„Prophylaxe“ von hellem Hautkrebs?
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„Prophylaxe“ von hellem Hautkrebs?
hgb ÄD 4.2007 05.09.2007 9:59 Uhr Seite 32 Dr. A. Rietz 30 Fruchtsäurepeelings – eine sanfte und wirksame Methode zur „Prophylaxe“ von hellem Hautkrebs? Fruchtsäurepeelings, auch Chemical Peeling genannt, werden bei der Behandlung von Hautveränderungen eingesetzt. Kein Organ des menschlichen Körpers zeigt auf so unbarmherzige Weise die Spuren des Alterns wie die Haut. Neben einer persönlichen Anlage zum Hautaltern (intrinsic aging) sind in unseren Breitengraden und bei unserer Rasse die Lichtschäden die Hauptursache der Altersveränderung (Photoaging). Die Lichtgeschädigte Haut wird rauh, fleckig, die Elastizität geht verloren, Falten treten auf und prägen sich immer mehr aus. Im Feinbild verdünnt sich die Oberhaut, es treten atypische Zellen auf, das Pigment verteilt sich irregulär, in der Lederhaut verändert sich das Bindewebe. Fruchtsäurepeelings bewirken die Schälung von Teilen der Epidermis und gegebenenfalls Dermis mit dem Ziel, regenerative Prozesse in der Haut („Hauterneuerung“) zu induzieren. Fruchtsäurepeelings werden nicht nur im Rahmen der Anti-Aging-Sprechstunde eingesetzt, sondern werden heute bei einer Reihe von dermatologischen Hauterkrankungen empfohlen. Bei folgenden Hautveränderungen wird ein Chemical Peeling empfohlen: – Akne – Grobporige Haut – Hautalterung – Fältchen – Pigmentflecken – Aktinische Keratosen Zukunftsversion oder doch schon bald Realität? Die Vorstufe zum hellen Hautkrebs „aktinische Keratose“ muss gar nicht erst entstehen, wenn wir in unserer Hautsprechstunde den Patienten ein Verfahren anbieten, das Hautschäden behandelt. Eine solche Methode wie das Fruchtsäurepeeling steht uns als gute, wissenschaftlich fundierte Methode zur Verfügung. Welche Methoden stehen noch zur Verfügung, zum Beispiel als Vorbeugung vor der Sonne: – Sonnenschutzmittel – UV-dichte Kleidung, Kopfbedeckung – Aufenthalt in geschlossenen Räumen von 11 bis 15 Uhr Der Begriff „Photoaltern“ wurde erst in neuerer Zeit geprägt und bezeichnet die Verstärkung der intrinsischen Hautalterung durch chronische Sonnenlichtexposition („Umweltalterung“). Mehr als 80 Prozent der äußerlich sichtbaren und histologisch nachweisbaren Veränderungen der Haut, die wir als Alterserscheinung deklarieren, werden durch UV-Licht verursacht. Durch UV-Einstrahlung werden reaktive Sauerstoffverbindungen in der menschlichen Haut generiert. Als Folge enstehen DNA-Strangbrüche. Zusammen mit der Bildung toxischer so genannter Photoprodukte kommt es zur vorzeitigen Hautalterung und damit zu einem erhöhten Hautkrebsrisiko. Chemical Peelings lassen sich nach der Eindringtiefe der Agenzien in oberflächliche, mitteltiefe und tiefe Peelings unterteilen. Die Wahl des Peelingverfahrens muss sich nach den Stadien der Lichtschädigung der Haut richten. So erfordert zum Beispiel eine leichte Lichtschädigung eine oberflächliche bis mittlere Behandlungstiefe. Die am häufigsten verwendeten Substanzen für oberflächliche Peelings sind Alpha-Hydroxysäuren. Diese so genannten AHA-Säuren sind natürlich vorkommende Fruchtsäuren. Andere Säuren: – Glykolsäure – Weinsäuren – Zitronensäure – Apfelsäure und andere Die AHA-Säuren können nach mehrfacher Anwendung sowohl epidermale als auch dermale Effekte erzielen. In histologischen Studien konnte gezeigt werden, dass eine Restrukturie- 9:59 Uhr Seite 33 rung der Epidermis mit Rehydratisierung und Reduktion des adhäsiven Materials zwischen den Hornzellen stattfindet. Durch diesen Effekt wird die Orginalstruktur des Stratum corneum hergestellt. Tabelle 1 Eindringtiefen verschiedener Substanzen beim Chemical Peeling (mod. Nach Rubin) Eindringtiefe Beispiele Sehr oberflächlich Stratum corneum Glykosäure, TCA 10% Gesamte Epidermis Glykolsäure (50–70%) Epidermis und Teile der TCA 35% und 50% Jessner-Lösung, Resorcin (20–30%) Oberflächlich In höheren Konzentrationen lässt sich eine gesteigerte Synthese von Glykosaminglykanen in der Epidermis als auch in der Dermis nachweisen. Weiterhin kommt es in der Dermis zu einer Synthese und Neuausrichtung von Kollagenen. Jessner-Lösung Resorcin (40-50%) TCA (10-35%) Mitteltief Papillären Dermis Glykolsäure 70% Mit anschließender Applikation von TCA 35% 31 Jessner-Lösung mit an- In der Literatur beschriebene Indikation für chemisches Peeling: Aktinische Keratose und Präkanzerosen, Clark 1991, Lawrence 1995, Nelson 1995 schließender Applikation# Die Tiefe des chemischen Peelings hängt ab von der Peeling-Substanz, der Vorbehandlung, der Konzentration und Einwirkzeit. Im Vordergrund steht die Beurteilung des Arztes, um das geeignete Verfahren zu wählen: der Hauttyp des Patienten. Das Chemical Peeling ist ein gut untersuchtes und unter ärztlicher Aufsicht durchgeführtes minimal dermatokosmetisches Verfahren, das schon in unsere dermatologische Sprechstunde Einzug gehalten hat. Das Chemical Peeling wäre auch aus diesem Grund hervorragend als Prophylaxe für Lichtschwielen einzusetzen, ähnlich wie beim Zahnarzt die Prophylaxe zur Bekämpfung von Zahnstein. – Steigerung des Feuchthaltvermögens der Hornschicht – Antiinflammatorische Wirkung – Beschleunigung der Epithelisierung von oberflächlichen Wunden – Erhöhung der Enzymaktivität in der Haut – Schutzwirkung gegen Sonnenbrand – Erhöhung des Lichtschutzfaktors – Reduktion der Anzahl UV-geschädigter Zellen sowie – Insgesamt eine Verminderung der vorzeitigen Hautalterung Da das Chemical Peeling zur Behandlung von diskreten aktinischen Keratosen schon jahrelang zum Einsatz kommt, wäre es möglich, dieses Verfahren in unserer Hautkrebsvorsorgesprechstunde zu etablieren. Es bedarf hier aber dringend weiterer intensiver Untersuchungen und klinischer Studien, inwieweit dieses Verfahren als „Prophylaxe“ eingesetzt werden kann. Als lipophile Substanz kann Vitamin E grundsätzlich gut in die Haut penetrieren. Vitamin C (Ascorbinsäure) zählt zu den wichtigsten Redoxsystemen des Organismus. Das hydrophile Vitamin oder seine stabilisierte Form Ascorbylpalmitat werden heute in zahlreichen dermatokosmetischen Präparaten eingesetzt. Neben ihren antioxidativen Eigenschaften wirkt Ascorbinsäure auch auf die Differenzierung der Haut. So ist die Substanz an der Hydroxylierung von Prolin im Bereich der Proteinstränge des Kollagenmoleküls beteiligt. Die Glogau-Klassifikation zur Beurteilung des aktinischen Schadens – Der Hauttyp nach Fitzpatrick (Beurteilung der Pigmentierung) – Überblick über die Talgdrüsenaktivität – Art des Faltentyps – Gesamtübersicht des Hautbefunds (zum Beispiel Nävi, Pigmentstörungen und/oder Teleangiektasien) Faktoren, die die Eindringtiefe beim Chemical Peeling beeinflussen – Substanz – Konzentration – Einwirkzeit – PH-Wert – Vehikel – Pufferung – Technik – Hautzustand – Hautlokalistion – Vorbehandlung – Anwendungswiederholung – Abstände (Tabelle 1) Relevant für die Eindringtiefe sind zudem der individuelle Hautzustand und Dermatologie 05.09.2007 TCA 35% Brenztraubensäure Tief bis hin zur retikulären Dermis Zusätzlich zum Fruchtsäurepeeling können noch dermatokosmetische Produkte zur Nachbehandlung und Weiterbehandlung eingesetzt werden. Hauptsächlich kommen hier die Antioxidantien Vitamin E und C zur Anwendung. Als kosmetische Wirkungen von Vitamin E werden unter anderem beschrieben: – Verbesserung des Hautreliefs Baker-Gordon-Lösung Ein weiterer interessanter Wirkstoff ist die Vitamin-A-Säure.Vitamin-A-Säure schützt vor frühzeitiger Hautalterung. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesell- Ä STHETISCHE D ERMATOLOGIE 4 | 2007 hgb ÄD 4.2007 hgb ÄD 4.2007 05.09.2007 9:59 Uhr Seite 34 schaften hat untersucht, dass UV-Licht das Bindegewebe schädigt und so eine vorzeitige Hautalterung verursacht. Die Sonnenstrahlung hemmt die Bildung von Kollagenen und verstärkt gleichzeitig den Abbau von Kollagenfasern und elastischen Fasern im Bindegewebe. Wird die Haut mit Vitamin-A-Säure vorbehandelt, schützt dies vor beiden schädlichen Prozessen. UV-Licht, UVB- und UVA-Strahlung schädigen die Haut und verursachen eine frühzeitige Hautalterung. Die Haut wird trockener, rauher, faltiger, und 32 mit dunkleren Pigmenten gesprenkelt. „Bereits ein einziges Sonnenbad verursacht einen erheblichen Verlust von Pro-Kollagenen I und III während der folgenden 24 Stunden“, so Professor John J. Voorhees von der University of Michigan in Ann Arbor, USA, anlässlich des 10. Kongresses der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie in München. In zahlreichen Studien analysierten Voorhees und seine Mitarbeiter, wie das Sonnenlicht sein vernichtendes Werk vollbringt. Bei einer Studie an 45 hellhäutigen Menschen wollten die Forscher herausfinden, welche Wirkung die UV-Strahlung auf die Kollagen-Produktion und die Kollagenfasern hat, und ob Vitamin-A-Säure die zerstörerische Wirkung der Strahlung verhindern kann. Hautregionen der Probanden wurden mit UVB-Licht bestrahlt. Von jedem Teilnehmer wurden danach bestrahlte und nicht bestrahlte Hautproben entnommen. Acht beziehungsweise 48 Stunden vor der Bestrahlung brachten die Forscher bei einem Teil der Probanden auf die Haut Vitamin-A-Säure auf, so genannte all-trans-Retinsäure. Anschließend maßen sie den ProKollagen-Gehalt in den Hautproben und isolierten den genetischen Botenstoff (m-RNA), der die „Bauanleitung“ für diese Eiweißstoffe zu den „Eiweißfabriken“ (Ribosomen) der Zellen transportiert. In unbestrahlter Haut konnten die Forscher Botenstoffe für die Pro-Kollagene I und III nachweisen. Innerhalb acht Stunden nach einer einzigen Bestrahlung war deren Produktion in der oberen Hautschicht erheblich eingeschränkt, nach 24 Stunden konnten die Wissenschaftler überhaupt kein m-RNA mehr nachweisen. In den darauf folgenden 24 Stunden erreichten die gemessenen Werte wieder das Ausgangsniveau. Weiterhin zeigten sie, ab welcher Strahlendosis die Synthese der ProKollagene beeinträchtigt wird. Sie zeigten, dass die Produktion dieser Eiweißstoffe bereits erheblich verringert war, noch bevor eine Hautrötung eintrat. Die Hälfte der Dosis, die zu einer leichten Hautrötung führt, beeinträchtigte bereits die Synthese. Ein neuer Mosaikstein: Das c-JunProtein In den bestrahlten Hautproben entdeckte das Team von Voorhees erhöhte Mengen eines bestimmten Proteins, des so genannten c-Jun-Proteins. An Kulturen menschlicher Bindegewebszellen prüften die Forscher die Bildung von Pro-Kollagenen und c-Jun-Proteinen unter UV-Bestrahlung. Ergebnis: die c-Jun-Proteine verfünffachten sich innerhalb von vier Stunden, blieben über acht Stunden erhöht und sanken nach 16 Stunden auf das Ausgangsniveau zurück. „Die Daten sprechen dafür, dass UV-induzierte c-Jun-Proteine dazu beitragen, die Bildung von Pro-Kollagen I zu hemmen“, erklärt Voorhees. proben konnte diese Produktionshemmung indes nicht festgestellt werden. Vitamin-A-Säure hemmt die Bildung von Metalloproteinasen Das Typ-I Kollagen in der Haut ist einem ständigen Wandel unterworfen. Ständig wird Kollagen auf- und abgebaut. Dabei spielen bestimmte Enzyme, so genannte Matrix-Metalloproteinasen eine Rolle: Sie bauen das Kollagen im Bindegewebe ab. Ultraviolette Strahlung fördert deren Produktion. Voorhees konnte zeigen, dass eine Vorbehandlung mit VitaminA-Säure auch die UV-bedingte Überproduktion dieser Metalloproteinasen hemmt. „Dadurch verhindert der Wirkstoff den Kollagenabbau“. Die weiteren wissenschaftlichen und klinischen Studien werden zeigen, inwieweit diese Methoden und die schon etablierten dermatokosmetischen Verfahren zur Bekämpfung des hellen Hautkrebs beziehungsweise dessen Vorstufen komplementär eingesetzt werden können. Literatur Eine Studie der US-amerikanischen Forschergruppe zeigte, dass die Vorbehandlung der Haut mit 0,1prozentiger Vitamin-A-Säure die UV-bedingte Synthese von c-Jun-Proteinen verhindert. Folglich müsste der Wirkstoff zugleich vor der Hemmung der ProKollagensynthese schützen. Die Forscher behandelten die Haut 24 Stunden vor der Bestrahlung mit Vitamin-A-Säure. Die Hautproben wurden 24 Stunden nach der Bestrahlung entnommen und analysiert. Die Ausgangsthese bestätigte sich: die Produktion sowohl des Botenstoffes m-RNA als auch jene des Pro-Kollagens selbst war in nur bestrahlten Hautproben signifikant verringert. In vorbehandelten Haut- 1. Kim SJ, Park JH, Kim DH, Won YH, Maibach HI, 1998 Increase in vivo collagen synthesis and in vitro cell proliferative effect of glycol acid. Dermatol Surg 24: 1054–158 2. Dinner MI, Artz JS (1998) The art of the trichloacetic chemical peel. Clin Plast Surg 25: 53–62 3. Kligman D, Kligman AM (1998) Salicylic acid peels for the treatment of photoaging. Dermatolog Surg, 24: 325–328 4. 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