Gammenthaler ist das Gegengift gegen Eso

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Gammenthaler ist das Gegengift gegen Eso
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l STADTKULTUR
DER LANDBOTE
FREITAG, 28. FEBRUAR 2014
Falsche Tatsachen
Er ist übersinnlich wie ein Glas Rhabarberconi.
Michel Gammenthaler zeigt im Casinotheater sein neues
Soloprogramm «Scharlatan». Eine Premiere mit einem
vorgetäuschten okkulten Orgasmus, Poltergeist und Co.
STEFAN BUSZ
fach mal lachen). Aber er ist blitzschnell in Sachen Wunscherkennung.
Die Kandidatin aus dem Publikum
muss da gar nichts sagen. Gammenthaler weiss in einem Atemzug, wohin sie
reisen will und auch mit wem. (Hier ein
Tipp noch für Kandidatinnen für andere Abende: bitte auch das Geschlecht
des Reisepartners/der Reisepartnerin
angeben – Gammenthaler kann die Zukunft nur buchstäblich lesen, und wenn
sie «Andrea» heisst, weiss er nicht, ob
Mann oder Frau.)
Das kommt davon, wenn man in der
Kultur spart. Kaum steht Michel Gammenthaler auf der Bühne, ist auf dem
Mikrofon ein Brumm drauf – irgend so
ein billiger Rückkopplungseffekt, und
das grad an der Premiere seines neuen
Stücks. Gammenthaler macht kurzen
Prozess, er schneidet das Kabel mit
dem Messer durch und voilà: Das Ding
funktioniert. Alles aber nur Lug und
Trug, sagt Gammenthaler. Denn das
Mikro ist eigentlich ein Fön. Haha.
Das Publikum will aber betrogen Vorbild Erdnase
sein. Und darum geht es auch an die- In der ersten Abteilung des Abends ist
sem Abend: Michel Gammenthaler noch vieles à la carte. Gammenthaler
führt in seinem fünften Soloprogramm legt eine zauberhafte Hommage hin an
«Scharlatan» vor, wie die Sache mit der sein grosses Vorbild S. W. Erdnase, den
Vorspiegelung falscher Illusionen funk- Verfasser der Bibel für Falschspieler.
tioniert. Oder eben
Nach der Pause
auch nicht.
geht es auf spiritisEin Gross-Illutisches Gebiet. Mi«Augen auf bei der
sionist ist Gamchel GammenthaBerufswahl! Eine
menthaler
nicht,
ler nimmt das Puwie natürlich auch solide Grundausbildung: blikum am Finger,
kein Scharlatan. Er
um es sehr zu warZauberer»
hat aber mit seinen
nen vor den falMichel Gammenthaler
Zaubertricks das
schen Geistern, die
(in eigener Sache)
Gelände der Kleinum uns sind. Da ist
kunst
erweitert.
der Hellseher HaDoch anstatt Jungfrauen zu zersägen, nussen, der sich im Berlin der Dreissikapriziert er sich darauf, ein zerschnit- gerjahre so gross aufspielte – ein Schartenes Kabel mit einem Trick wieder zu- latan wie aus dem Buch. Und da sind
sammenzufügen. Gammenthaler zau- auch die Schwestern Fox aus den USA,
bert eben immer sehr praktisch. Einen denen es so langweilig war, dass sie Polsolchen Mann könnte man auch im tergeister erfanden – das Poltern kam
Haushalt brauchen.
von ihren Füssen unter dem Rock. Und
natürlich macht sich Gammenthaler
Wünsche à la carte
auch über die Teilnehmerinnen von spiDementsprechend skeptisch ist auch ritistischen Séancen lustig, die eigentsein Blick auf die Welt der Magie, die da lich nichts sahen, aber doch sagten, sie
draussen ist (und da draussen heisst: in hätten etwas gespürt («sozusagen ein
einem anderen Universum). Dort wer- vorgetäuschter okkulter Orgasmus»).
den alle Wünsche erfüllt, wenn man nur Gammenthaler ist das Gegengift gegen
die richtigen Karten in der Abteilung Eso-TV und Konsorten.
esoterische Ratgeberliteratur besorgt
Dafür muss man ihn lieben. Denn er
hat. Gammenthaler macht natürlich bleibt immer, was er ist, nämlich ein Cogleich die Probe aufs Exempel, er spielt median mit Zauberhintergrund. «Mir
mit einer Kandidatin aus dem Publikum geht es darum, Geschichten zu erzählen
das ganze Brimborium durch. 1. Wunsch und die Leute zum Lachen zu bringen»,
auf dem Zettel notieren, 2. Zettel ver- hat Michel Gammenthaler einmal gebrennen, 3. das Ergebnis abwarten. Wir sagt. Wir haben an diesem Abend gewissen: Da kommt jetzt nichts mehr zu- lacht. Aber auch sehr gestaunt, wie er
rück aus dem anderen Universum. Alles dann mit einer Luftnummer am Schluss
Lug und Trug, Scharlatanerie eben, auf die Leute wirklich berührte.
Kosten gutgläubiger Menschen.
Michel Gammenthaler: Scharlatan
Gammenthaler ist kein Wunscher- Casinotheater Winterthur,
füller (ausser der Wunsch heisst: ein- weitere Vorführungen bis 7. März
Er ist mehr als ein Comedian: Michel Gammenthaler spielt mit den Vorstellungen, die andere von Magie haben. Bild: Heinz Diener
Musik als Ventil
Junge Erwachsene wollen am
Samstag in der Alten Kaserne
zeigen, dass die Hip-Hop-Kultur
mehr umfasst als das Rappen.
den Event. «Im Hip-Hop gibt es viel
mehr als nur Rap», sagt Thomas Amherd im Gespräch. Unterstützt wird das
Organisationskomitee von vielen freiwilligen Helfern. Der Anlass indet nun
zum dritten Mal statt.
HELMUT DWORSCHAK
Arbeit, Freizeit und Kollegen
Auch Breakdance ist Hip-Hop. Bild: pd
Das Line-up macht Eindruck. Sieben
Rap-Combos, die meisten aus dem
Kanton Zürich, je einer aus dem Glarnerland und aus Graubünden. Und
einer, Lord Lhus, kommt sogar aus den
USA. Dazu drei DJs, ein Beatbox-Duo
und eine Breakdance-Nummer, die für
alle Tanzwilligen offensteht. Die Afterparty bestreitet der in der Szene bestens bekannte DJ Jesaya. Mit diesem
vielfältigen Angebot soll am Samstag
in der Alten Kaserne die ganze Bandbreite der Hip-Hop-Kultur vorgeführt
werden. Auch Grafiti und Lightshows
gehören dazu und natürlich die passende Bekleidung.
«Elements of Hip-Hop» nennen Projektleiter Thomas Amherd und seine
beiden jungen Mitorganisatoren, das
Beatbox-Duo D. M. B. Combination,
Der 30-jährige Amherd arbeitet als soziokultureller Animator für den Verein
Projektlabor. Sein Ziel: jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, ihre
Talente zu beweisen. «DJs zum Beispiel
bekommen oft nicht den Platz, der ihnen zustünde», gibt er zu bedenken.
Am DJ-Battle vom Samstag wirken sie
deshalb nicht irgendwo hinten in einem
verborgenen Winkel, sondern treten
gegeneinander an. Danach stimmt das
Publikum ab.
Rund vierhundert Besucherinnen
und Besucher erhofft sich Amherd. Er
macht ihnen die Entscheidung leicht,
denn dank Sponsorengeldern ist der
Eintritt frei. Beteiligen kann sich das
Publikum diesmal beim offenen Breakdance. Der Rest des Programms ist gesetzt, wobei sich Erfahrene und New-
comer die Waage halten. Damit soll die
Hip-Hop-Kultur gefeiert werden.
Weshalb gerade Hip-Hop? «Weil
diese Kultur bei vielen Jugendlichen
nach wie vor sehr beliebt ist», sagt Amherd. Die Musik habe hier die Funktion
eine Ventils, man könne die alltäglichen Sorgen und Probleme rauslassen.
«Themen wie Arbeit, Freizeit und Kollegen sind auch für Junge natürlich sehr
wichtig.» Wie man daraus Musik macht,
weiss Amherd von seiner eigenen HipHop-Band Trypass, deren Mitglieder
aus Bern und Winterthur stammen.
Provozieren gehört dazu
Wie geht man als Jugendsozialarbeiter
mit der provokativen Sprache um, die
den Hip-Hop oft zu dominieren
scheint? Eine solche Ausdrucksweise
sei selbstverständlich erlaubt. «Sie gehört einfach zu dieser Kunstform
dazu.» Nicht toleriert werden Hasstexte, etwa fremdenfeindliche. Der derbe,
aggressive Zug habe auch mit der Gesellschaftsschicht zu tun, aus der der
Hip-Hop ursprünglich komme. Trotzdem: «Es gibt da eine ganz grosse
Bandbreite, und manchmal muss man
genau hinhören, um den wirklichen Inhalt zu erkennen.»
Lord Lhus, Aushängeschild des
Abends, wird übrigens nicht eigens aus
den USA eingelogen, er lebt in Zürich.
Es komme gar nicht so selten vor, dass
Rapper ab einem bestimmten Alter mit
ihrer Familie in die Schweiz zögen,
weiss Szenekenner Amherd.
Der 2008 gegründete Verein Projektlabor hat sich zum Ziel gesetzt, den
kreativen Umgang mit den Medien zu
fördern. In Zusammenarbeit mit der
Stadtbibliothek Winterthur werden
Webdesign, Graik und Film angeboten. Zielpublikum sind die 16- bis
25-Jährigen. Im «Rapstübli» – das neu
vom Jugendhaus übernommen wird –
können sich junge Talente ausprobieren
und mit Hilfe eines kompakten, mobilen Tonstudios ihren eigenen Sound
kreieren. Hip-Hop benötigt kein grosses Equipment.
Elements of Hip-Hop
Samstag, 1. März, ab 20 Uhr bis 4 Uhr,
Alte Kaserne, Technikumstrasse 8. Eintritt frei
http://rapstuebli.ch