23. April 2015 - Marmite Food Lab
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23. April 2015 - Marmite Food Lab
dolce vita htr hotel revue Nr. 17 / 23. April 2015 Frisch aus dem Drucker: Kräcker aus Peperoni (l.). Salat inspiriert von der Aalto-Vase, dem Kultstück aus der Glasmanufaktur des finnischen Designerpaares Alvar und Aino Aalto. Bilder Natural Machines Kocht sich's in Zukunft wie gedruckt? Essen aus dem Drucker: In Zeiten, in denen 3D-Drucker für Lebensmittel auf dem Markt erscheinen, stehen auch Profi-Köche vor neuen Herausforderungen – und Chancen. SABRINA GLANZMANN W enn voraussichtlich ab Mitte dieses Jahres «Foodini» als einer der ersten 3D-Food-Drucker für 1000 Euro das Stück offiziell auf den Markt kommt, wird auch in vielen Profiküchen ein Exemplar davon stehen. «Die Nachfrage ist gerade auch seitens Köche sehr gross; wir haben Reservationen von Restaurants aus über 70 Ländern», sagt Lynette Kucsma von der Herstellerfirma Natural Machines mit Sitz in Barcelona. Sie war an der ersten Ausgabe der Fachveranstaltung «Marmite Food Lab» in Zürich (siehe Text unten) zum Thema 3D-Food-Druck mit anderen Pionieren in diesem Bereich zu Gast und hält es sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich für «the next big thing» in der Küche. Und den «Foodini» für ein Gerät, das in der breiten Masse bald so bekannt und etabliert sein werde wie heute die Mikrowelle. Essen aus dem Drucker: heute also keine Science Fiction mehr, nachdem der Einsatz im Lebensmittelbereich lange kein Fokus war. Seit der amerikanische Ingenieur Chuck Hall vor 30 Jahren die erste Maschine entwickelte, welche dreidimensionale Werkstücke schichtweise aufbauen kann, wird 3D-Druck klassischerweise zur Prototypenentwicklung oder Serienfertigung angewendet – etwa im Bereich Architektur über den Modell-, Maschinen und Automobilbau bis hin zur Luft- und Raumfahrtindustrie oder der Medizin- und Zahntechnik. Ein 3D-Druck-Boom steht unmittelbar bevor Neuste, kleinere und kostengünstige Geräte lassen auch den Heimanwender-Markt wachsen, und das IT-Markforschungsinstitut Gartner prognostiziert für die nächsten Jahre gar einen veritablen 3D-Drucker-Boom: Laut den neusten Zahlen sollen bis Ende dieses Jahres 217 350 Maschinen weltweit vertrieben werden – 2014 waren es noch 108 151. Ab 2016 «Marmite»-Chefredaktor Andrin C. Willi, 3D-Food-Druckprofis Lynette Kucsma (Natural Machines), Sternekoch Paco Morales, Christiane Fimpel und Philipp Binkert (3D-Model), v. l. Linda Pollari «3D-Druck ist für mich ein Werkzeug, um Ästhetik und Gschmack zu verbinden.» Paco Morales Spitzenkoch & 3D-Druck-Pionier Fachtagung im Mai Spitzenköche und Wissenschaftler über die neuen und anderen Ressourcen aus dem Meer V om 3D-Food-Drucker geht es ins Meer: Das zweite «Marmite Food Lab» vom 11. Mai 2015 in Zürich dreht sich um die hochaktuelle Frage, welche Rolle Plankton, Algen und der Beifang in der Meeresküche in Zukunft spielen werden und was es mit der Überfischung und dem Einfluss des Klimawandels auf den Fischkonsum auf sich hat. Hochkarätige Gäste sind dafür mit an Bord: der spanische Spitzenkoch Ángel León etwa, der in seinem 2-Sterne-Restaurant Aponiente in der Nähe von Cádiz eine sehr radikale Meeresküche betreibt. Aus selbst gezüchtetem Plankton macht er eine Art Käse, oder er extrahiert daraus Poly sacharide zum Süssen von Gerichten. Rückwurffisch macht er nach dem Transfer in sauberes Wasser essbar, und unbekanntere Weichtiere präsentiert er zum Beispiel in der Form einer Karotte, um zu zeigen, dass sie geniessbar sind. Neben dem «Chef del Mar» ist auch Angela Köhler, Professorin am Alfred-WegenerInstitut in Bremerhaven (D) mit dabei. Die Meeresbiologin wurde international bekannt durch den nachhaltig gewonnenen VivaceKaviar und ihren Einsatz für den Erhalt des Störs. Ihre Berufskollegin Anneliese Chapman erzählt von ihrem Algen-Forschungsprojekt in Norwegen und wie die Algen in der «New Nordic Cuisine» zum Einsatz kommen. An den neuen interdisziplinären «Food Labs» von «Marmite», der Schweizer Zeitschrift für Essund Trinkkultur, werden zu bestimmten Themen Infos ausgetauscht, Referate gehalten und Kochpraktiken erläutert. Es soll ein reger Austausch zwischen Köchen und Wissenschaftlern stattfinden. Alle Infos: marmite-events.ch werden sich diese Lieferungen laut Gartner jährlich mehr als verdoppeln, was bis und mit 2018 eine Zahl von über 2,3 Millionen 3DDruckern bedeutet. Ein Wachstumsmarkt also, mit dem die Hersteller und Vertreiber nun auch die Küche ins Visier nehmen. Eines der ersten kommerziellen Produkte im Lebensmittelbereich kommt übrigens von Pionier Chuck Hall und seiner Firma 3D-Systems selbst: der «Chocojet» wurde Anfang Januar 2015 lanciert und soll für individuelle SchokoladenKreationen, wortwörtlich aus ei nem Guss, sorgen. Der Traum vom komplett ausgedruckten Restaurant «Aus einem Guss» ist auch dasFunktionsprinzip beim «Foodini»Prototypen, bei dem der Nutzer rostfreie Stahlkapseln mit selbst hergestellten Komponenten – Crèmes, Purées oder Pasten zum Beispiel – befüllt. Auf dem Touchscreen des mit dem Internet verbundenen Geräts wählt man anschliessend das gewünschte Rezept aus und hat es dann wenig später fertig ausgedruckt; gänzlich selbst Kochen oder Erwärmen, das kann der Prototyp noch nicht. Was das denn nun anderes sei als das Arbeiten mit einem Spritzsack, monierten kritische Stimmen von Profi-Köchen unter der Zuhörerschaft am «Marmite Food Lab» – die Antwort darauf gab ihnen der ebenfalls anwesende Spanische Spitzenkoch Paco Morales, der in Der «Foodini», weltweit einer der ersten 3D-Food-Printer, soll ab der zweiten Hälfte 2015 in Massenproduktion gehen und in der Profiküche bald fest zum Geräte-Repertoire gehören. Natural Machines seinen Restaurants in Madrid, Menorca, Rio de Janeiro und Cordoba als einer der ersten Profiköche überhaupt mit 3D-Druck experimentiert und dafür eng mit «Natural Machines» zusammenarbeitet. Als der heute 33-Jährige vor einigen Jahren auf der Suche nach neuem Geschirr mit einem TellerPrototypen aus 3D-Druck in Berührung kam, hat ihn die Idee nicht mehr losgelassen, sich auch mit Food-Druck zu beschäftigen. Seit 2012 ist der ehemalige Schüler Ferran Adrias sehr gezielt und aktiv, auch im Rahmen weiterer sogenannter «Digital-Gastronomy» -Projekt wie etwa «Reimagine Food». Der Einfluss von Molekular-Pionier und Tüftler Adria wird sehr deutlich, wenn man Morales über seine Idee von 3D-Druck in der Küche zuhört: «Es ist für mich ein Werkzeug, mit dem ich zum Beispiel Geschmack und Ästhetik auf das gleiche Niveau bringen und den Gast überraschen will». Das heisst konkret: wenn er eine scharfe Komponente auf den Teller bringen will, dann brint er sie zum Beispiel in eine spitzige 3D-Form. Auch die Formen der Teller und Gefässe beim Anrichten sind für ihn dabei sehr wichtig, wobei er ebenfalls auf 3D-Druck setzt: eine weiche, samtige Auster kommt in ein bauchiges, rundes Gefäss. Dem Sternekoch schwebt nun sogar vor, ein im wahrsten Sinne des Wotes komplett ausgedrucktes Restaurant zu realisieren – vom Gebäude über das Interieur bis natürlich hin zum Essen. «3D-Food-Druck gibt enorme neue Möglichkeiten für die Inszenierung, aber alles steht und fällt mit dem Koch, der damit arbeitet. Man muss wie bei allen Geräten damit umgehen können und wissen, was man erreichen will, sonst nutzt es nichts». Eine Feststellung, die am «Marmite Food Lab» auch Christiane Fimpel und Philipp Binkert von der Zürcher Firma 3D-Model unterstrichen haben. Das Unternehmen betreibt neben dem Import von 3D-Druckern, -Scanern und -Software auch eine Abteilung im Bereich Food-Print Research. «3DFood-Print ersetzt keinen Koch, und schon gar nicht einen Stenekoch. Vielmehr ist dieser ganz anders in seiner Kreativität gefordert und in der Überlegung zu Form und Präsentation», sagt Christiane Fimpel. Für sie gehen die ganzen Überlegungen zu 3D-Food-Print aber noch viel weiter. So liessen sich zum Beispiel die Drucker gezielt mit aus Lebensmitteln extrahiertem Pulvern füllen, aus Gemüse etwa, welche dann mit Vitaminen, Mineralstoffen und Nährstoffen angereichert werden und zum Beispiel in Drittweld-Ländern zum Einsatz kommen könnten. Futuristische Szenarien, von denen wir aber vielleicht gar nicht mehr so weit entfernt sind. noorrestaurant.es reimagine-food.com naturalmachines.com 3d-model.ch