„JA“. - pfarre
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„JA“. - pfarre
Vortrag EK -Elternabend 30.11.2016/ Innere Sicherheit – Mit Jesus im Herzen sicher unterwegs Als Sonderschullehrerin, Religions – und Betreuungspädagogin bin ich viel in den Schulen des Mondseelandes unterwegs. Ein weiteres großes Trainingsfeld meines Lebens sind unsere 4 Söhne, 2 Pflegesöhne und unsere 3 Enkelkinder. Werde ich in den verschiedenen Freundebüchern meiner Schüler gefragt: „Wer ist dein liebster Lehrer?“ → So lautet meine Antwort stets: Die Kinder, mit denen ich lebe und arbeite….und gerade von den angeblich schwierigsten Kindern lerne ich täglich ganz viel dazu. So genannte „Störer“ und „Verweigerer“, verzweifelte Kinder und verzweifelte Eltern spornen mich immer wieder neu dazu an, eine Suchende zu bleiben, der großen Frage nachzuspüren, was Kinder brauchen, um sich gut entwickeln zu können... Für den heurigen Erstkommunionsvortrag dienten mir zwei sehr empfehlenswerte Bücher und ein Seminar mit Gerald Koller als wichtige Gedankenquelle. Jesper Juul: Leitwölfe sein/ Verlagsgruppe Beltz, Weinheim 2016 → Juul David Steindl – Rast: Ich bin durch Dich so ich/ Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2016 → DSR I In meiner Arbeit mit Schülern, Eltern und Lehrern stehen immer wieder große Unsicherheiten und Ängste der gesunden Entwicklung von Kindern im Weg obwohl wir derzeit in einer Sicherheitsgesellschaft leben: Das meiste Geld wird für die Sicherheit ausgegeben. Mit Sicherheit kannst du alles tun… obwohl Sicherheit die Illusion schlechthin ist! Wir wissen nicht was kommt – nicht einmal die nächsten Minuten… Wir sichern das Ungewisse! Dieses Sicherheitsdenken, die vielen Versicherungen, Absicherungen leiten uns eigentlich auf Irrwegen → sind Auslöser großer Ängste… Eltern die um jeden Preis alles richtig machen wollen → leben in ständigen Verunsicherungen = Teufelskreis! Einer der Hauptauslöser für Probleme im Leben der Kinder ist ein generalisierter Sicherheitsverlust. Je mehr Vertrauen und Sicherheit umso besser sind die Gedanken! Ohne subjektive Sicherheit ist soziales Lernen nicht möglich. Angst stoppt soziale Prozesse! LEBEN= Zugehen auf Unsicherheiten und Risiko! → Alle Gesellschaften, die bewahren wollten sind letztlich untergegangen! LEBEN bedeutet andauernden WANDEL! Es gibt nur eine Sicherheit: die INNERE SICHERHEIT! „Ich werde gebraucht/ Ich werde angeschaut“ - die „wir schaffen das“ - Kultur! Oder, wie Joachim Bauer es immer wieder formuliert: Nimm mich wahr – Zeige mir, wer ich bin – Lass mich spüren, was du mir zutraust! Jesper Juul hat ein Buch geschrieben, dessen deutscher Titel: „Grenzen, Nähe, Respekt“ ist. Wörtlich aus dem Dänischen übersetzt hieße es: „Hier bin ich! Wer bist du?“.... Stellen wir diese Frage an unsere Kinder? Erinnert Ihr euch noch, an das Geschenk des Lebens an Euch durch Eure Kinder? Eure Neugier, Hoffnungen Erwartungen… Juul,S.35: ...und wenn es dann etwa 2 Jahre alt ist, verlieren die Eltern die Neugier, entdecken zu wollen, wer dieses kleine Mädchen ist und wie es sich entfaltet. Sie ersetzen die Haltung des Interesses und der Neugier durch ein Bild, wie ihr Kind sein und werden sollte. Sie kommen vom Führen und Sich-führen - Lassen zum Anweisen und Verbessern, vom Dialog zum Monolog und von Lernprozessen zu Machtkämpfen. Vom Vergnügen an der bloßen Existenz und der Kreativität des Kindes kommen sie zu einer Haltung, die aus dem Kind ein Projekt macht, welches hier und heute beginnt und in der Zukunft abgeschlossen sein wird…. → das fördert keine innere Sicherheit !!! Was dann? Bruder David fasst die Antwort auf diese Frage als nun 90 -jähriger so zusammen: DSR/S.18:: „Das Wichtigste scheint mir das Lebensvertrauen. Dieses Vertrauen wurde mir auf zweierlei Weise geschenkt. Einerseits, indem sich alle mir Nahestehenden als vertrauenswürdig erwiesen haben. Sie waren einfach für mich, das kleine Kind da, wenn es sie gebraucht hat. Das war ganz fraglos….. Und das Zweite, was ebenso wichtig war, ist, dass man mir Vertrauen geschenkt hat. Ich war manchmal sogar erstaunt, was ich alles durfte, ohne überwacht zu werden..... ...Meine Brüder und ich durften schon als ziemlich kleine Kinder stundenlang alleine in den Wald gehen, den Bach hinaufgehen und Entdeckungsreisen machen. Ich glaube, dass meine Mutter damals mehr oder weniger gewusst hat, wo wir sind und dass wir nicht in Gefahr waren. Wir haben uns einerseits geborgen gefühlt, weil wir doch irgendwie wussten: Sie kümmert sich. Aber andererseits hat sie uns das Vertrauen geschenkt, sodass wir ziemlich frei waren. Vor allem später waren wir wochenlang unterwegs, und sie hatte keine Ahnung, wo wir waren, weil es damals noch nicht die Möglichkeit gab, einfach anzurufen und Bescheid zu geben. Sie hat uns jedoch dieses Vertrauen geschenkt, dass wir schon gegenseitig aufeinander aufpassen, also dass wir uns als vertrauensvoll erweisen und Vertrauen schenken. Für diese beiden Aspekte bin ich am meisten dankbar.“ Lebensvertrauen – Vertrauen schenken und vertrauensvoll sein... So sind wir als Eltern die ersten Pädagogen unserer Kinder. Pädagogen wird es immer mehr brauchen, denn nur die Pädagogik kann innere Sicherheit geben! Innere Sicherheit wächst durch Begegnung und Beziehung! Das ist heute belegt durch die Neurobiologie: Wir Pädagogen, und dazu gehören zu allererst wir Eltern. Wir sind eigentlich die Fachkräfte für Innere Sicherheit! Es ist ein wunderbares Resonanzgeschehen: Der Mensch wird am DU zum ICH. Wer war mein erster Pädagoge? Mein Mentor, mein Wegbegleiter? Welche innere Sicherheit habe ich dadurch bekommen? Im sehr bekannten Lied „Großvater“, von STS, wird eigentlich von so einem Pädagogen, einem Wegbegleiter gesungen. Bei Gerald Koller war das z.B. seine Oma. Er erzählte uns Betreuungslehrern von seiner Oma, vom gemeinsamen Klettern ohne Seil, das einzige Seil war die Empathie! Das Leben gelingt in der Balance von Heimat, Geborgenheit , Vertrautheit und Abenteuer, im Zugehen auf Unsicherheiten. Aber was ist mit unserer Aufgabe, auf Kinder aufzupassen, sie vor Gefahr zu bewahren? Bei GEFAHR ist Bewahren richtig, aber Bewahren ist nicht gefragt, wenn jemand lernen soll mit dem Leben umzugehen! So ist z.B. Dornröschen, eines der ältesten Bewahrungsmärchen! Dornröschen hätte genug Zeit, um mit Spinnrädern umgehen zu lernen,… das Unausweichliche passiert so und so! Wenn ich meine Ängste über jemanden drüberstülpe habe ich das Kleingedruckte beim Lebensvertrag nicht gelesen. Wir haben ein Sensorium, das sofort reagiert, wenn es gefährlich wird. Gefahr muss man minimieren! Risiko muss man optimieren! Wer das Risiko minimiert, minimiert das Leben! Das ganze pädagogische Wissen hängt an 2 Punkten: BewÄhren statt bewAhren! Die Frage ist nicht: Was ist, wenn was passiert? Die Frage heißt: Was ist, wenn was nicht passiert? Die Frage an uns ist und bleibt: Sind wir Erzieher oder Begleitende und Suchende? Selbstvertrauen hat mit Können und mit Leistung zu tun – mit dem, was wir machen können und gut machen. Selbstwertgefühl gehört dagegen zu einer vollkommen anderen Welt. Es hängt damit zusammen, wer wir sind und wie wir dazu stehen, wer wir sind. Es beschreibt ein existentielles Phänomen, dessen Entwicklung nahezu vollständig von der elterlichen Führung abhängt. Wenn unsere Eltern in der Kindheit Interesse für unsere Gedanken und Gefühle zeigen und sie unseren Reaktionen und unserem Verhalten mit Neugier begegnen, wissen wir eine Menge über uns selbst, wenn wir das Erwachsenenalter erreicht haben. Juul, S.176: „Die beste Form der Kindererziehung ist der fortwährende Dialog, in dem sich beide Seiten besser kennenlernen und in dem sich Kinder die Erfahrungen und die Weisheit ihrer Eltern freiwillig zunutze machen können.“ Diese beste Form der Begleitung von Kindern und Jugendlichen wird uns auch in einem Buch des alten Testamentes sehr anschaulich geschildert. Mich freut es immer besonders, wenn ich immer neu merke, dass in der Bibel eigentlich alle Lebensweisheiten drinnen stecken – man muss sie nur bewusst wahrnehmen! Im Buch Tobit wird uns vom Weg des jungen Tobias erzählt. Sein Begleiter, der Erzengel Raphael, ist ein Paradebeispiel für einen Bewährungspädagogen. So wie Raphael in diesem biblischen Buch beschrieben ist, steht er ganz im Gegensatz zu den oft üblichen Schutzengelbildern, die Kinder vor Gefahren „bewahren“. Die biblische Botschaft ist schon mehr als 2000 Jahre alt: Soll sich ein Kind, ein Jugendlicher gut entwickeln, dann ist BewÄhrungspädagogik gefragt! Die Tobiaserzählung zeigt genau das, worüber sich Hirnforscher und Erziehungsexperten heute ganz einig sind: Kinder brauchen Innere Sicherheit und Führung genauso wichtig wie Erfahrungen der Selbstwirksamkeit („Ich kann etwas bewirken!“) Vor allem aber brauchen sie ein echtes Gegenüber, ein erwachsene Leitfigur. Für alle Kinder gibt es eine kindliche Normalordnung → Der Erwachsenen ist die Leitfigur. Juul,S.10: „Bei diesem Thema gibt es keinen Zweifel und keine Debatte: Kinder brauchen Führung durch Erwachsene.“ Juul, S.11: „Kinder brauchen Eltern als Leitwölfe, damit sie sich im Dickicht des Lebens zurechtfinden. Sie brauchen Eltern, die manchmal – es gibt da keine genaue Zahl - klare Signale senden.“ Juul, S.128: „Es besteht kein Zweifel daran, dass Kinder erwachsene Führung und Begleitung brauchen, aber wir müssen uns sehr genau anschauen, auf welche Art und Weise wir diese Führung ausüben: Authentizität (das heißt immer auch Verletzlichkeit), Empathie, persönliche Verantwortung und der Wille zu lernen und weiterzulernen, bilden den Kern des neuen Paradigmas..“ Das alles macht eine gute elterliche, beziehungsweise erwachsene, Führung aus! Eine Unmenge von Untersuchungsergebnissen und praktischen Erfahrungen, zeigen: persönliche Verantwortung, Integrität, Authentizität, Verfügbarkeit und Verbundenheit sind die Schlüsselbegriffe. Unsere Kinder müssen in der Lage sein, uns zu vertrauen. Sie müssen darauf vertrauen können, dass wir Erwachsenen, wir Wegbegleiter wissen, was wir tun, und dass wir es zum Wohl der Gemeinschaft tun. Je mehr Vertrauensbasis ein Kind erlebt, umso besser kann es sich entwickeln. Als Eltern von Erstkommunionkindern habt Ihr Euren Kindern auch noch den Glauben als Lebensvertrauensbasis geschenkt. Wie groß dieses Potential sein kann beschreibt Bruder David Steindl – Rast in seinem Buch ganz berührend. Er beschreibt in seiner Kindheit das tiefe Erleben der Gewissheit, dass Jesus in seinem Herzen ist… Dies ist eine besondere Dimension der Inneren Sicherheit, ein ganz hoher Sicherheitsfaktor! Diese Erfahrung und die Übung, immer wieder zu dieser Herzmitte zurückkehren zu können, machten ihn stark für das Leben! DSR,S.28: „ In jenem Traum dämmerte mir ja ein Selbstverständnis auf, das sich in jedem weiteren Lebensabschnitt vertiefen sollte – ein Prozess, der auch heute noch andauert..... Nur, weil ich jetzt weiß, wie ich immer wieder zu meiner Mitte zurückkehren kann, werde ich bestehen können, was im 2. Jahrzehnt meines Lebens auf mich zukommt…. Nur das Heimfinden zur Herzmitte kann mir da helfen...“ Die Botschaft unseres Glaubens, die Bibel steckt voller Zusagen an uns und unsere Kinder: z.B: Die große Zusage im Buch Exodus (Ex 3,14) „Ich bin der „ICH BIN DA“, oder aus dem Buch Jesaja (Jes 43,1): „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, / ich habe dich beim Namen gerufen, / du gehörst mir.“ „Fürchte dich nicht..“ → diese wahrlich lebens-not-wendige Botschaft steht 366 mal in der Bibel geschrieben – die Zusage, mit innerer Sicherheit leben zu dürfen - jeden Tag des Jahres → ein weises Buch! DSR, S.22: „Es gibt eine Gegenwart Gottes in mir, zu der ich hingehen und immer wieder zurückkehren kann.“…. Johannes Kaupp fragt in diesem Buch, das zum Teil mit Interviews geführt ist: „In welchen Situationen fühlten sie sich gedrängt oder angezogen .... zurückzukehren, wie sie sagen?“ DSR: „Wahrscheinlich immer, wenn die äußere Situation schwierig wurde. Da fallen mir natürlich die dramatischen Bomben und Kriegserlebnisse ein und alles das, was wirklich äußerlich bedrängend war. Aber auch mein Jähzorn....“ Alles das, was äußerlich und innerlich bedrängend ist… Glaubt mir, unsere Kinder erleben oft Situationen, die sich so anfühlen. Wie gut ist es dann, um einen Rettungsanker, eine Kraft im Inneren zu wissen. Wir können unsere Kinder vor schwierigen Situationen nicht bewahren, aber wir können sie unterstützen mit Innerer Sicherheit ihren Weg zu meistern! Eine solche innere Kraft kann der Glaube sein. DSR, S 84: „Der Glaube ist das immer wieder neu gelebte Vertrauen aufs Leben. Jeden Augenblick neu, weil sich das Leben auch jeden Augenblick verändert. Der Glaube ist das Gegenteil einer Versicherung. Er ist eine ständige Verunsicherung, ohne die wir kein Vertrauen bräuchten. Im Vertrauen weiß ich mich gesichert, obwohl ich mich verunsichert fühle. Je mehr man verunsichert ist, desto mehr Vertrauen braucht man, um sich doch gesichert zu fühlen..“ In meinen Religionsstunden erlebe ich immer wieder aufs Neue, wie empfänglich Kinder für unsere Botschaft des Glaubens sind, wie sehr sie sich dabei aufgehoben und wert geschätzt erleben. Eines unserer Lieblingsgebete mit Bewegungen beginnt immer mit den Worten: „Guter Gott, senke mir Deine Liebe ins Herz...“ DSR,S.147: „Eine sichere Einbettung in der Kindheit hilft sehr, auch wenn man sie nachher wieder verlässt. Kinder brauchen das und mögen das auch. Worum es aber letztlich geht, ist die menschliche Auseinandersetzung mit dem Geheimnis, und die wird weder in dem einen noch dem anderen Land den Menschen erspart..“ Um diesen, in vielen Untersuchungen erwiesenen, „Gesundheitsfaktor Religion“ geht es in unserer Erstkommunionvorbereitung. Unsere Kinder sollen sich eingebettet erfahren in dieses große Geheimnis der Gegenwart Gottes, das uns Sicherheit und Lebensvertrauen für alle Lebenslagen zusagt. II Die Startrampe für diesen Sprung in die Ungewissheiten des Lebens ist also die Innere Sicherheit, das Vertrauen und die VIELFALT (= Gegenteil von Einfalt!) unserer Handlungsmöglichkeiten. Wenn ich mehrere Tasten auf meinem Lebensklavier habe, habe ich mehr Bewältigungsstragtegien! z.B.: Joggen = Taste 1, Musik hören = Taste 2, Garteln, kochen etc. Es gibt 100e von Tasten! Ein Problem wird es, wenn es nur mehr 1 Taste gibt = Abhängigkeit (das kann auch das Joggen sein!) Jede Art von Verengung ist ein Problem… Bei vielen Kindern bleibt nur mehr das Handy oder der PC…. Wie steht es mit unseren Bewältigungsstrategien, wenn es im Leben schwierig wird? Welche FEHLERKULTUR leben wir unseren Kindern vor? Dürfen wir Fehler machen, um größere Fehler zu vermeiden? Wir Menschen können nur auf 2 Arten lernen: durch Erfolg und durch Scheitern. Wenn wir das Scheitern eliminieren, wird die Hälfte unseres Gehirns zum Friedhof! Erfolg ist super, aber im Scheitern lernen wir einen Schritt zurück zu gehen und eine andere Richtung einzuschlagen. Kein Mensch verändert sich im Erfolg! Du veränderst dich nur, wenn du anstehst. Wir würden nur mit Erfolg nichts lernen und immer nur 1 Taste spielen. Die Erfahrung des Scheiterns lässt uns Neues ausprobieren. Wenn Jugendliche scheitern, sollten wir ein Fest feiern! Es ist Möglichkeit des Lernens → GE „SCHEITER“ werden! Im Scheitern Größe und Tiefgang entwickeln. Wer eine innere Sicherheit hat darf scheitern. Ein wesentlicher Faktor der inneren Sicherheit, der Fähigkeit auch scheitern zu können, ist das Selbstwertgefühl. Jesper Juul unterscheidet ganz klar zwischen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl: Juul S.33:“Selbstvertrauen hat mit Können und mit Leistung zu tun – mit dem, was wir machen können und gut machen. Selbstwertgefühl gehört dagegen zu einer vollkommen anderen Welt. Es hängt damit zusammen, wer wir sind und wie wir dazu stehen, wer wir sind. Es beschreibt ein existentielles Phänomen, dessen Entwicklung nahezu vollständig von der elterlichen Führung abhängt. Wenn unsere Eltern in der Kindheit Interesse für unsere Gedanken und Gefühle zeigen und sie unseren Reaktionen und unserem Verhalten mit Neugier begegnen, wissen wir eine Menge über uns selbst, wenn wir das Erwachsenenalter erreicht haben.“ Ein gesunder Selbstwert = überlebensnotwendig für alle sozialen Prozesse! Juul, S.144:.. „ „egozentrische“ Kinder: Kinder ohne gesundes Selbstwertgefühl, sondern mit einem aufgeblähten, dominanten Ego – ein Resultat elterlicher Verwöhnung, überflüssigen Lobs und einer Gesellschaft, die dieses Verhalten fördert. Kinder, die geliebt und wertgeschätzt werden, wie sie sind, missachten andere nicht, und sie fühlen sich weder minderwertig noch überlegen.“ Juul, S.173: „Ein gesunder Selbstwert befähigt das Kind oder den jungen Menschen dazu, Ja und Nein zu sagen – Ja zu sich selber und seinen persönlichen Grenzen, Werten, Gedanken und Gefühlen und Nein zu denen, die Gehorsam und Unterwerfung verlangen.“ Juul,S.70: „Ich nehme an, dass sie sich für ihre Tochter wünschen, dass sie etwa ab einem Alter von zehn bis zwölf Jahren mit gutem Gewissen Nein sagen kann – und zwar auch, wenn jemand dasteht und sagt: „Dann bist du aber nicht mehr meine Freundin“, oder: „Ich lieb dich doch, deshalb musst du „Ja“ sagen.“ Für das Selbstgefühl Ihrer Tochter ist es sehr wichtig, dass sie dieses Nein sagen einfach lernt...... Für ihren Sohn wäre es genau so wichtig zu lernen, dass Frauen auch Nein sagen können und dass man das respektieren muss.“ .. aber darf man das? Ist nicht das „Folgen“ ein so großer Wert? Viele Schüler verzweifeln, weil sie merken, dass sie nicht „folgen“ können. Es kostet immer sehr viel Überzeugungskraft, diesen verzweifelten Kindern klar zu machen, dass es eigentlich um Authentizität und gleichzeitig um die Fähigkeit geht, sich in manchen Situationen anzupassen. Innere Sicherheit ist eine Grundvoraussetzung, dass Kinder in diesem Spannungsfeld gut auf sich selber achten lernen. Juul, S 79: „Die Angst vor gesunder Individualität und die Macht, diese als „Egozentrik“ zu definieren, sind ein Markenzeichen aller autoritären Regime und der fundamentalistischen Auslegungen von Religion.... Neben Gehorsam und Konformität produziert so etwas Schuld und Scham, die in der klinischen Psychologie als die beiden selbst zerstörerischsten Gefühle angesehen werden, an denen wir leiden können. Beide sitzen tief in jedem Drogensüchtigen, jedem Alkoholiker, in jeder Essstörung, in jedem jungen Menschen, der sich selbst verletzt, und in jeder misshandelten Frau. Diese Tatsache bedeutet auch, dass Sie von keiner Autorität in Ihrem Leben erwarten können, Sie von dieser Schuld zu befreien – es sei denn, Sie missachten die Befehlskette und kommunizieren direkt mit Gott. Sie müssen es selbst tun…“ Genau an diesem Punkt sind wir wieder bei der 2000 Jahre alten Botschaft unseres Glaubens..... Können Sie sich an die Geschichte vom kleinen Zöllner Zachäus erinnern? Zachäus = die lebensspendende Botschaft unseres Glaubens im Umgang mit Schuld und Versagen…. Analysieren wir, was dieser Jesus mit Zachäus macht: Er geht auf ihn zu, nimmt ihn wahr. Er lässt ihn spüren, dass es ihn gibt Jesus zeigt ihm, wer er sein kann.. „ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein...“ ….und, weil dieser Jesus ihm das Gute zutraut, schafft er es, die Verantwortung für sein Leben, für sein Handeln zu übernehmen. Der „gescheiterte“ Zachäus wird durch sein Scheitern ge“scheiter“… Er lernt sozial verantwortlich zu handeln. Ich finde es immer wieder faszinierend, dass diese biblischen Begegnungserfahrungen ganz viel von dem offenbaren, was in den verschiedenen Forschungsrichtungen als neue Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts proklamiert werden. Begegnung und Beziehung, die innere Sicherheit ermöglichen, sind die Schlüsselbegriffe! Der erhobene Zeigefinger würde nichts bewirken, außer Schuldgefühle..... Genau diese Haltung – ist die Grundbotschaft unseres Versöhnungstages mit den Erstkommunionkindern. Es geht um das Einüben eines positiven Umgangs mit Fehlern! Juul, S.30: „Die besten Eltern, die ein Kind haben kann, sind diejenigen, die Verantwortung für ihre Fehler übernehmen, wenn sie ihnen bewusst werden. Wer die Verantwortung für sein Leben – und für seine Fehler – nicht übernimmt, wird zum Opfer, und sich als Opfer zu fühlen ist weder für Kinder, noch für Erwachsene gut.“ Juul, S.127: „Authentizität und Verletzlichkeit sind der einzige Weg zu echter Nähe in auf Liebe gründenden Beziehungen. Das ist das wirkliche Paradoxon im Hinblick auf das Haben und Ausüben von Macht: führen und doch verletzlich sein.“ Die einzige schöpferische Anwendung von Macht ist die Ermächtigung anderer, und sie befreit den, der ermächtigt nicht weniger als den, der sich ermächtigt weiß… .. und genau das ist eigentlich die Botschaft Jesu, die in der Erzählung von Zachäus so „begreifbar“ wird! Bei all diesen Überlegungen, was unsere Kinder brauchen geht es im Grunde auch immer um unsere eigene persönliche Entwicklung. Und hier gibt es eine gute Botschaft für alle Eltern und Pädagogen: Juul, S 76:.. „die persönliche Entwicklung auf einer existentiellen Ebene fällt den allermeisten Menschen viel leichter innerhalb einer festen Beziehung mit Kindern und einem anderen Erwachsenen. Eine Gesellschaft zu verändern ist eine überwältigende intellektuelle und politische Herausforderung, während sein eigenes Verhalten zu ändern eine große emotionale Herausforderung ist. Und die gelingt leichter, wenn man sich mit vertrauten Menschen in engen Beziehungen umgibt.“ Sind wir als Eltern und Pädagogen dieser großen Aufgabe eigentlich gewachsen? Auch hier hat Jesper Juul eine ganz beruhigende und ermutigende Botschaft: Juul,S.201: „Ob Sie auf dem Weg Fehler gemacht haben? Oh ja – eine Menge! Die allerbesten Eltern, die ich kenne, machen jeden Tag etwa zwanzig Fehler, und wenn Ihr persönlicher Durchschnitt nicht über dreißig liegt, bleiben Sie locker und vergeben Sie sich selbst. Wenn Sie sich zu ihren Fehlern bekennen, die Sie bemerken, werden Sie nicht nur vermeiden, sich die ganze Zeit schuldig zu fühlen – Sie werden auch ein gutes Vorbild sein und Ihre Kinder werden Sie für immer lieben.“ III INNERE SICHERHEIT AUFBAUEN – FEHLER MACHEN – NEU BEGINNEN SCHEITERN - „GE-SCHEITER“ WERDEN…. Wozu das Ganze? Wann bin ich endlich angekommen, gelandet? Wo kann ich immer wieder ankommen? Vaclav Havel formulierte es so „Hoffnung ist die Sicherheit, dass es Sinn macht, etwas zu tun – ohne die Gewissheit, wie es ausgeht…!“ Die Zeit der Erstkommunionvorbereitung kann eine große Stärkung am Lebensweg sein! Die Gemeinschaft – die Zeit mit erwachsenen Bezugspersonen und mit Gleichaltrigen – rund um den Tisch….. DSR, S.165: „ Das macht stark, dass wir mit anderen zusammenarbeiten..... Die Stärksten sind die, die erkennen: Was uns stark macht ist, dass wir uns ausrichten an der Richtung des Lebens. Und das Leben zielt auf Zusammenhalt, Zusammenarbeit, Vernetzung.“ „Kommunion“ heißt Gemeinschaft – und das besondere an dieser Gemeinschaft der Tischmuttergruppe, der Pfarrgemeinde, der Kirche ist, dass es um das Leben geht, um das Vertrauen, letztlich bei Gott und in einer Gemeinschaft aufgehoben und geborgen zu sein! DSR, S 85: „Religion gibt uns Sicherheit, indem sie uns den Weg weist, immer wieder dem Leben zu vertrauen. Zur Religion gehört auch so viel mehr als zu einer Doktrin.... ..Es gehört die Gemeinschaft dazu. Die Gemeinschaft trägt dich und hilft dir, dieses Lebensvertrauen zu verwirklichen. Das ist immer das Entscheidende: Lebensvertrauen.“ In der Vorbereitungszeit, beim Versöhnungsfest und bei der Feier der Erstkommunion geht es immer wieder darum, dass die Kinder mitten im Leben ergriffen werden, vom großen Geheimnis Gottes, von der Gewissheit, begleitet und gestärkt zu sein. DSR,S.150: „Ergriffenheit, darum geht es immer wieder im Letzten.... Ergriffenheit vom großen Geheimnis ist das Erlebnis grenzenloser Zugehörigkeit.…“ In dieser Zugehörigkeit soll in unseren Kindern die Gewissheit wachsen und reifen: Ich bin immer „MIT JESUS IM HERZEN SICHER UNTERWEGS“ Die Lesung zur heurigen Erstkommunion aus dem Epheserbrief fasst das alles wunderbar zusammen: „Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen. In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt.“ (Eph 3, 14-19) Zu diesem Glauben, zur Fülle Gottes in uns und in unserem Leben werden die Erstkommunionkinder beim Taufversprechen ganz bewusst und deutlich JA sagen. Bruder David spricht vom „JA freudiger Zugehörigkeit“. Als Eltern und Familien, als Pfarrgemeinde wollen wir dieses „JA“ der Kinder unterstützen und mittragen – dieses „JA“ zur Gegenwart Jesu in ihrem Leben kann zu einem großen inneren Sicherheitsfaktor für jedes Kind werden. Der Tag der Erstkommunion soll für jedes Kind ein Fest der Beziehungen werden, der Beziehungen in der Familie, in der Tischmuttergruppe in der Pfarre und immer neu in der je ureigenen Beziehung zu Jesus, in der Begegnung mit dem großen Geheimnis Gott. DSR,S.192: „In unseren tiefsten und lebendigsten Beziehungen im Leben klingt immer das große Geheimnis . Ich könnte meine eigene lebenslange Beziehung zum göttlichen Geheimnis nicht treffender ausdrücken als durch den Satz: „Ich bin durch Dich so ich.“ Wir werden durch Begegnungen zu dem, was wir sind. Was uns zur Person macht, ist die Fülle und Tiefe unserer Beziehungen, und wir wachsen ständig durch jede neue Begegnung. Bei jeder menschlichen Begegnung schwingt auch unsere Beziehung zum ewigen Du mit.“