Aggressivität und Gewalt in der Pflege

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Aggressivität und Gewalt in der Pflege
Aggressivität und Gewalt in der Pflege
Warum Gewalt?
Die Gewalt fängt an wenn einer sagt: "Du bist krank, Du musst tun was ich sage"
Aggression und Gewalt sind in unserer Gesellschaft in vielfältiger Form existent. Nicht nur in
den Medien sondern auch im Gesundheitswesen ist eine Gewaltbereitschaft festzustellen.
Doch das Thema Aggressivität und Gewalt in der Pflege ist weitgehend ein tabubehaftetes,
nicht zuletzt, weil es mit unangenehmen Gefühlen verbunden ist.
Aggressivität bedeutet: Geneigt oder bereit andere anzugreifen, seine Absichten direkt und
ohne Rücksicht auf andere zu verfolgen - gegen andere gerichtet. Man neigt zu heftigen
Reaktionen, Angriffsbereitschaft und Angriffsbedürfnis.
Es wird immer dann von Gewalt gesprochen, wenn eine Person zum "Opfer" wird,
vorübergehend oder dauernd daran gehindert wird, ihrem Wunsch oder ihren Bedürfnissen
entsprechend zu handeln können.
Gewalt heißt also, dass ein ausgesprochenes oder unausgesprochenes Bedürfnis des
"Opfers" missachtet wird. In der Psychologie ist Gewalt immer als Ausdruck von Aggression
definiert.
Ansätze zur Erklärung von Gewalttätigkeit:
Frustration - Aggressionstheorie:
tritt auf wenn die Ausführung einer Zielreaktion unterbrochen oder blockiert ist. Jede
Frustration kann eine Neigung zur Aggression hervorrufen, diese Neigung kann jedoch zu
schwach sein, um tatsächlich aggressives Verhalten zu verursachen.
Aggression und Hormone:
Frauen verüben erheblich weniger Straftaten als Männer. Das ist statistisch eindeutig belegt.
Es kann nach Meinungen einiger Autoren endokrinologische Ursachen haben. An Mäusen
wirkte sich die Zugabe von Testosteron eindeutig als stimulierender Effekt auf das
Aggressionsverhalten aus.
Angst:
wurde als Gefühlszustand welcher die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Aggression und
Aggressivität begünstigt erläutert.
Aus der Sicht des Patienten können Faktoren wie Isolation, Einsamkeit, Ungewissheit,
Schamverletzung, Hilflosigkeit etc. große Angst auslösen.
Auch bei Pflegende bewirkt Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit oder Beschimpfungen etc.
gewisse Ängste.
Diese Ängste können in den oben genannten Gründen aggressives Verhalten zur Folge
haben.
Angst kann das gesamte Team (Ärzte und Pflegende) demotivieren und vormals idealistisch
angegangene Arbeiten als sinnlos erscheinen lassen.
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Häufige Konfrontationen mit dem Tod und Sterben, mit geringer Hoffnung auf
Zustandsverbesserung, permanent zu wiederholende Pflegemaßnahmen z. B. Inkontinenz,
können Pflegepersönlichkeiten belasten.
Es gibt zwei Formen von Gewalt:
Die strukturelle- indirekte und die personale direkte Gewalt.
Die strukturelle Gewalt wird gekennzeichnet durch Geräuschlosigkeit und in einer gewissen
Weise von Unsichtbarkeit. Wie etwa in Altenheime wo es zum Entzug von
Entscheidungsfreiheiten durch die gesellschaftlichen Strukturen kommt, weil ihre
Rahmenbedingungen so gestaltet sind.
Die personale Gewalt geht wie der Name schon sagt von einer Person aus - direkt,
geradewegs an das "Opfer" wie Vernachlässigung oder Misshandlung etc.
Formen von Aggression und Gewalt in der Pflege
1. Physisch
2. Non - Verbal
3. Verbal
Der physischen Form geht einer körperlichen Beeinträchtigung hervor. Aktiv durch
Schläge oder andere Misshandlungen, passiv sind sie durch Vernachlässigung als
Unterlassung von Pflegehandlungen gekennzeichnet.
Non verbale Formen sind ein verkrampfter Gesichtsausdruck, angespannte
Körperhaltung, hastiges nervöses Gestikulieren, unruhiges Fingerspiel, Abwehr des
Blickkontaktes, hektisches Ordnen der Kleidung, verziehende Mundwinkel nach unten usw.
Verbale Formen äußern sich in Beleidigungen des Patienten, schwarzer Humor auf Kosten
des Patienten, Verweigerung der Kommunikation usw.
Studien der ICN International Council of Nurses, haben sich mit dem Erscheinungsbild von
Aggression und Gewalt bei Personen im Pflegedienst auseinandergesetzt.
Beispiel:
73% aller australischen Pflegepersonen gaben an - körperliche Gewalt erfahren zu haben.
52% der Pflegenden auf Akutstationen in Kanada berichteten über körperliche Angriffe.
46% der Pflegenden des psychiatrischen Krankenhauses in Ohio berichteten über tägliche
Verbalaggressionen durch die Patienten.
Auch unter Ärzten und Pflegende sind verbale Attacken nicht selten.
Im Gesundheitswesen ist Gewaltbereitschaft vorhanden.
Begünstigende Faktoren für Aggressionsbereitschaft von Patienten sind Alkohol, Drogen,
Medikamentenmissbrauch, Todesangst wie z. B. das Erwachen auf der Intensivstation.
Medikamente wie Tyroxine, Analgetika, Appetitzügler, Antiepileptika oder
Dopaminantagonisten können als Nebenwirkung ein aggressives Verhalten begünstigen.
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Gewalt und Aggression auf die ATLs (Aktivitäten des Täglichen Lebens) bezogen
Die Lebensaktivitäten beschreiben was zum Leben gehört und wesentliche Teile des
"täglichen Lebens" ausmachen - und diese in Form von Aktivitäten.
1. Fehlverhalten in der Kommunikation
Unterhaltung über den Kopf des Patienten hinweg
Entzug von Zuwendung
Rügen und Desinteresse
Bevormundung und Sprechverbot
unerlaubtes Duzen
2. Bewegung
falsche Unterstützung bei Bewegungen
Zwangsmobilisation
Fixierung
unangemessene Form der Berührung
Patienten im Stuhl und Harn liegen lassen
3. Körperpflege
Zwang zur Körperpflege "wir müssen sie jetzt waschen"
Haare schneiden gegen den Willen des Patienten
ungewollte Rasur,
zu kaltes oder zu warmes Wasser beim Waschen
4. Essen und Trinken
einflössen von Nahrung,
zu schnelles Reichen der Nahrung
auf Mahlzeiten vergessen,
Vorenthalten von Eß- und Trinkhilfen
5. Ausscheidung
Windelhose,
nicht notwendiger Harnkatheter
schlechte Gerüche belassen, oder lüften wenn jemand nackt ist
6. Ruhen und Schlafen
nicht einhalten von Tag- und Nachtrhythmus (Waschen in der Nacht)
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Verabreichung von Schlafmittel (will oder braucht es der Patient)?
7. Fehlverhalten im sozialen Bereich des Lebens
Dauerberieselung von Radio und Fernseher
Sich um die Menschen nicht kümmern
Diese Auflistung soll als Überblick von Methoden und Mechanismen dienen, welche als
gewalttätige und aggressive Handlungen des Pflegepersonals zum Patienten hinweisen.
Die Pflegenden und die Ärzte haben eine große Verantwortung im Umgang mit dem
Patienten wie aber auch einen hohen Einfluss auf das Verhalten des Patienten in kritischen
Situationen.
Als Symbol der Macht kann das Stehen des Pflegenden/Arzt und das Liegen des Patienten
gesehen werden.
Im Gegensatz dazu setzten Patienten ihre noch verbliebenen Möglichkeiten wie etwa
nörgeln, verweigern, einnässen etc. ein, um die Symmetrie der Macht wiederherzustellen.
Ein heikler Punkt - Das "Fixieren des Patienten"
Aggressivität als Ausdruck von freiheitsbeschränkenden
Maßnahmen:
In einer Studie von U. Fritz et.al. 1991 wurden in einem Zeitraum eines Jahres
Pflegedokumentationen zum Thema Fixierung im Krankenhaus untersucht, wie häufig, wie
lange und aus welchen Gründen Patienten fixiert wurden.
50% aller Fixierungen finden in der Nacht statt. Zwischen Personalmangel und Häufung der
Fixierungen meinte der Autor U. Fritz, konnte eindeutig ein Zusammenhang festgestellt
werden.
Eine statistische Analyse der Wochentage ergab eine signifikante Kumulation an Montagen
mit 20% - wohin gegen an Samstagen und Sonntagen außergewöhnlich wenig Patienten mit
Gurten fixiert werden mussten.
Eine Analyse der Geschlechtszugehörigkeit ergab, das Männer doppelt so häufig fixiert
wurden als Frauen. Das kann auf die Angst des Pflegepersonals vor körperlich stärkeren
Patienten zurückgeführt werden.
Wenn ein Patient auf der Station gegen oder ohne dessen Willen mit Fixierungsgurten,
Hand- und Fußfesseln, Bettgittern oder sonstigen Mitteln oder durch Einschließung und
Isolierung an der Ausübung seiner Freiheit gehindert wird, wird der Patient nach §239 des
Strafgesetzbuches seiner Freiheit beraubt.
Jedoch sind kurzfristige Freiheitsbeschränkungen auch ohne richterlichen Beschluss unter
folgenden Voraussetzung möglich:
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1. wenn der Patient einwilligt (selten)
2. aggressive Verhaltensweisen erkennbar sind und Gefahr für sich und andere darstellt
3. geistige Verwirrung des Patienten
Wichtig ist die Dokumentation sowohl aus ärztlicher und pflegerischer Sicht um hiermit der
Willkürlichkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme, etwa persönliche Antipathie oder
mangelnde Arbeitsmotivation zu entkräften.
Aggressions- und Gewaltverhinderung im Gesundheitswesen
Es gibt kein Patentrezept gegen Aggressivität und Gewalt in der Pflege, aber das
Wissen um die Entstehungsprozesse und die Kenntnis über die Tatsache, das es
Aggression und Gewalt in allen Berufsgruppen gibt, kann dazu beitragen,
Aggressivität und Gewalt zu reduzieren und zu vermeiden.
Wichtig ist die Prävention!
Diese kann durch Supervision, Teamgespräche und ein professionelles Krisenmanagement
erfolgen.
Die Pflege und Betreuung der Patienten fordert die Bereitschaft unseren Einsatzes ständig
der Entwicklung anzupassen, was meist eine Steigerung des selben bedeutet.
Einerseits werden laufend neue Behandlungsmethoden und Geräte entwickelt welche immer
mehr Schwerstkranke eine "Überleben" in der Krise ermöglicht, andererseits rückt auch der
wirtschaftliche Faktor ins Blickfeld, z. B. Einsparung in personellen Bereich.
Überlastung, dies gilt für Patienten gleich wie für die Betreuer, führt zu einer höheren
Bereitschaft zur Aggressivität, jedoch sollen die Bedürfnisse des Patienten die oberste
Priorität haben.
Eine Vernachlässigung des Patienten sowohl psychisch als auch physisch muss bereits als
Gewaltanwendung bezeichnet werden.
Schwer kranke Patienten können nicht immer differenzieren, ob die pflegerischen und
ärztlichen Maßnahmen, die erforderlich sind, zu Gunsten seiner Situation sind, oder falsch
und böswillig sind.
Nur wenn der Patient vom Sinn der Maßnahmen oder Tätigkeiten überzeugt und
einverstanden ist können sie zum Erfolg führen.
Quellen:
- Fischer G., Hartdegen K.(1996): Aggression und Gewalt in der Pflege. Urban & Fischer
Verlag
- Meyer M.(1998): Gewalt gegen alte Menschen in Pflegeeinrichtungen. Verlag Hans Huber,
GKPS Horn DGKP Franz Kitzler 2003
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Göttingen
- Breakwell G.M.(1998): Aggression bewältigen, Verlag Hans Huber, Göttingen
Erarbeitet aus dem Internet: Franz Kitzler
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