Gemeinsames Lernen auf dem Weg zur Inklusion

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Gemeinsames Lernen auf dem Weg zur Inklusion
Schulisches Konzept
Gemeinsames Lernen
auf dem Weg zur
Inklusion
an der Anne-Frank-Realschule
Oberhausen
Stand: Oktober 2012
Gabriele Hawig
Melanie Thum
- Regelschullehrerin -
- Lehrerin für Sonderpädagogik -
Inhaltsverzeichnis
Seite
1. Einleitung
3
2. Theoretische Grundlagen der Inklusion
3
2.1 Was ist Inklusion?
2.2 Besondere Herausforderungen eines inklusiven Bildungsansatzes
3. Auf dem Weg zur inklusiven Schule
3
5
5
3.1 Die Anne-Frank-Realschule
3.2 Die ersten Schritte
5
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4. Die erste Integrative Lerngruppe an der Anne-Frank-Realschule
7
5. Die Kooperationsschulen
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6. Das schuleigene Inklusionskonzept
8
6.1 Räumliche Voraussetzungen
8
6.2 Personelle Voraussetzungen
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6.3 Unterrichtsmaterialien
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6.4 Unterrichtsorganisation und -durchführung
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6.4.1 Lernen im Klassenverband
6.4.2 Lernen in der Kleingruppe
6.4.3 Aufgabenprofile der Lehrkräfte
6.4.4 Vertretungsunterricht
6.4.5 Leistungsbeurteilung und Abschlüsse
6.4 6 Förderpläne
6.4.7 Elternarbeit
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11
11
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13
13
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7. Inklusion als Bestandteil des Schulprogramms
der Anne-Frank-Realschule
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8. Vorläufiges Fazit und Ausblick
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9. Literaturverzeichnis
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1. Einleitung
„Der Name unserer Schule ist uns - den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen
und Lehrern und den Eltern - Verpflichtung zur Toleranz, zu Verantwortlichkeit, zur
Gewaltlosigkeit und Menschlichkeit sowie zur kritischen Wachsamkeit gegenüber
gesellschaftlichen
Entwicklungen.“
(Leitbild
im
Schulprofil
der
Anne-Frank-
Realschule)
-------------
Der Aufbau eines inklusiven Bildungssystems ist ein wesentlicher Bestandteil der Umsetzung
der UN-Behindertenrechtskonvention zur Förderung der Chancengleichheit für Menschen mit
Behinderungen. Nach ihr haben Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf einen
Rechtsanspruch darauf, gemeinsam mit Kindern ohne Förderbedarf wohnortnah unterrichtet
zu werden.
Das Schulprogramm der Anne-Frank-Realschule Oberhausen macht deutlich: An unserer
Schule beruht der Umgang miteinander auf Wertschätzung und gegenseitigem Respekt. Wir
wenden uns gegen jegliche Art von Diskriminierung oder gesellschaftlicher Ausgrenzung.
Inklusion ist deshalb für uns eine Möglichkeit, diesen Anspruch in unserer täglichen Arbeit
umzusetzen. Inklusion basiert auf der gleichen Wertschätzung aller Schülerinnen und Schüler mit all ihren individuellen Unterschieden und fördert die Teilhabe aller Schülerinnen und
Schüler am schulischen Leben.
Wie dieser pädagogische Ansatz an der Anne-Frank-Realschule mit Leben gefüllt wird, soll
im folgenden Inklusionskonzept verdeutlicht werden.
2. Theoretische Grundlagen der Inklusion
2.1 Was ist Inklusion?
In der Pädagogik ist die Inklusion (Einschluss, Teilhabe) ein Ansatz, dessen wesentliches
Prinzip die Wertschätzung der Vielfalt in der Bildung und Erziehung ist. Befürworter der
inklusiven Pädagogik betrachten Verschiedenartigkeit (Heterogenität) als normale, reguläre
Gegebenheit.
Die folgende Grafik soll die unterschiedlichen pädagogischen Ansätze verdeutlichen:
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Überträgt man den Inhalt der Grafik auf die in Deutschland bestehende Schulstruktur und die
bestehenden pädagogischen Ansätze, so könnte man Exklusion gleichsetzen mit dem lange
Jahre üblichen Konzept der schulischen Trennung von Kindern ohne und Kindern mit einem
besonderen Förderbedarf z.B. in der emotionalen und sozialen oder der körperlichen Entwicklung.
Der Begriff Separation könnte verglichen werden mit dem Ansatz, Kinder mit und ohne
besonderen Förderbedarf an einer gemeinsamen Schule, aber in getrennten
Bildungs-
gängen zu unterrichten.
Bei dem integrativen pädagogischen Ansatz werden Kinder mit und ohne besonderen
Förderbedarf in einer gemeinsamen Klasse unterrichtet. Eine integrative Lerngruppe besteht
aus zwei oder mehreren Untergruppen: Kinder ohne besonderen Förderbedarf (Regelschulkinder) und Kinder mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten.
Die Inklusion ist der weitestgehende Ansatz, Kinder gemeinsam zu unterrichten. Inklusion
versteht sich in Bezug auf Schule als ein Konzept, das davon ausgeht, „alle Barrieren in
Bildung und Erziehung für alle SchülerInnen auf ein Minimum zu reduzieren.“ [Boban; Hinz:
Index für Inklusion, 2003]. Vielfalt wird nicht als Problem, sondern als Chance wahrgenommen.
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2.2 Besondere Herausforderungen eines inklusiven Bildungsansatzes
Dieser inklusive Ansatz stellt Schule und Unterricht vor besondere Herausforderungen:
So müssen Kulturen, Strukturen und Praktiken in Schulen so weiterentwickelt werden, dass
sie besser auf die Vielfalt der SchülerInnen eingehen. Barrieren, die die Teilhabe aller Kinder
am Lernen behindern, müssen abgebaut werden.
Lernprozesse müssen zunehmend individualisiert und Lernangebote, -methoden und -inhalte müssen stärker aufeinander abgestimmt werden. Auch die Funktion des Unterrichtenden
muss sich verändern.
Gemeinsame Unterrichtsinhalte müssen so aufbereitet werden, dass alle SchülerInnen auf
ihrem individuellen Lern- und Leistungsniveau daran teilhaben können.
Der inklusive pädagogische Ansatz ist somit an einer Schule nicht von heute auf morgen
umzusetzen, sondern muss wachsen und sich entwickeln.
(Vgl. dazu: Boban; Hinz: Index für Inklusion, 2003 sowie Bundschuh; Heimlich; Krawitz: Wörterbuch
Heilpädagogik 2007)
3. Auf dem Weg zur inklusiven Schule
3.1. Die Anne-Frank-Realschule
Die Anne-Frank-Realschule ist eine allgemeinbildende, weiterführende Schule in der
Sekundarstufe I. Sie umfasst die Jahrgänge 5 bis 10 und führt zum mittleren Schulabschluss
(Fachoberschulreife). Besondere schulische Leistungen im Abschlusszeugnis berechtigen
die Schüler zum Besuch der gymnasialen Oberstufe.
Die Anne-Frank-Realschule befindet sich im Zentrum von Oberhausen und wird z.Zt. von ca.
870 Schülern und Schülerinnen besucht. Das Kollegium besteht aus ca. 50 Lehrern und
Lehrerinnen. Die SchülerInnen verteilen sich auf insgesamt 32 Klassen.
Die Schule ist gekennzeichnet durch ein gutes soziales Klima und eine hohe Zufriedenheit
aller am Schulleben Beteiligten.
Ziel der Schule ist es, möglichst viele ihrer Schüler und Schülerinnen zu qualifizierten
Abschlüssen zu bringen und möglichst keinen Schüler und keine Schülerin auf ihrem Weg
zurückzulassen. Diese Kultur des Behaltens wird durch ein vielfältiges individuelles Förderprogramm unterstützt.
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Darüber hinaus bietet die Schulsozialarbeit an der Schule Beratung für Schülerinnen und
Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern bei Schul- und Erziehungsschwierigkeiten,
Konflikten und allgemeinen Lebensfragen. Ihr Ziel ist es dabei, rechtzeitig Probleme und
Schwierigkeiten bei Kindern und Jugendlichen zu erkennen und ihre Kompetenzen zur
Lebens- und Krisenbewältigung zu fördern.
3.2 Die ersten Schritte
Nachdem die Anne-Frank-Realschule im Frühjahr 2012 erfuhr, dass an ihrer Schule ab dem
Schuljahr 2012/13 eine integrative Lerngruppe eingerichtet werden soll, wurden umgehend
die ersten vorbereitenden Maßnahmen getroffen. Dazu gehörten:

Die Bildung des Teams
Recht schnell fanden sich einige Kollegen und Kolleginnen, die sich die Arbeit auf diesem
für Regelschullehrer komplett neuen Terrain, auch ohne abgesteckte Rahmenbedingungen, zutrauten und in dem Klassenteam mitarbeiten wollten.

Die Kooperation mit den Förderschulen
Im April 2012 fand eine erste Sitzung unter Beteiligung der Schulleitungen, der
Sozialpädagoginnen der kooperierenden Schulen, der Sonderpädagogen und des
Regelschulkernteams statt. Erste organisatorische Fragen wurden geklärt und ein
Zeitplan zum weiteren Vorgehen wurde erstellt. Die benötigten Lehr- und Lernmittel und
das Mobiliar wurden bestellt.

Die Kommunikation innerhalb unserer Schule
Um auch die gesamte Schulgemeinde auf das Thema Inklusion und die damit
verbundenen Herausforderungen vorzubereiten, stand der „Soziale Tag“ in diesem Jahr
unter dem Motto „Inklusion“. Mit von der Schulsozialpädagogin entsprechend
vorbereitetem didaktischem Material näherten sich an diesem Tag alle Schulklassen
diesem für die SchülerInnen neuen Thema.

Hospitationen
Dem Best-Practice-Prinzip folgend nahm das Kernteam Kontakt zu einer inklusiven
Realschule in einer Nachbarstadt auf und nutzte die Möglichkeit zur Hospitation in der
dortigen inklusiven Klasse 5 und zum Erfahrungsaustausch mit dem dort eingesetzten
Klassenteam.
6

Fortbildung
Der Schulträger bietet mit dem Arbeitskreis Gemeinsamer Unterricht/Integrative Lerngruppe insbesondere den neu in integrativen Lerngruppen der Sekundarstufe I tätigen
Lehrkräften ein Beratungs-und Unterstützungsangebot, welches von dem Klassenteam
der AFR genutzt wird.
Darüber hinaus bildet sich das Klassenteam kontinuierlich zum Thema Inklusion fort und
nutzt dazu auch die Fortbildungsangebote des Kompetenzteams der Region.

Erste Klassenteamsitzung im Juni 2012
Vorausschauendes Arbeiten und eine gute Planung sind Voraussetzung, um zum
Schuljahresbeginn 2012/2013 einen möglichst entspannten Start zu haben. Vieles wurde
im Klassenteam deshalb schon vor den Sommerferien abgestimmt, wie zum Beispiel die
Gestaltung
der
ersten
Schulwoche,
das
gemeinsame
Festlegen
auf
klare
Verhaltensregeln der SchülerInnen und auf Konsequenzen bei Missachtung dieser
Regeln, Rituale und pädagogische Prinzipien, die vorläufige Sitzordnung, die
Zusammenstellung der benötigten Materialien und Lernmittel, der Einsatz der
Sonderpädagogen, die Ansprüche an die Stundenplangestaltung und das Festlegen von
regelmäßigen Teamsitzungen und deren Verankerung im Stundenplan.
4. Die erste Integrative Lerngruppe an der Anne-Frank-Realschule
Mit dem Schuljahr 2012/13 wurde die erste inklusive Klasse 5 als integrative Lerngruppe an
der Anne-Frank-Realschule eingerichtet. Die Klasse setzt sich aus 21 Schülerinnen und
Schülern zusammen, von denen 5 SchülerInnen einen Förderbedarf im Bereich Lernen
haben und nach den Richtlinien der Förderschule beschult werden. Ein Schüler hat einen
Förderbedarf im Bereich Sehen. Dieser Schüler wird zielgleich nach den Richtlinien der
Realschule beschult.
Alle SchülerInnen mit dem Förderbedarf Lernen wurden während der Grundschulzeit im
Gemeinsamen Unterricht (GU) beschult. Der Schüler mit dem Förderbedarf Sehen durchlief
seine Grundschulzeit an einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen.
Ein Großteil der RegelschülerInnen besuchte während der Grundschulzeit eine Grundschule
mit Gemeinsamen Unterricht (Emscherschule, Steinbrinkschule und Ruhrschule).
Ein Ziel war es, die Klassenstärke der inklusiven Klasse grundsätzlich auf maximal 22
SchülerInnen zu beschränken, wobei der Anteil der SchülerInnen mit sonderpädagogischem
Förderbedarf nicht mehr als fünf betragen sollte.
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5. Die Kooperationsschulen
Für eine gelingende Inklusion ist eine enge und auf gegenseitiger Wertschätzung basierende
Zusammenarbeit zwischen Regelschule und den abgebenden Grund- bzw. Förderschulen
unabdingbar. Entsprechend dem Zuteilungsschlüssel für die SchülerInnen mit Förderbedarf
Lernen wurde eine Kollegin der Stötzner-Schule Oberhausen (Förderschule mit dem
Förderschwerpunkt Lernen) mit 12 Unterrichtsstunden sowie ein Kollege der JohanniterSchule Duisburg (Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen) mit drei Unterrichtstunden pro Schulwoche an die Anne-Frank Realschule abgeordnet.
Eine enge Kooperation besteht auch mit den abgebenden Grundschulen, zum Beispiel in
Form von frühzeitigen Hospitationen der RealschullehrerInnen in den GU-Klassen der
abgebenden Grundschulen als auch an den Förderschulen.
Das Grundschulcafé, zu dem alle KlassenlehrerInnen der Grundschulkinder regelmäßig im
ersten Quartal des 5. Schuljahres an die Anne-Frank-Realschule eingeladen werden, ist eine
bewährte und geeignete Form des Austausches zwischen RealschullehrerInnen und
GrundschullehrerInnen in entspannter Atmosphäre. In diesem Jahr werden natürlich auch
die SonderpädagogInnen der GU Grundschulen eingeladen. Auch die an der AFR tätigen
Sonderpädagogen nehmen an diesem Austausch teil.
6. Das schuleigene Inklusionskonzept
6.1 Räumliche Voraussetzungen
Die Anne-Frank-Realschule arbeitet schon seit einigen Jahren erfolgreich mit dem Lehrerraumprinzip.
Für die Integrative Lerngruppe wurde das Lehrerraumprinzip zunächst außer Kraft gesetzt.
Für die SchülerInnen wurde ein eigener Klassenraum eingerichtet, der den Anforderungen
der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf entspricht. Er ist hell, freundlich, übersichtlich strukturiert und neu ausgestattet mit guten stabilen Sitzmöbeln und mobilen Tischen
für verschiedene Unterrichtsformen. Für den Fachunterricht Physik, Musik, Kunst, Sport und
Biologie wechselt die Klasse in den jeweiligen Fachraum.
Zusätzlich steht für die Klasse ein Differenzierungsraum zur Verfügung, der in unmittelbarer
Nähe des Klassenraumes liegt, so dass - falls nötig - eine äußere Differenzierung jederzeit
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ohne großen Aufwand möglich ist. Der Raum kann auch als Ruhe- oder Auszeitraum genutzt
werden sowie als Raum für Teambesprechungen oder Beratungsgespräche mit Eltern.
Beide Räume befinden sich in der ersten Etage des Altbaus der Schule in unmittelbarer
Nähe zur Schulbibliothek und zur Lernwerkstatt, die mit Montessori-Materialien ausgestattet
ist.
Der Anschaffung eines Smartboards für den Klassenraum ist bereits durch die Schulkonferenz zugestimmt worden. Es wird benötigt, da eine deutliche und gut strukturierte
Visualisierung insbesondere für Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen und Sehen sehr
lernförderlich ist.
Auf Dauer wird eine inklusionsgerechte Ausstattung aller Lehrerräume angestrebt, damit das
bewährte Lehrerraumprinzip auch bei der dauerhaften Umsetzung des Inklusionskonzeptes
an der Schule aufrechterhalten werden kann.
6.2 Personelle Voraussetzungen
Bei der Umsetzung des Inklusionskonzeptes kommt der Teambildung eine bedeutende Rolle
zu. Umso wichtiger ist es, die Form der Zusammenarbeit der Kollegen und Kolleginnen klar
zu definieren und Verantwortlichkeiten festzulegen.
Das Klassenteam setzt sich zusammen aus der Klassenleitung, den in der Klasse tätigen
FachlehrerInnen, den sonderpädagogischen Fachkräften sowie ggf. IntegrationshelferInnen.
Die Klasse wird von einem möglichst kleinen Fachlehrerteam unterrichtet. Möglichst wenige
LehrerInnen unterrichten in der Klasse mit möglichst vielen Unterrichtsstunden. Damit soll
sichergestellt werden, dass die Anzahl der LehrerInnen für die SchülerInnen überschaubar
bleibt und Vertrauen und Verlässlichkeit in der Lehrer-Schüler-Beziehung aufgebaut werden
kann.
Gemeinsamer Unterricht muss vorbereitet, geplant und nachbereitet werden. Dies macht
viele Absprachen im Lehrerteam notwendig. Eine überschaubare Teamgröße vereinfacht die
Zusammenarbeit unter den Kolleginnen und Kollegen sehr. Auch fächerübergreifendes
Arbeiten wird erleichtert.
Die Klasse wird durchgehend im Team von zwei LehrerInnen unterrichtet.
Bei einer Stundentafel von 28 Unterrichtsstunden pro Woche für eine Klasse 5 können bei
der derzeitigen Klassenzusammensetzung 15 Stunden aus dem Sonderpädagogenkontingent bestückt werden. Bei den verbleibenden Unterrichtsstunden wird die Doppelbesetzung aus dem Realschultopf erfüllt.
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Wegen des hohen Bedarfs an didaktisch-methodischen Absprachen wird eine Unterrichtsstunde pro Woche als Teamsitzungsstunde für die HauptfachlehrerInnen und die
Sonderpädagogen der Klasse fest im Stundenplan verankert und auf ihr Stundenkontingent
angerechnet.
Darüber hinaus finden bei Bedarf, mindestens aber einmal pro Quartal, Sitzungen des
gesamten Lehrerteams der inklusiven Klasse statt. Die Ergebnisse einer jeden Teamsitzung
werden protokollarisch dokumentiert und an alle FachlehrerInnen weitergeleitet.
6.3 Unterrichtsmaterialien
Die RegelschülerInnen der integrativen Lerngruppe erhalten die Unterrichtsmaterialien der
Realschule. Für die SchülerInnen mit dem Förderschwerpunkt Lernen wird zusätzliches
Fördermaterial, Hilfsmittel und Differenzierungsmaterial bereitgestellt. Es ist geplant, eine
Förderbibliothek einzurichten, in der alle LehrerInnen Zugang zu Fördermaterialien,
Hilfsmitteln und Differenzierungsmaterial erhalten. Zum jetzigen Zeitpunkt wird das zusätzliche Material von der Sonderpädagogin zur Verfügung gestellt.
6.4 Unterrichtsorganisation- und durchführung
Die Stundentafel der inklusiven Klasse richtet sich nach den Richtlinien für Realschulen.
Grundsätzliches Ziel ist es, dass alle Kinder am gleichen Unterrichtsgegenstand binnendifferenziert, d.h. entsprechend ihrem individuellen Lerntempo und Lernfortschritt arbeiten.
Dabei soll der Unterricht entsprechend dem Inklusionsgedanken so häufig wie möglich
gemeinsam im Klassenverband stattfinden.
Um einen gemeinsamen Unterricht zu gewährleisten, sollen offene Unterrichtsmethoden wie
Lerntheke, Wochenpläne, Lernen an Stationen und projektorientiertes Lernen möglichst oft
umgesetzt werden.
6.4.1 Lernen im Klassenverband
Bei dieser Form der Unterrichtsorganisation arbeiten alle SchülerInnen am gleichen
Unterrichtsthema. Differenziert wird innerhalb der Lerngruppe nach den unterschiedlichen
Leistungsniveaus der SchülerInnen. Das Lehrerteam begleitet den Lernprozess der SchülerInnen durch:
10

Beobachtung und Diagnostizierung

Aufbereitung von Arbeitsaufträgen (Differenzieren und Bereitstellen von Hilfsmitteln)

Sozialtraining zur Steigerung der Aufmerksamkeit und Mitarbeit am Unterricht

Hilfe und Unterstützung bei Fragen und Problemen

Lernerfolgskontrollen

Förderung der Selbstständigkeit
6.4.2 Lernen in der Kleingruppe
Der Schwerpunkt der Kleingruppenförderung liegt auf der Reduzierung und Vereinfachung,
Veranschaulichung und Konkretisierung des Lernstoffs. Insbesondere in der Phase des
eigenständigen Übens in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik ist diese Form der
Unterrichtsgestaltung sinnvoll. Sie findet räumlich getrennt statt und steht allen SchülerInnen
je nach individuellem Unterstützungbedarf offen.
Beim Lernen in der Kleingruppe werden:

Differenziertes Unterrichtsmaterials bereitgestellt und bearbeitet

Lerninhalte aufgearbeitet und wiederholt

Freiarbeitsmaterial zur Verfügung gestellt

Übungen/Spiele in der Kleingruppe durchgeführt
6.4.3 Aufgabenprofile der beteiligten Lehrkräfte
Die Klassenleitung trägt die Hauptverantwortung für alle SchülerInnen der Klasse.
Die Unterrichtsgegenstände werden von den Fachlehrern und den Sonderpädagogen
gemeinsam festgelegt und geplant auf Basis der Kernlernpläne der Realschule und den
Richtlinien der Förderschule. Des Weiteren übernehmen Sonderpädagogen eine beratende
Funktion. Diese sollte wie folgt aussehen:

Gemeinsame Erarbeitung von Lösungsstrategien und Handlungsmöglichkeiten bei
Lern- und Verhaltensproblemen.

Aufzeigen von Differenzierungsmöglichkeiten des Unterrichtsstoffes.

Bereitstellung von Unterrichtsmaterial

Differenzierung von Klassenarbeiten und anderen Leistungsüberprüfungen
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KlassenlehrerIn/FachlehrerIn


Sie sind Ansprechpartner
Sie sind

Sie sind
Ansprechpartner für
Ansprechpartner für
Sie wenden
alle SchülerInnen
alle SchülerInnen

Sie wenden

Sie begleiten und
Kooperationsformen
unterschiedliche
unterstützen
an(von Beobachter bis
Kooperationsformen
SchülerInnen mit
Teamteaching)
an(von Beobachter
Unterstützungsbedarf
Sie planen und führen
bis Teamteaching)
in ihren
Sie unterrichten
Lernprozessen.
ihren Unterricht so, dass


Doppelbesetzung durch
RegelschullehrerIn
für alle SchülerInnen.
unterschiedliche

Sonderpädagogen


individualisiertes Lernen
phasenweise eine
möglich ist.
Schülergruppe oder
Fachlehrer bei seiner
Im Unterricht ohne
die ganze Klasse.
Arbeit.
Doppelbesetzung sind sie

Sie unterstützen den
Sie begleiten und
für die Differenzierungs-
unterstützen
maßnahmen zuständig.
SchülerInnen mit
Unterstützungsbedarf in ihren
Lernprozessen.

Sie differenzieren
gegebenenfalls
Arbeitsaufträge und material
(Vgl. Inklusionskonzept der Christian-Erbach-Realschule, Gau-Algesheim)
6.4.4 Vertretungsunterricht
Im Vertretungsfall werden vorrangig KollegInnen aus dem Klassenteam eingesetzt. Für den
Fall, dass die Sonderpädagogen vertreten werden müssen, steht für jeden Schüler mit dem
Förderschwerpunkt Lernen eine sogenannte „Vertretungsmappe“ zur Verfügung. Diese
Vertretungsmappen befinden sich im Klassenraum. Sie beinhalten differenzierte Arbeitsblätter für die Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik. Somit kann jeder Schüler individuell an seinen differenzierten Arbeitsmaterialien arbeiten.
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6.4.5 Leistungsbeurteilung /Abschlüsse für SchülerInnen mit dem Förderschwerpunkt
Lernen
Leistungsbewertung
Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler im Bildungsgang Lernen werden ohne
Notenstufen auf der Grundlage der in den individuellen Förderplänen festgelegten Lernziele
beschrieben. Diese Leistungsbewertung erstreckt sich auf die Ergebnisse des Lernens sowie
die individuellen Anstrengungen und Lernfortschritte.
Die Schulkonferenz kann beschließen, dass ab Klasse 5 bei Schülerinnen und Schülern, die
im Bildungsgang Lernen unterrichtet werden, einzelne Unterrichtsfächer zusätzlich mit einer
Note bewertet werden. Die Vorrausetzung für eine Bewertung mit Noten ist, dass die
Leistungen den Anforderungen der jeweils vorhergehenden Jahrgangsstufe der Grund- oder
Hauptschule entsprechen. Dieser Maßstab ist auf dem Zeugnis kenntlich zu machen (AO-SF
§27,2).
Zeugnisse
Die Zeugnisse der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf
erhalten die Angabe des Förderschwerpunktes sowie des Bildungsgangs, in welchem die
Schülerin und der Schüler unterrichtet werden. Die Zeugnisse im Bildungsgang Lernen
beschreiben
die
Lernentwicklung
und
den
Leistungsstand
in
den
einzelnen
Unterrichtsfächern.
Abschlüsse
Die Klasse 10 führt zum Abschluss des Bildungsgangs im Förderschwerpunkt Lernen. Die
Schülerinnen und Schüler erhalten ein beschreibendes Abschlusszeugnis. Noten sind
zusätzlich möglich, wenn diese den Anforderungen entsprechen (siehe Leistungsbewertung).
In einem besonderen Bildungsgang führt die Klasse 10 zu einem Hauptschulabschluss (nach
Klasse 9) gleichwertigen Abschluss (HSA-9). Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler,
die diesen Abschluss anstreben, werden in allen Unterrichtsfächern zusätzlich mit einer Note
bewertet. Der HSA-9 kann jedoch nur erwerben, wer in den Klassen 9 und 10 am Unterricht
im Fach Englisch teilgenommen hat.
6.4.6 Förderpläne
Für
die SchülerInnen mit
sonderpädagogischem
Förderbedarf
werden
individuelle
Förderpläne geschrieben (AO-SF §19,6). Pro Schuljahr sollten mindestens zwei Förderpläne
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geschrieben werden. Diese werden im Klassenteam gemeinsam beraten, wodurch die im
Team vorhandenen Fähigkeiten (unterschiedliche Kompetenzen, Erfahrungen, Beobachtungen, Sichtweisen etc.) genutzt werden. Durch diesen kollegialen Austausch über
sonderpädagogische Förderung und den Prozess der Zusammenarbeit entwickelt sich
zudem ein Kompetenztransfer.
Jeder individuelle Förderplan fasst wichtige Informationen über die Schülerin oder den
Schüler zusammen, beschreibt Entwicklungsziele und legt differenzierte Maßnahmen und
Verantwortlichkeiten fest. Die in einem genauer umschriebenen Zeitraum zu fördernden
Bereiche werden abgeleitet aus den Ergebnissen der vorangegangen Förderung. Die
einzelnen Ziele des Förderplans sollen konkret, im geplanten Zeitraum erreichbar und
überprüfbar formuliert sein. Bei der Förderplanung werden konkrete Schwerpunkte gesetzt.
Dies bedeutet, dass vordringlich zu fördernde Bereiche ausgewählt werden, da nicht alle
Förderbedarfe gleichzeitig und gleich intensiv gefördert werden können.
Im Rahmen der Förderplanerstellung sind auch Überlegungen anzustellen zu Methoden und
Maßnahmen der Förderung und zur Umsetzung der Förderplanung im Unterricht. Die
Fördermaßnahmen sollten allen Fachlehrern, die in der Klasse unterrichten bekannt sein und
soweit möglich von ihnen im Unterricht umgesetzt werden. Darüber hinaus werden die
Förderpläne in sogenannten Förderplangesprächen mit den Schülerinnen und Schülern und
deren Erziehungsberechtigten beraten. Diese Förderplangespräche finden im Schuljahr
regelmäßig statt.
6.4.7 Elternarbeit
Die Anne-Frank-Realschule legt Wert auf eine enge, respekt- und vertrauensvolle
Zusammenarbeit mit den Eltern. Die Klassenleitung und die Sonderpädagogin nehmen sich
bei Bedarf Zeit für ein Beratungsgespräch mit den Eltern. Je nach Beratungsschwerpunkt
finden die Gespräche zu zweit oder allein statt.
Zur Anmeldung der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf werden intensive Gespräche
mit den Erziehungsberechtigten und der abgebenden Grundschule geführt. Während des
Schuljahres bieten neben den üblichen Elternsprechtagen weitere Kommunikationsorte
Raum für Austausch:

Förderplangespräche

Elterngespräche (nach Bedarf)

Klassenpflegschaftssitzungen

gemeinsame Veranstaltungen
14
Auch die Eltern der Kinder mit einem besonderen Unterstützungsbedarf im Lernen erhalten
im Rahmen der Erprobungsstufenkonferenzen eine Rückmeldung zum Arbeits- und
Sozialverhalten ihrer Kinder.
7. Inklusion als Bestandteil des Schulprogramms der Anne-Frank-Realschule
Ausgehend vom Leitbild der Anne-Frank-Realschule, das Toleranz und Menschlichkeit in
den Mittelpunkt des täglichen Umgangs miteinander stellt, wird an unserer Schule die
Verschiedenheit aller SchülerInnen anerkannt und als Bereicherung empfunden. Es wird
eine Kultur des respektvollen Miteinanders und nicht eine Kultur des Ausgrenzens gelebt.
Vielfältige Bestandteile des Schulprofils spiegeln diese Grundhaltung wider.
Das umfangreiche Förderprogramm der Anne-Frank-Realschule zum Beispiel trägt dazu bei,
die SchülerInnen in ihrem Bildungsprozess so zu unterstützen, dass sie möglichst viele
Erfolgserlebnisse erfahren. Dazu gehören die Ergänzungsstunden in den Fächern Deutsch,
Englisch und Mathematik, die Förderangebote im Bereich Sport und Musik, das Konzept zur
Leseförderung und das Medienerziehungskonzept.
Auch um den SchülerInnen den Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule
möglichst leicht zu machen, gibt es ein vielfältiges Angebot vom Schnuppernachmitttag über
die Kennenlernwoche und das Klassenpatenkonzept bis zu zahlreichen Aktivitäten im 5.
Schuljahr zur Teamfindung und Orientierung in der Schule und dem schulischen Umfeld.
Durch die Unterrichtsstunde „Lernen lernen“ im 5. und 6. Schuljahr wird die Lernkompetenz
der Schüler und Schülerinnen gestärkt.
Aber auch die Stärkung der Sozialkompetenz ist für eine gelingende soziale Integration aller
Schüler unabdingbar.
Die Vereinbarung klarer und einheitlicher Regeln des Miteinanders und die Bewusstmachung
der Konsequenzen bei Missachtung fördern die Schüler und Schülerinnen in ihrem sozialen
Verhalten. Unterstützt wird dieser Ansatz durch das Trainingsraumkonzept und das Streitschlichtermodell.
Für eine Realschule, deren Aufgabe es ist, SchülerInnen für berufliche Bildungsgänge zu
qualifizieren, spielt die Berufsorientierung eine wichtige Rolle. Das umfangreiche Konzept
der Berufswahlvorbereitung an der AFR muss vor dem Hintergrund der Förderung der
Chancen von Kindern mit einem Unterstützungsbedarf im Bereich Lernen in den
kommenden Jahren entsprechend weiterentwickelt werden.
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8. Vorläufiges Fazit und Ausblick
Inklusion im Schulunterricht ist mehr ist als eine gelungene Integration von Kindern mit
einem besonderen Unterstützungsbedarf. Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Inklusion in der Bildung ist nur ein Bestandteil einer inklusiven Gesellschaft.
Die Veränderung einer Schule hin zu einer inklusiven Schule geht von dem Grundverständnis aus, dass Schulen einen wesentlichen Beitrag zu gesellschaftlichen Entwicklungen leisten. Hier werden Werte vermittelt und Einstellungen gelebt.
Die Anne-Frank-Realschule hat sich auf den Weg gemacht, eine inklusive Schule zu werden,
und sich dieser gesamtgesellschaftlichen Herausforderung zu stellen.
Für die Anne-Frank-Realschule bedeutet dieser Weg die bewusste Auseinandersetzung mit
dem Thema Inklusion. Er sensibilisiert uns für die Verschiedenartigkeit aller an unserem
Schulleben Beteiligten und den damit verbundenen Konsequenzen für die Gestaltung des
Lernortes Schule.
In diesen Prozess ist die gesamte Schulgemeinde einzubinden. Das gesamte Lehrerkollegium bildet sich im laufenden Schuljahr zum Thema Inklusion fort.
Den Eltern wird das schuleigene Konzept auf einem Elternabend vorgestellt.
Angestrebt ist außerdem die Einrichtung einer Fachschaft Inklusion.
Das vorliegende Konzept ist zu verstehen als ein erster Ansatz. Es bedarf der ständigen
Evaluation und Fortschreibung. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Differenzierung
des Lernstoffes zu richten sein, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, Differenzierung als einen
Weg zur Standard- und Qualitätssicherung von Unterricht zu nutzen. Hier müssen zunächst
erste Unterrichtserfahrungen mit den oben erwähnten Unterrichtsmethoden gesammelt und
ausgewertet werden. In dem gesamten Prozess ist auf Dauer auch zu überlegen, inwieweit
reformpädagogische Ansätze uns unterstützen können.
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Literaturverzeichnis
-
Boban, Ines, u. Hinz, Andreas: Index für Inklusion, Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg 2003
-
Bundschuh, Konrad; Heimlich, Ulrich u. Krawitz, Rudi: Wörterbuch Heilpädagogik,
Bad Heilbrunn 2007
-
Inklusionskonzept der Christian-Erbach-Realschule Gau-Algesheim
(Orientierungskonzept)
URL: http://www.realschule-plus-gau-algesheim.de/home.html
-
Wikipedia, Suchbegriff „Inklusion“,
URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Inklusion_(Pädagogik)
Anne-Frank-Realschule, Goebenstraße 140, 46045 Oberhausen
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