane Dichte und Vielfalt (kulturell, sozial) als auch genügend Grün- und gestalterischen Freiraum bieten. Städtischer Raum muss für sie als Ort der Kommunikation, der Rekreation, der Inspiration und des Schaffens spezifische Qualitäten und kreative Nutzungsmöglichkeiten bieten (vgl. dazu ausführlich Kapitel 6). Entsprechend stellen aktuelle Studien zur „Kreativen Stadt“ den Zusammenhang zwischen Innovationskraft und räumlichen Umfeldbedingungen heraus. Landry rechnet der räumlichen Konstellation des Ortes eine große Bedeutung für die Entstehung innovativer Strukturen zu (Landry 2006, 133). „A creative milieu is a place – either a cluster of buildings, a part of a city, a city as a whole or a region – that contains the necessary preconditions in terms of hard and soft infrastructure to generate a flow of ideas and inventions. Such a milieu is a physical setting where a critical mass of entrepreneurs, intellectuals, social activists, artists (…) can operate in an open-minded, cosmopolitan context and where face to face interaction creates new ideas (…)”. Landry legt einen Fokus auf das Wechselspiel zwischen räumlicher Nähe, sozialer Nähe und institutioneller Nähe, die als Voraussetzungen für die Entstehung von Innovation und die Generierung von Wissen gelten können (Institutioneller Ansatz). Die Stadt als Standort der Wissensproduktion ist darüber hinaus deutlich mehr als ein Knotenpunkt in einem Netzwerk von Akteuren, Institutionen, Informationsflüssen und Tauschbeziehungen. Helbrechts Ansatz vom „geographischen Kapital“ und vom „look and feel“ des Standortes geht über die netzwerkökonomischen Theorien von Urbanisations- und Lokalisationsvorteilen der Stadt weit hinaus und bezieht die sinnlich ILS / STADTart 5 Kreative Ökonomie und Kreative Räume wahrnehmbare Umgebungsqualität sowie die physiognomisch wahrnehmbare Ausstattung des Stadtraumes in die Überlegungen ein (Helbrecht 2006). In ihrer Untersuchung am Beispiel der Städte Vancouver und München kommt Helbrecht zum Ergebnis, dass das „sich wohlfühlen am Standort“ für kreative Dienstleister zu den primären Aspekten bei der Auswahl des Firmensitzes zählt (in München noch vor den Mietkosten, in Vancouver an dritter Stelle nach Mietkosten und Kundennähe). Eine abschließende Antwort darauf, was die sinnlich wahrnehmbare Qualität und physiognomische Ausstattung des Raumes ausmacht, gibt auch Helbrecht nicht; wohl aber wichtige Hinweise auf die verschiedenen Dimensionen, die das „geografische Kapital“ einer Stadt haben kann (Übersicht 2.1). Legt man zudem Floridas These zugrunde, dass Kreative nicht zwingend dorthin gehen, wo sie eine Beschäftigung finden („people follow jobs“), sondern dorthin, wo das geografische Kapital aus ihrer Sicht am höchsten ist („jobs follow people“) und dort dann Arbeitsplätze entstehen (Florida 2004), dann wird Folgendes deutlich: Neben die „Human Resources“ treten in zunehmendem Umfang die „Spatial Resources“ als wichtigste Eigenschaft einer Kreativen Stadt (Sailer 2004), in der der Raum als Katalysator zu verstehen ist. Wissen hätte damit die klassischen Standortfaktoren in weiten Teilen abgelöst und wird selbst durch die Qualität des Standortes angezogen. Raumbezogene Fragestellungen zur Kreativen Stadt im Zeitalter der Wissensökonomie stehen daher im Zentrum dieser Untersuchung. Übersicht 2.1: Ressourcen der Wissensgesellschaft Ressource Raum (Space) Objektive, physisch messbare Eigenschaft von Gebieten - Geometrie Flächen Höhen, Tiefen Lage, Erreichbarkeit Dichte … Ressource Ort (Place) Lokal spezifische soziale Gegebenheiten - soziale Beziehungen soziale Identitäten politische Regulierung ökonomische Praktiken - Historische Entwicklungen - …. Ressource Landschaft (Landscape) Wirkung der geografischen Substanz auf die Wahrnehmung des Standortes - Subjektive Gefühle Normative Bilder Atmosphäre Kulturelles Bild … Quelle: nach Helbrecht 2006, 29-30 6 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Branchen und Berufsgruppen der Kreativen Ökonomie Die zunehmende Bedeutung von Wissen, Innovation und Kreativität stellt neue Anforderungen an die Stadtentwicklungsplanung. Wissensintensive und kreative Berufsgruppen verfügen über eine hohe Affinität zur Stadt und zu städtischem Leben, Kreativwirtschaft gilt mithin als ausgesprochen urbane Ökonomie (Noller/Georg 1994). Die Diskussion um den Wandel von der industriellen zur kreativen Stadt wird damit unmittelbar von der Frage nach ihren neuen Akteuren und Branchen begleitet. Die Schaffung eines für kreative Berufe attraktiven und förderlichen Umfeldes, setzt aus planerischer Sicht ein genaueres Begriffsverständnis voraus. Über die Bedeutung des „Kreativen“ selbst – als Akt des schöpferischen Denkens und Handelns – kann sicherlich schneller Einvernehmen erzielt werden, als über den Inhalt des Begriffs der „Kreativen Ökonomie“ und die diesem Wirtschaftszweig zugehörigen Akteure. Weder lassen sich einzelne Branchen trennscharf in kreative und nichtkreative Gruppen fassen, noch lässt sich das Maß der Kreativität einzelner Menschen und ihrer ausgeübten Tätigkeiten präzise messen, methodisch vergleichbar und damit kategorisierbar machen. Gegenwärtig arbeiten in den europäischen Industrienationen zwischen 25 und 30 Prozent aller Erwerbstätigen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, in technologiebasierten Industriezweigen, in Kunst, Musik, Kultur, Ästhetik und Design sowie in den wissensbasierten Berufen der Gesundheitswirtschaft, des Finanzwesens und Rechts (Tinalgi/Florida 2006, 19). Entsprechend besteht eine Vielzahl von Systematisierungsansätzen, die kreative von nicht kreativen Wirtschaftsbranchen zu unterscheiden versuchen. Sie reichen von der negativ definierten Abgrenzung des Wissensarbeiters als „non-producion-worker“ (vgl. auch Helbrecht/Meister 2007) über seine statistikgestützte Zuordnung als Mitglied einer „Kreativen Klasse“ bestimmter Berufsgruppen (vgl. Florida 2004) bis hin zur branchenscharfen Unterscheidung der Kreativwirtschaft, wie sie in zahlreichen Kultur- und Kreativwirtschaftsberichten der Länder oder der Kommunen vorgenommen wird. Dieser Untersuchung liegt im Grundsatz ein zunächst sehr weit gefasstes Verständnis von Kreativer Ökonomie und den ihr zugeordneten Berufsgruppen zugrunde, das sich in Anlehnung an den offenen Definitionsrahmen von Horx (Horx o. J.) wie folgt darstellen und mit den von Florida gebildeten Berufsgruppen in Teilen vergleichen lässt (vgl. Fritsch/Stützer 2006): 1. Unter den klassischen Kulturberufen können Autoren, Schauspieler, Musiker, Maler, Regisseure, Tänzer und zahlreiche weitere Kulturschaffende subsumiert werden. Sie stellen als „Bohemiens“ (Florida) den künstlerischen Teil der Kreativen Klasse dar und stehen durch ihre Anwesenheit für Offenheit und Vielfalt einer Region (Florida 2004, 8). Nicht zuletzt wirkt ihre Gegenwart anziehend und inspirierend auf die weiteren Gruppen. ILS / STADTart 7 Kreative Ökonomie und Kreative Räume 2. Eine zweite Untergruppe bildet die der erweiterten Kulturberufe, zu denen all jene Beschäftigte zählen, in denen das „Kreative Prinzip“ Einzug in die Arbeit gefunden hat. Neben Werbern, Textern und Kommunikationsspezialisten gehören hierzu beispielsweise auch Finanzdienstleister, Analysten und Berater, die durch ihre spezifische Arbeitsweise zu Floridas „Creative Professionals“ (u.a. keine RoutineTätigkeiten, Anwenden von Wissen in immer neuen Zusammenhängen) gerechnet werden können (Florida 2004). 3. Schließlich wächst auch die Bedeutung der Kreativen in konventionellen Berufen. Statt durch „Masse und Wiederholung“ ihrer Tätigkeit nachzugehen, wenden auch sie ihr Wissen in neuen Zusammenhängen, mit neuen Materialien oder Techniken an und schaffen auf diese Weise innovative Angebote. Horx nennt als ein Beispiel Winzer, die sich mit Avantgarde-Architekten verbünden und in die kreative Gastronomie expandieren. Kunzmann spricht in diesem Zusammenhang vom Geigenbauer, der mit seinem exklusiven handwerklichen Produkt die räumliche Nähe zu den unter 1. genannten klassischen Kulturberufen (hier Musiker) suchen wird (STADTart/ILS NRW 2007). Auch mit dieser Dreigliederung lassen sich nicht alle Berufsgruppen kreativer Milieus abschließend fassen und einordnen. Zu ergänzen wäre unter anderem der Bereich Forschung und Entwicklung, der nur in Floridas („creative core“), nicht aber in Horxs Systematisierung kategorisch berücksichtigt wird. Anders als bei Horx fehlen bei Florida und bei vielen auf seinem Forschungsansatz basierenden Regionalstudien weiterer Autoren allerdings die „kreativ ausgeübten konventionellen Berufe“ weitgehend. Von ihren Dienstleistungen geht jedoch eine bedeutende Wirkung auf andere Lebensbereiche und Berufsgruppen aus. Sie tragen damit zu einem großen Teil zur Prägung urbaner Vielfalt bei. Letztlich kommt es an dieser Stelle aber nicht auf eine abschließende Eingrenzung dessen an, was Kreative Ökonomie ist und welche Berufsgruppen darunter zu begreifen sind. Dies sollte vor Ort unter objektiver Einschätzung des vorhandenen Humanvermögens und der damit verbundenen Zukunftsziele fallweise definiert werden. Kreativ- und Kulturwirtschaft in der weiteren Untersuchung Für eine bessere Operationalisierbarkeit wendet sich die Untersuchung im Folgenden zunächst der Kultur- und Kreativwirtschaft als Teilbereich der Kreativen Ökonomie zu (Übersicht 2.2). Dies ist zweckmäßig, da sich hochqualifizierte Arbeitskräfte nicht als vollkommen homogene Gruppe mit deckungsgleichen Raumpräferenzen begreifen lassen. Auch wenn Überschneidungen vorliegen, sind ihre Standortanforderungen auf eine Weise branchendeterminiert, dass einzelne Wirtschaftszweige der Kreativen Ökonomie diesbezüglich gesondert betrachtet werden sollten (Markusen/Schrock 2001). 8 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 2.2: Branchenstruktur der Kulturwirtschaft, der Kernbereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft und der Kreativwirtschaft Kulturwirtschaft Musikwirtschaft, Literatur-, Buch- und Pressemarkt, Kunstmarkt, Designwirtschaft, Film- und TV-Wirtschaft, Theatermarkt, Architektur, Werbung vorgelagerte Bereiche der Kulturwirtschaft u.a. Selbstständige Künstler/innen, Schriftsteller/innen, Journalist/innen, Artist/innen, Restaurator/innen nachgelagerte Bereiche der Kulturwirtschaft u.a. Verlagsgewerbe, Musikverlage, Tonstudios, Film- und TV-Herstellung u.a. Herstellung von Konzerthallen, Filmtheater, Varietés, Kleinkunstbühnen Vervielfältigung von Bild- und Tonträgern Musikinstrumenten Kernbereiche der Rundfunk-, fernseh- und phonotechnischen Geräten Kultur- und Kreativwirtschaft Diskotheken und Tanzlokale Foto-, Projektionsund Kinogeräten Einzelhandel mit Büchern, CDs/Schallplatten, Musikinstrumenten, Kunstgegenständen Theater- und Konzertveranstalter Architektur- und Designbüros Antiquariate Übersetzungsbüros Druckereien Videotheken Werbegestaltung Werbevermittlung Verlegen von Software Softwareberatung und Entwicklung Kreativwirtschaft (Creative Industries) Teilmärkte der Kulturwirtschaft und Softwarebranchen Quelle: Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW 2007 Die Kultur- und Kreativwirtschaft eignet sich aufgrund ihrer spezifischen Stellung im Gesamtgefüge der Kreativen Ökonomie zudem in besonderer Weise als Einstieg in die Untersuchung von Raumtypen und Standortanforderungen. Kreative Berufe und Dienstleistungen befinden sich durch ihr Aufgabenfeld an der Schnittstelle zwischen Kunst, Kultur und Wirtschaft. Ihre Arbeitsergebnisse (z.B. aus dem Bereich Design) fließen in nahezu alle weiteren – auch traditionellen – Wirtschaftszweige ein und kön- ILS / STADTart 9 Kreative Ökonomie und Kreative Räume nen als Antrieb für Innovationen und technische Neuerungen gelten (Wiesand 2006, 11). Sofern man die Kultur- und Kreativwirtschaft also als Nukleus der Kreativen Ökonomie auffasst, sind mit ihr weitere Branchen der Wissensökonomie auf unterschiedliche Weise auch räumlich vergesellschaftet. In zweiter Ebene tragen Kultur- und Kreativwirtschaft wesentlich zu Image, Atmosphäre und urbanem Lebensstil der Stadt bei und gelten damit als wichtige Standortbildner für weitere wissensintensive Branchen. Die Kreativ- und Kulturwirtschaft stellt aus stadträumlicher Perspektive sowohl ein Potenzial als auch ein Attraktionsfaktor für weitere Branchen der Kreativen Ökonomie dar. 10 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume 3 Kultur- und Kreativwirtschaft, „Kreative Räume“, „Kreatives Handeln“ in der Stadtentwicklung: ein Überblick Die Kultur- und Kreativwirtschaft, eine Querschnittsbranche ähnlich wie beispielsweise die Tourismus- und Sportwirtschaft, hat entgegen des derzeitigen „Hypes“ um deren Bedeutung als Branche in dem einen oder anderen Teilmarkt (z.B. im Buch- und Pressemarkt) oder in einzelnen Segmenten wie der Herstellung von Musikinstrumenten eine lange Tradition. Sie setzt sich in einer an Wertschöpfungsketten orientierten Abgrenzung aus einer Vielzahl von kulturbezogenen oder als kreativ eingeschätzten Wirtschaftszweigen und über die Wertschöpfungskette zusammen. In den 80er und 90er Jahren verzeichnete die Wirtschaftsbranche bundesweit ein deutlich überdurchschnittliches Wachstum (Übersicht 3.1). Dies galt über viele Jahre für nahezu alle Teilmärkte sowohl hinsichtlich der Umsätze, der Anzahl der Selbstständigen bzw. Unternehmen als auch der Beschäftigten (Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW 2007). Kultur- und Kreativwirtschaft Für die im Vergleich zu vielen anderen Wirtschaftsbranchen überdurchschnittliche Dynamik der Kultur- und Kreativwirtschaft dieser Zeit gibt es mehrere Gründe: So hat die Ausdifferenzierung der kulturellen Interessen (z.B. der Musikstile), bei gleichzeitig eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Kommunen im Kultursektor (u.a. aufgrund der weitgehenden Festlegung auf kulturelle Großeinrichtungen wie Theater, Konzerthäuser), die Zunahme erwerbswirtschaftlich getragener Kulturangebote ermöglicht; Übersicht 3.1: Ansätze, Abgrenzungskriterien und Handlungsfeld zur Kulturwirtschaft, Kreativwirtschaft und Kreativen Ökonomie Kulturwirtschaft Kreativwirtschaft Kreative Ökonomie „Kultur“ „Kreativität“ „human ressources“ Wissen Wertschöpfungskette „Kreative“ mit Urheberrechten Hochqualifizierte in Kunst und Wissenschaft Strukturpolitik, Wirtschaftsförderung Kulturförderung, Forschungs- und Innovationspolitik Struktur- und Standortpolitik Bezugsgröße Abgrenzungskriterium Handlungsfeld Quelle: STADTart 2007 ILS / STADTart 11 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Parallel dazu hat eine anhaltende Zahlungsbereitschaft des Kulturpublikums und die Ausweitung des „Kulturkonsums“ im Rahmen einer sogenannten 24 Stunden und 7 Tage-Gesellschaft die Nachfrageverlagerung innerhalb des Kultursektors von öffentlich geförderten zu erwerbswirtschaftlichen Anbietern begünstigt; Des Weiteren hat die Privatisierung der bundesweiten TV-Landschaft der kleinteiligen „Content-Industrie“ (z.B. den TV-Produktionsfirmen) zu einem Wachstumsschub verholfen; Auch haben mit dem Übergang von der fordistischen zur postfordistischen Produktion und einer weitgehenden unmittelbaren „Bedarfsdeckung“ bei vielen Produkten und Dienstleistungen, Kommunikations- und Produktdesign eine deutliche Aufwertung erfahren. In deren Folge werden bis heute entsprechende Dienstleistungen verstärkt nachgefragt. „Kreative Räume“ Die aus diesen positiven Marktbedingungen hervorgegangenen Potenziale der Selbstständigen bzw. erwerbswirtschaftlichen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft haben sich in den Städten nicht gleichmäßig oder auch nicht vorwiegend in ausgewiesenen Gewerbegebieten niedergeschlagen. Die Selbstständigen bzw. die Kleinunternehmen der Querschnittsbranche – in Dortmund haben beispielsweise drei Viertel aller Betriebe nicht mehr als fünf sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (STADTart, Kunzmann 2007, 27) – bevorzugen überwiegend innenstadtnahe Gebiete (Kapitel 6). Ausnahmen sind flächenintensive Unternehmen (z.B. in der Pressewirtschaft, bei Film- und TV-Studios), die ihren Sitz wie andere Gewerbe- und Industrieunternehmen zumeist in großflächigen Gewerbe- und Industriearealen am Stadtrand haben. Bei den innerstädtischen Gebieten lassen sich zwei unterschiedliche Gebiets- oder Raumtypen unterscheiden: multiethnisch geprägte Gebiete mit Imageproblemen und preisgünstigen Gewerbeflächen. Letzteres kommt insbesondere den zahlreichen Künstler/innen, Selbstständigen und Existenzgründer/innen (der „kulturellen kreativen Klasse“) entgegen, die vielfach prekären Lebensbedingungen ausgesetzt sind; eher höherpreisige Teilräume mit einem guten Gebietsimage und vorwiegend am Markt etablierten Selbstständigen und zumeist größeren Unternehmen der Kulturund Kreativwirtschaft (z.B. in der Werbewirtschaft). Die jeweiligen Nutzergruppen haben diese Räume im Rahmen des Umbaus oder im Zusammenhang mit spektakulären kulturellen Inszenierungen (z.B. von Musik- und Theaterveranstaltungen) vielfach baulich unkonventionell in Wert gesetzt oder sie haben sich als idealer Standort für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung erwiesen. In einem metaphorischen Sinne lassen sich solche Gebiete daher als „kreative Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft bzw. der Stadt bezeichnen. 12 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Sie entsprechen mit ihren zumeist kleinteiligen, oftmals auch baulich attraktiven und flexibel gestaltbaren Gewerbeflächenpotenzialen, in einem als urban empfundenen Wohnumfeld, den Standortanforderungen weiter Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft (ausführlich Kapitel 5). Auch weisen die „kreativen Räume“ aufgrund der Nutzungsmischung und der guten Erreichbarkeit günstige Rahmenbedingungen für die zumeist projektwirtschaftlich organisierten Kleinunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft auf (für die Werbewirtschaft ausführlich Grabher 2002). Dadurch lassen sich deren Transaktionskosten minimieren. Da die Selbstständigen bzw. Unternehmen in diesen Gebieten über Produktionsnetzwerke auch mit etablierten und überregional tätigen Unternehmen an eher höherpreisigen Standorten der Stadt bzw. Region verbunden sind und diese damit zu deren Sicherung am Markt beitragen (Krätke 2002), sind auch diese räumlichen Schwerpunkte der Kultur- und Kreativwirtschaft als „Kreative Räume“ anzusehen. Zusammen mit weiteren „Kreativen Räumen“ der Kultur- und Kreativwirtschaft bilden sie wertschöpfungsbezogen ein interdependentes Netzwerk, ein Standortsystem der „Kreativen Räume“ einer Stadtregion. „Kreatives Handeln“ Die spezifischen Anforderungen der Selbstständigen bzw. Unternehmen der Kulturund Kreativwirtschaft sowie manche Rahmenbedingungen dieser „kreativen Räume“ (z.B. eine vertraglich wenig abgesicherte Nutzungsmöglichkeit von Gewerbeflächen) erfordern und ermöglichen zugleich jenseits gängiger Konzepte und Verfahren der Stadtentwicklungsplanung (z.B. der Infrastrukturplanung, der Gewerbeflächenplanung) ein modifiziertes bzw. anderes Handeln der stadtentwicklungsrelevanten Akteursgruppen. In Anlehnung an Kreativitätskonzepte des Pragmatismus (Dewey nach Joas 1992) kann ein solches Handeln als „Kreatives Handeln“ verstanden werden. Wie zahlreiche Projekte der Stadterneuerung der letzten Jahre zeigen (Kapitel 4), ist ein Aspekt des „Kreativen Handelns“ die Einbindung von bislang wenig beachteten Akteuren, sowohl aus der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. Veranstalter) als auch der Immobilienwirtschaft. Deren Beteiligung kann in der Stadtentwicklungsplanung „kreative Prozesse“ auslösen und „Kreatives Handeln“ der planenden Verwaltung ermöglichen bzw. zur Folge haben. Beispiele sind eine Reihe, teilweise auch bundesweit verfolgter und bekannter Ansätze und Projekte (Kapitel 8): Integrierte Infrastrukturprojekte im Kultursektor: Solche Projekte wie beispielsweise das „Depot“ in Dortmund oder die „Rohrmeisterei“ in Schwerte (Boll, Dahlheimer, Walter 2004), die vielfach im Rahmen kreativer Prozesse der IBA Emscher Park entstanden sind, verbessern durch die Integration von Räumen für Künstler/innen bzw. für Selbstständige der Kultur- und Kreativwirtschaft deren Rahmenbedingungen. Im Rahmen des Programms „Initiative ergreifen“ werden derartige integrierte Infrastrukturprojekte seitens des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes NRW seit Jahren gefördert. ILS / STADTart 13 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Entwicklung von Kultur- und Freizeitvierteln der 2. Generation für Stadtzentren: Dabei werden – im Unterschied zu ausschließlich auf öffentlichen Kultureinrichtungen basierenden Kulturmeilen der 1. Generation der 80er und 90er Jahre – auch besucherbezogene Angebote der Kultur- und Freizeitwirtschaft (z.B. Kinotheater, Musikclubs) in die Entwicklung innerstädtischer Gebiete integriert (z.B. in Arnsberg, Solingen). Dadurch lassen sich gleichzeitig die Standortbedingungen für andere Segmente der Kultur- und Kreativwirtschaft wie Design- und Werbebüros verbessern (ausführlich Ebert/Siegmann 2003). Initiativen der Immobilienwirtschaft im Bestand: In letzter Zeit haben auch einige Projekte der Immobilienwirtschaft „Kreative Räume“ hervorgebracht (Kapitel 6) wie etwa die Entwicklung des ehemaligen Vulkan-Areals in Köln zu einem Wohn- und Arbeitsstandort sowohl für Künstler/innen als auch für Selbstständige der Kulturund Kreativwirtschaft (Jäger 2005). Andere Beispiele sind das „Deltawerk“ in Solingen oder das „Walzwerk“ in Pulheim. Temporäre Nutzung von Gewerbe- und Industriearealen durch Kultur sowie Kultur- und Kreativwirtschaft: Musterbeispiel für die temporäre Nutzung ist in Deutschland der ehemalige, zwischen 1996 und 2002 überregional sehr erfolgreiche „Kunstpark Ost“ in der Nähe des Ostbahnhofs in München, eine aus dem Kultursektor heraus initiierte, temporäre Nutzung eines ca. sechs ha umfassenden Gewerbekomplexes, u.a. mit Diskotheken, Musikclubs, Gastronomie, Atelierräumen für Künstler/innen, Architekt/innen etc., Probenräumen (u.a. Helbrecht 1999). Aufbauend auf diesen Erfahrungen wurden einige Nutzungsbausteine des „Kunstparks Ost“ in den zwischenzeitlichen Umbau integriert bzw. neue entwickelt (z.B. der Ausstellungsort „Whitebox“) oder in unmittelbarer Nähe wieder „errichtet“. Ähnlich konzipierte temporäre Projekte sind u.a. der RAW-Tempel in Berlin oder der Güterbahnhof in Basel. Diese und weitere Projekte wie etwa das „Unperfekthaus“ in Essen sind Ausdruck „kreativen Handelns“ in der Stadtentwicklungsplanung. Dabei wurden traditionelle Ressortgrenzen der Kommunalverwaltung kooperativ überwunden und für einige Gebiete neue Ziele bzw. Handlungsansätze verfolgt (z.B. die Ansiedlung von Künstler/innen) oder jahrelang kaum beachtete Zielgruppen von der Immobilienwirtschaft angesprochen und weniger nachfragestarke Nutzergruppen in die Bestandsentwicklung integriert. Zu den kreativen Ansätzen zählen darüber hinaus vertraglich abgesicherte Nutzungskonzepte von Gewerbeflächen, die den „urban pioneers“ der Selbstständigen bzw. Existenzgründer/innen der Kultur- und Kreativwirtschaft eine temporäre Nutzung ermöglichen, wodurch jenseits der ansonsten eingesetzten Instrumente der Wirtschaftsförderung (u.a. Aufbau von Gründungszentren) auf neue und damit kreative Weise Existenzgründungen ermöglicht werden. 14 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume 4 Kultur- und Kreativwirtschaft als Handlungsfeld in ausgewählten Städten Europas Die Kultur- und Kreativwirtschaft bzw. Wirtschaftsbranchen der Kreativen Ökonomie sind seit einigen Jahren in vielen Städten Europas ein kommunales Handlungsfeld. Städte wie Amsterdam oder Manchester haben schon vor Jahren städtebauliche Projekte initiiert und Strategien erarbeitet, u.a. mit dem Ziel die Entwicklungsbedingungen dieser Branchen zu verbessern. In Berlin und Linz, letztere Stadt wird im Jahr 2009 Europäische Kulturhauptstadt sein, erfolgt dies erst seit kurzem. Gemeinsames Merkmal aller dieser Initiativen ist die zunehmende Verknüpfung von Zielen der Stadtentwicklungsplanung und der Kulturförderung mit wirtschaftlichen Zielen. 4.1 Vergleich kommunaler Konzepte und Strategien am Beispiel der Städte Berlin, Amsterdam, Manchester und Linz Der Vergleich von Strategieansätzen, Handlungskonzepten und Einzelprojekten sowie von Programmen und Studien zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft bzw. der Kreativen Ökonomie aus diesen vier, ganz unterschiedliche Entwicklungskonstellationen repräsentierenden Städten, macht unter Verweis auf einige ergänzende Beispiele aus anderen Städten vor allem Folgendes deutlich (Übersicht 4.1): Es gibt in den Städten jeweils Grundlagenstudien zur Kultur- und Kreativwirtschaft: Studien zur Kultur- und Kreativwirtschaft einer Stadt bilden nicht in allen Beispielstädten den Ausgangspunkt für Handlungskonzepte der Stadtentwicklungsplanung. Es zeigt sich jedoch, dass zur Feinjustierung von Maßnahmen Untersuchungen dazu bzw. zu Teilaspekten der Kultur- und Kreativwirtschaft wie etwa in Manchester zur Musik, im Entwicklungsprozess benötigt werden. 2005 wurde in der Metropole Amsterdam ein Branchen-Monitoring aufgebaut. Die strategischen Leitbilder bzw. die raumbezogenen Strategien der Städte weisen eine große Bandbreite auf: Die Bandbreite der strategischen Leitbilder bzw. der raumbezogenen Strategien zur Kultur- und Kreativwirtschaft reicht von sehr branchenbezogenen Vorstellungen über auf Einzelaspekte ausgerichtete Konzepte (z.B. zu Medien in Linz, zur Aufwertung einzelner Quartiere in Manchester) bis zur Einbindung in wissensbasierte Ansätze in Amsterdam. Es gibt eine Vielzahl von nebeneinander bestehenden Handlungskonzepten, die jeweils spezifische entwicklungsrelevante Aspekte der Kultur- und Kreativwirtschaft betonen: Die parallel vorliegenden Handlungskonzepte in den Städten gehen auf unterschiedliche Aspekte ein. Sie sind branchen- oder kulturbezogen, wie etwa die angestrebte Entwicklung von Musikclustern in Manchester und die För- ILS / STADTart 15 Kreative Ökonomie und Kreative Räume derung der „freien Szene“ in Linz zeigt. Sie setzen auf Vernetzung (z.B. von Bildung und Kreativwirtschaft in Amsterdam oder von Stadtentwicklung und Stadtkultur in Linz) oder sie konzentrieren sich auf die Entwicklung kreativer Viertel wie in Manchester bzw. die Erschließung von Räumen oder Industriebauten der Stadt für Kunst und Kultur in Linz. Raumbezogene Strategiekonzepte und Maßnahmen liegen vor allem für ausgewählte städtische Teilräume vor: Zumeist sind die Handlungsräume der Kulturund Kreativwirtschaft Problemgebiete der Stadtentwicklung, etwa Stadtzentren mit einem hohen Leerstand, benachteiligte innenstadtnahe Gebiete oder vormals industriell genutzte Areale. Weitere räumliche Schwerpunkte sind als besonders stadtentwicklungsrelevant angesehene Areale mit spezifischen Qualitäten und guten Voraussetzungen der „Adressbildung“. In dieser Kategorie findet sich häufig eine räumliche Konzentration von öffentlich geförderten Einrichtungen, etwa im Museumsquartier in Amsterdam. Dies sind durchweg Gebiete, an denen sich über mehrere Jahrzehnte Adressen und Szenen herausgebildet haben. Ein auf unterschiedlichen Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft aufbauendes, flächendeckendes Stadtentwicklungskonzept zur Stärkung der Querschnittsbranche ist bislang nur für Berlin bekannt (Kapitel 7.3). Unmittelbar an Wasserflächen gelegene Hafen- und Kanalflächen haben im Rahmen kommunaler Strategien zur Stärkung der kreativen Branchen einen besonderen Stellenwert: Das gilt sowohl für umgenutzte gut erreichbare Gewerbe- und Industrieareale als auch für traditionell als Standort für „Kreative“ bekannte Gebiete mit guter Adresse. In der Regel gibt es hierfür auch entsprechende Rahmenpläne mit attraktiven Gewerbe- und Wohnflächen. In Amsterdam zählt hierzu etwa die ehemalige Schiffswerft „NDSM-Werf“ und in Linz, wenngleich nicht nachhaltig angelegt, das Gründerzentrum „Linzer Hafen“. Weitere Beispiele sind diesbezüglich der Medienhafen Düsseldorf, der Hafen von Malmö, die Albert Docks in Liverpool und die Hamburg HafenCity. Gründungszentren für Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kulturwirtschaft sind zentrale Bausteine: Für Gründungszentren gibt es heute europaund weltweit eine Vielzahl von erfolgreichen Beispielen. Hierzu zählt u.a. auch die „Westergasfabriek“ in Amsterdam, offiziell im Jahre 2006 eröffnet. Diese Umnutzungsstrategien werden vorwiegend in den benachteiligten innenstadtnahen Stadtgebieten, in den altindustriell geprägten Arealen der Metropolen und bei architektonisch herausragenden Einzelobjekten verfolgt, häufig unter aktiver Beteiligung der Immobilienwirtschaft. Beispiele mit ganz unterschiedlichen Nutzungsschwerpunkten sind hierfür in Berlin die „Hackeschen Höfe“ oder die „Kulturbrauerei“, die ehemalige Schultheiss-Brauerei im Prenzlauer Berg, in Amsterdam das Lagerhaus „Pakhuis De Zwijger“ und in Linz die „Lederfabrik“, in der heute Werbe- und Multimedia-Unternehmen ihren Sitz haben. 16 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 4.1: Kultur- und Kreativwirtschaft als Handlungsfeld in ausgewählten europäischen Städten: Leitbilder, Handlungskonzepte, Einzelprojekte, Institutionen, Programme und Instrumente Berlin Strukturdaten 3,4 Mio. Einwohner/innen Hauptstadt Amsterdam Manchester 743.000 Einwohner/innen (Groot-Amsterdam 1,5 Mio., Großraum 2,5 Mio.) 486.000 Einwohner/innen (Metropolitan area 2,6 Mio.) hohe Zahl junger Bevölkerungsgruppen mit ethnischem Hintergrund Schlüsselbranchen: lange Zeit Textilindustrie, zunehmend mehr Hochqualifizierte, u.a. aus Kultur- und Kreativwirtschaft großer studentischer Einfluss altindustriell geprägte Stadt große soziale Unterschiede Ausgewählte Studien zur Kulturwirtschaft Kulturwirtschaft in Berlin 2005 - Entwicklung und Potenziale (1. Kulturwirtschaftsbericht) De creatieve industrie in Amsterdam, TNO onderzoek, 2 december 2005 „Kreativräume in der Stadt Integration von Kunst, Kultur und Co. in die Berliner Stadtentwicklung (2007) Monitor creatieve industrie 2005 (Gemeente Amsterdam) Medien- und IT Wirtschaft in Berlin und Brandenburg. DIW/IHK (2004) Stadsgist. Fünf Jahre broedplaatsen in Amsterdam (2005) „Perspektiven für Berlin – Strategien und Leitprojekte“ des Stadtforums Berlin (2006) Grésillon, Boris (2004): Kulturmetropole Berlin. Berlin Kruisbestuiving in broedplaatsen 2007 Crash Club Broedplaats Amsterdam; (woon)werkgebouwen in Amsterdam programma, strategie, aanbevelingen (1999) Krätke, Stefan (2004), Kreatives Wissen in stadtregionaler Perspekive. Medienwirtschaft im Metropolenraum Berlin, in: Matthiesen Ulf (Hg.), Stadtregion und Wissen Strategische Leitbilder / raumbezogene Strategien kulturwirtschaftliche Aktivitäten entlang räumlich definierter, kreativer Korridore und Netze, Mobilisierung ansässiger kulturwirtschaftlichen Akteure und weiterer relevanter Akteursgruppen Europäische Kulturhauptstadt 1988 „Kreative Wissensstadt“ (Creatieve Stad) Schaffen eines ansprechenden städtischen Milieus mit attraktiven Räumen Räumliche Bündelung und Vielfalt der Einrichtungen mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze in der „creatieve industrie“ Amsterdams konzentrieren sich in zwei Stadtteilen: in der Binnenstad (36%) und im unmittelbar angrenzenden Oud-Zuid (15%) Long-term vision on Culture Amsterdam 2015 (2003) Linz 189.000 Einwohner/innen drittgrößte Stadt Österreichs, Zentrum des oberösterreichischen Zentralraums Schlüsselbranchen: Informationstechnologie, Regeltechnik, Elektronik, zunehmend Marketing, Werbung, Neue Medien, Telekommunikation, Informationsverarbeitung Music Policy in Sheffield, Manchester and Liverpool, Manchester Institute for Popular Culture, Manchester Metropolitan University and Institute of Popular Music, University of Liverpool (1998) Kreativwirtschaft in der Stadtregion Linz (LiquA 2006) Blanco, Richard. No Difference, No Future!: Action for Cultural Diversity in Greater Manchester. 1998 „[email protected]. linz“ Strategie-Workshops zur Kreativwirtschaft 2005 Brown, Adam, Justin O’Connor and Sara Cohen. 2000. “Local music policies within a global music industry: cultural quarters in Manchester and Sheffield.” Culture Industries and Cultural Policy „Migrant/innen im Linzer Kulturbereich“ (LiquA 2007) „Industrial Culture/Culture Industries - 17 x 17 Einblicke in die Industrie- und Kulturstadt Linz an der Donau“ (LiquA, in Bearbeitung) Kulturumfrage (Spectra 2000): Befragung der Linzer Bevölkerung nach Kulturangeboten „Creative industries“ Sektor, Entwicklung durch Northern Quarter Association (NQA), Northern Quarter Netron (NQN), Music Industry Network (MIN), CIDS Manchester Industriestadt (Stahl) und Kulturstadt. Slogan: „Von der Industrie- zur Kulturstadt“ Strategy for Cultural Production KEP: Kulturentwicklungsplan Linz (2000) - Leitlinien für die kulturelle Entwicklung Aufwertung und Stärkung kultureller Quartiere, u.a. Northern Quarter, Castlefield, Oxford Road „City Growth Manchester“ (Südmanchester), Identifizierung von Investitionsmöglichkeiten in die creative industries Europäische Kulturhauptstadt 2009. Motto: „Labor der Zukunft“ Stadt für Neue Medien und Technologien - „Metropole der aktuellen Medienkultur und digitalen Kunst“ Kulturwirtschaftliche Gründerzentren zur Bildung von Gründer/innengemeinschaften Action Research: Design Ways Planning: In einem Workshop, soll die Bevölkerung die Wege des Irk Valleys neu gestalten ILS / STADTart 17 Kreative Ökonomie und Kreative Räume noch Übersicht 4.1: Kultur- und Kreativwirtschaft als Handlungsfeld in ausgewählten europäischen Städten: Leitbilder, Handlungskonzepte, Einzelprojekte, Institutionen, Programme und Instrumente Berlin Amsterdam Manchester Linz Handlungskonzepte Sicherung und Profilierung kreativer Räume Verbesserung des städtebaulichen Umfeldes, Gestaltung attraktiver Plätze mit Aufenthaltsqualität Identifizierung kleinteiliger Gewerbeflächen für Existenzgründungen „Kreative Räume“. Schaffen von Gebäuden und Räumen für die Creatieve Industrie Verbindung von Creative Industries mit Bildung Austausch zwischen Kunst und Wirtschaftszweigen, u.a. Medien, Informations- und Kommunikationstechnologie Steigern des kulturellen, architektonischen, städtischen Wertes Bildung von Musikclustern zur Stärkung der „Grassroots-Ansätze“ in popkulturellen Milieus Förderung wissensintensiver Branchen Förderung von Content-Nachfrage und -Produzenten (Talenten) Förderung/Entwicklung kreativer Viertel („creative hubs“) Umnutzung von Industriearealen als Gründungszentren für Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kulturwirtschaft, u.a. in Form von Künstlerhäusern Konzept der „Offenen Räume“ Förderung der freien Szene, u.a. durch Serviceleistungen für Kunstschaffende (Gerätepools, Vermittlung, Beratung) Entwicklung von Vernetzungsund Kooperationsmodellen für Oberösterreich Prüfung architektonisch wertvoller Industriebauten auf kulturelle Nutzungsmöglichkeiten Verbindung von Stadtplanung, -entwicklung und Stadtkultur (Kulturverträglichkeitsprüfung) Erschließung alter und neuer Räume für Kunst und Kultur Ausgewählte Einzelprojekte „Kulturbrauerei“ (Prenzlauer Berg), ehemalige SchultheißBrauerei mit Ankernutzer Multiplexkino, Ateliers, Konzerte, Theater „Hackesche Höfe“, unter Denkmalschutz stehende Hofbebauung, u.a. mit Architekt/innen, Designer/innen, Werbeagenturen „Pfefferberg“ (Mitte/Prenzlauer Berg) Tempelhofer Vorstadt Kulturwirtschaftliches Gründerzentrum Christiania Cultuurpark Westergasfabriek (seit 2006), ehem. Gasfabrik NDSM-werf, AmsterdamNoord, ehem. Schiffswerft, kulturelles Inkubationszentrum mit 250 Künstler/innen aus Bildender Kunst, Theater, Film, Medien und Architektur Pakhuis De Zwijger (Zentrum, seit 2006), umgenutztes Lagerhaus mit Cultuurfabriek, Mediagilde, Radio-/ TV-Sender „Salto“; Konzerte, Ausstellungen Talkshows, Festivals etc. Aufbau eines Gründerzentrums für die Filmwirtschaft Gründung des „Institute for Popular Music“ - University of Manchester „Creative City“: Informationstag für Studenten in kulturwirtschaftlichen Bereichen: Seminare zur Existenzgründung, branchenspezifische Veranstaltungen „Schmuckfabrik Lencia“, Kreativwirtschaftliches Gründerzentrum: Schwerpunkte Kunst und Kommunikation „Lederfabrik“, zahlreiche sehr anspruchsvolle Veranstalter nutzen das „Kreativwirtschaftliche Gründerzentrum“. Themenschwerpunkte: Multimedia und Werbewirtschaft „Linzer Hafen“ für kreativwirtschaftlich orientierte Gründer im Rahmen der Förderungsaktivität der Stadt in den Bereichen Kunst, Multimedia und Internet, Bildung und Beratung Institutionen, Programme und Instrumente Kulturwirtschaftsinitiative der Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Arbeit und Frauen; Wissenschaft, Forschung und Kultur (2004): Analyse der Potenziale und Schwächen der Kulturwirtschaft in Berlin und der Schnittstellen zwischen Kulturwirtschaft und Kultursektor. Handlungsansätze in der Kultur- und Wirtschaftsförderung. Unterstützung bei Existenzgründungen, internationale Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen, Aufbau von Netzwerken Programm „creatieve industrie“ 2005-2008 (2004) Programm „creatieve industrie“ 2007-2010 (2006) Programm „Broedplaatsen“ (Gebäude, in denen Kreative arbeiten/wohnen) mit ca. 40 Teilprojekten, bezahlbare Ateliers/Räume Programm „Amsterdam Top Stad“ Entwicklungsagentur „Cultural Industry Development Services“ als „broker“ zwischen öffentlichem und privatem Sektor Förderung der „Nighttime-Economy“ und des popkulturellen Milieus, u.a. schnellere Lizenzvergabe für neue Clubs/Bars Förderung künstlerischer Ausbildungen an Universitäten „Global Talent Campaign“ Single Regeneration Budget (SRB) Programm zur Stadterneuerung unter kulturellen Aspekten, z.B. Unterstützung von Existenzgründer/innen Project Creative Community Initiative der Stadt Linz in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Oberösterreich und der Architektenkammer. Förderung der Vermietung privater Immobilien an Existenzgründer/innen, Mietzuschüsse in den ersten drei Jahren, monatliche CoachingGespräche, Lobbying für kreative Leistungen Finanzierung Keine Angaben Gesamtbudget für Programm „Broedplaatsen“ einschließlich 2007: 37,2 Mio. EUR. Wird fortgeführt bis 2010 „Club van Amsterdam“: unterstützt ein Umfeld, in dem sich Wirtschaft und Kreativität gegenseitig inspirieren Keine Angaben Stadt Linz: 7% des Budgets für kulturelle Angelegenheiten Kultursponsoring, traditionell enge Kooperation zwischen Kunst, Kultur und Wirtschaft in der Stadtregion Linz Quelle: STADTart 2007, nach Internetangaben der Städte bzw. ihrer Institutionen sowie Angaben in den genannten Studien 18 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Programme zur Kultur- und Kreativwirtschaft bzw. zu bedeutsamen Einzelaspekten zielen darauf ab die lokalen Entwicklungsbedingungen der Branche zu optimieren: Bei allen wirtschaftlichen Programmen und Initiativen zur Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. in Berlin und Amsterdam) ist die Unterstützung von Existenzgründungen ein Schwerpunkt (u.a. durch Coaching). Vor dem Hintergrund der hohen Entwicklungsdynamik der Metropole Amsterdam und daher kaum verfügbaren preisgünstigen Gewerbeflächen wurde für Amsterdam zusätzlich das Programm „Broedplaatsen“ aufgelegt. Es zielt speziell darauf ab die Nutzungsmöglichkeiten von Gebäuden oder Arealen für Kreative zu sichern. Zu den etwa 40 über das Stadtgebiet verteilten Gebäuden oder Arealen, in denen Kreative heute rechtlich abgesichert arbeiten und wohnen können, zählt beispielsweise das „Pakhuis Wilhelmina“ mit ca. 100 Ateliers oder das „Pakhuis De Zwijger“ u.a. mit dem Radiound TV-Sender „Salto“. Ein solches nutzungsbezogenes Sonderprogramm ist in Berlin angesichts anderer Entwicklungsbedingungen zurzeit noch nicht erforderlich. Ausgelöst durch Initiativen „von unten“ (wie z.B. beim „RAW-Tempel“) geht es, aufbauend auf temporären Nutzungskonzepten, anscheinend jedoch in eine ähnliche Richtung. Bei der Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft spielt auch das Kulturleben einer Stadt eine Rolle: Nicht alle Städte weisen ein ausgeprägtes Kulturleben auf, aus dem heraus oftmals start-ups entstehen. Gründe sind hierfür u.a. ein geringeres Nachfragepotenzial oder andere tradierte Lebensweisen. Angesichts dessen setzen Manchester und Linz mit Programmen wie etwa der Weiterentwicklung des Konzepts „Kultur für alle“ und „Kultur im öffentlichen Raum“ auf die kulturelle Interessensbildung der Einwohner/innen. Vereinzelt werden für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft verantwortliche Organisationen gegründet oder neue regionale Netzwerke geschaffen: Dass die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der einen oder anderen Stadt als eine zentrale Aufgabe angesehen wird, das zeigt das Beispiel Manchester. Ausdruck hierfür ist die Gründung einer Entwicklungsagentur zur Kultur- und Kreativwirtschaft bzw. zur Kultur. Diese soll sowohl nach Außen wirken, u.a. durch internationale Marketingmaßnahmen, als auch nach Innen, zum Beispiel als „neutraler“ Vermittler zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor. In Linz wird mit dem Projekt „Creative Community“ dem gegenüber ein Netzwerkansatz verfolgt. Aufgabe dieses auch die gesamte Region miteinbeziehenden Netzwerks aus Akteuren der Wirtschafts- und der Architektenkammer ist u.a. die Förderung der Vermietung privater Immobilien an Existenzgründer/innen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft. Mit ergänzenden Maßnahmen werden die Rahmenbedingungen einzelner Segmente der Kultur- und Kreativwirtschaft verbessert: Zu dieser Art von Maßnahmen zählen etwa modifizierte Anforderungen bei der Durchführung kultureller Veranstaltungen im öffentlichen Raum oder vereinfachte Verwaltungsvorgänge. So er- ILS / STADTart 19 Kreative Ökonomie und Kreative Räume halten beispielsweise in Manchester neue Clubs und Bars im Rahmen der Initiativen zur Stärkung der „Nighttime-Economy“ schneller eine Lizenz. Solche Maßnahmen betreffen insbesondere Stadtzentren und einige Quartiere, die besonders tourismusrelevant sind, und zielen darauf ab auch die Entwicklung der Tourismusbranche der Stadt zu unterstützen. Insgesamt zeigt die Synopse der Stadtpolitik zur Kultur- und Kreativwirtschaft in den vier Städten, dass das Handlungsfeld heute multidimensional angelegt ist und im Laufe der Jahre immer mehr dafür relevante Politikfelder davon erfasst werden. Verstärkt werden integrierte Konzepte verfolgt oder es wird zumindest ressortübergreifend kooperiert. Beispielsweise wird zurzeit in Berlin der 2. Kulturwirtschaftsbericht gemeinsam von der Wirtschaftsförderung, der Stadtentwicklungsplanung und der Kulturförderung erarbeitet. 4.2 Erfahrungen und Schlussfolgerungen für die Stadtpolitik im Handlungsfeld Kultur- und Kreativwirtschaft Zu den skizzierten Konzepten, Strategien und Maßnahmen in den ausgewählten Städten Berlin, Amsterdam, Manchester und Linz liegen keine Erfahrungsberichte vor und sind keine Evaluierungen bekannt. Zusammen mit Ergebnissen aus Untersuchungen zur Entwicklung „Kreativer Räume“ unter Entwicklungsbedingungen von Metropolregionen wie Toronto, Barcelona, Helsinki etc. (Evans et. al. 2006) lassen sich jedoch für die Stadtpolitik zum Handlungsfeld Kultur- und Kreativwirtschaft folgende Schlussfolgerungen ziehen: Zur Entwicklung und Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft einer Stadt oder deren Teilmärkte bzw. Segmente liegen der Stadtpolitik heute eine breite Palette an möglichen branchen- wie raumbezogenen Konzepten, Strategien, neueren Handlungsansätzen und Maßnahmenbündeln vor. Darauf kann die Stadtpolitik zu diesem Handlungsfeld in Nordrhein-Westfalen unter Beachtung der besonderen Rahmenbedingungen einiger Länder zurückgreifen. Diese Palette lässt sich noch erweitern, da auch viele andere Großstädte schon seit Jahren eine solche Stadtpolitik verfolgen. Es fehlen jedoch Hinweise zu einer Stadtpolitik in Mittelzentren. Wollen Städte die Kultur- und Kreativwirtschaft entwickeln und deren Potenziale nutzen, dann wird dies nur erfolgreich sein, wenn die Stadtpolitik dazu mittelfristig und zumindest hinsichtlich der Stadtentwicklungsplanung, der Wirtschaftsförderung und der Kulturförderung integrierte Ansätze verfolgt. Solche Ansätze gilt es sowohl auf der Ebene der Stadt als auch zugeschnitten auf einzelne Gebiete zu erarbeiten. Voraussetzung hierfür sind Kenntnisse zu den räumlichen Schwerpunkten der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Stadt. 20 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Unabhängig von der jeweiligen Entwicklungssituation einer Stadt ist es eine zentrale Aufgabe der Stadtpolitik im Handlungsfeld Kultur- und Kreativwirtschaft vor allem nachhaltig den Zugang zu preisgünstigen Immobilien (u.a. Gewerbeflächen) zu ermöglichen. Hierbei ist verstärkt auf Kooperationen mit der Immobilienwirtschaft zu setzen. Die Stadtpolitik im Handlungsfeld Kultur- und Kreativwirtschaft benötigt darüber hinaus einzelne „Leuchtturmprojekte“: Sie erzielen die notwendige Aufmerksamkeit außerhalb der Städte und sind Standorte für am Markt etablierte Unternehmen. Letztere sind oftmals für Selbstständige und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in jenen „kreativen Räumen“ wichtig, die dauerhaft oder temporär eher eine Inkubator- oder Nischenmarktfunktion haben. Angesichts dieser Wechselwirkungen benötigt Stadtpolitik deshalb mittelfristig ein auf die räumlichen Schwerpunkte der Kultur- und Kreativwirtschaft aufbauendes, flächendeckendes Konzept der „Kreativen Räume“. Die Stadtpolitik zur Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft kann vor allem in Großstädten mit einer hohen Entwicklungsdynamik so erfolgreich sein, dass damit in einigen Teilräumen Prozesse der Gentrifizierung mit negativen Folgen für die „urbanen Pioniere“ der Kultur- und Kreativwirtschaft verbunden sein können. Um dies frühzeitig zu verhindern, sind im Interesse dieser Gruppe preisgünstige Immobilien in Trägerschaft der öffentlichen Hand, vor allem jedoch in Verantwortung zivilgesellschaftlicher Gruppen zumindest auf einige Jahre hin zu sichern. Darauf ausgerichtete Förderprogramme können hierbei zusammen mit privaten Initiativen behilflich sein. Diese Schlussfolgerungen zur Stadtpolitik treffen nicht für alle Städte gleichermaßen zu, sie sind in dieser Differenziertheit vor allem auf Großstädte zugeschnitten. Wie bei anderen Stadtpolitiken sollte auch die Stadtpolitik im Handlungsfeld Kultur- und Kreativwirtschaft von den pfadbedingten Entwicklungsbedingungen der jeweiligen Städte ausgehen. Städte mit Entwicklungshemmnissen oder Mittelzentren benötigen daher entsprechend modifizierte und angepasste Konzepte bzw. Strategien. ILS / STADTart 21 Kreative Ökonomie und Kreative Räume 5 Standortfaktoren in der Kultur- und Kreativwirtschaft und Schlussfolgerungen für die Stadtpolitik Sollen bestehende „Kreative Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Stadt zukunftsorientiert entwickelt bzw. zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden, dann wird dies nur an jenen Standorten gelingen, die den Standortfaktoren dieser Querschnittsbranche entgegenkommen. Wie eine aktuelle Studie in der Landeshauptstadt München zeigt, unterscheiden sich die Standortfaktoren der Kultur- und Kreativwirtschaft deutlich von jenen der kreativen Wissensarbeiter/innen, die u.a. in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen anderer Wirtschaftsbranchen der kreativen Ökonomie tätig sind, beispielsweise in der Medizintechnik oder in der Bio- und Umwelttechnologie (Landeshauptstadt München 2007, 14). Dies zeigt sich u.a. hinsichtlich der bevorzugten Wohnlage und den Aktivitätsmustern in der Freizeit. So favorisieren die Selbstständigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft überproportional das Stadtzentrum bzw. Innenstadtrandlagen und gehen u.a. häufiger ins Theater, in Ausstellungen, Musikkonzerte und Bars bzw. Cafés (ebenda, 39-49). Zu den einzelnen Standortfaktoren in der Kultur- und Kreativwirtschaft liegen nur wenige aktuelle valide empirische Studienergebnisse vor. In Anlehnung an den Bedeutungswandel der Einflussfaktoren bei den Standortentscheidungen von Unternehmen (Grabow/Henckel/Hollbach-Grömig 1995) kann gesagt werden, dass „weiche Standortfaktoren“, wie beispielsweise ein attraktives Kulturleben, gegenüber den „harten Standortfaktoren“ in der „Kultur- und Kreativwirtschaft“ sicherlich eine größere Bedeutung haben als bei vielen anderen Wirtschaftsbranchen, wie etwa der Logistik. Zu den wenigen Studien bzw. Untersuchungen, die in dieser Hinsicht detailliert auf die Kulturund Kreativwirtschaft bzw. auf die Medien- und IT-Wirtschaft eingehen, zählen: eine Studie zur „Medien- und IT-Wirtschaft“ in Berlin mit einem Fokus auf der „Musikwirtschaft“ (Mundelius/Hertzsch 2005 in Zusammenarbeit mit den Berliner und Brandenburger Industrie- und Handelskammern); der Bericht „Kultur- und Kreativwirtschaft Dortmund 2007“ (STADTart 2007), im Auftrag der Stadt Dortmund. 5.1 Ergebnisse einer Studie in Berlin Die Untersuchung zur Musikwirtschaft der Berliner Studie zur Medien- und IT-Wirtschaft basiert auf einer schriftlichen Befragung von nicht ganz 50 Unternehmen sowie rund 30 Experteninterviews, u.a. mit Branchenverbänden. Untersucht wurden dabei Unternehmen aus den drei Stadtgebieten, die eine besonders hohe räumliche Kon- 22 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume zentration von Unternehmen aus der Branche aufweisen: „Friedrichshain/Kreuzberg“, „Charlottenburg“ und „Mitte/Prenzlauer Berg“. Die Studie kommt hinsichtlich der Standortfaktoren für die Unternehmen der Branche zu folgenden Ergebnissen: „Image“: Beinahe alle Unternehmen der Berliner Musikwirtschaft halten das Image der Stadt für bedeutend bzw. eine Unternehmensadresse in Berlin für vorteilsbringend. Dabei ist zwischen einer repräsentativen Bedeutung, wie etwa bei einer Adresse in Charlottenburg, und einer Präsentation der Szenenzugehörigkeit, wie etwa am Prenzlauer Berg, zu unterscheiden. „Kreativität“: Ein hoher Anteil an bzw. ein hoher Zuzug von jungen und innovationsfreudigen „Kreativen“ wird sowohl von den kleineren als auch von den größeren Unternehmen der Berliner Musikwirtschaft als ein Nährboden und als Voraussetzung angesehen, um in der Branche erfolgreich zu sein. „Szene und (Sub-)Kultur“: Dieser Standortfaktor ist vor allem für die kleinen und mittleren Berliner Unternehmen ein Grund für den Verbleib am Standort. Bei einer hohen Standort-Identifikation schätzen die Unternehmen dabei insbesondere die Nähe zum Wohnort und die enge Verknüpfung mit der Szene. „Clublandschaft“: Ebenfalls vorwiegend für die kleinen und mittleren Unternehmen ist die in der Nähe befindliche Infrastruktur an Gastronomieeinrichtungen ein wichtiger Standortfaktor. Sie halten eine funktionierende Clublandschaft bzw. ein entsprechendes kulturelles Milieu für notwendig, damit neue Musikstile und -szenen entstehen können, und sehen darin Orte, an denen sich Künstler/innen, Akteure aus Institutionen und Zuschauer/innen per Face-to-Face-Kontakte austauschen können. „Branchenverbände“: Der Standortfaktor „Branchenverbände“ ist demgegenüber insbesondere für die größeren Unternehmen entscheidend. Sie nennen politische Einflussmöglichkeiten bzw. die Nähe zu wichtigen nationalen Branchenverbänden und sonstigen Interessensvertretern als Gründe für die Standortwahl. Sie wissen außerdem um die Rolle der Branchenverbände als Mittler zu den unterschiedlichen Akteuren der Musikwirtschaft sowie bei der Entstehung von innovativen Netzwerken, etwa durch Anbieten attraktiver Branchenplattformen. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse zieht die Studie folgende Schlussfolgerungen: Die Standortpolitik sollte zum einen eine gezielte Ansiedlungspolitik verfolgen und das Image Berlins als trendsetzende Metropole pflegen. Zum anderen sind die kulturellen Milieus und Szenen der Stadt als „Humus“ für kreative und dynamische Unternehmen der Branche zu erhalten und zu fördern. ILS / STADTart 23 Kreative Ökonomie und Kreative Räume 5.1 Ergebnisse einer Studie in Dortmund Die Studie „Kultur- und Kreativwirtschaft Dortmund 2007“ kommt auf der Grundlage einer telefonischen Befragung von 430 Unternehmen in Dortmund zu folgenden Ergebnissen (Übersicht 5.1): Für die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Dortmund haben sich unter elf abgefragten Standortfaktoren „Lebens- und Freizeitqualität“ und „Kulturelle Szenen einer Stadt“ als die beiden wichtigsten herauskristallisiert. Zwei Drittel der Befragten halten diese beiden unmittelbar kultur- und kreativitätsbezogenen Aspekte für „wichtig“ oder sogar „sehr wichtig“; Als beinahe ebenso wichtig haben die Unternehmen und Selbstständigen die Bedeutung des „Einzugsbereichs von Dortmund“ beurteilt, gefolgt von „Persönlichen Gründen“, die für ein Drittel sogar „sehr wichtig“ sind; „Preisgünstige Gewerbeflächen“, „Nähe zu Kunden“ und das „Angebot an qualifiziertem Personal“ ist immerhin noch für mehr als die Hälfte der Befragten „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Übersicht 5.1: Bedeutung ausgewählter Standortfaktoren für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Dortmund 124 Preisgünstige Gewerbe-/Büroflächen 107 129 Nähe zu Kunden 115 107 Angebot an qualifiziertem Personal 123 63 75 64 118 166 79 Einzugsbereich von Dortmund 120 165 73 123 57 Wirtschaftsförderung, IHK etc. Persönliche Gründe 0% 10% 92 Reihe1 sehr wichtig 122 30% 40% Reihe2 wichtig 57 10 50% Reihe3 weniger wichtig 33 124 58 60% 16 15 169 131 20% 9 109 77 146 57 56 96 94 71 Bekanntheitsgrad von Dortmund 65 91 189 87 9 77 Kulturelle Szenen der Stadt Aus- und Weiterbildungseinrichtungen 8 96 59 111 Lebens- und Freizeitqualität 132 81 122 78 Personalkosten 59 70% Reihe4 unwichtig 12 57 80% 47 90% Reihe5 keine Angabe Quelle: STADTart 2007, eigene Erhebung, Anzahl der Nennungen: 430 24 100% ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Demgegenüber halten weniger als 20 Prozent der befragten Selbstständigen und Unternehmen die Standortfaktoren „Personalkosten“, „Bekanntheitsgrad von Dortmund“ und „Unterstützung durch die Wirtschaftsförderung, IHK etc.“ für „sehr wichtig“. Während die Personalkosten und der Bekanntheitsgrad von Dortmund aber immerhin noch für knapp die Hälfte der Befragten zumindest „wichtig“ sind, gilt das für die „Unterstützung durch die Wirtschaftsförderung, IHK etc.“ nur für ca. ein Drittel. Die Dortmunder Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft zeigt darüber hinaus, dass es hinsichtlich der Bedeutung der Standortfaktoren teilmarktbezogene Unterschiede gibt. So weisen beispielsweise die beiden Teilmärkte „Design/Architektur“ und „Werbewirtschaft“ folgende Besonderheiten auf: Im Teilmarkt „Designwirtschaft/Architektur“ stufen über 80 Prozent der Befragten die „Lebens- und Freizeitqualität“ als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ ein (Kultur- und Kreativwirtschaft insgesamt 70%), auch bei den „kulturellen Szenen der Stadt“ sind es mit über drei Viertel der Befragten noch deutlich mehr als bei allen Selbstständigen und Unternehmen der Dortmunder Kultur- und Kreativwirtschaft (66%). Übersicht 5.2: Bedeutung ausgewählter Standortfaktoren im Teilmarkt „Designwirtschaft/Architektur“ 28 Preisgünstige Gewerbe-/Büroflächen Nähe zu Kunden 25 Angebot an qualifiziertem Personal 25 Personalkosten 37 20 13 10 6 22 26 33 40% wichtig Reihe2 50% weniger wichtig Reihe3 60% 1 16 38 42 30% 7 28 26 1 9 13 34 20% 9 16 45 sehr wichtig Reihe1 16 55 16 10% 13 57 25 Persönliche Gründe 17 57 28 11 26 11 30 Aus- und Weiterbildungseinrichtungen 0% 40 24 Einzugsbereich von Dortmund 1 39 25 29 Kulturelle Szenen der Stadt Bekanntheitsgrad von Dortmund 16 30 20 Lebens- und Freizeitqualität Wirtschaftsförderung, IHK etc. 22 13 70% unwichtig Reihe4 80% 10 90% 5 100% keine Angabe Reihe5 Quelle: STADTart 2007, eigene Erhebung, Anzahl der Nennungen: 106 ILS / STADTart 25 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 5.3: Bedeutung ausgewählter Standortfaktoren im Teilmarkt „Werbewirtschaft“ 18 Preisgünstige Gewerbe-/Büroflächen 12 Nähe zu Kunden Bekanntheitsgrad von Dortmund 0% 10% 9 13 13 sehr wichtig Reihe1 20% 9 8 17 40% wichtig Reihe2 2 20 50% weniger wichtig Reihe3 3 15 11 30% 10 21 23 Persönliche Gründe 9 12 20 11 11 9 22 13 6 9 19 9 5 8 22 13 Einzugsbereich von Dortmund Wirtschaftsförderung, IHK etc. 9 19 Kulturelle Szenen der Stadt 9 14 18 Lebens- und Freizeitqualität 10 21 16 12 18 17 Personalkosten 7 18 Angebot an qualifiziertem Personal Aus- und Weiterbildungseinrichtungen 20 7 60% 9 70% 80% unwichtig Reihe4 8 90% keine Angabe Reihe5 Quelle: STADTart 2007, eigene Erhebung, Anzahl der Nennungen: 58 Daneben haben für die Unternehmen und Selbstständigen aus diesem Teilmarkt noch „persönliche Gründe“ eine für die Branche überdurchschnittliche Bedeutung (Übersicht 5.2). Insgesamt stehen für den Teilmarkt „Designwirtschaft/Architektur“ eher „weiche“ Standortfaktoren im Vordergrund. In der Werbewirtschaft werden dagegen eher „harte“ Standortfaktoren betont. Das „Angebot an qualifiziertem Personal“ und „preisgünstige Gewerbe- und Büroflächen“ schätzen knapp zwei Drittel als sehr wichtig bzw. wichtig ein (Übersicht 5.3). Bei den Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft insgesamt erachten diese Faktoren jeweils ca. 54 Prozent für zumindest wichtig. 5.3 Schlussfolgerungen für die Stadtpolitik Aus der zusammenfassenden Auswertung der wenigen aktuellen Untersuchungen zu den Standortanforderungen der Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft ergeben sich folgende Schlussfolgerungen für die Kommunen, die diese Wirtschaftsbranche an ihrem Standort durch Initiativen und Maßnahmen stärken wollen: 26 ILS / STADTart 100% Kreative Ökonomie und Kreative Räume Angesichts der unterschiedlichen Standortanforderungen von Kultur- und Kreativwirtschaft und den anderen, von Hochqualifizierten abhängigen wissensorientierten Branchen der Kreativen Ökonomie, variieren auch die erforderlichen Merkmale der jeweiligen „Kreativen Räume“ einer Stadt. Die Stadtentwicklungspolitik benötigt daher zwei unterschiedliche, auf die Bedingungen der beiden Branchen zugeschnittene Strategiekonzepte. Dabei sind jeweils auch die interdependenten Beziehungen zwischen beiden zu berücksichtigen. Die häufige Nennung „persönlicher Gründe“ als eine Standortanforderung ist ein Hinweis auf strukturell bedingte Entwicklungsvorteile von Städten mit branchenrelevanten Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und den damit verbundenen Spinoff-Effekten. Bei Maßnahmen und Initiativen der Stadtpolitik zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft ist darauf zu achten, dass diese vor allem auf die unterschiedlichen Standortanforderungen der zwei wichtigsten Adressatengruppen zugeschnitten sind: zum einen auf die Künstler/innen etc., die start-ups und die Mikrounternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, für die ein attraktives Kulturleben und der Zugang zu preisgünstigen Wohn- und Gewerbeimmobilien in der Innenstadt bzw. am Innenstadtrand wichtig sind, zum anderen auf die wenigen größeren und damit auch am Markt etablierten Unternehmen, die u.a. eher auf adressbildende Standorte und sonstige „harte“ Standortfaktoren Wert legen. Angesichts der Standortanforderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft und der ausgeprägten Eigeninitiative der Selbstständigen bzw. Unternehmen, haben kommunale Maßnahmen und Initiativen der Kulturpolitik und Stadtentwicklungsplanung einen besonders hohen Stellenwert. Im Unterschied zu Strategien bei den meisten anderen Wirtschaftsbranchen haben bei der Kultur- und Kreativwirtschaft indirekte, die Rahmenbedingungen beeinflussende Ansätze einen deutlich höheren Stellenwert. Diese Anforderungen machen bei der Weiterentwicklung der „kreativen Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft integrierte Entwicklungsansätze und Strategien sowohl auf gesamtstädtischer Ebene als auch auf der Ebene von Teilräumen erforderlich. Von zentraler Bedeutung sind dabei insbesondere die Wirtschafts- und Kulturförderung sowie die Stadtentwicklungsplanung, jedoch bieten sich darüber hinaus weitere Politikfelder an, wie etwa die für das Handlungsfeld ebenfalls relevante Arbeitsmarktund Integrationspolitik. ILS / STADTart 27 Kreative Ökonomie und Kreative Räume 6 Stadtentwicklung und Kultur- bzw. Kreativwirtschaft in ausgewählten Städten des Landes NRW Seit der „Entdeckung“ der Kultur- und Kreativwirtschaft und ihrer Teilmärkte als eine bedeutsame Zukunftsbranche in Deutschland Ende der 80er Jahre (Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW 1992), gibt es in vielen Städten Initiativen zur Unterstützung dieser Querschnittsbranche oder ihrer Teilmärkte bzw. Segmente (z.B. der Medienwirtschaft mit Film- und TV-Wirtschaft, Musikwirtschaft und Literatur-, Buch- und Pressemarkt). Insbesondere die Stadtentwicklungsplanung, punktuell auch die Immobilienwirtschaft, haben im Rahmen anstehender Planungsaufgaben und -maßnahmen wie der Brachflächenentwicklung oder der Stadtteilerneuerung die Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft aufgegriffen und damit deren Rahmenbedingungen verbessert. Dies ist nicht in allen Städten zur gleichen Zeit, flächendeckend und in einem ähnlichen Umfang geschehen. In Metropol- und Großstädten mit einer zumeist dynamischen Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft erfolgte dies verständlicherweise in der Regel früher als in anderen Städten. Dies zeigt sich auch in den Städten des Landes Nordrhein-Westfalen. 6.1 Konzepte, Maßnahmen und Initiativen In den für das Städtesystem des Landes beispielhaft ausgewählten Städten: Köln, Dortmund, Münster und Solingen stellt sich die Situation hinsichtlich des Zusammenhangs von „Kreativer Ökonomie“ bzw. von Teilmärkten oder Segmenten und „Kreativen Räumen“ in der Stadt sehr vielfältig dar (Übersicht 6.1). Hinsichtlich von Konzepten, Maßnahmen, der Einbindung der Immobilienwirtschaft sowie ergänzenden Initiativen lassen sich bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen (z.B. der pfadabhängigen Entwicklung, der lokalen Nachfrage, des Immobilienmarktes) bei einer vergleichenden Analyse folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen: Nicht in allen vier Städten basieren Entwicklungskonzepte und Projekte auf lokalen Studien zur Kultur- und Kreativwirtschaft: Es gibt zurzeit nicht in jeder der ausgewählten Städte Untersuchungen zur Kultur- und Kreativwirtschaft bzw. zur Medienwirtschaft oder zu Teilmärkten als Informationsgrundlage für Initiativen und Maßnahmen. In Dortmund wurde kürzlich eine Studie dazu fertiggestellt (STADTart 2007). Die Metropole Köln hat aufbauend auf Studien zur Kultur- und zur Medienwirtschaft schon frühzeitig darauf zugeschnittene Entwicklungskonzepte erarbeitet. Dabei standen zunächst die Medien im Vordergrund. In diesem Zusammenhang wurde u.a. auf einem 28 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 6.1: Konzepte, Maßnahmen und Initiativen in ausgewählten Städten des Landes NRW zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft Köln 1. Kulturwirtschaftsbericht (1992) Studien 2. Kulturwirtschaftsbericht (2008) Entwicklungskonzepte Dortmund Medienwirtschaft orientiert an sich verändernden Kompetenzfeldern der Stadt: Design (seit 90er Jahre) MediaPark Köln (1976) Coloneum (als Produktionsstandort) Rheinauhafen Integrierte Rahmenplanung Mülheim-Süd: unter Einbezug u.a. der Bildung Infrastrukturelle Maßnahmen Immobilienwirtschaft AV-Gründerzentrum Urban II - Nordstadt - Lokale Ökonomie unter Einbezug der Kulturwirtschaft Gründerzentrum Kreativwirtschaft - Dortmunder „U“ im Rahmen der RUHR.2010 (Konzept) Stärkung des Ausbildungssektors im Medienbereich Werbekampagne als Medienund Musikstadt temporäre Aktion PASSAGEN Schwerpunkt Innenstadt (seit 1990): 2008 erstmals mit Design Zone Ehrenfeld und dem 1. Designparcours Ehrenfeld Zuständigkeit in der Stadtverwaltung zurzeit Bildung einer ressortübergreifenden Steuerungsgruppe (Stabsstelle Medien, Stadtentwicklungsplanung, Kulturförderung und Wirtschaftsförderung) Wissenschaftsstadt Münster mit den Zukunftsfeldern „Gesundheit / Life Science“ und „Nanotechnologie“ und den Themenfeldern: „Wissenschaft“ und „Lebensart“ Konzeption Design (als Basis für Forum Produktdesign) Kultur als Bestandteil der integrierten Stadtentwicklung und des Stadtmarketingprozesses in Münster (IMS) Entwicklungskonzept Kultur- und Freizeitviertel für die Innenstadt im Rahmen des Sanierungsverfahrens Südliche Innenstadt Kreativ-Kai, u.a. mit Nutzungsbausteinen (Verlag, Atelier, Ausstellungsräume), Multiplexkino Creativzentrum der VHS Dortmund (Schwerpunkt Unterstützung von start-ups) siehe Kreativ-Kai, u.a. Ausstellungsräume, Verlagerung des Wolfgang-Borchert-Theaters Umnutzung eines Lagergebäudes als Künstlerhaus mit Museum Plagiarius soziokulturelle Zentren wie z.B. Künstlerhaus, „Depot“, Kultur- und Musikzentrum Güntherstraße „Leonardo-Campus“: Kreative Fachbereiche mit FH Architektur, Kunstakademie und Musikhochschule Umnutzung des früheren Hauptbahnhofs: Forum Produktdesign als Institut der Bergischen Universität in Wuppertal, der EvertzHallen als Musikschule „Eroberung“ des HawerkampGeländes (u.a. Ateliers, spezialisierte Discos, Handwerk), einem ehemaligen Gewerbeflächenareal in der Nähe des Kreativkais „Deltawerk“, Dienstleistungszentrum für kreative Branchen, u.a. mit Tanzschule, Werbeagentur, Goldschmied Entwicklung des ehemaligen Vulkan-Areals 2002 (u.a. mit Galerien, Redaktionen, Ateliers, Designerläden, Lofts) Gründertage Studie zur Kulturwirtschaft (o.J.) Innovationsviertel (u.a. Wissenschafts- und Technologiepark) „Eroberung“ von Mülheim durch Unternehmen der Kulturwirtschaft (ehemaliges Industrie- und Gewerbegebiet) Ergänzende öffentliche und private Initiativen Solingen nicht vorhanden 1. Kulturwirtschaftsbericht Dortmund: Identifizierung von Zukunftsfeldern (2007) Medien, u.a. Film, Musik, Literatur-Buch (80er Jahre) Gebietsbezogene Konzepte Münster „Germania-Gelände“ (zurzeit noch Konzept) Unterstützung von start-ups an den Dortmunder Hochschulen (G-Dur-Programm) Gründungsnetzwerk Münster Existenzgründungswochen (früher Geschäftsfeld-Mining) Kreativer Stammtisch des Netzwerkes 51° Nord (Innovationszentrum Nordstadt) „Bergischer Thinktank“, Netzwerkbildung im Rahmen des Programms „Create.NRW“: Entwicklung wettbewerbsfähiger Produkte Unterstützung temporärer Nutzungsinitiativen (z.B. Thier-Brauerei als Partymeile, Hotel Rombergpark für Designverkauf) projektbezogene Koordination und Kooperation Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Verkehrsplanung, je nach Aufgabenstellung Beteiligung des Kulturamtes bzw. der Wirtschaftsförderungs GmbH projektbezogene Koordination und Kooperation bei m Entwicklungskonzept Kultur- und Freizeitviertel und bei der Netzwerkbildung im Rahmen von Create.NRW Quelle: STADTart 2007, nach Angaben der jeweiligen Städte (Interviews, Internet) sowie den genannten Studien ILS / STADTart 29 Kreative Ökonomie und Kreative Räume früher von der Bahn genutzten Areal der Media Park Köln konzipiert und realisiert. Ein Nutzungsschwerpunkt sind auch heute noch die Medien, gefolgt von der ITWirtschaft. Beide kommen jeweils auf einen Nutzungsanteil von etwa 25 Prozent (MediaPark Köln Entwicklungsgesellschaft mbH 2002). Seit einigen Jahren wird verstärkt der Entwicklungsschwerpunkt Design verfolgt. Andernorts wurde angesichts der Dynamik der gesamten Branche in den letzten 20 Jahren das Potenzial eher inkrementalistisch in räumliche Entwicklungskonzepte eingebunden, beispielsweise in Solingen im Rahmen der Sanierung der südlichen Innenstadt. In Münster wird Teilen der Branche im Zusammenhang mit einem Entwicklungskonzept zur Wissenschaftsstadt Rechnung getragen. Es gibt in den Städten gebietsbezogene Entwicklungskonzepte mit direkten oder indirekten Bezügen zu Segmenten der Kultur- und Kreativwirtschaft: Entwicklungsgebiete der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt es in allen ausgewählten Städten. Zumeist liegen sie unmittelbar am Rande der Innenstadt oder sind daran angebunden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Ausgangsbedingungen und den jeweiligen Kontexten. Der MediaPark Köln entstand im Rahmen einer Flächensanierung und gibt eher wettbewerbsfähigen und damit nachfragestarken Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft eine attraktive Adresse. Nicht ganz so ausgeprägt gilt dies auch für den Kreativ-Kai in Münster, einem bestandsorientierten Entwicklungskonzept zur Revitalisierung von Gewerbeflächen. Das Konzept in Dortmund, das im Rahmen der lokalen Ökonomie weite Teile eines Stadtteils umfasst, ermöglicht preisgünstige Atelierräume oder Gewerbeflächen zu erhalten bzw. zu schaffen, wodurch sich die Entwicklungsbedingungen eher für Künstler/innen, Existenzgründer/innen, Selbstständige und Mikrounternehmen verbessern lassen. Die innerstädtischen Entwicklungsgebiete der Kultur- und Kreativwirtschaft haben eine hohe Nutzungsvielfalt und verweisen auf integrierte Ansätze: Die kleinräumigen Entwicklungsgebiete wie der Kreativkai in Münster oder das „Vulkan-Areal“ in Köln zeigen eine breite Nutzungsmischung (Übersichten 6.2. und 6.3). Dies gilt selbst für den nahezu gänzlich neu gebauten und damit eher zum hochpreisigen Immobiliensegment zählenden und ebenfalls in der Innenstadt gelegenen MediaPark Köln. Zentrale Nutzungsbausteine sind bei allen Projekten Gewerbe- bzw. Büroflächen nicht ausschließlich für Selbstständige bzw. Unternehmen der Kulturund Kreativwirtschaft und in kleinerem Umfang auch Atelierräume für Künstler/innen sowie Gastronomie. Einzelhandel, Wohnen sowie öffentliche bzw. zivilgesellschaftlich getragene Kultureinrichtungen (z.B. im MediaPark das Literaturhaus Köln) ergänzen hier und da die Nutzungsstruktur oder befinden sich in angrenzenden Gebieten. Allen Beispielen liegt ein integrierter Entwicklungsansatz zu Grunde, jedoch beziehen sich diese auf jeweils unterschiedlich wettbewerbs- und nachfragestarke Segmente der Kultur- und Kreativwirtschaft. 30 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 6.2: Aktuelle Nutzungsstrukturen (Erdgeschoss) im Hafenviertel/ am Kreativ-Kai in Münster Quelle: Krajewski 2005, Institut für Geographie, Münster Übersicht 6.3: Das Vulkan-Areal in Köln: Kultur- und Kreativwirtschaft, Gastronomie und Wohnen Quelle: www.vulkan-koeln.de ILS / STADTart 31 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Die Immobilienwirtschaft ist bei der Entwicklung der „Kreativen Räume“ ein wichtiger Akteur: Bei der Entwicklung „Kreativer Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Stadt kann die Immobilienwirtschaft zum einen eine passiv unterstützende Rolle spielen und die Nachnutzung von Gewerbeflächen durch urbane „Raumpioniere“ u.a. aus der Kultur- und Kreativwirtschaft ermöglichen. Ein Beispiel ist hierfür das Hawerkamp-Areal in Münster mit Musikclubs, Räumen für Künstler/innen etc. Zum anderen kann sie auch eine aktive bzw. initiierende Rolle übernehmen. Zu Letzterem zählten u.a. das „Vulkan-Areal“ in Köln (Übersicht 6.3), das auch denkmalgeschützte Gebäude aufweist, und das „Deltawerk“ in Solingen. Das „Deltawerk“, das „Walzwerk“ in Pulheim und die „Vogelsmühle“ in Radevormwald belegen, dass dies nicht nur in Großstädten mit einer zumeist nachfragestärkeren „Kreativen Ökonomie“ möglich ist. Entscheidend für erfolgreiche Immobilienprojekte bzw. für die „Eroberung“ von Brachflächen durch Nutzungsbausteine der Kultur- und Kreativwirtschaft, ist zumindest eine Offenheit der Immobilieneigentümer bzw. -entwickler gegenüber dieser Gruppe von Nutzer/innen. Besser ist noch ein Verständnis und „eine gefühlte Kenntnis“ für deren sehr breit gefächerte und je nach Wettbewerbsfähigkeit variierende Standort- und Immobilienanforderungen (Kapitel 5). Dazu zählen etwa attraktive Loftangebote für im Markt etablierte Selbstständige der Kultur- und Kreativwirtschaft. Förderprogramme haben bei der Realisierung gebietsbezogener Konzepte der Stadtentwicklungsplanung und Infrastrukturmaßnahmen eine große Rolle gespielt: Die Umsetzung von gebietsbezogenen Konzepten unter Einbezug von einzelnen Infrastrukturmaßnahmen im Kulturbereich, wozu beispielsweise beim Kreativkai in Münster die Ansiedlung eines Theaters oder die Schaffung und Bereitstellung von Ausstellungsräumen zählen, erfolgte vielfach mit Unterstützung von Förderprogrammen zur Stadtentwicklung. Dazu zählen Programme sowohl auf der Ebene der EU, des Bundes als auch des Landes Nordrhein-Westfalen (z.B. im Rahmen des Programms „Initiative ergreifen“). Teilweise sind damit andere Verfahren verbunden (z.B. bei der Stadtsanierung). Bislang wurden vorwiegend Stadtentwicklungsplanung, Wirtschaftsförderung und Kulturförderung integriert: Die Vielfalt an ergänzenden öffentlichen und privaten Initiativen in Köln zur Stärkung der Kreativen Ökonomie der Stadt (ähnlich auch in Dortmund und Münster), die u.a. von Gründertagen über Ausbildungsinitiativen und temporäre Aktionen bis zu Werbekampagnen für die Kreative Ökonomie reicht, macht deutlich, dass auch auf gesamtstädtischer Ebene integrierte Ansätze verfolgt werden. Integriert wurden in der Vergangenheit vor allem Stadtentwicklungsplanung, Wirtschaftsförderung und Kulturförderung. In Köln wurden bei der Entwicklung des MediaParks mit dem KOMED, einer Einrichtung der Fortbildung auch für den Medienbereich, des Weiteren schon sehr früh Bildungseinrichtungen einbezogen. Welche Politikfelder noch darüber hinaus integriert werden können, das hängt von den sozialen bzw. räumlichen. Bedingungen der jeweiligen Gebiete 32 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume ab, u.a. dem Anteil an nachfrageschwachen Haushalten, Haushalten mit Migrationshintergrund, dem Immobilienmarkt. So sind in bewohnten Entwicklungsgebieten mit Entwicklungsnachteilen wie im Stadtteil Köln-Mülheim-Süd, neuerdings zusätzliche lokal verortete Bildungsmaßnahmen ein Bestandteil des Stadtteil-Rahmenplans. Dass solche projektbezogenen integrierten Entwicklungsansätze jedoch in Städten mit einer hoch entwickelten Kultur- und Kreativwirtschaft und zahlreichen Projekten anscheinend an ihre Grenzen stoßen, zeigen weitere Initiativen der Stadtverwaltung Köln. Sie hat vor kurzem jenseits der alltäglichen Verwaltungspraxis der projektbezogenen Kooperation und Koordination im Kultursektor (z.B. in Solingen im Rahmen der Erarbeitung eines Entwicklungskonzeptes für ein innerstädtisches Kultur- und Freizeitviertel durch Kultur- und Freizeitwirtschaft) zusätzlich noch eine Steuerungsgruppe zur Kreativwirtschaft geschaffen. Sie soll ressortübergreifend zukünftig Konzepte und Maßnahmen in der Stadt aufeinander abstimmen. Mitglieder dieser Steuerungsgruppe sind die Stabsstelle Medien, die Stadtentwicklungsplanung sowie die Kulturförderung bzw. die Wirtschaftsförderung. 6.2 Fazit Die in den ausgewählten Beispielstädten Köln, Dortmund, Münster und Solingen skizzierten Initiativen, Konzepte bzw. Maßnahmen der letzten 15 bis 20 Jahre zeigen, dass zumindest in diesen Städten die Kultur- und Kreativwirtschaft oder im weiteren Sinne die „Kreative Ökonomie“ implizit oder explizit ein Handlungsfeld der Stadtentwicklungsplanung ist. Dies trifft wie der Medienhafen in Düsseldorf oder Teile von Zollverein in Essen zeigen, in der einen oder anderen Weise auf zahlreiche andere Städte des Landes zu. Damit liegt eine Vielzahl von bislang wenig untersuchten Beispielen zur Verknüpfung von Stadtentwicklungsplanung und Kultur- bzw. Kreativwirtschaft vor. Mit einigen auf dieses Handlungsfeld teilweise zugeschnittenen Entwicklungsgebieten hat die Stadtentwicklungsplanung auf der Basis integrierter Konzepte, vor allem zusammen mit Wirtschaftsförderung und Kulturförderung, vereinzelt mit der Immobilienwirtschaft, damit schon seit Jahren einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der räumlichen Entwicklungsbedingungen dieser Querschnittsbranche geleistet. Es überwiegen bis heute jedoch Einzelmaßnahmen (für die Städte des Ruhrgebiets siehe Übersicht 6.2), wobei manche stadtteilbezogene Maßnahmen ein dafür förderliches Umfeld aufweisen, wie etwa preisgünstige Wohn- und Gewerbeflächen. Angesichts der branchenübergreifenden Vernetzung, etwa der Teilmärkte Werbe- und Designwirt- ILS / STADTart 33 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 6.4: 20 Jahre Initiativen, Projekte, Studien, Programme und Veranstaltungen zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet: Eine Auswahl Quelle: STADTart 2005 34 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume schaft wurde durch diese Maßnahmen indirekt gleichzeitig auch die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen anderer Wirtschaftsbranchen in den Städten gestärkt (Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW 2001 und 2007). Auf der anderen Seite haben die lange Zeit überdurchschnittliche Dynamik der Kulturund Kreativwirtschaft und die damit verbundenen Nachfragepotenziale der Querschnittsbranche mit dazu beigetragen, die jeweiligen Innenstädte bzw. den Innenstadtrand zukunftsorientiert zu stärken. Innerstädtische Standorte wurden damit aufgewertet. Prozesse der Gentrifizierung sind angesichts der ökonomischen Rahmenbedingungen der Städte und des Immobilienmarktes bislang nicht erkennbar. Die Realisierung von Entwicklungsgebieten mit Wohn- und Freizeitfunktionen wie dem „Kreativkai“ oder dem von der Immobilienwirtschaft initiierten „Vulkan-Areal“ sind nachhaltige Beiträge und unterstützen die Initiativen im Sinne der Leipzig-Charta zur Europäischen Stadt. Die kurze Beschreibung und Analyse des Zusammenhangs von Stadtentwicklung und Kultur- bzw. Kreativwirtschaft in den ausgewählten Beispielstädten des Landes macht aber auch Folgendes deutlich: Bislang gibt es selbst in der Metropole Köln kein flächendeckendes integriertes Konzept, das ausgehend von den Säulen im Kultursektor (Übersicht 7.2) die räumlichen Schwerpunkte der Kultur- bzw. Kreativwirtschaft einer Stadt und deren spezifische Merkmale (z.B. hinsichtlich der Mietzahlungsfähigkeit der Nutzergruppen der Kultur- und Kreativwirtschaft) beschreibt und das lokale Standortsystem mit den interdependenten Vernetzungszusammenhängen im Rahmen von Wirtschaftsclustern darstellt (für Berlin ausführlich Krätke 2002, 138-175). Dazu zählen etwa die Interdependenzen zwischen Standorten der urbanen Raumpioniere und geplanten Entwicklungsgebieten mit überwiegend im Markt etablierten Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, wie dies in Münster zum einen das Hawerkamp-Gelände und zum anderen der „Kreativkai“ darstellen. Weitere Interdependenzen bestehen zwischen öffentlichen bzw. zivilgesellschaftlich getragenen Angeboten und der Kulturwirtschaft (Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW 1998, 117-149). Hierzu bedarf es zumindest auf gesamtstädtischer, besser noch auf regionaler Ebene, am Governance-Modell orientierter, integrierter Konzepte und verwaltungsintern einer Steuerungsgruppe, wie sie in Köln kürzlich installiert worden ist. Durch die damit verbundenen Synergieeffekte lässt sich gleichzeitig auch der öffentliche Mitteleinsatz optimieren. ILS / STADTart 35 Kreative Ökonomie und Kreative Räume 7 Arbeitshypothesen zu Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft in den Kommunen des Landes Die skizzierten Standortanforderungen der Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft machen deutlich, dass idealtypisch die meisten davon als Standort Städte mit einer bestimmten Größe und Zentralität favorisieren. Dies spiegelt sich in der räumlichen Verteilung der Selbstständigen und Unternehmen der Branche in Deutschland nieder. So sind die räumlichen Schwerpunkte der Kultur- und Kreativwirtschaft bei unterschiedlichen Stärken in den jeweiligen Teilmärkten (z.B. in München in der Film- und TV-Wirtschaft und in Hamburg in der Werbewirtschaft, Übersicht 7.1) die elf von der deutschen Ministerkonferenz für Raumordnung definierten europä- Übersicht 7.1: Cluster der Kulturwirtschaft nach ihrem sektoralen Profil (2000) Quelle: Krätke 2002, 201 36 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume ischen Metropolregionen. Zu den wenigen Ausnahmen dieser räumlichen Struktur zählt beispielsweise das Mittelzentrum Gütersloh mit dem „global player“ Bertelsmann. Die bundesdeutschen Metropolregionen sind wiederum eingebettet in eine weltweite Hierarchie der Metropolen der Kultur- und Medienökonomie (Scott 1997, Krätke 2002). Die Gründe hierfür sind offensichtlich und liegen u.a. in den quantitativen und qualitativen Nachfragebedingungen in diesen Räumen, zum einen seitens der Unternehmen, zum anderen hinsichtlich der Endverbraucher oder „Konsumenten“. Wenige empirisch belegte Aussagen gibt es bislang jedoch zur Hierarchie der Städte in Bezug auf die Kultur- und Kreativwirtschaft unterhalb der Schwelle der Metropolregionen. Als Arbeitsmodell bietet sich hierzu eine erste Strukturierung nach der „Zentrale-Orte-Theorie“ an, im Unterschied zum normativen, der Raumordnung als Leitvorstellung dienenden „Zentrale-Orte-Konzept“, das seit einigen Jahren sehr grundlegend diskutiert wird (Blotevogel 2005). Die „Zentrale-Orte-Theorie“ ist ein raumwirtschaftlicher Ansatz zur Beschreibung und Erklärung der räumlichen Verteilung tertiärwirtschaftlicher Aktivitäten im Städtesystem. Angesichts der sehr ausgeprägten Dienstleistungsorientierung der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. der Werbe- und Designwirtschaft, besucherorientierter Angebote wie Kino, Galerien, Privattheater, Musikclubs), bietet sich dieser Ansatz zu einer daran orientierten Hierarchisierung der Städte an. 7.1 Kultur- und Kreativwirtschaft in der Hierarchie der Städte Unter Beachtung der Metropolendiskussion der letzten Jahre und einiger empirischer Studienergebnisse zur Kultur- und Kreativwirtschaft in Mittelzentren (z.B. Moll 1998 zur Stadt Solingen, Ebert/van Ooy 2007 für Hamm und den Landkreis Unna, Sailer 2007 für die Stadt Offenbach), kann in Anlehnung an die „Zentrale-Orte-Theorie“ von vier „räumlichen Hierarchieebenen der Kultur- und Kreativwirtschaft“ ausgegangen werden. Idealtypisch sind dies: Metropolregionen, Oberzentren, Mittelzentren, Grundzentren. Darauf bezogen stellt sich die Situation unter Berücksichtigung der heutigen arbeitsteiligen Struktur im Kultursektor zwischen Kultur- und Kreativwirtschaft als Teil der Kreativen Ökonomie (Übersicht 7.2), der „kulturellen kreativen Klasse“ (bei Florida 2004 als „Bohemiens“ bezeichnet) und den öffentlich geförderten bzw. zivilgesellschaftlich getragenen Kultureinrichtungen wie folgt dar (Übersicht 7.3): ILS / STADTart 37 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 7.2: Kulturwirtschaft, Kreativwirtschaft sowie Kreative Ökonomien und Kreative Orte bzw. Kreative Milieus Kreativwirtschaft Kreative Ökonomie Literatur- und Buchmarkt, Film- und Fernsehwirtschaft, Kunstmarkt, Designwirtschaft Musikwirtschaft, Architektur, Theatermarkt, Werbung, Software-Branchen (jeweils ohne vor- und nachgelagerte Branchen) Literatur- und Buchmarkt, Film- und Fernsehwirtschaft, Kunstmarkt, Designwirtschaft Musikwirtschaft, Architektur, Theatermarkt, Werbung, Software-Branchen, Modewirtschaft, Spielwaren, Forschung und Entwicklung (jeweils ohne vor- und nachgelagerte Branchen) Kulturelle Kreative Klasse Kulturwirtschaft Kreative Milieus Literatur- und Buchmarkt, Film- und Fernsehwirtschaft, Kunstmarkt, Designwirtschaft, Musikwirtschaft, Architektur, Theatermarkt, Werbung (jeweils inklusive vor- und nachgelagerter Branchen, z.B. Druckereien, Diskotheken) Öffentlich geförderte Kultur Kreative Orte Zivilgesellschaftliche, kulturelle Initiativen Bibliotheken, Orchester, Opernhäuser, Kunstpreise, Kunst- und Musikschulen, geförderte Tanz-/Medienhäuser, kulturelle Stadtteilarbeit etc. Kunst-, Kultur-, Theatervereine, Kulturstiftungen, soziokulturelle Zentren etc. Kultursektor Quelle: STADTart 2007, nach Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW 2007 (5. Kulturwirtschaftsbericht), S. 6 und Howkins, John (2001): The Creative Economy - How people make money from ideas. In den Metropolregionen sind alle vier Säulen des Kultursektors sehr ausgeprägt. Die ansässige Kultur- und Kreativwirtschaft ist stark exportorientiert und es gibt eine Vielzahl an öffentlich geförderten bzw. zivilgesellschaftlich getragenen Kultureinrichtungen, weshalb die Metropole auch für die „kulturelle kreative Klasse“ der Künstler/innen, Musiker/innen usw. als Standort besonders attraktiv ist. Oberzentren unterscheiden sich von Metropolregionen vor allem hinsichtlich der Bedeutung der „kulturellen kreativen Klasse“. In Oberzentren ohne eine internationale Reputation als lebenswerte Stadt ist deshalb deren Anteil deutlich geringer. Auch ist die hier ansässige Kultur- und Kreativwirtschaft (inter)national nicht so wettbewerbsfähig. 38 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 7.3: Säulen des Kultursektors und Stadtgröße: ein Strukturmodell Metropolregion Oberzentrum Mittelzentrum Grundzentrum K KK Ö I KK = Kulturelle Kreative Klasse Ö = Öffentlich geförderte Kultur K = Kultur- und Kreativwirtschaft I = Zivilgesellschaftliche, kulturelle Initiativen Legende: Bedeutungsgrad der vier Säulen des Sektors 1 2 3 4 Quelle: Ebert 2007 Entsprechend dem geringeren Einzugsbereich der Mittelzentren sind alle Säulen des Kultursektors in diesem zentralen Ort nicht mehr so stark entwickelt. Künstler/innen, Musiker/innen etc. der „kulturellen kreativen Klasse“ sind in solchen Städten zumeist auch seltener ansässig. Grundzentren zeichnen sich im Kultursektor vor allem dadurch aus, dass zivilgesellschaftlich getragene Kulturangebote überwiegen. Alle anderen Säulen sind dagegen bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Buchdörfer) kaum ausgeprägt. 7.2 Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft: „Kreative Räume“, ein Ansatz in der Stadtentwicklungsplanung Ausgehend von dieser Städtehierarchie der Kultur- und Kreativwirtschaft benötigt die Stadtentwicklungsplanung Informationen darüber, in welchen Gebieten der Stadt die Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft überwiegend ihren Standort haben bzw. welche Räume von welchen Segmenten oder von welchen Teilmärkten dieser Wirtschaftsbranche bevorzugt werden. So favorisieren beispielsweise am Markt etablierte Unternehmen oder publikumsbezogene Angebote der Kultur- und Kreativwirtschaft Standorte mit „guter Adresse“ oder Erreichbarkeit (z.B. Designbüros, Kinos, Musicalhäuser), wohingegen Existenzgründer/innen oder Mikrorunternehmen eher Gebiete mit mietpreisgünstigen Gewerbeimmobilien in einer urbanen Umwelt präferieren (ausführlich Kapitel 5). ILS / STADTart 39 Kreative Ökonomie und Kreative Räume In Verbindung mit den strukturellen Merkmalen der räumlichen Schwerpunkte der Kultur- und Kreativwirtschaft in einer Stadt (u.a. bedeutende öffentliche Kultureinrichtungen, Mietpreise für Gewerbeimmobilien), lassen sich Raumtypen, „kreative Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft, identifizieren. Diese bieten aus handlungsorientierter Perspektive der Stadtentwicklungsplanung einige Vorteile: Sie gewährleisten einen unmittelbaren Bezug zu den unterschiedliche Adressaten der Kultur- und Kreativwirtschaft. Dies sind auf der einen Seite die am Markt etablierten Selbstständigen bzw. Unternehmen der Branche und auf der anderen Seite die Musiker/innen, Designer/innen etc. der „kulturellen kreative Klassen“, die vielfach prekären Lebensbedingungen ausgesetzt sind sowie die start- ups bzw. Mikrounternehmen. Raumtypen sind erfahrungsgemäß eine gute Basis für raumbezogene integrierte Entwicklungsansätze. Es können darauf zugeschnitten Leitbilder und Handlungskonzepte erarbeitet, bedeutsame Einzelprojekte konzipiert und für die Umsetzung der jeweiligen Leitbilder geeignete Instrumente dargestellt werden. Damit bietet sich gleichzeitig die Chance den Einsatz von Programmmitteln zu optimieren und vielfältige Initiativen zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft besser zu koordinieren. 7.3 „Kreative Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Metropolregion Berlin/Brandenburg: Ansatz und Ergebnisse Die Identifizierung der „kreativen Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft einer Stadt erfolgte flächendeckend erstmalig für die Metropole Berlin (STADTart/Kunzmann/Culture Concepts 2007). Hintergrund hierfür war die wachsende Bedeutung der Kulturund Kreativwirtschaft in der Stadt, der sich verschärfende internationale Städtewettbewerb um die Potenziale dieser Branche und die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten die Stadtentwicklungsplanung der Senatsverwaltung zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft von Berlin hat. Ausgangspunkt für die Identifizierung der „Kreativen Räume“ bildete die räumliche Verteilung der Selbstständigen und Unternehmen der Kulturwirtschaft nach Postleitzahlbezirken auf der Basis vorliegender Studien (Krätke 2002, DIW, IHK 2004). Diese kommt zu dem Ergebnis, dass es wohl in nahezu allen Bezirken Berlins einen Basisbesatz an Unternehmen der Kulturwirtschaft gibt (Buchhandlungen, Musikgeschäfte, Druckereien etc.), jedoch in 43 von 192 dieser Bezirke ein überdurchschnittlicher Besatz an Unternehmen der Branche festzustellen ist. Des Weiteren nimmt die Anzahl und die Dichte an Unternehmen der Kulturwirtschaft, mit wenigen Ausnahmen, mit der Entfernung von den Citybezirken von innen nach außen ab. 40 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 7.4: Räumliche Schwerpunkte der Kultur- und Kreativwirtschaft in Berlin nach Postleitzahlbezirken Quelle: STADTart / Kunzmann / Culture Concepts 2007 Unterteilt nach den Citybereichen „Innere Stadt“ und „Äußere Stadt“, stellt sich die Situation unter Berücksichtigung der Teilmarktstrukturen der Kultur- und Kreativwirtschaft wie folgt dar (Übersicht 7.4): In allen zehn Postleitzahlbezirken der beiden Citybereiche Berlins gibt es eine vergleichsweise überdurchschnittliche Anzahl an Unternehmen der Kulturwirtschaft in mindestens vier Teilmärkten der Branche; Im sonstigen Bereich der „Inneren Stadt“ der Metropolregion Berlins kommen in 28 Bezirken, dies entspricht in etwa der Hälfte der Fläche dieses Bereichs, die überdurchschnittlich vertretenen Unternehmen zumeist aus mehreren Teilmärkten; Darüber hinaus konzentrieren sich vergleichsweise etwas weniger Unternehmen aus einem oder zwei Teilmärkten der Kulturwirtschaft an einigen ausgewählten Standorten des inneren Randes der „Äußeren Stadt“. ILS / STADTart 41 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Für die Identifizierung der Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Berlin wurde auf folgende, für die Entwicklung der Branche und der Stadtentwicklungsplanung relevanten Kriterien zurückgegriffen (STADTart/Kunzmann/Culture Concepts 2007): Die Struktur der Kulturwirtschaft und Branchenvernetzung gibt Hinweise auf die Betriebsgrößenstruktur und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit; Die Bebauungsstruktur, also die vorherrschende Bebauung bzw. die Art der Nutzungen eines Gebiets, ist der Indikator für die Aneignungsmöglichkeiten durch Selbstständige und Unternehmen der Kulturwirtschaft; Die Bevölkerungsstruktur, also Altersstruktur, Höhe des Einkommens, Bildungsgrad und Bevölkerungsdichte, modifiziert die räumlichen Entwicklungsbedingungen; Der örtliche Immobilienmarkt weist auf das lokale Preisniveau von Gewerbeflächen und auf Leerstände hin, und er gibt Auskunft über die Entwicklungschancen eines Gebiets, sowie den Grad der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen der Kulturwirtschaft; Das Quartiersimage zeigt die Entwicklungsmöglichkeiten eines Quartiers auf; Die Ankernutzer der Kultur und Kulturwirtschaft, also die großen öffentlichen und renommierten erwerbswirtschaftlichen Kultureinrichtungen oder kulturrelevanten Ausbildungseinrichtungen, sind attraktive Magneten der kleinräumigen Gebietsentwicklung; Tourismusziele schließlich sind für endverbraucherbezogene Unternehmen der Kulturwirtschaft wie Bars, Diskotheken, Privattheater oder Kunstgalerien besonders günstig. Mit Hilfe dieser Indikatoren ergeben sich für Berlin sieben Raumtypen der Kulturwirtschaft mit jeweils spezifischen Handlungserfordernissen (Übersicht 7.5): Flaniermeilen, Entertainmentquartiere und Standorte von überregional bedeutsamen Unternehmen der Kulturwirtschaft (Raumtyp 1); Touristische Szenequartiere mit kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kulturwirtschaft (Raumtyp 2); (multi-)ethnisch geprägte Szenequartiere mit kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kulturwirtschaft (Raumtyp 3); Lokale Ausstrahlungsräume von Kunst-, Musik-, Design-, Film/Medien- und Technik-Hochschulen (Raumtyp 4); Gebiete etablierter Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kulturwirtschaft (Raumtyp 5); 42 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 7.5: Räumliche Verteilung der Raumtypen von „Kunst, Kultur und Co.“ in Berlin, einschließlich Potsdam und deren Handlungserfordernisse Quelle: STADTart / Kunzmann / Culture Concepts 2007 ILS / STADTart 43 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Gewachsene und ausgewiesene Gewerbegebiete für TV, Medien und IT (Raumtyp 6); Eroberungsräume der Kulturwirtschaft (Raumtyp 7). Berücksichtigt wurden bei diesen Raumtypen noch weitere Faktoren. Insbesondere zählten dazu die temporäre Nutzung von einzelnen Orten in der Stadt, die räumliche Verteilung der Ateliers von Künstlern und Künstlerinnen sowie bedeutende, in letzter Zeit realisierte bzw. vor der Umsetzung stehende Projekte (wie etwa die neue Zentrale von MTV am Osthafen, die Arena am Spreeareal oder das Entwicklungsgebiet Oberschöneweide): Die Diskussion um die „kreativen Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft in Berlin hat gezeigt, dass in Metropolregionen vermutlich noch weitere, jedoch eher kleinräumigere Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft vorhanden sind bzw. sich in den kommenden Jahren entwickeln können. Beispiele sind hierfür: Urban Entertainment Center (z.B. in der Metropolregion Stuttgart) mit etablierten großflächigen besucherbezogenen Angeboten wie Multiplexkino, Musicaltheater; Eroberungs- und Erprobungsräume in ehemaligen „Plattenbausiedlungen“; Stadtteilzentren mit besucherbezogenen Angeboten und kleinteiligen Produktionsund Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft oder ein kleinteiliger Kranz von Künstler/innen etc. des „kreativen Kerns“ der Kulturund Kreativwirtschaft im suburbanen Raum. Einflussfaktoren sind beispielsweise bei den Stadtteilzentren der Einzugs- bzw. Versorgungsbereich und die Bevölkerungsstruktur. Ein anderer, nicht unwesentlicher Faktor bezieht sich auf die sich verändernden Standortanforderungen auf Seiten des „kreativen Kerns“ der Kultur- und Kreativwirtschaft. So orientieren sich seit Jahren viele Kleinunternehmen bei ihren Standortpräferenzen an Urbanitätsvorstellungen der Nutzungsmischung und der Vielfalt von Kulturangeboten (Kapitel 5). Wie das Beispiel des ORWO-Hauses als Musikzentrum in einer ehemaligen Plattenbausiedlung in Berlin zeigt, kann sich dies bei einer „kritischen Masse“ handlungswilliger Akteure und geeigneten sowie verfügbaren Leerständen aber auch anders darstellen. 7.4 Modelle zu den Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft im Städtesystem des Landes NRW Das Arbeitsmodell zu den „Zentralen-Orten“ der Kultur- und Kreativwirtschaft (Kapitel 7.2) sieht als idealtypische Strukturierung von den konkreten räumlichen Bedingungen der Städte ab. In Nordrhein-Westfalen weisen jedoch einige Städte Entwicklungsbesonderheiten auf, die bei der Identifizierung von Raumtypen der Kulturwirtschaft für 44 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume die Stadtentwicklungsplanung zu berücksichtigen sind. Eine der Besonderheiten ist, dass die Metropolregion RheinRuhr im Vergleich zu den meisten anderen Metropolregionen in Deutschland stärker polyzentrisch strukturiert ist, also kein „echtes“ Zentrum wie zum Beispiel die Metropole Frankfurt für RheinMain aufweist. Eine zweite Besonderheit des Landes sind die Vielzahl der ehemals von der Montanindustrie geprägten Städte im Ruhrgebiet. Diese weisen u.a. aufgrund ehemals großindustrieller Strukturen oder auch einer bis vor kurzem noch wenig ausdifferenzierten Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen der Kultur- und Kreativwirtschaft, bis heute nachwirkende spezifische Entwicklungsbedingungen auf. Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten ist für Nordrhein-Westfalen eine Modifizierung der oben vorgestellten idealtypischen Städtehierarchie der Kultur- und Kreativwirtschaft angebracht. In Anlehnung an die siedlungsstrukturellen Gemeindetypen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung und zugeschnitten auf NordrheinWestfalen, bietet sich eine Städtehierarchisierung mit folgenden vier Ebenen an (Mielke/Schulze 2006, 12): Metropol- bzw. Großstädte, Großstädte mit altindustriellem Hintergrund, Städte mit bedeutenden Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und andere Städte, Grundzentren. Bei diesem modifizierten Modell ist darüber hinaus zu beachten, dass im Verdichtungsraum RheinRuhr ein städteübergreifendes Cluster der Kultur- und Kreativwirtschaft besteht (Übersicht 7.6 und Kapitel 6). Dies beeinflusst die Entwicklungsbedingungen und -möglichkeiten der Querschnittsbranche und damit die Ausbildung von „kreativen Räumen“ in den einzelnen Großstädten bzw. in den kleineren Städten der Agglomeration. Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Metropol- bzw. Großstädten Für die Metropol- bzw. Großstädte Köln und Düsseldorf kann bei vergleichbaren Rahmenbedingungen der Kultur- und Kreativwirtschaft wie in Berlin (z.B. positives Stadtimage, Attraktivität als Tourismusziel) vermutlich von einer ähnlichen räumlichen Schwerpunktbildung der Kultur- und Kreativwirtschaft ausgegangen werden (für Köln unter Bezug auf die Medien- und IT-Wirtschaft, Übersicht 7.7; ausschließlich für die Film- und TV-Wirtschaft und unter Berücksichtigung des Umlandes, Mossig 2004). Damit verbunden ist eine weitgehende Adaption der sieben für die Metropole Berlin identifizierten Raumtypen (Übersicht 7.6). Bei einer geringeren Einwohnerzahl sowie anderen räumlichen Bedingungen, wozu vor allem weniger mietpreisgünstige Gewerbeflächen zählen, ist jedoch von einer geringeren Anzahl an Raumtypen auszugehen. ILS / STADTart 45 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 7.6: Clusterraum Kultur- und Kreativwirtschaft in Nordrhein-Westfalen Quelle: Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW 2007 In den wenigen Metropol- bzw. Großstädten des Landes ist daher vermutlich von folgenden fünf Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft auszugehen: Touristische Flanier- bzw. Entertainmentgebiete und Standorte (inter)national wettbewerbsfähiger Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft; Touristische Szenequartiere mit etablierten kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft; Multiethnisch geprägte Szenequartiere mit kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft; Gewachsene bzw. ausgewiesene Gewerbegebiete für TV, Film, Medien und IT; Eroberungs- und Erprobungsquartiere der Kultur- und Kreativwirtschaft. 46 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 7.7 : Räumliche Verteilung der Medien- und IT-Unternehmen in Köln (Stand 2001) Quelle: Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik Im Vergleich zu den in der Metropolregion Berlin/Brandenburg identifizierten Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft, dürften die Raumtypen auf dieser Ebene der Zentralen Orte darüber hinaus zumeist kleinräumiger dimensioniert sein, und es lassen sich vermutlich auch keine weiteren kleinräumigen Ansätze beispielsweise in Großwohnsiedlungen feststellen. Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Großstädten mit altindustriellem Hintergrund In den Großstädten mit altindustriellem Hintergrund wie Dortmund oder Essen, die aufgrund ihrer Stadt- und Wirtschaftsgeschichte, der Lage im Raum (vor allem als Teilgebiet eines großen Verdichtungsraumes), einer stark ausgeprägten multizen- ILS / STADTart 47 Kreative Ökonomie und Kreative Räume trischen Stadtstruktur und eines weniger ausgeprägten touristischen Profils andere Entwicklungsbedingungen hinsichtlich der Kultur- und Kreativwirtschaft aufweisen, stellt sich die Situation dagegen deutlich anders dar. Wohl weist die räumliche Verteilung der Selbstständigen und Unternehmen dieser Wirtschaftsbranche in der Stadt auch eine Glockenform auf, d.h. sie konzentrieren sich auf das Stadtzentrum und die angrenzenden Innenstadtrandgebiete (für Dortmund Übersicht 7.8), doch lassen sich weniger eindeutig von einander unterscheidbare Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft feststellen. So sind die Übergänge zwischen dem Stadtzentrum mit besucherbezogenen Anbietern der Kultur- und Kreativwirtschaft mit Galerien, Kinos, Diskotheken oder dem dazu zählenden Einzelhandel und den unmittelbar angrenzenden Innenstadtrandgebieten vielfach fließend. Übersicht 7.8: Räumliche Verteilung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Dortmund* 14 8 15 13 75 7 81 3 33 20 94 21 34 79 48 20 18 37 44 42 34 9 39 30 28 37 24 * Grundgesamtheit aller erfassten Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Dortmund Quelle: STADTart 2007, eigene Erhebung, erfasste Anzahl: 907 Selbstständige und Unternehmen 48 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 7.9: Räumliche Verteilung der „Kreativen“ in ausgewählten Segmenten der Kultur- und Kreativwirtschaft in Essen (Stand 2007) Quelle: Stadt Essen, Essens Kreative Klasse 2007 In diesen Städten ist von folgenden Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft auszugehen: Stadtzentren mit besucher- und entertainmentbezogenen Anbietern und eher am Markt etablierten Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. Galerien, Kinos, Diskotheken, Werbe- und Architekturbüros); multiethnisch geprägte Innenstadtquartiere mit kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft; Innenstadtquartiere bzw. Geschäftsstraßen mit „guter Adresse“ für etablierte kleinteilige Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. in Essen an der Rüttenscheider Straße); ILS / STADTart 49 Kreative Ökonomie und Kreative Räume punktuell besondere Entwicklungsgebiete mit Schwerpunkt Kultur- und Kreativwirtschaft wie zum Beispiel die Zeche Zollverein in Essen oder aufgrund von spinoff-Effekten der Standort der Folkwang-Hochschule (Übersicht 7.9) . Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Städten mit bedeutenden Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und andere Städte Städte unterhalb der Schwelle zur Großstadt weisen nicht nur aufgrund einer großen Bandbreite von 80.000 bis 300.000 Einwohner/innen sehr unterschiedliche Entwicklungsbedingungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft auf. Weitere Einflussfaktoren sind vor allem die Lage dieser Städte im Raum und damit die Größe des Einzugsbereichs (als Singulärstadt oder als Teil eines Verdichtungsraumes), die touristische Attraktivität bzw. das Stadtimage. Grundlegende strukturelle Entwicklungsunterschiede gibt es bei diesen Städten insbesondere zwischen jenen mit und ohne bedeutende Aus- und Weiterbildungseinrichtungen – sieht man von der Ausnahme der „company town“ Gütersloh mit der Bertelsmann AG einmal ab, einem global player der Kultur- und Kreativwirtschaft. So kann in Universitätsstädten wie beispielsweise der Stadt Münster, bedingt etwa auch in den Städten Bielefeld oder Paderborn, zum einen von einer stärker ausdifferenzierten lokalen Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen der Querschnittsbranche ausgegangen werden. Zum anderen haben kulturwirtschaftlich relevante Ausbildungseinrichtungen wie beispielsweise Kunst- und Musikhochschulen oder Architekturstudiengänge darüber hinaus zumeist profilbildende spin-off-Effekte für die Branche zur Folge. Diese grundlegenden Entwicklungsunterschiede zwischen Städten mit bedeutenden Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und anderen Städten schlagen sich in der Herausbildung von „Kreativen Räumen“ der Kultur- und Kreativwirtschaft nieder. Angesichts der absolut geringeren Anzahl an Selbstständigen und Unternehmen lässt sich auch nur eine weniger ausgeprägte gebietsbezogene Schwerpunktbildung der Kultur- und Kreativwirtschaft feststellen. Für Städte mit größeren Aus- und Weiterbildungseinrichtungen kann von drei Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft ausgegangen werden: dem Stadtzentrum, einschließlich den Innenstadtrandgebieten, mit kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen sowie besucherbezogenen Angeboten der Kultur- und Kreativwirtschaft; planerisch entwickelte innenstadtnahe Kultur- und Freizeitviertel (z.B. Kreativkai Münster) für den „kreativen Kern“ mit besucherbezogenen Angeboten der Kulturund Kreativwirtschaft (z.B. Multiplexkino); punktuelle, innenstadtnah gelegene Eroberungs- und Erprobungsräume, überwiegend in ehemaligen Gewerbegebieten. 50 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume In Städten ohne Aus- und Weiterbildungseinrichtungen konzentrieren sich die vorwiegend für den lokalen und regionalen Markt tätigen Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft im Stadtzentrum und in den Innenstadtrandgebieten (Übersicht 7.10). In manchen Städten haben sich sehr kleinräumig und mit anderen Nutzungen kombiniert, Schwerpunkte der Kultur- und Kreativwirtschaft herausgebildet. Dies kann im Rahmen der Immobilienentwicklung erfolgt sein, wie der Nutzungsmix des ehemaligen „Walzwerks“ in Pulheim zeigt (u.a. mit Puppentheater, Eventhalle, Design-Outlet). Die ehemalige Lindenbrauerei Unna mit dem Schwerpunkt bei besucherbezogenen Angeboten (mit Kino, dem Museum für Lichtkunst, VHS, Stadtbibliothek) ist ein Beispiel für ein kleinräumiges Planungskonzept mit einem überregional bekannten kulturellen Ankerpunkt. Übersicht 7.10: Exemplarische räumliche Verteilung von Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Unna (Stand: 2007) Quelle: Stadt Unna nach STADTart 2007, exemplarisch für 21 Selbstständige und Unternehmen der Kulturund Kreativwirtschaft ILS / STADTart 51 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Grundzentren Angesichts der Größe der Grundzentren und deren lokalen Nachfragepotenzialen, gibt es in diesen Städten keine intrakommunale Ausdifferenzierung bei den Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wie jedoch einige Umnutzungen von Gebäuden in solchen Städten in Verbindung mit Kultur- und Kreativwirtschaft zeigen (z.B. die ehemalige Vogelsmühle in Radevormwald), können sich die lokalen Potenziale der Branche auf die eine oder andere attraktive Immobilie konzentrieren. Darüber hinaus zeigen Kommunen wie die Bücherstadt Langenberg im Stadtgebiet von Velbert in Nordrhein-Westfalen oder das erste Buchdorf in Deutschland, die Gemeinde MühlbeckFriedersdorf in Sachsen-Anhalt, sowie einzelne Künstler- und Varietédörfer (z.B. Kirrwieler bei Strassburg), dass manche Grundzentren sich in kleineren Angebotssegmenten zu hochspezialisierten Kleinzentren der Kultur- und Kreativwirtschaft entwickeln können. Bislang bekannt sind solche thematischen Spezialisierungen in Grundzentren hinsichtlich des Einzelhandels im Literatur- und Buchmarkt, bezogen auf den „Kreativen Kern“ der Künstler/innen und den besucherbezogenen Veranstaltungsmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft. Im Grundsatz sind weitere thematische Spezialisierungen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Grundzentren denkbar (z.B. im Musikbereich). Die Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft in den Kommunen des Landes als Netzwerk Die in der Hierarchie der Städte identifizierten „kreativen Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft in Nordrhein-Westfalen stehen nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr sind sie über Geschäfts- und Kommunikationsbeziehungen zwischen den Selbstständigen bzw. Unternehmen an Standorten in diesen Räumen, insbesondere jedoch über kulturelle Austauschprozesse miteinander verbunden oder „vernetzt“ – ähnlich wie das System der globalen Städte der Kulturproduktion (Krätke 2002, 202ff.). Von zentraler entwicklungsstrategischer Bedeutung für Nordrhein-Westfalen sind dabei die Metropol- und Großstädte mit den etablierten Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, die eher (inter)national ausgerichtet sind, und den eher lokal verankerten Unternehmen. Diese Städte und deren Raumtypen sind wichtige Knoten für europaweite und globale Diffusionsprozesse im gesamten Kultursektor und damit für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft in den Städten des Landes. 52 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume 8 Schlussfolgerungen und Darstellung der weiteren Vorgehensweise Die Kreativen Ökonomien sind im Kontext der zunehmenden Bedeutung von Wissen als Produktionsfaktor ein wichtiges Handlungsfeld der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen (Rüttgers 2007). Angesichts dessen hat sie sich zur Aufgabe gestellt, die Rahmenbedingungen für die Querschnittsbranche zu verbessern und deren Potenziale für die zukunftsorientierte Entwicklung der Städte des Landes zu nutzen. Eine differenzierte Betrachtung der Kreativen Ökonomien offenbart, dass sich diese Querschnittsbranche aus Branchen mit teilweise unterschiedlichen Standortanforderungen zusammensetzt. Solche Rückschlüsse legen entsprechende Studien nahe und betreffen vor allem die divergierenden Standortanforderungen der Kultur- bzw. Kreativwirtschaft und der wissensbezogenen Branchen mit dem Schwerpunkt Forschung und Entwicklung (Landeshauptstadt München 2007, 14). Was die Wechselwirkungen zwischen beiden betrifft, so spricht einiges dafür, dass letztere Branche stärker von der Kultur- und Kreativwirtschaft abhängt als umgekehrt. Verbunden mit den spezifischen Standortanforderungen der jeweiligen Branchenkomplexe ist eine sich unterscheidende räumliche Verteilung. Ein Indikator hierfür ist die bevorzugte Wohnlage. Die überwiegend selbstständig tätigen „Hochkreativen“ bevorzugen zu zwei Drittel das Stadtzentrum bzw. Innenstadtrandlagen, im Unterschied zu hochqualifizierten Wissenschaftler/innen, die als Beschäftigte eher am Stadtrand wohnen wollen (a.a.O. 39). Damit ergeben sich auch andere Standortstrukturen hinsichtlich der „Kreativen Räume“ in der Stadt, mit jeweils spezifischen Handlungserfordernissen und -möglichkeiten. Was die Kultur- und Kreativwirtschaft betrifft, neben IKT und Medien ein Handlungsfeld des Leitmarktes „Wissensintensive Produktion und Dienstleistung“ der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, so ermöglicht die Auswertung von Studien zur Kultur- und Kreativwirtschaft in einigen Städten des Landes erstmalig valide Thesen zu einer Typisierung der Räume der Kultur- und Kreativwirtschaft, einem speziellen Typus von „Kreativen Räumen“ im Städtesystem des Landes (Übersicht 8.1). Dabei zeigt sich, zugeschnitten auf diese Rahmenbedingungen, dass die Anzahl der Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft als Teil des Dienstleistungssektors vor allem je nach lokaler bzw. regionaler Nachfrage variiert, d.h. je nach Einwohnerzahl einer Stadt und deren Einzugsbereich bzw. Zentralität. Modifizierend wirken hierbei die unterschiedlichen pfadabhängigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der jeweiligen Kommunen, das Vorhandensein spezifischer Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und die Lage der Städte im Raum. Dies macht sich in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel bei Großstädten mit einem altindustriellen Hintergrund bemerkbar. Ganz anders stellt sich das Standortsystem der „Kreativen Räume“ unter Wachstumsbedingungen wie etwa in München bzw. unter Transformationsbedingungen in ostdeutschen Städten dar. ILS / STADTart 53 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 8.1 : Synopse der möglichen Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft in NordrheinWestfalen im Kontext der Städtehierarchie Raumtypen Metropol- bzw. Großstädte Großstädte mit altindustriellem Hintergrund Städte mit Aus- und Weiterbildungseinrichtungen ohne Aus- und Weiterbildungseinrichtungen Konzentration auf Stadtzentren und Innenstadtrandgebiete, zum Teil mit kleinräumigen Schwerpunkten Touristische Flanierbzw. Entertainmentgebiete und Standorte (inter)national wettbewerbsfähiger Unternehmen der Kulturund Kreativwirtschaft Stadtzentren mit besucher- und entertainmentbezogenen Anbietern der Kulturund Kreativwirtschaft (z.B. Galerien, Kino, Diskotheken) Stadtzentren, einschließlich Innenstadtrandgebieten, mit kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen sowie besucherbezogenen Angeboten der Kultur- und Kreativwirtschaft Touristische Szenequartiere mit etablierten kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft Multiethnisch geprägte Innenstadtquartiere mit kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft Planerisch entwickelte innenstadtnahe Kultur- und Freizeitviertel (z.B. Kreativkai Münster) für den „kreativen Kern“ und mit besucherbezogenen Angeboten der Kulturund Kreativwirtschaft (z.B. Multiplexkino) Multiethnisch geprägte Szenequartiere mit kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft Innenstadtquartiere bzw. Geschäftsstraßen mit „guter Adresse“ für etablierte kleinteilige Produktionsund Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. in Essen an der Rüttenscheider Straße) Punktuell Eroberungsund Erprobungsräume der Kultur- und Kreativwirtschaft Gewachsene bzw. ausgewiesene Gewerbegebiete für TV, Film, Medien und IT Punktuell besondere Entwicklungsgebiete mit Schwerpunkt Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. Zeche Zollverein in Essen oder aufgrund von spin-off-Effekten der Standort der Folkwang-Hochschule) Eroberungs- und Erprobungsquartiere der Kultur- und Kreativwirtschaft Punktuell Eroberungsund Erprobungsräume der Kultur- und Kreativwirtschaft Grundzentren Vereinzelt Spezialisierungen in Segmenten der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. als Buch- oder Varietédorf) Quelle: STADTart 2007 54 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Die Herausbildung dieser Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft steht auch im Zusammenhang mit zahlreichen Initiativen und Maßnahmen der Stadtentwicklungsplanung und der Unterstützung durch Förderprogramme der EU, des Bundes und des Landes in den letzten drei Jahrzehnten der Stadterneuerung. Dies betrifft u.a.: die großflächige Transformation innerstädtischer Brachen im Rahmen von Entwicklungskonzepten (z.B. MediaPark Köln); großflächige Entwicklungskonzepte für Brachflächen im Bestand (z.B. Medienhafen Düsseldorf, Kreativkai Münster); kleinräumige Konzepte im Rahmen des Quartiersmanagements (z.B. in der Dortmunder Nordstadt); die Umnutzung geeigneter Gebäude (z.B. Künstlerhaus und „Depot“ in Dortmund oder die Existenzgründungszentren in Bochum und in Köln). Gebiete wie Hamburg-Ottensen oder auch das „Bermuda3eck“ in Bochum zeigen aber auch, dass sich die Entstehung und Entwicklung „kreativer Räume“ der Kulturund Kreativwirtschaft nicht ausschließlich auf planerische Initiativen und steuernde Eingriffe zurückführen lässt. Der entscheidende Faktor ist in diesen Fällen die hohe Eigenmotivation und die ausgeprägte Handlungsbereitschaft vieler Selbstständiger und Kleinunternehmen der Querschnittsbranche. Vor dem Hintergrund der skizzierten Initiativen und Maßnahmen in einigen ausgewählten Beispielstädten des Landes zur Kultur- und Kreativwirtschaft, der Erfahrungen mit Strategien im Ausland, der identifizierten Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft im Städtesystem des Landes und der Standortanforderungen der Selbstständigen bzw. Unternehmen der Querschnittsbranche, ergeben sich für eine Stadtentwicklungspolitik zur Förderung der „kreativen Räume“ in Nordrhein-Westfalen folgende Schlussfolgerungen: Benötigt wird ein flächendeckendes kommunales, besser noch regionales Standort-Screening der „Kreativen Räume“ Angesichts der variierenden Standortanforderungen der Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt es in den Städten unterschiedliche Varianten an „Kreativen Räumen“. Je größer eine Stadt, desto größer ist die Vielfalt an Raumtypen dieser Querschnittsbranche. Sie bilden in den Metropolund Großstädten durch kulturelle und wirtschaftliche Austauschprozesse ein zusammenhängendes Netz, das es in der Stadtentwicklungsplanung und der Wirtschaftsförderung noch stärker als bisher zu berücksichtigen gilt. Zur Identifizierung der „Kreativen Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft bedarf es vielerorts jedoch noch eines kommunalen, besser regionalen Standort-Screenings der Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft und gegebenenfalls auch der Standortdynamik. ILS / STADTart 55 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Nicht alle Gebiete einer Stadt können „Kreative Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft sein Die Selbstständigen bzw. Unternehmen der Querschnittsbranche sind keine beliebig einsetzbare Verfügungsmasse bei der Bewältigung anstehender Aufgaben der Stadtentwicklungsplanung. Unter Berücksichtigung der Standortanforderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft bieten sich deren Potenziale insbesondere bei der Innenstadtentwicklung, bei der Entwicklung von Stadtteilzentren, im Rahmen des Quartiersmanagements, der Gewerbeflächenplanung, der Brachflächenentwicklung und bei der Standortplanung etwa von relevanten Hochschuleinrichtungen an (Übersicht 8.2). Dies trifft in dieser Breite jedoch nur für Metropol- und Großstädte zu, auch mit altindustriellem Hintergrund. Bei kleineren Städten nimmt diese Bandbreite entsprechend der geringeren Ausdifferenzierung der Stadt und der weniger entwickelten Potenziale der Querschnittsbranche ab. Übersicht 8.2: Die Bedeutung „kreativer Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft für Handlungsfelder der Stadtentwicklungsplanung im Rahmen der Städtehierarchie: Handlungsfelder der Stadtentwicklungspolitik Metropolbzw. Großstädte Großstädte mit altindustriellem Hintergrund Innenstadtentwicklung (u.a. ISG Leerstands-/ Geschäftsstraßenmanagement x x Entwicklung von Stadtteilzentren (u.a. Leerstands-/ Geschäftsstraßenmanagement x x Quartiersmanagement im Rahmen der „Sozialen Stadt“ x Gewerbeflächenplanung x Brachflächenentwicklung x x (großflächig) (großflächig) x x x - Standortplanung (u.a. Hochschulen) Städte Grundzentren mit Aus- und Weiterbildungseinrichtungen ohne Aus- und Weiterbildungseinrichtungen x x Ortsentwicklung- x x - - x - - - x x (kleinteilig) (kleinteilig) - Quelle: STADTart 2007 56 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume „Kreative Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft sind nur teilweise planbar, sie sind jedoch zumeist entwickelbar Die Planbarkeit der „Kreativen Räume“ ist am ehesten bei weitgehend im Markt etablierten Selbstständigen und Unternehmen gegeben. Positiv korrespondiert damit die Offenheit dieser Nutzergruppe für Stadtentwicklungsprojekte. Die geringste Planbarkeit weisen „Eroberungs- und Erprobungsräume“ auf, da dieser Raumtyp entscheidend von der Akzeptanz bei Künstler/innen, Existenzgründer/innen und Mikrounternehmen abhängt. Einzige Bedingung ist deren fehlende ökonomische Verwertung und Verfügbarkeit. Ansonsten werden diese Räume von den Akteuren „gemacht“, oftmals nur temporär, beeinflusst von sich teilweise schnell verändernden kulturellen Strömungen etwa in der Kunst oder der Musik. Sich im Laufe der Zeit zunehmend etablierende „Eroberungs- und Erprobungsräume“ bieten nachhaltige Entwicklungsmöglichkeiten und eröffnen der Stadtentwicklungsplanung zusätzliche Handlungsoptionen. Strategisch sollte die Entwicklung der „Kreativen Räume“ einer Stadt sowohl topdown Elemente aufweisen als auch Initiativen „von unten“ ermöglichen bzw. absichern Für die weitgehend im Markt etablierten Selbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft bieten sich entweder von der Stadtentwicklungsplanung oder von der Immobilienwirtschaft initiierte städtebauliche Projekte an. Diese sollten adressbildend sein, auf diese Klientel zugeschnittene Wohnformen ermöglichen und eine breite Nutzungsmischung aufweisen. Den vielfach prekären Lebensbedingungen ausgesetzten urbanen „Raumpionieren“ ist ebenso wie kulturellen Initiativen parallel dazu der Zugang zu preisgünstigen Erprobungsräumen zu ermöglichen. Wenn solche bereits bestehen, sind diese auf Zeit oder längerfristig zu sichern. Hierfür geeignete Instrumente sind u.a. temporäre Nutzungskonzepte, die zumindest für eine Dauer von mehreren Jahren eine vertraglich abgesicherte Nutzung ermöglichen (Lange 2007, Dransfeld/Lehmann 2008) und damit gleichzeitig die notwendige Selbstorganisation unterstützen. Wie Beispiele etwa in Bremen oder Augsburg zeigen, ist dies machbar. Möglichkeiten der dauerhaften Sicherung preisgünstiger Erprobungsräume bieten u.a. auch die Gründung von Stiftungen oder die Überführung temporärer Nutzungen in integrierte Infrastrukturmaßnahmen nach dem Modell des Landesprogramms „Initiative ergreifen“. In allen diesen Fällen ist auch die Immobilienwirtschaft gefordert. Es werden gesamtstädtische, integrierte Entwicklungskonzepte und raumtypenspezifische Handlungskonzepte der Kultur- und Kreativwirtschaft benötigt Angesichts der Interdependenzen innerhalb des Kultursektors zwischen Kulturund Kreativwirtschaft als Wirtschaftsbranche und öffentlich geförderten bzw. zivilgesellschaftlich getragenen Kulturangeboten und den Verflechtungen mit Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Sozial-, Wohn- und Integrationspolitik, empfiehlt sich ein ILS / STADTart 57 Kreative Ökonomie und Kreative Räume multidimensional integriertes Entwicklungskonzept der Kultur- und Kreativwirtschaft. Es geht also um mehr als die bislang vielfach erfolgte Integration von Wirtschaftsförderung, Kulturförderung und Stadtentwicklungsplanung. Dieses Konzept ist dann nach dem Motto „one does not fit all“ auf die unterschiedlichen „Kreativen Räume“ in der Stadt, deren spezifische Rahmenbedingungen bzw. Anforderungen zuzuschneiden. Dabei ist davon auszugehen, dass nicht bei allen Raumtypen jeweils alle kommunalen Politikfelder relevant sind. Damit variieren sowohl die Inhalte als auch die zeitlichen Dimensionen eines Entwicklungskonzepts. So sind Gewerbegebiete der Kultur- und Kreativwirtschaft nahezu ausschließlich ein Handlungsfeld von Stadtentwicklungsplanung und Wirtschaftsförderung. Ganz anders stellt sich die Situation etwa in multiethnisch geprägten Quartieren mit kleinteiligen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft dar. Für diese „Kreativen Räume“ sind noch integrierte Konzepte zu entwickeln, die in der multiethnischen Bevölkerung u.a. aufgrund sprachlicher und kultureller Kompetenzen ein Potenzial zur Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft sehen (z.B. als Dienstleister und Teil der ethnischen Ökonomie). Damit eröffnen sich auch der Integrationspolitik neue Perspektiven. Selbstverständlich treffen die Schlussfolgerungen für eine Stadtpolitik der „Kreativen Räume“ nicht auf alle Städte in Nordrhein-Westfalen gleichermaßen zu. In dem skizzierten Umfang sind sie vor allem auf die Rahmenbedingungen von Großstädten zugeschnitten. Jedoch können einige der genannten Aspekte in modifizierter Form auch auf Städte mit Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und andere Städte übertragen werden (ausführlich Übersicht 8.3). Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Erarbeitung und Umsetzung integrierter Entwicklungskonzepte für „Kreative Räume“ mehr ist als nur die Addition von Politikfeldern bzw. deren Instrumenten. Gefragt sind bei allen Beteiligten vielmehr vernetztes Denken und ressortübergreifendes kreatives Handeln (Ebert/Gnad 2007). Dabei ist darauf zu achten, dass – im Unterschied zu Strategien für viele andere Wirtschaftsbranchen – bei der Kultur- und Kreativwirtschaft indirekte, die Rahmenbedingungen beeinflussende Ansätze eine größere Rolle spielen. Hierzu liegt nicht nur in den Städten im Ausland inzwischen eine breite Palette an erprobten Maßnahmen vor. Sollen die Handlungsmöglichkeiten der Städte zur Verbesserung der Entwicklungsbedingungen sowohl der Kultur- und Kreativwirtschaft als auch der Kreativen Ökonomien durch „Kreative Räume“ seitens des Ministeriums weiter unterstützt werden, so bedarf es darüber hinaus einiger ergänzender Schritte. Dazu zählen: die zumindest exemplarische Überprüfung und weitere empirische „Unterfütterung“ der bislang identifizierten Raumtypen der Kultur- und Kreativwirtschaft im Städtesystem Nordrhein-Westfalens (z.B. durch Ergänzung mit Daten zur sozialen Situation, zum Mietpreisniveau, möglichen Eroberungs- und Erprobungsräumen); 58 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume Übersicht 8.3: Metropolen bzw. Großstädte Vorschläge für die Stadtentwicklungsplanung im Rahmen der Städtehierarchie des Landes NRW zur Sicherung und Profilierung „Kreativer Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Stadt Erarbeitung eines wertschöpfungsorientierten, flächendeckenden Stadtentwicklungskonzepts der „Kreativen Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft (unter Berücksichtigung von Standorten im angrenzenden Umland) und raumtypischer Rahmenkonzepte (u.a. Leitbild, Einzelprojekte; für touristisch geprägte „Kreative Räume“ (Ebert 2007)) Monitoring der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie Screening der temporär genutzten Standorte (u.a. Dauer der Akzeptanz, kulturelle Vielfalt) In „Kreativen Räumen“ mit überdurchschnittlichem Anteil an Gruppen mit Migrationshintergrund Initiierung von Projekten zur Integration dieser Potenziale für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft (u.a. im Rahmen von Bildungsmaßnahmen, Förderung der Existenzgründung) Konzeption eines Atelierprogramms und Unterstützung der Immobilienwirtschaft bei der Bereitstellung von Atelierräumen In Verdachtsgebieten der Gentrifizierung Prüfung, ob das Instrument der Milieuschutzsatzung geeignet ist die „urbanen Pioniere“ der Kultur- und Kreativwirtschaft halten zu können (ausführlich STADTart, Kunzmann, Culture Concepts 2007, 37-49) Entwicklung perspektivischer Initiativen zur Kultur- und Kreativwirtschaft mit Ausstrahlung nach innen wie nach außen, z.B. zum Thema „Kreative Stadtteilzentren“ Großstädte mit altindustriellem Hintergrund Erarbeitung von städtebaulichen Projekten (u.a. mit hochwertigem Wohnen) in der Innenstadt für am Markt etablierte Selbstständige und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, eventuell auch seitens der Immobilienwirtschaft) In Gebieten mit Quartiersmanagement Überprüfung inwieweit die Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft adäquat berücksichtigt worden sind An sich etablierenden Standorten der temporären Nutzung durch die „urbanen Pioniere“ Unterstützung durch behutsame Maßnahmen der Stadterneuerung (z.B. attraktive Gestaltung des öffentlichen Raums) Identifizierung potenziell geeigneter „Eroberungs- und Erprobungsräume“ auf ehemaligen Industrie- und Gewerbeflächen (vor allem am Rand der Innenstädte) in Kooperation mit der Immobilienwirtschaft und gegebenenfalls Erarbeitung attraktiver temporärer Nutzungskonzepte Städte mit Aus- und Weiterbildungseinrichtungen An herausragenden innenstadtnahen Standorten (z.B. an Kanälen) Entwicklung von integrierten Städtebauprojekten mit öffentlich/zivilgesellschaftlich getragenen Kultureinrichtungen, Raumangeboten sowohl für die „kulturelle kreative Klasse“ als auch für am Markt etablierte Selbstständige bzw. Unternehmen sowie publikumsbezogenen Angeboten der Kultur- und Kreativwirtschaft, In Kooperation mit Aus- und Weiterbildungseinrichtungen Erarbeitung integrierter Konzepte zur Nutzung der Potenziale (u.a. kleinteilige Gewerbeflächen) Unterstützung von Initiativen bei der Suche nach „Eroberungs- und Erprobungsräumen“ Städte ohne Aus- und Weiterbildungseinrichtungen Erarbeitung von Entwicklungskonzepten für eine 2. Generation an alltagstauglichen Kultur- und Freizeitvierteln im Stadtzentrum oder am Innenstadtrand (Ebert 2004), attraktive Gestaltung des öffentlichen Raums mit „Wohlfühlcharakter“ bei besucherrelevanten Angeboten (z.B. Kino, Kleintheater) Grundzentren Identifizierung von Akteuren in publikumsbezogenen Segmenten der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. im Musikbereich z.B. Clubs, Einzelhandel, Musikinstrumentenbau, -handel, Musikschulen) Identifizierung von Akteuren der lokalen Immobilienwirtschaft zur attraktiven Umnutzung von Gebäuden für kulturelle Initiativen, die „kulturelle kreative Klasse“, Selbstständige und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft Erkundung der regionalen Nachfragepotenziale für die identifizierten publikumsbezogene Angebote im Rahmen des Kultur- und Ausflugstourismus Quelle: STADTart 2008 ILS / STADTart 59 Kreative Ökonomie und Kreative Räume die Beschreibung der raumtypischen Handlungserfordernisse unter Beachtung der spezifischen Entwicklungsbedingungen der Städte (z.B. Anzahl und Relevanz der Aus- und Weiterbildungseinrichtungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft, von öffentlich geförderten und zivilgesellschaftlich getragenen Kultureinrichtungen), der ökonomischen Bedingungen vieler Akteure der kulturellen „kreativen Klasse“ und der stadträumlichen Bedingungen wie etwa Mietpreisniveau für Gewerbeflächen. Dies könnte am Beispiel und in Kooperation mit den bislang am Diskussionsprozess des Forschungsprojektes beteiligten Beispielstädten Köln, Dortmund, Münster und Solingen erfolgen; Übersicht 8.4: Stadtentwicklungsrelevante Förderprogramme in NRW und deren Bedeutung zur Stärkung der „kreativen Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft an Hand der Städtebauinvestitionen für 2007 stadtentwicklungsrelevante Förderprogramme in Nordrhein-Westfalen* Bedeutung für „Kreative Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft Regionale u.a. gemeindeübergreifende Abstimmung „Kreativer Räume“ im Rahmen eines Entwicklungskonzepts, Reaktivierung von Brachflächen Stadtumbau West u.a. temporäre Nutzung, Dienstleistungs- und Mittelstandszentrum, Aktivierung von Flächen für Wohn- und Gewerbenutzung, Quartiersmanagement Stadtbaukultur u.a. einzelne Gebäude Ab in die Mitte u.a. für temporäre Aktionen in der Stadtmitte, Erstellung eines Masterplans Soziale Stadt u.a. Gründungszentren, Infrastrukturprojekte, Quartiersmanagement, Qualifizierung breiter Schichten, lokale Ökonomie, Förderung von Bürgerengagement Initiative ergreifen u.a. integrierte Infrastrukturprojekte EU-Förderung (Ziel II) u.a. Qualifizierung und Beratung, Netzwerkförderung Sanierungsgebiete u.a. Umnutzung z.B. als Atelier-/Künstlerhaus, für gewerbliche Nutzungen der Kultur- und Kreativwirtschaft, Gestaltung des öffentlichen Raums, Öffentlichkeitsarbeit Historische Stadtkerne u.a. Umnutzung herausragender Gebäude Förderung von Stadt- und Regionalmarketingkonzepten u.a. Immobilien- und Standortgemeinschaften für integrierte Kultur- und Freizeitviertel, Leerstandsmanagement Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen u.a. Umnutzung als Wohngebiet mit Mischnutzungen *zum Teil sind die Förderprogramme kombiniert, dies erschwert eine eindeutige Zuordnung Quelle: STADTart 2007, nach Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (2007): Städtebauinvestitionen des Landes NRW 2007 60 ILS / STADTart Kreative Ökonomie und Kreative Räume die Darstellung der Handlungsmöglichkeiten der Stadtentwicklungsplanung und der verfügbaren Programme. Als Ansatzpunkte bieten sich hierfür die Erarbeitung kleinräumiger strategischer Leitbilder und Handlungskonzepte, die Identifizierung bedeutsamer Einzelprojekte als Ankerpunkte und die Darstellung verfügbarer Instrumente an (z.B. flächendeckend für Berlin Ebert/Kunzmann 2007). Eine Synopse der in Nordrhein-Westfalen vorhandenen Förderprogramme zur Stadtentwicklung zeigt anhand der Städtebauinvestitionen des Landes für 2007, dass schon heute zahlreiche Programme eine Reihe von ganz unterschiedlichen Ansatzmöglichkeiten bieten die Entwicklung „Kreativer Räume“ in der Stadt zu unterstützen und diese von den Städten auch in Anspruch genommen werden (Übersicht 8.4). Dazu zählen beispielsweise der Aufbau von Gründungszentren oder die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft im Rahmen der Initiativen zur lokalen Ökonomie, die Umnutzung von Gebäuden als Atelier- oder Künstlerhäuser sowie die temporäre Nutzung brachliegender Gewerbeflächen. Aufbauend auf diesen Ergebnissen könnten nun in einem zweiten, gesondert zu untersuchenden Baustein die „Kreativen Räume“ der Kreativen Ökonomien bzw. der Wissensökonomie in den jeweiligen Städten sowie die Bezüge zu den „Kreativen Räumen“ der Kultur- und Kreativwirtschaft aufgezeigt werden. Dabei sollte zwischen unmittelbaren Zusammenhängen (u.a. der Dienstleistungsfunktion mancher Teilmärkte für andere Branchen wie z.B. der Design- und Werbewirtschaft) und mittelbaren Zusammenhängen unterschieden werden (z.B. der Bedeutung ausgewählter „Kreativer Räume“ der Kultur- und Kreativwirtschaft als Standortfaktor für Unternehmen, wie für die entwicklungsstrategisch als besonders bedeutsam eingeschätzten Hochqualifizierten bzw. Talente). Die Ergebnisse dazu bilden gemeinsam mit den in dieser Studie zusammengetragenen Ergebnissen die Voraussetzung für umfassende und integrierte Strategien der Stadtentwicklungsplanung zur Stärkung der „Kreativen Räume“ einer Stadt und damit auch zur Verbesserung der Entwicklungsbedingungen der „Kreativen Ökonomien“ in den Städten des Landes Nordrhein-Westfalen. ILS / STADTart 61 Kreative Ökonomie und Kreative Räume Literatur Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW (2007): 5. Kulturwirtschaftsbericht. Kulturund Kreativwirtschaft. 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