Bananen im Fichtelgebirge - BayCEER

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Bananen im Fichtelgebirge - BayCEER
Forschung lokal
Andreas Held
Bananen im Fichtelgebirge
Wälder als Quelle und Senke für Feinstaub
Abb. 1: „Blauer Dunst“ über den Great
Smoky Mountains, USA. Foto: privat
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eit im Jahre 2005 mit der sogenannten
Feinstaub-Richtlinie europaweit verschärfte
Grenzwerte zur Überwachung der Luftqualität eingeführt wurden, wird immer wieder auch in der
breiten Öffentlichkeit über die Beeinträchtigung
der menschlichen Gesundheit durch erhöhte Feinstaubbelastungen diskutiert. Unter Feinstaub versteht man dabei luftgetragene Aerosolpartikel mit
einem Durchmesser von weniger als 10 Mikrometern (PM10). Diese kleinen Tröpfchen und festen
Teilchen schweben in der Luft und sind so klein,
dass sie mehrere Tage in der Atmosphäre verbleiben können, bevor sie typischerweise durch Regen
ausgewaschen werden. In der Vergangenheit sind
in epidemiologischen Studien tatsächlich Zusammenhänge zwischen einer erhöhten Feinstaubbelastung und einer erhöhten Zahl an Atemwegserkrankungen oder Herz- und Kreislaufbeschwerden
festgestellt worden. Aerosolpartikel belasten jedoch nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern spielen auch eine wichtige Rolle für viele
chemische Reaktionen in der Atmosphäre und sind
von entscheidender Bedeutung für unser Klima. Im
Gegensatz zu den Treibhausgasen,die zur globalen
Klimaerwärmung beitragen, kühlen Aerosolpartikel tendenziell die Atmosphäre und wirken so dem
globalen Erwärmungstrend entgegen. Allerdings
sind die genauen Prozesse und Rückkopplungsmechanismen bisher nur unvollständig verstanden,
so dass sich die tatsächliche abkühlende Wirkung
nicht exakt beziffern lässt.
Was haben nun Wälder mit der
Feinstaubbelastung unserer
Atmosphäre zu tun?
Entgegen der landläufigen Meinung, dass Feinstaub in erster Linie durch den Menschen verursacht wird, stammen grob geschätzt mehr als 85 %
der weltweit in die Atmosphäre eingetragenen
Feinstaubmasse aus natürlichen Quellen. Neben
den Ozeanen und Wüsten sind auch Wälder regional wichtige Quellen für Feinstaub.
Jedem ist der typische Nadelwaldduft während
eines Waldspaziergangs vertraut. Dieser Duft ist
eine komplexe Mischung verschiedenster chemischer Verbindungen, die von den Bäumen und
anderen Pflanzen in die Luft abgegeben werden.
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Die sogenannten leichtflüchtigen organischen
Verbindungen, beispielsweise Terpene, werden in
der Atmosphäre rasch oxidiert und reagieren zu
Verbindungen, die unter geeigneten Bedingungen neue Aerosolpartikel bilden können. Dieser
Prozess der Partikelneubildung aus natürlich freigesetzten organischen Verbindungen wurde schon
vor Jahrhunderten beobachtet und beschrieben.
So gaben zum Beispiel die Cherokee-Indianer den
dicht bewaldeten Great Smoky Mountains den Namen Shalonage, Ort des blauen Nebels. Auch die
Namen anderer Landschaften wie der Blue Ridge
Mountains oder der Blue Mountains lassen darauf
schließen, dass hier häufig bläulicher Dunst über
den Wäldern liegt (Abb. 1). Vor etwa 50 Jahren
wurde dieses Phänomen zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieben. Nach der Oxidation leichtflüchtiger organischer Verbindungen, die von den
Bäumen abgegeben werden, bildet sich ein bläu-
Abb. 2: „Nukleationsbanane“: Entwicklung der Partikelgrößenverteilung
während eines Partikelneubildungsereignisses
am 03. Juli 2002 im Fichtelgebirge.
Autor
Prof. Dr. Andreas Held
Seit 2009 betreibt Andreas Held als Juniorprofessor für Atmosphärische Chemie an der
Universität Bayreuth experimentelle Aerosolforschung. Zentrale Fragestellungen der aktuellen
Forschungsarbeiten sind die Quantifizierung des
partikelgebundenen Stoffaustausches zwischen
der Biosphäre und der Atmosphäre sowie die
Identifizierung und Aufklärung von Prozessen, die
zur sekundären Aerosolbildung in der Atmosphäre
beitragen.
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Forschung lokal
WebLink
• www.bayceer.uni-bayreuth.de/atmos
lich schimmernder Nebel aus winzigen Aerosolpartikeln, an denen ganz besonders der blaue Anteil
des Sonnenlichts gestreut wird.
re ausgekämmt werden. Zudem ist der Austausch
zwischen der Atmosphäre und der Boden- oder
Pflanzenoberfläche über Wäldern im Allgemeinen
stärker als über freien ebenen Flächen. Tatsächlich
wurde auch im Fichtelgebirge häufig eine starke
Deposition von Aerosolpartikeln, also eine Entfernung von Feinstaub aus der Atmosphäre, beobachtet und gemessen. Da diese Depositionsprozesse jedoch recht komplex sind und sehr stark von
der Größe der einzelnen Partikel abhängen, sind
aufwendige Messverfahren notwendig, um den
partikulären Eintrag von Spurenstoffen in Wälder
zuverlässig abschätzen zu können.
In den letzten Jahrzehnten wurden einige wichtige
Prozesse und chemische Reaktionen der Partikelneubildung in der Atmosphäre intensiv erforscht.
Jedoch sind die sogenannten Nukleationsereignisse bis heute noch nicht vollständig verstanden und
erklärt. Nahezu überall auf der Welt konnten Nukleationsereignisse über Wäldern beobachtet werden, bei denen natürliche Emissionen leichtflüchtiger organischer Verbindungen eine entscheidende
Rolle spielen. Die neu gebildeten Partikel besitzen
Durchmesser
von
Die Untersuchungen
wenigen Nanomeder letzten Jahre
tern und wachsen
deuten darauf hin,
Auch im Fichtelgebirge wurde häufig dass Wälder in den
im Laufe weniger
Stunden rasch zu
meisten Fällen eine
eine Entfernung von Feinstaub aus
größeren Partikeln
Senke hinsichtlich der
der Atmosphäre beobachtet.
an. Das PartikelPartikelmasse sind,
wachstum während
aber häufig eine reeines typischen Neugional bedeutende
bildungsereignisses (Abb. 2) wird aufgrund seiner
Quelle hinsichtlich der Partikelzahl. Da wir jedoch
charakteristischen Entwicklung auch als „Nukleatibis heute nicht vorhersagen können, wann wie vieonsbanane“ bezeichnet. Im Fichtelgebirge konnten
le neue Partikel durch natürliche Emissionen aus
bei ersten Messungen im Rahmen des BMBF-VerWäldern gebildet werden, ist eine Abschätzung
bundprojektes BEWA2000 an etwa jedem fünfdes Einflusses dieser Partikelquelle auf das Klima
ten Sommertag typische „Nukleationsbananen“
sehr schwierig. Um die bestehenden Wissenslübeobachtet werden. Die ausgedehnten Nadelcken zu schließen, bearbeiten wir an der Universiwaldflächen der Ostbayerischen und Thüringischtät Bayreuth momentan eine Reihe von Projekten.
Fränkischen Mittelgebirge setzen besonders bei
So werden in verschiedenen Master- und DoktorSonnenschein und warmen Temperaturen große
arbeiten einzelne Aspekte der Partikelneubildung
Mengen leichtflüchtiger organischer Verbindunin Smogkammer-Simulationen (Abb. 3) detailliert
gen frei, die zum Wachstum neu gebildeter Partiim Labor untersucht. Mit einem neu angeschaffkel beitragen. In einer Untersuchung der Universiten Partikelgrößen-Spektrometer sollen ab diesem
tät Bayreuth wurde gezeigt, dass das beobachtete
Frühjahr im Fichtelgebirge regelmäßig natürliche
Partikelwachstum über dem Fichtelgebirge nur erPartikelneubildungsereignisse identifiziert und
klärt werden kann, wenn man einen beträchtlichen
charakterisiert werden. Und schließlich wird aktuBeitrag von bis zu 90 % durch natürlich freigesetzell im Rahmen einer Doktorarbeit eines der weltte organische Verbindungen annimmt.
weit ersten Messinstrumente entwickelt, das in der
Lage sein wird, die chemische Zusammensetzung
Allerdings spielen Wälder neben ihrem Beitrag zur
der neugebildeten Aerosolpartikel direkt vor Ort
natürlichen Partikelneubildung und zum raschen
zu analysieren. Von der direkten Bestimmung der
Partikelwachstum auch eine wichtige Rolle bei der
beteiligten chemischen Verbindungen erhoffen
Entfernung von Feinstaub aus der Atmosphäre. So
wir uns weitreichende Einblicke in die Partikelneukönnen in Nadelwäldern mit einem dichten Krobildungsprozesse über Wäldern und einen großen
nenraum und großer Nadeloberfläche luftgetrageSchritt in Richtung einer Vorhersagbarkeit dieser
ne Aerosolpartikel sehr effektiv aus der AtmosphäEreignisse.
Abb. 3: Partikelneubildung im Labor:
Durch Oxidation natürlicher organischer
Verbindungen entsteht unter kontrollierten
Bedingungen eine Feinstaubwolke.
Foto: Johannes Ofner
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