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Der Vorplatz Kultur & Gesellschaft des Cimitero Monu- Reise mentale mit dem Eingangsgebäude Letzte Größe Den Wienern wird ein Hang zur „schönen Leich´“ nachgesagt, Mailand steht ihnen in dieser Hinsicht jedoch in nichts nach. Wer dort den Cimitero Monumentale besucht, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Text: Sieglinde Troger Gut Ding braucht Weile 1866 konnte der Friedhof eröffnet werden. Er erstreckt sich auf einer Fläche von 250.000 Quadratmetern (zum Vergleich – der Wiener Zentralfriedhof ist mit einer Fläche von fast 2,5 Quadratkilometern zehn Mal so groß). itte des 18. Jahrhunderts gab es in Mai- Man nähert sich der Anlage über einen großen land fünf Friedhöfe, die Toten wurden Platz, an dessen Stirnseite das Eingangsgebäumeist anonym auf jenem in nächster Nähe de thront. Mit zwei Arkadengängen scheint es ihrer Wohnstätte begraben. Beisetzungen in den Besucher zu umschließen und in die Arme zu nehmen. Das Eingangsgebäude Kirchen waren Adeligen oder geist1866 aus Marmor und Backsteinen war lichen Würdenträgern vorbehalten. 1838 schrieb dann eine Verkonnte der ursprünglich als katholische Kirche gedacht, wurde dann aber als Ort der ordnung den Kommunen die EinFriedhof Erinnerung an herausragende Mairichtung von Friedhöfen vor, die eröffnet länder Persönlichkeiten eingerichtet. mindestens 200 Meter von Wohnwerden. Hier kann man unter anderem das häusern und Gemeindekirchen entGrab des Schriftstellers A lessandro fernt und für alle offen sein mussten. Man entschloss sich deshalb in Mailand, Manzoni besuchen. Ihm hat Giuseppe Verdi anzonis einen neuen Friedhof zu errichten. Gut Ding sein Requiem gewidmet, das 1874 an M braucht Weile, damals wie heute, und so be- erstem Todestag in der Kirche San Marco in gannen die Bauarbeiten erst 1860, mussten Mailand uraufgeführt wurde. Verlässt man die Ehrenhalle, so führt der aber bald wieder eingestellt werden, da der Entwurf des Architekten Giulio Aluisetti der- Weg direkt auf das Ossarium zu, das sich auf art massive Proteste hervorrief, dass der im der Sichtachse zwischen Eingangshalle und klassischen Stil geplante Bau nicht ausgeführt Krematorium befindet. Das Krematorium wur- M 26 granat apfel werden konnte. Das Projekt musste neu ausgeschrieben werden, diese Ausschreibung gewann der Architekt Carlo Maciachini. 11|2013 Reise Fotos: Archiv, Claudio Colombo/fotolia.com Das Grab der Familie Campari zeigt das Letzte Abendmahl in übergroßen Bronzestatuen. de vom Mailänder Seidenhändler Alberto Keller initiiert und finanziert und war angeblich das erste in Europa. Die Feuerbestattung war bis ins 19. Jahrhundert verpönt, da sie dem christlichen Glauben an die leibliche Auferstehung entgegenstand. Das alles sind Bauwerke, die es auf anderen Friedhöfen auch zu entdecken gibt. Was aber den Cimitero Monumentale so einzigartig und sehenswert macht, sind die Grabstätten. Hier haben sich die bekannten Mailänder Familien Denkmäler gesetzt und wollten einander an Prunk und Pomp übertreffen. Grabstätten im Ausmaß kleinerer Einfamilienhäuser sind mit Marmor verkleidet, Gräber mit überlebensgroßen Statuen geschmückt, ja ganze Szenen nachgestellt. So ist das Familiengrab der Camparis mit dem Letzten Abendmahl geschmückt. Die Figuren wurden 1939 von dem Bildhauer Giannino Castiglioni aus Bronze geschaffen. Dieselbe Szene findet sich einige Reihen weiter auf dem Grab eines finanziell weniger potenten Mailänders, der sie dort im Miniaturformat nachstellen ließ. Berühmte Namen Fast bescheiden nimmt sich dagegen die letzte Ruhestätte des Dirigenten Arturo Toscanini aus. Einzigartig die Grabstätte L’Aratura der Familie Besenzanica: Ein Ochsengespann mit Führer Ein Besuch des Friedhofs ist ein Spaziergang durch die Kunst geschichte Italiens. wurde auf das Grab gestellt, überragt von einer riesigen Männerfigur. Es ist dies nur eines von mehreren Grabmälern, die der Bildhauer Enrico Butti für diesen Friedhof schuf. Die Liste der berühmten Persönlichkeiten, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, ist lang. Es finden sich darin Sportler und Künstler, Industrielle wie Politiker. Der Tenor Franco Corelli liegt hier begraben, auch der Pianist Vladimir Horowitz und der schon erwähnte Arturo Toscanini ruhen hier. Der einbalsamierte Körper Evita Peróns war nach dem Sturz ihres Mannes 1955 nach Mailand gebracht und unter falschem Namen hier bis 1971 begraben. 1971 wird der Leichnam nach Madrid gebracht, 1974 nach Argentinien geflogen, wo er 1976 endlich im Familiengrab der Duartes seine nun hoffentlich letzte Ruhe gefunden hat. Es lohnt sich, diesen Friedhof zu besuchen, der Dienstag bis Sonntag geöffnet ist. Es ist ein Spaziergang durch die Kunstgeschichte Italiens – Werke des Realismus finden sich neben Jugendstilfiguren, moderne Kunst neben nachgebauter Antike. Er gibt Zeugnis davon, wie wichtig es für Menschen ist, ihre gesellschaftliche Stellung über den Tod hinaus darzustellen und der Nachwelt zu vermitteln. Und manch einst prunkvolles, aber nun von Pflanzen überwuchertes Grab führt uns vor Augen, wie vergeblich dieses Bestreben ist. « 27