Universität der Zukunft - TUM
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Universität der Zukunft Eine Vision Handlungs- und Ordnungsprinzipien für Universitätsinstitutionen in Deutschland Eine Studie der TUM-Tech GmbH München im Auftrag der Degussa AG 2003 2 TUM-Tech GmbH Saarstraße 7 80797 München Tel: 0 89/30 66 95-0 Fax: 0 89/30 66 95-66 email: [email protected] Internet: www.tumtech.de Degussa AG Bennigsenplatz 1 40474 Düsseldorf Tel.: 0211-65041-340 Fax: 0211-65041-523 Internet: www.degussa.com Ansprechpartner: Dr. Christian Hackl Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Dröscher Mit Beiträgen von: Dipl.-Kfm. Ingo Deking, TU München; [email protected] Dipl.-Phys. Bernd Grohs; [email protected] Dr. Kathrin Möslein, TU München; [email protected] Dr. Konstantin Reetz, TUM-Tech GmbH; [email protected] Monika Wieberger M.A.; [email protected] Dr. Ulrich Wild, TUM-Tech GmbH; [email protected] Professor Kelvin Willoughby PhD, Westminster College, Salt Lake City; [email protected] 3 4 A. B. I. 7 10 VORWORT DANKSAGUNG PRINZIPIEN UND GRUNDLAGEN FÜR DIE UNIVERSITÄT DER ZUKUNFT 11 11 GRUNDLAGEN Universitätstradition ..................................................................................... 11 Zwang zur Veränderung .............................................................................. 11 Anpassungsprozesse................................................................................... 16 Erfolgreiche Hochschulmodelle.................................................................... 17 B. PRINZIPIEN DER UNIVERSITÄT DER ZUKUNFT 19 1. Handlungsprinzip ......................................................................................... 20 2. Ökonomisches Prinzip ................................................................................. 21 3. Organisationsprinzip .................................................................................... 25 A. 1. 2. 3. 4. II. DIE UNIVERSITÄT DER ZUKUNFT ALS FORSCHUNGSUNIVERSITÄT ..... 33 A. 1. 2. 3. 4. B. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. STRATEGIE 38 Strategiefindungsprozess und Umsetzung .................................................. 39 Organisation der Forschung ........................................................................ 39 Organisation der Lehre ................................................................................ 41 Organisation des Managements und der Verwaltung .................................. 42 44 UMSETZUNG DER STRATEGIE Leitungsstruktur ........................................................................................... 44 Finanzierung ................................................................................................ 48 Attraktivität am Markt ................................................................................... 53 Kunden in der Lehre .................................................................................... 59 Qualitätsmanagement.................................................................................. 65 Kooperation und Delegation ........................................................................ 67 Kooperationsmodelle und Outsourcing ........................................................ 68 Kommunikation und Wissensmanagement .................................................. 70 III. DIE UNIVERSITÄT DER ZUKUNFT - EIN GEGENWÄRTIGER REFORMPROZESS ...................................................................................... 80 IV. BIBLIOGRAPHIE............................................................................................. 84 V. BESUCHTE INSTITUTIONEN ......................................................................... 86 VI. ANHANG A: DIE FINANZIERUNG VON UNIVERSITÄTEN – ÜBERLEGUNG ZU EINNAHMEQUELLEN, DEREN RENTABILITÄT UND EINBINDUNG IN DIE UNIVERSITÄTSSTRATEGIE ................................................................. 89 A.1. A.2. A.3. A.4. A.5. EINLEITUNG HÖHE DER FINANZIERUNG BEMESSUNG DER FINANZIERUNG VERWENDUNG DER FINANZMITTEL FINANZSTRATEGIE 89 90 94 98 103 VII. ANHANG B: PERSONALMANAGEMENT.................................................... 117 B.1. B.2. B.3. EINLEITUNG RAHMENBEDINGUNGEN UND CORPORATE GOVERNANCE PROZESSE IM PERSONALMANAGEMENT 5 117 119 128 B.4. B.5. ZUSAMMENFASSUNG AUSBLICK: ES GIBT KEIN IDEENDEFIZIT, SONDERN EIN MASSIVES UMSETZUNGSDEFIZIT 142 143 VIII. ANHANG C: DIE BALANCED SCORECARD ALS STRATEGISCHES WISSENSMANAGEMENT- UND STEUERUNGSINSTRUMENT ............... 147 C.1. C.2. C.3. C.4. C.5. C.6. C.7. IX. WISSENSMANAGEMENT UND STEUERUNG IN DER UNIVERSITÄT: SKIZZIERUNG DER 147 AKTUELLEN AUSGANGSSITUATION WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DURCH WISSENSMANAGEMENT: DIE ROLLE DER BALANCED SCORECARD 152 EINE KRITISCHE WÜRDIGUNG DER BALANCED SCORECARD 164 MANAGEMENT VON NON-PROFIT-ORGANISATIONEN MIT DER BALANCED SCORECARD 168 EINE BALANCED SCORECARD FÜR DIE UNIVERSITÄT DER ZUKUNFT 174 SCHLUSSFOLGERUNGEN UND GRENZEN FÜR DAS MANAGEMENT VON WISSEN IN UNIVERSITÄTEN 184 LITERATURVERZEICHNIS 186 ANHANG D: THE VIRTUALIZATION OF UNIVERSITY EDUCATION: CONCEPTS, STRATEGIES AND BUSINESS MODELS ............................ 197 6 A. Vorwort Die feste Überzeugung, dass in den Universitäten eine Menge Vitalität und Entwicklungspotenzial brach liegt, und die Ungeduld mit der gegenwärtigen Reformdebatte um die deutschen Universitäten lieferten den Anstoß zur vorliegenden Studie, die Zukunftsvision einer Universität zu entwickeln, die diese wieder in die Mitte in unserer Gesellschaft rückt. Diese Universität der Zukunft sieht ihre Aufgabe darin, den vielfältigen und konkurrierenden Interessen der komplexen modernen Gesellschaft zu dienen. Ihr Prinzip ist verantwortete Selbstständigkeit. Sie vermeidet unreflektierte Ökonomisierung, professionalisiert jedoch ihr Handeln und legt öffentlich Rechenschaft über ihre Aktivitäten ab. Ihre Aufgaben sind weiterhin die Entwicklung der Wissenschaft durch Forschung und deren Verbreitung durch Lehre. Alle Aktivitäten folgen einer individuellen Universitätsstrategie. Die Strategien der Universitäten der Zukunft werden sich stark voneinander unterscheiden, abhängig vom Standort, der Größe und der inhaltlichen Ausrichtung. Daher wird nicht der Versuch unternommen, eine allgemeingültige Vision einer Universität der Zukunft zu entwickeln. Zum Gegenstand der Überlegungen wurde der Fall der ausgeprägten Forschungsuniversität gewählt. Dieser Begriff wird allerdings nicht auf die Gesamtheit der deutschen Universitäten bezogen, obwohl sich diese gegenwärtig alle als Forschungsuniversitäten verstehen. Die Forschungsuniversität der Zukunft hat das Ziel, mit ihrer Forschung internationale Bedeutung zu erreichen, hochqualifizierten Forschungsnachwuchs auszubilden und sich inhaltlich auf ein schmales, miteinander verknüpftes Fächerspektrum zu konzentrieren. Genau für diese Forschungsuniversität wurde ein Gesamtkonzept entwickelt, das Handlungs- und Ordnungsprinzipien beschreibt. Die Gestaltungsvorschläge für die Forschungsuniversität der Zukunft erstrecken sich nicht auf Forschungsinhalte, sondern auf die Universität als Organisation. Darüber hinaus wurde versucht, neue Antworten auf die Frage zu finden, wie sich die Universität selbst und ihren Auftrag interpretieren kann, um wieder zum Motor der gesellschaftlichen Entwicklung zu werden. Derzeit werden an den Universitäten in diversen Bundesländern die unterschiedlichsten Reformprojekte durchgeführt und Pilotmodelle erprobt, die sich auf die Organisation, aber vor allem auf die Verwaltung der Hochschulen auswirken. In Niedersachsen werden Universitäten in die Rechtsform der Stiftung überführt. Das bayerischen Hochschulgesetz erlaubt Experimente. Das BMBF hat die Arbeitsverhältnisse der Professoren neu geregelt, und das Hochschullehrer-Privileg ist abgeschafft. Es sieht so aus, als würde sich einiges tun. Eine Vielzahl von Symptomen der Schwäche wird derzeit in deutschen Universitäten manchmal mit weniger, manchmal auch mit beachtlichem Erfolg bekämpft. Im Gegensatz zur Hochschulreform Ende der sechziger Jahre, im Zuge derer die Studenten und der akademische Unterbau die Universität änderten, sind an den derzeitigen Reformbewegungen nur Wissenschafts- bzw. Bildungsministerien, Hochschulleitungen und Institute, die sich wissenschaftlich mit der Organisation der 7 Hochschule beschäftigen, beteiligt. Viele Mitglieder der Universität bezweifeln die Notwendigkeit von Reformen, insbesondere wenn sie ihrer Besitzstände bedroht sehen. Tatsache ist jedoch, dass das deutsche Universitätssystem in der Kritik steht, dass deutsche Universitäten die an sie gestellten Ansprüche und Erwartungen nicht mehr zeitgemäß erfüllen. Es ist ebenso Tatsache, dass auf die geänderten Anforderungen an die Universität Antworten gefunden werden müssen. Der vielbeschworene Weg in die Wissensgesellschaft, die zunehmende Internationalisierung und Kommerzialisierung des Gutes Bildung, die immense Bedeutung der Wissenschaft für die gesellschaftliche und die wirtschaftliche Weiterentwicklung bringen Herausforderungen mit sich, denen gerade die Universität der Zukunft begegnen muss. Diese Studie will dezidiert dazu beitragen, die Diskussion in alle Ebenen und Bereiche der Hochschulen zu tragen. Eine erfolgreiche Erneuerung aus sich selbst heraus kann die Universität nur erreichen, wenn alle ihre Mitglieder die Chancen erkennen, die in einem Neustart liegen. Wird die Chance einer internen Erneuerung vertan, so werden externe Kräfte wirken und Lösungen generieren. Es ist eindeutig besser, statt viele Symptome zu kurieren, das System Universität unter die Lupe zu nehmen, um anschließend grundsätzliche Änderungen vorzuschlagen. Verbesserungen durch Optimierung bestehender Strukturen haben nur eine begrenzte Reichweite. Will man einen größeren Innovationsschritt tun, so müssen Ziele, Abläufe und Strukturen grundsätzlich überdacht werden. In einer ersten Phase ist dies sicherlich konfliktreicher und schwieriger, als Symptome zu kurieren, wo meist ein vergleichsweise schnelles Erfolgserlebnis die Mühen zu rechtfertigen scheint. Nachhaltige Änderungen und große Entwicklungssprünge können aber nur auf einem grundsätzlichen Weg mit einem ganzheitlichen Anspruch erfolgreich vollzogen werden. In ihrem Korsett aus Verwaltungsvorschriften, Kameralistik, Regelungen des öffentlichen Dienstes und Beamtenrechts auf der einen Seite und angesichts der Annehmlichkeiten von akademischer Freiheit, Professorenprivilegien, unkündbarer Arbeitsverträge und großzügiger Altersversorgung auf der anderen Seite, hatte die Universität nur wenig Spielraum, aber auch nicht viel Anreiz, sich als Organisation und Institution weiterzuentwickeln. Das Umfeld, in dem sich die staatlichen Universitäten Deutschlands befinden, hat sich enorm verändert und wird durch eine große Zahl unterschiedlicher Interessen und Vorstellungen geprägt, die im Wettstreit miteinander liegen. Eine heftige Debatte über Universitätsreformen ist im Gang, in der es nicht so sehr um einen Wettstreit von verschiedenen Reformansätzen geht, sondern in der Pragmatiker und Ideologen die Gegenpole markieren quer durch alle Parteien und die deutsche Universitätslandschaft. Es wird die Auffassung vertreten, dass es unabhängig davon, ob z. B. Studiengebühren politisch gewollt sind oder nicht, an der Zeit ist, dass sich die deutschen Universitäten neu aufstellen. In diesem Porträt einer Universität der Zukunft wird das Bild einer neugeordneten Universität gezeichnet. Es soll nicht die simple 8 Übertragung eines vereinfachten Unternehmensschemas auf die Universität sein oder ein bestehendes erfolgreiches Konzept kopieren, sondern erfolgreiche Lösungsansätze an die Situation in Deutschland anpassen und zu einer neuen Interpretation der Universität vereinen. Es wurden best practices und Lösungsansätze aus der Universitäts- und Forschungslandschaft sowie von Wirtschaftsunternehmen studiert. In Deutschland, den Niederlanden, Österreich, England, den USA und Australien wurden verschiedenste Vorbilder gefunden und Rahmenbedingungen analysiert, innerhalb derer diese Vorbilder erfolgreich sind. Recherchen in der Fachliteratur und das aufmerksame Verfolgen der laufenden Diskussion in Deutschland waren weitere wichtige Informationsquellen. Nicht zuletzt hat der direkte Dialog in Workshops mit Wissenschaftlern, Forschungsmanagern, Hochschulleitungen und Wirtschaftsmanagern wichtige Erkenntnisse vermittelt.1 Alle gesammelten Informationen und Erfahrungswerte aus den unterschiedlichen Quellen sind in das Modell einer Forschungsuniversität der Zukunft eingeflossen. Ausgangsbedingung für dieses Konzept ist die Annahme, dass die Universität der Zukunft autonom ist, d. h., dass sie ihre Organisation in jeder Beziehung, auch im Personalbereich, frei gestalten kann, ihr Handeln selbst verantwortet und wirtschaftlich agieren darf. Das ausgleichende Gegengewicht für diesen hohen Freiheitsgrad ist die Berichts- und Rechtfertigungspflicht über alle inhaltlichen und geschäftlichen Ergebnisse gegenüber einem Aufsichtsgremium. Die Studie gliedert sich in zwei Hauptteile. Im ersten wird allgemein auf die Entwicklung der Rahmenbedingungen für zukünftige Universitäten eingegangen und es wird skizziert, welche Herausforderungen in einem zunehmend internationalisierten und ökonomisierten Bildungsmarkt auf sie zukommen werden. Der zweite Teil geht genauer auf eine mögliche Ausprägung der Universität der Zukunft ein: Die Forschungsuniversität. Sie fokussiert inhaltlich, strebt wissenschaftliche Exzellenz an und konzentriert sich in der Lehre auf eine anspruchsvolle, rein wissenschaftlich ausgerichtete Ausbildung. An wen wendet sich diese Studie? Diese Studie ist zum einen ein Beitrag zur laufenden Debatte um die Hochschulreform, zum anderen ist sie als Einladung an Interessierte gedacht, sich mit Reformvorschlägen abseits gewohnter Pfade zu beschäftigen. Deswegen soll sie Leser in allen Institutionen und Gruppen finden, von denen die deutsche Hochschullandschaft gestaltet wird. Dazu gehören Bildungspolitiker, die Bildungs- und Wissenschaftsministerien des Bundes und der Länder, die Leitungen der deutschen Hochschulen, die Standesvereinigungen und Verbände, nicht zu vergessen alle Mitglieder der Hochschulen. Auch die Studierenden sollen stärker in die Debatte um die Zukunft der Universität miteinbezogen werden. Derzeit wird diese Diskussion leider häufig auf die Finanzierungsfrage verkürzt. Dadurch rücken innovative und visionäre Überlegungen zur zukünftigen Rolle und Gestaltung der Universität in den Hintergrund. Zusammenfassend ist zu sagen, dass diese Studie alle diejenigen, die sich für die Universität und deren Zukunftsaussichten interessieren, einlädt, sich auf 1 Eine Liste der besuchten Institutionen im In- und Ausland befindet sich im Kapitel V. 9 die vorliegenden Überlegungen einzulassen. Denn alternativen Vorschlägen zur Hochschulreform soll mehr Raum geben werden. Die Initiative zur und Finanzierung für die vorliegende Studie kamen aus der Industrie. Die Degussa AG, als Chemieunternehmen mit ausgeprägten Forschungsinteressen traditionell nah an der Universität, hat sich entschlossen, das Projekt Universität der Zukunft anzustoßen und die nötigen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen. In dieser Initiative drückt sich die Überzeugung aus, dass sich Unternehmen für die gesellschaftlichen Themen ihres Landes interessieren sollten, und dass die Wirtschaft nicht nur Missstände beklagen, sondern auch zu ihrer Beseitigung beitragen kann. Die Mitwirkung der Degussa AG beschränkte sich daher nicht auf die Finanzierung der Untersuchung, sondern wurde auch durch inhaltliche Diskussionen und das persönliche Engagement des Vorstandsvorsitzenden, Professor Dr. Felcht, bereichert. B. Danksagung Wichtige Anregungen ergaben sich auch aus zwei Workshops mit Experten aus Hochschulen und Wissenschaft. Dort wurden Teilergebnisse der Studie und die Überlegungen der Autoren zur Diskussion gestellt. Der kritische Sachverstand der folgenden Teilnehmer war eine große Hilfe: Prof. Dr. Michael Dröscher, Degussa AG; Dr. Johannes Eberle, TU München; Dr. Ekkehard Franzke, Bain & Company; Drs Rob Frederix, Universität Maastricht; Dr. Christoph Grolimund, ETH Rat Generalsekretariat; Dr. Heinrich Neukomm, ETH-Rat Forschung und Entwicklung; Prof. Dr. Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München; Dr. Bernhard Hirsch WHU, MA am Lehrstuhl für Controlling; Dr. Franz-Robert Klingan, Bain & Company; Prof. Dr. Walter Kröll, ehem. Vorstandsvorsitzender der DLR e.V; Dr. Ludwig Kronthaler, Kanzler der TU München; Prof. Dr. Hans-Ulrich Küpper, Leiter des Institut für Hochschulforschung ihf; Dr. Ulrich Schreiterer, Centrum für Hochschulentwicklung CHE; Dr. Joachim Semel, Innovations- und Technologiemanagement Degussa AG; Professor Dr. Hans Wagner, Ludwig Maximilian Universität München, Institut für Kommunikationswissenschaften; Dr. Ekkehard Winter, Stifterverband der deutschen Wirtschaft. 10 I. Prinzipien und Grundlagen für die Universität der Zukunft A. Grundlagen 1. Universitätstradition Die Weiterentwicklung der Wissenschaften durch Forschung und Lehre im Sinne des freiheitlichen, demokratischen, sozialen Rechtsstaates ist die vorrangige Aufgabe der Universität.2 Daran soll sich auch für die Universität der Zukunft nichts ändern. Und, es gibt keinen Zweifel, über die Jahrhunderte entwickelten sich in der Universität die Wissenschaften ausgehend von den septem artes liberales des Mittelalters: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Das gesamte Spektrum moderner Forschungs- und Studienfächer, die nahezu alle in den letzten 150 Jahren entstanden sind, lässt sich auf diesen Fächerkanon zurückführen. Aus der Anstalt zur Vermittlung von Allgemeinbildung wie Lesen, Schreiben, Rechnen und Latein sowie zur Ausbildung von Theologen, Juristen und Ärzten ist die wichtigste Ausbildungsinstitution der Wissensgesellschaft geworden. Mit immer neuen Erkenntnissen und neuem Wissen war und ist sie Motor und Katalysator für die Weiterentwicklung der Wissenschaften und damit auch für die Weiterentwicklung der Gesellschaft. Mit diesem ungeheuren Wachstum auf inhaltlicher Ebene und der veränderten gesellschaftlichen Bedeutung hat die Organisationsentwicklung an den Universitäten nur bedingt Schritt gehalten. 2. Zwang zur Veränderung Die Evolution der Organisation Universität ist in den letzten 900 Jahren nicht entsprechend der Fächerentwicklung vorangeschritten, da es sich die nationalstaatliche Universität in geschützten und staatlich finanzierten Lebensräumen eingerichtet hatte. Selektionsdruck, konfessioneller oder weltanschaulicher Ausprägung gab es zuweilen auf inhaltlicher Ebene, echte Konkurrenz um Ressourcen, Wissenschaftler und Studierende ist nur eingeschränkt festzustellen. Es lag also kein zwingender Grund für tiefgreifenden Wandel in der Organisation Universität vor. Heute dagegen ist die geschützte akademische Nische bedroht und sie wird in wenigen Jahren Geschichte sein. Die Staaten können oder wollen sich die uneingeschränkte Finanzierung der Universitäten immer weniger leisten. Forschungsgelder werden mehr und mehr im Wettbewerb vergeben. Es herrscht Konkurrenz zwischen Universitäten, Forschungsinstituten und Wirtschaftsunternehmen, die sich um staatliche Fördermittel für die Forschung bewerben. Wissenschaftler, insbesondere Spitzenkräfte, gehen immer öfter ins Ausland, weil sie dort attraktivere Arbeitsbedingungen vorfinden. Dies bedeutet für die 2 Vgl. § 2, Abs. 1 des Hochschulrahmengesetzes. 11 deutschen Universitäten und deutsche Gesellschaft einen empfindlichen Verlust an intellektuellem Kapital. Parallel dazu entscheiden sich immer mehr besonders motivierte und begabte Studienbewerber für ein Studium an ausländischen Universitäten, da die Studien- und Betreuungsangebote und das internationale Renommee von deutschen Universitäten offensichtlich nur z. T. auf entsprechendem Niveau geboten werden können. Die Weiterentwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft führt zu konkreteren Formulierungen des Bedarfs und der Erwartung hinsichtlich des inhaltlichen Angebots und der universitären Qualität. In der vormals geschützten soziokulturellen Nische der deutschen Universitäten wird es allmählich ungemütlich. Durch Internationalisierung, Privatisierung und Kommerzialisierung von Forschung und Lehre entsteht ein Markt für Bildung und Wissenschaft, der Durchsetzungskraft gegenüber einer weltweiten Konkurrenz erfordert. Parallel dazu findet eine Schwerpunktverschiebung von einem idealistischen Bildungskonzept, Bildung als Selbstzweck, zu einem mehr utilitaristischen Ansatz, Bildung als Zukunftsinvestition, statt. Sowohl universitäre Ausbildung als auch Forschung müssen folglich ihre Nützlichkeit, sei es materiell oder immateriell, belegen können, um die Verwendung öffentlicher und privater Gelder zu rechtfertigen. Der Umstand, dass die WTO und die Weltbank beginnen, von einem internationalen Bildungsmarkt zu sprechen und dessen erheblichen Wert zu kalkulieren, ist ein unmissverständliches Signal, die Universität der Zukunft auch unter unternehmerischen Gesichtspunkten zu gestalten. Ob diese Entwicklung nun unseren Vorstellungen von Bildung als kostenlosem Allgemeingut entspricht oder nicht, ist leider nicht mehr entscheidend. Wenn wichtige Industrienationen wie die USA, Australien und Großbritannien Bildung nicht nur als Wirtschaftsfaktor für die eigene nationale Entwicklung, sondern auch als attraktives Exportgut betrachten, dann tun die Gestalter der deutschen Bildungslandschaft gut daran, sich schleunigst einer wettbewerblichen Betrachtung der Universitätsbildung und -forschung zu öffnen. Sollte dem nicht Folge geleistet werden, degradiert das deutsche Universitätssystem in den kommenden Jahrzehnten zur regionalen Bildungsfolklore und deutsche Studierenden werden den ausländischen Konkurrenten geradezu in die Arme getrieben. Ein lange abwesender Selektionsdruck auf die Deutsche Universität hat sich in den letzten Jahren aufgebaut. Die deutschen Universitäten müssen sich den Veränderungen anpassen, wollen sie weiterhin als international aktive Institutionen ernst genommen werden. Für die Universität der Zukunft zeichnet sich der Weg der überzeugten Hinwendung zur Gesellschaft, zur Wirtschaft, zu deren Bedürfnissen und deren Know-how ab. Die Universität muss sich zukünftig in jeder Beziehung den geänderten Anforderungen stellen und öffnen. Sie muss aktiv am gesellschaftlichen Diskurs und am bereits eröffneten internationalen Wettstreit um Forschungsmittel, Wissenschaftler und Studierende teilnehmen. Die Universität der Zukunft entwickelt selbstbewusst individuelle Stärken und Eigenschaften, mit denen sie im nationalen und internationalen Wettbewerb in Forschung und Lehre bestehen kann. 12 Welche Universität braucht die Gesellschaft in Zukunft? Einerseits braucht die Gesellschaft eine Universität, deren Ausbildungs- und Bildungsangebote sich ebenso wie ihre inhaltlichen Forschungsleistungen qualitativ und quantitativ am gesellschaftlichen Gesamtbedarf orientieren. Andererseits muss die Universität in der Lage sein, in Bildungs- und Forschungsmärkten strategisch und wirtschaftlich konkurrenzfähig zu handeln. Dazu müssen die Universitäten die nötige Entscheidungsautonomie besitzen, um auf gesellschaftliche und marktwirtschaftliche Anforderungen reagieren zu können. Außerdem muss durch Steuerungsmechanismen sicher gestellt werden, dass die Gesamtheit der Universitäten den Bedarf der Gesellschaft deckt, bestimmte Wissensgebiete nicht überrepräsentiert und andere wiederum vernachlässigt. Die Bildung gänzlich Marktkräften zu überlassen, wird ebenso wenig zum gewünschten Ergebnis führen wie die derzeitige Nivellierung durch staatliche Steuerung. Wo sich schließlich die jeweilige Universität in diesem Spannungsfeld zwischen Marktmechanismen und gesellschaftlichem Bedarf, zwischen Entscheidungsautonomie und staatlicher Steuerung platziert, wird letztendlich mit der strategischen Entscheidung für ein konkretes Angebotsprofil in Forschung und Lehre festgelegt. Wie viele Wissenschaftler braucht die Gesellschaft? Die Situation in der Lehre kennzeichnet ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. In Deutschland ist das System der tertiären Bildung3 grundsätzlich überdenkenswert. Der tertiäre deutsche Bildungssektor umfasst neben den Universitäten die Gesamthochschulen, Fachhochschulen, Technischen Hochschulen, Berufsakademien, etc. Die auf dieser Ebene vermittelte Bildung soll entweder den Zugang zur Weiterqualifizierung in der Forschung eröffnen, wie beispielsweise die Promotion, oder eine Berufsausbildung auf hohem Qualifikationsniveau vermitteln. Gegenwärtig tragen die Universitäten die Hauptlast der tertiären Ausbildung. Knapp vier Fünftel der Studierenden sind an Universitäten eingeschrieben, ein Fünftel an Fachhochschulen. Die Aufgabenteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen sieht heute vor, dass die Fachhochschulen praxisnah und wirtschaftsorientiert ausbilden, wohingegen die Universitäten eine theorieorientierte wissenschaftliche Ausbildung anbieten. Dies bedeutet, dass derzeit bei vier Fünftel der angebotenen Studienplätze das übergeordnete Ausbildungsziel die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten ist. 3 Nach der OECD und im internationalen Kontext ist der tertiäre Bildungsbereich „weitgehend theoretisch orientiert und soll hinreichende Qualifikationen für den Zugang zu höheren forschungsorientierten Bildungsgängen und Berufen mit hohem Qualifikationsniveau, wie Medizin, Zahnmedizin oder Architektur vermitteln. Die theoretische Gesamtdauer eines tertiären Studienganges beträgt mindestens drei Jahre, normalerweise dauern sie jedoch vier Jahre oder länger.“ OECDZentrum für Forschung und Innovation im Bildungswesen (Hg., 2000). 13 Gesamt Anzahl Institutionen Studierende Anteil in % Fachhochschulen/ Verwaltungshochschulen Universitäten 358 1.799.300 100 % 170 1.341.100 81 % 188 458.200 19 % Abb. 1: Verteilung Studierender auf Universitäten und Fachhochschulen im Jahr 2001 Wird untersucht, welche Tätigkeiten die Studierenden nach ihrer Ausbildung an Fachhochschulen bzw. Universitäten aufnehmen, so kommt folgendes Ergebnis zustande: Der überwiegende Teil der Absolventen ist im Erwerbsleben nicht wissenschaftlich oder in der Forschung tätig. Die folgende Tabelle illustriert dies beispielhaft. Sie zeigt wie viele Absolventen eines Jahrgangs, befragt zwei Jahre nach ihrem Abschluss, eine Forschungstätigkeit ausüben. Aus den Angaben der Absolventen ergibt sich, dass für mindestens 80 % der Studierenden das Studium die Vorbereitung auf praktische Tätigkeiten in der Wirtschaft und im Staatsdienst ist und sich weniger als 20 % nach dem Erststudium wissenschaftlichen Aufgaben zuwenden. Gesamt Absolventen Nach Abschluss in der Forschung Tätige *) Forschungstätigkeit in % Universitäten 185.197 35.190 127.279 31.820 Fachhochschulen (ohne Verwaltungs-FHs) 57.918 3.480 19 % 25 % 6% *) Dies umfasst alle Absolventen, die zum Befragungszeitpunkt promovieren oder als Aufgabenfeld ihrer letzten Berufstätigkeit "Forschung und Entwicklung" angeben bzw. wiss. MA oder Hilfskraft an Hochschulen, Tätigkeiten in der Hochschulforschung oder an anderen Forschungseinrichtungen. Dies schließt auch alle Promovierenden ein, die mit Abschluss der Promotion ihre Forschungstätigkeit beenden. Abb. 2: Anzahl von Absolventen, die nach dem Studium eine Tätigkeit in der Forschung aufnehmen; Hochschulabschluss 96/97, Befragung 98/99 Im tertiären Bildungssystem Deutschlands entspricht das Angebot also nicht dem Bedarf. Angeboten werden überwiegend wissenschaftlich ausgerichtete Studienplätze. Gebraucht werden überwiegend Studienplätze, die auf eine nicht-wissenschaftliche Berufstätigkeit vorbereiten. Die Gründe, warum dem so ist, sollen in der Studie nicht näher erläutert werden, da sie nicht Teil des Untersuchungsgegenstandes sind. Für die Zukunft muss das tertiäre System den einzelnen Institutionen jedoch so viel Spielraum lassen, dass diese ihre Studienangebote bedarfs- oder marktorientiert gestalten können. Dies setzt Entscheidungsautonomie der Hochschulen in den Fragen nach Inhalten, Ressourcenverwendung und Kapazitäten voraus. Nach Anpassungsund Lernprozessen des Systems wird das Resultat ein Angebot sein, das sich passgenauer als heute an den Bedürfnissen der Gesellschaft ausrichtet. 14 Wettbewerbsfähigkeit der Forschung In der Forschung wird das Verhalten der Universitäten der Zukunft von zwei Faktoren beeinflusst werden: Zum einen vom eher kurzfristigen und technologieorientierten Bedarf der Wirtschaft als auch dem eher langfristigen und wissensorientierten der Gesellschaft, zum anderen von der Konkurrenzfähigkeit in der Landschaft der Forschungsanbieter. Auf den Bedarf hat die Universität der Zukunft keinen direkten Einfluss. Dennoch muss sie Prozesse und Verfahren entwickeln, die ihr helfen, ihre Forschungsstrategien angemessen am gegenwärtigen Bedarf auszurichten und zukünftige Anforderungen möglichst zuverlässig vorherzusagen. Ihre Konkurrenzfähigkeit muss die Universität der Zukunft selbst sicherstellen. Um die jenseits der Grundfinanzierung zur Verfügung stehenden Forschungsmittel findet schon heute ein Wettbewerb universitärer und anderer Forschungseinrichtungen sowie mit Wirtschaftsunternehmen statt. Derzeit haben die Universitäten hier eher schlechte Karten. Laut Bundesforschungsbericht vom Jahr 2000 hat sich der Anteil der Universitäten an der gesamten Forschungsförderung des Bundes in den letzten 11 Jahren zwar vergrößert, allerdings auf sehr niedrigem Niveau. 1989 hatten die Hochschulen einen Anteil von 2,7 %, die außeruniversitären Einrichtungen von 35,6 %. Bis zum Jahr 2000 verschoben sich die Anteile auf 44,8 % der außeruniversitären Einrichtungen zu 4,6 % der Hochschulen. Mehr als die Hälfte der Fördermittel gehen an Unternehmen. In Bayern wurden beispielsweise zwischen 1991 und 1999 die Budgets für die Wissenschaft an Hochschulen um 35,3 % erhöht, während im gleichen Zeitraum die Grundmittel für Wissenschaft und Forschung außerhalb der Universitäten um 80 % stiegen4. In Zeiten gesicherter Grundfinanzierung durch den Staat war es nicht notwendig, sich im Wettbewerb um Forschungsmittel zu bemühen. Dies kann sich die Universität der Zukunft nicht leisten. Ein Großteil der universitären Forschung, die durch die staatliche Grundfinanzierung getragen wird, ist stark zersplittert. Jede Universität deckt ein breites Spektrum an Forschungsrichtungen und -themen ab. Häufig arbeiten sehr kleine Wissenschaftlergruppen oder gar einzelne Forscher an diesen Themen. Eine staatliche Kontrolle der Effektivität der Ressourceneinsätze fand nicht oder nur unzureichend statt. Ressourcenschonung wurde nicht belohnt. Um im Rahmen einer Gesamtforschungsstrategie ein überzeugendes Potenzial aufbauen zu können und um gegenüber der außeruniversitären Konkurrenz bestehen zu können, wären normalerweise Forschungsteams mit einer gewissen Mindestgröße wünschenswert. Statt kleine Gruppen mit überproportional teurer oder unzureichender Ausstattung an einer Vielzahl von Themen arbeiten zu lassen, sollten die Universitäten einen Konzentrationsprozess einleiten. Statt in allen Universitäten ein möglichst breites Fächerspektrum anzubieten, sollten sich die einzelnen Institutionen auf eine kleinere Anzahl von Fächer und Themen konzentrieren. Von einem derartigen Prozess würden letztendlich auch die sogenannten kleinen Fächer profitieren. Dann gäbe es beispielsweise in Deutschland nicht mehr elf Universitäten, die das Fach Ägyptologie anböten, sondern nur noch zwei oder drei schlagkräftige wissenschaftliche Institute. In 4 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (2001). 15 diesen Einrichtungen könnten sich relevante Forschungszentren mit großer Strahlkraft für dieses Fach herausbilden. Mit gebündelten Ressourcen könnten die wissenschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert werden. So würde z. B. die Ausbildung der Studierenden in diesem Fach vielseitiger und kostengünstiger werden. Ziel dieses Aufrufs zu Konzentrationsprozessen in der universitären Ausbildung und Forschung ist keineswegs, die kleinen Fächer aussterben zu lassen oder wissenschaftliche Fächer ohne Relevanz für direkten wirtschaftlichen Nutzen zurückzudrängen. Die Gesellschaft braucht Ägyptologen ebenso wie Ingenieure. Was die Gesellschaft nicht braucht, ist eine flächendeckende Versorgung mit Studienplätzen für Ägyptologen, ebenso wenig wie zersplitterte Kleinstforschungseinheiten. Gerade diese leiden als erste unter Mittelkürzungen und Personaleinsparungen. Die einzigartigen Möglichkeiten der Hochschulforschung, nämlich transdisziplinäre Kooperationsmöglichkeiten und Unabhängigkeit bedingt durch öffentliche Finanzierung, werden von den Trägern der Universitätsforschung immer weniger gefördert. Hinzu kommt die Gründung einer großen Zahl neuer außeruniversitärer Forschungsinstitute5. Die Gründungsentscheidungen werden häufig auf der Grundlage politischer Prioritäten und Strategien gefällt. Die Themenbereiche dieser kostspieligen Investitionen liegen überwiegend im Bereich der sogenannten Hochtechnologien, von denen sich der Staat direkte Impulse für die Wirtschaft erwartet, und die in der Öffentlichkeit als Zukunftsinvestition präsentiert werden. Viele Bereiche, in denen die Universitäten forschen, insbesondere in den Sozial- und Geisteswissenschaften, bleiben unberücksichtigt. 3. Anpassungsprozesse Welche Anforderungen ergeben sich aus der Situation in Lehre und Forschung für die Universität der Zukunft? Sowohl die Universitätsaufgabe Bildung als auch die Aufgabe Wissenschaft müssen neu angegangen werden. In der Bildung muss sich das ganze Universitätssystem stärker auf den unterschiedlichen Bedarf der Studierenden, Scientific Community und Arbeitgeber in Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung, Gesundheitswesen und dergleichen einstellen. Das bedeutet, jede Universität muss für sich herausarbeiten, welche Art von Studiengängen und wie viele Studienplätze sie anbieten will, um ausgehend von ihrem Potenzial die Erwartungen und den Wissensbedarf der Gesellschaft befriedigen zu können. Die Universität der Zukunft wird ein stark differenziertes, eventuell modular aufgebautes Studienangebot mit Erststudiengängen, Aufbaustudiengängen und Weiterbildungsprogrammen anbieten, das den Bildungsbedürfnissen verschiedener Zielgruppen unter den Studierenden zu verschiedenen Zeitpunkten ihrer beruflichen Entwicklung entgegenkommt. In Zukunft wird nicht jede Universität das volle Angebot an allen möglichen Studien- und Ausbildungsgängen anbieten, sondern die einzelnen 5 Beispielsweise wurde am 11.07.1995 die Stiftung caesar (center for advanced european studies and research) mit einem Stiftungskapital von 375 Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln ins Leben gerufen. 16 Institutionen werden sich im Rahmen ihrer inhaltlichen Strategie für ausgewählte Zielgruppen und die nachgefragte Auswahl an Bildungsangeboten entscheiden6. Die Universität der Zukunft muss den Anspruch aufgeben, in allen Lehrfächern Forschungsleistungen zu erbringen. Stattdessen sollte sich jede Universität auf ihre wissenschaftlichen Spitzenthemen konzentrieren. Damit kann sie Ressourcen zielgerichtet einsetzen und Forschergruppen in wettbewerbsfähiger Größe aufbauen. Außerdem führt dieser Konzentrationsprozess zu einer Struktur, die weniger von individuellen Interessen einzelner Gelehrter geprägt ist, sondern mehr von strategischer Steuerung der Forschungsaktivitäten. Wie schon weiter oben betont, bedeutet dies nicht, dass eine Konzentration auf für die Wirtschaft interessante Fächer empfohlen wird, sondern eine Konzentration auf wissenschaftliche Stärken und eine Professionalisierung der Organisation. Die Beschränkung auf vorhandene Stärken und deren Ausbau wird innerhalb der Institutionen zu Lasten wissenschaftlich weniger erfolgreicher Fächer gehen. Der damit verbundene Abbau von Forschungs- und Lehrkapazitäten und der eventuelle Verlust von angebotenen Studiengängen sind der Preis, den diese inhaltliche Konzentration kosten wird. Bezogen auf das gesamte tertiäre Bildungssystem wird sicher eine Verschiebung innerhalb des Angebots stattfinden. Unter Umständen wird das Gesamtangebot an Studienplätzen in einigen Fächern zurückgehen. Auch in einem System mit funktionierenden Marktmechanismen wird der Staat die Verantwortung für Steuerungsaufgaben behalten und dafür sorgen müssen, dass durch kurzfristige Marktorientierung nicht langfristige Ziele und intellektuelle Errungenschaften gefährdet werden. 4. Erfolgreiche Hochschulmodelle Anregungen und Beispiele sind in Großbritannien, den Niederlanden, der Schweiz und nicht zuletzt in den USA zu finden. In der derzeitigen Debatte werden den deutschen Universitäten gerne die international renommierten Spitzeninstitutionen der USA zur Nachahmung empfohlen. Für die vorliegende Studie wurde eine große Zahl amerikanischer Universitäten besucht, Interviews geführt und Veröffentlichungen zu amerikanischen Universitäten analysiert. Dabei sind die Autoren zu folgenden Erkenntnissen gekommen: Erfolgreiche amerikanische Universitäten werden viel professioneller verwaltet und geleitet als deutsche. Die Verteilung von Aufgaben und Verantwortungen auf die Mitglieder der Universitätsleitung ist wesentlich unternehmensähnlicher, leistungs- und ergebnisorientierter als in Deutschland. Was die Form der Organisation anbelangt und das Selbstverständnis der Mitglieder der Universität, so sind die Unterschiede auf den zweiten Blick nicht besonders groß. Elitäres Selbstverständnis, Wissenschaftler, die größtmögliche individuelle Freiheit in 6 Heute ist es so, dass die Universität Köln mit ca. 60.000 Studierenden 127 Studiengänge anbietet, die Universität Regensburg mit ca. 15.000 Studierenden 105 Studiengänge und die Universität Bamberg mit ca.7000 Studierenden 118 Studiengänge. Offensichtlich ist die Anzahl der angebotenen Studiengänge unabhängig von der Größe der Institution, da das Ziel ein breites Angebot ist. Spezialisierte Hochschulen wie TU und PH sowie relativ neu gegründete Universitäten weisen teilweise ein prägnanteres inhaltliches Profil auf. 17 Anspruch nehmen, all dies prägt auch amerikanische Universitäten. Was in den USA allerdings grundsätzlich anders ist, sind die Rahmenbedingungen, unter denen vor allem die führenden Universitäten operieren. Mit der Notwendigkeit, einen wesentlichen Anteil der benötigten und gewünschten Mittel selbst einzuwerben, mit einer ausgeprägten Konkurrenz um gute Studierende und gutes wissenschaftliches Personal, um Spendengelder und Forschungsmittel, herrscht ein ausgeprägter Wettbewerb zwischen den Universitäten, insbesondere zwischen den Institutionen, die weltweit zur Top-Liga gezählt werden. Gleichzeitig verursacht dieser Wettbewerb auch hohe Kosten: Die Top-Universitäten konkurrieren mit einem ungeheuren Werbeaufwand um die besten HighschoolAbgänger7 in den USA, nicht weil durchschnittliche Bewerber das Niveau ernsthaft senken würden, sondern weil die Aussage „Bei uns finden sie nur die besten fünf Prozent“ ein Marketing-Argument für den Wert des Universitätsabschlusses ist. Durch finanziell attraktive Angebote werben sich die Universitäten ihre Forschungsstars gegenseitig ab. Diese Stars sind ebenfalls wichtig für die Vermarktung und das Image der Institutionen. Auch wenn Wettbewerb grundsätzlich gut für das Qualitätsniveau und das Preis-Leistungs-Verhältnis in einem Markt ist, so profitiert von diesen Anstrengungen und Ausgaben das Bildungssystem der USA nicht mehr. Es zeichnet sich ab, dass die einzelnen amerikanischen Top-Universitäten aufpassen müssen, sich durch den Wettbewerb an der Spitze nicht zu ruinieren. Die Robustheit, das nötige Selbstbewusstsein, der Geschäftssinn und die Managementfähigkeiten, sich im harten Wettbewerb um die besten Studierenden und die Spitzenplätze in der Forschung zu behaupten, sind die wesentlichen Unterschiede zwischen amerikanischen Top-Universitäten und deutschen Institutionen. Daraus werden drei Schlussfolgerungen abgeleitet: • Es ist nicht möglich, amerikanische Lösungen unangepasst auf die Situation der deutschen Universitäten zu übertragen. • Eine radikale Änderung der Rahmenbedingungen wird mittelfristig auch zu anderen Universitäten führen. • Der harte Konkurrenzkampf, in dem sich die amerikanischen Spitzenuniversitäten befinden, ist für das Gesamtsystem zuweilen kontraproduktiv. Er bringt neben der Qualitätssteigerung auch Identitätsverluste und Ökonomisierung mit sich. Neben amerikanischen Modellen wurden insbesondere das englische Universitätssystem und die Universitäten der Niederlande untersucht. England verfügt über ein System staatlicher Hochschulen, die Studiengebühren erheben und ist deswegen den deutschen Verhältnissen näher als eine amerikanische Privatuniversität. Außerdem gehört England mit zu den größten Exporteuren von Bildungsstandards und –angeboten. England vermarktet also seinen tertiären Bildungsbereich bereits international erfolgreich. Die Organisation der Universitäten ist nicht wesentlich anders als in Deutschland. Gründlich unterscheiden sich das englische und das deutsche Hochschulsystem in den Steuerungsmodalitäten durch den Staat. 7 Die besten High-School Abgänger nehmen einen Anteil von fünf Prozent der Absolventen ein. 18 Die Niederlande haben im letzten Jahrzehnt eine grundlegende Hochschulreform durchlaufen. An ihren Universitäten kann man analysieren, wie sich eine grundsätzliche Reform auswirken kann, welche Probleme damit verbunden sind und welches Entwicklungspotenzial in den Universitäten steckt. Mit der Organisation in der Universität haben einige niederländische Universitäten am mutigsten experimentiert Eine international sehr erfolgreiche Universität ist die ETH Zürich. Von den kantonalen Universitäten der Schweiz unterscheidet sie sich dadurch, dass sie mit Bundesmitteln finanziert wird und ihr die Eidgenossenschaft bereits in die Gründungsurkunde den staatlichen Auftrag zur Exzellenz in der Forschung und Ausbildung einer intellektuellen Elite geschrieben hat. Eine Besonderheit der ETH ist, dass sie einem institutionalisierten, von der Regierung eingesetzten Aufsichtsgremium, dem ETH-Rat, berichtet, der neben der ETH Zürich auch als Aufsichtsgremium für die ETH Lausanne und einige weitere schweizerische Forschungsinstitute arbeitet. Die Aufgaben des ETH-Rates sind Aufsicht und Kontrolle über die Qualität und Leistung der ETH. Außerdem obliegen ihm Steuerungsfunktionen, die Ausbildungskapazitäten, strategische Ausrichtung und Investitionen betreffend. B. Prinzipien der Universität der Zukunft Die große Bedeutung, die der tertiäre Bildungsbereich für die Wirtschaft, den Staat und die Bürger hat, wird in der Zukunft noch zunehmen. Diese Bedeutung ist zuweilen in Zahlen erfassbar, oft jedoch immaterieller, ideeller oder indirekter Natur. Daher müssen einer Universität der Zukunft Grundsätze oder Prinzipien mitgegeben werden, die dahin wirken, dass die Universität ihrer Bedeutung für das Gemeinwesen gerecht werden kann. Die Prinzipien und Ziele der Universität sollen zum einen ein grundsätzliches Fundament oder Wertesystem umschreiben, auf dem sämtliches Handeln der Universität beruht und den universitären Charakter wesentlich bestimmt. Dies umfasst allgemeine ethische Prinzipien wie die Meinungsfreiheit, die auch andernorts gelten, aber in der Universität von besonderer Bedeutung sind. Dazu kommt das Berufsethos oder die besondere gesellschaftliche Verantwortung des Wissenschaftlers bzw. allgemein der Wissenseliten. Dies muss im Selbstverständnis der Universität, im Handeln ihrer Mitglieder und vor allem in der Ausbildung der jungen Wissenschaftler immer erkennbar sein. Diese Prinzipien drücken sich aus in einem Leitmotiv, dem Mission Statement oder in einer Selbstverpflichtung auf bestimmte Prinzipien. Diese bilden dann das Herz der Identität einer Universität, der Corporate Identity. Ein definiertes Ziel und eine explizite Strategie, sind die Koordinaten, die das Handeln der Universität der Zukunft bestimmen. Mit der Definition eines Zieles und der Formulierung einer Strategie liefert die Universität der Zukunft ihre individuelle Interpretation des übergeordneten gesellschaftlichen Auftrages aller Universitäten. Sie legt fest, welchen Teil dieser allgemeinen Aufgabe sie verantworten wird. Diese Festlegung von Ziel und Strategie ist für alle Universitäten gleichermaßen wichtig, denn ihr inhaltliches Handeln wird sich davon ableiten. Dazu sagt Dr. Bieri, Vizepräsident des ETH-Rates: „Ohne eine formalisierte strategische Planung können wir weder den internen Konsens noch eine wirksame Kommunikation nach außen 19 sicherstellen. Wer keine Ziele hat, dem werden sie aufgezwungen.“8 Dieses Zitat betont die wichtige Rolle der selbstgewählten Strategie: • • • Eigene strategische Ziele stärken gegenüber einer Einflussnahme von außen. Eigene strategische Ziele sind die Grundlage für geschlossenes Handeln der Organisation. Eigene strategische Ziele sind der Ausgangspunkt für eine wirksame und überzeugende Selbstdarstellung nach außen. Des weiteren muss es natürlich auch praktische Regeln geben, nach denen die Universität der Zukunft ihre Aufgaben erfüllt. Mit diesen Prinzipien und Regeln beschäftigt sich die vorliegende Studie vorrangig. Drei Grundsätze sollen der Universität der Zukunft mit auf den Weg gegeben werden: ein Handlungsprinzip, ein ökonomisches Prinzip und ein Organisationsprinzip, die im Folgenden erläutert werden. 1. Handlungsprinzip Die Universität der Zukunft wird vom Handlungsprinzip der verantworteten Selbstständigkeit geleitet. Die Universität soll das Recht und die Verantwortung haben, selbst zu entscheiden, was sie wie und wozu tut und welche Gelder sie wofür ausgibt. Sie soll eine autonome Organisation sein, die im Rahmen von Zielvorgaben strategisch und operativ entscheidet. Als Gegengewicht zu diesem hohen Freiheitsgrad wirkt die Pflicht der Universität, repräsentiert durch ihre Leitung, sich für alle Entscheidungen regelmäßig vor einem Gremium, das eine ähnliche Funktion wie ein Aufsichtsrat hat, dem Universitätsrat, zu verantworten. Dieser Universitätsrat soll aus Vertretern der universitären Stakeholder bestehen. Mit diesem Begriff werden gesellschaftliche Gruppen beschrieben, die ein berechtigtes und ernstzunehmendes Interesse an den Leistungen der Universität haben, aber keinen Eigentumsanspruch erheben. So hat auch der Staat keine Eigentumsrechte an der Institution Universität, obwohl er sie zu wesentlichen Teilen finanziert. Deswegen ist in diesem Fall nicht von shareholdern im Sinne von Anteilseignern auszugehen, sondern von Stakeholdern. Bei unverantwortlichem Handeln oder unzureichender Leistung werden die Funktionsträger der Universität der Zukunft von Sanktionen bis hin zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedroht sein. Um das Prinzip der verantworteten Selbstständigkeit realisieren zu können, bedarf es zweier Voraussetzungen: 8 • Erste, ideelle Voraussetzung ist ein Bewusstsein der Organisation Universität über ihre Aufgaben, welchen Werten sie verpflichtet ist, welches ihre Handlungsmöglichkeiten sind und welche Ziele sie verfolgt. Nur mit diesem Selbstverständnis kann die Universität der Zukunft die Verantwortung für selbstständiges Handeln übernehmen. • Die zweite, praktische Voraussetzung ist die entsprechende Ermächtigung der Verantwortungs- und Entscheidungsträger in der Universität. Sie müssen das Bieri, S. (2001). 20 Recht und die Möglichkeit haben, selbstständig und im Einklang mit den Zielen der Organisation Entscheidungen zu treffen, die sie vor dem Universitätsrat verantworten werden. Die weitgehende Handlungsautonomie in den wesentlichen Fragen ist eng an die Verpflichtung der Universitätsleitung geknüpft, das gesamte Handeln, inhaltlich wie ökonomisch, vor den Stakeholdern rechtfertigen zu müssen. Die verantwortete Selbstständigkeit als Prinzip muss die Universität von oben nach unten durchdringen. Sie kann nicht von oben verordnet werden, sondern muss in den Organisationseinheiten gelebt werden. Auf keinen Fall soll in der Universität der Zukunft allein der Staat bestimmen, wie die Organisation gestaltet ist und in welcher Form sie ihren Auftrag wahrnimmt. Ebenso wenig trifft der Staat die Entscheidung über die Besetzung der Universitätsleitung, die Auswahl der Professoren und der Mitarbeiter. Die Einsetzung der Universitätsleitung erfolgt durch den Universitätsrat, in dem sich die Stakeholder zusammenfinden. Im diesem Universitätsrat ist auch der Staat als einer der Stakeholder repräsentiert. Was die Rechtsform der Universität der Zukunft anbelangt, wird diese hauptsächlich davon abhängen, wer Träger oder Hauptfinanzier ist. Es gibt mehrere Gutachten zur Frage möglicher Rechtsformen von Universitäten auf Basis der heutigen Gesetzeslage. Hier sei beispielsweise auf das Gutachten über Zulässigkeit, Grenzen und Folgen der Hochschulprivatisierung von Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen aus dem Jahr 2000 hingewiesen. Professor Erichsen, ehemaliger Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, kommt zu der Schlussfolgerung, dass insbesondere die AG, GmbH, Stiftung und der eingetragene Verein schon heute mögliche Rechtsformen für die Universität darstellen. 2. Ökonomisches Prinzip Die Universität muss analysieren und festlegen, wie Erfolg in ihrem speziellen Fall zu definieren ist. Wenn Universitäten auch keine Wirtschaftsunternehmen sind, so können sie doch durchaus als Unternehmungen betrachtet werden. Die Universität als Dienstleistungsbetrieb zu interpretieren, ist ein Ansatz, der bei Reformvorschlägen immer wieder auftaucht. Die einzelnen Bereiche, Mitglieder oder Mitarbeiter tragen jeder für sich und alle gemeinsam zur Leistungserstellung bei, egal ob es sich um einen erfolgreich vermittelten Studiengang oder ein international relevantes Forschungsergebnis handelt. Dies bedeutet, dass die Arbeit von Universitäten und Unternehmen in ähnlichen Prozessen abläuft. Daher ist es für die Universität sinnvoll, von Wirtschaftsunternehmen zu lernen. In ihnen findet die Universität Vorbilder und bestpractises für die verschiedensten Geschäftsprozesse wie Personalwesen, Kostenrechnung, Effizienzprinzipien, Preisgestaltung, Grundlagen für Make-or-buyEntscheidungen, Kundenorientierung, Dienstleistungsverständnis, Qualitätsmanagement, Planungsprozesse, Konkurrenzbeobachtung, Marketing und dergleichen mehr. 21 Die Universität der Zukunft darf jedoch nicht ökonomisiert werden. Sie muss als Institution keine Gewinne erwirtschaften, insbesondere wenn sie wesentliche Anteile ihrer Mittel aus staatlichen Quellen erhält. Allerdings muss sie in ihrem gesamten geschäftlichen Handeln unternehmerischen Prinzipien folgen und auch in Teilbereichen oder einzelnen Organisationseinheiten erfolgsorientiert arbeiten. Auf jeden Fall muss sie für Transparenz in ihren Finanzen und für ein Rechnungswesen sorgen, das ihr erlaubt, eine wettbewerbsfähige Marktstrategie für ihre Produkte zu entwickeln. Für eine sinnvolle und strategiegerechte Planung und Verteilung von Ressourcen muss bekannt sein, wo welche Mittel verbraucht werden. Die Kosten für die Lehre und Forschungsaktivitäten sowie den Aufwand für Verwaltung und andere interne Dienstleistungen müssen in einer Kosten- und Leistungsrechnung abgebildet werden. Als Ergebnis der Untersuchungen von Universitäten verschiedener Länder ist im Folgenden eine Liste von möglichen Einnahmequellen zusammengestellt, die einer Universität offen stehen. Im Kapitel Finanzen des Anhangs findet sich eine ausführliche Darstellung der Realisierungsmöglichkeiten einzelner Einnahmearten und Überlegungen zu deren Rentabilität. Die anschließende Aufzählung stellt lediglich eine kurze Zusammenfassung dar: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) Studiengebühren für die Erstausbildung Auftragsausbildung wissenschaftliche Weiterbildung Beratung, Erstellung von Gutachten öffentlich geförderte Forschung Auftragsforschung Vermietung von Anlagen und Räumen sonstige wissenschaftliche Dienstleistungen wie Spezialmessungen, Spezialanalytik Lizenzierung Unternehmensbeteiligungen, insbesondere bei Spin-offs Fundraising: Capital Campaign, Annual Giving Vermögenserträge Handelsaktivitäten wie Merchandising und Gastronomie Betrieb von Tagungsstätten wie Hotellerie und Gastronomie Die Universität der Zukunft muss sich entscheiden, welche dieser Einnahmequellen für ihre spezielle Situation sinnvoll und mit ihren Aufgaben verträglich sind. Die Universität muss klären, welche Deckungsbeiträge sie erzielen kann und wo sich der akademische Betrieb und das Erzielen von zusätzlichen Einnahmen sinnvoll verknüpfen lassen. Auch der Standort einer Universität fließt in Überlegungen dieser Art mit ein. Befindet sich die Universität in einem strukturschwachen Gebiet, wirtschaftlichen Ballungsraum oder an einem touristisch attraktivem Standort? Gibt es ausbaufähige Beziehungen zur Wirtschaft? Macht das Fächerspektrum Einnahmen aus Lizenzierungen wahrscheinlich? Diese und weitere Fragen werden beeinflussen, für welche unternehmerischen Tätigkeiten sich die Universität entscheidet. Die Universität muss analysieren, wie sich der Ausbau von verschiedenen Einnahmequellen auf die Organisation auswirkt. Welche Voraussetzungen muss eine 22 Universität erfüllen, die erfolgreich Fundraising betreiben will? Was ist die Auswirkung auf das Forschungsprogramm der Universität, wenn sie auf Auftragsforschung als Einnahmequelle setzt? Was bedeutet es, wenn die Universität sich zum Ziel setzt, verstärkt wissenschaftliche Dienstleistungen zu erbringen? Hat die Universität diese Fragen beantwortet, kann sie entscheiden, welche der Einnahmemöglichkeiten mit ihrer Strategie vereinbar sind, welchen Nutzen oder auch Gefahren diese unternehmerischen Aktivitäten mit sich bringen und wie hoch der immaterielle Zusatznutzen wie Image, Kontakte, Publizität für die Universität sein wird. Darüber hinaus gilt es noch zu klären, welche Investitionen die Universität tätigen muss, um derartige Aktivitäten zu starten und zu welchem Zeitpunkt mit ersten Rückflüssen zu rechnen ist. Es besteht die Gefahr, dass in der Universität ein Konflikt zwischen dem ökonomischen Prinzip auf der einen und dem Handlungsprinzip der verantworteten Selbstständigkeit auf der andern Seite entsteht. Lässt sich die Universitätsleitung stark vom ökonomischen Prinzip leiten, so werden u. U. wirtschaftlich kalkulierbare Aktivitäten bevorzugt und wissenschaftliche Bereiche der Universität vernachlässigt. Die Universitätsleitung hat die große Verantwortung, ein Gleichgewicht zwischen den Prinzipien herzustellen. Der Anreiz zur Erforschung wissenschaftlicher Fragen darf nicht ausschließlich von der erwarteten ökonomischen Verwertbarkeit der Ergebnisse abhängen. Auch immaterieller, abstrakter oder indirekter Nutzen durch Erkenntnisgewinn muss ebenso bei der Entscheidung für Forschungsthemen und Ausbildungsinhalte in Betracht gezogen werden. Der Umgang mit der Ressource Wissen ist in der Universität von grundsätzlicher Bedeutung, die jede Universität individuell im Rahmen ihrer Strategie klären muss. Wissen vermehrt und vergrößert sich durch Teilen. Infolgedessen ist Wissen das Gegenteil eines Gutes, das durch Benutzung oder Verwendung aufgezehrt wird. Deswegen hat die Universität und jedes Mitglied die Verpflichtung, das vorhandene Wissen mit anderen auszutauschen und zu teilen. Dieser Austausch wird durch die Lehre, durch Veröffentlichungen, Veranstaltungen für Wissenschaftler und die interessierte Öffentlichkeit sowie Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen gewährleistet. Wissen generiert so einen monetär nicht exakt bestimmbaren Ertrag, der für die intellektuelle Organisation Universität von grundlegender Bedeutung ist. Diese Eigenschaften des Gutes Wissen können jedoch auch zu Konflikten führen, wenn die Universität versucht, in Kooperationen mit der Wirtschaft aufgrund ihres Wissens konkrete monetäre Erträge zu erzielen. Dies erfordert meist Geheimhaltung und gezielte Weitergabe von Informationen an einen exklusiven Empfängerkreis, beispielsweise Kunden. In diesem Fall wird das Wissen zumindest für einige Zeit der Gemeinschaft der Wissenschaftler vorenthalten und nicht in den wissenschaftlichen Diskurs eingespeist. Aktivitäten, die darauf abzielen, aus Wissen materielle Erträge zu erzielen, können demnach u. U. immaterielle Erträge von Wissen verringern. Ein viel diskutiertes Beispiel für eine solche Konfliktsituation ist die Vereinbarung des Department für Pflanzen und Mikrobiologie der University of California Berkeley mit dem Novartiskonzern. Die Abteilung erhält über fünf Jahre insgesamt 25 Millionen Dollar Forschungsgelder von Novartis. Im Gegenzug verlangte der Konzern wesentliche Mitspracherechte, welche Forschungsprojekte gefördert werden sollten. Da die Novartis-Gelder ca. ein Drittel des Gesamtetats des Departments ausmachen, 23 wird einem privatwirtschaftlichen Konzern hier umfangreiche Einflussnahme auf die Forschungsstrategie eines großen Departments eingeräumt. Außerdem hat Novartis das Recht, Veröffentlichungen von Wissenschaftlern aus dem gesamten Department 30 Tage vor deren Veröffentlichung einzusehen und die Veröffentlichung gegebenenfalls um weitere 60 Tage zu verschieben. Der Konzern kann die Universität bitten, auf bestimmte Entdeckungen Patente anzumelden und besitzt somit das Vorkaufsrecht für die Lizenz. Der wissenschaftliche Vorteil für das beteiligte Department ist, dass die Wissenschaftler Zugang zu nicht-öffentlichen Daten und Informationen von Novartis erhalten. Diese Einschränkung des wissenschaftlichen Austausches führt in den Augen betroffener Forscher zu einem Klima des Misstrauens und der Geheimnistuerei, das einem produktiven wissenschaftlichen Dialog in jeder Weise abträglich ist. Einerseits ist die UC Berkeley auf Forschungsgelder aus der Industrie angewiesen, um als arme staatliche Universität mit den reichen privaten Konkurrenten Stanford, Harvard, Columbia und anderen in der Spitzenforschung mithalten zu können. Andererseits können Verträge wie mit Novartis dahin führen, dass die nötige wissenschaftliche Integrität und Offenheit vernachlässigt wird, die weltweit unabdingbar für eine Spitzenposition in der Forschung ist. Deshalb sollte, auch zur Minimierung der oben beschriebenen Konflikte, grundsätzlich eine organisatorische Trennung des universitären Kerngeschäftes, der Lehre und Forschung, von anderen, unternehmerischen Aktivitäten stattfinden. Diese sollten grundsätzlich in eine privatrechtliche Gesellschaft, möglichst mit Haftungsbeschränkung, ausgelagert werden9. Eine solche Gesellschaft kann als Wirtschaftsunternehmen investieren, Risiken übernehmen und unternehmerisch handeln. Sie kann sich dezidiert am Gewinn orientieren und in Konkurrenz zu anderen Unternehmen auf dem Markt agieren. Die Gewinne, die unter Nutzung von Ressourcen oder des Namens der Universität erzielt werden, sind wieder in die Universität zu investieren. In der Gesamtansicht der Universität ist die Universitäts GmbH stets nur Mittel zum Zweck. Beispiele für die Ausgliederung wirtschaftlicher Aktivitäten sind z. B. die UvA Holding BV der Universität von Amsterdam oder die TUM-Tech GmbH der TU München10. 9 Im folgenden Text wird eine Gesellschaft dieser Art der Einfachheit halber als Universitäts GmbH bezeichnet. Dies bedeutet nicht, dass andere Gesellschaftsformen nicht auch denkbar sind. 10 Eine Beschreibung dieser Organisationen findet sich auf den Webseiten www.uvaholding.nl bzw. www.tumtech.de. 24 3. Organisationsprinzip Das Organisationsprinzip wird eine zentrale Steuerung, dezentrale inhaltliche Verantwortung, organisatorisch getrennte Strukturen für Forschung und Lehre sowie die organisatorische Ausgliederung aller kommerzieller Aktivitäten mit sich bringen. Vor der Vorstellung des neu entwickelten Organisationsmodells wird auf die derzeitigen best-practice Organisationsmodelle von Universitäten eingegangen. Das erste ist das amerikanische, das derzeit weltweit als das erfolgreichste Organisationsmodell für Universitäten betrachtet wird, nicht zuletzt deshalb, weil amerikanische Institutionen das Feld der weltweit anerkannten Spitzeninstitutionen dominieren. Wie oben schon ausgeführt, ist die Überlegenheit der amerikanischen Spitzenuniversitäten nicht das Ergebnis ihrer Organisationsstruktur, sondern das Resultat des harten nationalen Wettbewerbs in den USA. Als europäische Alternative wird die ETH Zürich vorgestellt, die in Europa zweifelsohne zu den führenden Forschungsuniversitäten gehört. Das dritte best-practice-Modell ist die Universität von Amsterdam. Dort wurde nach den niederländischen Hochschulreformen in den 90er Jahren ein matrixartiges Organisationsmodell eingeführt, das sich am weitesten vom traditionellen Universitätsaufbau entfernt hat. Das amerikanische Modell In Europa wird derzeit das amerikanische Modell mit einem Präsidenten an der Spitze einer mehrköpfigen Universitätsleitung, die Professional Schools, beispielsweise für Medizin, Ingenieurwesen, Architektur, Management, Jura und den dazugehörigen Fachabteilungen, den Departments, als die Lösung für die Probleme der deutschen Universitäten propagiert. Seine Stärke gegenüber dem deutschen Modell ist die weit fortgeschrittene Professionalisierung des Universitätsmanagements. Dazu gehören die persönliche Ergebnisverantwortung, die die Universitätsleitung, die Präsidenten, VizePräsidenten, Provoste11 und Deans umfasst. Des Weiteren werden dazugezählt unternehmensähnliche Budgetierungs- und Controllingverfahren, Kostenrechnung und Administration sowie die Notwendigkeit, wesentliche Teile des Budgets selbst zu verdienen. Letzteres müssen auch staatliche Universitäten. Die genannten und weitere Faktoren tragen dazu bei, einen hohen Grad an strategischer Ausrichtung, Effizienzorientierung und wirtschaftlichem Denken in den Hochschulleitungen und verwaltungen zu erzeugen. Gegenüber den Studierenden gibt es eine gut entwickelte Dienstleistungs- und Servicekultur. Für die Universitäten sind sowohl die Studiengebühren als auch spätere finanzielle Unterstützung durch die Alumni eine wichtige Einkommensquelle. Dementsprechend aufmerksam wird der Student als Kunde betreut. Der hauptamtliche Dean wird nicht aus dem Kreis der Professoren gewählt, sondern vom Präsidenten als leitender Angestellter eingesetzt. Er ist das Bindeglied zwischen der Universitätsleitung und dem Fachbereich bzw. der Professional School. Seine Aufgabe es ist, die Strategie der Universität in seinem Verantwortungsbereich umzusetzen. Den Deans, denen die fachliche und finanzielle Verantwortung für den Erfolg ihrer Departments inne ist, kommt für den Gesamterfolg einer amerikanischen 11 Der Provoste entspricht normalerweise dem Kanzler einer deutschen Universität. 25 Universität eine Schlüsselrolle zu. Die Funktion eines Deans zu übernehmen, ist ein erfolgreicher Karriereschritt als Universitätsmanager. Die Position wird intern oder extern besetzt und meistens befristet für fünf Jahre vergeben. Eine Verlängerung ist möglich und bei Erfolg üblich. Als Qualifikation wird Managementerfahrung und eine wissenschaftliche Karriere gefordert, die allerdings mit dem Eintritt in das Universitätsmanagement vorübergehend oder endgültig beendet ist. Jede Universität in den USA, ob staatlich oder privat, verfügt über einen Aufsichtsrat, ein Board of Trustees oder Board of Regents, dessen Aufgabe es ist, die Universitätsleitung einzusetzen und die Erfüllung des Leistungsauftrages der Universität zu überwachen. Der Staat nimmt an staatlichen Universitäten über Zielvereinbarungen und Budgetierung Einfluss, greift aber in das operative Geschehen nicht ein. Grundsätzlich berufen sich auch amerikanische Universitäten auf humboldtsches Gedankengut. Sie haben sich von der klassischen Aufteilung der Universität in akademische Fächer, dem Ideal vom Wissenschaftler als Lehrer und dem traditionellelitären Selbstverständnis, dass die Wissenschaftler besonderer Privilegien bedürfen, nicht verabschiedet. Es gibt zwar überall etablierte Qualitätskontrollverfahren für die Lehre und eine explizite Kundenorientierung in Richtung der Studierenden, doch auch in den USA gelten die Interessen der Wissenschaftler mehr der Forschung als der Lehre, denn dort können sie Reputation erwerben, ihren Marktwert erhöhen und zusätzliche Einkommensquellen erschließen. Organisation einer amerikanische Universität (Beispiel) VP for Finances President President‘s Office Provost / Executive Vice President Provost‘s Office VP for Research Dean School of Management Dean School of Engineering VP for Academic Affairs VP for Administration Dean‘s Office Faculty Dean‘s Office Faculty Dean‘s Office Dean Faculty of Arts and Sciences Faculty Dean Department of ........ Abb. 3: Organisation einer amerikanischen Universität 26 VP for .... Das Organisationsmodell der ETH Zürich Die Organisation der ETH folgt im wesentlichen dem amerikanischen Vorbild mit einer entscheidungsstarken Universitätsleitung bestehend aus dem Präsidenten, dem Rektor und zwei Vizepräsidenten sowie je einem hauptamtlichen Dekan an der Spitze der 17 Fachbereiche. Wie in den USA werden Präsident und Vizepräsidenten vom Aufsichtsgremium, dem ETH-Rat ernannt. Der Rektor wird dem ETH-Rat von den Professoren aus dem Kreis der ordentlichen Professoren zur Wahl beantragt. Wie bereits erwähnt, existiert ein wesentlicher Unterschied zwischen dem ETH-Rat und dem Board of Trustees einer amerikanischen Universität: Der ETH-Rat ist institutionalisiert. D. h., der Rat setzt sich zusammen aus ehrenamtlichen Mitgliedern, die Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vertreten. Der Rat verfügt jedoch über eine eigene Infrastruktur und einen festen Mitarbeiterstab. Infolgedessen gehen seine Möglichkeiten, auf die ETH Zürich einzuwirken, weit über die eines reinen Aufsichtsgremium hinaus. Vereinfachtes Modell der Organisationsstruktur der ETH Zürich Schulleitung Rektor Präsident Vizepräsident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen Vizepräsident Planung und Logistik Sämtliche Planungs- und Verwaltungsaufgaben sind klar auf die Mitglieder der Schulleitung verteilt. Der Präsident ist verantwortlich für die Beziehung zu den stakeholdern, und die Außendarstellung sowie personelle Schlüsselentscheidungen. Alle anderen Aufgaben sind dem Rektor und den beiden Vizepräsidenten zugeordnet. Fachbereiche • 17 Departemente • departmentsübergreifende Studiengänge • interdisziplinäre Forschungsgemeinschaften Abb. 4: vereinfachtes Modell der Organisationsstruktur der ETH Zürich 27 Das Matrix-Modell der Universität von Amsterdam Die Niederländer haben im Zuge ihrer Hochschulreform in den neunziger Jahren einige Elemente der amerikanischen Universitätskultur übernommen, insbesondere die Ernennung der Universitätsleitung durch den Raad van Toezicht, den Aufsichtsrat, der vom Wissenschaftsministerium mit ehrenamtlichen Mitgliedern besetzt wird. Dieser Aufsichtsrat bestellt und entlässt die Hochschulleitung, schließt mit ihr Ziel- und Leistungsvereinbarungen ab und wacht über deren Einhaltung. Wie in den USA hat die Universitätsleitung eine starke Position innerhalb der Organisation, verknüpft mit einer ausgeprägten persönlichen Ergebnisverantwortung. Die Universität von Amsterdam, im folgenden UvA genannt, hat dies in ihrem Ansatz mit den Vorteilen einer Matrixorganisation kombiniert, deren Vorteil z. B. kurze Informations- und Kommunikationswege zwischen den Verantwortlichen sind. Die Matrixorganisation eignet sich gut dafür, Verantwortung von oben nach unten zu delegieren. Sachliche Probleme werden früh identifiziert und können von den Betroffenen direkt und in Eigenverantwortung gelöst werden. Vereinfachtes Modell der Organisationsstruktur der Universität von Amsterdam UvA Aufgaben bezogene Organisationseinheiten Allgemeine Verwaltung Hochschulleitung Fakultätsverwaltung Fakultät FB 1 Fakultät FB 2 FB 3 Fakultät FB n Institut für Forschung Durchführung von Forschungsprojekten Institut für Lehre Konzeption und Durchführung von Studiengängen Fachbezogene Organisationseinheiten Abb. 5: vereinfachtes Modell der Organisationsstruktur der Universität von Amsterdam UvA Die Universität gliedert sich in sieben Fakultäten, die jeweils in Fachabteilungen aufgeteilt sind. Auf eine Untergliederung in Ordinarien und Lehrstühle wurde komplett verzichtet. Die fachlichen Abteilungen bilden das vertikale Organisationsprinzip. Das horizontale Organisationsprinzip richtet sich nach den verschiedenen Aufgaben der Universität. Es gibt also Institute für Lehre, Institute für Forschung und Institute für geschäftliche Aktivitäten der Universität. Die Direktoren der Institute sind 28 verantwortlich für die inhaltliche Ausrichtung ihrer Organisationseinheiten und verfügen über die zugeordneten finanziellen Ressourcen. Sie fordern von den Fachabteilungen Personalressourcen für Lehrprogramme, Forschungsprojekte, Weiterbildungsaufträge, etc. an und generieren so einen internen Markt für die wissenschaftlichen Mitarbeiter. Die Verantwortung für deren Qualifikation und Leistung liegt bei den Leitern der Fachabteilungen. Für ein gutes Gesamtergebnis der Fachabteilung und die gleichmäßige Auslastung der Mitarbeiter müssen die horizontalen und vertikalen Organisationseinheiten eng miteinander kooperieren. Neben der Steigerung der Qualität, ausgelöst durch den internen Wettbewerb der Wissenschaftler in einem Fachbereich, war es ein weiteres Ziel, die Einrichtung interdisziplinärer Studienangebote bzw. Forschungsprojekte zu vereinfachen. Es wurde erwartet, dass die Institutsdirektoren weniger einem Fachbereich als ihrer Lehroder Forschungsaufgabe verpflichtet sind. Das Organisationsmodell für die Universität der Zukunft “Structure follows strategy“ ist der Leitgedanke bei der organisatorischen Gestaltung der Universität der Zukunft. Abhängig von der gewählten strategischen Ausrichtung, den Schwerpunkten, Produkten und angestrebten Kundengruppen wird eine bestimmte Organisationsform gewählt. Konzentriert sich beispielsweise eine Universität auf die Lehre, so müssen die Lehrtätigkeit und die Kunden für die Lehrprodukte, die Studierenden, im Mittelpunkt stehen. Alle anderen Organisationseinheiten müssen so gestaltet werden, dass sie diese Aktivitäten optimal stützen. Setzt die Universität fachliche Schwerpunkte, so müssen sich diese folglich in der Organisationsstruktur widerspiegeln. Das Prinzip der verantworteten Selbstständigkeit soll nach außen demonstriert werden und sich in der Organisation durch alle Ebenen ziehen. Die Mitarbeiter der Universität sollen bezogen auf ihre jeweiligen Aufgaben maximale Handlungs- und Entscheidungsfreiheit genießen, jedoch stets verknüpft mit der Verpflichtung, Rechenschaft über ihre Leistungen ablegen zu müssen. Dies geschieht in Leistungsbeurteilungen oder Mitarbeitergesprächen verbunden mit Belohnungs- und Sanktionsmöglichkeiten. Das Bekenntnis zur Strategieorientierung hat zur Folge, dass die Kernaufgaben der Universität, Lehre und Forschung, organisatorisch getrennt werden müssen, denn eine erfolgreiche Forschungs- und eine erfolgreiche Lehrstrategie zeichnen sich meist durch inkompatible Anforderungen an die Organisation aus. So wird es möglich sein, z. B. die Forschungsstrategie zu ändern, ohne dabei zwangsläufig die Inhalte der Lehre zu berühren. Ebenso folgt daraus, dass, wie bereits im Kapitel über das ökonomische Prinzip beschrieben, unternehmerische Tätigkeiten, die nicht direkt dem Hauptzweck der Universität zugeordnet werden können, in eine Universitäts GmbH ausgelagert werden. Bereits die Struktur der UvA greift Organisationsprinzipien aus der Wirtschaft auf. Die Universität der Zukunft geht noch einen Schritt weiter. Sie trennt die originären Aufgaben der Universität, Lehre und Forschung, organisatorisch voneinander und betrachtet sie als eigenständige Geschäftsbereiche. Die Lehraktivitäten sind in einer oder mehreren Schulen, im Sinne der professional schools amerikanischer 29 Universitäten, organisiert, während die Forschungsaktivitäten in Forschungsinstituten angesiedelt sind. Kommerzielle Aktivitäten sollen in privatrechtliche Einheiten ausgelagert werden, deren Gesellschafter oder Eigner die Universität ist. Wie in den bereits dargestellten Organisationsmodellen heute erfolgreicher Universitäten werden die für den Erfolg der Untereinheiten Verantwortlichen mit hauptamtlichen erfahrenen Experten besetzt und eigenen Managementteams gestärkt. Auch die Universität der Zukunft wird ein Aufsichtsgremium haben, das die Stakeholder repräsentiert. Dieses Gremium hat die Aufgabe, die Universitätsleitung einzusetzen und zu entlassen sowie mit dieser Leistungsvereinbarungen zu treffen und deren Erfüllung zu überprüfen. Vereinfachtes Organisationsmodell für die Universität der Zukunft Universitätsrat Universitätsleitung z.B. Präsident, Geschäftsführer, Rektor Uni GmbH Geschäftsführer Lehrzentrum Forschungszentrum Schule 1 Dekan Institut 1 Wissenschaftl. Leiter Geschäftsführer Schule 2 Institut 2 Schule n Institut n Universitätsmanagementgruppe mit Dienstleistungszentren • • • • Personalwesen Leiter Rechnungswesen Leiter Facility Management Leiter Marketing und Öffentlichkeitsarbeit Leiter • EDV Leiter • etc. Abb. 6: vereinfachtes Organisationsmodell der Universität der Zukunft Die Universität der Zukunft greift dabei Elemente aus dem amerikanischen wie dem niederländischen Modell auf. Im Vergleich zum derzeitigen Organisationsmodell deutscher Universitäten werden die Managementbereiche stark aufgewertet und die Bereiche Lehre und Forschung konsequent von allen administrativen Aufgaben befreit. Ziel dieser Umverteilung und Neugewichtung von Verwaltungsaufgaben ist nicht die Schaffung einer ausgeprägten zentralen Bürokratie, die Vorschriften und Handlungsanweisungen erlässt, sondern eine ergebnisorientierte Serviceeinheit mit ausgeprägtem Dienstleistungscharakter12. Die Schulen müssen in Zusammenarbeit mit der Universitätsleitung die Lehrstrategie entwickeln und umsetzen, die Institute in Zusammenarbeit mit der Universitätsleitung die Forschungsstrategie. Die Universitätsleitung hat die wesentliche Aufgabe, aus den Einzelstrategien der Bereiche Lehre und Forschung unter Berücksichtigung der 12 Ausführlich diskutiert wird eine Gestaltung der Universitätsverwaltung als Dienstleistungsanbieter in Küpper, H.-U./Sinz, E. (Hg., 1998). 30 finanziellen Möglichkeiten und des Bedarfs der Stakeholder, die der Universitätsrat formuliert, eine Gesamtstrategie zu entwickeln, diese auf allen Bereichen der Universität zu kommunizieren und ihre Realisierung zu ermöglichen. Als eine Möglichkeit kann die Balanced Scorecard, im folgenden BSC genannt, als strategisches Planungs- und Kommunikationsinstrument eingeführt werden. Das besondere Potenzial der BSC liegt in der Verknüpfung von strategischen und inhaltlichen Zielen mit messbaren Kennzahlen, ergänzt durch das Prinzip der Steuerung mittels Zielvereinbarungen quer durch alle Organisationseinheiten. Die BSC macht sichtbar, wie gut ein Unternehmen oder eine Universität Strategien umsetzt und die selbst gesetzten Ziele erreicht. Die BSC kommuniziert in allen Organisationseinheiten Teilstrategien und Teilziele und stellt dadurch sicher, dass alle Teile des Unternehmens in die Umsetzung der Gesamtstrategie integriert sind. Strategiefindungs- und Konsensprozesse in der Universität der Zukunft Universitätsleitung Präsident, Vizepräsidenten mit verschiedenen Ressorts Schule 1 Dekan Schule 2 Schule n • Weiterentwicklung Teilstrategie Lehre • Umsetzungskonzepte für die Universitätsstrategie in der Lehre • Marktanalysen Lehrzentrum Lehrstrategie Forschungsstrategie Finanzierungsstrategie Servicekonzept Projektgruppen Arbeitskreise • Weiterentwicklung Teilstrategie Forschung • Umsetzungskonzepte für die Universitätsstrategie in der Forschung • Marktanalysen • übergeordnete strategische Ziele • Integration der Teilstrategien in Lehre und Forschung in Gesamtkonzept Forschungszentrum Institut 1 Wissenschaftl. Leiter Geschäftsführer Institut 2 Institut n Umsetzungskonzept für die Management - und Dienstleistungsstrategie Individuell vereinbartes internes Dienstleistungsangebot Universitätsmanagementgruppe / Dienstleistungszentren Bereichsleiter Individuell vereinbartes internes Dienstleistungsangebot Abb. 7: Strategiefindungs- und Konsensprozesse in der Universität der Zukunft In die BSC lässt sich auch eines der bewährten Kostenrechnungssysteme einbetten. Ohne die Einführung eines modernen und wirtschaftsnahen Kostenrechnungssystems, das die produkt- und prozessbezogene Darstellung anfallender Kosten des Universitätsbetriebes ermöglicht, wird die Universität nicht in der Lage sein, ihre inhaltlichen und finanziellen Strategien durch eine zielgerichtete Finanzplanung und eine realistische Preispolitik zu unterstützen. Eine ausführliche Erläuterung des Instrumentes Balanced Scorecard ist im Anhang C zu finden. 31 Für die erfolgreiche Umsetzung der Universitätsstrategie in allen organisatorischen Einheiten ist es eine wichtige Entscheidung, ob Management- und Verwaltungsaufgaben zentral bzw. dezentral verteilt werden. Es gilt hier, einen der Kultur der jeweiligen Institution angemessenen Mix zwischen zentralen und dezentralen Organisationsstrukturen zu finden. Ziel ist es, auf der einen Seite übergeordnete strategische Ziele in alle Organisationseinheiten zu tragen und Einsparpotenziale bzw. Effizienzsteigerungsmöglichkeiten zu nutzen. Auf der anderen Seite sollen die Organisationseinheiten maximale Entscheidungs- und Handlungsfreiheit bekommen, sie sollen sich nicht gegängelt fühlen, sondern selbstbewusst ihre eigene Entwicklung vorantreiben. Die wissenschaftliche Betätigung darf nicht durch Zentralismus und Bürokratie behindert werden. Eine Standardlösung für das ideale Verhältnis von zentraler und dezentraler Verantwortung existiert nicht. In einer Umbruchsituation kann es sinnvoll sein, Aufgaben zentral zu lösen, die in einer stabilen Phase besser dezentral angegangen werden. Letztendlich muss die Universitätsleitung entscheiden, welchen Ansatz sie verfolgt. Wichtig ist, dass diese Entscheidungen, insbesondere wenn eine Stelle neu besetzt wird oder sich Forschungs- bzw. Lehrprogramme ändern, hinterfragt und hinsichtlich ihrer Tauglichkeit überprüft werden. 32 II. Die Universität der Zukunft als Forschungsuniversität Nachdem im ersten Teil erläutert wurde, welche Anforderungen an die Organisation Universität der Zukunft gestellt werden, sollen jetzt Teilstrategien für Managementaufgaben entwickelt werden. Im Entwicklungsprozess stellte sich heraus, dass unterschiedliche strategische Optionen entstehen, die verschiedene Universitäten mit prägnanter fachlicher Ausrichtung und Konzentration auf bestimmte Marktsegmente im Lehrangebot nach sich ziehen. Deshalb wird im Fortgang die Universität der Zukunft am Beispiel einer Forschungsuniversität vorgestellt. Diese Differenzierung ist notwendig, da heute die Ausbildung zum Wissenschaftler im Massenbetrieb erfolgt, obwohl die Mehrheit der Studierenden, etwa 80 %, nicht in der Forschung tätig sein wird. Neben der Forschungsuniversität als Universität der Zukunft gibt es noch weitere Organisationsmodelle für Universitäten, die gleichberechtigt existieren werden. Diese sind nicht Gegenstand der vorliegenden Betrachtung. Die Forschungsuniversität ist eine fachlich fokussierte Universität, deren Ziel es ist, auf dem Gebiet der Forschung mit ihren Themen internationale Anerkennung zu erreichen. Dies prägt auch das Lehrangebot. Die Forschungsuniversität wird ihre Studiengänge so gestalten, dass ausdrücklich Wissenschaftler ausgebildet werden. Ihre Zielgruppe sind Studierende, die sich nach dem Studium wissenschaftlich weiterqualifizieren und als Forscher arbeiten wollen. Dementsprechend sind ihre Strategien ausgerichtet und ihre Ressourcen verteilt. Heute reklamieren alle deutschen Universitäten den Anspruch für sich, Forschungsuniversitäten zu sein. Der Anspruch leitet sich dabei hauptsächlich aus der Bezeichnung Universität im Gegensatz zur Fachhochschule ab. Mit dem Konzept der Forschungsuniversität der Zukunft sind die derzeitigen Universitäten jedoch nicht deckungsgleich. Denn bislang haben die deutschen Universitäten keinen thematischen Fokussierungsprozess durchlaufen. Ihre wissenschaftliche Arbeit besteht zumeist aus unabhängigen Einzelprojekten, ohne durch ein gemeinsames strategisches Ziel vereint zu sein. Ihre Studierenden streben, wie bereits erwähnt, mehrheitlich keine wissenschaftlich Karriere in der Wissenschaft an, sondern erwarten vom Studium eine hochqualifizierte Berufsausbildung. Es gibt heute einige Universitäten, die gezielt mit der Betonung der Forschung ein eigenes Profil entwickeln. Bei den von uns untersuchten Institutionen ist das insbesondere das California Institute of Technology, das sogenannte CalTech in Pasadena. Das CalTech ist mit ca. 2000 Studierenden eine vergleichsweise kleine Universität. Bemerkenswert ist, dass über die Hälfte ihrer Studierenden Graduates sind, d. h. einen PhD Grad, die Promotion anstreben. Es sind über 500 Wissenschaftler auf dem Campus tätig. In den angegliederten staatlich finanzierten Jet Propulsion Labs sind nochmals etwa 5000 Beschäftigte tätig. 24 Nobelpreisträger waren oder sind Mitglieder des CalTech. Die Zugangsanforderungen an Bewerber sind sehr streng. Das Niveau der Lehrpläne ist fordernd. Diese Punkte setzt das CalTech übrigens als Marketingargumente ein, um explizit die besten und leistungsbereitesten Schulabsolventen anzusprechen. Im Vergleich dazu kann die TU München bei ca. 20.000 Studierenden 480 Professoren und in ihrer Geschichte drei Nobelpreisträger aufweisen. Mit dem beschriebenen Profil kommt das CalTech dem in 33 der Studie entwickelten Bild einer Forschungsuniversität am nächsten. Der stetige Erfolg des CalTech seit den 40er Jahren beweist, dass diese Idee realisierbar ist. Zusammenfassend ist festzustellen: Das übergeordnete Ziel der Universität der Zukunft ist, sich als ausgeprägte Forschungsuniversität zu etablieren. Ihr Anspruch ist, internationale Exzellenz zu erreichen und mit ihren Themen eine führende Rolle in der Forschung zu übernehmen. Auch die Lehre an der Forschungsuniversität dient diesem Ziel, indem sie sich darauf konzentriert, dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine Ausbildung auf sehr hohem Niveau anzubieten. Das Handlungsprinzip der verantworteten Selbstständigkeit Dieses Handlungsprinzip spielt bei jeder unternehmerischen Entscheidung, die in der Forschungsuniversität getroffen wird, eine entscheidende Rolle. Die Forschungsuniversität entwickelt ausgehend von einer Analyse ihrer Stärken und Schwächen in Lehre und Forschung, einer Marktanalyse und einer Zukunftsprognose eine Strategie. Diese Strategie formuliert inhaltliche und organisatorische Ziele für Forschung und Lehre: • Eine Universität, die sich das Ziel setzt, als Forschungsuniversität ihrem gesellschaftlichen Auftrag nachzukommen, geht die Verpflichtung ein, einen Beitrag zur Vermehrung und Weiterentwicklung des Wissens in der Gesellschaft zu leisten. Gleichzeitig verpflichtet sie sich, wissenschaftliche Exzellenz anzustreben. Da Spitzenforschung in einem internationalen Markt stattfindet, muss ein entsprechender Qualitätsmaßstab angelegt werden. In eigener Entscheidung fokussiert die Forschungsuniversität bestimmte Themen und Lehrangebote: • Die Entscheidung, den Schwerpunkt auf die Forschung und Ausbildung von Wissenschaftlern zu legen, führt dazu, höchste Qualität in Forschung und Lehre anzustreben und die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. In eigener Entscheidung legt die Forschungsuniversität Kapazitäten und benötigte Ressourcen für Lehre und Forschung fest: • Dies erfordert hohe Investitionen in die Forschungsinfrastruktur und das forschende Personal. Aufgrund dessen zeichnet sich ab, dass Spitzenforschung auf international führendem Niveau sehr wahrscheinlich nicht aus den immer knapper werdenden öffentlichen Mitteln zu finanzieren sein wird. Als Konsequenz ihrer strategischen Entscheidungen steht die Universität der Zukunft vor der Aufgabe, ein eigenes Konzept zur Finanzierung ihrer strategischen Pläne zu entwickeln. • Die Forschungsuniversität wird in besonderem Maße darauf angewiesen sein, ausreichende öffentliche und private Drittmittel zu erhalten sowie sonstige Einkünfte zu erzielen. 34 Als Garant, dass die Universität bei den oben geschilderten Prozessen die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, den Stakeholder und den Geldgebern nicht einseitig oder ungenügend übernimmt, muss die Forschungsuniversität als Organisation regelmäßig vor ihrem Universitätsrat als repräsentativem Gremium der o.g. Interessensgruppen ihre inhaltlichen, administrativen und ökonomischen Entscheidungen erläutern und begründen. Abhängig von ihren wissenschaftlichen Themen muss besonders die Forschungsuniversität auch ihre inhaltlichen Entscheidungen sorgfältig abwägen und begründen. Wissenschaftliche Themen können über sehr ausgeprägte ethische Aspekte und große gesellschaftliche Relevanz, wie beispielsweise die derzeitige Debatte um die Forschung an menschlichen Stammzellen, verfügen. Hier trägt die Universitätsleitung die Verantwortung dafür, dass solchen Fragestellungen in der Universität und im Dialog mit dem Universitätsrat ausreichend Raum gegeben wird. Der bereits beschriebene Konflikt zwischen den gesetzten Exzellenz-Zielen in der Forschung und der Möglichkeit, die nötigen Gelder einzuwerben, kann in der Forschungsuniversität sehr bald zu Tage treten. Zur Verteidigung ihres Charakters und Sicherung ihrer Strategien ist es daher für die Forschungsuniversität wichtig, in ihrem Aufsichtsgremium neben Vertretern der verschiedenen Stakeholder unbedingt Persönlichkeiten einzubinden, die Forschungserfahrung vorweisen können und in ausgesuchten Forschungsthemen als kompetente Mitglieder der Scientific Community gelten. Deren Aufgabe ist es, über die Qualität der Forschungsaktivitäten und Einlösung des Exzellenz-Anspruches zu wachen. Strategieorientierung in der Forschungsuniversität Die Mitglieder einer Forschungsuniversität müssen eine Forschungsstrategie entwickeln, die kurz-, mittel- und langfristig angelegte Themenkomplexe zu einem sinnvollen Mix verbindet. So werden die verschiedenen Interessen der Stakeholder aus Wirtschaft, Scientific Community, Staat und Gesellschaft in der Forschungsstrategie abgebildet. Diese Bedarfsorientierung fordert überdies, dass im Themenkanon anwendungsnahe Themen, solche mit weniger direktem Nutzungspotenzial und reine Grundlagenforschungsthemen sinnvoll miteinander kombiniert werden. Organisation Die Forschung findet in Instituten statt. Diese sind wie außeruniversitäre Forschungsinstitute in Abteilungen oder Projektgruppen organisiert, abhängig von der Größe der Institute und der Breite bzw. Vielfalt der Forschungsaktivitäten. Für die Lehre gründet die Universität eine oder mehrere Schulen im Sinne einer amerikanischen University School. Verwandte Studiengänge werden in einer Schule zusammengefasst. Bietet die Universität mehrere Ausbildungsgängen , die sich stark unterscheiden, können auch mehrere Schulen gegründet werden. 35 Die Institute der Forschungsuniversität sind zuständig für die Forschung, die Schulen für die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Grundsätzlich verfügen Schulen und Institute über eigenes Personal. Es ist möglich, dass Mitarbeiter sowohl an einer Schule als auch in einem Forschungsinstitut tätig sind bzw., dass Forscher sich in der Lehre der Schulen engagieren. Ein zusätzliches Merkmal der Lehre an einer Forschungsuniversität ist, dass die Studierenden vom Beginn ihres Studiums an in Forschungsprojekte involviert sind und regelmäßig an Projekten der Forschungsinstitute mitarbeiten. Derzeit müssen Studierende frühestens ab der Diplom- oder Magisterarbeit selbstständig wissenschaftlich arbeiten. Die späte Vorbereitung auf diese Aufgabe schlägt sich häufig in langen Bearbeitungszeiten und Fristverlängerungen nieder. In der zukünftigen Forschungsuniversität sind die Studierenden vom ersten Semester an mit wachsender Verantwortung in konkrete Forschungsprojekte eingebunden. In Kombination mit den theoretischen Lehrinhalten erhalten sie eine Art duale Ausbildung zum Wissenschaftler und sind auf eine Karriere in der Forschung optimal vorbereitet. Der hervorragend ausgebildete wissenschaftliche Nachwuchs trägt dazu bei, die zukünftige Exzellenz der Forschungsuniversität zu sichern. In der Lehre muss das Ziel sein, internationale Anziehungskraft für Studierende zu entwickeln. Neben den Inhalten der Studiengänge sind auch die Zugangsbedingungen bzw. Auswahlverfahren der Studierenden entscheidend für das Niveau in der Lehre. Ziel muss sein, die talentiertesten Bewerber für wissenschaftliches Arbeiten unter den grundsätzlich Geeigneten zu finden. Verwaltung, technische oder wissenschaftliche Dienstleistungen werden von Servicezentren erbracht. Für sie sind die Institute, Schulen, Projektgruppen oder Mitglieder der Universität interne Kunden. Die Servicezentren sind direkt der Universitätsleitung unterstellt. Dieses Konzept ist so angelegt, dass es Raum für verschiedene strategische Entwicklungen und die Betonung einzelner Organisationseinheiten bietet. Die unternehmerische Bewirtschaftung einer Forschungsuniversität Die von der Außenwelt wahrgenommenen Erfolge einer Forschungsuniversität sind die Forschungsergebnisse und Ausbildung von Wissenschaftlern. Auch bei der Verteilung von Ressourcen stehen dementsprechend Forschung und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses ganz oben. Sind die Mittel knapp, wird dort zuletzt gespart. Alle anderen Tätigkeiten müssen diese beiden Kernbereiche optimal unterstützen. Die Entscheidung, welche Themen mit welcher Personalkapazität und Infrastruktur ausgebaut werden sollen, wird von zwei Faktoren bestimmt: Zum einen muss auf der inhaltlichen Seite das internationale Forschungsgeschehen im Kontext mit den ausgewählten Themen analysiert werden. Zum anderen müssen die geeigneten Unterthemen mit Zukunftspotenzial festgelegt werden. Diese wiederum müssen ideal zum fachlichen Profil und zur bereits existierenden Kompetenz passen sowie der Universität eine Spitzenposition in Aussicht stellen. Erst dann wird entschieden, wie groß erfolgreiche Arbeitsgruppen sein müssen, um international konkurrenzfähig zu sein. 36 Im nächsten Schritt wird festgelegt, was an technischer Infrastruktur nötig ist, und mit welchen Investitions- und Instandhaltungskosten mittel- und langfristig gerechnet werden muss. Wenn diese Entscheidungen getroffen sind, können die zu erwartenden Kosten ermittelt und ein Plan ausgearbeitet werden, in welchem Umfang und aus welchen Geldquellen die Forschungsarbeit finanziert werden kann, und welchen Anteil der Mittel die Universität erwirtschaften muss. Die Voraussetzungen dafür sind: - belastbare Kosten- und Leistungsrechnung Die Universität muss genaue Kenntnis über die Höhe und Art der Kosten besitzen, die in den einzelnen Bereichen der Universität anfallen. In Abhängigkeit davon müssen Überlegungen angestellt werden, welche Investitionen unter der Maßgabe der Wirtschaftlichkeit der wissenschaftlichen Ausstattung oder dem Personalstand zugute kommen. - Projektmanagement Die professionelle und ökonomische Durchführung sämtlicher Forschungsvorhaben muss sichergestellt sein. Jedem Forschungsprojekt muss eine Kostenplanung und ein Finanzierungskonzept zugrunde liegen. Außerdem muss bei jedem Forschungsvorhaben beschrieben werden, wie es sich inhaltlich in die Gesamtforschungsstrategie der Universität einfügt. - Nutzung des Outsourcing-Potenzials Eine kritische Überprüfung dessen, welche Tätigkeiten von externen Lieferanten übernommen werden können, hilft zu ermitteln, welche Aktivitäten eingekauft werden können. So kann die Infrastruktur der Universität verkleinert werden bzw. es können Kosten eingespart werden. Dies können vorbereitende Arbeiten in der Forschung sein, aber auch Lehrtätigkeiten, die reine fachliche Fertigkeiten vermitteln wie Programmieren, Fremdsprachen, Buchhaltung und dergleichen. - Nutzung des Kooperationspotenzials Wenn das Motiv für Outsourcing mehr ökonomischer Natur ist, dann sind Kooperationen mit gleichwertigen Partnern von inhaltlichem Interesse. Die Universität muss die Möglichkeiten prüfen, wie sie durch Kooperation mit anderen Universitäten die Qualität steigern, neue Produkte entwickeln und evtl. die Kosten senken kann. Dadurch, dass dies in Kooperation mit Externen geschieht, kann z. B. das Lehrangebot verbreitert werden, ohne die eigene Beschränkung auf das Kerngeschäft aufzugeben. 37 A. Strategie Da es unwahrscheinlich ist, mit begrenzten Mitteln innerhalb eines sehr breiten Spektrums von Fächern und Themen internationale Exzellenz zu erreichen, benötigt jede Forschungsuniversität eine vorausschauende Strategie der thematischen Fokussierung. Begrenzte Mittel erfordern, die vorhandenen Ressourcen so einzusetzen, dass die Erreichung des strategischen Zieles optimal unterstützt wird. Demzufolge grenzt die Universität ihre Angebote in der Forschung auf Kernthemen ein und beschränkt sich in der Lehre auf das Segment Ausbildung von Wissenschaftlern in diesen Kernthemen. Für die Forschungsuniversität steht die Forschungsaufgabe und die Ausbildung von zukünftigen Wissenschaftlern im Vordergrund. Die Konzentration auf fachliche Schwerpunkte findet in der Forschung statt, während sich das Lehrangebot nach dieser Konzentration ausrichtet. Die Forschungsuniversität macht auch in der Lehre keine Qualitätsabstriche, denn Ziel der Lehre muss ebenfalls die Förderung der Forschung sein, nicht die Lehrerausbildung oder eine ausgesprochene Anwendungsorientierung. Die Entscheidung, auf welche Themen sich die Forschungsuniversität in der Forschung konzentriert und welche Inhalte in der Lehre angeboten werden, ist ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg des gesamten universitären Konzeptes. Um sie verantwortlich treffen zu können, muss die Universität sich hinsichtlich ihres Qualitätsniveaus und ihrer Stärken, Schwächen und Potenziale analysieren ihre Märkte hinsichtlich der Angebote von Wettbewerbern, der Kundenstruktur und des Kostengefüges untersuchen die eigene Qualifikations- und Personalstruktur mit den Konkurrenten vergleichen. Für diese Schritte finden sich sowohl in der Industrie als auch im tertiären Bildungsbereich Erfahrungen und Vorbilder, auf die eine Universität zurückgreifen kann. Qualitätsbewertungen sind für die Universitäten in vielen Ländern Pflicht. Benchmarking, der Vergleich mit konkurrierenden Einrichtungen bezogen auf ausgewählte Kriterien wie Kosten, Qualität u. ä., ist ein Standardtool des Marketing. Als best practice können z. B. die aktuellen Verfahren der britischen Finanzierungsagentur HEFCE13 für Universitäten dienen, die jährlich die Lehre und alle fünf Jahre die Forschungsleistung der Universitäten bewerten. Entscheidend ist, dass die Universität, angespornt von ihrem Ziel, internationales Renommee zu erreichen und Exzellenz zu demonstrieren, Evaluations- und Qualitätssicherungsverfahren und –prozesse in Eigeninitiative einführt. Die Universität wartet nicht darauf, bis diese von außen verlangt werden, sei es durch den Markt, der Qualitätsmängel langfristig abstraft oder durch die Stakeholder. 13 Hinter HEFCE verbirgt sich Higher Education Funding Council for England. 38 1. Strategiefindungsprozess und Umsetzung Es muss ermittelt werden, in welchen Fächern die Universität Stärken besitzt und inwieweit diese Stärken für die thematische Weiterentwicklung in den entsprechenden Fächern relevant sind. Bei den identifizierten Schwächen muss entschieden werden, ob die betroffenen Fächer oder Themen im Zuge der Fokussierung aufgegeben werden und so Ressourcen für die starken Disziplinen freigemacht werden können oder ob die betreffenden Themen oder Fächer für die strategische Ausrichtung von Bedeutung sind. Falls dies der Fall ist, müssen sie mit einem angemessenen Einsatz von Ressourcen vorangetrieben werden. Die Bedeutung anwendungsnaher Themen ist an einer technisch ausgerichteten Universität eine andere als an einer geisteswissenschaftlichen. Doch auch bei letzterer können Themen mit direkter gesellschaftlicher Relevanz, also anwendungsnahe, und reine Forschungsthemen unterschieden werden. Fächer und Themen, die zu den Grundlagen der Ausbildung zählen und daher nicht direkt zu den ausgewählten Forschungsschwerpunkten beitragen wie Methodenwissen, Grundlagen der Mathematik, Informatik, Fremdsprachen u. ä., werden nur in der Lehre angeboten. Gerade für diese Fächer ist es interessant, Kooperationen mit anderen Universitäten, die sich entweder in der Nähe befinden oder ein entsprechendes Online-Angebot an Kursen aufweisen, zu nutzen. Falls möglich, kann die Forschungsuniversität aus dem Angebot ihrer Schwerpunktbereiche ebenfalls solche Bildungsprodukte anbieten. Erklärtes Ziel ist die Exzellenz in der Forschung. Die Forschungsuniversität muss darauf hinarbeiten, das Niveau der Forschung stetig zu verbessern und im internationalen Wettbewerb der Wissenschaft führend zu sein. Dies erfordert die Entwicklung von Teilstrategien und Prozessen, die kontinuierlich auf eine Sicherung, Überprüfung und Verbesserung des Niveaus in der Forschung hinwirken. Eine Universität ist eine komplexe Organisation mit sehr aufwändigen Prozessen in ihren beiden Kernbereichen. In den folgenden Kapiteln werden verschiedene Teilstrategien diskutiert, die für das erfolgreiche Betreiben einer Forschungsuniversität entscheidend sind. Dazu gehören das Führungssystem, die Markt- und Kundenstrategie, Produktionsstrategien in Forschung und Lehre, die Finanz-, Personal-, und Kommunikationsstrategie. 2. Organisation der Forschung Die Organisation der Forschung wird so gestaltet, dass sie besonders dem projektbezogenen wissenschaftlichen Arbeiten entgegenkommt. Die Aufgaben im Forschungsbetrieb können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Aufgaben der ersten Kategorie sind von außen nicht sichtbar, für die Qualität der Forschung jedoch wichtig. Es handelt sich hierbei um kontinuierlich anfallende Aufgaben, wie sie der Betrieb eines Labors mit technischen Anlagen, die Unterhaltung und Pflege einer Bibliothek, Datenbanken, EDV-Netzwerke und andere forschungsrelevante Infrastruktur erforderlich macht. Für alle laufenden Forschungsprojekte besteht ein Bedarf an bestimmten Wartungsaufgaben und Dienstleistungen. Diese Tätigkeiten, die fortlaufend anfallen, sind Zuarbeiten für die Forschungsprojekte, deren Laufzeit und 39 Finanzierung meist zeitlich befristet ist. Die zweite Kategorie von Aufgaben sind projektbezogene Arbeiten, die über einen begrenzten Zeitraum anfallen, oft einmaliger Natur und teilweise schwer planbar sind. Dazu kommt, dass die Finanzierung der Forschungsarbeit aus verschiedenen Quellen fließt. Neben zeitlich befristeten und streng zweckgebundenen Drittmitteln gibt es eine anteilige Grundfinanzierung, Sachspenden und dergleichen. Die Kostenrechnung, Finanzplanung und ein aussagefähiges Controlling im Forschungsbereich sind demnach sehr komplex. Um es den Forschern zu ermöglichen, Projektplanung und -management verantwortungsvoll zu treiben, muss auf der finanziellen Seite ein hoher Grad an Durchsichtigkeit hergestellt werden. Auf der Personalebene ist typischerweise eine relativ hohe Personalfluktuation zu verzeichnen, da viele Mitarbeiter promovieren oder gerade eine akademische Karriere beginnen, die meist einen Universitätswechsel mit sich bringt. Mitarbeiter, die nicht aus laufenden Projekten finanziert werden, sondern hauptsächlich für die Aufrechterhaltung der oben beschriebenen Forschungsinfrastruktur verantwortlich sind, können sich dagegen in langjährigen Beschäftigungsverhältnissen befinden, was im Sinne einer Know-how-Sicherung auch wünschenswert ist. Für die Organisation muss folglich eine Lösung gefunden werden, die einerseits die Mischung aus Daueraufgaben und Projekttätigkeiten sinnvoll abbildet und andererseits Durchsichtigkeit bei Zuständigkeiten und Verantwortung sicherstellt. Außerdem erfordert die Forschung keine tiefen Hierarchien in der Organisation, sondern die richtige Mischung aus erfahrenen Wissenschaftlern, Wissenschaftsmanagern, zuverlässigem wissenschaftlichen Servicepersonal, jungen, kreativen Forschern und international anerkannten Koryphäen. Dies wird derzeit in Deutschland in außeruniversitären Instituten realisiert, die daher als Vorbild für die Organisation universitärer Forschungsinstitute dienen können. Als Vorbilder können die Institute der großen Forschungsgesellschaften dienen. Es gibt aber auch hier neue Ansätze, wie z. B. die Organisation von Forschergruppen in der Stiftung caesar in Bonn. Es erscheint sinnvoll, außeruniversitäre Institutionen aus dem In- oder Ausland zum Vorbild zu nehmen, die über längere Zeiträume hinweg Forschungsleistungen in exzellenter Qualität erbracht haben. Die Forschungsaktivitäten werden abhängig von der Größe der Universität und dem Themenspektrum in einem Institut oder mehreren Instituten organisiert. Institute sind in Abteilungen und Projektgruppen unterteilt, kleine Institute nur in Projektgruppen. Die Institute verfügen über eine eigene wissenschaftliche und finanzielle Planung. Sie werden von einer Doppelspitze, bestehend aus einem wissenschaftlichem Leiter und einem Geschäftsführer geführt. Sind die Institute sehr klein oder ist die Gesamtstruktur der Universität sehr zentralisiert, wird nur eine wissenschaftliche Institutsleitung installiert, die auch für die finanziellen Fragen verantwortlich ist. Dies hat zur Folge, dass auf operativer Ebene die Wirtschaftsplanung, das Controlling, etc. von einem Servicezentrum des zentralen Bereiches als interne Dienstleistungen durchgeführt werden. Jedem Institut ist ein Evaluationsgremium beigeordnet, dessen Besetzung die Universitätsleitung und der Universitätsrat bestimmen. Seine Mitglieder sind externe Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern. Dieses Gremium unterzieht das Institut 40 in mehrjährigen Abständen einer Evaluation hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Leistungen. Diese Kooperationsmöglichkeit wird heute bereits zwischen verschiedenen Universitäten und Max-Plank-Instituten genutzt, allerdings nur sehr selten. Einzelne Forscher, Professoren und Studenten, profitieren zwar von diesen Kontakten, nicht jedoch das inhaltliche Profil. Im Zuge der Vernetzung erhält der Institutsleiter mit dem Lehrauftrag einen Professorentitel. Eine strukturelle Verflechtung wird damit nicht eingegangen. Als Gegenbeispiel kann das CalTech angeführt werden. Dort ist der Direktor des jet Propulsion Lab ex officio als Vizepräsident in die Universitätsleitung eingebunden. Der Ansatz insgesamt muss sein, aus der Universitätsforschung heraus Institute zu schaffen, die intern die Lehre inspirieren. 3. Organisation der Lehre Der zweite Geschäftsbereich der Forschungsuniversität ist die Lehre. Das Ziel der Lehre in einer Forschungsuniversität ist, Wissenschaftler auszubilden. Die inhaltliche Orientierung ist nicht auf einen breiten Arbeitsmarkt in der Wirtschaft ausgerichtet, wie z. B. bei der Ausbildung von Ingenieuren, sondern die Absolventen sollen wissenschaftlich orientierte Nachwuchsforscher sein. Da die „Produktionsprozesse“ in Forschung und Lehre sehr unterschiedlich sind, wird die Lehre organisatorisch von den Forschungsaktivitäten getrennt. Sie wird in einer oder mehreren Schulen organisiert, abhängig von der Größe der Universität und der Anzahl und Verschiedenartigkeit der angebotenen Studiengänge. Die Schule ist verantwortlich für die Inhalte, die Organisation und die Durchführung der Lehre. Sie erbringt die Lehre als Dienstleistung für die Studierenden und bildet wissenschaftlichen Nachwuchs für die eigene Forschung aus. Die Studierenden sind kontinuierlich präsente Kunden, auf deren Bedarfe deutlich und nachvollziehbar eingegangen werden muss. Sie stehen im Mittelpunkt der Lehre. Die Zufriedenheit der Studierenden mit dem Leistungsangebot und die studentische Beurteilung der Lehre bilden einen wichtigen Bestandteil der Qualitätsevaluation. Diese Evaluationsergebnisse fließen in die Budgetverhandlungen der Schulen mit der Universitätsleitung und in die Beurteilung der Mitarbeiter sowie Schulleiter ein. Die Schulen werden von einem Studiendekan geleitet. Sie sind in Fachbereiche gegliedert. Die Mitarbeiter der Schulen widmen sich vorrangig der Lehre. Neben Erfahrung in wissenschaftlichem Arbeiten in ihren Fächern besitzen sie überdurchschnittliche pädagogische Qualifikation. Der Grund dafür, dass an einer explizit forschungsorientierten Universität die Lehre sehr stark betont wird, hängt damit zusammen, dass in der wissenschaftlichen Grundausbildung ein erheblicher Anteil der zu vermittelnden Kenntnisse Methoden und Grundwissen sind. Diese werden von pädagogisch gut ausgebildeten Dozenten, die sich voll auf die Lehre konzentrieren sehr effizient und zielgerichtet vermittelt. Natürlich bedeutet die grundsätzliche organisatorische Trennung von Forschung und Lehre nicht, dass die Studierenden keine Kontakte zur Forschung pflegen. Die Studierenden werden ganz im Gegenteil vom ersten Semester an, wie bereits erläutert, als Praktikanten und später als Mitarbeiter in Projekte der 41 Forschungsinstitute eingebunden. Teil des Lehrplans soll stets eine Mindeststundenzahl Forschungsarbeit sein. Mit steigender Semesterzahl soll auch die Komplexität der ihnen anvertrauten Aufgaben wachsen. Statt wissenschaftlicher Trockenübungen in Praktika absolvieren die Studierenden der Forschungsuniversität parallel zur theoretischen Ausbildung zum Wissenschaftler eine praktische Ausbildung zum Forscher. Die Diplom- oder Masterarbeit stellt neben dem Nachweis der Fähigkeit, wissenschaftlich arbeiten zu können auch das „Gesellenstück“ als Forscher dar. Wissenschaftler, die im universitären Forschungsinstitut arbeiten und Wert darauf legen, über die Zusammenarbeit mit den Studierenden in Forschungsprojekten hinaus auch in die Lehre eingebunden zu sein, können Seminare u. ä. anbieten, die in die Lehrpläne der Studiengänge integriert werden. Bei der Festlegung von Studieninhalten, Ausbildungskapazitäten, Zugangs– und Prüfungsstandards wird der Studiendekan von einem Beratergremium unterstützt. In diesem Gremium wirken die Universitätsleitung, die Fachbereichsleiter, interne und externe Wissenschaftler sowie Vertreter aus der Wirtschaft mit. So soll einerseits die Bedarfsorientierung, andererseits der Exzellenzanspruch realisiert werden. Die Finanzierung der Schule besteht aus einer Grundfinanzierung aus dem Gesamtbudget der Universität und zusätzlichen Mitteln abhängig von der Zahl der Studierenden und der fachspezifischen Kosten der einzelnen Studiengänge. Werden Studiengebühren erhoben, sollte für die Kunden, die Studierenden, transparent sein, welchen Anteil an der Gesamtfinanzierung die Studiengebühren darstellen, und welche Aufwendungen die Universität speziell für die Lehre tätigt. In der Lehre einer thematisch spezialisierten Universität eröffnen sich sinnvolle Ansätze für Outsourcing und Kooperationen. Diese beiden Instrumente sind Möglichkeiten, das Lehrangebot zu erweitern ohne in Eigenleistung kostenintensive Infrastrukturen aufbauen zu müssen, die nicht zu den Kernkompetenzen zählen und im schlimmsten Fall nicht ausgelastet werden können. Gleichzeitig kann jede Universität ihr Lehrangebot umso besser finanzieren, wenn dieses im Rahmen von Kooperationskonzepten auch an die Studierenden von Partneruniversitäten gerichtet ist. 4. Organisation des Managements und der Verwaltung Das Universitätsmanagement und die Verwaltung werden eine wichtige und erfolgsentscheidende Rolle in der Universität der Zukunft einnehmen. Sie müssen in jeder Beziehung dafür sorgen, dass für Forschung und Lehre ein optimal funktionierender Rahmen geschaffen wird. Ziel ist es, Forscher und Lehrende von Aufgaben zu entlasten, die nicht direkt in ihre Kompetenzbereiche fallen. Diese Aufgaben werden professionellen internen Dienstleistungsabteilungen übertragen. Bei der Untersuchung als besonders erfolgreich geltender US-amerikanischer Universitäten wird klar, dass diese im Management- und Verwaltungsbereich unternehmensartig mit professionellen Fachkräften organisiert sind. Das Management und die Verwaltung der Fakultäten und Fachbereiche wird nicht nebenbei von auf Zeit gewählten Dekanen im Rotationsprinzip durchgeführt, sondern liegt in den Händen 42 hauptamtlicher, im Management ausgebildeter und erfahrener Fachleute. Diese Vorgehensweise ist unabhängig davon, ob eine Universität ausgesprochen dezentral ausgerichtet ist wie Harvard oder zentral auf eine starke Führung wie Stanford, um zwei, der gerne zu Vergleichen herangezogenen Top-Universitäten zu nennen. Das Spektrum von Management- und Verwaltungsaufgaben, die als Dienstleistung für Forschung und Lehre angeboten werden, kann reichen (1) von der Unterstützung bei der Vorbereitung von Förderanträgen für Drittmittel über die Einwerbung von Industriemitteln für Forschungsprojekte bis zur ausgereiften Fundraisingkampagne (2) von Buchhaltung über Kosten- und Leistungsrechnung zum Controlling und dem Projektmanagement; best practice in der Wirtschaft (3) von EDV-Service über die Leitung der Bibliotheken bis zu Recherchedienstleistungen; best practice in Forschungseinrichtungen und Beratungsunternehmen (4) von Wartung der Gebäudetechnik über Facilitymanagement bis zum Labormanagement; best practice im Krankenhausmanagement (5) von Durchführung der Zulassungsprüfungen über die Verwaltung der Studierenden bis zu praktischen und psychologischen Beratungsangeboten für die Studierenden (6) von der Ausschreibung von Stellen, über die Einstellung und Weiterbildung der Mitarbeiter bis zur Beratung bei der Beendigung von Arbeitsverträgen; best practice in den Niederlanden, UvA Holding (7) von Unterstützung bei der Patentierung von Erfindungen über die finanzielle Unterstützung bei der Weiterentwicklung zu verkäuflichen oder lizenzierbaren Produkten bis hin zur Unterstützung bei der Ausgründung bzw. Suche nach Industriepartnern o. ä.; Vorbild MIT (8) von der Entwicklung eines allgemeinen Corporate Designs über PR und Pressearbeit, Marktanalysen bis hin zu vollständigen Marketingkonzepten für die Universität und ihre Untereinheiten. Das Universitätsmanagement und sämtliche Verwaltungs- oder Dienstleistungsangebote werden in Form von internen Service-Centern strukturiert. Die Universitätsleitung muss entscheiden, inwieweit die aufgezählten Aufgaben zentral bzw. dezentral verteilt und verantwortet werden. Es gibt hier keine ideale Lösung oder ein anerkanntes Vorbild. Die angebotenen Fächer, die Größe der Institution und die Tradition der Universität werden für die jeweilige Entscheidung ausschlaggebend sein. Wichtig ist, Entscheidungen dieser Art regelmäßig zu überprüfen und Reorganisationen möglich zu machen vergleichbar dem Wechsel an der Spitze eines Forschungsinstitutes, Fachbereiches oder einer Schule. An amerikanischen Universitäten verfügt ein neu eingesetzter Präsident beispielsweise über die Möglichkeit, neue Vizepräsidenten einzusetzen, also das universitäre Management auszutauschen. Auch eine Umorganisation der Verantwortungsbereiche ist häufig die Folge eines Wechsels an der Universitätsspitze. Bei der Universität der Zukunft müssen die oben aufgeführten Dienstleistungen möglichst zentral gehandhabt und stringent ausgeführt werden. Die erforderlichen Optimierungsprozesse erstrecken sich auch auf eine konsequentere Darstellung der Universität nach außen. 43 Die Servicestrategie der Dienstleistungszentren wird gemeinsam von der Universitätsleitung, den Instituts- und Schulleitungen sowie den Leitungen der Servicezentren festgelegt und regelmäßig weiterentwickelt. So sind die internen Dienstleistungen bedarfs- und kundenorientiert. Vorbilder für die Vorhaltung zentraler Servicedienstleistungen in Verwaltung und Management finden sich beispielsweise in der Max-Planck- oder Fraunhofer-Gesellschaft. B. Umsetzung der Strategie Im Verantwortungsbereich der Universitätsleitung liegt es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Ziele der Universität und der Einzelstrategien der Unternehmensbereiche eine Universitätsstrategie auszuarbeiten. Die Universität analysiert eigene Stärken und Schwächen sowie die Wettbewerbssituation von Universitäten und anderen Mitbewerbern. Daraus wird ersichtlich, über welches Potenzial die Universität verfügt, welche Stärken sie betonen und welche Schwächen sie bekämpfen muss. Im Folgenden werden Teilstrategien mit unterschiedlichem Fokus wie Personal, Finanzen, Produkte und dergleichen skizziert. Welcher dieser Ansatzpunkte besonders relevant ist, entscheidet der Ist-Zustand der Universität. Mit der grundsätzlichen Entscheidung für eine übergeordnete Universitätsstrategie sind die Anforderungen an Teilstrategien festgelegt. Diese sind immer miteinander verknüpft. Wenn eine Universität z. B. eine Gesamtstrategie entwickelt, die vorsieht, vorrangig Akademiker für einen regionalen Arbeitsmarkt auszubilden, dann muss die dazugehörige Produktstrategie auch explizit eine abgestimmte Palette von Studienund Weiterbildungsangeboten vorsehen, die speziell für den Bedarf der Wirtschaft und der öffentlichen Arbeitgeber in dieser Region maßgeschneidert ist. Im Folgenden werden Teilstrategien für Kundenorientierung, Produkte und Produktionsprozesse, Finanzen, Personal und Kommunikation einer Forschungsuniversität mit internationalem Exzellenzanspruch skizziert: 1. Leitungsstruktur Die tragende und prägende Idee, die der Organisation der Universität der Zukunft zugrunde liegen wird, ist das Prinzip der verantworteten Selbstständigkeit. Jeder Akteur hat in seinem Zuständigkeitsbereich größtmögliche Verantwortung und Entscheidungskompetenz. Als Gegengewicht für diese Autonomie muss jeder Akteur sein Entscheidungshandeln im Hinblick auf die Ziele und die Strategie der Universität regelmäßig rechtfertigen. Um diesen Ansatz mit Leben zu erfüllen, sollen möglichst flache Hierarchien und wenige Entscheidungsebenen existieren. Auf jeder Hierarchiestufe soll das Prinzip der verantworteten Selbstständigkeit konsequent angewendet werden. Dafür benötigt die Universität eine Kultur der Offenheit und einen konstanten Kommunikationsfluss zwischen den Hierarchieebenen14 und zwischen den Unternehmensbereichen und ihren Unterabteilungen15. Eine ausgeprägte formelle und 14 15 Dies bezeichnet den vertikalen Fluss. Dies bezeichnet den horizontalen Fluss. 44 informelle Kommunikationskultur trägt im korporativen Universitätsmodell amerikanischer Privatuniversitäten wesentlich dazu bei, die formal mögliche direkte Weisung zu einem nur selten in Konfliktfällen genutzten Instrument zu machen. Kritische Entscheidungen werden in einem intensiven Meinungsbildungs- und Kommunikationsprozess transparent und bekannt gemacht sowie mit allen Akteuren auf den verschieden Hierarchieebenen, auch den Vertretern der Studierenden, diskutiert. Dieser Diskurs zwischen den Ebenen beruht nicht auf gesetzlich vorgeschriebenen Gremien o. ä., sondern scheint offensichtlich Teil der amerikanischen Führungskultur zu sein, die jeder Stimme ein Recht gewährt, gehört zu werden, selbst dann, wenn die Entscheidungen von wenigen Verantwortlichen getroffen werden. Die hier aufgeführten Hierarchiestufen einer Universität und ihre Hauptverantwortlichkeiten sind kein verbindliches Konzept für eine real existierende Universität. Sie sollen vielmehr den Gedanken der verantworteten Selbstständigkeit und seine Ausprägung auf unterschiedlichen Ebenen verdeutlichen. In Abhängigkeit von der Größe der Universität und der Anzahl ihrer wissenschaftlichen Institute bzw. Schulen müssen die Bereiche integrierende Institutionen wie regelmäßige Konferenzen der Dekane und Institutsleiter mit der Universitätsleitung etablieren. In welcher Form die integrierende Kommunikation in realiter ausgestaltet werden wird, muss jede Universität selbst entscheiden. Auf keinen Fall sollte die integrierende Kommunikation vernachlässigt werden. Universitätsrat - Aufgaben Festlegung von übergeordneten Zielen Auswahl, Einsetzung und Entlassung der Universitätsleitung Zielvereinbarung mit der Universitätsleitung und Ergebniskontrolle hinsichtlich übergeordneter Ziele Festlegung der Einstellungs- und Berufungsverfahren der führenden Wissenschaftler Rechenschaftslegung an den Betreiber der Universität Einsetzung von Evaluationsgremien für Forschung und Lehre. Universitätsleitung - Aufgaben Ausarbeitung einer Universitätsstrategie im Sinne der übergeordneten Ziele Berichterstattung an den Universitätsrat Implementierung der Strategie unter Verwendung der BSC Auswahl, Einsetzung und Entlassung von Führungspersonal Zielvereinbarungen mit dem Führungspersonal Durchführung der Einstellungs- und Berufungsverfahren der führenden Wissenschaftler und Dekane Einwerbung von staatlichen, privaten und industriellen Drittmitteln direkte Verantwortung für die Service-Abteilungen Einsetzung von Kostenrechnungs- und Controllingverfahren Qualitätssicherung Vorschläge für die Mitglieder der Evaluationsgremien Forschung und Lehre Rechenschaftslegung über Verwendung der finanziellen Mittel und Erfolg bei der Implementierung der Universitätsstrategie gegenüber dem Universitätsrat und/oder den Geldgebern. 45 Unternehmensbereich Forschung Geschäftsführer/Institutsleiter - Aufgaben Gemeinsame Verantwortung für die Arbeit der Forschungsinstitute Ausarbeitung der Teilstrategie Forschung und Abstimmung mit der Universitätsleitung Realisierung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung und –steigerung Leitung der kaufmännischen bzw. wissenschaftlichen Aktivitäten in Abhängigkeit von Institutsgröße und Organisationsphilosophie der Universität Einwerbung von industriellen, privaten und staatlichen Drittmitteln insbesondere für Projekte auf Institutsebene Auswahl des Personals, dessen Aktivitäten ausschließlich vom jeweiligen Institut zu verantworten sind Vorschläge zu Personalentscheidungen über MA, die für die Gesamtstrategie der Universität relevant sind wie führende Forscher und Projektleiter in Abstimmung mit der Universitätsleitung und Vorschlagsberechtigung der Institute Zusammenarbeit mit den Studiendekanen bei der Erstellung von Lehrplänen und Prüfungsordnungen regelmäßige Selbstevaluation zur Vorbereitung der externen Evaluation durch ein vom Universitätsrat eingesetztes Evaluationsgremium Rechenschaftslegung über die inhaltlichen Erfolge und finanzielle Situation der Forschungsinstitute gegenüber der Universitätsleitung. Projektleiter - Aufgaben Management einzelner Forschungsprojekte unter Einhaltung der vereinbarten Zeit- und Finanzierungsrahmen Kontaktpflege mit den fachlich relevanten Stakeholder zielgruppengerechtes Marketing von Programmen, Fähigkeiten, Erkenntnissen regelmäßige Marktberichte bzw. Benchmarking mit internationalen Forschungskonkurrenten in allen Themen Rechenschaftslegung über inhaltlichen und finanziellen Fortgang von aktuellen Projekten gegenüber der Institutsleitung. Unternehmensbereich Lehre Dekan - Aufgaben Leitung der Lehraktivitäten bzw. Leitung einer Schule Koordination der Tätigkeiten in den verschiedenen Fachbereichen Auswahl des Personals, dessen Aktivitäten ausschließlich vom jeweiligen Institut zu verantworten sind Vorschläge zu Personalentscheidungen über MA, die für die Gesamtstrategie der Universität relevant sind wie prominente Lehrer und Schlüsselexperten in Abstimmung mit der Universitätsleitung Erstellung von Lehrplänen und Prüfungsordnungen in Abstimmung mit einem Beratergremium aus internen und externen Experten Definition von Zulassungsvoraussetzungen in Abstimmung mit den Forschungsinstituten und externen Beratern 46 - - Einwerbung von industriellen, privaten und staatlichen Drittmitteln insbesondere zur Unterstützung und Weiterentwicklung der Lehre Konzeption und Durchführung der akademischen Fort- und Weiterbildung als Einnahmequelle der Universität; hierbei Einbeziehung der Wissenschaftler aus den Instituten Betreuung der Studierenden in fachlicher und sozialer Hinsicht Rechenschaftslegung über die Leistungen in der Ausbildung, auch im Vergleich, und Vorlage der regelmäßigen Kundenevaluationen durch die Studierenden vor der Universitätsleitung. Fachbereichsleiter - Aufgaben Weiterentwicklung der Lehre im jeweiligen Fach sowohl inhaltlich als auch methodisch Kontaktpflege mit den fachlich relevanten Stakeholders zielgruppengerechtes Marketing von Programmen, Fähigkeiten und Erkenntnissen regelmäßige Marktberichte bzw. Benchmarking mit internationalen Forschungs- und Lehrkonkurrenten in allen Themenbereichen Betreuung der Studierenden in fachlicher Hinsicht, insbesondere auch Fragen zur beruflichen Orientierung und wissenschaftlicher Karriereplanung Konzeption von Studienprodukten für potenzielle Kunden aus der Industrie oder andere Hochschulen Rechenschaftslegung über die Tätigkeiten und Entwicklungen im Fachbereich gegenüber dem Studiendekan. Dienstleistungszentrum Leiter Servicezentren - Aufgaben Erarbeitung der jeweiligen Servicestrategie mit den Leitern der Forschungsinstitute und Schulen Angebot von Dienstleistungen wie Facility Management, Veranstaltungsorganisation, EDV-Service und Recherchetätigkeiten auch an externe Kunden wie Firmen, Partneruniversitäten, Kommunen und dergleichen Sicherung und stetige Verbesserung der Dienstleistungen für die internen Kunden Entwicklung von unterstützenden Tools wie Finanzplanung für Forschungsprojekte o. ä. zur täglichen Entlastung der Wissenschaftler und Lehrer Rechenschaftslegung über Qualität und Kostenentwicklung im Servicebereich vor der Universitätsleitung. Notwendige Voraussetzung für die Entwicklung einer modernen Personalstrategie für Universitäten ist die Handlungsautonomie der einzelnen Universitäten. Besonders für die Profilbildung und Entwicklung einer eigenständigen Identität ist es für die Universitäten entscheidend, alle Personalentscheidungen der Universität in Eigenverantwortung treffen zu können. Ausnahme ist die Universitätsleitung, die vom Universitätsrat eingesetzt wird. Das Personalmanagement kann an einer Universität nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Gesamtzusammenhang der Strategie, der Organisation, insbesondere des Führungssystems gesehen werden. Daher muss das Personalmanagement sorgfältig in die Strategie integriert werden. 47 Die Verantwortung für die Auswahl geeigneter Mitarbeiter soll möglichst auf der Ebene der betroffenen Organisationseinheiten gefällt werden. Auch hier soll das Prinzip der verantworteten Selbstständigkeit soweit wie möglich in alle Ebenen der Organisation hineingetragen werden. Was das Personalmanagement anbelangt wird sich die Universität der Zukunft sehr stark einem modernen Wirtschaftsbetrieb annähern. Sonderregelungen, wie sie das Beamtenrecht und der öffentliche Dienst darstellen, verhindern den Personalaustausch mit der Wirtschaft. Heute verzichtet die Universität auf den Knowhow-Transfer und eine kontinuierliche Erneuerung durch Personalfluktuation. In einigen Fakultäten sind bereits Wissenschaftler angestellt, die praktische Unternehmenserfahrung mit in die Universität bringen. Bei der großen Mehrzahl der universitären Mitglieder ist dies jedoch nicht der Fall. Die Universität der Zukunft wendet sich bewusst den Gesellschaftern und Stakeholdern zu. Dies drückt sich bereits in der Öffnung der universitären Organisation auf der Ebene der Personalstrategie aus. Dazu kommt, dass diese Annäherung zwischen Universität und Wirtschaft die Universität wettbewerbsfähiger macht und es ermöglicht, das Personal leistungsbezogen und marktgerecht zu bezahlen. In der Wirtschaft existiert schon lange eine große Palette von Methoden und Werkzeugen für eine individuell auf die Ziele der Organisation zugeschnittene Personalstrategie. Im Kapitel Personalmanagement des Annex finden sich Überlegungen der Beratungsfirma Bain & Company zu diesem Thema. 2. Finanzierung Die führenden Forschungsuniversitäten in den USA, als Vorbilder werden immer Harvard, Yale und Princeton, Stanford, Caltech und das MIT genannt, erhalten, obwohl sie private Universitäten sind, von der US-amerikanischen Regierung und deren Agenturen sehr große Summen an Forschungsgeldern. Das gleiche gilt für staatliche Universitäten wie beispielsweise die University of California oder University of Texas. Der Wunsch, auf Universitäten mit weltweiter Reputation verweisen zu können, setzt allerdings die Entscheidung der Regierung voraus, diese Vorzeigeinstitutionen langfristig mit großem Mitteleinsatz zu unterstützen. Natürlich haben sich diese Einrichtungen für diese Ausnahmestellung wissenschaftlich qualifiziert und ihre Managementstrukturen professionalisiert. Staatliche Finanzierung Auf diese großzügige und langfristig gesicherte Unterstützung wären auch in Deutschland wissenschaftlich herausragende und professionell geführte Forschungsuniversitäten angewiesen. Möchte sich Deutschland ebenfalls derartige prominente Vorzeigeinstitutionen leisten, müsste sich vom Prinzip der Gleichverteilung und der Egalisierung verabschiedet werden. Forschungsuniversitäten benötigen hervorragende Forscher und, insbesondere in den naturwissenschaftlich-technischen Fächern, eine einzigartige Geräteausstattung. Beide Kostengruppen sind kostenintensiver als die Standardausstattung von Universitäten. 48 Die wichtigsten Einnahmequellen einer deutschen Forschungsuniversität der Zukunft sollten die Forschungsförderung des Bundes und Forschungsbudgets der Länder sein. Eine Forschungsuniversität wird erhebliche zweckfreie Budgets der Länder benötigen, um ihre Unabhängigkeit von der Wirtschaft und kurzfristiger Technologieorientierung sicher zu stellen. Studiengebühren Eine erfolgreiche Forschungsuniversität wird sich weitere Einnahmequellen erschließen können. Wenn Studiengebühren eingeführt werden, wird dieser Einnahmenblock für die Forschungsuniversität eine geringere Bedeutung haben als für die berufsorientierten Universitäten. Die Zahl der Studierenden an der Forschungsuniversität wird vergleichsweise gering sein. Das CalTech beispielsweise hat nur ca. 2000 Studierende und die Studiengebühren fallen geringer aus als an den Professional Schools für Juristen, Ärzte und Manager, auch wenn die Ausbildung am CalTech teurer ist. Allerdings ist die Ausbildung an hervorragenden Forschungsinstitutionen auf die Qualifizierung des eigenen wissenschaftlichen Nachwuchses gerichtet, quasi eine Investition in die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Institution und nicht primär auf Einnahmeerzielung aus Studiengebühren. Am CalTech tragen die Studiengebühren 4 % zum Gesamthaushalt bei, am MIT 9 %. Entscheidend ist, dass viele Studenten der genannten Organisationen Stipendien erhalten. Die Differenz aus eingenommenen Studiengebühren und finanzieller Unterstützung für Studierende ist ein so geringer Beitrag zum Gesamthaushalt, der Studiengebühren als Finanzierungsquelle unbedeutend werden lässt. Die Handhabung der Studiengebühren und Stipendien ist allerdings ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Sicherung der überdurchschnittlichen Qualifikation der aufgenommenen Studienbewerber. Neben der Möglichkeit, Studiengebühren über Stipendien zu finanzieren, kann auch ein Gutscheinsystem eingeführt werden. Jeder Studierende würde sich sein Studium letztendlich doch durch den Staat finanzieren, erhält aber eine zeitlich limitierte Auflage und verschafft der gewählten Universität direkte Einnahmen für sein Studium. Die Höhe der Finanzierungszuwendung des Staates an die Universität ist dann proportional zur Studentenzahl. So haben Angebot und Nachfrage direkten Einfluss auf die Finanzlage. Der Studierende wird als Kunde erkannt und es wird eine Marktsituation bei Studienplätzen entstehen. Auch die wissenschaftliche Weiterbildung wird keine bedeutenden Einnahmen generieren, da die Zielgruppe für dieses Angebot, die Wissenschaftler, nicht entsprechend zahlungskräftig sein wird wie etwa die Executives, die durch Trainings an Professional Schools der Eliteuniversitäten ihren Marktwert erheblich steigern können. Denn sie betrachten die Gebühren als Investitionen in zukünftige Gehälter. Wesentlich ist allerdings, dass die Einnahmen an die Universitäten fließen. In Deutschland werden überwiegend Wege gesucht, wie universitäre Angebote in der Weiterbildung zu privaten Zusatzeinnahmen für die Dozenten umgewandelt werden können. Da Universitäten im Weiterbildungssegment zu privaten Anbietern in Konkurrenz treten, sollte Weiterbildung in eine Universitäts GmbH ausgelagert werden. So wird einer eventuellen Wettbewerbsverzerrung gegenüber privatwirtschaftlichen Unternehmen vorgebaut. Außerdem können professionelle 49 Marketing- und Organisationsstrukturen speziell für diesen Zweck aufgebaut werden, die dergestalt in der Universität keinen Platz finden würden. Auftragsforschung Eine wichtige Einnahmequelle einer deutschen Forschungsuniversität wird die Auftragsforschung für die Wirtschaft sein. In diesem Kontext ist jedoch die sehr leistungsfähige Konkurrenz der großen deutschen Forschungsorganisationen wie der FhG zu beachten. Um dieser Konkurrenz standhalten zu können, haben Universitäten in der Vergangenheit oft Fehler bei der Preisgestaltung begangen. Viele Lehrstühle rechneten nicht die tatsächlichen Aufwendungen ab, sondern ließen Personal, das bereits durch die staatliche Grundfinanzierung gedeckt war, außen vor. Dies ist nicht nur eine verdeckte Subventionierung der begünstigten Unternehmen, sondern auch ein Vortäuschen von Leistungsfähigkeit und ein finanzieller Ausfall für die Universitäten. Auftragsforschung sollte zu einer Haupteinnahmequelle der Universitäten in Deutschland entwickelt werden, weil Universitäten mit dem Akzeptieren öffentlicher Fördergelder die Verpflichtung eingehen, ihr Know-how, das unter Verwendung von Steuergeldern aufgebaut wird, die Unternehmen und Privatpersonen entrichten, in wirtschaftliche Anwendung zu überführen. Wettbewerbsverzerrung stellt neben Subventionierung durch Preisdumping eine Gefahr dar, der die Universitäten durch eine realistische Kostenrechnung und ein transparentes Angebots- und Auftragswesen entgegensteuern müssen. Beratungs- und Gutachtertätigkeit Eine weitere wichtige Einnahmequelle für die Forschungsuniversität stellt die Erstellung von Gutachten und die Beratung von Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern durch Professoren und Wissenschaftler dar. In Deutschland wurde dies bisher als private Einnahmequelle für die Wissenschaftler gesehen. Die Einnahmen sind selten den Universitäten zugeflossen, selbst wenn Ressourcen der Universität genutzt wurden. Nach Aussage von deutschen Professoren betragen diese Zusatzeinnahmen in vielen Fällen das zwei- oder dreifache des Professorengehaltes. Außerdem sind mit diesen Nebentätigkeiten unter Umständen Haftungsrisiken für die Universitäten verbunden, obwohl ihr die Einnahmen nicht zufließen. In der Universität der Zukunft, die Professoren leistungsorientiert und angemessen vergütet, sollen derartige Nebeneinkünfte nicht mehr möglich sein, entsprechend legaler Verhältnisse in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst. Alle Einnahmen der Angestellten sollten der Universität zufließen. Den Mitarbeitern, die besondere Leistungen erbringen, wozu diese Beratungstätigkeiten der nachgefragten leistungsfähigen Mitarbeiter zählen, sollen auch besondere Leistungsprämien zustehen. Da diese Tätigkeiten nicht zu den Kernaufgaben der Universität zählen und mit Haftungsrisiken verbunden sind, werden sie in einer Universitäts GmbH ausgegliedert. Als Vorbild ist die Oxford University Consulting, OUC, zu nennen, die Professoren bei deren Beratungstätigkeit professionell unterstützt. Ihr gelang es, die Honorare im 50 Vergleich mit denen für private Tätigkeiten der Professoren um 50 % zu erhöhen. Die Professoren werden prozentual an diesen Einnahmen beteiligt. Diese Einnahmequelle kann ohne wesentliche Vorinvestition erschlossen werden und bei professionellem Management hohe Umsätze mit sehr hoher Rendite generieren. Nutzung von Forschungsanlagen Eine Forschungsuniversität wird über eine einzigartige Geräteausstattung verfügen, deren Nutzung auch für die Wirtschaft interessant sein kann. Diese Aussage wird beispielsweise belegt durch das große Interesse der Wirtschaft, insbesondere der Pharmaindustrie, an dem Forschungsreaktor München II der TU München. Allerdings zeigt dieses Beispiel auch, dass es der Politik in Deutschland noch schwer fällt, sich zur Elite zu bekennen. Die bisherige Verweigerung der Betriebsgenehmigung nach einer Investition von ca. 850 Millionen DM Steuergelder raubt Deutschland die Chance, eine weltweit einzigartige Forschungsanlage zu nutzen, um herausragende Erfolge zu erzielen. Diese könnten eine deutsche Forschungsuniversität als ernsthafte Konkurrenz zu den amerikanischen Eliteeinrichtungen positionieren. Beim Verkauf der Anlagennutzung an die Wirtschaft kann die Universität neben der Arbeitsleistung des Bedienpersonals auch teilweise die Investitionskosten in Rechnung stellen. Das Partnerunternehmen erspart sich die Investition und erlangt die Leistung weitaus kostengünstiger. Diese Einnahmequelle kann ohne Investition erschlossen werden, wenn die Vermarktungs- und Vermittlungsaufgabe einer Universitäts GmbH übertragen wird. Die Universitäts GmbH sollte in Form von erfolgsabhängigen Vermittlungsprovisionen vergütet werden. Zusätzlich benötigtes Personal muss aus den zusätzlichen Einnahmen finanziert werden. Vergleichbare Vermarktungschancen hat das Angebot wissenschaftlicher Dienstleistungen wie Spezialanalytik oder bestimmte Messungen, die eine seltene Expertise verlangen, die wiederum nur eine Forschungsuniversität bieten kann. Lizenzierung Eine herausragende Forschungsuniversität wird auch hervorragende Chancen bei der Lizenzierung von Technologie und geschütztem Know-how haben, sodass die Lizenzierung eine wichtige Einnahmequelle werden kann. Durch die Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs im Jahr 2001 wurden die deutschen Universitäten zumindest rechtlich in die Lage versetzt, sich diese Einnahmequelle zu erschließen. Die erfolgreiche operative Umsetzung wird nicht unproblematisch sein. Deshalb werden die prognostizierten Einnahmen noch einige Zeit auf sich warten lassen. Werden die Erfolge der erfolgreichsten Universitäten in den USA betrachtet, die den Technologietransfer perfektioniert haben, ist festzustellen, dass selbst die „Stars“ nur ein bis drei Prozent des Universitätsbudgets aus Lizenzierungen bestreiten. Dem stehen allerdings erhebliche Kosten gegenüber, da nur hochqualifiziertes und gut bezahltes Personal diese Transferleistung erbringen kann. Überdies kann die Anmeldung und Verteidigung von Intellectual Property Rights, den sogenannten IPR, sehr kostspielig sein. Die Renditen dieser Einkunftsart sind daher trotz vielfach 51 überzogener Darstellung eher gering. Die Investition in den Aufbau einer schlagkräftigen Einheit für das Management von IPRs und deren Vermarktung wird in der Größenordnung von 10 Millionen Euro liegen. Sie wird erst nach 5 bis 10 Jahren stabile Rückflüsse generieren und nur bei außergewöhnlichen Vermarktungserfolgen nennenswerten operativen Gewinn abwerfen16. Allerdings ist es den Universitäten weitaus wichtiger, ihre Technologie in die wirtschaftliche Anwendung zu überführen als maximalen Umsatz zu erzielen. Um diese Transferleistung der mit Steuergeldern entwickelten Technologie in die industrielle Anwendung zu unterstützen, beteiligen sich amerikanische TopUniversitäten häufig an Unternehmensgründungen, besonders dann, wenn die betreffende Technologie nicht an bestehende Unternehmen lizenziert werden kann. Der finanzielle Rückfluss spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Allerdings trägt die Schaffung von Arbeitsplätzen erheblich zum Image einer Einrichtung bei. Das MIT nimmt in dieser Hinsicht eine herausragende Stellung ein. Fundraising Das Image der Universität in der Öffentlichkeit und die Zufriedenheit der Absolventen sind die erfolgsentscheidenden Voraussetzungen für Fundraising-Aktivitäten, sei es in Großspendenkampagnen, den Capital Campaigns oder den jährlichen Spenden der Absolventen, dem Annual Giving. Reine Forschungsuniversitäten wie das CalTech werden von den Alumni weniger Spenden einnehmen, da die Zahl der Alumni relativ klein ist. Außerdem machen diese Alumni in der Mehrzahl als Wissenschaftler Karriere und zählen nicht zu den Höchstverdienern der Gesellschaft. Universitäten, die Professional Schools betreiben, wie fast alle US-amerikanischen Eliteuniversitäten, erhalten enorme Spendenbeträge von ihren wohlhabenden Absolventen. Diese sind sich bewusst, dass sie ihren Wohlstand auch dem Abschluss einer Eliteeinrichtung verdanken. In den Großspendenkampagnen erzielen die führenden Universitäten Einnahmen von 1,5 bis 2 Milliarden US $ über einen Zeitraum von fünf Jahren. Obwohl diese Universitäten sogenannte Development Teams mit bis zu 250 Mitarbeitern unterhalten, ist der return on investment dieser Aktivitäten geradezu phantastisch. Untersuchungen in Großbritannien haben ergeben, dass den Einnahmen durch Fundraising lediglich Ausgaben in der Größenordnung von 15 bis 18 % gegenüberstehen. Ein großer Anteil der Fundraising-Einnahmen führender Universitäten sind zweckfreie Spenden, endowments. Die Harvard University häufte aus diesen Spenden über die Jahre hinweg einen Kapitalstock von 19 Milliarden US $ an. Bei konservativer Anlage dieses Betrages, 5 % Zinsen, auf dem Kapitalmarkt würde pro Jahr bereits eine knappe Milliarde US $ Einkommen erzielt werden17. Diesen Einnahmen steht nur ein geringer Aufwand gegenüber. Werden Anlageberater von den Universitäten beauftragt, die etwas risikoreichere Anlagestrategien wählen, können auch höhere Renditen erzielt werden. Das Dartmouth College erwirtschaftete im Jahr 2000 eine Rendite von 45 %, überwiegend durch Beteiligung an erfolgreichen Unternehmen. Dieser Erfolg ist allerdings auch für amerikanische Verhältnisse eine 16 Die Zahlen geben Schätzungen für den Aufwand an Schutzrechtsanmeldungen und -verteidigungen sowie die Kosten für qualifiziertes Personal wieder. Das Technology Licensing Office des MIT beschäftigt im Vergleich zu den ca. 900 wissenschaftlichen Mitarbeitern der Gesamtuniversität ca. 35 Mitarbeiter. 17 Im Vergleich dazu beträgt der Gesamthaushalt der TU München, einschließlich des Klinikums, umgerechnet etwa 800 Millionen US $. 52 Ausnahme. Er war aufgrund der damaligen Entwicklung an den Kapitalmärkten möglich und ist vermutlich nicht wiederholbar. Diese Kapitalvermögen bieten den Universitäten nicht nur die Chance, strategische Investitionen zu tätigen, um ihre Position im Wettbewerb zu stärken, sondern geben Sicherheit für Zeiten wirtschaftlicher Depression oder sinkender staatlicher Unterstützung. Dass Fundraising auch in Deutschland trotz einer anderen Spendenkultur als in Amerika und trotz sehr viel geringerer Möglichkeiten der Spendenabschreibung erfolgreich sein kann, hat die TU München bewiesen, die gemeinsam mit ihrem Tochterunternehmen, der TUM-Tech GmbH, die erste Großspendenkampagne einer staatlichen Universität in Deutschland durchgeführt hat. In weniger als zwei Jahren wurden Spendenzusagen von 100 Millionen DM eingeworben. Bei Kosten von weniger als 5 % ist dies eine außergewöhnliche Rendite. Universitäten, die nicht diesen First-Move-Vorteil, von dem die TU München profitierte, genießen, werden keinesfalls diese außergewöhnliche Rendite erzielen. Ein weiterer Vorteil der TU München war, dass ihr Tochterunternehmen TUM-Tech GmbH die Kampagne vorfinanziert hat. Um eine größere Fundraising-Kampagne durchzuführen, ist eine Investition von drei bis fünf Millionen Euro in eine universitätsinterne Gruppe und in Beratung zu veranschlagen. Erste Erfolge stellen sich in der Regel nach etwa einem Jahr der Aktivitäten ein. Merchandising Bekannterweise sind amerikanische Top-Universitäten sehr erfolgreich auf dem Gebiet des Merchandising. Primäres Ziel stellen nicht die Einnahmen dar, sondern die Bindung der Absolventen und Freunde sowie die weltweite Verbreitung des Markennamens der Universität. Dieser Erfolg ist überdies eng verknüpft mit den Sportmannschaften der Universitäten, die in den USA eine ähnliche Popularität genießen wie in Europa der Fußball der oberen Ligen. Vom Merchandising als Einnahmequelle sollten sich deutsche Universitäten nicht zuviel versprechen, solange sie in der öffentlichen Wahrnehmung jedem mittleren Fußballverein hinterherhinken. Außerdem sind mit den Einnahmen Kosten in vergleichbarer Höhe verbunden. 3. Attraktivität am Markt Wer sind die Kunden einer Universität? Der Begriff des Kunden, wie ihn die Wirtschaft verwendet, muss aus der Perspektive einer Universität differenziert werden: Die Universität hat nicht nur zahlende Kunden wie Studierende, die Studiengebühren zahlen und Unternehmen, die Forschungsaufträge erteilen. Der Kundenbegriff muss weiter gefasst auf alle Abnehmer von Leistungen der Universität angewendet werden. Dies schließt neben den Studierenden, Auftraggebern für Drittmittelforschung und der scientific community auch die Stakeholder mit ein, die ebenfalls ein direktes oder indirektes Interesse an den Leistungen der Universität haben. Die nach Exzellenz strebende Forschungsuniversität ist letztendlich nur an einem speziellen schmalen Ausschnitt verschiedener Kundengruppen interessiert: 53 - an den Studienbewerbern mit hoher Intelligenz, Leistungsbereitschaft und Forschungseignung an den Wirtschaftsunternehmen weltweit mit Bedarf an Know-how aus dem Forschungsspektrum der Universität an den Wissenschaftlern, die sich weltweit mit den gleichen oder verwandten Fragestellungen wie die universitären Forschungsteams auseinandersetzen an der so genannten interessierten Öffentlichkeit, die die Aktivitäten der Universität verfolgt. Sobald die Forschungsuniversität ihre Kundengruppen identifiziert hat, kann sie diese durch ein gezieltes Marketing in den Unternehmensbereichen Forschung und Lehre mit Informationen über ihr Selbstbild, ihre Leistungen und Ziele versorgen, um so ihre Marktposition zu festigen und auszubauen. Die Forschungsuniversität der Zukunft muss sich auf mehreren Märkten durchsetzen. Der Anspruch, internationale Exzellenz zu erreichen, bringt mit sich, dass sich die Universität der Zukunft mit ihren Forschungsaktivitäten auf jeden Fall international profilieren muss. Sie muss danach streben, sich als ein international gesuchter Ansprech- und Kooperationspartner in ihrem Fachgebiet zu etablieren. Dazu muss sie zum einen auf herausragendem wissenschaftlichen Niveau forschen, zum anderen wird sie entsprechende Kontakte gezielt aufbauen und pflegen, Kooperationsprojekte mit internationalen Partnern initiieren und sich konsequent international um Forschungsgelder bemühen, um so außer Leistung auch Präsenz zu zeigen. Forschung und Transfer Um Anerkennung und Renommee in der scientific community aufzubauen, muss die Forschungsuniversität regelmäßig mit ihren Forschungsprojekten in die internationale Spitze vordringen. Bei der mit öffentlichen Geldern geförderten Forschung wird sicher ein großer Teil der Gelder aus der Bundesrepublik bzw. der EU kommen. Zusätzlich sollte sich die Universität stark um Kooperationsprojekte mit ausländischen Forschungseinrichtungen, insbesondere in den USA und Asien, bemühen, um auch hier ihre Bekanntheit zu steigern und ihre Chancen zu verbessern, Gelder von ausländischen Unternehmen, Stiftungen oder auch Regierungen zu bekommen. Gezielt strategisch handelnde Institutionen erreichen dies schon heute. Das MIT oder die Universität Berkeley, beide weltweit renommiert in der Forschung, erhalten auch von deutschen und anderen europäischen Unternehmen Forschungsaufträge bzw. Spenden. Mögliche Gradmesser für die internationale Anerkennung sind - - der Umfang internationaler Forschungsgelder, die Häufigkeit, mit der Wissenschaftler der Universität aufgefordert werden, Beiträge zu internationalen wissenschaftlichen Konferenzen zu liefern die Häufigkeit mit der ihre Artikel in der Fachpresse erscheinen, die Häufigkeit mit der Wissenschaftler als Reviewer für die Fachpresse tätig werden der Anteil ausländischer Wissenschaftler im Mitarbeiterstab die Anzahl ausländischer Bewerbungen zum Studium 54 und ähnliche Größen. Um diese Faktoren kritisch überprüfen zu können, müssen sie regelmäßig mit den Kennzahlen der Mitbewerber verglichen werden. Verknüpft mit der Forschung ist Transfer eine weitere auf externe Kunden gerichtete Aktivität der Forschungsuniversität der Zukunft. Hierbei handelt es sich um Know-howund Technologietransfer in verschiedenen Ausprägungen wie Auftragsforschung für die Industrie, Ausgründung von Unternehmen, Erbringung technischer Dienstleistungen, Erstellung von Gutachten, Beratertätigkeiten, Weiterbildungsangebote, Lehrkooperationen u. ä. Der Transfer-Markt ist nicht dezidiert international ausgerichtet wie die Märkte der Unternehmensbereiche Forschung und Lehre. Neben der intellektuellen Orientierung muss sich die Universität der Zukunft konstruktiv in ihr sozio-ökonomisches Umfeld einfügen. Hier spielt der Technologie- und Know-how-Transfer eine große Rolle. Sein Wirkungskreis kann ausgeprägt lokal sein. Der lokale Erfolg wird allerdings durch das internationale Renommee möglich gemacht. Besonders in den naturwissenschaftlichen Fächern hat eine renommierte Universität stets das Potenzial, ein wichtiger Nukleus und Katalysator der regionalen Entwicklung zu werden. Berühmtestes Beispiel dafür ist das Silicon Valley in dessen Mitte die Stanford University liegt, wobei neben Stanford sicher auch die nahegelegenen Universitäten Berkeley und UC San Francisco einen maßgeblichen Beitrag geleistet haben. International sehr renommierte Forschungsuniversitäten wie das MIT sehen sich in der Verantwortung, für die regionale wirtschaftliche Entwicklung gezielt Beiträge zu leisten. Sie richten ihren Know-how- und Technologietransfer gezielt lokal aus. Explizit internationale Ansätze sind ebenfalls möglich. Wenn heute die Universitäten Harvard, Stanford und Cambridge gemeinsam ein Fortbildungsprogramm für die internationale Managerelite anbieten, dann wird versucht, durch die Kombination dreier akademischer „Top-Marken“ die internationale Nische Leading Executive Training im Bildungsmarkt zu besetzen. Durch kombinierte Stärken werden andere potenzielle Anbieter in diesem Segment verdrängt. Kunden für Forschungsdienstleistungen und Know-how Die Forschungsuniversität definiert ausgehend von ihren Schwerpunkten, dem Mix aus kurz-, mittel- oder langfristig angelegten Projekten, der Verteilung von grundlagenund anwendungsorientierten Projekten sowie dem angestrebten Finanzierungsmix ihre Schlüsselkunden. Deren Aktivitäten und Bedarfe sind für das Forschungsfeld repräsentativ. Diese Schlüsselkunden setzen sich zusammen aus Forschungseinrichtungen, Wirtschaftsunternehmen, möglicherweise anderen Universitäten und staatlichen Stellen wie Ministerien, Bundesämter, o. ä. Diese Definition schließt potenzielle andere Kunden nicht aus. Die Schlüsselkunden werden intensiv betreut und in regelmäßigen Kontakten nach ihrer Zufriedenheit, ihren Know-how- und Entwicklungsbedürfnissen sowie Zukunftsprognosen befragt. Auf diese Weise verschafft sich die Universität ein Bild über die Veränderungen auf dem Markt für ihre Forschungsleistungen. Sie erhält Überblick über die Entwicklungen, die sich bei den Anwendern abzeichnen und erkennt die Entstehung neuer Fragestellungen. Außerdem ist es von großem Vorteil, wenn Wissenschaftler der Universität aufgrund ihrer Bekanntheit und 55 wissenschaftlichen Leistung in die wissenschaftlichen Beratungsgremien der Forschungsförderungs-institutionen berufen werden. Sie können dort die zukünftige Entwicklung in ihrem Fachbereich mitbestimmen. Eine Forschungsuniversität hat demnach großes Interesse, ihre Mitglieder in solche Gremien eingebunden zu sehen. Kundenorientierung und –betreuung in der Forschungsuniversität – das MIT als best-practice-Beispiel Als best-practice-Beispiel für eine ganzheitliche Kundenorientierung auf mehreren Ebenen, die untereinander verknüpft sind, wird die Kontaktpflege mit der Wirtschaft und die Firmenbetreuung des MIT betrachtet. Die Aktivitäten finden im Rahmen des sogenannten Industrial Liaison Program, ILP genannt, statt, das vom Office for Corporate Relations durchgeführt wird. Allgemeine Aufgabe des Office for Corporate Relations ist es, die Beziehungen des MIT zu Wirtschaftsunternehmen zu fördern. Seine Hauptaktivität ist das Industrial Liaison Program. In diesem Programm findet das Key Account Management, Relationship Management und die Entwicklung von industrieorientierten Programmen statt. Gleichzeitig dient das ILP als Katalysator und Initiator von Know-how- und Technologietransfer zwischen den Wissenschaftlern des MIT und der Wirtschaft. Das ILP besteht seit 1948. Heute sind ca. 200 Unternehmen aus den USA, Europa und Asien daran beteiligt. Die Teilnahme erfolgt auf Basis einer Mitgliedschaft. Die Gebühren für Firmen sind abhängig von ihrer Größe und ihrem Umsatz. Sie liegen zwischen 5000 $ und 75.000 $ jährlich. Im ILP sind sogenannte Account Manager beschäftigt, die als Industrial Liaison Officer, ILO genannt, jeweils ein Portfolio von 12 bis 15 Firmen betreuen. Sie sind die Ansprechpartner für alle Fragen in Bezug auf das MIT, die von ihren Unternehmen kommen. Jeder Account Manager ist zusätzlich zuständig für die fachliche Betreuung des Transfers in einer Technologie. Der Account Manager baut stabile Kontakte zu den Professoren und Forschern des MIT in diesem Technologiebereich auf. Für Entwicklungen, Kontakte und Informationen gibt es eine gut gesicherte Technologieund Kontaktdatenbank. Unternehmen, die sich am ILP beteiligen, können als Serviceleistung sehr kurzfristig Technology Monitoring Reports über die Forschungsaktivitäten des MIT bekommen. Weitere Dienstleistungen für Firmen, die am ILP teilnehmen, sind die Organisation von Kontakten und Terminen mit Wissenschaftlern, besondere Recruitment-Veranstaltungen für Absolventen, regelmäßige Vorabinformationen aus dem MIT, Vergünstigungen bei der Teilnahme an Fachveranstaltungen und vieles mehr. Für ihre Themen und ihre Kunden entwickeln die Account Manager maßgeschneiderte Programme oder Projekte in Kooperation mit dem MIT. Um die Zusammenarbeit zwischen ILP und Professoren zu verbessern, wurde ein Incentivesystem, das Sharing of revenue points, installiert. Für Transferprojekte, die Wissenschaftler des MIT über das ILP abwickeln, werden Punkte vergeben. Am Ende des Jahres wird ein Teil der Gelder, die das ILP erwirtschaftet, entsprechend der vergebenen Punkte an die Abteilungen der Wissenschaftler verteilt. Besonders für junge oder neue Professoren ist das ILP eine große Hilfe beim Aufbau von Industriekontakten. Erfahrene Wissenschaftler haben über die Jahre meist ein eigenes Netzwerk aufgebaut. 56 Eine weitere wichtige Aktivität des ILP ist die Veranstaltung von internationalen Fachkonferenzen. Diese sind keine Einkommensquelle, aber wichtig für die Präsentation von MIT-Know-how und Werbung des MIT. Firmen, die sich am ILP beteiligen, haben kostenlosen Zugang zu den Konferenzen. Bei diesen Veranstaltungen werden regelmäßig neue Firmen eingeladen, sich am ILP zu beteiligen. Die entscheidenden Merkmale des ILP sind seine Vernetzung nach innen in die Universität über die sogenannten Account Manager, das System der Revenue Points und seine enge Zusammenarbeit mit dem Technology Licensing Office. Dessen Aufgabe ist es, Erfindungen an denen das MIT Rechte besitzt, zu vermarkten. Für den Erfolg und die Akzeptanz in der eigenen Universität ist der Umstand wesentlich, dass das ILP die Kosten seiner Aktivitäten trägt und einen kleinen Gewinn erwirtschaftet. Das Selbstverständnis der ILP Mitarbeiter ist sehr serviceorientiert sowohl nach außen gegenüber den Firmen wie auch nach innen gegenüber den Wissenschaftlern des MIT. Fakten über das ILP Im Jahr 2001 listete das MIT 900 faculty-Mitglieder, die in Forschung oder Lehre tätig sind, auf. Die Gesamtzahl der Studierenden betrug etwa 10.000, von denen ca. 5.800 einen Master- oder Doktorgrad anstreben. Im Office for Corporate Relations sind etwa 50 Mitarbeiter beschäftigt. Ihre Aufgabe ist es, die Beziehungen des MIT zur Industrie zu pflegen. Neben den Mitarbeitern des ILP sind in den Schools und Departments etwa 100 weitere Mitarbeiter des MIT mit der Pflege von Industriekontakten befasst. Die Qualifikationen der Account Manager sind technisches Fachwissen, praktische Industrieerfahrung bzw. wirtschaftliche Kenntnisse und ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten. Ein großes Problem des MIT ist, dass Kandidaten mit diesen Qualifikationen sehr gut bezahlte Jobs in der Wirtschaft finden können und das MIT mit attraktiven Industriepositionen konkurrieren muss. Das primäre Ziel des MIT ist, mit dem ILP Firmen zu finden und einzuladen, Forschungsaufträge an das MIT zu vergeben bzw. gemeinsame Forschungsprojekte zu entwickeln. Der Übergang von industriefinanzierten Forschungsprojekten und wissenschaftlichen Kooperationen zwischen der Universität und der Industrie sowie Transferprojekten, innerhalb derer die Universität ihr wissenschaftlich-technologisches Know-how vermarktet, ist fließend. Das MIT trägt diesem Umstand Rechnung, indem es die verschiedenen Ebenen und Varianten des Austausches zwischen Universität und Wirtschaft in ein vernetztes System von Dienstleistungseinheiten einbettet. Das übergeordnete Ziel dieser nach außen gerichteten Aktivitäten ist letztendlich, einen Mehrwert bzw. finanzielles Einkommen für das MIT zu generieren. Deshalb tauschen sich die Einheiten, die über gute Industriekontakte verfügen, regelmäßig mit dem MIT Resource Development aus, das für Fundraising zuständig ist. 57 Das Technology Licensing Office Die Verantwortung für die Vermarktung von Erfindungen, an denen das MIT die Rechte hält, liegt beim Technology Licensing Office, genannt TLO, des MIT. Nach dem amerikanischen Erfinderrecht gehören alle Erfindungen, die von Mitgliedern der Universität im Rahmen ihrer Arbeit gemacht werden, der Universität. Ausgenommen sind Erfindungen, die das Resultat von Forschungsverträgen sind, die ausdrücklich festgelegen, dass die Rechte beim Auftraggeber liegen. Der Aufgabenbereich des TLO umfasst alle Fragen rund um die Intellectual Property Rights wie Patente, Software, Handelsmarken und Urheberrechte. Es beschäftigt neun Patentberater mit Industrieerfahrung, die sich zusammensetzen aus einem Chemiker, Biologen, Elektroingenieur, Physiker, Chemie-Ingenieuren und einem Anwalt. Diese Gruppe wird von 20 weiteren Arbeitskräften, vor allem in der Recherche, unterstützt. Als wichtigste Funktion des TLO gilt nicht die Erzielung maximaler Einnahmen durch Lizenzen, sondern der Technologietransfer und bei Ausgründungen der langfristige Aufbau von stabilen Alumnibeziehungen, die zu späteren Zeitpunkten Spender werden. 1999 hatte das MIT ein Einkommen von 28 Millionen $ aus dem TLO. Das TLO arbeitet mit MIT-Forschern und der Wirtschaft zusammen. Es unterstützt die Forscher zudem bei der Suche nach Partnern, wenn vielversprechende, aber unausgereifte Forschungen abgeschlossen werden sollen. Zwei TLO Mitarbeiter sind daher mit Marktforschung beschäftigt. Überdies werden auch Firmen eingeladen, von denen angenommen wird, eine für sie interessante Erfindung anbieten zu können. Laut der Erfahrung von TLO-Experten interessieren sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen für die Erfindungen des MIT. Die Ursache sehen sie darin, dass große Firmen eigene Forschung auf sehr hohem Niveau betreiben und daher keinen Bedarf am Erwerb von Know-how haben. Dies stimmt auch mit dem Anspruch des MIT überein, in seiner Nachbarschaft innovative kleine Unternehmen zu fördern und die wirtschaftlich-technologische Entwicklung der umliegenden Region zu stimulieren. 58 Vernetzung von Elementen des Technologietransfers und Fundraising am MIT Industrial Liaison Program Initiiert und kultiviert Beziehungen zu Industrieunternehmen Hilft TLO beim Finden von Industriepartnern Vermittelt Firmen an Professoren für Auftragsforschung Empfiehlt Unternehmen als potentielle Spender an Fundraising Technology Licensing Office Fundraising Spin-offs Beteiligungen MIT Start-ups SMEs Lizenzgebühren Abb. 8: Vernetzung von Elementen des Technologietransfers und Fundraising am MIT 4. Kunden in der Lehre Die Lehre sollte auf jeden Fall anstreben, Bewerber aus der ganzen Welt anzuziehen. Weltweite Attraktivität der Lehre leitet sich zu großen Stücken aus dem Forschungsrenommee ab, ergänzt durch eine Marketingstrategie, die gezielt die besonders leistungsbereiten und forschungsorientierten Schulabsolventen bzw. Undergraduates anspricht. Ein Beispiel für solch eine gezielte Ansprache eines bestimmten Bewerbertypus ist das Informationsangebot für Bewerber auf der Internetseite des CalTech. “To help you figure out if you'd fit at Caltech, we've tried to communicate who we think we are in this site -- both visually and, wherever possible, in the words of the people who live, study, and work here. (To test your ideas about us, we've given you some problem sets -- Techspeak for homework -- to do as you surf.) After you've explored this site, we hope you'll have a better feel for whether you'd be comfortable in our community.” “We have to be honest with you: in many ways, Caltech is a demanding, challenging place. It isn't for everyone. If you come here, you will very likely find yourself working harder than you ever thought possible. (The up side is that you may also find yourself among your true intellectual peers for the first time in your life.) But it's not true that 59 you'll work all the time (unless, of course, you want to. But we don't see why you would.). We take things seriously, sure; but that applies to having fun, too!”18 Hier werden gezielt Bewerber eingeladen, die sich in der Schule aufgrund ihrer herausragenden Leistungen als Außenseiter fühlen bzw. gefühlt haben. Es wird ihnen versprochen, dass sie am CalTech unter ihresgleichen sein werden, „find your true intellectual peers“, und dass sie als Studierende des CalTech einer besonders leistungsfähigen und intelligenten Elite angehören werden, die sich z. B. durch eine eigene Sprache, „techspeak“, vom Durchschnitt abgrenzt. Die Zielgruppe der naturwissenschaftlich begabten Schüler wird dezidiert eingeladen, sich mit der Leistungselite der CalTech-Studierenden zu identifizieren. Um den internationalen Interessenten den Zugang zu erleichtern, muss ein wesentlicher Teil der Lehre in englischer Sprache stattfinden, d. h., die Produkte müssen an den Zielmarkt angepasst werden. Außerdem muss eine angemessene Anzahl von Stipendien oder anderen Finanzierungsmodellen für die Refinanzierung von Studiengebühren vorgesehen sein. Gerade in Ballungsräumen muss die Universität in der Lage sein, den Studierenden Wohnraum möglichst auf dem Campus anzubieten bzw. die Studierenden bei der Anmietung von Wohnungen aktiv zu unterstützen. Um diese angestrebte Internationalität nicht nur nach außen zu demonstrieren, sondern im Selbstverständnis zu verankern, muss kulturelle Offenheit und der internationale Dialog im Wertekatalog der Universität der Zukunft an vorderster Stelle stehen. Toleranz und Interesse für das Fremde muss im Selbstverständnis wie in der Selbstdarstellung der Forschungsuniversität stets präsent und deutlich erkennbar sein. Kunden für die Lehre an der Forschungsuniversität Das angestrebte Ziel, Exzellenz in der Forschung zu erreichen, gibt Art und Qualität der Bewerber vor, die die Ausbildung zum Wissenschaftler erfordert. Sie müssen eine besondere Eignung zum wissenschaftlichen Arbeiten in den Forschungsfächern der Universität mitbringen. Die Rolle der Studierenden ist ambivalent. Einerseits sind sie Kunden der Universität, insbesondere wenn Studiengebühren erhoben werden. Andererseits muss sich die Universität das Recht vorbehalten, ihre Studierenden gezielt auszuwählen, um das Exzellenzziel und das Ziel, erstklassige Wissenschaftler auszubilden, erreichen zu können. Bei den Kunden der Lehre ist die Bedarfsorientierung offensichtlich. Neben dem quantitativen Bedarf an Studienplätzen, der sich im Interesse der Bewerber und in der Arbeitsmarktsituation ausdrückt, gibt es die inhaltlichen Ansprüche an Studieninhalte, die durch die Stakeholder beeinflusst werden. Um sicherzustellen, dass Anspruch und Inhalte der Studiengänge anspruchsvolle und nachhaltige Kenntnisse vermitteln, werden externe Beratergremien zusammen mit Vertretern der Stakeholder-Gruppen als „Marktbarometer“ mit einbezogen. Für die Forschungsuniversität sollen in diesem Beratergremium auf jeden Fall internationale Wissenschaftler teilnehmen, ebenso Vertreter der Wirtschaft und der privaten und staatlichen Geldgeber. 18 CalTech, URL: www.admissions.caltech.edu/techer/misconceptions.htm. 60 Die Universität der Zukunft muss die Freiheit haben, eigenständig zu entscheiden, welche Bildungsprodukte sie anbietet. Sie muss herausfinden, welche Zielgruppe aus dem Gros der Studienbewerber zu diesem speziellen Angebot passt. Diese Gruppe potenzieller Abnehmer bzw. Kunden muss die Universität rechtzeitig und umfänglich über ihr Bildungsangebot und die nötigen Zugangsvoraussetzungen informieren. Verlauf und Aufwand wie zu bewältigender Stoff, evtl. Gebühren, Praktika, etc. des Studiengangs müssen schon zu Beginn des Studiums für die Interessenten einsehbar sein. Sind die Bedingungen und die Inhalte des Angebots klar, kann der Abnehmer, der zukünftige Student, das Angebot mit anderen vergleichen und Kosten-NutzenAbwägungen treffen. Er kann auf der Basis seiner Informationen und Vergleiche die Entscheidung fällen, ob er das Angebot annehmen will oder nicht. Entscheidet er sich dafür, geschieht dies im Bewusstsein dessen, was von ihm als zukünftigem Studenten erwartet wird. Damit sind auch die ersten Weichen für die Kooperation mit dem Kunden bzw. Studierenden gestellt, die für die erfolgreiche Realisierung einer Dienstleistung unerlässlich sind. Ausschlaggebend für die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Studenten und Universität sind zwei Ansatzpunkte: - die Modalitäten des Universitätszugangs die Förderung und Betreuung der Studenten während des Studienverlaufs. Durch sorgfältige Information der Interessenten beim Eintritt in die Universität, durch Festlegung von Mindeststandards formaler Qualifikation oder persönlicher Eignung und mittels einer intelligenten Auswahl der Kandidaten kann von Anfang an dafür gesorgt werden, dass Eignung, Erwartungshaltung und Motivation der Studienanfänger mit dem Studienangebot kompatibel sind. Dadurch können Studienzeiten verkürzt und die Anzahl der Studienabbrüche verringert werden. Diesen Effekt können die Universitäten auch mit einer durchdachten Förderung der Studierenden erreichen. Nur so kann eine emotionale Verbundenheit mit der Universität generiert werden, die für den langfristigen Aufbau einer Corporate Identity und eines positiven Images in der Gesellschaft wünschenswert ist sowie aus Absolventen langfristig Spender macht. Durch eine angemessene Betreuung der Studierenden kann der hohe Motivationsgrad, der zu Studienbeginn existiert, im Studienverlauf aufrechterhalten werden. - - Während des Studiums zu erwartende Probleme fachlicher, organisatorischer oder persönlicher Natur können durch regelmäßige Beratung meist rechtzeitig erkannt werden. Mehrfaches Scheitern an Prüfungen, Probleme bei der Einteilung der einzelnen Studieneinheiten u. ä. können dadurch stark vermindert werden. Abhängig von Eignung und Wünschen können spezielle Betreuungsprogramme für verschiedene Zielgruppen angeboten werden wie Exzellenprogramme für 61 Begabte oder Praxisprogramme für am Arbeitsmarkt orientierte Studiengänge. Dies steigert die Qualität der Ausbildung und Attraktivität der Studienplätze. Ziel ist nicht, ausschließlich die Abiturienten mit den besten Zeugnissen anzusprechen. Denn der am besten geeignete Student ist derjenige, dessen Berufsoder Zukunftsvorstellung und intellektuelle Interessen am stärksten den inhaltlichen Anforderungen eines Studienganges entsprechen sowie derjenige, der eine geeignete Vorbildung aufweist. Die Universität muss ausgehend von den übergeordneten Zielen, die sich aus der Identität oder dem Profil der Institution ergeben, für ihre Forschungsbereiche und Studienangebote inhaltliche Teilziele formulieren. Sie leitet daraus die Anforderungen ab, die in den verschiedenen Fächern an die Studenten gestellt werden. Diese Anforderungen müssen in möglichst klare Kriterien für ein Anforderungsprofil umgesetzt werden. Voraussetzung für die erfolgreiche Optimierung der Übereinstimmung des Profils von Studenten und des Studienplatzangebots ist ein Auswahlverfahren, das ein belastbares Urteil über das Potenzial der Bewerber ermöglicht. Durch die Einführung eines solchen Verfahrens wird das Studienniveau steigen, denn die Studierenden sind motivierter und engagierter. Das Verfahren wird weiterhin einen Beitrag zur Verkürzung der Studienzeiten leisten, da weniger Studierende aufgrund mangelnder Eignung oder Motivation Prüfungen nur nach mehrfachen Anläufen bestehen oder vor sich her schieben werden. Außerdem wird sich die Beziehung der Universität zu ihren Studenten zu einem mehr persönlichen Verhältnis wandeln, denn sie ist das Ergebnis einer bewussten Wahl auf beiden Seiten. Auch dieser Punkt wird sich positiv auf die Motivation der Studierenden wie des Lehrkörpers auswirken. Ansprache und Auswahl der Kunden in der Lehre Ebenso wie bei der Entwicklung materieller Produkte muss sich ein Dienstleistungsunternehmen überlegen, für welche Zielgruppe die Dienstleistungen konzipiert werden und wie diese Zielgruppe möglichst erfolgreich als Kundschaft gewonnen werden kann. Wird die Universität als ein Dienstleistungsunternehmen betrachtet, erfordert die Diskussion der Frage nach dem geeigneten Studierenden einige grundsätzliche Überlegungen zur Zielgruppe und wie diese am besten anzusprechen ist. Der Prozess der Zielgruppenidentifizierung und Auswahl der zukünftigen Studenten setzt sich aus folgenden Schritten zusammen: (1) Grundsätzliche Entscheidung für ein bestimmtes Universitätsprofil • Im vorliegenden Fall: Nach internationaler Anerkennung strebende Forschungsuniversität mit den fachlichen Schwerpunkten A, B, etc. (2) Analyse des Marktes oder der Märkte • Welche meiner Kundengruppen fragt was nach? 62 • • • • Wie groß ist die Zahl der potenziellen Interessenten für das spezifische Studienangebot? Wie groß ist der Bedarf an Absolventen aus Sicht der Stakeholder? Wie groß ist die Anzahl der anderen Anbieter? Wo ist die Universität, die sich der Diskussion unterzieht, im Wettbewerb positioniert sowohl inhaltlich als auch auf einer Rangliste? (3) Abgleich zwischen dem Bedarf der Märkte und dem Angebot • • • • • Wie groß sind die vorhandenen bzw. benötigten Kapazitäten? Was kostet die Erstellung des Produktes beispielsweise eines Studiensemesters, einer Diplomarbeit, etc.? Wie müssen Curricula konzipiert werden, um den Marktanforderungen zu genügen? Was sind die Stärken und Schwächen bezogen auf die einzelnen Lehrangebote? Wird das Studienangebot durch einzigartige Eigenschaften charakterisiert? Wird eine Marktnische besetzt oder gibt es viele ähnlich gute Mitbewerber? (4) Endgültige Beschreibung bzw. Spezifikation des Produkts bzw. Studiengangs und endgültige Beschreibung der Zielgruppen • • Erstellung einer guten und angemessenen Produktbeschreibung. D. h. Profilierung des Studienganges mit Ausbildungsziel, Beschreibung möglicher Aufgaben im Arbeitsmarkt, etc. Formulierung der Zugangsvoraussetzungen für die Zielgruppe, Entwicklung eines Kriterienkatalogs und Auswahlverfahrens, abhängig von der erwarteten Anzahl der Interessenten und Anzahl der angebotenen Studienplätze. (5) Ausarbeitung eines Konzept für die zielgruppengerechte Werbung zur erfolgreichen Produktvermarktung • • • • • Wann muss die Zielgruppe informiert werden? Wo ist sie zu erreichen? Welche Punkte sind für sie besonders wichtig und attraktiv? Sind es fachliche, soziale oder monetäre? Aufstellung einer Kosten-Nutzen-Rechnung für die Zielgruppe. Veröffentlichung und Begründung des Auswahlmodus und der Auswahlkriterien. (6) Durchführung des Auswahlverfahrens (7) Gestaltung des Studienbeginns • Auftaktveranstaltungen 63 • • Einführungsveranstaltungen Ausführliche Informationsunterlagen, Beratungsangebote, etc. Im Zuge der Argumentation ist zu beachten, dass es neben fachlichen Argumenten wie Qualität, Dauer, Anforderungen und Inhalt der Studienangebote auch soziale und äußere Vorteile gibt, mit denen Studenten geworben werden können. Dies können sein: kulturelle, sportliche oder soziale Programme der Universitäten, ebenso Wohnraumangebote, Unterstützung bei der Finanzierung des Studiums, Information über Lebenshaltungskosten, Freizeitwert des Studienortes, Kooperationen mit der Wirtschaft am Ort u. ä. Ein Bewerbungsverfahren mit einer individuellen Auswahl, vorgenommen durch die Schulen, bedeutet einen erheblichen Arbeitsaufwand. Wird diesem jedoch der zu erwartenden Rückgang von Fachsemestern pro Student und die wesentlich niedrigere Abbrecherquote bei handverlesenen Studenten gegenübergestellt, lohnt sich der Aufwand.19 In der Forschungsuniversität werden die Kriterien, die von den Bewerbern erfüllt werden sollen, gemeinsam von den Schulen und Forschungsinstituten festgelegt. Schritte bei der Umsetzung der Kundenorientierung in der Lehre Notwendige Marketing-Aktivitäten - Frühzeitige Information der Interessenten klare Kommunikation des Hochschulprofils Einführung eines Auswahlverfahrens Marktbeobachtung zur Festlegung von Studienplatzzahlen Kooperation mit Gymnasien. Notwendige Prozesse und Werkzeuge - 19 Customer Relationship Management Entwicklung eines Auswahlverfahrens Festlegung von Studiengebühren und Abbildung des angestrebten Profils Die TU München hat beispielsweise im WS 2000/2001 ein Eignungsfeststellungsverfahren bei den Bewerbern für den neuen Studiengang Molekulare Biotechnologie durchgeführt. Von 159 Bewerbern wurden in einem zweistufigen Verfahren, bestehend aus schriftlicher Bewerbung und persönlichem Interview, 31 Kandidaten für die zur Verfügung stehenden Studienplätze ausgewählt. Sowohl die beteiligten Professoren als auch die Bewerber haben das Verfahren als sinnvoll und bereichernd empfunden. Nach dem ersten Semester kommen die Professoren dieses Studienganges zu folgendem Urteil: „Nach Ansicht der beteiligten Hochschullehrer steht außer Frage, dass die Zahl der Studienabbrecher weit unter den Quoten bleiben wird, wie sie aus anderen technisch/naturwissenschaftlichen Studiengängen bekannt sind. Es ist abzusehen, dass die Absolventen des Bachelor Studienganges Molekulare Biotechnologie [...] überdurchschnittliche Leistungen erbringen werden [...]. Trotz des nicht unerheblichen Mehraufwands, den das Eignungsfeststellungsverfahren darstellt, kann im Namen aller beteiligten Hochschullehrer festgestellt werden, dass diese Vorgehensweise geeignet ist.“ Die Erlaubnis des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst auch zukünftig ein Auswahlverfahren durchführen zu dürfen, wird nachdrücklich gewünscht. Skerra, A./Klostermeyer, H. (2001), Interner Bericht, TU München. 64 - Entwicklung von Finanzierungskonzepten, Studienkrediten, etc. Kontaktbüro für Arbeitsamt, Schulen und interessierte Abiturienten Angebot für Vorbereitungskurse. Realisierung - Definition von Auswahlkriterien Werbeaktionen an Schulen Schnupper-Veranstaltungen Umfängliches Informationsmaterial ausführliche Informationsseiten mit Downloads, FAQs etc. im Internet Vereinheitlichung des Bewerbungsverfahrens. zu erwartender Aufwand - Schaffung und Definition von Stellen in sinnvoller Relation zu den voraussichtlichen Bewerbern Einrichtung einer Hotline und email-Hotline, insbesondere vor der Immatrikulation leicht auffindbare, angemessene Web-Präsenz leicht auffindbares Informationszentrum für alle Studiengänge Interessentenberatung und -betreuung als Dienstleistung für alle Fakultäten und Fachbereiche aktuelles Informationsmaterial für Studienanfänger Netzwerk mit Schulen und anderen Universitäten. 5. Qualitätsmanagement Die Erreichung und Einhaltung eines hohen Qualitätsstandards ist für die nach internationalem Renommee strebende Forschungsuniversität von grundsätzlicher Wichtigkeit. Dies betrifft die Bereiche Forschung, Lehre und die Managementprozesse. Um den Exzellenzanspruch zu halten, muss regelmäßig in durchschaubaren Verfahren exzellente Qualität nachgewiesen werden. Qualitätsmanagement ist ein System, das alle Prozesse der Qualitätssicherung und – steigerung in den verschiedensten Teilen einer Organisation so integriert, dass Produkte und Dienstleistungen mit dem möglich niedrigsten Aufwand die volle Kundenzufriedenheit erreichen. Die Schlüsselworte in dieser Definition von Qualitätsmanagement sind Qualitätssicherung, Qualitätssteigerung und Integration. Die Verantwortung für ein belastbares und wirksames Qualitätsmanagement liegt beim Universitätsrat und bei der Universitätsleitung. Diese beiden Organe müssen ein Qualitätsziel, das dem strategischen Ziel der Einrichtung entspricht, formulieren und in die Gesamtstrategie einbetten. Sie müssen durch ihr Verhalten für die Verantwortlichen in Forschung und Lehre ein Vorbild geben. Außerdem setzt der Universitätsrat die externen Evaluationsgremien ein, die das Qualitätsziel der Universität der Zukunft in regelmäßigen mehrjährigen Abständen aus externer Perspektive überprüfen. 65 Instrumente zur Realisierung und zum Controlling des Qualitätsmanagements sind in Forschung und Lehre die Evaluationsprozesse, denen diese Organisationseinheiten regelmäßig unterzogen werden. Der heutige Standard bei der Evaluation akademischer Leistungen sieht in etwa wie folgt aus: Es wird ein System von Kriterien und Kennzahlen entwickelt, mit denen sich der Grad der Qualität beschreiben lässt. Hierfür werden in einem zyklischen internen Evaluationsprozess Werte ermittelt und interpretiert. Die Selbstbeurteilung findet üblicherweise jährlich statt, in der Lehre auch halbjährlich. Diese internen Evaluationsprozesse, die von den Universitätsbereichen im Auftrag der Universitätsleitung durchgeführt werden, werden ergänzt durch eine externe Beurteilung, die alle drei bis fünf Jahre stattfindet. Sie wird von einem externen Expertengremium durchgeführt. Bei der externen Beurteilung wird vor allem überprüft, ob die gesamte Universität ihre Qualitätsziele erreicht. U. U. werden diese Ziele auch korrigiert und angepasst. Besonders in England und Australien hat man im tertiären Bildungsbereich große Erfahrung mit der Gestaltung und Durchführung gestaffelter Evaluationsprozesse. Hier finden sich Vorbilder und best-practises, nach denen sich jede Universität ein eigenes System entwickeln kann. Der Unterschied zwischen dem Qualitätsmanagement der Forschungsuniversität der Zukunft und den hier aufgeführten Beispielen liegt darin, dass den staatlichen Universitäten diese Verfahren von außen auferlegt wurden und werden, wohingegen die Forschungsuniversität der Zukunft sie in Eigeninitiative und freiwillig als Instrument zur Erreichung ihrer individuellen Ziele implementiert. Für Qualitätsmanagement in den Servicezentren gibt es best-practice-Beispiele aus der Wirtschaft. Die Wichtigkeit und Bedeutung der Qualität für die Forschungsuniversität drückt sich darin aus, dass die Qualitätsziele in der Strategie der Universität, in den Leistungsvereinbarungen zwischen den Stakeholdern und der Universitätsleitung, in den Zielvereinbarungen zwischen der Leitung und den Organisationsbereichen Lehre, Forschung und Service sowie in den Leistungsbeurteilungen jedes einzelnen Mitarbeiters Niederschlag finden und überdies ein wichtiges Evaluationskriterium sind. 66 6. Kooperation und Delegation Eine mangelhafte Qualität der Forschungsleistung führt zu negativen Bewertungen der Managementleistung der Institutsleitung, was sich wiederum auf deren Gehalt oder Beschäftigungsverhältnis auswirkt. Bei der Verteilung des Gesamtbudgets der Universität auf die Untereinheiten gibt es Bestandteile, mit denen gezielt Forschungserfolge bzw. Erfolge bei der Einwerbung von Projekten oder Geldern honoriert werden können, um eine gewisse Leistungsorientierung bei den Untereinheiten anzuregen. Bei besonderen strategischen Zielen, z. B. interdisziplinären Projekten oder wissenschaftlichen Kooperationen, sollte deren Verfolgung auch in der Mittelzuteilung honoriert werden. Zentrale und dezentrale Aufgaben und Verantwortung Es können sowohl für zentrale als auch für dezentrale Organisationsansätze bestpractice Beispiele angegeben werden. Beide Systeme haben Vor- und Nachteile. Das MIT und die Stanford University besitzen ein zentrales System, das u. U. eine effizientere Verwaltung, Ausnutzung von Synergieeffekten, bessere inhaltliche und organisatorische Abstimmung etc. erlauben. Dezentrale Systeme, wie in Harvard, fördern u. U. Initiative und Verantwortungsbewusstsein der Organisationseinheiten, vermeiden Bürokratie, berücksichtigen die gleichsam kulturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Fächern und dergleichen. Die Universitätsleitung muss entscheiden, welche Aufgaben zentral und welche dezentral erledigt werden. Bei einer Entscheidung für einen hohen Grad an Aufsplittung muss die Universitätsleitung dafür sorgen, dass zwischen den Organisationseinheiten ausreichend kommuniziert wird, um die CI nach außen und den Zusammenhalt nach innen aufrechtzuerhalten. Arbeit und Selbstverständnis der internen Serviceabteilungen sind hierbei wichtig. Interne Dienstleistungen Die Verwaltung wird, wo immer möglich, als internes Dienstleistungsangebot gestaltet, das den verschiedenen organisatorischen Untereinheiten nach deren Bedürfnissen Serviceleistungen anbietet. Dergestalt können Unterschiede in den Anforderungen z. B. zwischen verschieden großen Organisationseinheiten berücksichtigt werden. Erreichen Untereinheiten eine bestimmte Größe können sie administrative Aufgaben übernehmen. Neben den administrativen Aufgaben werden auch Themen wie Marketing, Fundraising, EDV und Bibliothekswesen als Dienstleistung für alle Organisationseinheiten angeboten. Die Größe der Organisationseinheiten bzw. ihre fachliche Ausrichtung ist ausschlaggebend dafür, welche Aufgaben sie übernehmen und welche sie bei den zentralen Serviceabteilungen als Dienstleistung einkaufen. 67 7. Kooperationsmodelle und Outsourcing Neben Outsourcing von stark standardisierten und nicht unmittelbar für das Niveau relevanten Themen kann in der Lehre das Angebot von Veranstaltungen, Themen und Experten durch Kooperationen mit anderen Hochschulen angereichert werden. Ob dies als standardisierter Bestandteil des Stundenplanes gestaltet wird oder über Austauschprogramme, Auslandsaufenthalte und auf virtuellem Weg, hängt von den Themen ab. Wichtig ist, die Kooperation in Forschungsprojekten soll im Einklang mit den strategischen Zielen gefördert und aufgebaut werden. Denkbar sind auch Programme, die ausschließlich in Kooperation angeboten werden, um Markenpotenzial zu bündeln und internationale Zielgruppen anzusprechen. Als Beispiele sind das TRIUM Programm und die WGU, eine virtuelle Universität, die auf Kooperationen basiert, zu nennen.20 Varianten der Kooperation (a) Universität und Universität Eine Universität konzentriert sich auf wenige Themen, um ihrem Ziel, internationale Exzellenz in der Forschung zu erreichen, näher zu kommen. Dies bedeutet u. a. eine Konzentration der Ressourcen. Dies zieht die Möglichkeit nach sich, dass dabei Themen, die z. B. nur für kleinere Forschungsgruppen oder die ausschließlich in der Lehre wichtig sind, nicht ausreichend verfolgt werden können oder nicht angeboten werden. Solche Lücken kann eine Universität durch Kooperationen mit anderen Einrichtungen schließen, die ein komplementäres Angebot auf gleichem Niveau anbieten. Ein weiterer Anlass für Kooperation kann sein, wenn die Universität ihre internationale Ausrichtung noch stärker betonen möchte und zusammen mit anderen Hochschulen Studiengänge anbietet bzw. Forschungsprogramme auflegt. Damit kann auch der Bekanntheitsgrad im Ausland gesteigert werden. Kooperationen mit anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind nur dann sinnvoll, wenn beide Partner davon profitieren und sie durch tragende Projekte miteinander verknüpft sind. Kooperationsvereinbarungen auf dem Papier tragen nicht zur Weiterentwicklung der Institution bei. Sie erbringen keinen Vorteil. Schlimmsten Falls entwerten sie die Idee der Kooperation. Forschungskooperationen werden meist durch die Bedingungen der geldgebenden Institutionen geregelt. Universität und Wirtschaftsunternehmen Eine Universität kann gegen Geld verschiedene Dienstleistungen für die Wirtschaft erbringen. Dies kann im Auftrag oder in Kooperation geschehen. Die neuralgischen Punkte hierbei sind angemessene Preisverhandlungen seitens der Universität und korrekte Verträge, die nicht nur der Wirtschaft nutzen. 20 TRIUM EMBA is the first executive MBA program to provide an authentically global educational curriculum, made possible through a unique alliance among three world-renowned universities, New York University Stern School of Business (NYU Stern), the London School of Economics and Political Science (LSE) and HEC School of Management, Paris (HEC Paris). Vgl. www.triumemba.org. 68 Gleichberechtigte Kooperationen können die Universität sehr befruchten. Eine Einflussnahme der Unternehmen, die über definierte Kooperationsprojekte mit klaren vertraglichen Regelungen hinausgeht, schadet u. U. dem wissenschaftlichen Ruf der Universität. Kooperationen mit Unternehmen, die nicht eindeutig der Erzielung neuer Erkenntnisse dienen, sondern mehr entwicklungsnah sind, bzw. über ein deutliches wirtschaftliches Potenzial auch für die Universität verfügen, sollten nicht zwischen Unternehmen und Universität, sondern zwischen Unternehmen und Universitäts GmbH durchgeführt werden. Auf dieser Ebene treffen zwei gleichberechtigte Partner mit der Absicht aufeinander, Gewinne zu erzielen. Outsourcing An den Universitäten existiert eine akademische Variante des not-invented-hereSyndroms, das sich in der privaten Wirtschaft immer wieder als ernsthaftes Hemmnis für organisatorischen Wandel manifestiert. Gilt in der Industrie das Misstrauen der Arbeitnehmer den Neuerungen und Problemlösungen, die von außen, beispielsweise von Beratern, in das Unternehmen hineingetragen werden, demnach not invented here sind, so drückt sich diese Ablehnung externen Know-hows in der Universität auf zwei Ebenen aus. Positionen im Universitätsmanagement oder der Universitätsleitung werden bevorzugt an Mitarbeiter aus der eigenen Organisation vergeben, externe professionelle Experten bleiben außen vor. So haben Pressesprecher, Marketingexperten, Technologietransferberater, Assistenten der Universitätsleitung und andere wichtige Gestalter in der Universität sehr häufig einen akademischen Titel und Forschungserfahrung, jedoch in seltensten Fällen einen professional record, der sie in der Wirtschaft für eine vergleichbare Positionen qualifizieren würde. Der akademische „Stallgeruch“ ist für die Besetzung dieser Positionen offensichtlich wichtiger als externes Know-how, geeignete Berufsausbildung bzw. Praxis- oder Wirtschaftserfahrung. Überdies neigen deutsche Universitäten dazu, Personalkapazitäten für verschiedene Aufgaben und Tätigkeiten im eigenen Haus aufzubauen. Diese werden häufig nicht optimal besetzt, wie eben beschrieben. Die Möglichkeit, professionelle Expertise und Erfahrung, die die Universität nicht erreichen kann, in Anspruch zu nehmen, wird nicht genützt. Beispiele hierfür sind die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing an den Universitäten, das Facility Management oder die Systembetreuung der EDV. Bereiche, die für die Universität eine Schlüsselrolle spielen, wie die EDV-Betreuung, das Marketing, die Öffentlichkeitsarbeit oder der Technologietransfer müssen in der Universität der Zukunft von Experten bearbeitet werden. Denn auch auf diesen Gebieten muss der Exzellenzanspruch erfüllt werden. Entweder muss intern professionelle Erfahrung aufgebaut und gepflegt werden, was sich insbesondere für kleinere Institutionen als überproportionaler Kostenfaktor erweisen dürfte, oder die Universität muss professionelles Know-how einkaufen, indem sie mit externen Beratern und Agenturen zusammenarbeitet. Der große Vorteil in der Zusammenarbeit mit externen Anbietern ist die Möglichkeit eines Qualitätssprungs, verbunden mit Flexibilität sowohl inhaltlich als auch bezogen auf die Kapazitäten. 69 Eine mögliche Form des Outsourcings ist, Organisationseinheiten, die nur indirekt mit Forschung oder Lehre zu tun haben, wie Facility Management etc. aus der Universität auszugründen und in privatrechtliche Unternehmen umzuwandeln. Diese können außerhalb der Universität marktgerecht und effizient arbeiten. D. h. auch, dass sie andere Kunden gewinnen und im Idealfall zu einer Einnahmequelle für die Universität werden können. Die Universität von Amsterdam hat dies mit einigen Gesellschaften ihrer UvA Holding sehr erfolgreich vorgemacht. Ausgelagert und auf dem freien Markt angeboten wurden unterschiedliche Dienstleistungen wie die Arbeitsvermittlung von Studenten und ehemaligen Mitarbeitern der Universität, Übersetzungsdienste, ein Hotelbetrieb, und vieles mehr21. In diesem Zusammenhang zeichnen sich interessante Ansatzpunkte für Kooperationen mit anderen Universitäten oder verwandten Einrichtungen ab. So könnte beispielsweise ein gemeinsamer Dienstleister allen beteiligten Institutionen für das Facility Management der gesamten städtischen Einrichtungen respektable Kostensenkungen bieten. Outsourcing ist aber nicht nur bei Management- und Verwaltungsaufgaben möglich. Auch in Forschung und Lehre finden sich innerhalb einer Forschungsuniversität Ansätze für derartige Überlegungen. So ist es beispielsweise denkbar, dass Leistungen, die den Studierenden angeboten werden, aber nur einen kleinen Interessentenkreis ansprechen oder ausschließlich eine technische Qualifikation darstellen wie Softwarekenntnisse von einem externen Anbieter eingekauft werden. Aus der Perspektive der Studierenden sind diese Leistungen jedoch komplett in den Lehrplan und die Aktivitäten der Universität eingebunden. Besonders bei standardisierten Inhalten oder Lehrangeboten, die nicht Teil des wissenschaftlichen Lehrplans sind, aber wichtige Schlüsselqualifikationen darstellen wie Präsentationstechnik, wissenschaftliches Schreiben, etc. gibt es kommerzielle Anbieter. Deren erprobte Produkte und langjährige Erfahrung in der Erwachsenenbildung könnten bestens in die universitären Lehrpläne integriert werden. Aus der Perspektive der Studierenden handelt es sich dabei um reguläre Bestandteile ihrer Studienpläne. Aufgabe der Universität ist es, eingekaufte Leistungen nahtlos in das eigene Angebot einzubinden. 8. Kommunikation und Wissensmanagement Die Aufgabe der Kommunikation innerhalb einer Organisation sowie zwischen ihr und dem sie umgebenden System ist der Austausch von Informationen. Diese Prozesse erleichtern zudem die Interaktion unter den internen Organisationseinheiten sowie zwischen der Organisation und ihrem Umfeld. Die Untersuchung verschiedener Universitätssysteme kam zu dem Schluss, dass eine ausgeprägte und bewusste Kommunikationskultur sehr wichtig ist, um eine starke Identifikation der verschiedenen Mitgliedsgruppen einer Universität, inklusive der Studierenden, mit den Zielen ihrer Institution zu erreichen22. Sowohl in den amerikanischen Universitäten wie in den Niederlanden und der Schweiz wurde von verschiedenen Seiten immer wieder die 21 22 Vgl. www.uvaholding.nl. Im derzeitigen deutschen universitären System scheint gerade das Gegenteil der Fall zu sein. Die Mitglieder einer Universität identifizieren sich entweder entlang fachlicher oder hierarchischer Grenzen. Dies geschieht auch universitätsübergreifend, wie folgende Aussagen „wir Assistenten“, „wir von der Verwaltung“ oder „wir Chemiker“ offenbaren. Mit der Universität, wie beispielsweise „wir von der LMU“, ist kaum ein Identifikation festzustellen. 70 Wichtigkeit eines kontinuierlichen Austausches zwischen den universitären Einheiten betont. Deshalb soll die Kommunikation explizit in die Universitätsstrategie eingebunden werden. In der Kommunikationsstrategie legt eine Organisation fest, welche Informationen sie nach außen gibt, und welche Informationen sie von außen benötigt. Dabei gibt es interne und externe Kommunikationsprozesse. Die kommunizierten Inhalte können grob in drei Kategorien aufgeteilt werden: Informationszufluss Welche Information braucht die Universität wofür? Es handelt sich um Informationen, die der Orientierung und Positionierung der Organisation in ihrem Umfeld dienen was für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Strategie unerlässlich ist. Diese Informationen muss sich die Universität von außen beschaffen. Sie stellen den Informationszufluss dar, der Marktdaten, Konkurrenzbeobachtung, Kundenbefragungen, Benchmarking, Prognosen, u. ä. beinhalten muss. Interner Informationsfluss Welcher Informationsaustausch muss in der Universität garantiert werden? Es handelt sich um Informationen, die der Stärkung der Organisation dienen und ihren Mitgliedern helfen, sich mit den Zielen der Organisation zu identifizieren. Des weiteren gehören Informationen dazu, die der Verbesserung der internen Prozesse in Forschung, Lehre und Verwaltung dienen und Voraussetzung für die Durchführung eines betrieblichen Controllings sind. Diese Informationen sind prinzipiell in der Universität vorhanden, müssen aber gezielt aggregiert, interpretiert, diskutiert und in angemessener Form verteilt werden. Zu diesem Umfeld zählen Corporate Identity, Konsensfindungsprozesse, Zielvereinbarungen, Wissensmanagement, BSC, Messdaten, Kennzahlen, Kostenaufstellungen u. ä. Informationsabfluss Welche Informationen will oder muss die Universität nach außen geben? Es handelt sich um Informationen, die der bewussten Selbstdarstellung der Organisation nach außen dienen. Diese internen universitären Informationen, die in geeigneter Aufbereitung und Verbreitung die Außenwahrnehmung der Universität steuern sollen, umfassen die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit, Rechenschaftsberichte für den Universitätsrat und den Diskurs mit der Gesellschaft. Des weiteren gehören Informationen über Leistungsangebote und Know-how der Universität für potenzielle Kunden oder Auftraggeber dazu. Die Informationen umfassen das Berichtswesen, die Corporate Identity, Öffentlichkeitsarbeit, Vermarktungsaktivitäten, u. ä. 71 Universitätsleitung Forschung Lehre Service-Center Informationszufluss • Kundebefragung, Key Account Management • Marktdaten • Konkurrenzbeobachtung • Benchmarking • Prognosen • wissenschaftlicher Austausch Interner Informationsfluss • Konsens Universitätsstrategie • Diskurs Forschung/Lehre • Wissensmanagement • Universitätsstrategie • Management-Informationssystem • Balanced Scorecard Informationsabfluss • Selbstdarstellung (CI und Öffentlichkeitsarbeit) • Diskurs mit der Gesellschaft • Rechenschaftsberichte • wissenschaftlicher Austausch • Technologie- bzw. Know-howTransfer Î Informationen für inhaltliche Strategie Î Informationen von der Universität für die Universität Î Informationen für Kunden, Förderer und stakeholder Abb. 9: Kommunikationsfluss der Universität der Zukunft Für die Universität der Zukunft, von der verlangt wird, dass sie in Eigeninitiative aktiv ihre Strategie formuliert und weiterentwickelt, Märkte und Finanzierungsquellen erschließt und sich im Wettbewerb behauptet, ist es wichtig, Informationen von außen zu erhalten. Diese helfen ihr, mittel- und langfristige strategische Entscheidungen zu treffen. In den deutschen Universitäten ist dieser Gesichtspunkt derzeit unterentwickelt. Grundsätzlich ist zu sagen, dass der gezielten und geplanten Kommunikation auf den verschiedenen Ebenen in einer strategisch handelnden Universität der Zukunft eine weitaus stärkere Bedeutung beigemessen werden muss, als dies gegenwärtig der Fall ist. Wie die übereinstimmende Aussage von Vertretern der Universitätsleitungen amerikanischer Privatuniversitäten, von niederländischen Universitätsreformern und der Leitung der ETH Zürich belegt, ist das Klima an einer Universität selbst bei einer klaren Verteilung von Aufgaben und Verantwortungen mehr von Konsensprozessen und Diskussionen als von einer Entscheidungshierarchie geprägt. Deshalb muss eine Universität zukünftig auf das Thema Kommunikation und Information größten Wert legen. Was als amerikanische Konsenskultur bezeichnet wird, unterscheidet sich grundlegend vom deutschen Ansatz, der in demokratischen Gremienstrukturen alle universitären Gruppen in Entscheidungsprozesse einzubinden und dadurch Konsens herzustellen versucht. Resultat dessen ist eine ausgeprägte Politisierung des Klimas an den Universitäten, Stärkung des inneruniversitären Kastendenkens sowie Reibungsverluste durch internes Lobbying. Der amerikanische Konsensansatz verfährt anders. Die Regeln legen fest, wer für Entscheidungen zuständig ist und im Zweifels72 oder Konfliktfall das Machtwort spricht. In der Universität ist dies die Universitätsleitung. Sie wiederum geht zweigleisig vor. Zum einen delegiert sie bestimmte Entscheidungskompetenzen an diverse Organisationseinheiten. Zweitens investiert sie relativ viel Zeit in den regelmäßigen Austausch mit verschiedenen universitären Gruppen, die auch die Studierenden mit einschließt. Dadurch erhalten alle Beteiligten die Gelegenheit, ihre Standpunkte vorzubringen. Auf diese Weise wird sich im kontinuierlichen Austausch den nötigen Entscheidungen genähert, die letztendlich von der Universitätsleitung verantwortet werden. Es zeichnet sich ab, dass in der deutschen Universität der Zukunft ein grundlegender Kulturwandel von Nöten ist. Um diesen zu erleichtern und den Informationsfluss zu systematisieren und stabilisieren, wird der Universität der Zukunft eine Kommunikationsunterstützung durch strategisches Wissensmanagement und Balanced Scorecard empfohlen. Im Folgenden wird diese Empfehlung konkretisiert. Eine ausführlichere Diskussion befindet sich im Annex. Kommunikationsunterstützung durch strategisches Wissensmanagement Universitäten sind Wissensorganisationen par excellence. Wissen ist ihre Ressource und ihr Produkt. Die universitären Produktionsprozesse sind Prozesse der Wissensgenerierung, -beschaffung und -fortentwicklung, der Wissensverteilung und -vermittlung, der Speicherung und des Transfers von Wissen sowie seiner Anwendung. Der Umgang mit Wissen ist für Universitäten folglich weder neu noch ungewohnt, sondern er ist die Kernkompetenz der Institution Universität. Die Definition einer Universitätsstrategie bedeutet infolgedessen die gleichzeitige Festlegung einer Wissensstrategie. Daher scheint es geboten, den Themenkomplex des Wissensmanagements für die Universität der Zukunft ins Blickfeld zu nehmen. Es mangelt Universitäten zwar nicht an Erfahrung, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Wissen, doch ein ausgesprochenes Management des Wissens findet in deutschen Universitäten bislang bestenfalls rudimentär statt. Wissensmanagement befasst sich mit der Entwicklung, Gestaltung und Lenkung der organisationalen Wissensbasis. D. h., das Wissensmanagement beinhaltet die klassischen Managementfunktionen der Planung, Organisation, Führung, Kontrolle und des Wandels. Strategisches Wissensmanagement setzt unmittelbar an der Hochschulstrategie an. In Deutschland besitzt die explizite und regelmäßige Formulierung von Strategiepapieren in Universitäten im Unterschied zur Wirtschaft und Politik keine ausgeprägte Tradition. Für die Universität der Zukunft wurde die Bedeutung einer konkreten Universitätsstrategie bereits aufgezeigt. Sie fixiert die Ziele, Maßnahmen und Evaluierungskriterien der Hochschulentwicklung in ihren Grundzügen. Die Universitätsstrategie bildet den grundlegenden Ausgangspunkt für das strategische Wissensmanagement. Seine Aufgaben umfassen • • • die Gestaltung der Kompetenzen der Universität und ihrer Mitglieder die Gestaltung der internen Strukturen der Universität sowie die Gestaltung der externen Strukturen zwischen der Universität und ihren Stakeholdern. 73 1 Entwicklung und Nutzung des Humankapitals 2 • für die „Forschung“ Forschung • für Studium „Studium&&Lehre Lehre“ • für die „Administration“ Administration Gestaltung der internen Struktur 3 • für die „Forschung“ Forschung „Studium&&Lehre Lehre“ • für Studium • für die „Administration“ Administration Gestaltung der externen Struktur • für die „Forschung“ Forschung • für Studium „Studium&&Lehre Lehre“ • für die „Administration“ Administration Abb. 10: Gestaltungsfelder des strategischen Wissensmanagements23 Konkret bedeutet dies die Definition der Wissensfelder und -strukturen, mittels derer sich die Forschungsuniversität im internationalen Forschungswettbewerb positioniert. Basis für die Definition ist die Aufnahme und Analyse der Anforderungen aus dem Stakeholderumfeld gründend auf Kundenbefragung, öffentlichem Interesse usf. sowie deren Abgleich mit einer Wettbewerbsanalyse im Marktumfeld durch Konkurrenzbeobachtung, Benchmarking, Marktdaten und Prognosen. Mit Hilfe dieser Informationen lässt sich in einem beteiligungsorientierten Verfahren zwischen der Universitätsleitung und den Mitgliedern der Universität die Wissensstrategie ableiten. Für die Entwicklung der Wissensstrategie gilt dieselbe Trilogieforderung, die an jeden Strategieprozess zu stellen ist. Es handelt sich um • • • die strategischen Entwicklungsziele die konkreten Maßnahmen zur Zielerreichung sowie die Evaluierungskriterien der Zielverfolgung. Die genannten Punkte sind in Bezug auf das Wissensmanagement in der Universität der Zukunft festzulegen. Dies ist eine weitreichende Forderung, deren Implikationen deutlich herausgestellt werden müssen: Bei der Entwicklung und Umsetzung einer Wissensstrategie für die Universität der Zukunft geht es nicht in erster Linie um die Implementierung von zahlreichen, meist technologiegetriebenen Bausteinen des Wissensmanagements. Diese Bausteine dominieren gegenwärtig die Diskussion um das Wissensmanagement in Theorie und Praxis. Es handelt sich hierbei um Wissensportale und Internetmarktplätze, Datenstrukturen für Problemlösungen und Datenbanken für Projekte und Produkte, Recherchetools und Broker-Plattformen, Content-Managementsysteme und einheitliche Taxonomien für Wissensobjekte. Des weiteren geht es bei der Entwicklung und Umsetzung einer Wissensstrategie für die Universität der Zukunft ebenso wenig um Einzelmaßnahmen im Bereich personenorientierter Bausteine des Wissensmanagements, wie die Einrichtung von Expertenzirkeln und interdisziplinären Teams, die Erprobung neuer Lehr- und 23 Vgl. Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R. (2001). 74 Lernformen, die Ernennung von Knowledge Officern und Knowledge Managern oder die Durchführung von Peer-Evaluationen. Dennoch sind alle diese Maßnahmen wichtig und werden als Einzelmaßnahmen bereits heute in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung in den meisten Hochschulen durchgeführt Es geht im Rahmen des strategischen Wissensmanagements vielmehr um die Positionierung der Universität am Markt. Die bestehende Maßnahmenlandschaft ist mit der Wissensstrategie abzugleichen und im Hinblick auf die wissensstrategischen Ziele fortzuentwickeln, um den Handlungsrahmen für zukünftige Investitionen zu gestalten. Wird strategisches Wissensmanagement als Werkzeug wettbewerbsstrategischer Positionierung der Universität verstanden, dann geht es im Wesentlichen darum, die universitären Kommunikations- und Wissensstrukturen so zu gestalten, dass sie die Umsetzung der gewählten Universitätsstrategie effektiv und effizient unterstützen. Gefordert ist also ein Konzept der Strategieimplementierung, das den Fokus auf Kommunikation und Wissen richtet. In jüngster Zeit finden sich in der Managementlehre einige innovative Instrumente der Strategiekommunikation, -umsetzung und -kontrolle. Eines dieser Instrumente, das in den letzen Jahren in Forschung und Praxis besondere Akzeptanz gefunden hat, ist die Balanced Scorecard. Strategiekommunikation, -umsetzung und –kontrolle durch die Balanced Scorecard Die Balanced-Scorecard unterstützt über eine Transformation der Strategie in ein geschlossenes Bündel qualitativer und quantitativer Kennzahlen den gesamten Strategieprozess. Getragen wird der Strategieprozess von verschiedenen Perspektiven, die die strategischen Ziele kategorisieren. Die vier verschiedenen Perspektiven, mittels derer die ganzheitliche Betrachtung der Organisation erfolgt, sind üblicherweise • • • • • • die Finanzperspektive die Lern- und Entwicklungsperspektive, die Gestaltung der Kompetenzen die Prozessperspektive, die Gestaltung der internen Struktur die Kundenperspektive, die Gestaltung der externen Struktur. Innerhalb der Finanzperspektive zeigt sich, ob die Strategie einer Organisation und deren Umsetzung wirtschaftlich erfolgreich ist. Zielgrößen sind Finanzkennzahlen. Auch die weiteren Kennzahlen und Ziele der folgenden drei Perspektiven münden bei gewinnorientierten Organisationen letztlich in diese Finanzkennzahlen ein. Die Finanzen sind somit die Endglieder von Ursache-Wirkungsbeziehungen der Balanced Scorecard in Unternehmen. Die Kunden- oder Beziehungsperspektive fokussiert demgegenüber die Gestaltung der externen Strukturen und Vernetzungen. Eine hohe Bedeutung erfährt die Kundenperspektive in diesem Konzept. Typische Zielgrößen sind Kundenzufriedenheitswerte oder Marktanteilsgrößen. Ein Unternehmen, das 75 • • konsequent mit einer Balanced Scorecard arbeitet, setzt sich daher automatisch mit dem Thema der Markt- und Kundenorientierung auseinander. Die Prozessperspektive fokussiert die Gestaltung der internen Prozessstrukturen der Organisation. Fragen nach der effizienten Arbeitsweise einer Organisation sollen Daten von verschiedenen Messgrößen wie Entwicklungs-, Durchlauf- oder Bearbeitungszeiten beantworten. Die Lern- und Entwicklungsperspektive fokussiert die Gestaltung der Kompetenzen beispielsweise in den Bereichen Informationssysteme, Personalqualifizierung und Innovationsmanagement. In vielen Praxisfällen werden innerhalb dieser Perspektive auch Mitarbeiterzufriedenheitswerte betrachtet. Insgesamt wird mit Hilfe der verschiedenen Perspektiven eine Steuerung der Organisation jenseits rein finanzieller Steuerungsgrößen erreicht. Es werden vielmehr Leistungsgrößen erfasst, die Treiber für finanzielle Ergebnisse sind. Die Balanced Scorecard ist deshalb in Bezug auf Ergebniskennzahlen und Leistungstreiber ausgeglichen. Wichtig für die vier Betrachtungsperspektiven ist die Verwendung geeigneter Outputgrößen. So erweist sich beispielsweise die Zahl der besuchten Rhetorikseminare eines Assistenten als wenig aussagefähig. Erst verbesserte Evaluierungsergebnisse seiner Lehrveranstaltungen sind als Output seines Wissenszuwachses oder Steigerung seiner Kommunikationsfähigkeiten relevante Messgrößen. Vision und Strategiefestlegung Strategiefestlegun g der Vision Klärung Kommunikation und Kommunikation Vernetzung Vernetzun und • Kommunikation im g Gesamtunternehmen • Evtl. Durchführung Durchführung von Schulungsmaßnahmen • Ziele setzen • Anbindung an Anreizsysteme • • Festlegung der strategischen Eckpunkte • Konsensherstellung innerhalb der Unternehmensleitung Umsetzung der Balanced Scorecard Feedbackund undLernen Feedback Lernen • Durchführung von Evaluierungsmaßnahmen Evaluierungsmaßnahm en • Sammeln von Erfahrungsberichten • Initiierung von Lernprozessen und Anpassungsmaßnahmen Planung Planung und Operationalisierun Operationalisierung und g • Budgetplanung • Ressourcenplanung • Aktions- und Maßnahmenplanung • Festlegen von Meilensteinen Abb. 11: Strategieimplementierung mittels Balanced Scorecard24 Inwiefern dient nun die Umsetzung der Balanced Scorecard der Strategieimplementierung in einer Organisation? Diese Frage soll im Folgenden beantwortet werden. 24 Vgl. Kaplan, R./Norton, D. (1996). 76 Einen Überblick über den Implementierungs- und Kommunikationsprozess liefert die Abbildung 11 Startpunkt der Einführung einer Balanced Scorecard bilden Vision und Strategie der Organisation. Das Vorhandensein einer Strategiebildung und – festlegung wird im vorliegenden Fall für die Universität vorausgesetzt. Vision und Strategie sind jedoch in einem nächsten Schritt organisationsweit zu kommunizieren. Das Funktionieren dieses Kommunikationsprozesses kann nicht mehr vorausgesetzt werden. In kaum einer Universität, die heute über Hochschulentwicklungspläne als Strategiepapiere verfügt, sind diese flächendeckend bis auf Mitarbeiterebene bekannt. Mit Hilfe von Feedbackprozessen, in denen die konzeptionelle Gesamtsicht überdacht wird, erfolgt eine Rückkopplung. Die Balanced Scorecard ist dabei als dynamisches Instrumentarium konzipiert. Durch das Feedback der Mitarbeiter und die laufenden Erfahrungsberichte entstehen Schleifen, die ein kontinuierliches Lernen der Organisation und ihrer Mitarbeiter ermöglichen. In diesem Prozess ist auch die höchste Hierarchieebene zu ständiger Selbstreflexion aufgefordert, um notwendige Strategieänderungen erkennen und einleiten zu können. Denn nur auf diese Weise sind notwendige Anpassungsprozesse zu bewerkstelligen. Eine organisationsweite Wirkung der Balanced Scorecard wird dadurch erreicht, dass nicht nur eine Scorecard für die Gesamtunternehmung, die Universität, entworfen wird, sondern Unter-Scorecards für die einzelnen Organisationseinheiten abgeleitet werden. Manche Organisationen brechen die Scorecards bis auf einzelne Mitarbeiter herunter. In jeder einzelnen Scorecard werden entsprechend dem jeweiligen Aufgabenbereich die wichtigsten Steuerungsgrößen aufgestellt. Dies ermöglicht eine genaue Verantwortungszuweisung, einen hohen Operationalisierungsgrad und eine hohe Identifikation der Mitarbeiter mit dem System. Die Scorecards sind untereinander vernetzt und bauen aufeinander auf. Durch ihre gezielte Vernetzung wird ein kontinuierlicher Kommunikations- und Lernprozess in horizontaler und vertikaler Richtung gefördert. Für die Mitarbeiter wird ersichtlich, inwieweit ihr Handeln andere beeinflusst und ihr Erfolg von anderen abhängig ist. Bereichsegoismen können zurückgeschraubt werden, da deutlich zu erkennen ist, welcher Beitrag für die Gesamtorganisation geleistet wird. Dieser Faktor wurde bislang in den akademischen Anreizsystemen systematisch ausgeblendet. In Ergänzung zur Festlegung von entsprechenden Indikatoren für Ziele und die Bestimmung von Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten Ziele ergibt sich das gesamte Balanced-Scorecard-Konzept für eine Universität. Eine mögliche Umsetzung für eine Forschungsuniversität zeigt das nachfolgende Schaubild. 77 Leistungswirkungsebene Universitätsmission: “Wir verstehen uns als breit angelegte Forschungsuniversität, die interund transdisziplinäre Forschung betreibt und eine hochqualitative Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zum Ziel hat..” Kundenperspektive —Objectives— Forschungsperspektive 1. Steigerung von Industriepartnerschaften (Anzahl Kooperationen) 2. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (Übernahmequoten von Studenten in die Organisation) 3. Verbesserung Imageposition in Gesellschaft (Ratingeinstufung) 1. Erzielung herausragender, interdisziplinärer Forschungsergebnisse (Ratings) 2. Sicherstellung hoher Ausbildungsqualität (Studentenbefragung) 3. Internationalisierung (Ausländeranteil bei Mitarbeitern und Anzahl internationaler Forschungsprojekte) Verfahrensebene Prozeßperspektive 1. Einführung von e-Business-Lösungen für die Universitätsverwaltung und bei Interaktionen mit Stakeholdern (Anteil an Gesamtprozessen) 2. Reduzierung von Studienzeiten (durchschn. Dauer) 3. Bereitstellung moderner Infrastruktur für Forschung und Lehre (Befragungsergebnisse) Innovations- & Lernperspektive Potentialebene —Objectives— Finanzperspektive 1. Kostenkontrolle (Budgeteinhaltung) 2. Überdurchschnittliche Generierung von Drittmitteln (Überregionales Benchmarking) 3. Umsatzsteigerung aus Lizenz-und Patentvermarktung sowie Merchandising (Umsatzsteigerung) 1. Erreichung und Sicherstellung hoher Mitarbeiterzufriedenheit (Zufriedenheitswerte) 2. Schaffung eines einheitlichen Wissensmanagement (Ergebnis KM-Assessment) 3. Gewinnung Professoren mit Schlüsselqualifikationen (Abgleich Anforderungsprofil) Abb. 12: Eine Balanced Scorecard mit Zielen und möglichen Messgrößen, in Klammern genannt, für eine Forschungsuniversität Die Balanced Scorecard arbeitet hier mit fünf Perspektiven, denn aufgrund der Betonung der Forschungsqualität wird eine separate Forschungsdimension aufgenommen. Die verschiedenen Dimensionen sind auf drei Ebenen angesiedelt. Es handelt sich hierbei um eine Leistungswirkungsebene, die Kunden- und Lehrperspektive betreffend, eine Verfahrensebene, die Prozessperspektive betreffend, und um eine Potenzialebene, die Innovations-, Lern- und Finanzperspektive betreffend. In diesen Dimensionen sind die einzelnen strategischen Ziele mit den jeweils möglichen Messgrößen abgebildet. Im Rahmen einer Balanced-Scorecard-Einführung an Universitäten können nachhaltige Vorteile für den Strategieprozess generiert werden.25 Hier sind zu nennen: • • 25 Die Balanced Scorecard kann Universitäten im Strategieprozess über alle Stufen wirksam unterstützen, d. h. bei der Entwicklung, Steuerung und Kontrolle. Die Universitätsleitung kann die Übersetzungs- und Kommunikationsfunktion der Balanced Scorecard als wichtige Eigenschaft nutzen. Sie dient häufig als erstmalige Missionsformulierung. Vgl. auch Anhang C. 78 • • • • • • • Die Balanced Scorecard basiert auf Abstimmungsprozessen, die im Gegensatz zu reinen Top-Down-Implementierungen von Anfang an Commitment erzielen will. Da das Steuerungssystem nicht zwangsläufig finanzielle Aspekte fokussiert, sind lediglich niedrige Akzeptanzprobleme zu erwarten. Die Gefahr der Übersteuerung ist gering, da Universitäten äußerst selten über ausgeprägte Management-Informationssysteme verfügen. Explizite Berücksichtigungsmöglichkeiten bedeutender qualitativer Größen und immaterieller Werte wie intellectual capital und human capital sind möglich. Rahmen, Ziele und Steuerungsgrößen können exakt auf den Kontext der einzelnen Universität zugeschnitten werden. Die Überwindung der kameralistischen Betrachtungsweise und die verbesserte Diskussionsbasis über Ressourcenzuordnung und -entwicklung wird unterstützt. Eine abgestimmte Implementierung ist über die verschiedenen Organisationseinheiten wie Leitung, Fakultäten, Lehrstühle und zentrale Einheiten möglich. 79 III.Die Universität der Zukunft - ein gegenwärtiger Reformprozess Die vorliegende Studie entwickelt eine Vision der Universität der Zukunft. Die vorgestellten Strategien und Verhaltensweisen legen dar, auf welche Weise deutsche Universitäten diese Vision in Eigeninitiative und -verantwortung realisieren und entwickeln müssen, um organisatorisch den nötigen Evolutionssprung vom 19. Jahrhundert in die Wissensgesellschaft von morgen vollziehen zu können. Dies bedeutet, dass sich die Universität in der Erledigung ihrer Aufgaben professionalisieren, durch inhaltliche Konzentration ihre Stärken ausbauen und sich als Organisation öffnen muss. Jede einzelne Universität kann damit einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität in der Forschung und der akademischen Berufsausbildung in Deutschland leisten. Bei der Entwicklung dieses Universitätsmodells wurde die Universität losgelöst von ihren Bindungen als individuelle Organisation betrachtet. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Universität der Zukunft die absolute Handlungsautonomie erhält, muss herausgestellt werden, dass allein die Übernahme individueller Verantwortung durch die jeweilige Universität nicht genügen wird, einzelne deutsche Universitäten aus dem gegenwärtigen Spektrum der Universitätslandschaft als internationale Spitzeninstitutionen zu etablieren. Untersucht man Universitäten, die zur weltweiten Forschungsspitze gehören, stellt sich eine Gemeinsamkeit heraus: Sie verfügen über ausgesprochen hohe finanzielle Mittel. Entweder besitzen diese Institutionen historisch bedingt eigenes erhebliches Vermögen wie die Oxford und Cambridge University, Harvard und Columbia oder sie kommen, meist aus politischen Gründen, in den Genuss einer besonders hohen direkten oder indirekten staatlichen Förderung. In den USA wurde zum Beispiel in den 50er Jahren als Reaktion auf den Kalten Krieg die nationale Forschungslandschaft mit hohem staatlichen Einsatz ausgebaut. Dabei wurden riesige, staatlich finanzierte Forschungsinstitute aufgebaut, von denen einige direkt mit Universitäten sowohl privaten wie staatlichen verknüpft wurden. Diese Anstrengungen von Seiten des Staates haben wesentlich dazu beigetragen, dass z. B. aus Stanford, das bis nach dem zweiten Weltkrieg den Ruf hatte, ein „finishing college“ für Söhne und Töchter der besseren Gesellschaft zu sein, eine der weltweit führenden Forschungsuniversitäten wurde. In direkter Nachbarschaft befindet sich das Stanford Linear Accelerator Center, finanziert durch das U.S. Department of Energy. Auch das private MIT erhält aufgrund der Verbindung mit den Lincoln Laboratories, die durch das U.S. Department of Energy finanziert werden, indirekt erhebliche staatliche Mittel, die ausschließlich der Grundlagenforschung zugute kommen. Diese Mittel sind ein Hauptgrund dafür, dass das MIT ein weltweiter Anziehungspunkt für junge Wissenschaftler ist. Ähnlich verhält es bei der UC Berkeley. Bei der Betrachtung ihrer Einnahmequellen wird deutlich, dass diese staatliche Universität nur ca. 20 % ihres Haushalts aus der staatlichen Grundfinanzierung erhält, deren Verwendung ausschließlich für die Lehre vorgesehen ist. Wesentlich verantwortlich für den wissenschaftlichen Erfolg sind die Lawrence Berkeley Laboratories, die organisatorisch selbstständig tätig, de facto aber der Universität angegliedert sind. Das genannte Institut beschäftigt 4000 ständige Mitarbeiter, 800 Studierende und wird vollständig aus Mitteln des U.S. Department of Energy finanziert. Das starke politisch motivierte Engagement drückt sich auch darin aus, dass besagtes Department of Energy sowohl in Oakland bei Berkeley wie auch in 80 Stanford eigene Unterabteilungen führt. Das CalTech, dass gegenwärtig als die bestpractice-Universität für eine echte Forschungsuniversität betrachtet wird, verfügt über ein staatlich finanziertes Großlabor, das Jet Propulsion Lab der NASA. Dieses Labor beschäftigt über 5000 Mitarbeiter und erhält ein jährliches Budget von 1,3 Milliarden US $. Sein Direktor ist automatisch in Personalunion einer der Vize-Präsidenten des CalTech und damit Mitglied der Universitätsleitung. Alle anderen Positionen in der Hochschulleitung werden wie üblich von einem externen Universitätsrat besetzt. Die Anwesenheit eines von der Nasa und damit dem U.S. Department of Defence finanzierten Wissenschaftlers in der Universitätsleitung ist für die Einwerbung staatlicher Forschungsgelder sicherlich kein Schaden. Die außergewöhnliche Attraktivität des CalTech für Wissenschaftler gründet sich auch auf die exzellenten Forschungsmöglichkeiten. Auch ein Blick auf die ETH Zürich, die zweifellos zur internationalen Forschungsspitze zählt, zeigt den offen ausgesprochenen politischen Willen, Exzellenz zu erreichen und im Fall der staatlichen Universität ETH auch zu finanzieren. Die Gründungsurkunde von 1855 hält fest, dass die ETH als Anstalt zur Ausbildung einer naturwissenschaftlichen Elite für die Schweiz konzipiert ist. Sie besitzt gegenüber allen anderen Schweizer Universitäten eine Sonderstellung, die sich auch in der Höhe ihrer Grundfinanzierung und wissenschaftlichen Ausstattung widerspiegelt. Heute drückt sich dieser Gründungsauftrag, wissenschaftliche Exzellenz zu pflegen, z. B. in der großen Bedeutung aus, die die ETH der Attraktivität der Universität für ausländische Wissenschaftler und Studierende26 beimisst. Auch in Zeiten schrumpfender staatlicher Universitätsbudgets muss sich die ETH, nach Aussage eines ihrer Leitungsmitglieder27, keine finanziellen Sorgen machen. Der politische Wille zur wissenschaftlichen Exzellenz besteht in der Eidgenossenschaft offensichtlich nach wie vor. 1969 wurde das Konzept erweitert, indem die vormalige polytechnische Universität Lausanne in eine ETH Lausanne umgewandelt wurde. Natürlich haben die genannten Institutionen auch hervorragende wissenschaftliche Arbeit geleistet und sich dafür qualifiziert, eine besondere staatliche Förderung zu empfangen. Diese Förderung wiederum erlaubt ihnen, ihr wissenschaftliches Niveau zu halten oder gar auszubauen. Damit qualifizieren sie sich aufs Neue für weitere Sonderbehandlung. Überdurchschnittliche Leistungen und besondere Förderung bedingen sich hier offensichtlich wechselseitig. Eine exzeptionelle Eigeninitiative der Universitäten ist stets auch eine notwendige Voraussetzung für überdurchschnittliche Leistung. Langfristig ist dies als alleiniger Faktor jedoch nicht ausreichend. Entweder müssen eigene Mittel der Universität oder überdurchschnittliche Förderung durch den Staat diese Anstrengungen stützen und flankieren. Der Fall, dass Universitäten durch eigenes Vermögen eine Spitzenposition erreichen können, scheidet in Deutschland aus. Auch Modelle wie die geplanten Stiftungsuniversitäten in Niedersachsen, denen ihre Liegenschaften als Besitz übertragen werden sollen, ändern dies nicht. Denn besagte Liegenschaften können nicht gewinnbringend verwertet werden, da die Universität diese selbst nutzt. In Deutschland ist die Schaffung von Spitzenuniversitäten neben qualitativ 26 27 Der Anteil ausländischer Studierender liegt bei 35 %. Dies wurde im Rahmen mehrerer Gespräche und Interviews, die die Autoren im November 2001 mit Vertretern der Hochschulleitung und des ETH-Rates geführt haben, geäußert. 81 durchschnittlichen Institutionen nur durch politisch gewollte und bewusste Begünstigung geeigneter Universitäten möglich. Dafür muss der Staat vom Prinzip der Gleichbehandlung abweichen und seinen Wunsch nach international wettbewerbsfähiger Wissenschaft, der gerade in der laufenden Debatte oft geäußert wird, durch Spitzenförderung für einige wenige Eliteeinrichtungen in die Tat umsetzen. Universitäten, die sich entscheiden, die in der Studie dargelegten Vorschläge zu strategischem, eigenverantwortlichen und innovativem Handeln aufzunehmen, ergreifen somit die Initiative, eine Startposition in den Bemühungen um internationale Exzellenz einzunehmen. Im nächsten Schritt ist es dann die Aufgabe des Staates zu entscheiden, welche Institutionen das Potenzial haben, durch besondere Förderung tatsächlich zur Spitze vorzustoßen. Dies wirft in Deutschland gegenwärtig folgende Fragen auf, die die Studie im Rahmen ihrer Untersuchungen nicht beantworten kann, deren Beantwortung jedoch nicht mehr lange aufgeschoben werden darf. Wer wird die Entscheidung treffen, ob in Zukunft einige wenige deutsche Universitäten Spitzenförderung durch den Staat, sei es direkt oder indirekt, erhalten und welche Universitäten für das Zukunftsprojekt ausgewählt werden? Im Fall der ETH beispielsweise ist klar, dass die ETH von der Eidgenossenschaft finanziert wird. Alle anderen Universitäten und Hochschulen dagegen sind Angelegenheit der jeweiligen Kantone. In Deutschland muss die Entwicklung eintreten, das grundsätzliche Prinzip der Gleichbehandlung durch exklusive Förderung für eine besonders geeignete Zielgruppe zu ergänzen. Der pauschal geäußerte Wunsch nach internationaler Spitzenforschung in Deutschland wird sich nur realisieren lassen, wenn politische Entscheidungsträger bereit sind, das Prinzip der Gleichbehandlung deutscher Universitäten aufzugeben. Hierfür muss auch ein Umdenken in der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich der Universitätsfinanzierung erreicht werden. Denkbar wäre, die Zuständigkeit für die Standardgrundfinanzierung auf Landesebene zu belassen und die Exzellenzförderung aus Bundesmitteln zu finanzieren. Wie soll entschieden werden, welche Institutionen das Potenzial haben, in absehbarer Zeit zur internationalen Forschungsspitze vorzustoßen? Gegenwärtig gibt es für die deutsche Universitäten keine belastbaren und vergleichbaren Daten. Es existieren keine Evaluationen, die als Grundlage für derartige Entscheidungen dienen könnten. Entweder muss ein verbindliches nationales Evaluationsverfahren zur Qualitätssicherung in Forschung und Lehre an den Universitäten eingeführt werden oder die Universitäten nehmen freiwillig an einem Verfahren dieser Art teil. Erst wenn belastbare Vergleichsdaten bezüglich relevanter Beurteilungskriterien vorliegen, wird die Entscheidung, welche Institutionen über das Potenzial zur internationalen Exzellenz verfügen, möglich. Anschließend kann die Bewerbung um entsprechende Fördermittel beginnen. Der Staat könnte, ob auf Bundes- oder Landesebene, die Teilnahme der Universitäten an anerkannten Evaluations- oder Qualitätskontrollverfahren zur grundsätzlichen Voraussetzung für einen Wettbewerb um Sondermittel machen. Diese Sondermittel sollten für ambitionierte Restrukturierungsprojekte, besondere Forschungsprojekte und innovative Lehrkonzepte, deren Realisierung jeweils einen Qualitätssprung verspricht, vergeben werden. Die freiwillige bzw. verpflichtende Teilnahme an Evaluationsverfahren ist in vielen Ländern bereits eingeführt. Insbesondere in den USA, in Großbritannien, 82 Australien und Neuseeland existieren erprobte Verfahren, die übernommen werden oder als Vorbild dienen können. Letztendlich ergibt sich die Frage, wie verträglich die Förderung von einigen wenigen Spitzenuniversitäten mit dem deutschen Forschungssystem ist? Der Bund setzt bei seiner Forschungsförderung auf die großen Forschungsgesellschaften und wissenschaftlichen Großeinrichtungen. Dabei konzentriert er sich keineswegs auf die Grundlagenforschung, sondern fördert z. T. sehr wirtschaftsnahe Projekte. Einige Institute der Fraunhofer Gesellschaft treten zuweilen als direkte Konkurrenten privatwirtschaftlicher High-Tech-Unternehmen auf. Die universitäre Forschung ist aus der Perspektive des Bundes von nachrangiger Wichtigkeit, da davon ausgegangen wird, dass sie weitgehend über die Grundfinanzierung der Universitäten aus Landesmitteln abgedeckt ist 28. Die Länder ihrerseits fordern vom Bund zwar mehr Gelder für Forschung und Entwicklung, verteidigen aber die Hoheit über das Bildungswesen gegenüber jeglicher perzipierter Einflussnahme des Bundes vehement. Nun sind die Universitäten keine reinen Bildungseinrichtungen wie etwa Schulen, sondern haben den Anspruch, auch in der Forschungslandschaft ihren Platz einzunehmen. Grundsätzlich müsste in Deutschland überprüft werden, inwieweit die Forschungsförderung von universitärer und außeruniversitärer Forschung angeglichen werden könnte. Eine Angleichung der Fördermechanismen hätte einen stärkeren Wettbewerb und höhere Qualität zur Folge. In den Universitäten würde er ein grundsätzliches Umdenken beschleunigen. 28 Dies entspricht der Realität, da die Grundfinanzierung bei den deutschen Universitäten im Durchschnitt etwa 80 % ihres Haushaltes ausmacht. Nur 20 % kommen aus anderen Quellen, die nicht nur Bundesmittel wie DFG-Gelder, sondern auch Gelder aus der Wirtschaft, aus EUFörderprogrammen etc. umfassen. 83 IV. Bibliographie Braun, D./Merrien, F.-X. (1999): Towards A New Model Of Governance For Universities? A Comparative View, Higher Education Policy Series 53, London. Bieri, S. (2001): Universitäre Qualitätssicherung zwischen Politik und Eigenverantwortung, in: Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Zukunftsaufgabe Qualitätsentwicklung, Beiträge zur Hochschulpolitik 4, Bonn. Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2001): Bundesbericht Forschung 2000, Bonn. 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W./MIT Scenario Working Group (2001): Two Scenarios for 21st Century Organizations: Shifting Networks of Small Firms or AllEncompassing “Virtual Countries”?, Massachusetts Institute of Technology 21st Century Initiative Working Paper, Januar 1997, URL: ccs.mit.edu/21c/ 21CWP001.html. 84 Melzer A./Casper G. (Hg., 2001): Wie gestaltet man Spitzenuniversitäten? – Antworten auf internationale Herausforderungen; Symposium, 1.–2. März 2001 in München, Veröffentlichungen der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung, Bd. 56, Köln. Müller-Böling, D./Mayer, E./MacLachlan, A. J. et al. (Hg., 1998): University in Transition. Research Mission, Interdisciplinarity, Governance, Gütersloh. Müller-Böling, D. (2000): Die entfesselte Hochschule, Gütersloh. OECD-Zentrum für Forschung und Innovation im Bildungswesen (Hg., 2000): Bildung auf einen Blick. OECD-Indikatoren 2000, Paris. Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R. (2001): Die grenzenlose Unternehmung, 4. Aufl., Wiesbaden. Wagner, E. 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Jahrhunderts, Abhandlungen zu Bildungsforschung und Bildungsrecht, Bd. 7, Berlin. Wissenschaftsrat (2001): Personalstruktur und Qualifizierung: Empfehlungen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Drs. 4756/01, Köln. 85 V. Besuchte Institutionen USA California Institute of Technology, CalTech Columbia University Dartmouth College Harvard University Keck Graduate Institute Massachussetts Institute of Technology, MIT Rutgers University Stanford University University of Berkeley University of California UK University of Cambridge University of Warwick University of Oxford Niederlande Universität Maastricht Universität von Amsterdam Universität Twente Schweiz ETH-Rat Deutschland WHU 86 Universität der Zukunft Anhang A Die Finanzierung von Universitäten – Überlegung zu Einnahmequellen, deren Rentabilität und Einbindung in die Universitätsstrategie Autoren: Dr. Konstantin Reetz, TUM-Tech GmbH; [email protected] Bernd Grohs; [email protected] 87 88 VI. Anhang A: Die Finanzierung von Universitäten – Überlegung zu Einnahmequellen, deren Rentabilität und Einbindung in die Universitätsstrategie A.1. Einleitung Das Thema Finanzen wird für die Universität der Zukunft von grundlegender Bedeutung sein. Diese Thematik muss, um Zukunftsfähigkeit der Universität zu erlangen, eine entschiedene Neuorientierung erfahren. Die Finanzen werden die Qualität der Produkte der Universität ausschlaggebend beeinflussen, das Verhalten der Mitglieder der Universität maßgeblich prägen und damit die Wettbewerbsfähigkeit bestimmen. Die Entwicklung einer Universität zu einer Spitzenuniversität wird davon abhängen, wie erfolgreich die Universität im Bereich Finanzen agiert: sowohl bei der Einwerbung zusätzlicher Mittel als auch bei der wirtschaftlichen und strategisch sinnvollen Verwendung dieser Mittel. Von den Universitäten selbst wird regelmäßig das Thema Finanzen als Ursache für nicht befriedigende Qualität oder die eingeschränkten Möglichkeiten der Aufgabenerfüllung angeführt. Dabei herrscht Unzufriedenheit bezüglich der Höhe der gewährten Finanzierung, der Regeln zur Bemessung der Finanzierung und insbesondere bezüglich der fehlenden Handlungsfreiheit der Universitäten bei der Verwendung der Finanzen. Mit dieser Klage wird gleichzeitig versucht, die Verantwortung für Missstände auf die finanzierenden Stellen zu schieben, obwohl die Universitäten auch heute schon viele Möglichkeiten hätten, ihre Situation zu verbessern. Allerdings ist davor zu warnen, dass die Universität als Ganzes als ökonomisierbar gesehen wird. Die Universität kann nicht insgesamt Marktgesetze anwenden, weil sie im Auftrag des Staates auch übergeordnete Werte verfolgt. Fächergruppen, die für die Wirtschaft weniger interessant sind, weil nicht ökonomischen Nutzen stiftend, würden verschwinden, würde man sie Marktgesetzen aussetzen. Zumindest Teile der Gesellschaft erwarten von den Universitäten kritisches Denken statt Unterordnung unter ökonomische Ziele. Allerdings gibt es in Universitäten auch Bereiche, die ökonomisierbar sind. Wo marktstimulierende Kräfte positiv wirken, sollten sie genutzt werden. Dies trifft mit Sicherheit auf die Weiterbildung und Auftragsforschung zu. 89 A.2. Höhe der Finanzierung Deutsche Universitäten in staatlicher Trägerschaft werden zu einem sehr hohen Anteil aus Steuermitteln finanziert. Die Länder gewähren in ihrem Haushalt verankert eine Grundfinanzierung für den Betrieb der Lehre und Forschung sowie für den Bau und Erhalt der Gebäude und Forschungsstätten. Die Baukosten, das sind etwa 10 % der Gesamthochschulfinanzierung, teilen sich die Länder mit dem Bund.29 Aus Steuermitteln werden zudem direkt Programme zur Forschungsförderung von Ländern, Bund und Europäischer Union finanziert als auch nationale Forschungsfördereinrichtungen wie die DFG. Die Gesamtausgaben für Hochschulen betrugen 1990 etwa 1,21 % des Bruttoinlandprodukts, 1999 noch 0,98 %. Die Finanzminister der Länder haben beschlossen, die Bildungsausgaben einzufrieren und ab 2008 zurückzufahren.30 Die Finanzierung der Hochschulen erfolgt derzeit aus folgenden Quellen: ca. 87 % durch die Länder, ca. 7 % durch den Bund und ca. 5 % direkt durch die Wirtschaft, Stiftungen und Privatpersonen. Der direkte Finanzierungsanteil der Wirtschaft liegt mit 2,8 % im internationalen Vergleich sehr niedrig. Auch bei erfolgreichen deutschen Universitäten wird nur ein geringer Anteil der Finanzierung von privaten Quellen bereitgestellt. Dies ist überwiegend die Auftragsforschung für die Wirtschaft. Eine von vielen Universitäten geforderte Erhöhung der aus Steuermitteln bestrittenen Universitätshaushalte würde automatisch entweder eine Erhöhung der Steuersätze bedeuten oder alternativ eine Umverteilung der Steuereinnahmen. Der Wettbewerb des Hochschulbereichs mit anderen Politikbereichen um knappe staatliche Mittel wird jedoch immer härter. Die Hochschulen müssen sich dabei gegen die Wahrnehmung verteidigen, den Finanzzuweisungen stünden keine angemessenen Leistungen gegenüber. Der Rechtfertigungsdruck über die Notwendigkeit des Umfangs der Budgets und den Nutzen der eingesetzten Mittel steigt. Es ist sogar davon auszugehen, dass es infolge der Steuerung der Hochschulen mit Hilfe von Normen und Erlassen im Bereich der Finanzen und des Personals zu Fehlallokationen von Ressourcen im Hochschulsystem insgesamt und in einzelnen Hochschulen kommt. Es ist jedoch nicht bei allen Mitgliedern der Hochschulen das stete Bewusstsein zur Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit des Mitteleinsatzes zu erkennen. Für eine Umverteilung dürften die Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft sein. Eine Erhöhung der Steuersätze hingegen würde von den Steuerzahlern und der Politik nicht akzeptiert werden, da der Trend genau in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Auch im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist eine weitere Erhöhung der Steuersätze nicht möglich. Daher ist die vielfach geforderte Erhöhung der staatlichen Finanzierung der Universitäten kaum realisierbar und volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. Vergleicht man die Grundfinanzierung der Bundesländer für deutsche Universitäten mit der des jeweiligen Staates erfolgreicher amerikanischer State Universities, z. B. der University 29 30 Vgl. Hochschulbaufördergesetz. Vgl. Oppermann, T. (2001), in: Melzer, A./Casper, G. (Hg.). 90 of California, so ist eine deutliche Diskrepanz der prozentualen Anteile am Gesamtbudget zu verzeichnen. Die Grundfinanzierung des State of California liegt bei 20,2 % im Gegensatz zu den vorher erwähnten 68,4 % oder 74,9 % der deutschen Universitäten oder 87 % im Mittel. Führende staatliche Universitäten in den USA, z. B. die University of California, erhalten von ihrem Staat eine in absoluten Zahlen vergleichbare Grundfinanzierung wie die deutschen Universitäten von den Bundesländern. Was dies für die Lehre und Forschung bedeutet, wird später erläutert. Amerikanische Universitäten, auch die staatlichen, sind viel weniger angewiesen auf die Finanzierung ihres Trägers. Sie haben sich vielfältige und ergiebige Einnahmequellen erschlossen, sind dadurch weniger abhängig von einzelnen Finanzgebern und haben sich aufgrund dessen höhere Freiheiten erwirkt. Die frei verfügbaren Mittel der Harvard University im Haushalt 2000 lagen bei 35 % des Gesamtbudgets, während deutsche Universitäten quasi keine frei verfügbaren Mittel hatten. Dass Einnahmendiversifizierung auch in Deutschland möglich ist, belegen private Hochschulen. Die folgenden Abbildungen zeigen die Herkunftsstruktur der Budgets verschiedener Hochschulen. Die RWTH als staatliche deutsche Universität erhält aus nur zwei Quellen ihre Finanzmittel: Vom Staat die direkte Haushaltsfinanzierung, und die in Drittmitteln enthaltene Projektfinanzierung für staatlich geförderte Forschungsmaßnahmen. In den Drittmitteln sind auch die privaten auftragsbezogenen Mittel aus der Wirtschaft enthalten. Diesen stehen aber zusätzliche Aufwendungen entgegen, so dass frei verfügbare Mittel quasi nicht vorhanden sind. direkte staatliche Unterstützung 75% Drittmittel 25 % Abb. A.1: Budget einer deutschen staatlichen Universität: RWTH Aachen Im Gegensatz dazu steht die Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar, im Folgenden WHU genannt. Ihre Einnahmenstruktur ist viel differenzierter. Wesentlich aber ist, dass den Einkunftsarten Kapitalerträge und Spenden, die 61 % des Budgets darstellen, keine oder nur geringe Aufwendungen gegenüber stehen. Diese höchstrentablen Einkunftsarten ermöglichen erhebliche Handlungsfreiheit. 91 Spenden 44% Kapitalerträge 17% Drittmittel übrige Erträge 4% 7% Studiengebühren 28% Abb. A.2: Budget einer deutschen privaten Universität: WHU Die staatliche amerikanische University of California ist in ihrer Einnahmenstruktur sehr differenziert. Dies ist Ergebnis der permanenten Bemühungen, neue Einnahmequellen zu erschließen und zu entwickeln. Die staatliche Unterstützung durch Federal und State Government liegt insgesamt bei 40 %. Die Einnahmen aus Kapitalerträgen und Spenden erreichen nur knapp 5 %. Weil die staatlichen Universitäten Fundraising erst entwickelt haben, als staatliche Finanzierung nicht mehr ausreichte, um die gesteckten Qualitätsziele zu erreichen, zeigen sie bei dieser Einkunftsart Rückstand gegenüber privaten Universitäten, deren Existenz seit jeher von erfolgreicher Spendeneinwerbung abhängig war. Fort- und Weiterbildung 6% andere Unternehmungen Studiengebühren 5% 9% direkte staatliche Medizinische Center Unterstützung 22% 26% Spenden 4% Nichtstaatliche Zuschüsse und Verträge 5% übrige Erträge Staatliche Zuschüsse und Verträge 8% 15% Abb. A.3: Budget einer amerikanischen staatlichen Universität: University of California Anders die Struktur der Einnahmen einer amerikanischen Privatuniversität am Beispiel der Harvard University. Der Staatszuschuss für Forschung liegt bei 16 %. Der wichtigste Einzelposten der Einnahmenstruktur sind Kapitalerträge mit 28 %. 92 Zusammen mit den Spenden, 7 %, geben diese Einkunftsarten höchster Rendite weitreichende Handlungsfreiheit im Sinne der Verfolgung strategischer Ziele. Nicht zu vernachlässigen ist, dass der Reichtum wohlhabender amerikanischer Universitäten aus Landbesitz entstand; ein Kapital, über das deutsche Universitäten nicht verfügen. Staatliche Zuschüsse und Verträge 16% Nichtstaatliche Zuschüsse und Verträge 5% Spenden 7% Kapitalerträge 28% übrige Erträge 20% Studiengebühren 24% Abb. A.4: Budget einer amerikanischen privaten Universität: Harvard Budgets für die Lehre Ein wesentlicher Aspekt für die Qualität der Lehre ist neben organisatorischen und personellen Stärken die Höhe der verfügbaren Budgets pro Studierenden. Die Haushalte der deutschen Universitäten, die in der Grundfinanzierung nicht zwischen Zuschüssen für Lehre und Zuschüssen für Forschung unterscheiden, lassen keine Differenzierung bezüglich der unterschiedlichen Geschäftsbereiche in unterschiedlichen Universitätstypen zu. Forschungsuniversitäten werden sicherlich mehr Mittel für die Forschung verwenden als Universitäten, die ihren Schwerpunkt in der Lehre haben, eventuell auch in Fächern, die weniger laborintensiv sind und daher auch weniger Laborgeräte benötigen. Dennoch soll der Versuch unternommen werden, das Gesamtbudget der Universität durch die Gesamtzahl der Studierenden zu dividieren, wissend dass dieser Wert nicht exakt die Verhältnisse wiederspiegeln kann. Diese Rechnung ergibt, dass bei den als Beispiel gewählten staatlichen Universitäten in Deutschland diese Beträge bei 8350 € an der RWTH oder 6969 € an der Universität Tübingen pro Studierenden und Jahr liegen. Vergleicht man damit die verfügbaren Mittel amerikanischer staatlicher Universitäten, so ist zu sehen, dass im Beispiel der University of California das Budget pro Studierenden bei 47452 € liegt, das das 5,7fache des Wertes der RWTH und das 6,8fache des Wertes der Universität Tübingen ist. Bei amerikanischen Privatuniversitäten liegt das verfügbare Budget pro Studierenden im Beispiel des MIT bei 67827 €, also 8 mal so hoch wie im deutschen Beispiel RWTH Aachen oder 9,7 mal so hoch wie in Tübingen. Diese Zahlen sind sicherlich nicht exakt gerechnet, zeigen aber deutliche Unterschiede. Absolut sind die vom zuständigen Staat in den USA bzw. Bundesland in Deutschland bereitgestellten Grundfinanzierungsmittel bezogen auf den Studierenden in der 93 gleichen Größenordnung, d. h., 9585 € an der UC, 5711 € an der RWTH und 5220 € an der Universität Tübingen. Wettbewerbsentscheidend ist, dass führende amerikanische Universitäten aufgrund ihrer erfolgreichen Mitteleinwerbung sehr viel mehr Mittel pro Studierenden zur Verfügung haben und auch einsetzen. Sie agieren damit viel betreuungsintensiver und verfügen über die finanziellen Möglichkeiten, die Qualität zu erhöhen. Oberflächliche Analysen des amerikanischen Systems führen oft zu der Empfehlung an die deutschen Universitäten, wie Harvard und Berkeley zu agieren. Eine detailliertere Analyse zeigt jedoch, dass sich die führenden amerikanischen Universitäten, dies gilt nicht für alle, gegenüber führenden deutschen Universitäten deutlich in der Höhe der verfügbaren Budgets unterscheiden. Die amerikanischen Universitäten haben die Finanzierung jedoch zu ihrer Sache erklärt, während deutsche weiter lamentieren. Auch die weitgehende Autonomie in der Mittelverwendung haben sich amerikanische Universitäten hart erarbeitet und sich dafür qualifiziert. Wesentliches Ziel für deutsche Universitäten muss die Erhöhung nicht zweckgebundener Finanzmittel sein, damit die Handlungsfähigkeit erhöht werden kann. Das heißt: Alternative Einnahmequellen müssen nach dem Kriterium der Rendite bewertet werden, nicht oberflächlich nach der Höhe erzielbarer Einnahmen. Es führt nicht weiter, Einnahmequellen zu erschließen, die den Aufwand gleichermaßen erhöhen. Das Thema Technology Licensing wird oft als Goldgrube dargestellt. Die Erfahrungen in den USA zeigen jedoch, dass eine erhebliche Vorinvestition erforderlich ist, um diese Quelle zu erschließen, dass der operative Gewinn in der Regel vernachlässigbar ist, wenn nicht gerade einer der seltenen Coups gelandet wird und dass letztendlich die Einnahmen auch bei den erfolgreichsten Universitäten nur 1 bis 3 % zur Gesamtfinanzierung beitragen. Die Erfolgsgeschichte der amerikanischen Spitzenuniversitäten basiert auf ihrer Fähigkeit, Einnahmequellen höchster Rendite zu erschließen. Dazu ist die Steuerung durch ein hochprofessionelles System, herausragende Qualität und Einzigartigkeit ihrer Produkte und ein überragendes Image erforderlich. Wenn es eine Universität schafft, sich im Ranking als führende Universität zu positionieren, wird sie wie in einem Aufwärtssog bei professioneller Steuerung automatisch genügend Finanzen haben, um sich dauerhaft an der Spitze zu etablieren. A.3. Bemessung der Finanzierung In Deutschland bemaß und bemisst sich das vom jeweiligen Bundesland der Universität zur Verfügung gestellte Budget in erster Linie nach der Zahl der Studierenden.31 Zwar werden, wie gleich beschrieben werden wird, auch andere Kriterien berücksichtigt, sogenannte erfolgsabhängige Bemessungsgrundlagen wie die eingeworbenen Drittmittel, aber in einer niedrigen Gewichtung. D. h., eine deutsche Universität kann derzeit ihre Budgets vor allem erhöhen, indem sie ihre Belastung erhöht. Für die Steigerung der Qualität bleiben da kaum Mittel über; Qualität ist auch kaum eine Bemessungsgröße. Die Konsequenz von Gleichmacherei aber ist 31 Entspricht dem Kriterium belastungsgesteuert. 94 bestenfalls Mittelmaß. Zur Zuweisung des Haushaltes werden die in der Forschung erzielten Ergebnisse nicht beurteilt. Lediglich ein geringer Anteil des Budgets unterliegt dem Wettbewerb, der Qualität als Auswahlkriterium hat. Dies sind die sogenannten Drittmittel für Forschungsprojekte. Dabei stehen die Universitäten nicht nur im Wettbewerb mit ihresgleichen, sondern auch mit Einrichtungen wie dem MPI und der FhI, die nur das Geschäftsfeld Forschung betreiben und dies permanent professionalisieren können. Die Konsequenz, nachlassende Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich, wird allerdings den Universitäten angelastet. Erste zarte Pflänzchen in Form eines neuen Steuerungsmodells, das besser zu autonomen Hochschulen passt, beginnen zu sprießen. In Deutschland wird begonnen bei der Mittelvergabe drei Instrumente zu kombinieren. Das sind 1. die Evaluation als Ansatz zur Qualitätstransparenz und –sicherung, 2. die Rechenschaftslegung mit teilweise aus der kaufmännischen Buchführung abgeleiteten Formen des Berichtswesens und 3. Zielvereinbarungsansätze. Mit diesem Instrumentarium soll, soweit die Theorie, die Steuerung unter Angabe von finanziellen Rahmenbedingungen outputorientiert und ex-post stattfinden. Als Grundbausteine werden dafür die pauschale Vorabzuweisung mit Zweckbindung oder ohne Bedingungen für Leistung und Ergebnis in Form einer Globalzuweisung, die Indikatorsteuerung über formelgebundene Finanzierung und die Finanzierung nach Ziel-, und Leistungsvereinbarungen kombiniert. Als Indikatoransätze werden typischerweise Studierende in der Regelstudienzeit, Absolventen und Prüfungen, Drittmittel, Stellen und Personal, Promotionen, Frauenförderung, Habilitationen, etc. herangezogen, um nur die in den Bundesländern am häufigsten verwendeten aufzuzählen. Aufwändige Ziel- und Leistungsvereinbarungen, weil verhandlungs- und zeitintensiv, findet man vor allem bei den Stadtstaaten, die eine überschaubare Anzahl an Hochschulen aller Hochschularten betreuen. Die Kombination von Steuerung über Indikatoren und Vereinbarungen ist geeignet, die Probleme, die jede Steuerung für sich aufweist, abzufangen; Prüf- und Messbarkeit bei Ziel- und Leistungsvereinbarungen versus Dialogorientierung im Vereinbarungsprozess. Insgesamt werden in der bereits länger andauernden Orientierungsphase meist kleinere Teile des Haushalts32, manchmal größere Teile33 dem traditionellen Verfahren entzogen und entsprechend den Formeln oder Vereinbarungen verteilt. Im Falle von Baden Württemberg werden die möglicherweise resultierenden Umverteilungen durch eine Kappungsgrenze, die Verluste auf 1 % des letzten Haushalts beschränkt, abgemildert. Auch Globalzuweisungen, die diesen Namen verdienen, sind noch selten oder in der Höhe eingeschränkt.34 32 Vgl. Anteil der Sachmittel im Rahmen der Titelgruppe für Forschung und Lehre wie in Bayern. Vgl. 14 % des gesamten Landeszuschusses wie in Baden-Württemberg 2000/2001. 34 Vgl. Titscher, S./Winckler, G./Biedermann, H. et al. (Hg., 2000). 33 95 Der Wettbewerb in der Forschung zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen Die deutsche Forschungslandschaft ist mittlerweile in höchstem Maße segmentiert. Neben den Hochschulen sind viele außeruniversitäre Institute in Forschung und Entwicklung, im Folgenden mit FuE bezeichnet, tätig, die teilweise in großen Organisationen wie der MPG, FhG, HGF, WGL und AIF geführt werden, teilweise auch in solitären Landes- und Bundeseinrichtungen. Der größte Teilnehmer an Forschung und Entwicklung ist allerdings die Wirtschaft. Diese finanziert 63,4 % aller FuE-Ausgaben Deutschlands und führt 67,4 % aller FuEMaßnahmen durch. Für die Hochschulen verbleiben nur noch 17,9 % und für die außeruniversitären Einrichtungen nur noch 14,7 % bei der Durchführung.35 “Das Kräfteverhältnis von universitärer Forschung und Forschung an außeruniversitären Einrichtungen hat sich zunehmend zu Ungunsten der Universitäten verschoben. Infolge der Auszehrung der Hochschulhaushalte und der„Überlast in der Lehre gerät die Ausstattung der Hochschulen für Forschung im Vergleich zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen seit den 70er Jahren immer mehr ins Hintertreffen.“36 Hinzu kommt die Gründung einer großen Zahl neuer außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die Gründungsentscheidungen werden häufig nach Prioritätensetzung entsprechend strategischer Entwicklungsplanungen der Länder sowie in Anlehnung an politisch vorgegebene Strukturplanungen getroffen (wobei die Prioritäten in der Regel in allen Ländern die gleichen sind). Die Themenbereiche entsprechen überwiegend den sogenannten Hochtechnologien, die auch in der Öffentlichkeitsarbeit großes Ansehen genießen. Viele Bereiche, in denen Universitäten forschen, insbesondere wenn sie in Sozial- und Geisteswissenschaften tätig sind, bleiben unberücksichtigt. Angesichts der angespannten Finanzlage der Länder werden Entscheidungen über die Ansiedlung neuer Forschungseinrichtungen mit großem Investitionsbedarf so getroffen, dass eine Mitfinanzierung des Bundes, vornehmlich in gemeinschaftlich finanzierten Einrichtungen erreicht wird. Das Interesse der Länder an dieser Mitfinanzierung führt in der Regel zur außeruniversitären Organisation der Forschung. Damit wird die Konkurrenzfähigkeit der von den Ländern fast ausschließlich zu finanzierenden Hochschulen immer mehr gefährdet. Beispielsweise erfolgte in Bayern zwischen 1991 und 1999 eine Erhöhung der Grundmittel für Wissenschaft an Hochschulen um 35,3 %, während im gleichen Zeitraum die Grundmittel für Wissenschaft und Forschung außerhalb der Universitäten um 80 % stiegen.37 An der gesamten Bundesförderung hatten in 1989 die Hochschulen einen Anteil von 2,7 %, die außeruniversitären Einrichtungen von 35,6 %. Bis 2000 verschoben sich die Anteile auf 44,8 % für die außeruniversitären Einrichtungen zu 4,6 % für die Hochschulen.38 35 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2001). Die Zahlen stammen aus dem Jahr 1997. 36 Hochschulrektorenkonferenz (Hg., 2001). 37 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2001). 38 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg., 2001). 96 Spezialisierung, Qualitätssicherung, Leistungsorientierung und Steuerung nach Erfolgskennzahlen haben aus den außeruniversitären Einrichtungen viele erfolgreiche und professionell geführte Institute entstehen lassen wie beispielsweise die MaxPlanck-Gesellschaft und Fraunhofer-Gesellschaft. Die staatliche Steuerung der Hochschulen war nur selten an Erfolgskriterien orientiert, ging überwiegend von der Fortschreibung der Haushaltsansätze aus und orientierte sich weitgehend an den kameralistischen Grundsätzen der geltenden Haushaltsordnungen. Eine Kontrolle der Effektivität des Ressourceneinsatzes fand nicht oder nur unzureichend statt; Ressourcenschonung wurde nicht belohnt, Qualität wurde nicht nachgeprüft. Die wesentlichen Wettbewerbsvorteile dieser außeruniversitären Institute sind ihre Spezialisierung und der Aufbau einer kritischen Masse. Nur wenige Universitätsinstitute erreichen diese kritische Masse und nur dank herausragender Erfolge in der Drittmittelakquisition. Diese Institute sind dann in der Regel sehr wettbewerbsfähig. Der überwiegende Teil der Forschungsmittel der Universitäten versickert jedoch in Kleinstgruppen ohne strategische Zielsetzung. Die einzigartigen Möglichkeiten der Hochschulforschung, disziplinübergreifende Kooperation und durch öffentliche Finanzierung bedingte Unabhängigkeit, werden von den Trägern der Hochschulen immer weniger gefördert. Vielleicht ist die Ursache dessen die Unzufriedenheit mit den erzielten Ergebnissen der Universitäten. Diese Möglichkeiten werden aber auch von den Universitäten zu wenig genutzt, weil Lehrstuhlinhaber nicht wirklich von der Förderung erfolgreicher Forschung abhängig sind. Wer nicht in besonderem Maße Ehrgeiz entwickelte, wurde bisher dennoch ausreichend finanziert. Das stark ausgeprägte Denken in Lehrstühlen, Instituten und Fakultäten, die fehlende Abstimmung einer gemeinsamen Strategie verhindern oft das Entstehen der erforderlichen kritischen Masse. Überdies muss bedacht werden, dass dem Forscher, der, obwohl er an der Universität ausgebildet wird, eine Tätigkeit an einem MPI mehr Möglichkeiten intensiver Forschung gestattet als die Beschäftigung an der Universität, weil sie mit Lehrverpflichtungen und hohem Selbstverwaltungsaufwand verbunden ist. Für die Universität der Zukunft wird es entscheidend sein, dass sie diese spezialisierten außeruniversitären Institute als ihre Wettbewerber erkennt. Sie muss durch organisatorische Maßnahmen und strategisches Vorgehen die Stärken dieser Institute egalisieren und ihren Trumpf der Betätigungsmöglichkeit zwischen den Fachgrenzen ausspielen. Dies erfordert jedoch unausweichlich die Schwerpunktbildung in der Forschung. Der internationale Vergleich der Forschungsförderung Gegenüber dem oft zitierten Vorbild USA gibt es in der Forschung in Deutschland maßgebliche strukturelle Unterschiede, aber auch sehr unterschiedliche Entwicklungen. Während sich in den USA die Ausgaben für Forschung und Entwicklung von 1991 bis 1998 um 41,8 % erhöht haben, betrug die Zunahme in Deutschland nur 21 %.39 Die Finanzierung durch Bund und Länder, für Universitäten die wesentliche Quelle, nahm 39 Vgl. OECD 1999/2, www.oecd.org. 97 in diesem Zeitraum lediglich um 8,6 % zu. Die Ausgaben der Wirtschaft für FuE stiegen im gleichen Zeitraum um 29,4 %. In den USA sind wichtige von der Bundesregierung finanzierte Forschungseinrichtungen den Universitäten angegliedert. Das Lincoln Laboratory des MIT erhielt im Jahr 2000 vom U.S. Dept. of Defense 685 Millionen DM für Forschungsprojekte. Die vom U.S. Dept. of Energy finanzierten und von der University of California betriebenen Forschungsinstitute wie Lawrence Livermore oder Lawrence Berkeley etc. erhielten 6,6 Milliarden DM im Jahr 2000 für Forschungsaufgaben. Das Jet Propulsion Lab des California Institute of Technology erhielt 2,57 Milliarden DM von der NASA. Dieses Institut allein hat das 12-fache Forschungsbudget der RWTH Aachen. Diese amerikanischen Institute sind hochspezialisiert und sind in ihren jeweiligen Tätigkeitsbereichen weltweit führend. Die Ergebnisse, die die Forscher erzielen, werden in die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses eingespeist, sodass diese Universitäten auch in der Wissenschaftlerausbildung führend sind. Auch die projektbezogenen Forschungsmittel, in USA sponsored research, in Deutschland Drittmittel, liegen bei führenden amerikanischen Universitäten sehr viel höher als in Deutschland. Während die bei der Drittmittelakquisition erfolgreichste deutsche Universität, die RWTH Aachen, 2001 220,9 Millionen DM an Drittmitteln einwarb, betrugen die entsprechenden Einnahmen des MIT 1.346 Millionen DM, das heißt das 6,1fache. Im Vergleich: Bei der Zahl der Studierenden liegt die RWTH Aachen bei 27421 2,7 mal so hoch wie das MIT bei 10090. Diese Zahlen erklären die schon legendäre Attraktivität der führenden amerikanischen Universitäten für die besten Wissenschaftler der Welt. Die in Deutschland ausdifferenzierte außeruniversitäre Forschungsstruktur mit MaxPlanck-, Fraunhofer-, Helmholtz-Leibnitz-Instituten usw. gibt es in den USA in dieser Form nicht. Daher ist festzustellen, dass das Wettbewerbsumfeld der Universitäten in den USA und Deutschland andersartig ist. A.4. Verwendung der Finanzmittel Für Hochschulen gilt, wie für alle öffentlich-rechtlich verfassten Einrichtungen, das staatliche Haushaltsrecht.40 Diesen Rahmen berücksichtigen bei den Ausgaben alle auf Finanzautonomie gerichteten Reformansätze der Bundesländer. Die Anwendung des staatlichen Haushaltsrechts wird allerdings in den meisten Bundesländern durch haushaltsrechtliche Sonderregelungen, in manchen durch Rechtsverordnungen oder sogar Änderungen in den Hochschulgesetzen, zunehmend auf die speziellen Belange der Hochschulen angepasst. Der staatliche Gesamthaushaltsplan spiegelt die politische Entscheidung und Einflussnahme wider und gibt an, für welche Aufgaben und Handlungsfelder wie viele Mittel mit welchen Maßgaben zur Verfügung gestellt werden. Der Gesamthaushaltsplan wird in Einzelpläne z. B. für das Wissenschaftsministerium, in 40 Vgl. Haushaltsgrundsätzegesetz des Bundes, HGrG, Bundeshaushaltsordnung, BHO und die Haushaltsordnungen der Länder, LHO. 98 Kapitel z. B. für eine bestimmte Universität und Titel wie Einzelansätze innerhalb der Universität unterteilt. Diese Titel gliedern sich in Einnahme- und Ausgabetitel, die meistens mit einzelnen Bewirtschaftungsvorschriften wie Haushaltsvermerken belegt werden. Gelegentlich, und in den Hochschulhaushalten erfreulicherweise immer häufiger, sind mehrere Kostenarten wie Sachmittel, Personalmittel, investive Mittel, Baumittel, etc. zu funktionalen Titelgruppen zusammengefasst und erlauben damit die Ausgabe von Haushaltsmitteln für unterschiedliche Kostenarten bezogen auf eine bestimmte Aufgabe. Ohne besonderen Haushaltsvermerk sind Titel oder Titelgruppen nicht gegenseitig deckungsfähig, d. h., Einsparungen oder Reste eines Titels dürfen nicht auf andere Titel übertragen werden, auch wenn der andere Titel für die der Behörde zugewiesenen Aufgaben nicht ausreichend ist. Dies entspricht dem Grundsatz der sachlichen Spezialität. Die Deckungsfähigkeit von Titeln und Titelgruppen kann einseitig oder gegenseitig angeordnet werden. Je mehr gegenseitige Deckungsfähigkeit angeordnet wird, umso flexibler lässt sich wirtschaften. Die Tendenz bei Hochschulhaushalten in Richtung Haushaltsvermerke, die diese Deckungsfähigkeit herstellen, ist steigend. Im Prinzip folgt der öffentliche Haushalt auch der Jährlichkeit, dem Grundsatz der zeitlichen Spezialität. D. h., sogenannte Ausgabereste sind, wenn nicht anders angeordnet, nicht ins Folgejahr übertragbar. Da der Haushalt des Folgejahres i. d. R. nach den Ist-Angaben des Vorjahres, der Fortschreibung von bestehenden, historisch gewachsenen Zuständen und Verhältnissen, und nicht nach konkreten Bedarfsprognosen veranschlagt wird, läuft das Jährlichkeitsprinzip auch möglichen Einsparungen zuwider, wie das Ausgabefieber im November und Dezember als „normales menschliches Verhalten“ aufzeigt. Zwar wird seit einigen Jahren mehr und mehr die Übertragbarkeit von Ausgaberesten in bestimmtem Umfang in Aussicht gestellt, aber diese politischen Zusagen sind nur ungesicherte Rechtspositionen, die wegen der Budgethoheit des Landesparlaments ohne gesetzliche Grundlage wenig belastbar sind. Weiterhin müssen alle voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben getrennt veranschlagt und vollständig in den Haushaltsplan eingestellt werden. Dies entspricht dem Grundsatz der Einheit, Vollständigkeit und Fälligkeit. Dieser Grundsatz führt zu einer sehr großen Detailschärfe des Landeshaushalts bezüglich der Hochschulen. Zugrundegelegt ist dem öffentlichen Haushalt eine strenge Kameralistik, d. h. eine Rechnung auf Basis von Einzahlungen und Auszahlungen. Insofern lässt sich aus der Haushaltsrechnung nur ablesen, ob und in welchem Umfang zugewiesene Mittel für welche Kostenarten ausgegeben wurden. D. h. die politischen Leitentscheidungen werden sichtbar. Nicht nachgewiesen wird, welche Leistungen erzielt wurden, oder, ob die in den Fluss der Finanzmittel gesteckten Erwartungen effizient erfüllt wurden. Dies entspricht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Seit einiger Zeit versuchen Hochschulen durch ergänzende KostenLeistungsrechnungen diese Zusammenhänge und Wirkungsgrade zu erfassen. Um dies erreichen zu können, müssten die Kosten-Leistungsrechnungen allerdings aufgaben- und bereichsspezifisch konzipiert werden. Die bestehende Komplexität zu negieren, macht jede dies vernachlässigende Rechnung im Ansatz fragwürdig. 99 Die unmittelbare Geltung der Haushaltsgrundsätze bindet die Bewirtschaftung der Mittel und damit die interne Mittelverteilung in den Hochschulen. Die seit langem geforderte Flexibilisierung des Haushaltsvollzuges steht demnach zwangsläufig im Widerspruch zu den allgemeinen Haushaltsgrundsätzen. Die auftretenden Probleme sind bekannt, das zeigen die bereits seit Jahren existierenden Empfehlungen unter anderem des Wissenschaftsrates aus den Jahren 1979 und 1993 sowie des Hochschulausschusses der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 1994. Da eine Lockerung der Haushaltsgrundsätze nur unter großen Schwierigkeiten umzusetzen ist, treffen die 11 Thesen zur Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen, die vom Hochschulausschuss der Kultusministerkonferenz bereits 1994 erarbeitet und empfohlen wurden, trotz verschiedenster Flexibilisierungselemente in einzelnen Bundesländern auch heute noch zu: 1. Zur Erreichung von Flexibilität wird eine schlankere Veranschlagungsmethodik für erforderlich gehalten, die die bisherige Detailschärfe des Haushalts aufbricht. 2. Die Hochschulen sollen über alle dorthin fließenden Mittel möglichst selbst disponieren dürfen, was auf eine Reduzierung der Zentralmittel hinausläuft. 3. Durch die Erhöhung der Deckungsfähigkeit soll wirtschaftliches Verhalten in den Hochschulen gefördert werden, wodurch Einsparungen durch Mehrausgabemöglichkeiten an anderer Stelle belohnt werden. 4. Der Personalhaushalt soll flexibler werden durch Bewirtschaftungserleichterungen primär im Angestelltenbereich und durch die Delegation dienstrechtlicher Zuständigkeiten. 5. Das Jährlichkeitsprinzip soll durch eine größere Übertragbarkeit von Mitteln ohne Forderung nach Deckung gelockert werden. 6. Die Einnahmen sollen grundsätzlich an den Hochschulen verbleiben und nicht die Länderhaushalte stärken. 7. Die Einführung von Globalhaushalten bzw. die Errichtung von Hochschulen als Landesbetriebe sollen modellhaft erprobt werden. 8. Die Mittel für Lehre sollen mittel- und langfristig nach studentenbezogenen Parametern verteilt werden. 9. Die Leitungsstrukturen in den Hochschulen sollen im Hinblick auf die größere Finanzautonomie und hieraus erwachsender Selbstverantwortung überprüft und angepasst werden. 10. Maßnahmen zur systematischen Evaluation von Forschung und Lehre sollen ergriffen werden. 11. Regelungen zur Stärkung der Haushaltsflexibilität und zur Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen sollen in die Hochschulgesetze aufgenommen werden. Die Empfehlung, die Hochschulen in eine größere Finanzautonomie zu entlassen, ist verbunden mit der Erwartung, dass die Probleme der kameralistischen Budgetierung bewältigt werden und damit eine effiziente Prioritätensetzung in den Hochschulen ermöglicht wird. Es wird die Ansicht vertreten, dass letztendlich die für die sachgemäßen Entscheidungen erforderlichen Informationen eher in den Hochschulen als in den Ministerien zu finden sind, und man hofft, dass die finanziellen Engpässe an den Hochschulen durch Einsparungen an den richtigen Stellen und interne Umverteilungen gelindert werden können. 100 Auch wenn mit einer größeren Finanzautonomie zumeist die Einführung von Globalhaushalten gemeint ist, umfasst die Finanzautonomie natürlich alle Maßnahmen, die den Hochschulen größere Entscheidungsbefugnisse bezüglich ihrer Budgetstruktur oder -höhe einräumen. Es ist daher zunächst nach größerer Autonomie bei Ausgaben bzw. Einnahmen zu differenzieren und erst dann die hierunter fallenden Einzelmaßnahmen, wie z.B. Globalhaushalt, zu untersuchen. Unter die Maßnahmen zur erhöhten Ausgabenautonomie fallen die Lockerung haushaltsrechtlicher Regelungen und die haushaltsrechtliche Steuerung über einen Globalhaushalt. Unter Globalhaushalt versteht man, dass die konkrete Verwendung der Mittel nicht ex ante über den Haushalt vorgeschrieben wird. Die Universitäten erhalten also staatliche Mittel ohne Zweckbindung unter der allgemein gehaltenen Vorgabe, ein bestimmtes Angebotsspektrum bereitzustellen; die Hochschulen entscheiden dann selbständig über die Ausgabe der Mittel.41 Obwohl seit den neunziger Jahren unterschiedliche Arten von Globalhaushalten in einzelnen Bundesländern bzw. Universitäten erprobt werden, entpuppen sich die meisten bei näherem Hinsehen doch eher als eine Lockerung haushaltsrechtlicher Regelungen, so dass die Wunschvorstellung eines rechtlich abgesicherten Globalbudgets ohne einzelne Titel oder Titelgruppen, das von einer eigenverantwortlichen, dafür befähigten und mit den richtigen Daten versorgten Finanzverwaltung eingeteilt wird, nach wie vor in weiter Ferne schwebt. Die Monopolkommission weist in ihrem Sondergutachten Wettbewerb als Leitbild für die Hochschulpolitik vom Juni 2000 auf folgende Problembereiche bei der bisherigen Umsetzung von Globalhaushalten hin: • • • • 41 Globalhaushalte werden fast ausschließlich zur Mittelkürzung eingesetzt. Die Verantwortung, Einsparpotenziale aufzuzeigen und umzusetzen, wird von den Ministerien auf die Hochschulleitungen übertragen. Da die eingesparten Mittel nicht in den Hochschulen verbleiben, sind die Anreizwirkungen gering. Die derzeitige Organisationsstruktur der Universitäten ist nicht geeignet, die zahlreichen und komplexen Verteilungsentscheidungen effizient zu treffen. Die auftretenden Verteilungskonflikte innerhalb der Universität tragen nicht dazu bei, die Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Globalhaushalte erfordern zugleich die Fähigkeit der Hochschulen, dezentrale Entscheidungen umzusetzen. Die hierzu notwendige Handlungsautonomie wird den Universitäten jedoch vorenthalten. Zu den Einschränkungen gehören das öffentliche Personal- und Dienstrecht und das kameralistische Haushaltsrecht, welches die Einführung von betriebswirtschaftlichen Kostenrechnungs- und Controllingsystemen behindert. Personalbudgets bleiben weitgehend ausgeklammert. Falls die Stellenpläne nicht vollständig variabel sind, gibt es Grenzen im Hinblick auf die Möglichkeiten, die Haushaltsansätze für Personalausgaben zu über- oder unterschreiten. Zumindest sollte es ermöglicht werden, eine flexiblere Besetzung der Stellen vornehmen zu können. Die detaillierte und zugleich fest vorgegebene Zuweisung der Stellen ist mit dem Ziel einer erhöhten Hochschulautonomie nicht vereinbar. Überdies haben die Hochschulen keine Möglichkeit, die einzelnen Personen ihren komparativen Vor- bzw. Nachteilen entsprechend einzusetzen. Vgl. Monopolkommission (2000). 101 Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Grad der Finanzautonomie in Deutschland gering. Das gilt nicht nur im Vergleich zu Großbritannien oder den USA mit anderen Grundfinanzierungen, sondern auch im Vergleich zu Ländern, deren Finanzierungssystem dem deutschen ähnelt, wie das der Niederlande oder das von Dänemark. In den meisten Ländern gehören auch Globalhaushalte zu einer Selbstverständlichkeit, die seit längerem mit Erfolg praktiziert wird, wenn es auch bisweilen heißt, dass es der größte Verdienst des Globalbudgets sei, dass die Universitäten angefangen hätten, zu lernen mit Mitteln umzugehen. Nachdem es in den Niederlanden Beispiele von Universitäten gab, die durch risikoreiche Anlagen mit staatlichen Mitteln hohe Verluste erlitten hatten, wird dort allerdings begonnen, die Entscheidungsfreiheit über das Globalbudget einzuschränken.42 Einnahmenautonomie – Hochschulen als Unternehmen Eine erhöhte Autonomie bei den Einnahmen ist im Bereich der Zuweisung staatlicher Mittel und bei der Erzielung eigener Einnahmen durch die Universitäten möglich. Da das staatliche Budget, wie bereits dargelegt, auf absehbare Zeit nicht steigen wird, handelt es sich bei den hier zur Debatte stehenden Maßnahmen wie Einführung von Kennzahlensystemen bzw. formelgebundene Finanzierung, Ausgabe von Bildungsgutscheinen, etc. in erster Linie um eine effektivere Nutzung und Umverteilung der heute bereits zur Hochschulfinanzierung zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel. Auch Globalhaushalte, respektive die Lockerung haushaltsrechtlicher Regelungen, erhöhen in begrenztem Umfang die Einnahmenautonomie. Die Vorschläge für die Erzielung eigener Einnahmen durch die Universitäten sind für eine Erhöhung der Einnahmenautonomie zielführender, wobei sie aufgrund der Höhe der benötigten Finanzbudgets realistischerweise nicht als ausschließliche Einnahmenquelle in Frage kommen. Die Einnahmemöglichkeiten der Universitäten gehen über Drittmittel und Studiengebühren hinaus und sind in vielen Fällen mit der Einführung von marktwirtschaftlichen Allokationsmechanismen verbunden. Staatlich-hoheitliche Tätigkeiten verfolgten in der Regel keine unternehmerischen Einnahme- und Gewinnerzielungsabsichten und fallen so nicht unter die in den Einzelsteuergesetzen definierten Steuersubjekte. Was für einen Teil öffentlicher Betätigung gilt wie innere Verwaltung, Steuerverwaltung, etc. hat sich bei anderen öffentlichen Einrichtungen, die mehr und mehr in den Wettbewerb zu privat angebotenen Dienstleistungen wie Strom, Gas, Wasser, Gesundheit, Prüfanstalten, etc. traten bereits grundlegend geändert. Teilweise wurden hier aus staatlichen Einrichtungen mit klar definiertem wettbewerblichem Auftrag Staatsbetriebe mit einem netto veranschlagten Landeszuschuss als Globalhaushalt errichtet. Schwierigkeiten ergeben sich aber bei Einrichtungen wie den Universitäten, mit einem heterogenen Profil von hoheitlichen, vermögensverwaltenden, schlicht staatlichen Aufgaben, bis zu gemeinnützigen und steuerpflichtigen Aktivitäten. Diese Sowohl-als-auch-Stellung bringt steuerliche Unterscheidungen mit sich, die haushaltsrechtlich nicht mitvollzogen werden können, so dass es zu Überschneidungen im Einsatz staatlicher Ressourcen über alle 42 Frederix, R., Universität Maastricht, persönliche Mitteilung. 102 Bereiche kommen kann, die zumindest schwer handhabbar, teilweise auch risikobehaftet sind. Trotzdem sah man bislang keinen Anlass, Haushalts- und Steuerrecht für diese Problemfälle systematisch zu harmonisieren. Ein Lösungsweg für Hochschulen, die vermehrt auch steuerlich relevante Tätigkeiten ausführen, wäre die Bewirtschaftung nach den Grundsätzen eines Landesbetriebes, d. h. mit kaufmännisch orientiertem Rechnungswesen und einem Globalhaushalt.43 A.5. Finanzstrategie Die Universität der Zukunft wird sich als Teil der Gesamtstrategie eine Finanzstrategie geben müssen. Die unterschiedlichen Universitätstypen werden dabei unterschiedliche Strategien verfolgen. Der Staat wird in Deutschland auch weiterhin Universitäten aus Steuermitteln direkt oder indirekt finanzieren müssen, um seinen gesetzlichen Verpflichtungen der Zukunftsvorsorge nachzukommen. Die staatliche Finanzierung muss so bemessen sein, dass die Universitäten in die Lage versetzt werden, ihren Auftrag erfüllen zu können. Die Höhe der Finanzierung wird natürlich die Qualität bestimmen. Entsprechend seinem Anspruch an die Qualität der Universitätsleistungen muss der Staat die Mittel bemessen. Die Budgetzahlen der erfolgreichsten Universitäten der USA belegen, dass der Mitteleinsatz dort sehr viel höher ist. Dies ist nicht der Fall für die Gesamtheit der Universitäten in den USA. Sie belegen aber auch, dass der Staat nur eine Grundfinanzierung bereitstellt. Je erfolgreicher und reputierter die staatliche Universität, desto geringer der relative Anteil der Finanzierung des Staates, nicht jedoch der absolute Betrag. Amerikanische Spitzenuniversitäten haben ihre Einnahmen stark diversifiziert, weil die staatliche Finanzierung für die Erreichung ihrer hochgesteckten Ziele nicht ausreicht. Dabei haben sich unterschiedliche Qualitätsstufen von Universitäten herausgebildet. Staatliche Universitäten mit einem hohen Fremdfinanzierungsanteil stehen in den nationalen Qualitätsrankings üblicherweise höher als solche mit niedrigen Fremdfinanzierungsanteilen. Auch in Deutschland werden sich in Zukunft Universitäten wesentlich im Fremdfinanzierungsanteil unterscheiden. Für die Einwerbung zusätzlicher Mittel sind aber einzig die Universitäten verantwortlich. Bei fähiger Universitätsführung wird Erfolg bei der Einwerbung zusätzlicher Finanzen automatisch eine Qualitätssteigerung bewirken. Die sinkende Abhängigkeit von der Finanzierungsquelle Staat wird die Handlungsfreiheit der Universität erhöhen. Es liegt also an den Universitäten etwas zu tun, damit ihre Ziele Handlungsfreiheit und finanzieller Handlungsspielraum erreicht werden. Der finanzielle Handlungsspielraum wird vergrößert, wenn Finanzquellen erschlossen werden, die möglichst hohe Renditen bieten. Dazu sind nicht alle denkbaren Einkunftsarten geeignet. Und auch nicht jeder Universitätstypus wird für jede Einkunftsart besondere Eignung bieten. 43 Vgl. Nettozuschuss. 103 Bei der Bewertung der Auswirkung von Einnahmendiversifizierung auf den finanziellen Handlungsspielraum sind vier Fragen zu beantworten: • Ist eine mögliche Einkunftsart vereinbar mit der gesellschaftlichen Rolle der Universität und dem Selbstverständnis ihrer Angehörigen? Hierbei wird nur eine Ja/Nein-Entscheidung zu treffen sein. • Welche Investition I ist erforderlich zur Erschließung der Einnahmequelle und in welchem Zeitraum wird diese Investition amortisiert? • Welches Einnahmevolumen V kann mit der Einkunftsart erzielt werden? • Wie hoch ist die Differenz aus erwarteten Einnahmen und erforderlichen Aufwendungen für die Generierung dieser Einnahmen, d. h. die Rendite R? Der finanzielle Handlungsspielraum HSR errechnet sich nach der Formel HSR = V x R – I. Unter Liquiditätsbetrachtungen müssen die vier Finanzgrößen in ihrer zeitlichen Abhängigkeit zu betrachten sein. Im Folgenden werden die möglichen Einkunftsarten, die mit der gesellschaftlichen Rolle der Universität und dem Selbstverständnis ihrer Angehörigen vereinbar erscheinen, aufgezählt: Studiengebühren, Auftragsausbildung, wissenschaftliche Weiterbildung, Beratung und Erstellung von Gutachten, Forschungsförderung, Auftragsforschung, Lizenzierung und Unternehmensbeteiligungen insbesondere bei Spin-offs, Fundraising wie Capital Campaign und Annual Giving sowie Vermögenserträge, Handelsaktivitäten wie Merchandising, Hotelbetrieb und Gastronomie, Vermietung von Anlagen und Räumen, sonstige wissenschaftliche Dienstleistungen wie Spezialmessungen und Spezialanalytik. Aus dieser Auswahl werden im Anschluss sechs oft diskutierte oder besonders vielversprechende Einkunftsarten gemäß der verbliebenen Fragen zu Anfangsinvestition, Einnahmevolumen, Rendite und finanziellem Handlungsspielraum soweit als möglich untersucht. Studiengebühren Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands, 54 %, erklärten sich bereits 1998 mit der Einführung von Studiengebühren einverstanden, wenn die Mittel direkt an die Hochschulen flössen und dort zur Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt würden. Unter den 14- bis 30-jährigen beträgt die Zustimmung sogar 66 %, unter den Studierenden 34 %. Gäbe es die Möglichkeit zu Studiendarlehen mit einkommensabhängiger Rückzahlung, würde sich die Akzeptanz erhöhen; fände im Gegenzug eine Senkung staatlicher Beiträge zur Hochschule statt oder gingen die Studiengebühren in die Haushalte von Bund und Ländern ein, dann würden je nach Befragungsgruppe 70 bis 96 % gegen eine Einführung von Studiengebühren sein. 44 Die Ergebnisse der Umfrage lassen den Schluss zu, dass Studiengebühren von vielen längst als Chance gesehen werden, die Hochschulen attraktiver und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Es scheint nun die Aufgabe zu sein, ein praktikables und sozial gerechtes Modell zu entwickeln und zu etablieren. Ein adaptionsfähiges 44 Forsa-Umfrage zu Studiengebühren im Auftrag des CHE und des Stifterverbandes, Februar 1998. 104 Modell für Universitäten in Deutschland wurde vom Stifterverband und dem CHE 1998 entworfen.45 Da die Erhebung von Studiengebühren nur im Konsens zwischen Staat und Hochschule möglich ist, muss eine gesetzliche Regelung gefunden werden. Im Augenblick werden Studienbeiträge vom Hochschulrahmengesetz nicht ausgeschlossen, und bei den Landeshochschulgesetzen gibt es unterschiedliche Lesarten. Sowohl eine gesetzliche Verpflichtung als auch eine gesetzliche Ermächtigung der Hochschulen zur Erhebung von Studiengebühren auf Bundes- oder Länderebene ist vorstellbar. Mit der Einführung auf Länderebene wären unterschiedliche Modelle parallel möglich, bei denen sich die beste Alternative im Wettbewerb durchsetzen könnte. Bis jetzt hat sich aber noch kein Land gefunden, das die Vorreiterrolle ausfüllen möchte. Die oft kontroverse Diskussion für und wider Studiengebühren soll hier nur soweit Gegenstand der Betrachtung sein, sofern sie wirtschaftliche Aspekte berührt. Untersucht werden soll, ob die finanzielle Situation der Hochschulen mit der Erhebung von Studiengebühren im Sinne frei verfügbarer Mittel ausschlaggebend verbessert werden kann. Die Erstausbildung an einer Hochschule ist aus wirtschaftlicher Sicht ein marktfähiges Gut. Mit Studiengebühren verkaufen Hochschulen Leistungen im Bereich Lehre an private und öffentliche Nachfrager und gehen mit der Leistung durch den Nachfrager und der eigenen Gegenleistung eine direkte Kundenbeziehung ein. Wenn am Studium Interessierte zu den Kosten entgangenen Einkommens auch direkte Ausbildungskosten trügen, würden sie vermehrt wirtschaftliche Überlegungen in ihre Entscheidungen, ein Studium anzufangen bzw. zu Ende zu führen mit einbeziehen. Solche, den Gegenwert des Studiums betreffende Fragen werden umso bedeutender, je höher die Studiengebühren sind. Wenn ihre Einkünfte davon abhängen, müssen Hochschulen diese Überlegungen der studentischen Nachfrager berücksichtigen. Dies auch umso stärker, je höher der Anteil der Studiengebühren an den Einnahmen ist. Die Ausbildung von Studierenden kann dann keine lästige Dienstaufgabe der Hochschulen mehr sein. Zusätzlich wird der interuniversitäre Wettbewerb um gebührenzahlende Studierende zu einer Erweiterung des Angebots für die Studierenden und zu einer höheren Qualität des Angebots, also zu steigenden Ausgaben unter anderem auch in Form eines eigenen Marketingbudgets führen. Da die gegenwärtige Unterfinanzierung eher zu einem Leistungsabbau geführt hat, ist ein solcher Effekt durchaus wünschenswert.46 Was sich in all dem ausdrückt, ist eine in hohem Maße notwendige Reinvestition der Mittel in die Lehre an den Hochschulen, eine hohe Zweckgebundenheit. Studiengebühren können nur durchgesetzt werden, wenn sich ein entsprechender Markt entwickelt. Da dieser generell Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringt, ist anzunehmen, dass der hierzulande bestehende Nachfrageüberschuss vermindert wird. Für die Sozialverträglichkeit einer Studiengebührenerhebung ist es wichtig, dass die individuelle Entscheidung jedes Studierfähigen für oder wider ein Studium nicht aufgrund von fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten getroffen wird. Eine Finanzierung 45 46 Vgl. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (Hg., 1998). Vgl. Monopolkommission (2000). 105 der Ausbildung erfolgt entweder aus Eigenkapital, das dem Studierenden zur Verfügung steht oder gestellt wird, aus Fremdkapital, also einem zurückzuzahlenden Darlehen, oder aus einem Stipendium. Der kritische Punkt ist das Darlehen, das aus Gründen der Sozialverträglichkeit mit Zugeständnissen, wie z. B. einer einkommensabhängigen Rückzahlung, ausgestattet sein muss und bei dem insofern Ausfälle bei der Rückzahlung drohen. Aufgrund dieser sozialen Komponenten hat sich auch in Ländern mit einer längeren Tradition bei Studiengebühren kein funktionierender rein privater Kapitalmarkt für Ausbildungsdarlehen entwickelt. Um dies auszugleichen, muss die Darlehensvergabe vom Staat, von Stiftungen oder von Universitäten übernommen oder private Darlehen durch Übernahme der Risiken unterstützt werden. Da in Deutschland die Erhebung von Studiengebühren eher mit einer Entlastung der öffentlichen Haushalte in Verbindung gebracht wird, kann realistischerweise nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Staat weiter finanziell engagiert. Sollten die Universitäten die Aufgabe der Ausfallsicherung bei Inanspruchnahme von Darlehen auch nur zu Teilen übernehmen, müssten sie aus den Einnahmen bei Studiengebühren Rücklagen für Zahlungsausfälle bilden können. Die Höhe der notwendigen Rücklagen ist selbst bei Kenntnis der Ausgestaltung des Modells für die Studiengebühren, Höhe der Gebühren, Auswahl der gebührenpflichtigen Studiengänge, etc., oder des Modells für das Darlehen, Art der sozialen Komponenten, theoretisch schwer zu bestimmen. Gründe für Rückzahlungsausfälle ergeben sich aus der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit unter Akademikern bei ca. 4 %, einem Erwerbsausfall durch Familie und Kind bei ca. 5 % und aufgrund der Tatsache, dass ca. 28 % der Universitäts-Absolventen vier Jahre nach dem Examen nur einen befristeten Arbeitsvertrag haben47. Je nach Häufigkeit der Inanspruchnahme des Darlehens und der Verteilung der Gründe für Zahlungsausfälle auf die Gruppen der Inanspruchnehmenden und Nichtinanspruchnehmenden ergeben sich sehr verschiedene Werte. Geht man vereinfachend von einer generellen Inanspruchnahme aus, müsste man entsprechend obiger Angaben höchstens ein Drittel der Einnahmen für Rücklagen verwenden. Auch die Sozialverträglichkeit einer Doppelbelastung von BAföG-Empfängern48 durch ein weiteres Darlehen wird diskutiert. Es muss überlegt werden, ob diese Gruppe freizustellen ist. Über die Sozialverträglichkeit hinaus würde bildungspolitisch ein Fehler gemacht werden, wenn Begabte durch Gebühren vom Studium abgehalten werden. Es besteht umgekehrt sogar ein besonderes gesellschaftliches Interesse, Begabten Anreize zu bieten, ein Studium aufzunehmen. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Förderung von begabten Studierenden in Deutschland unterentwickelt. Von den elf überregionalen Stiftungen wurden 1999/2000 gerade mal knapp 13.000 Studierende und Graduierte gefördert, das sind deutlich weniger als 1 % der Immatrikulierten. Die Mittel stammen fast ausschließlich, bei den parteinahen Stiftungen sogar zu 100 %, aus den öffentlichen Haushalten. Anzustreben wäre ein höherer Anteil privat finanzierter Stipendien, wie er in vielen Ländern selbstverständlich ist. Um die Qualität der eigenen Universität zu fördern, müssen sich die Universitäten aktiv um solche Stipendien bemühen. Im Ausland nutzen gut situierte Universitäten ihre eigenen Einnahmen für die Vergabe von Stipendien an Hochbegabte. Die hierdurch induzierten 47 48 Vgl. o. V. (2000), o. V. (2000a). BAföG-Empfänger sind ca. 20 % der Studierenden. 106 Ausgaben sind gut investiert, sollen bei dieser Abschätzung aber nicht das Aufkommen von Studiengebühren mindern. Die Verwaltungskosten für vergleichbare Studiengebührenmodelle in anderen Ländern schlagen mit ca. 3 % zu Buche. Unter der Prämisse, dass die staatliche Grundfinanzierung in voller Höhe parallel zu der Erhebung von Studiengebühren beibehalten wird, also die neue Einnahmequelle nicht dem Staat, sondern den Universitäten erschlossen wird, kann entsprechend der obigen Bedingungen für die Sozialverträglichkeit und für die Verwaltungskosten mit einem sofortigen Mittelzufluss von ca. 50 % des Gebührenaufkommens gerechnet werden.49 Bei Gebühren je Student, die ungefähr 20 % der Summe der durchschnittlichen laufenden staatlichen Grundmittel für Lehre und Forschung je Student an Universitäten entsprechen, d. h. ca. 750 € je Semester; V = Anzahl der Studenten x 1500 €, würde der sofortige Mittelzufluss entsprechend 10 % dieser Grundmittel ausmachen. Geht man davon aus, dass sich die Grundmittel zu gleichen Teilen auf Lehre einerseits und Forschung und Verwaltung andererseits aufteilen, dann würden für die Lehre 20 % mehr Mittel zur Verfügung stehen. Das wären je nach Größe einer Universität insgesamt mindestens zwischen 8 und 45 Millionen € mehr im Jahr. Unter Berücksichtigung der bereits beschriebenen Kundenbeziehung ist bei der Verwendung der Studiengebühren auf äußerste Transparenz und den effektiven Einsatz der Mittel zu achten. Damit die Akzeptanz der Kunden gewahrt bleibt und die der zukünftigen gewonnen wird, sollte der Gegenwert jedes gebührenpflichtigen Studiengangs bereits in der Vergangenheit darstellbar sein sowie eine Steigerung des Gegenwerts bis zum Optimum vor Ort und nach außen vermittelbar und kommunizierbar sein. Ein Service, der auch den soziokulturellen Umständen der speziellen Kundengruppe Studenten gerecht wird und einen Wohlfühlfaktor generiert, kann nur unterstützend wirken. Auf keinen Fall wird es den Kunden zu vermitteln sein, dass der Mittelzufluss zur freien Verwendung der Universität zur Verfügung steht, solange auch nur ein das Studium verzögernder Umstand seitens der Universität vorliegt. All dies zeigt in welch hohem Maße die Mittel zweckgebunden für die Lehre bzw. die Studenten eingesetzt werden müssen. Da der Lehrbereich aus den verschiedensten Gründen vernachlässigt wurde, besteht hier zusätzlich ein großer Nachholbedarf.50 Obwohl mit Studiengebühren somit kaum zusätzlicher finanzieller Handlungsspielraum im Sinne frei verfügbarer Mittel gewonnen werden kann, würde doch zusätzliches Geld in die Universität geholt werden, mit dem Investitionen in einem wichtigen Bereich, der auch ansonsten freie Mittel binden würde, getätigt werden könnten. Die notwendigen Anfangsinvestitionen sind bei Studiengebühren ein ambivalentes Thema. Einerseits müsste in den Bereich Lehre auch im Vorfeld investiert werden, andererseits könnten die Anfangsinvestitionen auf den Teil des zur Ersterhebung der Gebühren absolut notwendigen Apparats beschränkt, also minimal gehalten werden. 49 Einnahmen abzüglich Verwaltungskosten, Freistellung von BAföG-Empfängern, entfallende Rückzahlung wegen Arbeitslosigkeit unter Akademikern*), Erwerbsausfall durch Familie und Kind*) und der befristeten Arbeitsverträge*) ergibt die theoretische Mindestrendite R = 50 %; *) bezogen auf 80 % der Gebührenpflichtigen. 50 Die Rendite R ist auf absehbare Zeit vernachlässigbar. 107 Allerdings müssen sich die Universitäten dann im Falle eines Alleingangs bei Studiengebühren gut überlegen, ob sie es sich erlauben können für alle Fächer Gebühren zu verlangen. Reicht die Profilierung bei angebotenen Fächern nicht aus, wird es in diesen Fächern zu einer Abwanderung der Studenten zu gebührenfreien oder -günstigeren Universitäten kommen. Bei ca. 750 € je Semester wurde davon ausgegangen, dass sich die deutschen Universitäten im Schnitt im guten Mittelfeld in Europa befinden. Sollten sich einige Universitäten durch eine stärkere Profilierung an die Spitze europäischer Universitäten schieben können und sollte damit die Nachfrage von Studenten nach bestimmten Fächern oder der gesamten Universität gesichert sein, können natürlich, im Rahmen einer genehmigten Preisspanne, die Preise und damit auch die Renditen erhöht werden. Denkbar ist auch die Freigabe der Gebührengestaltung für Studenten von außerhalb der EU, wie das in England schon seit längerem praktiziert wird. Dies wäre der Schritt in den globalen Wettbewerb. Auftragsforschung Auftragsforschung, das sind Aufträge von privaten Auftraggebern, ist zu differenzieren von Drittmittelforschung, die als Oberbegriff auch Aufträge oder Zusendung von öffentlichen Förderinstitutionen oder Förderprogrammen einschließt. Bei Förderprogrammen gibt es festgelegte Vergütungsstrukturen, die für alle Empfänger gleich sind. Das bedeutet, dass nur durch höheren Akquisitionserfolg, das heißt die Gewinnung einer größeren Zahl von Aufträgen, die Einnahmen gesteigert werden können. Förderprogramme öffentlicher Einrichtungen, die wiederum aus Steuermitteln finanziert werden, tragen in der Regel zu einem großen Anteil zu den Drittmitteln bei, am Beispiel der Humboldt Universität Berlin sind dies 71 %. Auftragsforschung ist bisher schon eine Einnahmequelle von Universitäten, die jedoch bei Spitzenuniversitäten erheblich steigerbar ist. Die Steigerung kann die Zahl der Aufträge betreffen als auch die jeweils erzielbare Vergütung. Werden Leistungen unterhalb der Vollkosten erbracht, was gleichbedeutend ist mit dem Einsatz von Steuergeldern, so würde dies eine Subvention des Auftraggebers bedeuten und als Wettbewerbsverzerrung anzusehen sein. Praxis ist allerdings, dass für Auftragsforschung nicht nur Drittmittelpersonal eingesetzt wird, sondern auch Personal auf Planstellen, das aus den Landesbudgets finanziert wird. Da für dieses Personal keine weiteren Kosten entstehen, wird dieser Aufwand oft nicht in Rechnung gestellt. Die Argumentation lautet: „Die Mitarbeiter sind ja schon bezahlt“. Nicht nur, dass auf diese Weise die Problematik Subvention aufkommt, der Universität wird auch eine mögliche Einkunft vorenthalten. Natürlich wird es für den einzelnen Professor einfacher sein, einen Auftrag zu niedrigem Preis zu akquirieren; jedoch kann ein derartiger Quasi-Erfolg derzeit nur geduldet werden, weil die Universität im bisherigen Finanzierungssystem nicht auf diese Einnahmen angewiesen ist. Dennoch gibt es an diesen Universitäten Institute oder Lehrstühle, die über erstaunlich viele Drittmittel verfügen. Es gibt aber auch welche, die keinen Erfolg anstreben und dies damit begründen, dass sie sich nicht in die Abhängigkeit der Wirtschaft begeben möchten. In einigen Fächern ist es allerdings nicht oder kaum möglich, Aufträge zu erhalten. 108 Drittmittel sind allerdings zweckgebundene Mittel. Eine Gegenleistung muss erbracht werden, die in der Regel dem vergüteten Aufwand entspricht. Das heißt auch, dass Drittmittel keinen finanziellen Handlungsspielraum belassen, wenn kostendeckend verkauft wird. Allerdings kann Auftragsforschung zu personellem Wachstum über die Haushaltsstellen hinaus beitragen und den beteiligten Mitarbeitern interessante anwendungsnahe Tätigkeit ermöglichen. Berufsbegleitende wissenschaftliche Weiterbildung Für die berufsbegleitende wissenschaftliche Weiterbildung besteht ein großer Bedarf, auch wenn sich die Nachfrage derzeit noch nicht recht entwickelt hat, weil die Entstehung von Wissen sich rasch weiterentwickelt. Die derzeit noch übliche einmalige Ausbildungsphase vor der Berufsausübung trägt dieser Entwicklung nicht Rechnung. Zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit wird das lebenslange Lernen unvermeidlich sein. Universitäten sind prädestiniert als Anbieter wissenschaftlicher Weiterbildung, weil sie über alle erforderlichen Ressourcen verfügen und ohne zusätzliche Investitionen den Markt erschließen könnten. Dennoch sind sie bisher kein maßgeblicher Marktteilnehmer. Welche Gründe gibt es dafür? Die bisher dominierende Argumentation ist, dass es keine geeigneten Vergütungsmodelle gäbe. Gemeint ist die private Liquidierung zusätzlich erbrachter Leistungen der Professoren. Welchen Vorteil bringt es nun der Universität, wenn Einnahmen aus der Weiterbildung in private Taschen fließen? Direkte finanzielle keine. Weiterbildungsaktivitäten können die Reputation steigern, neue Kontakte herstellen und in Folge Industrieaufträge oder Spenden ermöglichen. Bei unzureichender Ausübung kann jedoch auch Schaden entstehen. Im Prinzip kann wissenschaftliche Weiterbildung die Qualität der Lehre verbessern, weil die Empfängergruppe reifer ist, den Dozenten mehr fordert und als zahlender Kunde auftritt, der andere inhaltliche und qualitative Anforderungen stellt. Außerdem kann der Praxisbezug erhöht werden, falls dies im Interesse des Dozenten ist. Wie aber kann eine Universität über unzureichende Finanzierung klagen, wenn Lösungen für die zusätzliche private Liquidierung gefordert werden? Hinderlich für das Auftreten der Universität als Anbieter wissenschaftlicher Weiterbildung sind die Regelungen der zeitlichen Verpflichtung von Professoren und Vergütungssysteme, die Mehreinnahmen als Leistung in Nebenbeschäftigung zulassen, nicht aber Mehrvergütung für die Erbringung zusätzlicher Leistungen für die Universität. Aus unternehmerischer Sicht ist das leistungsverhindernd und kontraproduktiv. Bereits die nichtmonetären Vorteile müssten Anreiz genug sein, wissenschaftliche Weiterbildung anzubieten. 109 Lizenzierung von Patenten und Unternehmensbeteiligungen Lizenzierung und Unternehmensbeteiligungen sind Formen des Technologietransfers, also der Weitergabe von beim Technologieanbieter Universität generierten Wissen und Können an kooperierende Wirtschaftsunternehmen, den Technologieabnehmer. Dabei können kooperierende Wirtschaftsunternehmen auch Ausgründungen aus dem Universitätsumfeld sein, da diese in wissensbasierten Technologiefeldern häufig der schnellste Weg sind, Wissen von Forschern kommerziell zu nutzen. An diesen Spinoffs oder Start-ups können die Universitäten in geeigneter Form Anteile halten. Die Ziele des Technologietransfers für die Universität sind der Erhalt bzw. die Verstärkung des Anwendungsbezuges von Forschung und Lehre sowie zusätzliche Einnahmen. Die Ziele für den Technologieabnehmer sind die Erweiterung des Wissens, der Fachkenntnisse und der technischen Möglichkeiten verknüpft mit einer verstärkten Wettbewerbsfähigkeit. Technologietransfer kann entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der wissenschaftlichen Idee bis zur Fertigstellung und Vermarktung eines Produkts stattfinden. Da der Erfolg einer modernen Industrienation im internationalen Wettbewerb sich immer mehr danach bemisst, wie schnell Wissen in neue Produkte und Verfahren umgesetzt werden kann, hat auch der Staat erneut sein vitales Interesse durch sein Aktionsprogramm Wissen schafft Märkte bekundet. Bis zum Jahr 2003 werden innerhalb dieses Aktionsprogramms mit der Verwertungsoffensive allein für den Aufbau und Betrieb von Patent- und Verwertungsagenturen, die mit professioneller Patentverwertung an den Hochschulen beginnen, ca. 35 Millionen € zur Verfügung gestellt. Auch für Ausgründungen will das Aktionsprogramm im Rahmen der Ausgründungsoffensive ein Förderprogramm auflegen, das gründungswillige Wissenschaftler aller Technologiebereiche in allen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Frühphase bis zum Abfassen eines Businessplans finanziell und beratend unterstützt.51 Da Lizenzierung und Unternehmensbeteiligungen immer wieder als profitable Einnahmequellen für Hochschulen dargestellt werden, muss gefragt werden, warum diese Quellen nicht bereits erschlossen wurden und einer so massiven Förderung bedürfen. Sie werden deshalb im Folgenden hinsichtlich der nötigen Anfangsinvestition, der Rendite und des finanziellen Spielraums, den sie Hochschulen bieten, untersucht. Das Geschäftsmodell ist einleuchtend. Für Erfindungen, die an einigen Hochschulen quasi ein Abfallprodukt wären, werden gewerbliche Schutzrechte geltend gemacht, die von den Hochschulen gehalten werden. Durch Vermarktung der Schutzrechte, also durch ihre Auslizenzierung oder ihren Verkauf, werden entweder direkt Einnahmen generiert oder sie werden gegen Anteile an eine Ausgründung abgegeben. Hier fließen entsprechende Einnahmen erst bei erfolgreicher Veräußerung der Beteiligung. 51 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung/Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hg., 2001). 110 So einfach dieser Prozess klingt, so aufwendig ist es, die richtigen Bedingungen zu schaffen und aufrecht zu erhalten, um das vorhandene Potenzial an Erfindungen und Gründungswilligen zu nutzen und zu fördern. Hierzu gehört ein umfangreiches System unterstützender Maßnahmen, die als vertrauensbildende Maßnahme und, um Missbrauch auszuschließen, vor Ort der jeweiligen Institution zur Verfügung gestellt werden sollten: • • • • • • Rechtsabteilung: Vertragsgestaltung. Bei Drittmitteln beispielsweise verbleiben entstehende Schutzrechte bei der Hochschule. Vertragspartner bekommen ein zeitlich limitiertes Vorrecht zur Nutzung der Lizenz wie im Fall der Oxford University UK. Technologietransferstelle und Business Liaison: Koordination aller Transferaktivitäten. Kontaktzentrale in die Wirtschaft. Patent- und Verwertungsagentur: Identifizierung und Bewertung von Forschungsergebnissen für die kommerzielle Verwertung, Begleitung des Patentierungsprozesses und Verwertung von Patenten und Technologien. Gründerberatung und Entrepreneurship Center: Förderung unternehmerischen Denkens und Handelns bis zu Existenzgründungen. Gründerzentrum: Erste Unterkunft von Neugründungen. Fonds und Fondsmanagement: Zur Investition in den Patentierungsprozess, den Erhalt von Patenten, die Frühphase von potenziellen Unternehmen bis zur Erstellung eines Business Plans und zur partiellen Investition in Gründungen. Dieser Aufwand mag übertrieben erscheinen, aber alle in diesen Bereichen wirklich erfolgreichen Hochschulen in Amerika oder auch Großbritannien halten diese Institutionen unter verschiedenen Namen und in verschiedenen Kombinationen vor. Dabei beziehen auch diese Hochschulen nicht all diese Aktivitäten in eine Investitionsberechnung für den Technologietransferprozess im Sinne von Lizenzierungen und Unternehmensbeteiligungen mit ein. Doch selbst wenn die Anfangsinvestition, die durch eine Patent- und Verwertungsagentur sowie einen Fonds für Patente und Unternehmensbeteiligungen nötig wird, isoliert betrachtet wird, ist sie für deutsche Hochschulen schwer zu bewältigen. Da erste Rückflüsse durch Lizenzierung erst nach 1 bis 3 Jahren und ein Break even erst nach 5 bis 8 Jahren zu erwarten sind, muss man allein in diesem Bereich für ein schlagkräftiges Team mit Investitionen um die 3 Millionen € rechnen. Hinzu kommen noch die Kosten für den externen Patentierungsprozess und -erhalt bei 20 bis 30 Patenten pro Jahr noch einmal die Summe von ca. 4 Millionen € 52. Für Hochschulen in Deutschland, die, wie bereits dargelegt wurde, keine oder kaum Mittel zur freien Verfügung haben, eine undenkbare Aufgabe, woran auch die Förderung mit Obergrenzen je Agentur für Patentierung und Verwertung kaum etwas ändern dürfte. Zum Vergleich sollen hier die Ausgaben für das seit einigen Jahren erfolgreiche Technology Licensing Office, TLO, am MIT stehen, die im Jahre 2000 bei 6,2 Millionen US $ lagen. Diesen Ausgaben standen auf der anderen Seite auch Einnahmen von 34,5 Millionen US $ gegenüber. Der Anteil von Lizenzierungen an Start-UpUnternehmen betrug am MIT in diesem Jahr etwa 15 %. Ähnlich verhielt es sich bei Stanford University, University of California, Oxford University UK, usw. Dabei gilt es zu beachten, dass ein Großteil der Einnahmen von jeweils einigen wenigen Patenten 52 Europäisches Patentamt, persönliche Mitteilung. 111 eingespielt wird und, dass diese Top-Universitäten nicht alle Kosten anderer Institutionen der Universität, die zu diesem Erfolg beitragen, gegenrechnen. Die meisten Hochschulen, die professionelle Patent- und Verwertungsagenturen aufgebaut haben, sind froh, wenn diese ohne Zuschüsse auskommen. An den aufgezählten Beispielen wird deutlich, dass weltweit nur ausgewählte Universitäten eine derart positive Bilanz ziehen können. Damit soll keinesfalls ausgeschlossen werden, dass gerade in Deutschland einige Hochschulen, bei entsprechender Anfangsinvestition und Geduld, in der Lage sind, ähnliche Zahlen zu generieren; vor allem, da von Februar 2002 an die Hochschulen durch das novellierte Arbeitnehmererfindungsgesetz das Recht erhielten, Erfindungen aller ihrer Mitarbeiter53 zum Patent anzumelden. Es soll darauf hingewiesen werden, dass interessante Renditen, nur bei wenigen Hochschulen, vor allem solchen mit stark entwickelten technischen Fachbereichen zu erwarten sind und, dass sich bei isolierter Betrachtung des finanziellen Interesses nur bei diesen Hochschulen die hohe Investition lohnt. Die auf diese Weise erwirtschafteten, frei zur Verfügung stehenden Mittel wachsen selbst in den erfolgreichen Fällen in den USA nicht gen Himmel, sondern beschränken sich auf maximal 1 bis 3 % des Gesamtbudgets der Hochschulen. Eine Erhöhung des finanziellen Handlungsspielraums durch dieses Gebiet ist potenziell durch den Verkauf der von der Universität gehaltenen Anteile an Spin-outUnternehmen möglich. Die oft hohen Buchwerte kommen erst nach einem professionell begleiteten, erfolgreichen Ausstieg aus der Beteiligung zum Tragen. Beteiligungen der Hochschulen an Spin-out-Unternehmen erfolgen in anderen Ländern normalerweise über das Einbringen von Patenten oder die direkte finanzielle Beteiligung an frühen Entwicklungsphasen. Letzteres setzt jedoch zusätzliche Mittel in Form eines hochschuleigenen Seed Fund voraus, dessen Grundstock in Nachbarländern, wie z. B. England, den Hochschulen vom Staat zur Verfügung gestellt wird. So besitzt die Oxford University einen University Challenge Seed Fund mit immerhin 6 Millionen € staatlichen Geldern54. Auch die Universität Maastricht in den Niederlanden hat einen Seed Fund, um Spinoffs zu unterstützen. Das normale Procedere bei einem Forschungsprojekt, das eine Erfindung mit Marktpotenzial zum Ergebnis hat, ist, dass eine GmbH gegründet wird, in der die Erfindung bis zur Marktreife, dem Prototyp, weiterentwickelt wird. Die Erfindung oder die ganze GmbH wird dann verkauft, wobei das Recht an der Erfindung meist in der GmbH liegt55. In beiden Fällen, sowohl in England als auch in den Niederlanden, werden diese Aktivitäten von marktwirtschaftlich organisierten Töchtern der Universitäten gemanagt. Die oben erwähnten Entrepreneuship Centers, Gründerzentren, etc. stellen diesen Prozess ermöglichende und stark unterstützende Institutionen dar. 53 Vgl. Wegfall des Hochschullehrerprivilegs. Vgl. ISIS Innovation Limited Technology Transfer from the University of Oxford. 55 Frederix, R., Universität Maastricht, persönliche Mitteilung. 54 112 Beratung, Erstellung von Gutachten und sonstige wissenschaftliche Dienstleistungen wie Spezialmessungen, Spezialanalytik Die mit Hilfe des Universitätsumfelds generierten Zusatzeinkünfte deutscher Professoren, die ihre Gehälter nicht selten um ein Vielfaches übersteigen, werden als mögliche Einkunftsquelle für die Hochschulen kaum erörtert. Ob es sich um Schutzrechte, Beratung, Gutachten oder sonstige Dienstleistungen handelt, man bewegt sich mit abenteuerlichen Konstrukten in rechtlichen Grauzonen und denkt nicht über eine saubere, integrative Lösung nach, von der alle profitieren. Dabei spielt in dieser potenziellen Einnahmequelle durchaus Musik. Obwohl über das Volumen nur spekuliert werden kann, geht es an spezialisierteren oder forschungsintensiveren Hochschulen und Hochschulkliniken hier sicherlich um einige 100 Millionen €, die insgesamt fließen könnten. Bei einem Overhead von 10 bis 20 %, der sich als eventuelle Einnahme für die Hochschule daraus ergeben könnte, kommt rasch ein stattlicher Betrag zusammen. Auch sind die Anfangsinvestition und die laufenden Kosten überschaubar, außer man möchte das vorhandene Know-how von vorneherein mit hohem Aufwand vermarkten bzw. ein aufwendiges Knowledge Managementsystem installieren. Damit ergeben sich sowohl für die Umsatzrendite als auch für den finanziellen Spielraum bei entsprechender Qualität der Hochschulen interessante Möglichkeiten. Diese können, ein weiterer großer Vorteil, schon morgen genutzt werden. Beispiel für eine jüngst installierte Einbeziehung dieser Verdienstmöglichkeit ist Oxford University Consulting, OUC. Die OUC ist eine Gesellschaft, die zu 100 % der Universität gehört und Beratungsdienstleistungen sowie wissenschaftliche Dienstleistungen aller Forscher und Wissenschaftler der Universität Oxford anbietet. Von der vermittelten Vertragssumme gehen 15 % an OUC und nach Abzug aller Kosten an die Universität. Ein Professor kann auf diese Weise 30 Tage eines Jahres offiziell verkaufen, wenn er die Erlaubnis des entsprechenden Departments hat. Die entsprechenden Mehreinnahmen des Wissenschaftlers werden zusammen mit seinem üblichen Gehalt ausgezahlt. Weitere Vorteile neben Vermittlung, Vertragsgestaltung und Projektmanagement, falls gewünscht, sind die offizielle Nutzung der Universitätszugehörigkeit und der dazugehörige Rechtsschutz. Das große Problem für Deutschland wird es sein, die Akzeptanz bei Professoren für eine derart geteilte Einnahmequelle zu erreichen. Nur durch Gesetzesänderungen z. B. bei dem Nebentätigkeitsrecht für Professoren, ein in die eigene Tasche Wirtschaften verhindern zu wollen, kann zu einer Abwanderung oder Verweigerungshaltung führen. Oft sind es ja gerade die aktiven Professoren einer Hochschule, die sich besondere Einkünfte erschlossen haben und die man als Renommeeträger bzw. -verstärker nicht bremsen möchte. Der Weg muss einerseits, eventuell ergänzend zu Gesetzesänderungen, über ein überzeugendes internes Dienstleistungsangebot laufen, das die Erbringung für die Dienstleister nach außen deutlich erleichtert und eine gleichzeitige Stärkung des Identitätsgefühls für die eigene Institution generiert. 113 Fundraising Viele amerikanische und englische Universitäten haben Fundraising als zentrale Aktivität definiert, welche die primären Geschäftsfelder wesentlich beeinflusst. Fundraising bietet die finanziellen Möglichkeiten, Qualitätssteigerung und Wachstum in eigener Entscheidungsverantwortung der Universität zu fördern. Fundraising gibt erhebliche finanzielle Handlungsfreiheit. Fundraising muss strategisch erfolgen und langfristige Ziele unterstützen. Fundraising sichert die Finanzierung zu Krisenzeiten, wenn es gelingt, eingeworbene zweckfreie Mittel, endowments, ertragssicher anzulegen. Ziel von Fundraising darf nicht sein, nur Mittel zur Finanzierung von Defiziten und Lücken zu akquirieren. Fundraising dient auch dazu, Vorsorge zu betreiben, indem Kapital wie Geld, Länder, Gebäude erworben und angelegt wird. Einige Universitäten gehen bei der Kapitalanlage konservativ vor, andere streuen Risiko und Sicherheit, andere gehen riskant vor wie beispielsweise das Dartmouth College in New Hampshire mit einer Rendite von 41 %. Fundraising heißt, Personen, Stiftungen oder Unternehmen zu gewinnen, die der Universität Werte anvertrauen für Zwecke, die sie mittragen, weil sie gesellschaftlich relevant sind und die Universität der Empfänger ist, der in den Augen des Spenders größeren Nutzen generieren kann als alle anderen potenziellen Empfänger. Dies setzt Vertrauen in die Universität voraus, dass sie die Werte sorgsam verwendet. Und es setzt ein überlegenes Image voraus, weil sich auch andere Universitäten um den Spender bemühen. Spender wollen an dem herausragenden Image der bespendeten Universität teilhaben und profitieren. Eine zweite Möglichkeit, Spender zu gewinnen, ist emotionale Bindung herzustellen. Die Zielgruppe sind in erster Linie Alumni, die an amerikanischen Universitäten eine bedeutende Spendergruppe sind. Die Einwerbung von Spenden der Alumni ist eine Daueraktivität der Alumni Relations Offices, während Großspender in sogenannten mehrjährigen Kampagnen durch die Development Offices begleitet werden. Die intensive persönliche Betreuung der gerade das Elternhaus verlassenden jungen Studenten bindet diese an ihre Universität und lässt sie, wenn sie später beruflich erfolgreich und vermögend oder einflussreich sind, dankbar und großzügig an ihre Universität erinnern. Die Prägung und Bindung der Studenten findet in den USA und England während des Bachelorstudiums statt, dem Zeitraum, in dem in Deutschland die Studenten am meisten vernachlässigt werden. Die Studenten in den USA werden nicht nur in die sozialen Aktivitäten eingebunden wie Sport, Kultur, Campusleben, Freizeit; an den Eliteuniversitäten, z. B. Harvard, werden diese Studenten ebenfalls durch die Universität in ein gesellschaftliches Netzwerk eingeführt, das ihren beruflichen Erfolg quasi vorbestimmt. Alle diese Leistungen, die eine Investition in die Studenten darstellen, werden sich später auszahlen. Dass gerade diese Zeit bindend ist, belegen die Aussagen der führenden Universitäten, die ihren Graduates empfehlen, den Masterstudiengang an einer anderen Universität zu absolvieren, wohl wissend, dass sie diese nicht als Alumni verlieren werden. 114 Universität der Zukunft Anhang B Personalmanagement Autoren: Dr. Ekkehard Franzke, Bain & Company Germany; [email protected] Dr. Franz-Robert Klingan, Bain & Company Germany; [email protected] 115 116 VII. Anhang B: Personalmanagement Der Worte sind genug gewechselt, Laßt […] endlich Taten sehn! J.W. Goethe, Faust I B.1. Einleitung Die Universität der Zukunft soll eine Bildungseinrichtung, ein Ort für freie Forschung und Lehre bleiben. Dazu müssen Universitäten auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren, um im internationalen Umfeld noch eine Zukunft zu haben. Die neuen strategischen Leitworte heißen Dienstleistung, Exzellenz und Effizienz. Entsprechend kann das Personalmanagement einer Hochschule nicht isoliert betrachtet werden, sondern es muss im Gesamtzusammenhang der Strategie, der Organisation, insbesondere der Führungsorganisation, gesehen werden. Personal folgt nach traditionellem Verständnis der Strategie und der Organisation und doch sind es gerade in Hochleistungsorganisationen Führungspersönlichkeiten, die die entscheidenden Impulse geben. Personal verliert damit gerade in diesem Kontext seinen derivativen Charakter und wird zum einem der wichtigste singuläre Baustein und zum anderen die größte Barriere für notwendige Reformen auf dem Wege zur Universität der Zukunft: Personal ist Strategie! Personalmanagement muss in Folge dessen einen gesamtheitlichen Anspruch besitzen. Auch wenn der Grundsatz der Freiheit von Lehre und Forschung weiterhin bestehen bleibt, heißt das nicht, dass die Universität der Zukunft vielerorts weiterhin aus zentraler Verwaltungsbürokratie und atomisierten Einzelprofessuren mit entsprechend individualisierten Unterbauten bestehen kann. Personalmanagement darf in diesem Zusammenhang auch nicht zum Experimentierfeld auf dem Weg hin zu einer hier und da etwas effizienteren Organisation missverstanden werden. Hier besteht die Gefahr unstrukturierter Koexistenz verschiedener Personalmanagementsysteme bzw. ihrer verschiedenen Entwicklungsstufen. Dies erzeugt Friktion und mindert die Effizienz der entsprechenden Einheiten. Sowohl strategische als auch operative Exzellenz muss das Ziel für die gesamte Universität und nicht nur für einzelne Teilbereiche sein. Verfolgt man den aktuellen Diskussionstand in der einschlägigen Literatur und auf zahlreichen Konferenzen, so fällt auf, dass viele Notwendigkeiten bereits ausführlich und häufig recht theorielastig erörtert wurden, jedoch wenig wirklich neue Gedanken hinzugekommen sind. Letztendlich geht es in der Hauptsache um ein gewaltiges Implementierungsdefizit, das wesentlich mit dem Thema Personal zusammenhängt. Mittelfristiges Ziel dieser Studie sollte daher auch nicht eine weitere Schleife in der akademischen Diskussion, sondern, wenn möglich, die Vorbereitung eines konkreten Pilotprojekts für eine wirkliche Universität der Zukunft sein. 117 Diesem Kapitel wird der besondere Dank an die verschiedenen Interviewpartner und Teilnehmer der zu diesem Zweck abgehaltenen Workshops vorangestellt. Ihre Zeit und Aufmerksamkeit hat es ermöglicht, sich in effizienter Weise den wichtigsten Elementen des Problemkreises zu nähern und wichtige Anregungen, besonders für die Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen im öffentlich-rechtlichen Bereich in diese Arbeit einzubringen. Struktur des Beitrags Im Nachfolgenden sollen, in mehreren Thesen verdichtet, erneut die wichtigsten Bausteine aufgezeigt werden, die an den Hochschulen an der Spitze der sogenannten To-Do-Liste stehen sollten. Dabei werden zunächst in B.2. die Rahmenbedingungen und dann der Einfluss der Corporate Governance, die wesentliche Aspekte des Personalmanagements dominiert, behandelt. Anschließend fokussiert B.3. ausgewählte Aspekte, besonders bestehende Defizite entlang einer theoretischen Wertschöpfungskette für die Prozesse des Personalmanagements. In diesem Kontext werden die wesentlichen Personalgruppen wie Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeiter sowie die Mitarbeiter in der Verwaltung untersucht. Abschließend unterstreichen Zusammenfassung und Ausblick die bestehenden und zukünftigen Notwendigkeiten. Soweit angemessen, werden Beispiele oder Analysen aus dem Bereich der freien Wirtschaft, besonders der Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen in gesonderten Kästen und Schaubildern in die einzelnen Thesen eingebracht. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden dort ergänzende Aspekte beleuchtet und praktische Beispiele für die erwähnten Zusammenhänge erläutert, ohne die eigentliche Argumentation zu behindern. 118 B.2. Rahmenbedingungen und Corporate Governance Das vorliegende Kapitel hat den Anspruch, durch eine Übersetzung der derzeit akademisch geführten Diskussion innovative Impulse für ein professionelles Personalmanagement der Hochschule der Zukunft zu geben. Diese resultieren aus positiven Erfahrungen aus unterschiedlichen Sektoren wie Dienstleistungssektor, ausländische Hochschulen und private Hochschulen mit vergleichbaren Anforderungen. These 1: Politik und Gesetzgebung haben grundsätzliche Autonomie zugestanden und so erste institutionelle Voraussetzungen für ein professionelles Personalmanagement geschaffen, schrecken aber vor einschneidenden Maßnahmen in der Umsetzung zurück. Politik und Gesetzgeber auf Bundes- sowie auf Landesebene haben mit der Hochschulreformgesetzgebung wichtige institutionelle Voraussetzungen für ein professionelles Personalmanagement geschaffen, beispielsweise - Bekenntnis zur Leistungs- und belastungsorientierten Hochschulbewirtschaftung, - Experimentierklausel zur Erprobung hochschulspezifischer Organisationsformen, - Zuständigkeit der Hochschulleitung für die Ressourcen Sach- und Personalbudget sowie für Räumlichkeiten bzw. Gebäude, - Aufhebung lebenslanger Berufungszusagen zum 30.09.2000 und - Modernisierung der Professorenbesoldung. Die Gesetzgebung geht hierbei aus politischen Gründen nicht gesamthaft vor, sondern ändert Stück für Stück die Rahmenbedingungen der Hochschullandschaft. Dieses führt zum einen zu einer hohen Komplexität aus bestehenden und geänderten Vorschriften. Zum anderen müssen viele Rahmenbedingungen länder- bzw. universitätsspezifisch ausgestaltet werden. Es gibt für die einzelne Universität immer größere Gestaltungs-, aber auch Interpretationsspielräume. In Folge dessen weist die heutige Hochschullandschaft in Deutschland ein sehr differenziertes Bild in Bezug auf effiziente und effektive Personalstrukturen und –prozesse auf. Einige experimentierfreudige Vorreiter stehen sehr vielen konservativen Nachzüglern gegenüber. Autonomie hat hier zwei Dimensionen: zum einen die Unabhängigkeit von inhaltlicher und operativer täglicher Kontrolle durch die führende Instanz, zum anderen die Übernahme der mit der Autonomie verbundenen Verantwortlichkeit für eigenes Handeln und die zur Verfügung gestellten Mittel. 119 Zur Unabhängigkeit der Universität gehört inhaltlich primär die Freiheit, Gegenstände von Forschung und Lehre im Rahmen der verfügbaren Ressourcen selbst zu bestimmen. Damit muss aber sekundär auch die Verfügbarkeit der Ressourcen für die Hochschule gesichert sein. Neben der Frage der Globalbudgetierung56 ist es insbesondere notwendig, die Anstellung der Professoren sowie aller anderer Personalgruppen durch die Hochschule und nicht das Ministerium57 vorzunehmen. Umgekehrt sind nicht nur diese dann auch für der Hochschule für ihre Leistung verantwortlich, sondern die Hochschulleitung insgesamt für die mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen erwirtschaftete Leistung: Handeln und Haften. An dieser Stelle sei kurz auf Implikationen für die Freiheit von Forschung und Lehre eingegangen. Die oben skizzierten Änderungen stärken primär die kollektive Autonomie der Hochschule, was notgedrungen die individuelle Autonomie des einzelnen Lehrenden, insbesondere im Rahmen der Verantwortlichkeit gegenüber der Hochschule einschränkt. Dieser hat aber die Möglichkeit, durch einen Wechsel der Hochschule eine inhaltlich attraktivere Umgebung zu finden bzw. muss letztlich den Anspruch der finanzierenden Stakeholder auf Kontrolle des wissenschaftlichen Rahmens respektieren. Das Bewusstsein der Hochschule als Ganzes um den Wert der wissenschaftlichen Freiheit auf der Basis der demokratischen Grundordnung sollte ausgeprägt genug sein, um sich Strömungen zu widersetzen, derenthalben die Väter des Grundgesetzes diesen Artikel aufgenommen haben. Die genannten Änderungen der institutionellen Rahmenbedingungen beinhalten insgesamt hoffnungsvolle Ansätze, gehen aber z. B. bezüglich des Beamtenstatus und der Unabhängigkeit von staatlicher Führung noch nicht weit genug. These 2: Das Berufsbeamtentum sowie der heutige BAT müssen auf dem Wege zur Entwicklung von Spitzenuniversitäten fallen. Das die Universitäten derzeit beherrschende Berufsbeamtentum beinhaltet ungeachtet der grundsätzlichen Frage der Hoheitlichkeit von Universitäten eine Reihe von Implikationen, die ein professionelles Personalmanagement verhindern oder deutlich erschweren. Exemplarisch lassen sich hier Aspekte von einer mit dem Beamtentum nicht grundsätzlich verbundenen, aber dennoch oft zu beobachtenden Beamtenmentalität bzw. -kultur über das Fehlen finanzieller Anreiz- und Motivationsmechanismen bis hin zu der deutlich erschwerten Personalfreisetzung nennen. Gleichzeitig werden durch die Fortführung der Verbeamtungen in unverantwortlicher Weise Lasten auf kommende Generationen von Steuerzahlern verschoben, um kurzfristig den fiktiven Preisvorteil eines Beamten gegenüber dem Angestellten zu realisieren.58 56 Vgl. These 6. Vgl. These 7. 58 Berechnungen der Universität Mannheim bezüglich der Umstellung des Beamten- auf ein Angestelltenverhältnis für alle Betroffenen haben gezeigt, dass über einen Zeitraum von fünf Jahren mit der Verdoppelung der Personalkosten (Bildung der Rückstellungen für eine vergleichbare Rentenversorgung, fällige Sozialabgaben, Abfindung im Beamtenverhältnis erworbener sonstiger Ansprüche, sonstige Kosten der Umstellung) zu rechnen ist, bevor sie auf den (durch 57 120 Daher wird für die Universität der Zukunft unterstellt, trotz der zu erwartenden Widerstände, eine Abschaffung des Berufsbeamtentums und somit innerhalb einer vorgegebenen Bandbreite die Möglichkeit der freien Aushandlung von Arbeitsverträgen im wissenschaftlichen und administrativen Bereich. Dazu müssen in die Hochschullandschaft neuartige Rahmenbedingungen Einzug erhalten: Wettbewerbsfähigkeit Das Tarifsystem muss wettbewerbsfähiger werden. Die Hochschule muss bei der Aushandlung der Arbeitsverträge für ihre Angestellten lokale Gegebenheiten berücksichtigen dürfen. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes muss unter Beachtung des Stellenprofils, z. B. IT-System-Administrator, der lokalen Arbeitsmarktlage, Ost- vs. Westdeutschland und der lokalen Lebenshaltungskosten, z. B. München vs. Oldenburg vs. Paris, gewährleistet sein. Das bedeutet auch, dass Tarifbandbreiten einer Hochschule gegenüber vergleichbaren Dienstleistungsbranchen wie beispielsweise die Finanzdienstleistungen wettbewerbsfähig werden. Leistungsorientierung Das Tarifsystem muss leistungsgerechter werden. Die heutige Beamtenbesoldung und der BAT fördern Leistungsorientierung nur marginal. Es besteht eine Tendenz zum Mittelmaß, in dem der Dienst nach Vorschrift an der Tagesordnung steht und die Unternehmenskultur beherrscht. Klare informelle Verhaltensnormen haben sich herausgebildet, die dem Kollektiv und damit auch der Konservierung des Mittelmasses dienen. Engagement wird teilweise durch latentes oder teilweise aktiv betriebenes Mobbing unterbunden. Leistung zahlt sich nicht aus. Dementsprechend sind in der Universität der Zukunft vermehrt variable Vergütungsbestandteile einzuführen. Diese sind sowohl an die Leistung des Einzelnen oder an die Leistung in der Gruppe bzw. das Team zu koppeln. Flexibilität Das Vergütungssystem muss flexibler werden. Wichtige Hemmschwellen für den freien Transfer von Personalressourcen zwischen öffentlichem Hochschulsektor und der Privatwirtschaft müssen beseitigt werden, um einen wünschenswerten Personalaustausch zu ermöglichen. Die Übertragbarkeit von Renten- bzw. Pensionsansprüchen über Sektorgrenzen hinaus wäre ein wesentlicher Schritt in diese Richtung. Dass dies umgesetzt werden kann, zeigt das Beispiel Schweiz, ETH Zürich Die Trennung zwischen Beamtentum und Nicht-Beamtentum muss dazu aufgelöst werden. Die einfachste Lösung wäre der vollständige Verzicht auf Beamtenstellen an der Hochschule in öffentlicher Trägerschaft. wettbewerbsfähige Gehälter, Sozialabgaben etc. geprägten) langfristigen Wert vom eineinhalbfachen des heutigen zurückgehen würden. 121 These 3: Das Personalmanagement folgt der strategischen Ausrichtung der Universität und bildet die Basis für nachhaltige Differenzierung. Die Universität der Zukunft sollte eine Universität sein, die unter dem Gesichtspunkt der Qualitätsoptimierung zunächst ihre Zielsetzung definiert, ihre Programme in Forschung und Lehre sorgfältig mit ihren Zielen abstimmt und fortlaufend aktualisiert, ihre personellen und sächlichen Ressourcen in Kongruenz zu ihren Programmen bestimmt, auswählt und einsetzt, sowie ihre Entscheidungs- und Organisationsstrukturen auf die Verwirklichung ihrer Ziele ausrichtet und gestaltet.59 Die Abkehr von dem Recht auf ein Hochschulstudium, wenn man die erforderliche Qualifikation, in der Regel das Abitur, nachweist, hin zu einem Modell, in dem Universitäten Ihre Studenten auswählen60 und sich Studenten frei an bestimmten Universitäten bewerben, könnte den größten Veränderungsdruck erzeugen, sofern die Universitäten dabei ihre volle Strategiefähigkeit erhielten. Wenn die Studenten Kunden sind, folgt aus dieser neuen Wahlfreiheit der Zwang zur Kundensegmentierung und damit zu einer klaren strategischen Ausrichtung bezüglich einer Zielgruppe. Der Trend zur Ausdifferenzierung hat sich in der Privatwirtschaft insbesondere in den neunziger Jahren in vielen Industrien durchgesetzt. Erfolgsmodelle wie Aldi im Lebensmitteleinzelhandel, Charles Schwab im Retail Banking oder Porsche im Automobilbau basieren auf der einfachen aber weitreichenden Erkenntnis, dass ein erfolgreiches Geschäftsmodell auf eine sauber segmentierte Kundengruppe zugeschnitten sein muss. Diese Erkenntnis kann sich auf den Hochschulbereich ausdehnen und wird tendenziell zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Universitätslandschaft und möglicherweise zu den im ersten Kapitel beschriebenen Hochschultypen, Lehre vs. Forschung, Spezialisierung vs. Breitenangebot führen. Für eine beispielhaft gewählte spezialisierte Ausbildungsuniversität würde sich dies in folgenden schematischen Schritten widerspiegeln: 59 60 - Festlegung auf die Strategie und entsprechend der Spezialisierung auf die Fachrichtung; - Auswahl eines für die Fachrichtung und den dort erwarteten Ausbildungsbedarf geeigneten Fächerportfolios, das laufend auf Relevanz überprüft wird; - Planung des Personalbedarfs, Auswahl und Anstellung der geeignetsten Lehrer, das beste Team, für das Fächerportfolio, Ausbildung und Prüfung eines Jahrgangs; - Überprüfung und Anpassung von Portfolio und Lehrkörper anhand eindeutiger Benchmarks, z. B. Nachfrage nach Studienplätzen, Nachfrage nach Vgl. Wolff, K. D. (2002). Im Rahmen neuartiger Studiengänge ist es schon heute möglich individuelle Eignungsfeststellungen durchzuführen wie an der TU München in Biochemie und Molekularer Biotechnologie, Universität Mannheim bei der Umstellung des Studiensystems in den Geisteswissenschaften, Universität Bayreuth bei den Sport– und Gesundheitsökonomen, FH Reutlingen im BWL-Bereich, etc. 122 Absolventen, durchschnittliches Anfangsgehalt des Absolventenjahrgangs, usw.) während und nach der Ausbildungsphase. Dabei können ein hervorragendes Lehrangebot, Fächer und Professoren umfassend, und die Nachfrage durch die besten Studenten verstärkend aufeinander wirken. Solange ein sich verbesserndes, immer konkurrenzfähiges Lehrangebot die besten Studenten und potenziell höchsten Studiengebühren) anzieht, wird die Universität für potenzielle Mitglieder des Lehrkörpers attraktiver, die nicht nur beste Studenten, sondern auch den Austausch innerhalb der Fakultät suchen usf. Auf dieser Basis hat die Universität die Möglichkeit, ihre Strategie nachhaltig zu verfolgen und ihre Differenzierung kontinuierlich gegen den Wettbewerb zu erhalten. Ein professionelles Personalmanagement folgt dieser Ausrichtung und ist im Detail darauf abgestimmt. These 4: Für die Corporate Governance bietet ein Vorstandsmodell breite, nach Strategietyp differenzierbare Lösungsmöglichkeiten. Eine neu zu gestaltende Corporate Governance legt die Basis für eine zukunftsweisende Personalstrategie und ein Personalmanagement für die Hochschule. Von der grundsätzlichen Ausgestaltung ist hier ein den Kapitalgesellschaften angelehntes Führungsmodell61 geeignet, die vom Hochschulrahmengesetz seit 1998 gewährten Freiheiten der Organisationsgestaltung auszufüllen.62 Eine so zu verankernde Führungskultur kann der Schaffung bzw. Aufrechterhaltung einer mehr unternehmerisch geprägten Organisation dienen. Dabei besteht kein Widerspruch zwischen einer unternehmerisch geprägten Führungs- und Entscheidungskultur und den für eine Universität notwendigen akademischen Freiheiten.63 Eine Nivellierung des vorherrschenden Kollegialitätsprinzips meint in diesem Kontext nicht die Abschaffung, sondern eine ideologiefreie, neugestaltete Form der Partizipation von Hochschulmitgliedern an den Entscheidungsprozessen der Hochschule.64 Zum Aufbau einer derartigen, unternehmerisch geprägten Führungsstruktur wird Anlehnung an die typische amerikanische Universitätsverfassung genommen: - Aufsicht führt ein Board of Trustees, Treuhänder, im Falle der öffentlichen Universität häufig ein Board of Regents, das von der Executive ernannt wird oder auf der Landesebene für festgelegte Amtsperioden gewählt wird. Fast immer sind dies externe Mitglieder in stark variierender Anzahl. Die 61 AG, GmbH oder amerikanisches Board-System für die Inc. Vgl. Frackmann, E./De Weert, E., (1993), sowie ausführlich Müller-Böling, D. (2000). In diesem Zusammenhang sei auf die Möglichkeiten der Ko-Existenz verschiedener Formen der Organisation innerhalb einer Institution hingewiesen. 63 Vgl. Fulda, J. (1998). 64 Müller-Böling geht in diesem Kontext auf die „doppelte Legitimation” von Entscheidungsträgern im Rahmen eines Gegenstromprinzips ein. Vgl. Müller-Bölling, D./Fedrowitz, J., (1998), insb. S. 30ff. 62 123 Hauptzuständigkeit der Boards liegt in der Finanzaufsicht und in der Ernennung des Universitätspräsidenten. - Die Amtszeit des Präsidenten liegt im Durchschnitt bei fünf Jahren, oft at the pleasure des Board of Trustees, d. h. jederzeitige Entlassung ist möglich. Der Präsident hat weitgehend freie Hand bei der Ernennung der Vice Presidents. Der Präsident stellt sich also sein Führungsteam analog dem Vorstand einer AG zusammen. Der Präsident ernennt und entlässt auch die Dekane, die in der Regel eine Amtszeit von 5-10 Jahren haben. Die Suche erfolgt durch sogenannte search committees. - Die Verantwortung für die Lehrpläne liegt bei den Fachbereichen, Fakultäten und unter Umständen bei der Professorenschaft. Die Initiative für Berufungen geht von den Fachbereichen aus. Der Präsident hat ein Vetorecht. Die Gehälter der Berufenen werden auf Vorschlag des Dean, Dekan, vom Provost, also dem Kanzler, gelegentlich nach Konsultation mit dem Präsidenten festgesetzt. - Auf Ebene der Fachbereiche können bei Überschreitung einer gewissen Größe kaufmännische Geschäftsführer eingesetzt werden. Insgesamt ist dieser Typus des Führungssystems flach und flexibel, mehr auf Kommunikation und Pragmatismus als auf Einhaltung der Verwaltungsvorschriften ausgelegt. Auch in den deutschsprachigen Ländern gibt es Beispiele von Führungsorganisationen, die diese Ansprüche verwirklichen.65 Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass für eine friktionsarme Veränderung der herrschenden Leitungs- und Führungsstrukturen sicherlich Widerstand von verschiedenen Seiten zu antizipieren ist, da 65 - der Einfluss und die Betätigungsfelder der Wissenschaftsministerien der Länder schwinden, - die Entscheidungsbefugnisse der zentralen Hochschulleitung bzw. des Fachbereichs auf Kosten der einzelnen Professoren gestärkt werden, - die Hochschulleitung undankbare Entscheidungen alleinverantwortlich vertreten muss, statt sich hinter dem Ministerium zu verstecken, - die Verantwortlichkeit der Hochschule bzw. Hochschulleitung für die Qualität von Forschung und Lehre messbar und damit offensichtlich wird, ebenso die Konsequenzen für Fehlentscheidungen, - die teilweise Erhebung von Studiengebühren unumgänglich wäre. Vgl. Kasten 1. 124 Kasten 1: Innovative Führungsstrukturen für Universitäten im deutschsprachigen Raum Die Universität Mannheim hat in Deutschland die wahrscheinlich innovativste Führungsstruktur. Der Senat ist für alle akademischen Angelegenheiten zuständig, sowie für die Wahl des Rektorats, das durch eine paritätisch besetzte Kommission unter Vorsitz des Universitätsrats gefunden wird. Das Rektorat ist als Unternehmensvorstand verantwortlich für die operative Ebene: - Haushalt - Personal - Genehmigung der Prüfungs-, Habilitations-, Promotions- und Studienordnungen Ein Universitätsrat fungiert als Kontrollorgan für die operative Ebene. Der Präsident der ETH Zürich wird von der Regierung ernannt und ist zusammen mit drei Vizepräsidenten verantwortlich für die Führung der Universität. Die Vizepräsidenten verantworten drei unterschiedliche strategische Aufgabenbereiche - Lehre (Rektor) - Forschung und Wirtschaftsbeziehungen - Planung und Logistik Der Rektor hat die akademische Leitung und wird durch die Professorenschaft gewählt. Alle Professoren sind Angestellte der Universität. Der Schulrat, als Aufsichts- und strategisches Leitungsorgan, ist mit Personen aus der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft besetzt. Insgesamt würden aber die Vorteile, insbesondere die Vereinfachung von Abläufen und die gesteigerte Transparenz und Verantwortung den Aufwand zur Überwindung der Widerstände in jedem Fall rechtfertigen. These 5: Die Administration der Universität wertet sich auf und wird zum effizienten Manager eines wissenschaftlichen Hochleistungsbetriebs. Der zentralen Verwaltung haftet heute an vielen Universitäten der Ruf einer ineffizienten, regulierungswütigen Zwangsvollstreckung an. Dabei sind Selbstverständnis und Leistungsfähigkeit des handelnden Personals eine ebenso wesentliche Komponente wie antiquierte bzw. unbrauchbare Verwaltungsverfahrensvorschriften. 125 Auf dem Weg zur Universität der Zukunft muss die Hochschule ein positives Selbstverständnis einer Hochleistungs-Unternehmung besitzen, in der alle Einheiten gemeinsam an einem Strang ziehen. Administration und wissenschaftlicher Bereich müssen auf dem Weg zu dieser Vision stärker zusammenfinden. Diese Entwicklung beruht nicht so sehr auf Veränderungen organisatorischer Merkmale, sondern basiert vielmehr auf dem Selbstverständnis der Verwaltung und auf der Akzeptanz durch den wissenschaftlichen Bereich. Organisatorische Effizienz und effektive Unterstützung der Forschungs- und Lehraktivitäten, je nach Ausrichtung, müssen die Charakteristika der Administration der Hochschule der Zukunft sein. Die Effizienz im Hochschulverwaltungsbereich hat sich aber historisch betrachtet, trotz technischem Fortschritt und Erfahrungszugewinnen, nicht wesentlich erhöht. Kasten 2: Verwaltungseffizienz In einer Bain-Analyse66 wurde das Verhältnis von Verwaltungspersonalstellen zu wissenschaftlichen Personalstellen über die letzten sieben Jahre untersucht. Dieses reduzierte sich nur unwesentlich von 1,90 auf 1,89. Gleichzeitig stieg aber das Verhältnis von Verwaltungspersonalstellen im Bezug zu der Summe aus wissenschaftlichen Personalstellen und Studierenden sogar leicht von 0,11 auf 0,12. Eine weitere Analyse vergleicht die Personalrelation67 zwischen Verwaltungsbereich und wissenschaftlichem Bereich (Mitarbeiter plus Studenten) nach Bundesländer in 1999. Dabei variieren die einzelnen Bundesländer relativ stark um den Durchschnittswert von 0,17. Es scheint, dass die einzelnen Länder mit Hinblick auf Ihre Politik zur Hochschulwirtschaftlichkeit sehr unterschiedlich dastehen. Noch größere Unterschiede lassen sich auch innerhalb eines Bundeslandes zwischen einzelnen Hochschulen ausmachen, die in diesem Maße betriebswirtschaftlich nicht zu erklären sind. Eine letzte Analyse stellt private und staatliche Universitäten gegenüber. Hier ergibt sich, dass die sechs untersuchten kleineren privaten Institutionen68 mit einem Durchschnittswert von 0,11 fast doppelt so effizient sind als die staatlichen mit einem Wert von 0,18. Daraus folgt, dass die Verwaltungsapparate an vielen Hochschulen die Grenzen ihrer Effizienz noch nicht erreicht haben. Dieses stellt auch die Sinnhaftigkeit der derzeitigen Hochschulbewirtschaftung von oben nach unten in Frage. Hochschulen müssen auf dem Weg zu mehr Effizienz vollen Gestaltungsspielraum aber damit auch volle Verantwortung übertragen bekommen, um maßgeschneiderte und schlagkräftige Verwaltungseinheiten aufzubauen. 66 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, kurz BMBF, (Hg., 2000). 1999 tätiges Personal, nicht Personalstellen, vgl. BMBF (Hg., 2000). 68 HHL Leipzig, EBS Oestrich-Winkel, WHU Koblenz, Uni Eichstätt, Uni Bruchsal, IMT Stuttgart. 67 126 Schaubild 1 Verhältnis Verwaltungspersonal zu wissenschaftlichem Personal und Studenten Insgesamt müssen sich alle Einrichtungen immer wieder im Hinblick auf Effizienz, Effektivität und Qualität ihrer administrativen Bereiche auf den Prüfstand stellen lassen. Dabei soll eine Dienstleistungs- bzw. Serviceorientierung die bisher vorherrschende Verwaltungsorientierung ablösen. Eng damit verbunden ist das Primat der Kundenorientierung gegenüber Studenten und Wissenschaftlern. Nur in Konkurrenz um Mittel, die bei einer modernen Budgetierung direkt in Forschung und Lehre investiert werden könnten, werden Verwaltungen nachhaltig zur zielkonformen Wertschöpfung angeregt. Umgekehrt wird eine effizientere, dienstleistungsorientierte Verwaltung dazu führen, dass sich der wissenschaftliche Bereich im Rahmen einer deutlich effektiveren und effizienteren Arbeitsteilung des Dienstleistungsangebots bedient und dieses entsprechend wertschätzt. Dieses führt wiederum zu einem wertsteigernden Miteinander. Hierbei ist auch die Hochschulleitung gefordert. Das Vorleben einer einheitlichen Hochschulvision und eines personalpolitischen Leitbilds ist in diesem Zusammenhang eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Fragwürdig bleibt auch die organisatorische Aufhängung und Ausgestaltung des zukünftigen Verwaltungsbereichs der Hochschule. An einigen Hochschulen gehen Bestrebungen in die Richtung, Verwaltungseinheiten zu dezentralisieren und auf der Ebene der Fachbereiche zu installieren. Die Frage von Zentralisierung vs. Dezentralisierung kann nicht grundsätzlich und allgemeingültig entschieden werden. In der Praxis sollte sich in Anlehnung an erfolgreiche Dienstleistungsunternehmen der Privatwirtschaft ein organisatorischer Mix 127 durchsetzen, der sich auch nach der Größe und strategischer Positionierung, breit vs. Fokussiert, der Hochschule richtet. Tendenziell scheint eine Dezentralisierung eher an größeren Universitäten wie Köln oder München angemessen zu sein. Hier sollten vormals zentrale Verwaltungseinheiten auf der Ebene der Fachbereiche angesiedelt werden, insbesondere wenn diese an unterschiedlichen Standorten beheimatet sind. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Grundsatz, organisatorisch schlagkräftige Einheiten zu bilden, die groß genug sind, um sich möglichst eigenständig zu verwalten. Einheiten von 50-200 Mitarbeitern können hier aus der Privatwirtschaft als Richtgröße angeführt werden. Schlagkräftige, sich selbstverwaltende wissenschaftliche Einheiten unter dem gemeinsamen Dach der Universität mit ihrer Führungsmannschaft sind grundsätzlich als positiv anzusehen, weil sie besser im Stande sind, eine gemeinsame Dienstleistungskultur entstehen zu lassen. Eine Dezentralisierung von Verwaltungsaufgaben auf der Ebene von Fachbereichen setzt eine kaufmännische Professionalisierung ebenda voraus. Es ist zweifelhaft, ob die derzeitigen, im Turnusverfahren ernannten Dekane an vielen Hochschulen zum einen hierfür die Voraussetzungen mitbringen, zum anderen aber auch die Motivation. In diesem Zusammenhang ergeben sich zwei Lösungsansätze: - Aufwertung der Funktion des Dekans und Änderung des Wahlverfahrens, um für diese Aufgabe geeignete Kandidaten zu gewinnen oder - Einsatz von Fachbereichsplanern oder kaufmännischen Geschäftsführern, die den Dekan in den zukünftig anspruchsvollen Planungs-, Finanzierungs-, und Verwaltungsangelegenheiten entlasten. Zusätzlich zu den dezentralen Verwaltungseinheiten muss es weiterhin zentrale Stabseinheiten geben, die zum einen die Hochschulleitung bei deren Aufgaben, z. B. Budgetierung, IT-Landschaft, unterstützen, zum anderen auch Funktionen wahrnehmen, die stark von Skaleneffekten, z. B. Lohnabrechnung, geprägt sind oder intensives Experten-Know-how, z. B. Immobilienmanagement, erfordern. Darüber hinaus ist es notwendig, dass statt eines anonymen Nebeneinander der Austausch an Informationen und Expertise zwischen diesen einzelnen Einheiten intensiviert wird. Grundlegende Instrumente wie bspw. regelmäßige Abteilungsleiter Jour Fixes fehlen an vielen Hochschulen. In diesem Zusammenhang liegen auch in neuen Kommunikationstechnologien deutliche Verbesserungspotenziale: gut konzipierte Intranetlösungen können beispielsweise den Informationsfluss und die insgesamt anzustrebende Unternehmenskultur des informierten Miteinander wesentlich unterstützen. B.3. Prozesse im Personalmanagement Für das folgende Kapitel werden die wesentlichen Prozesse anhand einer Wertkette für das Personalmanagement beleuchtet. Die Thesen folgen der unter Struktur des Beitrags gezeigten Sequenz. Soweit sich einzelne Abschnitte zu den jeweiligen Thesen speziell auf eine der drei Personalgruppen beziehen, sind sie mit P wie Professoren, W wie wissenschaftlicher Nachwuchs und V wie Verwaltung gekennzeichnet. 128 These 6: Die Personalplanung muss im Rahmen einer autonomen Globalbudgetierung und Fachbereichsbudgetierung erfolgen. Das Personalmanagement beginnt mit der strategiekonformen und weitestgehend autonomen Personalplanung und –beschaffung. Der Personalbudgetierungsprozess an Hochschulen folgt heute größtenteils einmalig festgelegten69 oder vorgegebenen Regeln70, die selbst bei erheblichen Veränderungen der Hochschullage oder – strategie nicht von der Hochschulleitung anpassbar sind. Der Planungshorizont ist teilweise sehr kurzfristig und beschränkt sich vielerorts auf ein Kalenderjahr. Eine Fernzielplanung oder ein strategischer Mittelfristplan existieren nicht. Anstelle von Personalmitteln erhalten die Hochschulen von den Landesministerien eine Anzahl von Stellen entsprechend des BAT oder des Beamtenrechts, die meist nach dem „Fortschreibungsprinzip“, häufig schon der individuellen Hochschulstruktur nach gegliedert, verabschiedet werden. In diesem rigiden Rahmen bleiben angemessene Umstrukturierungen aus. Beförderungen können nur umgesetzt werden, wenn eine Stelle in der höheren Tarifgruppe frei ist. Personalkostenflexibilität besteht nicht. Darüber hinaus ist es nicht möglich, Personalkosten mit anderen Kostenarten, Titeln, zu verrechnen. Die Mittel dürfen nur in der betreffenden budgetierten Ausgabekategorie verwendet werden, sachliche Bindung, und dürfen nicht in das folgende Steuerjahr übertragen werden, sondern müssen unbedingt in der laufenden Periode verbraucht werden, zeitliche Bindung. Diese Gegebenheiten stehen dem modernen, zukunftsgerechten Budgetierungsprozess einer Hochschule entgegen, der gekennzeichnet sein sollte durch - unterschiedliche Planungshorizonte wie Quartal, Jahr, 3 Jahre,... etc., - iterativer Planungsprozess, top-down vs. bottom up, - unterjährige Flexibilität, Budgetanpassungsstichtage, - Verrechnungsmöglichkeiten, Kostenarten, - Rückstellungsmöglichkeiten, Perioden. Ein solcher Budgetierungsprozess ist heute Standard in der Privatwirtschaft. In deutschen Grossunternehmen wie Allianz oder Daimler Chrysler sind beispielsweise ganze Mitarbeiterstäbe damit betraut, für alle organisatorischen Teileinheiten eine detaillierte Budgetierung für unterschiedliche Planungshorizonte aufzustellen und nach unterschiedlichen Berichtsstrukturen zusammenzuführen. Aber auch moderne, mittelständische Unternehmen setzen auf komplexe Planungssysteme und haben hier in den letzten Jahren stark in Know-How und Ressourcen investiert. 69 70 Erstberufung. Vgl. Stellenplan des Bildungsministeriums. 129 Globalbudgetierung wird heute bereits erfolgreich an ausländischen Hochschulen wie der ETH Zürich und an deutschen privaten Universitäten beispielsweise der WHU Koblenz und HHL Leipzig betrieben. Hierbei werden die Fachbereiche und Fakultäten in einem bottom-up Planungsschritt aktiv in den Gesamtprozess eingebunden. Dies erfordert konsequenterweise entsprechend qualifizierte Ressourcen auf diesen Ebenen. Auch für die Universität der Zukunft ist diese Form der Budgetierung und Planung richtungsweisend. These 7: Für den Personalrekrutierungsprozess muss eine eindeutige, persönliche Verantwortung eine weitere Regulierung von Verfahrenselementen wie Anforderungsprofil, Gremien etc. ersetzen.71 Auf Basis eines entsprechenden flexiblen Personalbudgets erfolgt dann eine strategieadäquate Personalbeschaffung. Im wissenschaftlichen Bereich münden dabei derzeit demokratische Mechanismen und Gremienarbeit in Entscheidungsprozesse, die in diesem Kontext wechselhafte Wahl- oder Zielkoalitionen mit unvorhersehbarem Ausgang bedingen. Die Entscheidungen sind im Grenzfall zufallsbedingt und führen leicht zu einer Nivellierung ins Mittelmaß. Einigungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner von unterschiedlichsten individuellen Interessen folgen hier kaum einem universitären Gesamtinteresse.72 Nur eine Zusammenführung von Handeln und Haften, also die Schaffung konkreter und persönlicher Verantwortlichkeiten, kann dementsprechend notwendige Voraussetzung für einen zielkonformen Auswahlprozess sein. Ad P: In dem favorisierten Vorstandsmodell werden die Professoren auf Empfehlung einer Auswahlkommission durch den Dekan ernannt. Der Präsident hat ein Vetorecht. Die Dekane als Entscheidungsträger erhalten dabei regelmäßig fachliche Unterstützung durch zentrale Personalmanagement-Experten. Dies geschieht beispielsweise durch - Zugriff des Dekans auf moderne Personalauswahlinstrumente wie Leitfaden, Personalanzeigen-Vordruck, Stellenbörse Webseite, etc bzw. durch - Schulung des Dekans in Personalauswahl, also der Auswertung von Lebensläufen, dem Führen strukturierter Interviews und Berufungsverhandlung, etc. Ad W: Die Einstellung von wissenschaftlichen Nachwuchskräften ist besonders im Hinblick auf ihre zukünftige Eignung für Forschung und bzw. oder Lehre kritisch. Hier muss das Verfahren mehr als bisher die Chancen einer günstigen Personalentwicklung auf den entsprechenden Dimensionen beurteilen, um gegenüber 71 Die Diskussion um eine mögliche verordnete Abschaffung der Habilitation halten die Autoren nicht für zielführend. Vielmehr sollte die Habilitation ihre Berechtigung im freien Spiel der Marktkräfte unter Beweis stellen, wobei je nach Fachbereich und strategischer Ausrichtung der einzelnen Universität bereits heute andere Zugänge gleichberechtigt neben der Habilitation existieren. Die Verknüpfung von Habilitationsverfahren und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist allerdings zu überprüfen. 72 Vgl. Müller-Bölling, D. (2000), S. 15ff. 130 den Bewerbern fair zu sein und gleichzeitig einen effizienten Umgang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu sichern. Gegenüber dem heutigen Stand ist hier eine stärkere Übernahme der Verantwortung durch die betreuenden Mitglieder der Professorenschaft dringend angezeigt . Ad V: Eine entsprechende Professionalisierung ist zudem bei der Personalauswahl im administrativen Bereich notwendig, die verantwortungsvoll durch die einzelnen Abteilungsleiter, gegebenenfalls mit Vetorecht des Kanzlers, zu erfolgen hat. Ad P, W, V: In der Privatwirtschaft haben sich für Eignungsprüfungen bei Einstellungen unterschiedliche Verfahren durchgesetzt73, die die unterschiedlichen Anforderungsprofile der entsprechenden Branchen und Unternehmensgrößen reflektieren und sich bei entsprechender Auslegung auf die Ziele der Universität zumindest teilweise übertragen lassen. 73 Vgl. dazu Kasten 3, S. 131. 131 Kasten 3: Gängige Auswahlverfahren in der Industrie Fast alle deutschen Grossunternehmen wie Axa Colonia, Lufthansa oder Deutsche Telekom wählen neue Mitarbeiter in Assessment Centern, im Folgenden AC genannt, aus. Der AC ist ein Auswahlverfahren, bei dem bis zu zwölf Kandidaten gemeinsam über einen längeren Zeitraum, 1 bis 7 Tage und meist unter Zeitdruck von mehreren geschulten Beobachtern, fast immer aus dem Bereich Personal, auf Herz und Nieren geprüft werden. Ein Standard-AC gibt es dabei nicht. Bestimmte Prüfbausteine tauchen jedoch immer wieder auf: Selbstpräsentation, Gruppendiskussion, Rollenspiel, Fallstudie und Postkorbübung. Banken verzichten hingegen immer mehr auf Assessment Center. Bei der Deutschen Bank beispielsweise gibt es diese nicht mehr. Eine Reihe von Interviewrunden überprüft hingegen die fachliche Qualifikation und die Persönlichkeit des Einzelnen nach Ansicht der Verantwortlichen dabei genauer. Insbesondere bei Investmentbanken, wo Durchhaltevermögen, Stressresistenz und Identifikation mit der Firmenkultur sehr wichtige Einstellungskriterien sind, ist eine mehrstufige Serie von bis zu 20 Einzelinterviews mit potenziellen Kollegen unterschiedlicher Hierarchiestufen nichts Außergewöhnliches. Unternehmensberatungen operieren seit langem mit einer Anzahl von bis zu sechs halbstrukturierten Einzelinterviews, in deren Fokus nicht so sehr der Lebenslauf des Kandidaten, sondern vielmehr das Lösen von Fallstudien, die die jeweiligen Berater aus der Praxis mitbringen und damit testen wollen, wie analytisch geschult, vielseitig und geistig flexibel der jeweilige Kandidat ist. Einige Häuser operieren ergänzend noch mit Kurzpräsentationen und schriftlichen Analytik- oder Sprachtests. In einem gemeinsamen Debriefing aller Interviewer wird das Stärken-Schwächenprofil des Kandidaten diskutiert und einheitlich entschieden, ob es zu einem Angebot kommen soll. Jede Universität der Zukunft muss sich sicherlich ein individuelles, ihren Bedürfnissen angepasstes Personalauswahlverfahren geben. So kann zum Beispiel eine Serie von mehr oder weniger strukturierten Einzelinterviews durchgeführt werden. Hierbei lernt der Kandidat sowohl einen Teil seiner direkten Kollegen, seinen Vorgesetzten als auch dessen Vorgesetzten kennen und wird von diesen nach einem einheitlichen Kriterienkatalog fachlich wie persönlich beurteilt. In einem sich anschließenden Debriefing sammelt und konsolidiert der direkte Vorgesetzte alle Meinungen und Beobachtungen seiner Kollegen und trifft letztendlich die Personalauswahl. These 8: Für jeden Mitarbeiter soll eine den persönlichen Qualifikationen entsprechende Personalentwicklung stattfinden. Eine Hochschuleinrichtung, die sich jenseits eines überkommenen Bürokratiemodells an den strategischen Erfordernissen und ihren Stakeholder orientiert, erfordert neben einer zieladäquaten Personalbeschaffung auch ein Konzept, das einen Übergang von einer reinen Personaladministration hin zu einem strategisch orientierten Personalmanagement gewährleistet. Personalentwicklung findet derzeit jedoch an 132 deutschen Universitäten vielerorts de facto nicht oder nur kaum statt. Geeignete Ansätze zur Personalentwicklung werden hier getrennt nach Mitarbeitergruppen erörtert. Professoren Auf Professorenebene bedeutet dies neben eher operativen Fortbildungsmaßnahmen vor allem, dass die Entwicklung nach Erreichen des C4-Niveaus nicht einfach kommentarlos abgebrochen wird. Die üblicherweise weder in Managementtechniken noch in angewandter Soziologie bewanderten Professoren, die sich nicht allein auf die Erreichung wissenschaftlicher Höchstleistungen konzentrieren wollen, müssten idealerweise gezielt für die Wahrnehmung von Führungsaufgaben vorbereitet und weitergebildet werden. Individuell gestaltete Karrierepfade sollten dementsprechend, in Anlehnung an die strategischen Ziele der Universität, eine Veränderung der Rollen der einzelnen Hochschullehrer über die Zeit zulassen. Auf der anderen Seite sollte eine solche Karriereplanung auch die Möglichkeit eines Ausscheidens aus dem akademischen Dienst vor Erreichen des Rentenalters ermöglichen. Zeitlich befristete Verträge, bspw. auf 5 Jahre, deren Verlängerung in Abhängigkeit der persönlichen und fachlichen Entwicklung stehen, sollten in diesem Zusammenhang eher die Regel als die Ausnahme darstellen.74 Bei Universitäten, deren Schwerpunkt mehr auf der Lehrtätigkeit liegt, wäre eine Entwicklung von der reinen Methodenkenntnis, applied science, hin zu einem Transmissionsriemen zwischen Wissenschaft und Praxis bzw. in Richtung einer Schirmherren-Funktion – wenn entsprechend in den Zielvereinbarungen verankert – denkbar. Auch bei Forschungsuniversitäten können unterschiedliche Karrierephasen nach dem Erreichen der C-4 Professur entwickelt werden. So ist auch hier eine bspw. Ausdehnung bzw. Verlagerung der Tätigkeiten vom reinen Forscher zum Wissensmanager denkbar. Grundsätzlich halten die Autoren in diesem Zusammenhang ein ausgewogenes Verhältnis unterschiedlicher Senioritätsgrade und Rollen innerhalb der Professorenschaft für einen entscheidenden Erfolgsfaktor. Unabhängig vom jeweiligen Universitätstypus sollte eine wesentliche Aufgabe von erfahreneren Professoren die Mentoring-Funktion für jüngere Professoren sowie für den wissenschaftlichen Nachwuchs sein. Gezielte Förderung des hochqualifizierten Nachwuchses findet heute wenig oder teilweise in sehr opportunistischer Art statt. Wissenschaftlicher Nachwuchs An dieser Stelle stellt sich die Frage einer günstigen Art der Personalentwicklung für Nachwuchs-Wissenschaftler. Problematisch ist hier vor allem das teilweise stark ausgenutzte Abhängigkeitsverhältnis der wissenschaftlichen Mitarbeiter bzw. Assistenten von einem einzelnen Professor. Lösungsvorschlag könnte die Kopplung 74 Vgl. These 10. 133 der Mitarbeiterleistung an die Leistungsevaluation des zuständigen MentoringProfessors bei gleichzeitiger Schaffung eines unabhängigen Vorgesetzten auf Fachbereichslevel sein. Eine der wichtigsten Aufgaben dieses Fachbereichsvorgesetzten sollte neben der möglichen Vermittlung bei Konflikten zwischen Nachwuchswissenschaftler und akademischem Ziehvater die auf Fachbereichsebene gültige und öffentlich kommunizierte Definition und nachfolgende Überwachung einer Qualifizierungslaufbahn, dem Tenure Track, mit zu erreichenden Endpunkten, den Points of Arrival, für die Nachwuchswissenschaftler gerade auf dem Wege einer Qualifikation für das Professorenamt sein.75 Dieser Tenure Track ist abhängig von den Zielen und der Strategie der spezifischen Hochschule und sollte sich – ähnlich wie die Prüfungsordnungen für Diplomstudiengänge – dem Wettbewerb um die besten Kandidaten verschreiben und aussetzen. Kasten 4: Tenure Track als Teil der Personalentwicklung Klassischerweise werden bei professionellen Beratungsdienstleistern bestimmte – sich meist nur durch Bezeichnung und Aufgliederung unterscheidende - Karrierestufen durchlaufen, wobei jede Karrierestufe auf dem Profil und der Erfahrung der vorhergehenden aufbaut. In partnerschaftlich organisierten Dienstleistungsunternehmen ist dabei aus der Sicht des Unternehmens ein wesentliches Ziel die Auswahl geeigneter Mitinhaber, Partner und Vice Presidents, die das Unternehmen langfristig erfolgreich führen. Das Erreichen der einzelnen Karrierestufen und die hierzu benötigte Zeit ist leistungsabhängig. Durch gezielte Trainingsmaßnahmen, Erfahrung auf Projekten und ein detailliertes Beurteilungssystem wird das Erreichen der nächsten Karrierestufe, Point of arrival, unterstützt. Die Relation zwischen den per Beurteilung erreichten Werten und einer absoluten Skala, Expected performance level und Track, entscheidet über die Fälligkeit und den Zeitpunkt der nächsten Beförderung. Die Beurteilungsskala nimmt dabei für jede Leistungsstufe eine gewisse Entwicklungszeit an, innerhalb derer ein ausreichend begabter Kandidat den nächsten Punkt erreichen sollte. Damit liegen Regelzeiten für das Erreichen der nächsten Stufe, auf der eine deutlich höhere Verantwortung übernommen werden muss, fest, Tenure Track. Zeigt sich im Beurteilungsprozess, dass keine Aussicht besteht, den point of arrival innerhalb der vorgesehenen Zeit zu erreichen, trennen sich Unternehmen und Kandidat in der Regel innerhalb kürzester Frist; up-or-out, grow-or-go, etc. Zu den großen Vorteilen des Verfahrens gehören die kurzen Beurteilungszyklen, die eine zielgenaue Steuerung der Fort- und Weiterbildung ermöglichen. Das Unternehmen hat so stets ein aktuelles Bild vom Qualifikationsstatus und der Verfügbarkeit von neuen Mitarbeitern für verantwortungsvollere Aufgaben. Die hohe Transparenz der individuellen Leistungsentwicklung ermöglicht die frühzeitige und klare Reaktion auf Abweichungen, was verhindert, dass der Einzelne im Fall einer unterdurchschnittlichen Leistung wertvolle Zeit für die Umorientierung auf eine neue Aufgabe verliert. 75 Vgl. Kasten 4. 134 Verwaltung Der administrative Bereich ist durch immer flachere Hierarchien gekennzeichnet, was eine traditionelle vertikale Personalentwicklung immer schwieriger werden lässt. Um damit einhergehende Probleme der Organisationsverstopfung und -verkrustung zu vermeiden, müssen die Personalverantwortlichen in Zusammenarbeit mit den Personalexperten der Hochschule über neue Formen der Personalentwicklung nachdenken. Hierzu gehören insbesondere a) stellenbezogene Personalentwicklung: Job enrichment – Job enlargement Da es immer weniger Führungsebenen in der Aufbauorganisation der Universität der Zukunft geben wird, kommt der Besetzung von schlagkräftigen Teams und damit der Ausgestaltung der einzelnen Stellenprofile eine immer größere Bedeutung zu. Auch ohne direkte Führungsverantwortung müssen Mitarbeiter über Zeit weiterentwickelt werden und einen größeren Aufgabenbereich verantworten wie beispielsweise eine Teilbudgetverantwortung. Die Führungskraft wird entsprechend immer mehr zum Coach, der partiell Entscheidungskompetenz im Sinne eines Management by Objectives an seine Akteure weiter gibt. b) horizontale Personalentwicklung: Job rotation – Job transfering Veränderungen müssen nicht immer in vertikaler Richtung vonstatten gehen. Interessante Karriereentwicklungen kann es auch auf horizontaler Ebene geben wie von der Sachbearbeitung Personaladministration zur Sachbearbeitung Personalentwicklung, von der Sachbearbeitung Finanzkontrolle zur Sachbearbeitung Finanzplanung. Hierbei ist auch zur Vermeidung eines Not-invented-here Syndroms von entscheidender Bedeutung, dass die Führungskräfte über den eigenen Tellerrand, sprich über die eigenen Abteilungsgrenzen, hinausschauen, um solche Karrierepfade zu erkennen und vermitteln zu können. c) unternehmensübergreifende Personalentwicklung Personalentwicklung darf nicht mehr an der Unternehmensgrenze halt machen. Befristete Freistellungen sollten gewährt werden, um einzelnen Mitarbeitern zu ermöglichen, akademische oder andere Zusatzqualifikationen zu erlangen. Diesen Anspruch muss insbesondere eine Universität der Zukunft haben. Es sollte als normal und wünschenswert angesehen werden, dass junge, motivierte Mitarbeiter keine lebenslange Karriere in nur einer Organisation anstreben, sondern die Karriere gegebenenfalls in einem anderen Unternehmen oder Umfeld fortführen. Dies kann die Neuorientierung zu mehr Leistungsbereitschaft im gesamten Mitarbeiterstamm unterstützen und eröffnet der Universität die Chance auf neue, frische Impulse von nachfolgenden, möglicherweise externen Mitarbeitern. 135 These 9: Anreizsysteme müssen zielkongruent gestaltet werden können und eine deutliche Differenzierung nach Leistung ermöglichen. Eine leistungsgerechte, im Gehaltssystem reflektierte Anreizstruktur ist eine weitere Grundvoraussetzung für die Universität der Zukunft. Als Dienstleistungsunternehmen definiert sich die Hochschule über motivierte Mitarbeiter. Leistungsorientierung und -gerechtigkeit müssen instrumental verankert sein. Im derzeitigen Vergleich zu Spitzen- und Breiteninstitutionen vergleichbarer Industrienationen ist der fixe Anteil der Professorenbesoldung inklusive der Versorgungsleistungen am Gesamtgehalt zu hoch und insbesondere ohne Berücksichtigung der Nebentätigkeiten die Varianz zu gering, um eine sinnvolle monetäre Anreizkomponente für Spitzenleistungen der Professoren zu bieten.76 Schaubild 2 Barwert der Vergütung einer Professoren-Laufbahn Gleichzeitig fehlen zusätzliche Motivations- und Sanktionsmechanismen weitestgehend. Die wissenschaftliche Diskussion zum ähnlich gelagerten Problem der managerial discretion kommt zu dem Schluss, dass es trotz Anreiz- und 76 Anmerkung: 1.) Barwert bezogen auf Bruttogehalt und diskontiert auf den Zeitpunkt des Studienabschlusses. 2.) Leistungsaufschlag bezogen auf überdurchschnittliche ProfessorenLaufbahn. 3.) Risiko eines Abbruches der Professoren-Laufbahn nicht berücksichtigt. 4.) Verhältnis absolute Barwerte D:USA staatlich:USA privat währungsbereinigt 1:1,2:1,3. In diesem Zusammenhang sei trotzdem darauf hingewiesen, dass die meisten der heutigen Professoren die Basisbesoldung eher als Hygiene- und weniger als Begeisterungsfaktor interpretieren. 136 Bestrafungssystemen nur in Ansätzen gelingt, den Handlungsspielraum eines Managers im Sinne der Kapitaleigner bzw. Stakeholder zu regeln.77 Wie könnte eine sinnvolle Reglung bezüglich des Handlungsspielraums - dieser wird bei den meist intrinsisch motivierten Professoren gerade als Anreiz genannt aussehen, die von den motivierten Professoren nicht als einschneidende Einengung wahrgenommen wird, aber bei unmotivierten Professoren trotzdem wirksam ist? Hier wäre eine auf einer sinnvoll definierten Qualitätskontrolle aufbauende Skala von Anwendungen vorzuschlagen, die von steigender oder sinkender Anerkennung aus dem Kreise der Fakultät bzw. der durch eine mögliche Schlechtleistung ebenfalls beeinträchtigten Kollegen bis hin zu Verzicht auf Verlängerung der obligatorischen Zeitverträge78 für Professoren reichen kann.79 Als wichtig bei dieser Qualitätskontrolle ist zu beachten, dass der in der normalen Wirtschaft vorkommende Feedback-Prozess, der auch entsprechend motivierend wirken kann, meist wesentlich schneller abläuft als in der Wissenschaft. Dementsprechend gilt es, Zielvereinbarungen etwa über einen etwas längeren Zeitraum zu definieren bzw. Nachverhandlungen zuzulassen. Zudem sei darauf hingewiesen, dass eine solche Kontrolle weniger an formalen Sekundär-TugendVerpflichtungen ansetzt, sondern Qualität im Sinne eines Management by Objectives verstanden und gemessen werden sollte. Es handelt sich also nicht notwendigerweise um eine Einschränkung der akademischen Freiheiten der einzelnen Akteure, sondern vielmehr um deren Lenkung im Sinne eines gemeinsam definierten individuellen Zielkanons. Soziale Kontrolle bzw. Motivation meint an dieser Stelle die institutionalisierte Förderung des Teamgedankens unter den Hochschullehrern, die Schaffung einer Schicksalsgemeinschaft Fachbereich. Diese Schicksalsgemeinschaft ist nicht über die isolierte Evaluation der Leistung einzelner Hochschullehrer80 alleine, sondern vielmehr durch eine mehrdimensionale, aber nicht überkomplizierte Art der Leistungsevaluation, die dann ex post durch den Dekan kalibriert werden kann, zu erreichen. So könnte eine Bewertung als gewichteter Mittelwert über quantitative und qualitative Aspekte wie z. B. - Self Assessment, - externe Evaluation der eigenen Leistung, - - Befragung bzw. Evaluation durch Peers, - Befragung bzw. Evaluation durch Absolventen nach 3 Jahren, Zielerreichungsgrad entsprechend der revolvierend definierten bzw. ausgehandelten individuellen Ziele durch den Dekan, 77 Vgl. bspw. Schreyögg, G. (1984), S. 36ff. Vgl. These 10. 79 Osterwalder berichtet von dem bereits erprobten Instrument der Nichtwiederwahl an der ETH Zürich. Vgl. Osterwalder, K., in: Melzer. A., Casper. G. (Hg., 2001), S. 83-95. 80 Diese könnte bspw. über die Bewertung mittels externer Professoren, die bereits einen Ruf an die entsprechende Universität erhalten, aber abgelehnt haben, erfolgen. 78 137 - Bewertung der Leistung des betreuten wissenschaftlichen Nachwuchses durch den Fachbereichsvorgesetzten, - Bewertung der gesamten Fakultätsentwicklungsleistung von oder durch Präsident und Dekan, entsprechende Koppelung an die Ressourcenverteilung bzw. finanzielle Zuweisung über z. B. Untersuchungen über Studienverläufe, Jobsituationen, etc. erfolgen. Eine solche Bewertung und darauf aufbauende Anreiz- und Sanktionsmechanismen, monetäre sowie nicht-monetäre81 könnten, wenn individuell sinnvoll eingesetzt, latente Principal-Agent-Probleme82 insofern einschränken, als dass eine längerfristige Zielkongruenz zwischen einzelnen Hochschullehrern und der Universität als Ganzem entsprechend ihrer strategischen Ausrichtung zumindest teilweise geschaffen würde.83 Kasten 5: Abbildung von Anreizmechanismen in der Vergütung von Sozietäten Obwohl bei einem führenden HR- Beratungsunternehmen keine internen Aufzeichnungen über die von den einzelnen Partnern erwirtschafteten Honorarumsätze geführt werden, besitzen die Kollegen ein sehr genaues Gespür dafür, wie viel jeder Einzelne für den Erfolg des Ganzen beiträgt. Das System wird getragen von sozialer Kontrolle, informal peer pressure und der Überzeigung, dass Transparenz und Kollegialität Free-Riding von einzelnen verhindert. Gleichwohl wurden in naher Vergangenheit [...] Meßsysteme implementiert, die die Produktivität des einzelnen Büros aufzeichnen. [...] Partner, deren Leistungen längere Zeit hinter den Erwartungen zurückbleiben, müssen mit der Befassung des Board of Directors und eventuell mit einer daraus folgenden Kürzung ihrer anrechenbaren Partnerschaftsjahre rechnen. Partner erhalten ein festes Basiseinkommen und einen bestimmten Prozentsatz des Gesamtprofites entsprechend der folgenden Systematik: Vom gesamten Profit, der jedes Jahr an die Partnerschaft ausgeschüttet wird, werden 60 Prozent in gleichen Teilen an die Partner verteilt, während 40 Prozent nach Seniorität ausgezahlt werden. Zudem wäre es möglich, über einen Lock-step-approach Leistungsträger langfristig und zielkonform an die Universität zu binden84. Incentives könnten neben der Leistung in einer bestimmten Periode noch zusätzlich an die Zugehörigkeit zum Fachbereich gekoppelt sein, um so die Verlängerung eines bestehenden Vertrages für 81 Gerade die Wertschätzung der eigenen Leistung durch Kollegen oder Mitarbeiter kann in dieser Schicksalsgemeinschaft einen starken Motivator darstellen. 82 In einer Principal-Agent-Beziehung hängt typischerweise der Nutzen bzw. Output des einen Akteurs (Principal – hier die Stakeholder der Universität) von den Handlungen eines anderen (Agent – hier die Professoren) ab. Durch Unsicherheit, asymmetrisch verteilte Information und Opportunismus birgt diese Konstellation besondere Risiken für den Principal, welche dieser unter Aufwendung von sogenannten Transaktionskosten zu verringern sucht. Vgl. hierzu grundlegend Thiel, M. (1994) sowie die dort angegebene Literatur. 83 Vgl. hierzu auch Maister, D. H. (1997), S. 88ff. Für eine theoretische, institutionenökonomisch geprägte Darstellung der Problematik sowie empirische Befunde für mögliche Anreizvariablen vgl. stellv. Küpper, H.-U. (1998). 84 Vgl. Kasten 5 138 Leistungsträger im Vergleich zur ständigen Neubewerbung an anderen Instituten attraktiver zu gestalten.85 Ad V: Leistungsgerechte Bezahlung ist darüber hinaus im gesamten administrativen Bereich der Hochschule einzuführen. Hierbei hat sich in der Privatwirtschaft über alle Ebenen hinweg die Teilung des Gehaltes in einen fixen, 80-90 % der Gesamtbezüge, und in einen variablen Anteil, 10-20 %, bewährt. Der Leistungsbonus ist an das jeweilige Stellenprofil gekoppelt und setzt entsprechend ein detailliertes Leistungsbeurteilungsverfahren voraus. Dieses bildet gleichermaßen die Grundlage für die Vereinbarung von Personalentwicklungsmaßnahmen. Leistungsbeurteilung und entsprechender Leistungsbonus sind dem Mitarbeiter in einem turnusmäßig stattfindenden Gespräch zu kommunizieren und zu besprechen. Erste Schritte in diese Richtung haben deutsche Privatuniversitäten schon für einige ausgewählte Positionen unternommen. Auch an ausländischen Hochschulen, z. B. ETH Zürich, wird ganzheitlich über leistungsgerechte Anreizstrukturen nachgedacht. Projekte zur Konzeption und Umsetzungsvorbereitung sind bereits initiiert. Für die Universität der Zukunft sind solche Anreizstrukturen keine Revolution sondern integraler Bestandteil ihrer Leistungskultur. These 10: Erst ein transparentes Leistungsmanagement schafft die zur Entstehung eines attraktiven Personalmarktes auf dem Hochschulsektor notwendige Bewegung. Die für Professoren und Verwaltung vorherrschenden Anstellungsverhältnisse als Beamte bzw. im öffentlichen Dienst gehen heute von einer Beschäftigung bis zum Renten- bzw. Pensionsalter aus. Durch die erschwerte Trennung von Mitarbeitern und fast unzumutbar erschwerte Sanktionsmöglichkeiten wird Leistungsmanagement, wenn überhaupt durch interne Versetzung betrieben. Unbeschadet einer Beurteilung dieser Vorgehensweise verhindert sie das Entstehen eines dringend benötigten Marktes für Fach- und Führungskräfte auf dem Hochschulsektor. Dieser würde zum Vorteil von Hochschule und Beschäftigten ermöglichen, einerseits geeignete Mitarbeiter extern zu gewinnen, gleichzeitig aber könnten bei stark verflachten Hierarchien Mitarbeiter durch den Wechsel von einer kleineren zu einer größeren Hochschule systematisch ihre Fähigkeiten erweitern, um ihre persönliche Entwicklung zu beschleunigen86. Ad P: Zur Vermeidung von Intransparenz oder unangemessenen Erwartungen sollten grundsätzlich auf der Ebene der Professoren nur noch zeitlich befristete Verträge vergeben werden. Dies entspricht dem Vorgehen bei der Anstellung von 85 Grundsätzlich werden solche Incentives meist aus einem Profit-Pool gespeist. Ein gewisser Teil des Gewinns wird direkt an die Berechtigten z. B. innerhalb der Fakultät in verschiedener Form, teilweise zeitversetzt, ausgeschüttet. Der Rest wird an die Zentrale abgeführt und für die Verfolgung von für die Gesamtunternehmung wichtigen Vorhaben und Investitionen sowie zur Glättung der Incentives, beispielsweise zur Zahlung eines neuen Partners im ersten Jahr aus den Mitteln der Zentrale, verwandt. Für das angeführte Beispiel vgl. Müller-Stewens, G./Drolshammer, J./Kriegmeier, J. (Hg., 1999), insb. S. 109. 86 Vgl. These 8. 139 Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern in der freien Wirtschaft, wo eine Periode von fünf Jahren üblich ist. Dadurch wird eine problemlose Trennung ermöglicht, wenn die von der Hochschule erwarteten Leistungen nicht erbracht wurden. Ad W: Für wissenschaftliche Mitarbeiter bietet sich eine derartige Sollbruchstelle, ggf. mit anderer Periode, zumindest für die Stellenbeschreibungen an, die auf die Qualifikation zum Professor gerichtet sind. Hier ist ein sinnvoller Kontrollpunkt im Rahmen der Personalentwicklung ohnehin ein Gebot der Fairness. Er kann, z. B. im Rahmen des erwähnten Tenure Track mit dem zeitgerechten Erreichen einer bestimmten Qualifikation bzw. Beförderung zusammengelegt werden. Eine Verlängerung über zwei Perioden hinaus, die dann auch jeweils sechs Jahre lang sein können, sollte durch einen dann anstehenden Ruf nicht notwendig werden. Umgekehrt können gerade im Rahmen der Vertragsverlängerung während der Verlängerungsperiode Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden, die auf einen Wechsel in die freie Wirtschaft vorbereiten, falls die Fortsetzung einer universitären Laufbahn unwahrscheinlich wird. Ad V: Diese Gedanken sind grundsätzlich auf die Verwaltung übertragbar, wenn auch die Überführung der Vertragsverhältnisse aus dem Beamten- bzw. öffentlichen Arbeitsverhältnis in verlängerbare Verträge, soweit möglich, eine gewisse Zeit beanspruchen wird. Um eine gezielte Trennung von Mitarbeitern zu ermöglichen, muss die Universität der Zukunft im Rahmen ihrer Finanzplanung eine entsprechende Vorsorge für entstehende Versorgungsansprüche aus den Verweilzeiten der einzelnen Beschäftigten treffen. Die Übertragbarkeit von Ansprüchen aus verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen wurde in These 2 bereits behandelt. Die Finanzierung von angemessenen Maßnahmepaketen im Rahmen eines erwünschten Beschäftigungswechsels ist auch Maßstab der Attraktivität der Universität für Mitarbeiter, mit denen die dann freiwerdenden Stellen besetzt werden sollen. 140 Kasten 6: Vertragsbeendigung und outplacement Gezielte Trennung von Mitarbeitern auf der Basis abnehmender Überlappung von persönlicher Entwicklung und Anforderungsprofil des Unternehmens gehört im Bereich von Beratungsdienstleistungen zur täglichen Praxis. In Top-Strategieberatungen unterstützt das Unternehmen entweder im Rahmen seiner Kundenbeziehungen oder über eigene Dienstleister das outplacement aktiv. Dabei werden mehrere Ziele gleichzeitig erreicht: - Das Unternehmen sichert sich gegen den Leistungsabfall durch Fehlbeförderung und divergierende Personalentwicklung ab. - Der in der Regel gut ausgebildete und leistungswillige Ehemalige wechselt in eine herausgehobene Position eines Wirtschaftsunternehmens, das eine andere Entwicklungsperspektive bietet, Sprungbrett. - Das Unternehmen baut so ein langfristiges stabiles Netzwerk von potenziellen Kunden und Förderern auf, das von unschätzbarem Wert für die weitere Entwicklung ist. Investmentbanken tendieren dagegen dazu, Übergänge durch ein großzügiges Abfindungspaket zu regeln, das dem Mitarbeiter je nach aktueller konjunktureller Lage, Beschäftigungsdauer etc. erlaubt, über längere Zeit sorgenfrei zu leben und sich dabei z. B. im Rahmen eines Aufbaustudiums oder eines sabbaticals neu zu orientieren, um danach eine neue Aufgabe außerhalb der Bank zu übernehmen. Abschließend muss festgehalten werden, dass im Fall von mangelnder Leistung oder fehlender Übereinstimmung der Profile von Beschäftigten und Universität bzw. Fakultät nur eine konsequent nachgehaltene Personalfreisetzung der Universität die Freiheit gibt, ihre Strategie aktiv und konsequent auszufüllen. Der Verzicht auf dieses Instrument des Personalmanagements richtet dagegen durch die negative Signalwirkung auf motivierte Mitarbeiter nicht unerheblichen Schaden an. Dadurch wird außerdem verhindert, dass der dringend benötigte Markt für Fach- und Führungskräfte im universitären Bereich anhand von hinreichender Nachfrage zeitnah die lange benötigte Dynamik entwickelt und so zum Motor einer Umgestaltung des Personalmanagements in Richtung auf eine Universität der Zukunft wird. 141 B.4. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Bereich Personalmanagement einer der zentralen strategischen Erfolgsfaktoren für Hochleistungsorganisationen wie Universitäten ist. Die in der Vergangenheit für jegliche Art der Veränderung hemmend wirkenden externen Rahmenbedingen sind vom Gesetzgeber angepasst worden und erlauben nun eine Vielzahl von erfolgsversprechenden Initiativen. Diese können an verschiedenen Stellen bereits beobachtet werden. Allerdings wurde durch die Beibehaltung der Anwendbarkeit verschiedener gesetzlicher Regelungen, des Beamtentums und des BAT die Abschaffung des größten Stolpersteins zur Professionalisierung des Personalbereichs an den Hochschulen weiterhin ausgespart. Hier besteht Handlungsbedarf. Auf Ebene der Hochschulen ist es analog zu Unternehmen in der freien Wirtschaft weder wünschenswert noch möglich eine ideale University out of the box zu entwerfen. Dennoch lassen sich einige grundsätzliche Aussagen treffen. Erst eine sinnvoll ausgestaltete Corporate Governance ermöglicht erst ein professionelles Personalmanagement an Hochschulen. Die Zusammenführung von Handeln und Haften bspw. in Form eines Vorstandsmodells könnte ein vielversprechender Ansatz zur Schaffung günstiger institutioneller Rahmenbedingungen sein. Wettbewerb nicht nur zwischen den einzelnen Hochschulen, sondern auch innerhalb dieser kann zusätzlich durch die Einführung von Globalbudgets zu einer Verstärkung der Leistungsorientierung führen. Auch auf der Ebene einer universitären Personalwertschöpfungskette lassen sich einige allgemeine Handlungsempfehlungen ableiten: - Bei der Personalrekrutierung ist nicht primär eine Definition von Anforderungskriterien wichtig, sondern wer aus welcher Motivation die Entscheidungen trifft und sie daher anschließend auch verantwortet. Basisdemokratie stellt hier kein geeignetes Verfahren dar. - Personalentwicklung findet an deutschen Hochschulen de facto nicht oder kaum statt. Es gilt individuell mögliche Karrierepfade für Professoren zu erarbeiten, die ein lebenslanges Lernen und eine Veränderung der Rollen ermöglichen. Die direkte Abhängigkeit des wissenschaftlichen Mittelbaus sollte von der Ebene der Professoren bzw. Lehrstühle auf Ebene des Fachbereichs verlagert werden. Der Wandel von einer reinen Personaladministration zu einer Personalentwicklung hat in Abhängigkeit der strategischen Ausrichtung, Archetypen, der Universität zu erfolgen. - Die Schaffung finanzieller Anreize stellt zwar nur einen Hygienefaktor dar, sollte aber dennoch ermöglicht werden. Eine auf eine mehrdimensionale Qualitätsmessung beruhende Incentivierung der Professoren kann zudem über Ressourcenzuweisung erfolgen. Kritisch in diesem Zusammenhang ist die Schaffung einer Schicksalsgemeinschaft Fachbereich. 142 Grundsätzlich lässt sich auch für den Bereich der Hochschuladministration anführen, dass weniger die konkrete organisatorische Ausgestaltung, sondern vielmehr das Selbst- und Fremdverständnis entscheidend für den Erfolg sein muss: Vom staatlich alimentierten und administrierten Verwaltungsapparat hin zum Dienstleister für die Hochleistungsorganisation. B.5. Ausblick: Es gibt kein Ideendefizit, sondern ein massives Umsetzungsdefizit Zum Thema Universität der Zukunft und deren Ausgestaltung existiert heute bereits eine Vielzahl von Analysen, Kommentaren und Studien. Bei der Herbeiführung grundlegender Änderungen liegt mit Ausnahme der finanziellen Belastungen bei der Umstellung der Beamtenverhältnisse weniger ein intellektuelles Problem vor, es geht nicht um das Können sondern um das Wollen.87 Vor einem konkreten Vorschlag zur Anpassung der Organisationsstrukturen und – prozesse müssen politische und finanzielle Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen weitgehenden Transformationsprozess unterstützen, wenn die Universitäten ein erfolgreiches Modell im öffentlichen System bleiben wollen. Dazu gehören unter anderem (i) ein Verzicht auf einen absoluten, bundesweiten Gleichbehandlungsanspruch der Universitäten untereinander, der auf dem Klageweg durchgesetzt, den Veränderungsprozess auf Jahre lähmen kann, (ii) ein aktiver, auf Grund der mangelnden anfänglichen Größe, das Ausland einbeziehender, Arbeitsmarkt für Spitzenpositionen in der universitären Verwaltung und (iii) die Bereitstellung einer Anschubfinanzierung unabhängig, ob öffentlich oder privat, um den Übergang auf eine nachhaltige Personalwirtschaft und ggf. Beseitigung weiterer Übergangsdefizite zu ermöglichen. Für einen sinnvollen, konkreten Vorschlag, wie das Vorgehen bei der Anpassung der Organisationsstrukturen und -prozesse gestaltet werden sollte, werden in der betriebswirtschaftlichen Forschung verschiedene, teilweise diametrale Ansätze diskutiert.88 An dieser Stelle gilt es pro Universität die möglichen Dimensionen wie rationalanalytisch, politisch, emotional etc. eines strategischen Change Managements zu untersuchen und gewichten, um entsprechende geeignete Maßnahmen ableiten zu können. Tendenziell kann die Vermutung geäußert werden, dass an reinen Forschungsuniversitäten eher weniger mit retardierenden Kräften zu rechnen ist als an Lehruniversitäten. 87 Turner macht in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Interessengruppen aufmerksam, die zu diesem Reformstau beitragen. Vgl. Turner, G. (2001). 88 Während die Vertreter eines Evolutionsansatzes die Gefahr eines Muddling Through in Kauf nehmen, versprechen klassische Restrukturierungen im Sinne von sog. Umbruchmodellen zwar meist deutlichere Hebelwirkungen, diese treten in Folge organisatorischer Trägheitsmomente allerdings nicht immer erfolgreich und teilweise erst recht langsam ein. Vgl. bspw. Greiner, L. (1998) Haiss, P. (1996) sowie in ähnlichem Zusammenhang Ghemawat, P. (1991). 143 Eine Standardlösung kann und wird es jedoch weder bezüglich der Ausgestaltung noch bezüglich der Implementierung geben. Ein in der freien Wirtschaft denkbares, erfolgreiches Pilotprojekt, das auf breiter Front Nachahmer findet, tritt hier aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen zurück. Dagegen wird eine gemeinsame Anstrengung aller reformwilligen Kräfte, die die grundsätzliche Bedeutung des Humankapitals für die Überwindung der finanziellen und intellektuellen Reformbarrieren verstehen, der entscheidende Schritt für die Universität der Zukunft sein. 144 Universität der Zukunft Anhang C Die Balanced Scorecard als strategisches Wissensmanagement- und Steuerungsinstrument Autoren: Dr. Kathrin Möslein, Technische Universität München Ingo Deking, Technische Universität München 145 146 VIII. Anhang C: Die Balanced Scorecard als strategisches Wissensmanagement- und Steuerungsinstrument C.1. Wissensmanagement und Steuerung in der Universität: Skizzierung der aktuellen Ausgangssituation Universitäten sind Wissensorganisationen par excellence. Wissen ist ihre Ressource, Wissen ist ihr Produkt. Ihre Produktionsprozesse sind Prozesse der Wissensgenerierung, -beschaffung und -fortentwicklung, der Wissensverteilung und Wissensvermittlung, der Speicherung und des Transfers von Wissen sowie seiner Anwendung. Der Umgang mit Wissen ist für Universitäten folglich weder neu noch ungewohnt. Im Gegenteil: Der Umgang mit Wissen ist gerade die Kernkompetenz der Institution Universität und ihrer Mitglieder. Über den Umgang mit Wissen – so steht zu vermuten – können Unternehmen auf dem Weg zur Wissensorganisation von Universitäten als Erfahrungsträger in diesem Feld einiges lernen. Dennoch scheint es geboten, den Themenkomplex des Wissensmanagements für die Universität der Zukunft ins Blickfeld zu nehmen. Denn es mangelt Universitäten zwar nicht an Erfahrung, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Wissen, ein Management des Wissens in Universitäten findet bislang bestenfalls rudimentär statt. Der vorliegende Themenkomplex setzt sich daher mit der Frage auseinander, wie das Management des Wissens in der Universität der Zukunft konzipiert werden kann, welche Rolle ihm zukommt und welche Potenziale es eröffnet. Hierzu sind zunächst die Spezifika der Universität als Wissensorganisation herauszustellen und der Rahmen abzustecken, der die Reichweite, Dimensionen und Handlungsfelder des strategischen Wissensmanagements für die Universität der Zukunft deutlich macht. Spezifika der Universität: Universitätsprozesse Universitäten sind spezifische Organisationen, die im Folgenden prozessorientiert betrachtet werden.89 Eine solche prozessorientierte Betrachtung lenkt den Blick unmittelbar auf die zentralen Aufgabenfelder der Universität: die beiden universitären Hauptprozesse Forschung sowie Studium bzw. Lehre einerseits und die Serviceprozesse der Universitätsadministration sowie Infrastrukturgestaltung andererseits. Die Darstellung folgt in Abbildung 1: Universitätsprozesse Hauptprozesse: Forschung Serviceprozesse: Administration / Infrastrukturgestaltung Studium/Lehre Abb. 1: Prozessbetrachtung der Universität90 89 90 Vgl. Küpper, H.-U./Sinz, E. (Hg., 1998). Vgl. Küpper, H.-U./Sinz, E. (Hg.,1998). 147 Was bedeutet Wissensmanagement in diesem Kontext? Wissensmanagement befasst sich mit der Entwicklung, Gestaltung und Lenkung der organisationalen Wissensbasis. Anders ausgedrückt beinhaltet das organisationale Wissensmanagement die klassischen Managementfunktionen der Planung, Organisation, Führung, Kontrolle und des Wandels. Es kann ebenfalls als Prozess aufgefasst werden, der sich aus unterschiedlichen Phasen zusammensetzt und von der Wissensidentifizierung über die Wissensstrukturierung bis hin zum Wissensabbau reicht und ggf. um Regelungen für Wissenszugang, -pflege und -schutz ergänzt wird.91 Strategisches Wissensmanagement setzt unmittelbar an der Strategie der Hochschule an. Die Universitätsstrategie bildet damit den grundlegenden Ansatz- und Ausgangspunkt für das strategische Wissensmanagement. Seine Aufgaben umfassen entsprechend der Zusammenfassung in Abbildung 2: • die Gestaltung der Kompetenzen der Universität und ihrer Mitglieder, • die Gestaltung der internen Strukturen der Universität sowie • die Gestaltung der externen Strukturen zwischen der Universität und ihren Stakeholdern. Entwicklung und Nutzung des 1 Humankapitals 2 • für die „Forschung“ Forschung • für Studium „Studium&&Lehre Lehre“ • für die „Administration“ Administration Gestaltung der internen Struktur 3 Gestaltung der externen Struktur • für die „Forschung“ Forschung • für Studium „Studium&&Lehre Lehre“ • für die „Administration“ Administration • für die „Forschung“ Forschung • für Studium „Studium&&Lehre Lehre“ • für die „Administration“ Administration Abb. 2: Stufenkonzept des Wissensmanagements92 Damit wird die konkrete Aufgabe in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt, für deren Bewältigung die entsprechenden Kompetenzen zu suchen und entsprechende Strukturen zu gestalten sind. Für Universitäten lässt sich diese Aufgabe über die bereits identifizierten Prozesse Forschung, Studium oder Lehre und Administration konkretisieren. Abbildung 2 verdeutlicht das Stufenkonzept des Wissensmanagements. 91 92 Vgl. z. B. Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (1997). Vgl. Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R. (2001) und Picot, A./Scheuble, S. (1999). 148 • Auf der Ebene der Gestaltung der Kompetenzen, Stufe 1, geht es um die Identifizierung, Entwicklung, Nutzung und Pflege des Humankapitals der Universität sowie insbesondere um den Aufbau internen Wissens durch Interaktion und Qualifikation. • Im Rahmen der Gestaltung der internen Strukturen, Stufe 2, sind Infrastrukturen und Regeln zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe das notwendige Wissen identifiziert, repräsentiert, kommuniziert und transferiert werden kann. • Bei der Gestaltung der externen Wissensstrukturen, Stufe 3, ist vor dem Hintergrund der zugrundeliegenden Aufgaben und der vorhandenen Kompetenzen zu überlegen, welche Vernetzungen mit externen Wissensquellen aufzubauen und zu pflegen sind, wie die externen Wissensquellen optimal einbezogen werden können und wie der Austausch zu gestalten ist. Theoretisches W issen Praktisches W issen Kollektives W issen Individuelles W issen Kontext Gegenstand Theoretisches W issen eines Individuums, das leicht transferiert werden kann. Transferierbares Nicht W issen W issen Transferierbarkeit Abb. 3: Systematisierung von Wissen93 Abbildung 3 systematisiert Wissen in seinen grundsätzlichen Ausprägungsformen. Dieser Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Wissensformen ist bei der Gestaltung des Wissensmanagements Rechnung zu tragen. Immer hängt die konkrete Gestaltung dabei letztlich davon ab, ob tazites bzw. implizites oder explizites Wissen im Vordergrund steht. Fazit: Wissen als zentraler Produktionsfaktor lässt sich managen. Ziel des Wissensmanagements ist es, die Wissensflüsse einer Organisation aufgabengerecht zu gestalten. Durch seine Verankerung im organisatorischen Kontext befindet sich das Wissensmanagement zugleich in einem Spannungsfeld zwischen Koordination und 93 Vgl. Scheuble, S. (1998), S. 10. 149 Motivation.94 Koordinations- und Motivationsmaßnahmen determinieren in hohem Maße das Können und Wollen der Mitarbeiter, die als Träger von Wissen in der Universität fungieren. In diesem Sinne ist es eine wichtige Aufgabe der Führung, einen geeigneten Koordinations- und Motivationsrahmen zu schaffen. Nur so kann organisationales Wissensmanagement gelingen. Einführend wurde bislang das Gestaltungsfeld des Wissensmanagements für Universitäten in seiner gesamten Breite aufgespannt. Die vorliegende Studie zielt jedoch auf den Entwurf eines konkreten Bildes der Universität der Zukunft und die Generierung umsetzungsorientierter Handlungsempfehlungen für Universitäten, die diesen Zukunftspfad beschreiten möchten. Die Untersuchung zum Wissensmanagement im Hinblick auf diese Zielsetzung zuzuschneiden, verlangt daher eine klare Fokussierung. In der Konsequenz kann nur ein Ausschnitt des Gesamtkomplexes behandelt werden. Die aufgespannte Gesamtsicht sowie weiterführende Quellenangaben werden dabei helfen, das Gesamtbild im Auge zu behalten. Abbildung 4 zeigt die Grundlogik des Themenkomplexes. Der Fokus wird dabei auf ein Wissensmanagement gerichtet, welches auf die Strategie der Universität abzustimmen ist und sich praxisorientiert aus den Strategieentscheiden der Hochschule in Bezug auf die Profilbildung der Universität ableitet. Letztlich geht es also um die Förderung der Attraktivität der Hochschule bei einer klaren Positionierung im Portfolio grundsätzlicher Universitätstypen und um die Unterstützung der Produktion vermarktbarer Ergebnisse in Forschung und Lehre95. Der Blick richtet sich damit im Folgenden primär auf die universitären Hauptprozesse. Ausgangspunkt: Strategie der Universität Profilbildung Ableitung der W issensstrategie Forschung Lehre Steuerung des Wandels mittels Balanced Scorecard Abb. 4: Fokussierung des Themenkomplexes 94 95 Vgl. Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R. (2001). Vgl. Möslein, K./Piller, F. (2002) sowie Piller, F./Möslein, K. (2002, 2002a). 150 Strategisches Wissensmanagement: Werkzeug wettbewerbsstrategischer Positionierung Strategisches Wissensmanagement als Werkzeug wettbewerbsstrategischer Positionierung der Universität setzt also, wie Abbildung 4 zeigt, an der Strategie der Hochschule an. In Deutschland hat die explizite und regelmäßige Formulierung von Strategiepapieren in Universitäten im Unterschied zur Wirtschaft und Politik keine ausgeprägte Tradition. Mit der Vorlage von Hochschulentwicklungsplänen wurde dieser Weg in den letzten Jahren jedoch bereits konsequent eingeschlagen. Hochschulentwicklungspläne geben Auskunft über die strategischen Entwicklungsziele einer Hochschule in kurz-, mittel- und langfristiger Projektion, sie legen i. d. R. Maßnahmen fest, die zur Zielerreichung in Angriff zu nehmen sind und sollten Kriterien fixieren, mit Hilfe derer die Zielerreichung zu überwachen ist. Obwohl heutige Hochschulentwicklungspläne nicht immer die vollständige Trilogie aus Zieldefinition, Maßnahmengenerierung und Festlegung von Bewertungskriterien zur Zielerreichung umfassen, können aus ihnen dennoch bereits heute wertvolle Erkenntnisse für eine geeignete Schwerpunktsetzung im Bereich des Wissensmanagements gewonnen werden. Für die vorliegende Untersuchung mit der Basisannahme wettbewerbsstrategisch agierender Hochschulen kann noch einen Schritt weiter gegangen werden. Es kann angenommen werden, dass Ziele, Maßnahmen und Evaluierungskriterien der Hochschulentwicklung in ihren Grundzügen fixiert sind. Sie bilden einen grundlegenden Ansatz- und Ausgangspunkt für das strategische Wissensmanagement. Da sie darüber hinaus bereits Konkretisierung im Bezug auf die Profilbildung der Hochschule erfahren haben, bilden sie eine solide Grundlage auf der die Entwicklung einer Wissensstrategie aufbauen kann. Für die Entwicklung der Wissensstrategie gilt dieselbe Trilogieforderung, die an jeden Strategieprozess zu stellen ist96. Es sind • die strategischen Entwicklungsziele, • die konkreten Maßnahmen zur Zielerreichung sowie • die Evaluierungskriterien der Zielverfolgung. In Bezug auf das Wissensmanagement in der Universität der Zukunft festzulegen. Dies ist eine weitreichende Forderung, deren Implikationen deutlich herausgestellt werden müssen: Bei der Entwicklung und Umsetzung einer Wissensstrategie für die Universität der Zukunft geht es nicht in erster Linie um die Implementierung der zahlreichen, meist technologiegetriebenen Bausteine des Wissensmanagements, die heute die Diskussion um das Wissensmanagement in Theorie und Praxis häufig dominieren: Wissensportale und Internetmarktplätze, Datenstrukturen für Problemlösungen und Datenbanken für Projekte und Produkte, Recherchetools und BrokerPlattformen, Content-Managementsysteme und einheitliche Taxonomien für Wissensobjekte. Ebenso wenig geht es um Einzelmaßnahmen im Bereich personenorientierter Bausteine des Wissensmanagements wie die Einrichtung von Expertenzirkeln und interdisziplinären Teams, die Erprobung neuer Lehr- und Lernformen, die Ernennung von Knowledge Officern und Knowledge Managern oder 96 Vgl. Reichwald, R./Höfer, C./Weichselbaumer, J. (1996). 151 die Durchführung von Peer-Evaluationen. All diese Maßnahmen sind richtig und wichtig – und sie finden sich als Einzelmaßnahmen bereits heute in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung an den meisten Hochschulen. Es geht im Rahmen des strategischen Wissensmanagements vielmehr um die Positionierung der Universität am Markt. Die bestehende Maßnahmenlandschaft ist mit der Wissensstrategie abzugleichen und im Hinblick auf die wissensstrategischen Ziele fortzuentwickeln; Handlungsrahmen für zukünftige Investitionen. Notwendig ist ein Implementierungskonzept, das die konsequente Umsetzung einer universitären Wissensstrategie unterstützt und ihre inkrementelle Fortentwicklung sicherstellt. C.2. Wettbewerbsfähigkeit durch Wissensmanagement: Die Rolle der Balanced Scorecard Versteht man strategisches Wissensmanagement als Werkzeug wettbewerbsstrategischer Positionierung der Universität, so geht es im Kern darum, die universitären Informations-, Kommunikations- und Wissensstrukturen in einer Weise zu gestalten, die die Umsetzung der gewählten Wettbewerbsstrategie der Hochschule effektiv und effizient unterstützt. Gesucht ist also ein Konzept der Strategieimplementierung, das den Fokus auf Information, Kommunikation und Wissen setzt. Deswegen soll hier mit der Balanced Scorecard ein mögliches Instrument diskutiert werden, das diesen Anforderungen entspricht. Die Grundidee der Balanced Scorecard Kaum ein anderes Managementinstrument hat in den letzten 10 Jahren so viel Aufmerksamkeit und Anwendung in Theorie und Praxis gefunden wie die Balanced Scorecard.97 Sie ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes, das Anfang der neunziger Jahre mit zwölf US-amerikanischen Unternehmen durchgeführt wurde98, mit dem Ziel, ein innovatives Konzept zur Unternehmenssteuerung zu entwerfen, das die Probleme vieler traditioneller Strategie- und Steuerungsmethoden beheben soll.99 Kaplan und Norton haben vier spezifische Hindernisse für die Strategieumsetzung identifiziert: • „Es ist schwierig, konkrete Steuerungsgrößen für die Strategie zu definieren. • Die Zielvorgaben und Incentives einzelner Mitarbeiter sind schwer mit den Strategien zu verknüpfen. • Zwischen der Strategie und der operativen Planung besteht keine Verbindung. • Es finden nur operative Ergebniskontrollen und keine strategischen Kontrollen statt.“ 100 97 Das Konzept der Balanced Scorecard wurde von dem Harvard Business School Professor Robert Kaplan und von David Norton, dem Chief Executive Officer des Nolan Norton Institute, einem Forschungsinstitut der Unternehmensberatung KPMG, entwickelt und im Jahre 1992 erstmals vorgestellt. Vgl. Kaplan, R./Norton, D. (1992) und Wurl, H.-J./Mayer, J. (2000). 98 Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (1998) und Kaplan, R. (1998). 99 Vgl. Steinle, C./Henning, T./Lange, M. (2001), S. 29 und Kapitel 4.1. 100 Kaplan, R./ Norton, D. (1997), S. 193. 152 Aus diesen Schwächen ist das Konzept der Balanced Scorecard101, mit der Idee, eine verständliche Transformation der Strategie und der Vision eines Unternehmens in ein geschlossenes Bündel qualitativer und quantitativer Zielsetzungen und Kennzahlen zu erreichen, entstanden.102 Der Ausgangspunkt ist folglich eine klare und verständliche Vision und Strategie. Dies wird in konkrete strategische Einzelziele übersetzt, für die anschließend Maßgrößen und Zielwerte auf der Basis von Ursache-Wirkungsketten definiert werden.103 Dadurch werden kausale Wirkungszusammenhänge zwischen der finanziellen Ebene und ihren vorlaufenden Leistungstreibern abgebildet.104 Dieses Vorgehen erstellt ein Modell der Organisation, das die relevanten Ziele für die strategischen Aspekte und damit deren Kennzahlen erfasst. Das Denken in Ursache-Wirkungsketten trägt nicht nur dazu bei, dass die Modelle im Team diskutiert und kritisch hinterfragt werden, sondern es hat gleichzeitig den Effekt, dass sonst verschlossenes, implizites Wissen preisgegeben wird.105 Parallel hilft diese Betrachtungsweise konkrete Sachverhalte zu erkennen und dadurch die Komplexität signifikant zu reduzieren.106 Überwacht wird die Umsetzung der Strategie durch verschiedene erfolgskritische Steuerungsgrößen, die Key Performance Indicators. Kontinuierliches Messen der Zielerreichung setzt einen Feedbackzyklus107 in Gang, der letztendlich die Strategie in den Organisationen verbindlich verankert und immer wieder neu ausrichtet.108 Anders als bei den bisherigen Methoden erfolgt durch dieses Double-loop-Learning109 eine Rückkopplung nicht nur auf der operativen Ebene, sondern auch auf der strategischen Ebene, die für das Verankern und letztendlich für den strategischen Lernprozess verantwortlich ist.110 Die Entwicklung einer Balanced Scorecard ist demnach kein einmaliger Prozess. Eine einmal festgelegte Scorecard soll laufend hinterfragt und, gegebenenfalls, neu ausgerichtet werden. Dadurch wird sichergestellt, dass veränderte Umweltbedingungen berücksichtigt werden und sich die Organisation im Sinne einer lernenden Organisation fortentwickelt. 101 Vgl. Deking, I. (2002). Vgl. Steinle, C./Henning, T./Lange, M. (2001), S. 29. 103 Vgl. Seidenschwarz, W. (1999), S. 252. 104 Vgl. Wurl, H.-J./Mayer, J. (2000), S. 5. 105 Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (1998), S. 10. 106 Vgl. ebenda, S. 15. 107 Vgl. Abbildung 5. 108 Vgl. Seidenschwarz, W. (1999), S. 253. 109 Vgl. Norton, D./Kappler, F. (2000), S. 21 und grundlegend zum Double-Loop-Learning auch Argyris, C./Schön, D. A. (1978). 110 Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (1998), S. 5. 102 153 Translate the Strategy Rationalize & Align the Organization FORMULATE Comprehensive Communication to Create Awareness COMMUNICATE Testing Hypotheses, Adapting & Learning Executive Teams Manage Strategic Themes NAVIGATE Strategic Feedback Encourages Learnimg Align Goals & Incentives EXECUTE Align Resources & Initiatives Create Knowledge Networks Abb. 5: Strategischer Managementprozess der Balanced Scorecard111 Der Prozess von der Strategieentwicklung bis hin zur Ableitung der Steuerungsgrößen, dem Fassbarmachen der Strategie, muss vom Management initiiert und von den Mitarbeitern der Organisation verstanden und unterstützt werden. Die Kommunikation innerhalb eines Unternehmens, die zu einem gemeinsamen Strategieverständnis führen soll, ist somit ein wichtiger Punkt bei der Einführung der Balanced Scorecard.112 Eine Organisation sollte dabei verschiedene Kommunikationskanäle wählen, damit sichergestellt ist, dass jeder einzelne Mitarbeiter erreicht wird, Feedbackmöglichkeiten bekommt und größtmögliche Transparenz erreicht wird.113 Die Balanced Scorecard ist dabei ein hilfreiches Kommunikationsinstrument sowohl für die Strategie als auch für die Prozesse und Systeme für deren Umsetzung. Sie verschafft den Mitarbeitern ein klares Verständnis, wie ihre jeweilige Aufgabe mit den Gesamtzielen der Organisation zusammenhängt. Sie sorgt für eine visuelle Vorstellung der erfolgskritischen Vorgaben und wesentlichen Beziehungen zwischen den Faktoren, die für die betriebliche Leistung wichtig sind. In der Balanced Scorecard wird demnach für den Mitarbeiter deutlich, welche Kenntnisse, Qualifikationen und Systeme gebraucht werden, damit die Organisation innovativ wird und gleichzeitig die richtigen Kapazitäten freisetzen kann, damit marktgerechte Wertangebote gemacht werden können.114 Die Umsetzung der Balanced Scorecard ist kein einmaliger Ansatz, sondern vielmehr ein kontinuierlicher Prozess, ein Managementsystem, das oftmals einen organisationalen Wandel zur Folge hat bzw. ihn gestalten hilft.115 111 Vgl. Norton, D./Kappler, F. (2000), S. 16. Vgl. Seidenschwarz, W. (1999), S. 251. 113 Vgl. Norton, D./Kappler, F. (2000), S. 17. 114 Vgl. Kaplan, R./Norton, D. (2000) und (2001). 115 Vgl. Deking, I. (2003). 112 154 Die Komponenten der Balanced Scorecard Wenn von der Balanced Scorecard gesprochen wird, kann nicht von einem einzigen Instrument, einem Pappkärtchen, einer Software-Lösung oder einem Berichtsblatt gesprochen werden. Es handelt sich vielmehr um einen ganzheitlichen Ansatz, einen Managementprozess mit verschiedenen, stark verbundenen Elementen, die im Folgenden detaillierter vorgestellt werden.116 Der Strategieimplementierungsprozeß Basis der Balanced Scorecard ist der Vorgehensprozess zur Strategieumsetzung, in dem die zentralen Ziele der Balanced Scorecard angestrebt werden:117 • Klärung einer unternehmensweiten Vision und Erarbeitung einer verständlichen, von allen Mitarbeitern getragenen Strategie inklusive Motivation und Kommunikation • Verknüpfung der strategischen Managementebenen mit operativen Handlungsebenen; translating strategy into action • Erarbeitung der wirklichen Leistungstreiber der Organisation und Festelegung ihrer Messbarkeit; what gets measured gets done118 • Vernetzung der Mitarbeiter und strategisches Lernen. Zur Implementierung in der Organisationspraxis sind in der Literatur und auch durch die verschiedenen Beratungshäuser, die sich des Themas angenommen haben, Vorgehenskonzepte ausgearbeitet worden. Exemplarisch soll das Umsetzungsmodell von Horváth herausgegriffen werden.119 Horváth orientiert sich sehr stark an dem originären Konzept von Kaplan und Norton und kann für den deutschsprachigen Raum als wichtigster Vertreter angesehen werden, der auch über seine Beratung zahlreiche Implementierungserfahrungen vorweisen kann. Ist der originäre Ansatz von Kaplan und Norton auf Großunternehmen ausgelegt120, die schon über ausreichende Ressourcen und fundierte Erfahrung im Planungs- und Strategieprozess verfügen, kann der HorváthAnsatz auch leichter bei mittelständischen Organisationen angewendet werden. Das Implementierungsmodell ist hier detaillierter ausgelegt und nimmt in praxisorientierter Weise die vor- und nachgelagerten Prozesse der Balanced Scorecard-Entwicklung mit auf121. Der Kernprozessschritt ist dabei die mittlere Stufe, die eigentliche Balanced Scorecard-Entwicklung, die die Schritte der Visionsklärung, der Strategieableitung, des Aufstellens der Ursache-Wirkungs-Beziehungen, der Messgrößenbestimmung sowie der Aktionsfestlegung umfasst. 116 Vgl. zum Gesamtkonzept der Balanced Scorecard ausführlich Deking, I. (2002). Vgl. ausführlich zu den Kernfunktionen der Balanced Scorecard Seidenschwarz, W. (1999), S. 251ff. 118 Vgl. auch Seidenschwarz, W. (2001), S. 15, der die Balanced Scorecard als potenzielles Instrument zur Steuerung des unternehmerischen Wandels sieht und dies mit „What gets measured gets changed“ zum Ausdruck bringt. 119 Vgl. Horváth & Partner (Hg., 2000), S. 56ff. oder Horváth, P./Gaiser, B. (2000), S. 22ff. 120 Vgl. Friedag, H./Schmidt, W. (2000), S. 94. 121 Vgl. Abbildung 6. 117 155 Strategische Grundlagen klären • Voraussetzungen überprüfen • Strategische Stoßrichtungen festlegen • Balanced Scorecard in Strategieentwicklung integrieren Organisatorischen Rahmen schaffen • Balanced ScorecardArchitektur bestimmen • Projektorganisation festlegen • Projektablauf gestalten • Information, Kommunikation und Partizipation sicherstellen • Methoden und Inhalte standardisieren und kommunizieren • Kritische Erfolgsfaktoren berücksichtigen Eine Balanced Scorecard entwickeln Roll-out managen • Strategische Ziele • Balanced Scorecard ableiten unternehmensweit • Ursache-/ einführen Wirkungsbeziehungen • Balanced Scorecard aufbauen auf nachgelagerte • Meßgrößen Einheiten auswählen herunterbrechen • Zielwerte festlegen • Balanced Scorecards • Strategische Aktionen zwischen den bestimmen Einheiten abstimmen • Qualität sichern und Ergebnisse dokumentieren Kontinuierlichen Balanced ScorecardEinsatz sicherstellen • Balanced Scorecard in Management- und Steuerungssystem integrieren • Balanced Scorecard in das Planungssystem integrieren • Mitarbeiter mit Hilfe der Balanced Scorecard führen • Balanced Scorecard in das Berichtswesen integrieren • Balanced Scorecard mit Shareholder Value verknüpfen • Qualitätsmanagement und Balanced Scorecard abgestimmt einsetzen Abb. 6: Das Implementierungsmodell nach Horváth & Partner122 Nach der Entwicklung der Balanced Scorecard für die Organisationseinheit steht nach dem Horváth-Modell der Roll-out an.123 Neben der praktischen Nutzung, in vielen Fällen auch EDV-gestützt, ist damit die Überführung in weitere Organisationseinheiten gemeint. Dies kann in vertikaler Sicht geschehen, indem die Balanced Scorecard auf nachgelagerte Bereiche heruntergebrochen wird oder auf horizontaler Ebene, bei dem auf gleicher Hierarchiestufe Scorecards eingeführt werden und aufeinander abgestimmt werden. Hier dient die Balanced Scorecard auch als Kommunikationsund Informationsmedium zwischen den Abteilungen. Die letzte Phase bezieht sich auf die Sicherung des langfristigen Einsatzes der Balanced Scorecard. Darunter ist einerseits der regelmäßige Feedback-Prozeß, der das organisationale Lernen unterstützt, und andererseits die Integration mit anderen Management-Systemen im Unternehmen gemeint. Nur wenn die Balanced Scorecard mit z. B. dem Berichtswesen, dem Planungssystem oder den Anreizsystemen verknüpft ist, kann eine unternehmensweite Akzeptanz gewährleistet und Synergien im Unternehmen erzielt werden. Die Dimensionen In den eben beschriebenen Vorgehensmodellen sind schon die wesentlichen Bestandteile des Balanced Scorecard-Konzeptes genannt. Zum Kernstück gehören die Dimensionen und Kennzahlen, mit denen in der Regel die Balanced Scorecard am ehesten assoziiert wird. Das lässt sich bereits aus dem Namen herausfiltern. Mit der Scorecard wird schnell die Verbindung zu einem Scoring-Modell oder Kennzahlensystem hergestellt. Durch die ausgewogene Betrachtung über vier statt der traditionell nur eine Ebene umfassende finanzielle Dimension der Erfolgsmessung 122 123 In Anlehnung an Horváth & Partner (Hg., 2000), S. 56 und Friedag, H./Schmidt, W. (2000), S. 95. Vgl. Horváth & Partner (Hg., 2000), S. 63ff. 156 wird die Scorecard balanced. Diese ganzheitliche Sichtweise ist sicherlich einer der wichtigsten Pluspunkte der Balanced Scorecard. Innerhalb des Strategieprozesses wird die begrenzte Sichtweise des Managements mit dem Fokus auf monetäre Ziele durch das vorgegebene Hilfs-Framework mit den vier Perspektiven automatisch erweitert. Getragen wird der Strategieprozess durch die verschiedenen Perspektiven einer Balanced Scorecard, in denen die strategischen Ziele kategorisiert werden. Neben der finanziellen Perspektive ist die Kunden-, die interne Prozess- und die Lern- und Wachstumsperspektive zu berücksichtigen. Alle Dimensionen bzw. deren Inhalte sind nicht unabhängig, sondern sind erstens aus der Vision und der Strategie der Organisationseinheit abgeleitet, und zweitens sind die Ziele der verschiedenen Perspektiven untereinander verbunden bzw. stehen in UrsachenWirkungszusammenhängen. In jeder Perspektive werden die strategischen Ziele der Organisationseinheit abgebildet. Um die Komplexität nicht unnötig zu erhöhen, sollte die Anzahl der Ziele auf insgesamt ca. 20, ungefähr fünf pro Perspektive124, begrenzt sein. Mehr Informationen würden einen eher nachteiligen Effekt erbringen, da das Management die Komplexität nicht mehr langfristig erfassen könnte und die Fokussierung auf die wichtigen Themen verlieren würde. Hier liegt auch eine der besonderen Leistungsfähigkeiten der Balanced Scorecard, die anhand eines einfachen, gut zu visualisierenden Rahmens eine Reduktion der komplexen Unternehmens- und Wettbewerbsprozesse erlaubt125. Die Perspektiven der Balanced Scorecard stellen die strategisch relevanten Sichten auf eine Organisation dar.126 Es geht um den Blickwinkel, aus dem die Organisation von Kunden, Mitarbeitern etc. gesehen wird bzw. welche Schwerpunkte betont werden sollen. Diese Beschränkung auf vier Perspektiven wird empirisch und pragmatisch begründet. Sie ist jedoch nicht als Zwangsjacke gedacht, sondern kann je nach Vorhandensein von Anspruchsgruppen und gewählten Strategien der Unternehmung situativ ausgestaltet werden. Im Folgenden werden die vier klassischen Perspektiven der Balanced Scorecard kurz skizziert. Die finanzielle Perspektive stellt durch die Verwendung traditioneller Finanzkennzahlen, welche sich auf die Rentabilität, Wachstum, Gewinn oder den Unternehmenswert beziehen, die Auswirkungen der Strategie auf das Unternehmensergebnis dar.127 Hier ist festzustellen, ob eine neue Strategie tatsächlich auch das Ergebnis verbessert. Ein möglichst hoher Gewinn oder eine hohe Umsatzrentabilität ist immer ein wesentliches Hauptziel und auch der Grund, warum die Ziele aller Perspektiven und die damit verbundenen Kennzahlen mittels einer Ursache- Wirkungskette immer in der Finanzperspektive enden. Hier besteht somit eine Doppelfunktion der finanziellen Kennzahlen, da sie als Endziel der restlichen Perspektiven dienen und die entsprechende finanzielle Leistung widerspiegeln.128 Aufgabe der Kundenperspektive ist es, Kennzahlen wie Kundentreue, Marktanteil, Kundenzufriedenheit oder -rentabilität den für das Unternehmen relevanten Kundengruppen und Marktsegmenten zuzuordnen sowie die strategischen Ziele 124 Diese geringe Zahl wird zudem durch diverse psychologische Untersuchungen unterstützt. Man spricht auch von der magischen Zahl Sieben, da der Mensch in der Regel nur in der Lage ist, sich auf einmal nur ca. sieben Zeichen, Chunks oder Daten zu merken. Vgl. Miller (1956), S. 81ff. 125 Zur Rolle der Visualisierung für den strategischen Wandel von Organisationen vgl. Möslein, K. (2000). 126 Vgl. Friedag, H./Schmidt, W. (1999), S. 197. 127 Vgl. Horváth, P. (1996), S. 567. 128 Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (2000), S. 3ff. 157 darzustellen.129 Die Kundenperspektive kann auch als Partnerperspektive verstanden werden, die strategische Ziele über andere Stakeholdergruppen wie Lieferanten, die Öffentlichkeit oder Kooperationspartner aufnimmt. Darüber hinaus werden hier die zur Erreichung der finanziellen Ziele notwendigen kunden- und marktbezogenen Treibergrößen identifiziert. In der internen Geschäftsprozessperspektive werden Aussagen über die Effizienz und Effektivität der betriebsinternen Prozesse wiedergegeben, welche wesentlich dazu beitragen, die Ziele der Finanzperspektive und Kundenperspektive zu erreichen.130 Die Kennzahlen dieser Perspektive geben Auskunft, was intern getan werden muss, um die Erwartungen der Kunden zu erfüllen.131 Beispiele sind hierfür insbesondere die Relation von Durchlauf- zu Bearbeitungszeit, Leistungsfähigkeiten von IT-Systemen oder das Potenzial von Logistikprozessen.132 Durch die Lern- und Entwicklungsperspektiven soll die Infrastruktur geschaffen werden, die notwendig ist, die Ziele der ersten drei Perspektiven zu erreichen.133 Mit der Ausarbeitung dieser Perspektive tun sich die meisten Unternehmen schwerer. Oft finden hier weichere Größen zum Humankapital oder zum Innovationspotenzial Niederschlag. Dabei finden zumeist Kennzahlen Verwendung, die unter längerfristigen Gesichtspunkten als Quellen des Organisationserfolges angesehen werden können, sogenannte Potenzialtreiber wie z. B. die Mitarbeiterzufriedenheit. Finanzperspektive (Sicht der Anteilseigner) Wie sollen wir gegenübern Anteilseignern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben? Ziele Kennzahlen Geschäftsprozeßperspektive (Innovation, Leistungserstellung ...) In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die besten sein, um unsere Kunden und Teilhaber zu befriedigen? Sollwerte Aktionen Ziele Kennzahlen Sollwerte Aktionen prozessorientierte Sicht Lieferantenperspektive Shareholder bzw.Kreditgeberperspektive externe Sicht Kommunikationsperspektive Mission / Vision Strategien öffentliche Perspektive (Land, Kommune) Einführungsperspektive (Software u.ä.) interne Sicht humanorientierte Sicht Kundenperspektive (Sicht der Kunden) Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vison zu verwirklichen? Ziele Kennzahlen Organisationsperspektive Mitarbeiterperspektive (Sicht Lernen und Entwicklung) Wie können wir Veränderungs- und Wachstumspotentiale fördern, um unsere Vision zu erreichen? Sollwerte Aktionen Ziele Abb. 7: Die Perspektiven der Balanced Scorecard134 129 Vgl. Kaplan, R./Norton, D. (1997), S. 62. Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (2000), S. 4. 131 Vgl. Horváth, P. (1996), S. 568. 132 Vgl. Friedag, H./Schmidt, W. (1999), S. 144. 133 Vgl. Kaplan, R./Norton, D. (1997), S. 121. 134 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 9 und Friedag/Schmidt (2000), S. 39. 130 158 Kennzahlen Sollwerte Aktionen Die vier vorgeschlagenen Perspektiven sind nicht zwingend einzuhalten. Sie bilden nur einen Ansatzpunkt, Zusammenhänge und Potenziale zu betrachten, die bisher als nicht relevant betrachtet wurden und sind hinsichtlich Bezeichnung und Anzahl flexibel. Zwar verwenden die meisten Unternehmen vier Perspektiven135, doch finden sich in der Praxis ebenso Scorecards mit 2-6 Perspektiven. Auch die Inhalte der Dimensionen sind nicht unbedingt eins zu eins zu übernehmen. In vorheriger Grafik sind schon einige potenzielle weitere Dimensionen als Vorschlag abgebildet. Denkbar wären eine Lieferantenperspektive, eine Mitarbeiterperspektive, eine Innovationsperspektive oder eine Organisationsperspektive, die alle nur Beispiele sind, die in der Praxis vorzufinden sind. In vielen aktuellen Darstellungen wird eine Balanced Scorecard auch als Art Tabelle dargestellt, in der die Dimensionen untereinander stehen und so automatisch die Beziehungslinie visualisiert wird. Grundsätzlich ist die übergeordnete Wirkungskette für die Dimensionen, wie folgt, in vereinfachter Denkstruktur zu verstehen: Die Ziele und Aktionen der Potenzialperspektive, Lernen und Entwicklung, wirken auf die Leistungsfähigkeit der internen Prozesse. Diese sind wiederum verantwortlich für das Leistungsergebnis, das dem Kunden angeboten werden kann. Der Kunde letztendlich honoriert diese Leistung monetär und dies führt zum finanziellen Erfolg des Unternehmens. Die Balanced Scorecard bildet die Ziele und Strategien eines Unternehmens übersichtlich und durch die verschiedenen Perspektiven strukturiert ab. In jeder der Perspektiven werden also genauere Angaben zu strategischen Zielsetzungen in den entsprechenden Bereichen Finanzen, Kunden, Prozesse als auch Lernen- und Entwicklung bzw. zu den unternehmensspezifisch gewählten Bereichen gemacht. Sie sind aus der Unternehmensvision abgeleitet und machen Angaben zu strategischen Stoßrichtungen. Um jetzt eine laufende Kontrolle der strategischen Zielerreichung durchführen zu können, werden die jeweiligen Ziele mittels geeigneter Kennzahlen messbar gemacht. Damit die Messergebnisse für das Unternehmen bewertbar und aussagekräftig werden, wurde den Kennzahlen vorab ein Vorgabewert oder Sollwert zugeordnet. Somit ist ein einfacher Soll-Ist-Vergleich der Vorgaben, Sollwert, und tatsächlichen Ergebnissen, Istwert, möglich. Ein Maßnahmenplan, gelegentlich auch als Aktionsplan bezeichnet, beschreibt die Umsetzung einzelner strategischer Ziele in konkrete Handlungen oder Aktivitäten des Unternehmens und rundet in Verbindung mit Benennung von Verantwortlichkeiten für die Kennzahlen und Aktionen die Balanced Scorecard ab. Mit den Dimensionen schließt sich der Kreis, in dem der Bezug zwischen dem 3Ebenen-Modell des Wissensmanagements, der Balanced Scorecard und dem Begriff des Intellektuellen Kapitals nochmals klar herausgestellt wird. 135 In Deutschland verwenden ca. 80 % der Nutzer vier Perspektiven. Vgl. Ruhtz, V. (2001), S. 12. 159 Knowledge Scorecard: Linking Intellectual Capital to the Balanced Scorecard Knowledge = Intellectual Capital: - Human Capital - Relationship-Capital - Structural Capital Financial Financial Partner Partner Vision Process Process Learning Learning&& Innovation Innovation Abb. 8: Intellektuelles Kapital und sein Bezug zur Balanced Scorecard Wissensmanagement bezieht sich auf 3 Ebenen: • die Ebene der Gestaltung der Kompetenzen: sie betrifft insb. den Faktor Human Capital und findet sich in der Balanced Scorecard in der Lern- und Entwicklungsperspektive wieder; • die Ebene der Gestaltung der internen Struktur: sie betrifft insbesondere den Faktor Structural Capital und findet sich in der Balanced Scorecard in der Prozessperspektive wieder; • die Ebene der Gestaltung der externen Struktur: sie betrifft insb. den Faktor Relationship Capital und findet sich in der Balanced Scorecard in der Kundenperspektive wieder. Die Balanced Scorecard wird so selbstverständlich zu einem integrierten Bestandteil des Wissensmanagements, der dazu beitragen kann, die vielen, aber häufig nur vereinzelt und patchworkartig eingesetzten Einzelbausteine des Wissensmanagements zu einem House of Knowledge zusammenzuführen. Sie ist der Kitt, mit dem sich die zahlreichen Einzelbausteine des Wissensmanagements in geeigneter Form zu einem stabilen Gebäude des Wissensmanagements verbinden lassen. Die Strategy Map 160 Aus den Erfahrungen einer Vielzahl von Balanced Scorecard Umsetzungen wurde von Kaplan und Norton ein weiteres methodisches Rahmengerüst zusammengefügt, das auf dem Konzept der Balanced Scorecard fußt. Die Strategy Map ist das Ergebnis der Strategieanalyse und visualisiert diese. Alle Ziele und Messgrößen sind in einem ganzheitlichen Ursache-Wirkungssystem zusammengefasst, um so die Zusammenhänge der strategischen Aktionen und Ziele verständlich zu machen und die notwendigen Voraussetzungen zu erkennen: „Strategy Maps beschreiben somit den Umwandlungsprozess von immateriellen Vermögenswerten zu materiellen Werten im Hinblick auf Kunden und Finanzen. Sie stellen der Unternehmensleitung somit ein System zur Verfügung, das die Beschreibung und Steuerung der Strategie in der Wissensökonomie ermöglicht.“136 Alle Ursachen-Wirkungszusammenhänge bilden zusammen ein System aus Hypothesen, da Strategien auch als Hypothesen über die vermuteten Auswirkungen von organisationalen Aktionen auf die unternehmerische Wettbewerbsposition verstanden werden können. Die Strategy Map an sich ist kein Strategieentwicklungsinstrument, sondern, wie vorher schon erläutert, muss die Strategie im Vorfeld im Rahmen des gesamten Balanced Scorecard Ansatzes entwickelt werden. Sie kann aber den Entwicklungsprozess durch das vorgeschlagene Framework137 unterstützen und vor allem dazu beitragen, die Strategie in der Organisation zu kommunizieren und zu vermitteln. Sie ist also ein klassisches Wissensmanagementinstrument zur Diffusion von strategischen Inhalten, mit dessen Hilfe implizites Wissen, die strategischen Hypothesen der Manager, externalisiert und kodifiziert wird. Durch diesen Wissensaustausch wird eine abgestimmte und kooperative Zusammenarbeit bei strategischen Zielen innerhalb des Managements wie auch über Abteilungsgrenzen hinweg gefördert.138 Mit dieser Vorlage der Strategy Map steht Organisationen ein Instrument zur Verfügung, ihre eigene Strategie zu entwickeln, zu optimieren oder auch besser kommunizierbar und verständlich zu machen. Das dargestellte Rahmengerüst ist natürlich den unternehmensspezifischen Anforderungen und Themen anzupassen und zu konkretisieren. Der große Vorteil liegt in der integrierten Erarbeitung und Abbildung multipler strategischer Themen der Organisation in einem Instrumentarium.139 Die Strategy Maps sind entsprechend dem übergeordneten Balanced Scorecard Konzept auch regelmäßig auf ihre Berechtigung und Gültigkeit hin zu überprüfen. In der laufenden Kontrolle der strategischen Hypothesen liegt einer der größten Werte, in dem organisatorisches Lernen praktiziert wird und über die strategischen Themen wertvolle Knowledge Assets aufgebaut werden.140 136 Kaplan, R./Norton, D. (2001), S. 63. Vgl. Abbildung 9. 138 Vgl. Kaplan, R./Norton, D. (2000), S. 60. 139 Vgl. Norton, D. (2002). 140 Vgl. Norton, D. (2001). 137 161 Finanzperspektive Steigerung des Shareholder Value Umsatzwachstumsstrategi e Produktivitätsstrategie Aufbau der Marktmacht Steigerung des Kundennutzens Verbesserung der Kostenstruktur • Neue Umsatzquellen • Kundenrentabilität • Kosten je Einheit Kundenakquisition Kundenperspektive Shareholder Value ROCE Produktführerschaft Kundenverbundenheit Operative Exzellenz Wertangebot für den Kunden Qualität • Auslastungsgrad der Vermögenswerte Kundenbeibehaltung Produkt- /Dienstleistungseigenschaften Preis Verbesserung des Auslastungsgrades der Vermögenswerte Zeit Kundenbeziehung Funktionalität Service Image Beziehung Marke Lernen & Entwi cklung Prozeßperspektive Kundenzufriedenheit „Aufbau der Marktmacht“ (Innovationsprozesse) „Steigerung des Kundennutzens“ (Kundenmanagementprozesse „Entwicklung zu einem verantwortungsvollen Bürger“ (Regulierte und Umweltbezogene Prozesse „Erreichung der operationalen Exzellenz“ (Operationale Prozesse) Motivierte und geschulte Arbeitskräfte Strategis che Kompetenzen Strategische Technologien Aktivitätsorientiertes Klima Abb. 9: Vorlage einer Strategy Map141 Die organisatorische Verankerung der Balanced Scorecard Wenn bisher von strategischen Zielen gesprochen wurde, waren in erster Linie das Top-Management bzw. das Gesamtunternehmen angesprochen. Doch es gibt innerhalb einer Organisation auf verschiedenen Ebenen Strategieansätze. Strategien sind auf Gesamtunternehmensebene, auf der Ebene der Geschäftseinheiten, auf Abteilungsebene bis hin zum individuellen Mitarbeiter möglich, die jeweils ihre eigenen Geltungs- und Verantwortungsbereiche sowie Inhalte aufweisen. Zumeist werden die Inhalte, je weiter die Strategie nach unten heruntergebrochen wird, detaillierter und operativer. Die einzelnen Ebenen sind dabei nicht voneinander unabhängig, sondern weisen vertikale Ursache-Wirkungsbeziehungen auf.142 Den einfachsten Weg der Strategieableitung stellt ein Top-down-Ansatz143 dar, bei dem die Vorgaben von oben nach unten durchgesetzt werden. Daneben steht die alternative Methode der Bottomup-Aggregation, bei der zuerst die unteren Unternehmenseben die strategischen Informationen erarbeiten und zusammentragen, um sie dann nach oben 141 In Anlehnung an Kaplan, R./Norton, D. (2001), S. 88. Vgl. Töpfer, A. (2000), S. 81. 143 Der Top-down-Ansatz sollte nicht bei der Entwicklung auf das Wissen der nachfolgenden Ebenen verzichten, sondern zusätzlich in einem Bottom-up-Verfahren das Wissen der unteren Ebenen mit aufnehmen. 142 162 weiterzuleiten, wo sie wiederum im Abgleich mit den anderen Informationen verdichtet werden. Als Königsweg kann die Kombination in Form eines beidseitigen Gegenstromprinzips genannt werden, bei dem in iterativen Schritten die Strategien über die einzelnen Ebenen hinweg aufgestellt werden. Entsprechend den strategischen Ebenen in der Organisation können für die einzelnen Organisationsbereiche verschiedene Balanced Scorecards eingeführt werden.144 Dies entspricht auch dem originären Balanced Scorecard Gedanken, dass die Balanced Scorecard für das Gesamtunternehmen die Orientierungshilfe für die Balanced Scorecards der nachfolgenden Organisationseinheiten bildet. Neben der TopBalanced Scorecard können so für die jeweiligen Organisationseinheiten, Funktionsbereiche, Abteilungen und bis zum einzelnen Mitarbeiter Scorecards abgeleitet werden.145 Hier kommt der Balanced Scorecard Ansatz wieder seiner Funktion als Wissensmanagementinstrument nach, indem durch die Ableitung Mitarbeitern auf allen Unternehmensstufen eine gewisse Transparenz über die Unternehmensstrategie verschafft wird und weiter dargelegt wird, was dies für ihre Abteilung und für sie selbst bedeutet. Dieses strategische Wissen ist leider in einer Vielzahl von Unternehmen nicht vorhanden. Besonders den Mitarbeitern auf den unteren Ebenen fehlt häufig das Wissen über die unternehmenseigenen Strategievorstellungen. Dies belegen empirische Untersuchungen: Eine Studie von Renaissance in Zusammenarbeit mit dem CFO Magazin in den USA und Großbritannien ergab z. B., dass nur 71 % des Top-Management, in UK nur 59 %, 40 % des mittleren Management, in UK auch 40 %, und nur 3 % der Linienangestellten, in UK 7 %, die Unternehmensvision klar verstanden haben.146 Dieser Informationsverlust ergibt sich durch die verschiedenen Verantwortungsebenen in einer Organisation. Man geht davon aus, dass nach fünf Hierarchieebenen nur noch 20 % der ursprünglichen Information ankommen.147 Eine stringente Balanced Scorecard Einführung für alle Organisationseinheiten kann diesem Informationsverlust entgegenwirken. Eine durchgehende, abgestimmte Umsetzung, wie es nachfolgende Abbildung darstellt, ist in der Unternehmenspraxis des Öfteren nicht vorzufinden. Man kann Insellösungen antreffen, die durch ein inkonsequentes Vorgehen bei der Einführung entstanden sind. Mangelnde Abstimmung vor, während und nach der Einführung können solche Lücken hervorrufen. Horváth & Partner empfehlen deshalb für den Roll-out verschiedene nachgelagerte Methoden148, die eine stringente Ableitung fördern. Nach dem Roll-out sollte in regelmäßigen Abständen ein Abgleich auf horizontaler und vertikaler Hinsicht erfolgen, der die Ziele, Indikatoren, Sollwerte und Maßnahmen umfasst.149 Das ganzheitliche Vorgehen für die Gesamtunternehmung widerspricht aber nicht dem Gedanken des Starts mit einem Pilotierungsfeld. In einer kleineren Organisationseinheit können erste Erfahrungen gemacht werden, um später beim evtl. Roll-out auf das Gesamtunternehmen mögliche Fehler zu vermeiden. 144 Vgl. Frick (2000), S. 24, Meyer, C./Köhle, I. (2000), S. 15. Vgl. Ackerman (2000), S. 14, Horstmann, W. (2000), S. 16. 146 Vgl. Gentia (1998), S. 4. 147 Vgl. Hinterhuber, H./Al-Ani, A./Handlbauer, G. (Hg., 1996), S. 119. 148 Die Beschreibung der Methoden findet sich in Horváth & Partner (Hg., 2000), S. 225f. wieder. 149 Vgl. Horváth & Partner (Hg., 2000), S. 238. 145 163 Top Balanced Scorecard Gesamtunternehmen Input und Feedback – Top-downund Bottomup-Prozess Unit Balanced Scorecard Gruppen/ Individuelle Scorecard Abstimmung Abstimmung Abb. 10: Das kaskadische Organisationsprinzip der Balanced Scorecard Das Herunterbrechen auf die verschiedenen Ebenen, im Extremfall bis auf den einzelnen Mitarbeiter, kann auch die Voraussetzung dafür sein, die Balanced Scorecard für die Mitarbeiterführung einzusetzen. Dies geschieht, wie es von vielen Seiten gefordert wird, um der Balanced Scorecard die entsprechende Bedeutung zu geben, in der Verknüpfung des Anreizsystems mit den Zielen der Balanced Scorecard.150 In einer Art Management by Objectives gelten für Mitarbeiter einzelne Ziele der Balanced Scorecard, die in ihrem Verantwortungsbereich liegen, als Zielgrößen, die mit einer variablen Entlohnung oder einem Prämiensystem gekoppelt sind.151 C.3. Eine kritische Würdigung der Balanced Scorecard Das vorgestellte Konzept der Balanced Scorecard erscheint bestechend schlüssig, logisch und einfach. Dies trifft aber nur auf das Konzept zu. Die Kunst liegt in der erfolgreichen Implementierung der Balanced Scorecard im Unternehmen. Gerade in diesem Aspekt halten sich die Autoren Kaplan und Norton sehr bedeckt.152 Nur einige undifferenzierte, normative Gestaltungsempfehlungen liegen vor. So wird bspw. weder eine klare Vorgehensweise zur Verbindung der Strategie mit messbaren Kenngrößen vorgeschlagen noch die Handhabung der unterschiedlich langen zeitlichen Verzögerungen der verschiedenen Leistungstreiber des finanziellen Erfolgs präzisiert.153 Ebenso wird den Autoren teilweise vorgeworfen, dass es sich bei der 150 Vgl. Ittner, C./Larcker, D./Meyer, M. (1997). Diese konsequente Umsetzung der Kopplung an Anreizsysteme wird in Deutschland noch nicht in vollem Umfang genutzt. Eine Umfrage ergab, dass bei 37 % der Führungskräfte und bei nur 20 % der Mitarbeiter ein Anreizsystem an die Balanced Scorecard geknüpft ist. Vgl. Ruhtz, V. (2001), S. 31. 152 Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (1998). 153 Vgl. Matheis, M./Schalch, O. (1999), S. 38. 151 164 Balanced Scorecard um einen Modetrend154 oder um alten Wein in neuen Schläuchen155 handelt. Dies ist zum Teil richtig, da es z. B. schon lange Ansätze zur Steuerung mit quantitativen Größen oder Methoden der Strategieoperationalisierung gibt.156 Das Neue ist das schlüssige Gesamtkonzept, das leicht kommunizierbare Framework und der konsequente gedankliche Ansatz einer strategiefokussierten Organisation. Dabei baut das Konzept auf vielen Methoden und vorhandenem Wissen der Unternehmensführung auf: Strategieentwicklung, Performance Measurement Systeme oder Anreizsysteme, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist somit auf weitere Konzepte, die zweifelsohne in vielen Bereichen in der Literatur vorliegen157, zurückzugreifen. So lässt sich auch eine häufig fehlende Detaillierung des Vorgehens bei Kaplan und Norton erklären. Aus diesem bei einigen Unternehmen fehlenden Wissen und der Komplexität der Aufgabenstellung lassen sich besonders bei der Einführung und Umsetzung der Balanced Scorecard auftretende Problembereiche und Grenzen des Balanced Scorecard Konzeptes erklären. 0 = überhaupt keine Probleme bis 100 = sehr große Probleme 25 Akzeptanz der Unternehmensleitung 34 Hohe Kosten der Einführung Akzeptanz der Balanced Scorecard beim Betriebsrat 35 Akzeptanz der Balanced Scorecard bei Führungskräften 35 42 Akzeptanz der Balanced Scorecard bei Mitarbeitern 45 Herunterbrechen von Steuerungskriterien auf nachgeordnete Ebenen 46 Aggregieren der der Einzel-Balanced Scorecards Geringe Verfügbarkeit der Daten in der Balanced Scorecard 47 Geringe Datenqualität der Meßgrößen in der Balanced Scorecard 47 Verbinden der Balanced Scorecard mit Zielvereinbarungen 48 Erekennen von Ursache-Wirkungsbeziehungen 48 Umsetzen des Balanced Scorecard-Konzeptes in quantitative Indikatoren 50 Analysieren von Werttreibern mit dem Balanced Scorecard-Konzept 50 Beschränkung auf relativ wenige Steuerungskriterien in allen Balanced Scorecards 50 53 Koppln der Zielerreichung der Balanced Scorecard mit finanziellen Anreizen 54 Einführungsprozeß dauert zu lange 56 Schaffung einer veränderten Unternehmenskultur mit mehr Transparenz 0 10 20 30 40 50 60 Abb. 11: Einführungs- und Umsetzungsprobleme bei der Balanced Scorecard; n=127158 154 Vgl. Kieser (1996), S. 21ff. Vgl. Friedag, H. (1998). 156 Vgl. Eccles, R./Noriah, N./Berkley, J. (1992), S. 157f., Reichmann, T./Lachnit, L. (1976), S. 708f. oder Schott, G. (1991), S. 291. 157 Vgl. Literatur aus dem Strategischen Management bzw. der Strategischen Planung: Szyperski, N./Müller-Böling, D. (1980), Rau, K.-H. (1985), S. 291ff., Quinn, J./Mintzberg, H./James, R. (1988), Rabl, K. (1990), Franz (1993), S. 189ff., Hungenberg, H. (1993), S. 238, Mintzberg, H. (1994), S. 329ff., Hamprecht (1996), S. 73ff. oder Goedel (1997), S. 87ff. 158 Die Befragungsergebnisse stammen aus einer Befragung von insgesamt 194 deutschen Wirtschaftsunternehmen durch die Universität Dresden. Vgl. Töpfer, A./Lindstädt, G./Förster, K. (2002), S. 82. 155 165 Bezüglich der Probleme bei der Einführung und der ersten Nutzung liegen mittlerweile erste Erkenntnisse aus empirischen Beobachtungen und Erhebungen vor.159 Einen stellvertretenden Überblick über die potenziellen Probleme gibt Abbildung 11. Auffällig am genannten Ergebnis ist, dass die notwendige und gewünschte Schaffung einer veränderten Unternehmenskultur, die von Transparenz und offenen Strukturen geprägt ist, am schwersten fällt. Sicherlich unterstützt gerade die Balanced Scorecard dieses Anliegen, jedoch muss man berücksichtigen, dass es sich bei der Unternehmenskultur vor allem um Einstellungen der Mitarbeiter handelt. Und eine Einstellungsänderung zu bewirken, dauert, wie die Einstellungsforschung lehrt, eine lange Zeit, die bis zu 8 Jahren betragen kann. Weiterhin beklagen viele Unternehmen die lange Einführungszeit, die oft unterschätzt wird. So liegt eine durchschnittliche Implementierungsphase für eine Organisationseinheit bei insgesamt 6-12 Monaten, für eine Gesamtorganisation sind mindestens über die verschiedenen Einheiten 12-24 Monate anzuberaumen.160 Bezogen auf die Balanced Scorecard an sich tun sich viele Unternehmen schwer mit dem Handling der Kennzahlen und ihrer Zusammenhänge. Dies beginnt bei der Ermittlung der obersten Key Performance Indicators und über die Ermittlung von einzelnen Messgrößen in den verschiedenen Dimensionen. Besonders in der Lern- und Entwicklungsperspektive treten die größten Lücken bei potenziellen Metriken auf. Aufgrund der Historie der Unternehmensführung und ihrer kontrollierten Größen liegen hier zuwenig Erfahrungen und Werte vor. Weitere Schwierigkeiten mit den Kennzahlen können die Datenqualitäten und -verfügbarkeiten sein, die Aggregation der Kennzahlen, besonders bei eher qualitativen Werten sowie die Verbindung untereinander und die Abstimmung auf horizontaler und vertikaler Ebene. Vorab schließt sich hier die Diskussion um die Bildung der Ursachen-Wirkungsketten an, bei der die einzelnen strategischen Ziele, abgeleitet von der Vision und den Key Performance Indicators, zur Strategy Map verbunden werden. Die dabei erwarteten und teilweise eingetroffenen Hürden sind vor allem darin begründet, dass hier von Konzeptseite kein Vorgehensmodell oder Tipps zur Seite gestellt wurden. Für ein erfolgreiches Vorgehen bei der Einführung, das hohes Commitment des Managements und der Mitarbeiter erfordert, hat sich gezeigt, dass eine umfassende Vorabinformation, Maßnahmen zum Verständnisaufbau über das Konzept, Akzeptanzgewinnung und Motivation auf allen beteiligten Unternehmensebenen von großer Bedeutung sind.161 Dass die Balanced Scorecard eine Modeerscheinung ist oder war, kann nicht bestätigt werden. Besonders in den letzten Jahren ist sie zum Management-Bestseller geworden, der in der Literatur wie auch in Organisationspraxis relativ großen Zuspruch findet. In dieser Zeit sind ebenfalls erste größere empirische Untersuchungen über den Verbreitungsgrad und erste Implementierungs- und Nutzungserfahrungen durchgeführt worden.162 Die einzelnen Befragungen weisen zwar gewisse Unterschiede in den erhobenen Daten auf, aber ein gewisser Erfolg der Balanced Scorecard ist nicht zu leugnen. Der Bekanntheitsgrad bei deutschen Unternehmen liegt bei 60-70 %163. Bei der Einführung einer Balanced Scorecard schwanken die 159 Vgl. für den deutschsprachigen Raum z. B. Ruthz (2001), Zimmermann, G./Jöhnk, T. (2000), Brabänder, E./Hilcher, I. (2001) oder Töpfer, A./Lindstädt, G./Förster, K. (2002). 160 Vgl. Töpfer, A./Lindstädt, G./Förster, K. (2002), S. 83 und Brabänder, E./Hilcher, I. (2001). 161 Vgl. Steinle, C./Thiem, H./Lange, M. (2001), S. 34. 162 Für den deutschsprachigen Raum vgl. Ruthz, V. (2001), Speckbacher, G./Bischof, J. (2000), Zimmermann, G./Jöhnk, T. (2000), Brabänder, E./Hilcher, I. (2001), Bischof, J. (2001) und Töpfer, A./Lindstädt, G./Förster, K. (2002). 163 Vgl. Töpfer, A./Lindstädt, G./Förster, K. (2002), S. 80. 166 Daten zwischen 16 %164, 24 %165 bis 46 %166. Darüber hinaus planen ca. ein Drittel der jeweils befragten Organisationen eine Einführung der Balanced Scorecard in der nächsten Zeit. Eine ähnliche Verbreitung ist den USA zu verzeichnen: Dort arbeiten zwischen 36-40 % der Fortune 1000 Unternehmen mit der Balanced Scorecard.167 Was treibt diese Unternehmen, die Balanced Scorecard für sich zu nutzen? Wie bewerten die Unternehmen den Nutzen nach der ersten Einführung?168 Auch hier lässt sich mittlerweile auf erstes Datenmaterial aus empirischen Erhebungen zurückgreifen. Stellvertretend sollen hier die Ergebnisse von Zimmermann und Jöhnke erwähnt werden169, die ein gutes Bild von der Nutzenerwartung und der realisierten Effekte geben. Klares Hauptziel ist die Unterstützung der Strategieimplementierung,170 des weiteren das Vorantreiben einer durchgängigen strategieausgerichteten Organisation. Dazu gehört eine bessere Verbindung der strategischen Ziele mit der operativen Ebene und eine weiterentwickelte Möglichkeit der Kontrolle der strategischen Ausrichtung und Umsetzung. Weiterhin sollen die strategischen Vorgaben verstärkt im Unternehmen kommuniziert und visualisiert werden, was dann im zweiten Schritt für die einzelnen Führungskräfte und Mitarbeitern auf den verschiedenen Ebenen als Vorgabe dienen kann. Zuletzt sei hier genannt, ohne einen vollständigen Überblick über potenzielle Ziele der Balanced Scorecard geben zu können, die Einführung eines erweiterten Kennzahlensystems mit nicht-monetären Größen und Potenzialtreibern, die eine tiefgreifendere Steuerung der Organisation erlauben sollen. Ziele/Einsatzgebiete der Balanced Scorecard (Rangfolge) Realiserte Effekte (Rangfolge) Einsatzgebiet Mittelwert Effekt Verbesserung der strategischen Strategieimplementierung 1,08 Kontrolle/Frühwarnung Überführung der Strategie in konkrete Verbesserung der Kommunikation über die (operative) Maßnahmen 1,38 Strategie bei den Führungskräften Erhöhung des Kenntnisstandes bzgl. der Überprüfung der Strategieimplementierung 1,42 Strategie bei den Führungskräften Bessere Identifikation der kritischen Kommunikation der Strategie im Unternehmen 1,50 Einflußfaktoren auf den Unternehmenserfolg Bessere Verbindung von strategischer und Strategieformulierung 2,21 operativer Planung Meßbarkeit monetärer und nichtmonetärer Strategische Frühwarnung 2,21 Effekte Erweitertes Kennzahlensystem zur Unternehmenssteuerung 2,22 Realisation einzelner strategischer Ziele Zielvorgabe für Erhöhung des Kenntnisstandes bzgl. der Abteilungen/Gruppen/Mitarbeiter 2,50 Strategie bei den sonstigen Mitarbeitern Überprüfung der vermuteten Kausalketten 2,87 Klare Vorgaben für einzelne Maßnahmen Kommunikation der Strategie nach außen 3,76 Mittelwert 1,74 1,78 1,78 1,82 1,91 1,91 2,29 2,43 2,47 Abb. 12: Rangfolgen der Ziele und realisierten Effekte der Balanced Scorecard171 164 Vgl. Brabänder, E./Hilcher, I. (2001), S. 254. Vgl. Töpfer/Lindstädt/Förster (2002), S. 80 166 Vgl. Ruhtz, V. (2001), S. 7. 167 Vgl. Norton, D./Kappler, F. (2000), S. 15 und Rigby, D. (2001), S. 2. 168 Hier bleibt anzumerken, dass langzeitliche Studien noch nicht vorliegen, da kaum ein Unternehmen, besonders im deutschsprachigen Raum, einen Erfahrungshorizont von mehr als 1-3 Jahren vorzuweisen hat. 169 Vgl. Abbildung 12. 170 Vgl. Bischof, J. (2001), S. 36, Morganski, B. (2001), S. 31ff., Mauerer, F./Töpfer, A. (2000), S. 350f., Ruhtz, V. (2001), S. 33 oder Kinsey, G. (2000), S. 168f. 171 Vgl. Zimmermann, G./Jöhnke, T. (2000), S. 603. 165 167 Die Erreichung eines Großteils der angestrebten Ziele konnte nach Einführung der Balanced Scorecard von der Unternehmenspraxis bestätigt werden. Oben an steht die Verbesserung der Kontroll- und Frühwarnmöglichkeiten auf strategischer Ebene. Daneben kann als Haupteffekt ein besseres Verständnis für die Strategie sowie für die Unternehmenspotenziale und ihre Einflussgrößen verzeichnet werden. Man erkennt diese Ziele an dem erhöhten Kenntnisstand der Führungskräfte und Mitarbeiter, an dem Wissen über die kritischen Erfolgsfaktoren des Unternehmens, die sich u. a. aus mehreren Komponenten des Intellectual Capital zusammensetzen und über nichtmonetäre Messgrößen abgebildet werden und der nachvollziehbaren Verbindung des strategischen mit dem operativen Management. Die Balanced Scorecard als Instrument des strategischen Wissensmanagements In den vorangegangenen Ausführungen wurde die Balanced Scorecard als Konzept der Strategieimplementierung in ihren Grundzügen vorgestellt. Dabei wurde bereits deutlich, dass ihr zugleich der Charakter eines Kommunikationsinstruments zukommt. Indem die Balanced Scorecard dazu veranlasst, Ziele und Schritte strategischer Wandlungsprozesse zu kommunizieren, initiiert sie selbst den Wandel. Denn organisatorischer Wandel geschieht letztlich nur, wenn er in den Köpfen der Mitarbeiter stattfindet.172 Wandel lässt sich daher nur über Kommunikation initiieren und Strategien lassen sich nur über Kommunikation umsetzen. Organisatorische Leitbilder, Visionen und Strategien bleiben totes Machwerk, solange sie nicht kommuniziert, interpretiert, diskutiert und hinterfragt werden. Ihre Umsetzung erfolgt als Kommunikationsprozess und eben jener wird über das Konzept der Balanced Scorecard initiiert, strukturiert und moderiert. C.4. Management von Non-Profit-Organisationen mit der Balanced Scorecard Im Zentrum dieser Studie stehen nicht klassische privatwirtschaftliche Unternehmen, sondern das Augenmerk richtet sich auf sogenannte Non-Profit-Organisationen, die eben nicht die Mehrung der monetären Basis verfolgen, sondern andere Missionen. Eine Vielzahl dieser Non-Profit-Organisationen sind der staatlichen bzw. öffentlichen Hand zuzuordnen. Typische Beispiele sind Behörden, Krankenhäuser oder karitative Einrichtungen. In einem ersten Schritt sollen deshalb die spezifischen Anforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, um dann den spezifischen Fall einer Balanced Scorecard-Konzeption für Universitäten zu fokussieren.173 Die Umsetzungsmöglichkeiten von Balanced Scorecard Konzeptionen für Non-ProfitOrganisationen174 erscheinen auf den ersten Blick ungewöhnlich, doch gibt es gerade in der letzten Zeit Bestrebungen, genau für diese Organisationen Projekte zu 172 Vgl. Kieser, A./Hegele, C./Klimmer, M. (1998). Vgl. Deking, I. (2002). 174 Zu Non-Profit-Organisationen gibt es unterschiedliche Definitionsbemühungen. Hauptmerkmal, das von der amerikanischen wie europäischen Literatur geteilt wird, ist die Überschussverwendungsbeschränkung. Non-Profit-Organisationen dürfen also Gewinne erzielen, aber dessen Verwendung unterliegt bestimmten Einschränkungen. Vgl. Badelt, C. (1997). Im Normalfall ist die Organisation nicht auf eine monetäre Zielrichtung ausgelegt, sondern durch eine Sachzieldominanz, jeweilige Mission, geprägt. Vgl. Berens, W./Karlowitsch, M./Mertes, M. (2000), S. 24. 173 168 entwickeln. Auch Kaplan und Norton widmeten in ihrem neuesten Buch diesem Thema ein eigenes Kapitel.175 Zuerst aber sollen die relevanten Spezifika von Non-ProfitOrganisationen im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Unternehmen betrachtet werden. Hier lassen sich einige Hürden herausarbeiten, die einer möglichen, erfolgreichen Umsetzung entgegenstehen könnten und somit im Vorfeld berücksichtigt werden sollten:176 Management und Kontrollstruktur: Während die meisten privatwirtschaftlichen Unternehmen eine feste Organisationsstruktur mit Managementinstitutionen, z. B. Vorstand, Kontrollgremien, z. B. Aufsichtsrat, und klare Weisungs- und Sanktionsmechanismen haben, ist dies bei den Non-Profit-Organisationen noch komplexer und nicht so klar definiert. Stakeholder und Kontrollorgane stellen z. B. wieder andere öffentliche Organe, die Medien oder die Öffentlichkeit dar. Das genaue Oberziel ist im Vergleich zu gewinnwirtschaftlichen Unternehmen mit Shareholder Value-Bestrebungen oder langfristigen Unternehmenssicherungszielen nicht eindeutig ausgeprägt. Hier werden qualitative, oft in der Führung nicht klar definierte Ziele verfolgt, die in der Regel eine Bedürfnisbefriedigung der breiten Öffentlichkeit beinhalten wie Ausbildung, Sicherheit, etc. Das Management von öffentlichen Unternehmen ist somit mit einer Vielzahl von verschiedenen Interessengruppen konfrontiert. Strategie: Privatwirtschaftliche Unternehmen besitzen in der Regel das Verständnis für die Notwendigkeit einer Unternehmensstrategie, unabhängig davon in welcher Qualität sie vorliegt. Bei Non-Profit-Organisationen ist diese Erkenntnis der notwendigen Strategiebestimmung oft nicht so stark ausgeprägt. Ihre Vorlagen liegen meistens in der Erfüllung einer Aufgabe und dies soll zu möglichst geringen Kosten erfolgen, Budgetvorgaben. Erst langsam tritt ein Wandel in der Denkweise ein, dass es nicht nur um Kostenkontrolle geht, sondern auch darum, wie dem Kunden ein möglichst hoher Mehrwert geboten werden kann. Diesen Wandel müssen zurzeit die aufgrund von Deregulierungsbestrebungen auf einen Wettbewerbsmarkt geworfenen Unternehmen wie Strom- oder Wasserwerke durchmachen. Anreizsysteme: Die konsequente Umsetzung von Strategien erfordert ein hohes Commitment und eine hohe Motivation der Mitarbeiter; beides wird bei privatwirtschaftlichen Unternehmen durch den Einsatz von Anreizsystemen gefördert. Ziele innerhalb einer Balanced Scorecard sollten, wenn möglich, bei den jeweils verantwortlichen Mitarbeitern an ihr persönliches Incentive-System gekoppelt werden. Diese Unterstützungsmaßnahme ist allerdings bei Non-Profit-Organisationen sehr schwer umzusetzen, da aufgrund streng vorgegebener Besoldungsrichtlinien solche Systeme nicht angedacht sind. Sehr vereinzelt findet man solche Incentive-Systeme bei öffentlichen Unternehmen. Im Zuge einer mehr wettbewerbsorientierten Ausrichtung sollten aber auch solche Instrumente dort Einzug finden. Bestimmung der Wirkungseffekte: Zentraler Punkt einer Balanced Scorecard ist die Anfertigung der Strategy Map mit den Wirkungszusammenhängen und der darauf 175 176 Vgl. Kaplan, R./Norton, D. (2001), S. 119ff. Vgl. Kaplan, R. (2002). 169 basierenden Kontrolle und Steuerung über die festgelegten Messgrößen. Bei den Aufgaben, die Non-Profit-Organisationen häufig zu erfüllen haben, handelt es sich oft um langzeitliche Aktionen, deren Erfolg erst Jahre später festzustellen ist. Dabei ist an Senkung von Kriminalitätsraten, die Anhebung des Bildungsniveaus, die Förderung des Umweltschutzes oder Stärkung einer Krankheitsprävention zu denken. Dass vor allem kurzfristig bei solchen Programmen die Kontrolle schwer fällt, liegt auf der Hand. Erschwert wird die Überprüfung durch die Tatsache, dass es sich zumeist um große, integrierte Themen handelt, die nicht alleine von einer Organisation angegangen werden können. Stellt man sich z. B. die Arbeiten einer Umweltschutzbehörde vor, die sich das Ziel gesetzt hat, die Waldqualität zu erhöhen, muss diese in breiten Programmen mit der Industrie, dem Wirtschaftministerium, forstwissenschaftlichen Einrichtungen und weiteren Forschungsinstitutionen zusammenarbeiten, die ebenso zum Erfolg beitragen. Solche Netzeffekte erschweren die Analysemöglichkeit für eine Organisation. Neben diesen strategieprozessrelevanten Eigenschaften lassen sich eine Reihe von weiteren Charakteristika aufzählen, die typisch für Non-Profit-Organisationen sind.177 So liegt eine andere Finanzierungsstruktur vor, die hauptsächlich aus staatlichen Zuwendungen, Spenden und Forschungsgeldern aus öffentlicher und privater Hand besteht. Rechtsformen weichen in der Regel von den aus der Wirtschaft gewohnten Kapital- oder Personengesellschaften ab. Das Personal setzt sich teilweise aus ehrenamtlichen Mitarbeiter zusammen, die nicht in das klassische Mitarbeiterführungssystem passen. In vielen Fällen kann nicht auf ein vorhandenes, umfangreiches Berichtswesen bzw. Controlling aufgebaut werden. Zusätzlich impliziert die Sachzieldominanz und Kontextspezifität starke Implementierungswiderstände gegen neues betriebswirtschaftliches Gedankengut. In einigen Bereichen sind Operationalisierungs- und Quantifizierungsprobleme festzustellen, Charakteristik von immateriellen Vermögensgegenständen. An diesen ausgewählten Vergleichen zwischen privatwirtschaftlichen und Non-ProfitOrganisationen lässt sich leicht erkennen, dass eine Balanced-Scorecard-Umsetzung nicht unbedingt leichter wird, wenn es sich um eine Non-Profit-Organisation handelt. Aber dennoch sollten genau diese Organisationen die Chance und die Potenziale des Managements über die Balanced Scorecard erkennen und so einen weiteren Schritt in Richtung einer marktwirtschaftlichen, wettbewerbsorientierten Ausrichtung und Steuerung gehen. Vor dem Hintergrund von zahlreichen Deregulierungsmaßnahmen, einer immer lauter werdenden Forderung nach mehr Kundenorientierung sowie einer effizienteren und effektiveren Leistungserstellung bei öffentlichen Unternehmen bietet sich eine strategisch fokussierte Organisation auch für diesen Sektor an. Diese Herausforderung nehmen in letzter Zeit auch schon einige Non-ProfitOrganisationen an und sind dabei, eine Balanced-Scorecard-Implementierung durchzuführen oder haben sie bereits durchgeführt. Die Konzeption ist aber für diesen Sektor nicht eins zu eins zu übernehmen. Der Tatsache, dass Non-ProfitOrganisationen eben nicht die langfristige Gewinnerzielung bzw. -steigerung im Ziel haben, sondern eigenständige auf ihre Kunden bzw. die Öffentlichkeit ausgerichtete 177 Vgl. zu den weiteren Kennzeichen Horak, C. (1995), S. 604, Haddad (1998), S. 58 und Berens, W./Karlowitsch, M./Mertes, M. (2000), S. 24. 170 Missionen verfolgen178, muss Rechnung getragen werden. In den meisten Fällen der bisherigen Balanced-Scorecard-Umsetzungen in diesem Sektor wurde deswegen eine Änderung der Grundstruktur der Balanced Scorecard bzw. der Strategy Map vorgenommen. Änderungen ergeben sich in der Reihenfolge der Dimensionen, die Ursache-Wirkungs-Beziehung, und in der Definition der Perspektiven. An oberster Stelle steht hier meistens die Mission, d. h. die oberste Auftragserfüllung. Darunter siedelt sich dann die Kundenperspektive an, die aus mehreren Dimensionen bestehen kann. Mögliche Kundendimensionen sind die potenziellen Nutzer, z. B. Studenten einer Universität, die Öffentlichkeit oder die Geldgeber wie Staat und Stiftung. Zur Erreichung dieser Kundenwertangebote sind wie gewohnt Ziele der Prozessperspektive und dann Ziele der Potenzialperspektive mit ihren langfristigen Leistungstreibern angesiedelt. Eine finanzielle Perspektive, die oft nur eine Kostenperspektive darstellt, kann z. B. an die Dimension der Kundenziele179 bzw. der Geldgeber, Rechenschaft für Verwendung der Gelder, oder an die Potenzialperspektive, Kapital als Potenzialfaktor zum Betrieb der operativen Leistungserstellungsprozesse,180 angesetzt werden. Eine nähere Erläuterung dazu geben die zwei Beispiele der City of Charlotte und des May Institute. Das Beispiel der City of Charlotte ist für den Non-Profit-Bereich sicherlich eines der meist genannten Beispiele. Schon 1990 legte sich die Stadt eine eigene Mission und Vision zu, die den Bürgern ein verbessertes Leistungsangebot bringen sollten: „Gemeinde mit hoher Wohnqualität, guten Arbeitsbedingungen und einem breiten Spektrum an Freizeitmöglichkeiten“.181 Bei den anfänglichen Umsetzungsbemühungen wurde eine ineffiziente Ressourcenallokation und Abstimmung der ersten, beschlossenen Maßnahmen festgestellt. Eine durchgängige Strategie zur Umsetzung der Mission fehlte. Deswegen wurden Projektteams ins Leben gerufen, die sich um die Konzeption einer Balanced Scorecard Lösung kümmern sollten. Ergebnis war im Jahre 1996 eine umfassende Balanced Scorecard Einführung über die verschiedenen Verwaltungsebenen der Stadt. Das Konzept besteht bis heute und wird laufend weiterentwickelt; so wurde die ursprüngliche Zahl der Ziele von 21 auf 18 reduziert.182 Nachfolgende Abbildung zeigt für den Gemeinderat der City of Charlotte eine Scorecard, die Teil der Gesamtkonzeption ist. 178 Nach Horak können für Non-Profit-Organisationen Leistungswirkungsziele, Leistungserbringungsziele, Potenzial- und Verfahrensziele und Formalziele unterschieden werden. Vgl. Horak, C. (1995), S. 603f. 179 Vgl. nachfolgendes Beispiel der City of Charlotte. 180 Vgl. nachfolgendes Beispiel des May Institute. 181 Kaplan, R./Norton, D. (2001), S. 123. 182 Aktuelle Informationen sind unter www.ci.charlotte.nc.us/cibudget/index.htm zu finden. 171 City Council Focus Areas Community Safety City within a City Restructering Government Transportation Economic Development Corporate Scorecard Customer Perspective Reduce Crime Increase Perception of Safety Strengthen Neighborhoods Enhance Service Delivery Maintain Competitive Tax Rate Provide Safe, Convenient Transportation Promote Economic Opportunity Financial Perspective Secure Funding Partners Maximize Benefit/Cost Grow the Tax Base Maintain AAA Rating Internal Process Perspective Enhance Customer Service Promote CommunityBased Problem Solving Improve Productivity Increase Infrastructure Capacity Learning & Growth Perspective Enhance Information Management Achieve Positive Employee Climate Close Skills Gap Abb. 13: Die Strategy Map des Gemeinderates der City of Charlotte für das Jahr 2002/03183 Erkennbar ist, dass abgeleitet aus den strategischen Themen die Kundenperspektive an oberster Stelle steht. Danach schließt sich die Finanz-, die Interne, Lern- und Entwicklungsperspektive an.184 Ein anderes an dieser Stelle aufgeführtes Beispiel soll das May Institute185 sein, das in den USA der größte Anbieter von psychologischen Betreuungsleistungen, im Bildungswesen und von Rehabilitationsprogrammen für Erwachsene ist. Ausgangspunkt für die Projektinitiierung der Balanced-Scorecard-Einführung war ein Expansionsplan und der Wunsch einer verbesserten Steuerungsmöglichkeit der zunehmenden Aktivitäten. Die Balanced Scorecard wurde anfangs von den dortigen Projektmanagern genutzt, um ihre jeweiligen Verbesserungsprogramme zu fördern. Erst nach einem Lernprozess wurde der Nutzen zur übergeordneten Strategiefestlegung erkannt.186 Daran zeigt sich der für Non-Profit-Organisationen typische Sachverhalt, dass die laufenden Aktivitäten schwer von der Strategie abgegrenzt werden können bzw. diese in eine übergeordnete Strategie zu integrieren. Für die Mitarbeiter stellt dies einen kulturellen Lernprozess dar. Wie an nachfolgender Grafik zu kennen ist, wurde die Kundenperspektive187 an die oberste Stelle platziert. 183 Die aktuelle Corporate Scorecard ist abzurufen bei City of Charlotte, URL: www.charmeck.org/ Departments/Budget+-+City/City+Budget+Dates+FY2004.htm. 184 Vgl. für eine ausführliche Beschreibung des Beispiels ICMA (2001) oder Kaplan, R. (1998a). 185 Weitere Informationen über die Organisation sind zu finden bei The May Institute, Inc., URL: www.mayinstitute.org. 186 Für eine weitere Bewertung des Beispieles s. S. Drucker Foundation (2001). 187 Für das May Institute setzt sich der Kundenkreis aus Konsumenten bzw. Patienten, Geldgebern, der akademischen Gemeinschaft, den Medien und dem Gesetzgeber zusammen. 172 Die Lern- und Entwicklungsdimension188 wurde direkt darunter neben die Prozesse gestellt. Die Inhalte der Finanzperspektive bedeuten für das Institut die Sicherung der Überlebensfähigkeit und somit die Voraussetzung für Mitarbeitervergütung und Bereitstellung der Infrastruktur. Ein bemerkenswerter Lerneffekt stellte sich bei den Mitgliedern des Aufsichtsrates ein, der sich vorwiegend aus Geschäftsleuten zusammensetzte, die auf traditionelle Geschäftszahlen fokussiert waren. Die Erkenntnisse aus der Entwicklung und dem Umgang mit der Balanced Scorecard bewirkten bei den Aufsichtsratsmitgliedern eine Awareness-Schaffung für wichtige strategische Themen, die Leistungstreiber für die Kundenangebote sind: z. B. bekamen Personalaufgaben, Personalqualifizierung und Rekrutierung einen wesentlich höheren Stellenwert in der Diskussion.189 Unsere Mission: Die Bereitstellung exzellenter Dienstleistungen, Forschung und Weiterbildung sowie das E rreichen hö chstmöglicher Standards in der psychologisch en Gesundheitsfürsorge und der Rehabilitation unserer Konsumenten, die Probleme wie Autismus, Gehirnsch ädigungen, mentalem Unvermögen und anderen physisch en und psychischen K rankh eiten gegenüberstehen. Durch die Zusammenarbeit stärken wir die individuelle Unabhängigkeit und fördern ein e maximale Integration in die Gesellsch aft. Kundenperspektive 1. Zufriedene Konsumenten, Familien und Geldgeber 2. Führungsposition in der Forschung 3. Verbesserung der Lebensqualität 4. Anerkennung der Führungsposition in den Medien und bei den Gesetzgebern —Objectives— Interne Perspektive Lern- und Entwicklungsperspektive 1. Effektive und umfassende Informationssysteme (externe und interne Kommunikation) 2. Effektive, umfassende und wirtschaftliche Versorgung der Konsumenten 3. Wahrung der Rechte, Verantwortung und Ethik durch Bewilligungsbüro 4. Effektive Zusammenarbeit und Partnerschaten mit weiteren Behörden und Anbietern 1. Einhaltung der Performanceverbesserung über PDCA Methoden 2. Karriereentwicklung und Übernahmen von Mentorschaften für alle Mitarbeiter 3. Strategische Job-Evaluation auf allen Ebenen 4. Produktiv arbeitende Mitarbeiter – gesteuert durch die Balanced Scorecard —Objectives— Finanzperspektive 1. Kontinuierliche Verbesserung der Vermögens- und Liquiditätssituation als Basis für neue Dienstleistungen 2. Effektive Verknüpfung von Entscheidungen sowie klinischen und finanziellen Datensystemen 3. Effektive Verknüpfung von Mitarbeitervergütung, Performance und Serviceangebot 4. Umfassende finanzielle Unterstützung sämtlicher Programme/Dienstleistungen Abb. 14: Die Balanced Scorecard des May Institute190 188 Der Mitarbeiterbereich hat für das May Institute einen sehr hohen Stellenwert, da nach seiner Meinung die Qualität der Mitarbeiter den größten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit hat. 189 Vgl. Kaplan, R./Norton, D. (2001), S. 132. 190 Nach Kaplan, R./Norton, D. (2001), S. 133. 173 C.5. Eine Balanced Scorecard für die Universität der Zukunft In einem nächsten Schritt soll die Anwendbarkeit des Balanced Scorecard Konzeptes für die spezifische Form der Non-Profit-Organisationen der Universität näher analysiert werden.191 Dazu werden zuerst aktuelle Entwicklungen aufgezeigt, um dann in einem zweiten Schritt exemplarisch mögliche Formen der Balanced Scorecard Umsetzungen für Universitäten in Deutschland zu entwickeln, wie sie zukünftig Einzug in den Universitätsalltag halten könnten. Für Universitäten gelten die gleichen Eigenschaften wie für die Non-Profit-Organisationen im Allgemeinen.192 Zusätzlich können speziell für Universitäten geltende Eigenschaften genannt werden: So dominiert als Ressource und Output der Mensch, das Humankapital, den Leistungsprozess. Universitäten sind an abweichende Weisungsrichtlinien gebunden. Herrschen in Lehre und Forschung eine Ungebundenheit vor, ist die Universität bei Ressourceneinsatz oder Personalpolitik bestimmten gesetzlichen Rahmenbedingungen unterworfen oder es ist bei einer Vielzahl von Universitäten ein ständiger Finanzierungsengpass festzustellen. Doch neben diesen konstanten Eigenschaften ist ein Wandel in der Universitätswelt festzustellen. Angesichts von Globalisierungstendenzen, dem Streben nach höherer Effizienz in den Universitätsprozessen, verstärkter Konkurrenz durch andere Ausbildungsformen oder der Forderung nach praxisgerechter Ausbildung mit kurzen Studienzeiten, um nur ein paar Beispiele zu nennen, ist ein Trend zu Reformbewegungen und Reorganisationsprozessen zu erkennen.193 Beispiele für diese Reformbewegungen sind die Einführung von neuen Studienabschlüssen194, neuen Prüfungsordnungen195 oder eines Universitätscontrolling mit der Unternehmenssteuerungs-Software SAP.196 Aber auch für die Unterstützung der Strategieentwicklung, deren Kommunikation und Steuerung sind innovative Instrumente im Kommen. Wie bei den schon vorgestellten Beispielen der Non-ProfitOrganisationen wird auch für Universitäten die Nutzung der Balanced Scorecard für diesen Bereich in Erwägung gezogen. Weltweit lassen sich bereits einige, wenige Vorreiter in der Universitätswelt erkennen, die sich mit der Thematik der Balanced Scorecard beschäftigen oder sie bereits eingeführt haben: • In Finnland formierte sich 1998 ein Konsortium aus drei Universitäten, dem Bildungsministerium und einem lokalen Software-Anbieter, zusammen, um ein Konzept für Balanced Scorecard an finnischen Universitäten zu entwickeln.197 • Das australische Commonwealth Department of Education, Science and Training empfiehlt den Einsatz von Balanced Scorecard zum Benchmarking von Universitäten.198 • An der Corporate University der Anheuser-Busch Brauerei wurde Ende der 90er eine Balanced Scorecard zur Organisationssteuerung eingeführt.199 191 Vgl. Deking, I. (2002). Vgl. vorhergehenden Abschnitt. 193 Zu Gründen von Reformprozessen an Universitäten vgl. Einig, B. (2001), S. 412ff. 194 Zu denken ist hier z. B. an den aus der anglo-amerikanischen Welt übernommenen Abschluss des Bachelor nach 6 Semestern. 195 So konnte das sogenannte Credit-Point-System an vielen Universitäten die durchschnittliche Studienzeit verkürzen. 196 So gibt es auch an der Technischen Universität München eine SAP-Einführung. Mehr Informationen zu SAP-Einführungen direkt bei SAP AG, URL: www.sap.com. 197 Vgl. Lindgren, N./Lappalainen, A. (1999) und Hölttä, S./Lappalainen, A. (1998). 198 Vgl. McKinnon, K./Walker, S./Davis, D. (2000). 192 174 • Die umfassendsten und am weitesten fortgeschrittenen Entwicklungen zur Balanced Scorecard im Universitätsbereich finden sich in Kalifornien. Der dortige Universitätsverbund Universities of California, der sich aus neun individuellen Universitäten zusammensetzt200, hat ein Rahmengerüst für eine Balanced Scorecard Architektur erarbeiten lassen, das von den einzelnen Universitäten entsprechend ihrer Anforderungen umgesetzt wurde.201 Entwicklungen an der University of California Von den letztgenannten sollen zwei Beispiele herausgegriffen und vorgestellt werden: Die Balanced Scorecard an der University of California in San Diego und in Berkeley.202 University of California at San Diego (UCSD) Der Startschuss für die Balanced Scorecard Einführung an der UCSD fiel 1993, nachdem schon 1991 ein erstes Konzept für eine zeitgerechte Management-Struktur für den Universitätsbetrieb erarbeitet wurde. Am Anfang stand der Vergleich von Leistungsprozessergebnissen zu national vergleichbaren Institutionen. 1993 begann man für 30 Geschäftsfunktionen der Universitätsverwaltung über die Gebiete des Lehrens, des Lernens und der Forschung eine regelmäßige Befragung der Studenten und Mitarbeiter durchzuführen. 1997 wurde das Balanced-Scorecard-Konzept mit der Aufnahme von finanziellen Daten komplettiert. Die Balanced Scorecard ist auf den Business-Administration- und -Operations-Bereich der Universität ausgelegt und bisher noch nicht auf den akademischen Bereich ausgedehnt. Daher erklären sich die stark vertretenen Prozessziele und die Ziele über den Erfüllungsgrad der Leistungen gegenüber allen Kundengruppen, die in der folgenden Darstellung der Balanced Scorecard zu entnehmen sind. 199 Vgl. o. V. (1999). Dazu gehören die Universitäten von Berkeley, Davis, Irvine, Los Angeles, Riverside, San Diego, San Francisco, Santa Barbara and Santa Cruz. Vgl. Hafner, K. (1998), S. 5. 201 Vgl. Kennedy, W. 2000. 202 Mehr Informationen zum Gesamtkonzept aller Universities of California sind anschaulich unter UC Business Initiatives, URL: www.ucop.edu/ucophome/businit. 200 175 Customer Perspective: How do customers see us? •Customer satisfaction •Value to stakeholders Innovation & Learning Perspective: How do our employees feel? Vision: Building the world`s best university partnership with our faculty an academic leadership •Employee satisfaction •Skilled workforce aligned to the mission •Effective use of technology •Entrepreneurial and innovative culture •Continuous improvement Internal Process Perspective: Are we productive and effective? •Policy effectiveness •Process efficiency •Anticipation of the future •Accountability Financial Perspective: How do we look to resource providers? •Stewardship & fiduciary responsibility •Cost effectiveness •Revenue generation Abb. 15: Die Balanced Scorecard des Business Administration & Operations der University of California203 Die Daten für die Befüllung der einzelnen Ziele stammen, wie teilweise schon erwähnt, für die Finanzperspektive aus den klassischen Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen und Budgetberichten. Für die Kunden-, Innovations- und Lernperspektive setzen sich die Informationen aus Befragungsergebnissen zusammen, die regelmäßig bei Studenten, Wissenschaftlern und weiteren Universitätsmitarbeitern erhoben werden. Für die interne Geschäftsperspektive werden Produktivitäts- und Effizienzkennzahlen genommen. Über alle Perspektiven wird so weit wie möglich versucht, alle Daten mit vergleichbaren Universitäten zu benchmarken. Der Benchmarking-Service wird von der NACUBO-Organisation204 bereitgestellt.205 Was man vermisst, ist die Darstellung und die dafür notwendige vorherige Herunterbrechung der strategischen Ziele aus den Oberzielen der Universität. Eine Übersicht über die Wirkungs-Ursachen-Beziehungen, z. B. in Form einer Strategy Map, ist nicht zu finden. Daran kann man denn auch die Nutzung der Balanced Scorecard an der UCSD erkennen: Es liegt nicht der Fokus auf Strategieentwicklung und -kommunikation, sondern mehr auf dem Performance Measurement und dessen Außendarstellung. Die Anwendung lässt sich auch anhand des nachfolgend dargestellten Performance-Management-Prozesses der Universität erkennen. Im Großen ist er auch auf andere Universitäten übertragbar, sollte aber um die Komponenten der Strategieentwicklung und nach der Aufstellung der Ziele durch Indikatoren und die strategische Maßnahmenplanung ergänzt werden.206 Neben nachweislich erzielten Kosteneinsparungen und Effektivitätssteigerungen bei einigen Universitätsprozessen kann als Erfolg der Wandel hin zu einer leistungsorientierteren Kultur gesehen werden. Die Einschätzung von Kristine Hafner gibt zusammenfassend die Beurteilung von Seiten der Universität wieder: „The balanced scorecard has helped sharpen our focus and better align our day-to-day activities with longer-term strategies. In the process, we are also building trust, better 203 Nach Hafner, K. (1998) und Relyea, S./Hafner, K. (1998). Mehr Informationen sind hierzu unter www.nacubo.org zu finden dazu sind zu finden bei NACUBO, URL: www.nacubo.org. 205 Vgl. Relyea, S. (1998). 206 Einen vollständigen Managementprozess s. S. Norton, D./Kappler, F. (2000), S. 16. 204 176 collaboration and dialogue, higher levels of active employee participation in shaping the future of our operations, and a culture of evidence, where performance information is woven into the fabric of our administrative management philosophy.”207 Festlegung der Vision Feedback, Kommunikation, Lernen Ableitung der Ziele Kopplung zu MitarbeiterAnreizsystem Aufstellen der Meßgrößen Bezug zu Maßnahmenplan herstellen Zusammenführen zur Balanced Scorecard Leistungsfeststellung/ Benchmarking Sammlung und Analyse der Daten Abb. 16: Der Performance Management Process der University of California208 University of California at Berkeley209 Aufbauend auf dem gleichen Framework wird auch in Berkeley mit der Balanced Scorecard gearbeitet. Sie ist hier ebenfalls für den Business Administrative and Service-Bereich ins Leben gerufen worden. Zum Jahresbeginn 2002 erfolgte dort bereits in 8 der 19 Units eine Umsetzung. Der Unterschied zu San Diego liegt neben Detailfragen zu Metriken und Bezeichnungen in dem noch engeren Strategiebezug, was auch das Ziel der Balanced Scorecard Einführung in Berkeley zum Ausdruck bringt: „The aim of our Balanced Scorecard is to implement strategy by promoting the best alignment of our people, our processes, and our resources to fulfill our customers' needs. Each of our initiatives for improvement will contribute to one or more of these strategic pillars.” Mit der Mission wird das Ziel zum Ausdruck gebracht, die strategischen Vermögenswerte in Kundenwertangebote zu transformieren. Daraus ergeben sich die vier Dimensionen der Balanced Scorecard: Service, Kundenwerte als oberster Ouput, People, Fähigkeiten, Kompetenzen und Motivation der Mitarbeiter, Resources, physische und finanzielle und Processes. Durch die vier Perspektiven ziehen sich wiederum vier Themen, die als strategische Oberziele dienen und Ausgangspunkt für weitere Unterziele sind, wodurch ein Zielsystem aufgestellt werden kann. Die strategischen Oberziele und mögliche Unterziele sind: 207 Hafner, K. (1998), S. 13. Nach Hafner, K. (1998), S. 14. 209 Alle Informationen zur Balanced Scorecard Einführung und Nutzung sowie deren jährliche Ergebnisdarstellung sind ausführlich unter UC Berkeley, Our Balanced Scorecard, URL: 128.32.241.181/BalancedScorecard/Home.htm zu finden. 208 177 • Expand our vision: new ways of doing business, new services, products & markets • Increase value for our customers: lower costs, faster turnaround, more accurate and effective service, better interpersonal relationships… • Achieve operational excellence: improve productivity, redesign processes • Engage the larger community (our wider base of customers): use our resources to address community needs, share knowledge, expertise, and viewpoints, influence regulations and legislation, always seek to identify and achieve the greater public good Die strategische Ausrichtung des Universitätsbereiches ist in nachfolgender Abbildung zusammengefasst. Resources: We use our resources wisely People: We enable and develop our people for progress Engage the Larger Community Processes: We continously improve our processes Achieve operational Excellence Increase Value for Customers Expand Vision Service: We anticipate and respond to the needs of our customers Abb. 17: Die strategischen Themen und Dimension des Balanced-ScorecardAnsatzes in Berkeley Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass bei beiden dargestellten Beispielen der Fokus der Balanced Scorecard Anwendung auf der Leistungssteuerung, deren Kontrolle sowie der Kommunikation liegt. So sind alle Daten für jedermann frei erhältlich und z. B. einfach im Internet abzurufen. Nicht so stark wird die Balanced Scorecard zur Unterstützung von Neuentwicklungen von Strategien genutzt. Die Inhalte der Scorecards beziehen sich auf die klassischen Indikatoren zur Universitätsprozessbeurteilung, insbesondere auf die Universitätsverwaltung. Inhaltliche strategische Themen zur akademischen Lehre und Forschung fehlen bis auf die Prozessbetrachtung. Einen Schritt weiter gehen einige der anderen Universitäten wie die UC Davis, die auch für den akademischen Bereich, z. B. für einen Lehrstuhl oder eine Fakultät, einen Vorschlag bereithält. Nachfolgende Grafik gibt einen möglichen Überblick über potenzielle strategische Fragen, die den 178 einzelnen Dimensionen zugeordnet sind und Hinweise für die individuelle Bestimmung von Zielen und Indikatoren liefern kann. I. Financi al Perspective Are financial resources managed to ensure achievement of the unit's vision? • What steps has this unit taken to ensure that it has the fiscal cap acity to maintain and ren ew itself? • Are its resources deployed in a manner consistent with its vision and with campus-wide priorities? (How could reallo cation of existing resources better serve its vision?) • Is this unit getting the most it can from its existing resources? • How successful have development efforts b een? • Is the funding request consistent with the campus' long-term plan fo r this unit? III. Internal Process Per spective Has the unit designed its key internal processes to ensure achievement of its vi sion? • • • • How good is the unit's planning pro cess? What is the level and quality of faculty involvement? Does this unit successfully execute its academic plans? How successful has this unit been in recognizing and capitalizing on major extramural funding opportunities? • How efficient are key administrative pro cesses in this unit? • Does the unit administer its key pro cesses in a quality, timely manner? • Does the unit continuously improve its pro cesses and services? IV. Innovation and Renewal Perspective II. Stakeholder Perspective To achieve its vi sion, how should the unit appear to key external constituencies? • How do extramural funding and accrediting agen cies (federal, state, private) view this unit? • How do acad emic peers view this unit? • How do current and prospective students view this department? • How do alumni view this unit? • What role does this unit play in campus/ community relationships? • How do key stakeholders (e.g. Regents/legislature) view this department? Does the unit have in place the mechanisms which enable it to sustain excellence over time? • If this unit is outstanding, what are the th reats to its continued vitality? What steps has the unit taken to recognize and manage th ese threats? • If this unit is very good, in what key areas must it improve to become an outstanding department? • If this unit is mediocre, do we (1) take steps to en courage improvement, or (2) redirect resources to more promising endeavors? • Is this unit successful in recruiting and retaining: • a faculty complement that is consistent with its vision? • a staff complement that efficiently and effectively serves the unit’s mission? • Is the unit providing faculty and staff with the required training and tools? Abb. 18: Beispielfragen zur Ermittlung der Balanced Scorecard Ziele für einen akademischen Bereich210 Die Bestrebungen in den USA bezüglich der Balanced-Scorecard-Umsetzungen an Universitäten sind sicherlich noch nicht so weitgehend und ganzheitlich angelegt wie dies schon im privatwirtschaftlichen Bereichen bei vielen Unternehmen gemacht worden ist. Optimierungspotenzial besteht in der stärkeren Betonung der Strategieentwicklung und Ausdehnung der Themen auf den akademischen Bereich. Nichtsdestotrotz stellen diese Bemühungen einen großen Schritt zur Reorganisation der Universitätssteuerungsprozesse dar. Die Balanced Scorecard für die Universität der Zukunft in Deutschland Aufbauend auf den Erkenntnissen des originären Balanced-Scorecard-Konzeptes und den Umsetzungen in privatwirtschaftlichen Unternehmen sowie bei den amerikanischen Universitätsbeispielen, soll nun ein mögliches Vorgehen für zukünftige Umsetzungen an deutschen Universitäten gegeben werden. Die vorgestellten Ideen 210 In Anlehnung an UC (2000). 179 sind für die oberste Universitätsleitung gedacht und können eine sogenannte TopBalanced-Scorecard darstellen. Eine weitere Kaskadierung auf weitere Universitätsbereiche wie Fakultäten, Lehrstühle, zentrale Serviceeinheiten und evtl. auch auf den einzelnen Universitätsangestellten ist möglich und anzustreben. Die Intention der nachfolgenden Ausführungen liegt nicht in der möglichst detaillierten Beschreibung der Messbarkeit von Universitätsprozessen und -vermögenswerten, sondern in der Darstellung der Möglichkeit die Universität stärker hin zu einer strategiefokussierten Organisation zu bewegen. Als Kunden bzw. Stakeholder sind die Studenten, die Gesellschaft und Fachöffentlichkeit, die Wirtschaft und der Staat zu betrachten. Die Kundenleistungen erstrecken sich auf oberster Abstraktionsebene über die Lehre und die Forschung zu Imagetransferleistungen.211 Die Breite und Tiefe der einzelnen Angebote bei Lehre und Forschung hängt von der strategischen Ausrichtung der Universität ab, über die sie sich im Vorfeld einigen sollte. Analog zu den Wettbewerbsstrategien von Unternehmen nach Porter212 oder Treacy und Wiersma213 können auch für Universitäten vier grundsätzliche Wettbewerbsstrategien aufgezeigt werden:214 • spezialisierte Forschungsuniversität; Schwerpunkt auf öffentlicher und privater Forschung bzw. Vertragsforschung über wenige, hochaktuelle Themen; • breit angelegte Forschungsuniversität; Schwerpunkt auf anwendungsnaher, oft interdisziplinärer Forschung; • breit angelegte Ausbildungsuniversität; Schwerpunkt auf hoher Lehrqualität mit breitem Fächerangebot und internationaler Ausrichtung; • spezialisierte Ausbildungsuniversität; Schwerpunkt auf Ausbildung in spezialisierten Gebieten mit dem Ziel, internationales Renommee zu erlangen. Für das optimale Angebot der jeweiligen Kundenleistungen sind entsprechende Universitätsprozesse zu durchlaufen und zu managen. Als Prozesskategorien können z. B. vier Bausteine einer Universitätswertschöpfungskette definiert werden: Forschungs-, Kundenmanagement-, operationale und Kommunikationsprozesse. Zum erfolgreichen Betrieb dieser Prozesse sind die verschiedenen Ressourcen notwendig. Als interne Lern- und Entwicklungspotenziale können z. B. bestimmte Wissensfelder, wichtige Technologien, ein hochqualifizierter Mitarbeiterstab oder auch das Universitätsklima angesehen werden. Eine wichtige Ressource stellt die Finanzbasis dar. Zu dieser Finanzperspektive gehört einerseits die Sicherstellung ausreichender Finanzierungsquellen aus öffentlicher und privatwirtschaftlicher Hand und andererseits der effiziente Umgang mit den Geldern, die Kostenkontrolle. 211 Für den Imagetransfer gibt es mehrere Möglichkeiten. Z. B. kann ein Student stolz sein, an einer renommierten Universität zu sein oder der Staat freut sich über eine große Anzahl von Universitäten mit Weltruf. 212 Vgl. Porter, M. (1992), S. 31ff. 213 Vgl. Treacy, M./Wiersma, F. (1995), S. 31ff. 214 Die Einteilung der Wettbewerbsstrategien für Universitäten basiert auf vorausgegangenen Überlegungen innerhalb dieser Studie. 180 Kundenperspektive Erfüllung der Universitätsmission Wertangebot für den Kunden Stakeholder Gesellschaft Wirtschaft Finanzperspektive Lernen & Entwicklung Prozeßperspektive Kundenakquisition Leistungsangebote Staat Kundenzufriedenheit „Teamorientierte Zusammenarbeit, Kooperationen und Vernetzung“ (Forschungsprozesse) Breite Ausbildung Spezialisierte Ausbildung Breite Forschung Spezialisierte Forschung Studenten Lehre Forschung Image Kundenbeibehaltung „Erreichung der operationalen Exzellenz“ (Operationale Prozesse) „Steigerung des Kundennutzens“ (Kundenmanagementprozesse) „ Aufbau internationaler Reputation“ (Kommunikationsprozesse) Hochqualifizierte Wissenschaftler und motivierte, geschulte Arbeitskräfte Aufbau strategisch er Kompetenzen und Wissen Erwerb und Entwicklung strategisch er Technologien Förderung Wissenschaftsnachwu chs Sicherung der Finanzbasis Aktivitätsorientiertes Klima Kostenkontrolle Erwerb von Drittmitteln (Vertragsforschung) Zufriedenstellung der Stakeholder, Sicherung der Förderung Verbesserung der Kostenstruktur • Neue Umsatzquellen • Kundenrentabilität • Kosten je Einheit Verbesserung des Auslastungsgrades der Vermögenswerte • Auslastungsgrad der Vermögenswerte Abb. 19: Vorlage einer Strategy-Map für Universitäten215 Aus diesen Überlegungen lässt sich analog zu der schon gezeigten Strategy Map von Kaplan/Norton eine Vorlage für eine Strategy Map für Universitäten generieren, bei die Kundenperspektive an oberster Stelle steht und sich die weiteren Dimensionen der Prozesse, der internen Potenziale und der Finanzen anschließen (vgl. vorherige Abbildung). Die Strategy Map kann der Universitätsleitung als zentrales Instrument dienen, ihre Vision und strategische Grundausrichtungen in strategische Oberthemen und abgeleitete strategische Zielsetzungen zu übersetzen. In Ergänzung mit der Festlegung von entsprechenden Indikatoren für die Ziele und Bestimmung von Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten Ziele ergibt sich dann das gesamte Balanced-Scorecard-Konzept für eine Universität. Dieses sollte natürlich in den schon dargestellten Managementprozess der Balanced Scorecard eingebettet sein, der als kontinuierlicher Prozess von der Strategiedefinition bis zum regelmäßigen Feedback reicht.216 Eine mögliche Umsetzung für eine breitangelegte Forschungsuniversität zeigt nachfolgendes Schaubild. Die Balanced Scorecard arbeitet hier mit fünf Perspektiven; aufgrund der Betonung der Ausbildungsqualität könnte eine eigene 215 Das vorherige Beispiel von Kaplan, R./Norton, D. (2001), S. 88 wurde hier auf die spezifischen Eigenschaften von Universitäten angepasst. Das Beispiel zeigt eine Fokussierung für eine spezialisierte Forschungsuniversität. 216 Vgl. Norton, D./Kappler, F. (2000), S. 6 und das Beispiel der University of California. 181 Lehrdimension aufgenommen werden. Die Dimensionen sind auf drei Ebenen angesiedelt217, einer Leistungswirkungsebene, der Kunden- und Lehrperspektive, einer Verfahrensebene, der Prozessperspektive und einer Potenzialebene, der Innovations-, Lern- sowie Finanzperspektive. In der Dimension sind die einzelnen strategischen mit möglichen Messgrößen abgebildet. Es ist zu erkennen, dass entscheidende Elemente als Input oder Output einer Universität Komponenten des Intellectual Capital sind. Aus diesen aufgezeigten Analysen können im Rahmen einer Balanced Scorecard Einführung an Universitäten nachhaltige Vorteile generiert werden:218 • Die Balanced Scorecard kann auch bei Universitäten über alle Stufen den Strategieprozess wirksam unterstützen; Entwicklung, Steuerung, Kontrolle. • Die Universitätsleitung kann die Übersetzungs- und Kommunikationsfunktion der Balanced Scorecard als wichtige Eigenschaft für sich nutzen; oft erstmalige Missionsformulierung. • Die Balanced Scorecard basiert auf Abstimmungsprozessen, die im Gegensatz zu reinen Top-down-Implementierungen von Anfang an Commitment erzielen wollen. • Da das Steuerungssystem zudem nicht zwangsläufig finanzielle Aspekte fokussiert, sind niedrige Akzeptanzprobleme zu erwarten. • Die Gefahr der Übersteuerung ist gering, da Universitäten selten über ausgeprägte Management-Informationssysteme verfügen. • Explizite Berücksichtigungsmöglichkeiten von bedeutenden qualitativen Größen und immateriellen Werten wie Intellectual Capital, insbesondere Humankapital, ist möglich. • Rahmen, Ziele und Steuerungsgrößen können exakt auf den Kontext der einzelnen Universität zugeschnitten werden. • Eine Überwindung der kameralistischen Betrachtungsweise und eine verbesserte Diskussionsbasis über die Ressourcenzuordnung und -entwicklung wird unterstützt. • Eine abgestimmte Implementierung ist über die verschiedenen Organisationseinheiten möglich; Leitung, Fakultäten, Lehrstühle, zentrale Einheiten. 217 218 Zu den Ebenen vgl. ähnlich Horak, C. (1995), S. 603f. Vgl. ähnliche Nutzenbeschreibungen bei Lindgren, N./Lappalainen, A. (1999), o.V. (1999), Relyea, S./Hafner, K. (1998), McKinnon, K./Walker, S./Davis, D. (2000), Kennedy, W. (2000) und UC (2000a), S. 33ff. 182 Leistungswirkungsebene Universitätsmission: “Wir verstehen uns als breit angelegte Forschungsuniversität, die interund transdisziplinäre Forschung betreibt und eine hochqualitative Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zum Ziel hat..” Kundenperspektive —Objectives— Forschungsperspektive 1. Steigerung von Industriepartnerschaften (Anzahl Kooperationen) 2. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (Übernahmequoten von Studenten in die Organisation) 3. Verbesserung Imageposition in Gesellschaft (Ratingeinstufung) 1. Erzielung herausragender, interdisziplinärer Forschungsergebnisse (Ratings) 2. Sicherstellung hoher Ausbildungsqualität (Studentenbefragung) 3. Internationalisierung (Ausländeranteil bei Mitarbeitern und Anzahl internationaler Forschungsprojekte) Verfahrensebene Prozeßperspektive 1. Einführung von e-Business-Lösungen für die Universitätsverwaltung und bei Interaktionen mit Stakeholdern (Anteil an Gesamtprozessen) 2. Reduzierung von Studienzeiten (durchschn. Dauer) 3. Bereitstellung moderner Infrastruktur für Forschung und Lehre (Befragungsergebnisse) Innovations- & Lernperspektive Potentialebene —Objectives— Finanzperspektive 1. Kostenkontrolle (Budgeteinhaltung) 2. Überdurchschnittliche Generierung von Drittmitteln (Überregionales Benchmarking) 3. Umsatzsteigerung aus Lizenz-und Patentvermarktung sowie Merchandising (Umsatzsteigerung) 1. Erreichung und Sicherstellung hoher Mitarbeiterzufriedenheit (Zufriedenheitswerte) 2. Schaffung eines einheitlichen Wissensmanagement (Ergebnis KM-Assessment) 3. Gewinnung Professoren mit Schlüsselqualifikationen (Abgleich Anforderungsprofil) Abb. 20: Eine Balanced Scorecard mit Zielen und möglichen Messgrößen (in Klammern) für eine breit angelegte Forschungsuniversität 183 C.6. Schlussfolgerungen und Grenzen für das Management von Wissen in Universitäten Die folgenden Zitate zur grundsätzlichen Frage der Führbarkeit von Universitäten sollen den Beitrag beschließen219. Sie machen die grundlegende Problematik deutlich, der eine Strategieimplementierung in Universitäten gegenübersteht. Sie zeigen aber zugleich auch die Notwendigkeit der Führung trotz jeder Führbarkeitsproblematik. Sind Universitäten führbar? Zitate von Entscheidungsträgern in Leitungsfunktionen von Universitäten. Es handelt sich dabei um Antworten auf die Frage "Sind Universitäten führbar?". Die Zitate entstammen Interviews, die im Rahmen eines Forschungsprojektes des Instituts für Organisation und Lernen der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Innsbruck unter dem Titel Steuerung und Veränderungsfähigkeit von Universitäten durchgeführt wurden (Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft 2000). Frage: Sind Universitäten führbar? Antwort: Ich hoffe. Frage: Worauf gründet sich Ihre Hoffnung? Antwort: Warum sollten sie nicht führbar sein? Frage: Sind Universitäten führbar? Antwort: Man kann die Universität sicher managen - ob man sie führen kann, weiß ich nicht, weil Führung hieße, dass man ein Ziel hat. Frage: Sind Universitäten führbar? Antwort: Grundsätzlich sind natürlich Universitäten führbar. Ist ja klar. Allerdings ist die Führung aufgrund diverser - sagen wir einmal - Imponderabilien - besonders schwierig und erfordert natürlich ein besonderes Maß an Führungsqualität. Frage: Was wären solche Imponderabilien? Antwort: Ach, das will ich gar nicht näher ausführen, sonst wird das Interview zu lang. Frage: Sind Universitäten führbar? Antwort: (Kichern) Universitäten werden geführt. Da müssen sie in irgendeiner Weise auch führbar sein. Das ist natürlich partiell so, dass dieses Führen darin besteht, bestimmte Prozesse zu moderieren und nach Möglichkeit so zu moderieren, dass sie in eine generelle Linie hineinpassen. Frage: Sind Universitäten führbar? Antwort: Ich würde sagen, nein. Diese Meinung, dass sie eigentlich nicht führbar sind, hat sich vor etwa 20 Jahren festgesetzt in mir, und es sind eigentlich keine überzeugenden Gegenbeweise gekommen bis jetzt. Frage: Sind Universitäten führbar? Antwort: Ob sie führbar sind - weiß ich nicht. Aber geführt müssen sie werden, wie jede Einrichtung. Aber das ist halt so etwas Merkwürdiges. Die Balanced Scorecard wurde im vorliegenden Beitrag als strategisches Instrument des Wissensmangements und der Steuerung von Universitätsprozessen vorgestellt und diskutiert. Dabei wurde ihr in erster Linie die Rolle eines Instruments zur 219 Vgl. Wissenschaftliche Kommission Hochschulmanagement, URL: www.wiso.uni-dortmund.de/ LSFG/E/wisskom/projuibk.htm. 184 Initiierung und Moderation von Kommunikationsprozessen zugeschrieben. Versteht man strategisches Wissensmanagement als Werkzeug wettbewerbsstrategischer Positionierung der Universität, so geht es im Kern darum, die universitären Informations-, Kommunikations- und Wissensstrukturen in einer Weise zu gestalten, die die Umsetzung der gewählten Wettbewerbsstrategie der Hochschule effektiv und effizient unterstützt. Aus dieser Perspektive wird die Balanced Scorecard zu einem möglichen Schlüsselkonzept der Strategieimplementierung, das den Fokus auf Information, Kommunikation und Wissen setzt, das Kommunikationsprozesse initiiert und moderiert und somit organisatorischen Wandel gerade in einer Wissensorganisation gestaltbar macht. Dass Strategieimplementierung auf Basis derart moderierter Kommunikation immer auch fortwährende Prozesse der Strategiereflexion und –redefinition mit sich bringt, macht die Universität – so steht zu hoffen - zu einer lernenden, nicht nur lehrenden Institution. 185 C.7. Literaturverzeichnis Ackermann, K.-F. (2000): Balanced Scorecard für Personalmanagement und Personalführung, Wiesbaden. Anker, G./Hugl, U./Laske, S. (2000): Universitätsentwicklung und neue Medien, Wiesbaden. Argyris, C./Schön, D. A. (1978): Organizational learning: a theory of action perspectives, Reading MA. Badelt, C. 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Internationally, there has been an explosion in policy studies, experiments in inter-governmental cooperative programs, and new initiatives in virtual education by universities, both private and public. Some of the experiments are driven by the desire of quality universities to enhance their offerings and to differentiate themselves from lower tier institutions; some are driven by upstart universities seeking cost-effective means for expanding their student enrolments under conditions of constrained resources, in competition with the more established universities; while others are founded on public policy goals of expanding access to university education to social groups previously excluded from participation. Some are even motivated simply by the desire of universities to make money by serving new “markets“ for educational services. The time has come to take stock. We need to assess the variety of models extant so that we may discern which strategies are realistic and sustainable, in a pragmatic sense, and which strategies are educationally valuable for students. We also need to understand under which circumstances each of the ideal models may be feasible and, by implication, what concomitant resources and arrangements need to be put in place to ensure success. The explosion of experimentation with the virtual university has taken place concurrently with the creation and rapid development of the World Wide Web. Many of the experiments have been founded on application of Web technologies and associated innovations in computing and information technology. The rapid pace of technological change has allowed little time for the development of solid theoretical frameworks to guide planning and decision making. Many educational institutions have been swept up in a fashion of “technologizing“ education with only minimal understanding of the pedagogical, managerial and financial implications of their actions. In short, the plethora of virtual education experiments we have witnessed during the last decade has been driven as much by opportunism, enthusiasm for new technology, and a desire to “let’s try it and see what happens,“ as by careful consideration of pedagogical processes, educational goals, and organizational realities. Following the maelstrom of virtual education experiments through which we have just journeyed it is now prudent to step back and reflect theoretically about the nature of the phenomenon. With this goal in mind, this chapter will attempt to systematically map the variety of forms of university-level virtual education, identify vari197 ous best-practice examples, and outline some of the strategic issues associated with selected approaches. WHAT IS VIRTUAL UNIVERSITY EDUCATION? The predominant understanding of “virtual education“ found in the literature, and among practitioners, is that it is education delivered through the internet or delivered via some other platform of information and telecommunication technologies. In this study we define “virtual university education“ as university education in which the relationships between the students and the primary faculty and facilities of the university are either extended spatially or mediated by technological or organizational vehicles. In other words, it is university education that takes place indirectly rather than through direct contact with the university’s primary faculty and facilities at its primary location. Rather than focus on just one type of virtualization — technology mediated education — we differentiate between three different categories of virtualization of university education: technological virtualization, geographical virtualization, and organizational virtualization. Each category has its own unique logic, its own distinctive advantages, and its characteristic problems. These categories may be characterized as follows. Technological Virtualization of Education Technological virtualization of education exists when the learning processes of students are mediated by technology. Technological virtualization is the creation of “virtual classrooms” through use technological frameworks such as internet learning platforms, multi-media telecommunications systems, or other configurations of information and communications technology. Technological virtualization may take place either on the main facility of the university or as a component of distance education. Geographical Virtualization of Education Geographical virtualization is the distribution of educational activities (or the “classroom”) over multiple geographical locations. In other words, physical space may mediate the relationship between the students and the primary faculty and facilities of the university. Organizational Virtualization of Education Organizational virtualization is the use of inter-organizational arrangements for the delivery of educational programs. In other words, a university may choose to cooperate with, or enter into contractual arrangements with, other organizations for part, or all, of the educational process. A third party may mediate the relationship between students and the primary faculty of a university, in whole or part. 198 In principle, as illustrated by various examples outlined below, each type of virtualization can develop in its own right, independently of the others. As a general tendency, however, most universities tend to combine more than one type of virtualization at the same time. From the perspective of strategy the really interesting challenge is to understand the general pattern of the relationships between the three different types of virtualization. In other words, while the three different types of virtualization are discrete categories, independent of each other, it may be that under certain circumstances the implementation of one type of virtualization may be necessary for the optimal implementation of another type. For example, while it is certainly possible for a university to provide courses of study at multiple geographical locations, without the use of modern communications technology and without employing the services of other organizations as subcontractors, there may in fact be good reasons to consider doing both of those things. While it is indeed possible for conventional “chalk and talk” classroom instruction, or classroom-based discussion modalities, to be employed in satellite locations, a university may nevertheless find that the quality of its students’ education may be enhanced by combining remote instruction with technology-mediated learning or by utilizing the services of outside experts in that remote location. The special challenge here, for educators, is to determine when is it appropriate to combine different types of virtualization, and how the optimum mix can be determined for each particular situation. In this chapter we seek to provide a first attempt to answer these questions. We do this by reporting our observations of some representative examples, using the categorization scheme we have developed. In particular, we seek to provide provisional answers to these questions by examining what kinds of organizational arrangements seem to be indicated when various combinations of geographical and technological virtualization are combined. In a sense, we view organizational arrangements as necessary aspects of strategy for successful geographical and technological virtualization. Before summarizing the variety of categories of virtual university education that we have identified, it is appropriate to outline some of the key themes that underlie our approach. BASIC THEMES IN MANAGING THE VIRTUALIZATION PROCESS Given that so much of what is going on in university virtualization is centered on the use of new technology it is important to place the technological dimensions of the process in a normative context. First, it is imperative that choices of educational mode not be driven by naive and uncritical acceptance of the latest technology. The choice of technologies and the choice of technical systems by universities should be driven by their educational, organizational, and geographic goals, together with a prudent assessment of their business circumstances — not the other way around. It is particularly important that educational considerations be given the strongest weighting in the decision-making and design of virtualization strategies. 199 Second, while early experiments in the virtualization of education were hampered by crude or clumsy technology, we may confidently say that, by the turn of the millennium, some sophisticated and robust technological platforms have finally been produced that make realizing the dream of quality virtual university education possible. In other words, technological systems have been developed that are powerful enough to mediate teacher-student and student-student relationships in a manner that truly competes with the best of conventional face-to-face classroom learning. However, we cannot overstate how important it is to recognize that that such technological systems will only work properly as educational media if the right supporting factors, or complementary assets, are put in place. These supporting factors include: - adequate financing arrangements adequate technical support staff appropriate organizational systems and routines sophisticated training for educators and administrators committed and competent program managers properly planned integration, or coupling, with the general systems and traditions of the university a strategy for managing the evolution of the systems enlightened leadership. In the absence of such supporting factors major investments in the technological virtualization of university education will, at worst, result in embarrassing and costly failures or will, at best, lead to inferior educational experience for students. Third, university leaders and managers should be aware of the risk that poorly planned, or poorly implemented, programs for technological virtualization may inadvertently be used as a substitute for good education rather than as a vehicle to enhance the educational experience of students. In the most egregious form of this phenomenon, modern information and communication technologies may be used as little more than delivery mechanisms for the digital equivalent of textbooks, while authentic teacher-student or student peer interactions disappear behind a glossy, yet superficial, façade of Web based instruction. In its more benign form, poorly planned or poorly implemented technological virtualization may result in otherwise excellent teachers inadvertently shifting their professional balance from being educators towards being de facto system administrators. It is important that university leaders and teachers be watchful to ensure that technological virtualization be properly approached as a means of deepening the educational experience of students rather than as an unintended means for undermining educational standards. Fourth, and finally, while we insist that innovation in the application of educational technology should be driven by educational considerations, rather than the other way around, we also wish to caution against rigidity in the maintenance of traditional pedagogies. In other words, technological innovation may actually pave the way sometimes for valuable modifications to traditional teaching that might not otherwise have been envisioned. Valuable improvements to education may sometimes be gained by modifying teaching methods to accommodate technological advance. While educational principles should always have primacy, management of the technological virtualization of university education should artfully recognize the dual direction of the influence between educational innovation and technological innovation. 200 VARIETIES OF TECHNOLOGICAL VIRTUALIZATION The use of technology to mediate the relationship between students and the primary faculty and facilities of an educational institution is not new. The “School of the Air“ in outback Australia is an obvious example. Under that system, which has been in operation for decades, real-time communication between students and teachers located in isolated outback stations, often hundreds of miles apart, takes place via two-way radio systems. The use by universities of educational films or television broadcasts to complement conventional classroom lectures are further examples is another example of time honored technological extensions to traditional classroom lectures. It is the complexity, variety and ubiquity of technological media for education that makes the contemporary situation distinctive. The variety of forms of technological virtualization that constitute much of the new educational environment will now be reviewed. Web-enhanced Conventional Education Technology does not need to completely replace established teaching methods in order to have an impact. Conventional methods for delivering education — including classroom lectures, laboratory training, tutorials, group discussions and library research — can be augmented by the use of the Web as a vehicle for delivering complementary materials and exercises. Examples would include course bulletin boards, list-serves, on-line access to digital course materials (including multi-media documents), Web-based communication between students and teachers, and Webbased communication between students themselves. The WebCT system developed at the University of British Columbia, or the SmartWeb system employed at Indiana University, are examples. Use of Web technologies in this manner is quite widespread. A recent study by the University of Twente identified almost three hundred cases in the USA, the UK, Australia, Finland and Belgium, alone, in which Web technologies were used by universities as complementary tools to conventional modes of instruction.i Conventional Distance Education Techniques Long before the emergence of the Internet, conventional distance education was augmented by the use of technology-mediated communication. In conventional distance education, materials (e.g., textbooks, course readers, videos, software packages) are sent to students by the regular mail, and students’ work is also submitted by mail. However, instructor-student communications that generally take place by correspondence, may be augmented by technological means such as telephone and fax. More recently, electronic mail has been added to the repertoire. Murdoch University and Deakin University, in Australia, or the University of South Africa, are examples of institutions that have made wide use of this approach during the last quarter century. While not particularly surprising or radical, these ex201 amples illustrate that technology has played a useful role in mediating educational communications for quite some time. Television-enhanced Distance Education Conventional distance education may be enhanced by the use of educational television broadcasts, either on standard television channels at non-prime times, or through special educational television channels. This approach has the advantage that it may reach a large audience in a standardized manner without investment in specialized infrastructure. An outstanding example of a university that has made superb use of this tool is the Open University in the United Kingdom. The Open University, which has been in operation for about three decades, is Britain’s largest university, with over 200,000 students and customers. The University is currently home to 22 % of the nation’s part-time higher education students. Nearly all of the Open University’s students study part-time and about 70 % of undergraduate students remain in full-time employment throughout their studies. The delivery techniques developed by the Open University are particularly suitable for part-time students. Television has the disadvantage that it is not very flexible and it is generally only cost effective for large audiences of students studying similar or identical curricula. An example of an innovative attempt to overcome that obstacle is the Utah Education Network, a publicly funded consortium enabling Utah’s public universities and colleges to offer “telecourses” to over 5,000 students each year. Any one of the participating member institutions may offer a telecourse and, in most cases, students at other institutions that are members of the consortium may take the courses as credit. Uni-directional Audio-Visual Instruction An alternative to television broadcasts is the employment of uni-directional transmission of audio-visual material to specific groups of students in specific locations. Lectures (either live or pre-recorded) may delivered from the core campus to remote classrooms (by either direct satellite links, or other broadband communications vehicles such as ISDN). This approach is superior to television when there is only a modest number of students in the educational program. It works best when students are clustered in one or two remote locations and may easily be assembled in a limited number of common locations to receive transmissions. A good example of this approach is the EngiNet system of the engineering schools in the multi-campus system of the State University of New York. A variant on this approach is the distribution of videotapes of lectures to students in remote locations or to students who, for one reason or another, may not be able to attend normal campus-based classroom lectures. A disadvantage of this approach is that it does not allow for the human interaction that may be possible in a classroom setting. An 202 advantage is that it may be more cost effective than replicating live classroom instruction at multiple locations. Interactive Audio-Visual Communication A solution to the problems of the previous approach, such as the EngiNet system, is to employ interactive Audio-Visual communications, or video-conferencing. In this solution, lectures, seminars and classroom discussions may be conducted synchronously at two or more remote locations, through the use of audio-visual telecommunications (normally by either direct satellite links, or other broadband communications channels such as ISDN). Two-way interaction may take place between instructor and students, or between students themselves. A good example of this approach is the adoption of video-conferencing by the Fontainebleau based business school, INSEAD, to link classrooms in its campuses in France and Singapore. This approach is educationally superior to the uni-directional video-transmission approach, but has the disadvantage of being more expensive to operate. Conventional Distance Education Augmented by Web-based Services A number of universities with a tradition of offering paper-based distance education are now augmenting their conventional services with Web-based services. Certain teaching resources (e.g., supplementary lecture materials, or bibliographic references) are mounted on the Web, and limited use is made bulletin boards and other forms of Internet communication for notices and student discussions. Athabasca University, in Alberta, has over 20,000 enrolled students and is a leading Canadian example of a university that is gradually introducing on-line components to its courses, as either optional enhancements or as requirements. The United States Open University, a sister institution to Britain’s Open University, has moved even further in this direction. It provides its students with a password to access specialized course web pages on the Internet, along with their other course materials. Students may view a course demonstration site and download a structured study calendar from the site. The course web sites may also contain study assignments and other learning resources and allow computer conferencing with other students and with the personal Associate Faculty Member allocated to each student. Submission of assignments, and provision of feedback and grading from instructors, may also take place online. Scotland’s Herriot-Watt University, which originated in Edinburgh in the early 1800s as a school for engineers, is an example of a comprehensive research university that provides a flexible approach to learning in which students may choose between classroom, paper-based distance education and online education for their studies. Herriot-Watt offers a global paper-based distance-education version of its 203 MBA degree, through its Edinburgh Business School. This global program involves an international network of local support services in a variety of countries, increasingly augmented by online services. Web-based Delivery of Conventional Distance Education Some universities have stepped beyond using the Internet as a tool to enhance conventional distance education by delivering whole courses or degree programs completely online. In this approach all educational materials (e.g., textbooks, course readers, videos, or software packages) are made available to students in digital format, accessible over the Internet. Online degree programs are similar to conventional distance education in most other respects (e.g., lectures are not included as basic elements of the course). Correspondence between students and the instructor takes place mostly by email, or occasionally by telephone, and students’ work is submitted by email or through specialized Web-based platforms. Capella University, founded in the United States in 1993 and accredited by the North Central Association of Colleges and Schools, is an example of a new type of higher education institution dedicated to helping working adults with busy lives to integrate distance education into their complicated schedules through “e-learning.” Capella University offers over 400 accredited courses and degree programs over the Internet, in formats that are accessible to students at any time and from any location. Other examples of the many universities that now provide distance-education courses and degree programs over the web are: California State University at Chico (which provides a wide range of bachelors degrees, minors and some masters degrees); Empire State College (part of the SUNY system in New York State, which provides customized degrees for non-traditional students); the State University of New York at Stony Brook (which offers complete masters degree in educational computing, over the Web); the University of Maryland, University College (which offers its 63,000 students more than 70 different degree and certificate programs online); or the Concord Law School (a recently created private virtual law school with over 800 students). Interactive Education on the Web: Asynchronous Learning Many universities — ranging from the University of Paisley in Scotland, to Charles Sturt University in New South Wales, Australia, the University of British Columbia in Canada, or Duke University, in North Carolina — seek to incorporate elements of the interactivity and communication of classroom or campus education into online education, using web-learning platforms such as Blackboard or proprietary online learning services such as that provided by Hong Kong based company, OnLine Education Limited. With a variety of new internet learning platforms, distance education can be delivered over the Web in a way that includes genuine discussion-style, or collaborative, learning. Students may engage in structured, archived discussions with each other or the instructor at any time of the day or night; participation may take 204 place from anywhere in the world; and the timing of an individual’s participation may be customized to match his or her convenience or work schedule. One of the best international examples of this kind of technological virtualization is the New School Online University, based in New York City. In 1994, The New School (now the New School University) launched its unique distance learning program, DIAL, with fourteen courses drawn from across the school's curriculum. DIAL, which was recently renamed the “New School Online University“ (NSOU), is an asynchronous, computer-conferencing teaching and learning environment available 24 hours a day, seven days a week from any computer that can be connected to the World Wide Web. Since its establishment as an online learning service, NSOU has evolved into an entire online university for the New School University — a virtual campus complete with courses, public events and programs, a library, student services such as advising, admissions and financial aid, and even several social venues for extracurricular discussions. Currently, more than 3,000 students each year participate in over 300 courses; student participants are drawn from throughout the United States and over 60 other countries. NSOU students can participate in courses for degree credit, general credit courses (courses for transfer to other institutions), and non-credit courses. All NSOU interactions takes place online, and all students are provided with a one-week online orientation to the environment prior to their first course. The NSOU currently offer courses in the social sciences, culture and society, humanities, science, lifelong learning, foreign languages, English language studies, theatre arts, music, fine arts, communication, business, computer applications, and culinary arts. Programs are also available through the NSOU from the Milano Graduate School of Management and Urban Policy, the Parsons School of Design, and the Eugene Lang College. All of the NSOU courses and online programs are fully interactive. Students and instructors “meet“ asynchronously in classrooms and project areas where they share information, ask and answer questions, and complete assignments. The New School University, which (under its original name of the “New School for Social Research“) was probably the first university in the world to focus attention on providing accessible education for full-time working adults, is playing a pioneering role again by extending its original mission in the online mode. Another pertinent example lies with the University of Phoenix, a private forprofit university that was founded in 1976. The university has rapidly grown to become the largest private accredited university in the United States, with over 100,000 degree-seeking students. The university claims to provide a “relevant, real-world education“ to working adults, which is delivered at more than 107 campuses and learning centers in the continental US, Hawaii, Puerto Rico and Canada, and via the Internet. In 1989 the university created the “University of Phoenix Online“ to as a vehicle to offer complete degree programs online. Students enrolled in degree programs through the University of Phoenix Online never have to attend campus; every requirement, including registration, administration, purchase of materials and books, or counseling, in addition to the educational activities themselves, can be conducted online. 205 The University of Phoenix Online emphasizes group learning on shared Web spaces or, as the University prefers to describe the approach, online communication is “many-to-many“ rather than “one-to-one.“ Each class shares its own group mailbox, which serves as an electronic classroom. While communication between individuals is common, each class uses a group forum where students put their work and ideas before classmates for comment. The University claims that this discipline upgrades the quality of most work before it is reviewed formally by the academic instructor. Students are also able to gain access to research materials from the University's Electronic Library. The Online program is designed to benefit full-time working people in a number of ways. Classes are offered one at a time, in sequence. There are no semesters or terms, so students can begin a course of study during any month of the year. A student may concentrate on one subject at a time, and when a class is completed he or she may move on to the next class until all the degree requirements are met. Each online class lasts five or six weeks. A student can sign on at any time of the day or night. Students tend to devote an average of fifteen to twenty hours a week to their studies. Typically, on the first day of the week during an online class the instructor sends introductory information on the week's topic and confirms the assignments, such as textbook readings, completing a case study, or preparing a paper on the topic at hand. The instructor typically also posts a short lecture or elaborates on the material, and provides discussion questions related to the topic. Throughout the week students work individually on readings and assignments. In addition, students use the University’s computer conferencing system to participate in the class discussion, to ask questions, and to receive feedback. Assignments are submitted online and instructors also return graded assignments, with comments, back to the students online. Educational programs offered by the University of Phoenix Online are mostly practice-oriented or profession-oriented, in applied fields such as business administration or computer science. The New School Online University, in contrast, offers a broad range of liberal arts and professional courses online, ranging from humanities and music to design or urban policy. The University of Phoenix Online is an example of a recently created organization using technological means to pursue profitable new markets for educational services. The New School Online University, an independent non-profit educational institution, is an example of a university with a long tradition seeking to provide enhanced access to liberal and professional education opportunities for those students who might not otherwise be able to participate. In summary, a variety of Web-based software and hardware platforms are now available that allow universities to mimic or, in some cases, even improve on, the peer-to-peer and student-to-teacher interactions that have historically made orthodox classroom-based education pedagogically and emotionally more attractive than distance education. The asynchronous mode of Web-based educational communication allows considerable flexibility in the timing of students’ participation and it requires less investment in sophisticated telecommunications and computing infrastructure than is required for synchronous modes. 206 Interactive Education on the Web: Synchronous Learning Despite the advantages of Web-based education, especially when asynchronous interaction is included as part of the package, some schools are resisting the temptation to jump on the online bandwagon. Chief among the reasons is their concern that the rich and subtle interactions, that are the hallmark of the best classroom pedagogy, may be compromised. Harvard University’s Business School, for example, which has long been a leading proponent of discussion-learning and of the casediscussion method of classroom teaching, believes that its classroom educational experience could never be replicated online. For this reason even Professor W. Earl Sasser, the director of Harvard Business School’s HBS Interactive initiative, recently vowed, ”We will never offer a Harvard MBA online.”ii One of the virtues of the well-managed classroom experience is the possibility of live multi-dimensional interaction, involving multiple people, in real time. The asynchronous mode of interaction, adopted by most universities in their online programs, has the advantage of allowing flexibility for participants. The value of the asynchronous mode vis-á-vis convenience is, however, counterbalanced by its neglect of instantaneous human interaction. For this reason some Web educational platforms also allow for synchronous learning modes. In other words, they include software that allows genuine discussion-style, or collaborative, learning over the Web in real time. Synchronous learning, whether conducted in the conventional classroom or over the World Wide Web, lacks — by definition — the flexibility of the asynchronous mode, because students and instructors are required to be present in the “classroom” (either physically or virtually) at pre-set times. At present there are over 100 technology platforms, including software, hardware and infrastructure, available to universities for use in online learning. In a sample of 50 of these technology platformsiii reviewed for this study, 72 % of the platforms include synchronous chat capability. They are: WebCT, BlackBoard, Learning Space, IntraLearn, Authorware, First Class, Docent, Generation 21, LearnLinc, The Learning Manager, EduSystem, VCampus, Phoenix Pathlore, Serf, LUVIT, WebBoard, Mentorware, PlaceWare, SiteScape Forum, Eloquent, IVLE, Saba Learning Enterprise, InterWise Millennium, Theorix, Embanet, Jones e-education, Trainersoft, Prometheus, eCollege, Anlon, U4all.com, Click2learn ToolBook, MaxIT LearnerWeb, Learning Vista Express, Centra Symposium, and Educator. It appears reasonable to conclude that the majority of producers of online learning technology believe providing synchronous learning capability to be an important component of their business. Synchronous chat capability makes it possible for all participants logged in at a particular time to simultaneously view the text messages of participants. Synchronous chat capability is essentially real-time, live on the screen, instantaneous group email. Instantaneous text communication, however, does not allow the subtlety, complexity and dynamism of communication — particularly tacit communication — that forms such an important part of live classroom discussions. The producers of some platforms have sought to remedy this deficiency by incorporating additional synchronous features, such as Web-based teleconferencing and videoconferencing. The following platforms (30 % of the sample) incorporate both of these two features: Learning Space, Docent, Generation 21, LearnLinc, The Learning Manager, Phoenix 207 Pathlore, Mentorware, PlaceWare, InterWise Millennium, Theorix, Jones e-education, Trainersoft, U4all.com, Click2learn ToolBook, and Educator. Real time text communications can only replicate a certain amount of the classroom learning experience. The visual components of classroom communication — for example whiteboard/blackboard diagrams, Powerpoint presentations, live projection of computer graphics or computerized data analysis on to a screen, and other kinds of audio-visual aids — are critically important to a rich learning experience. In some of the currently available technology platforms (34 % of the sample) this problem has been addressed by the addition of a virtual white-board function and an application-sharing function to the basic synchronous chat capability. Platforms that incorporate all three of these capabilities include: WebCT, BlackBoard, Learning Space, IntraLearn, LearnLinc, EduSystem, Phoenix Pathlore, Serf, LUVIT, InterWise Millennium, Theorix, Embanet, Jones e-education, Trainersoft, Click2learn ToolBook, MaxIT LearnerWeb, and Centra Symposium. However, only 6 % of the sample incorporate a broad and versatile suite of synchronous communication functions for the virtual classroom, including synchronous chat capability, a virtual white board, application sharing, virtual space, and teleconferencing. These platforms are: LearnLinc, Phoenix Pathlore, and Trainersoft. None of the platforms (0 %) in the sample incorporate a full repertoire of synchronous learning functions: synchronous chat, voice chat, virtual whiteboard, application sharing, virtual space, group browsing, teleconferencing, and videoconferencing. To obtain a truly comprehensive, versatile and robust platform that makes possible a reliable multi-dimensional synchronous online communications capability, it currently appears necessary to turn to companies operating primarily outside the educational market. One example is WebEx, a company that supplies Web-based conference platforms primarily for the high-priced corporate meetings market. The WebEx platform, and others like it, is used by multinational corporations to facilitate corporate board meetings when board members are geographically dispersed, or to enable multinational project groups to manage complex projects at a distance. To conclude this brief review of synchro nous online learning opportunities we may conclude that there is a wide variety of platforms already available, and many more emerging, that make it possible for online education to mimic aspects of the real-time interactivity of the classroom learning experience. The choice ranges from those platforms that provide simple textbased chat capability to those providing complex multi-media communications capability. Despite the technological feasibility of rich synchronous online university education, it appears that very few universities actually make use of this capability in anything other than an ad hoc and experimental manner. It is virtually impossible to find a university that advertises the use of synchronous Web communications as part of its online course offerings. There appears to be several reasons for this situation. First, the true multimedia synchronous learning platforms tend not to work properly unless they are accompanied by excellent technical support services (reliably available on demand), wide-bandwidth communications channels, sophisticated computing skills amongst both students and teachers, and robust computing and communications infrastructure. Second, the best systems tend to be quite expensive and are generally beyond the range of any but the most wealthy of universities (or for specialized applications 208 such as high-priced executive education programs). Third, it appears that the flexibility of the asynchronous mode (i.e., the freedom to log in at an time whatsoever) is sufficiently attractive to students, teachers and administrators to counterbalance the educational disadvantages of missing out on rich real-time virtual classroom interactions. Technological means are already available by which virtual classrooms may mimic many of the functions of the traditional live classroom. It appears, however, that pragmatic, managerial and financial considerations, together with circumstantial preferences of the new online student audiences, are currently limiting the use of synchronous online educational tools. This situation may well change in the near future as technology matures, synchronous platforms become more affordable, and the necessary complementary technological capabilities of students, teachers and administrators, are more ubiquitous. Multi-media, Mixed-mode, Synchronous and Asynchronous Learning The evolution and convergence of complex digital communications and computing technologies, combined with advanced digital imaging and audio systems, has reached the point where competition between the virtual classroom space and the conventional physical classroom space can no longer be ignored. Despite the very real limitations of both asynchronous and synchronous online educational platforms outlined above, some notable experiments in truly sophisticated technology mediated distance education have already taken place. These presage the future of competition between universities in the digital age. One of the most interesting examples is an experiment in geographically dispersed education for business executives recently conducted by the Wharton School, the business school of the University of Pennsylvania. The Wharton School, as part of its executive education initiatives, has developed a number of short not-for-credit courses in business administration for simultaneous delivery over several weeks to full-time working adults in multiple locations throughout the United States. In this program students meet simultaneously in “electronic classrooms” in several cities throughout the country (e.g., New York, Atlanta, San Francisco, Seattle) at specified times and are linked live with professors from Wharton’s main facility in Philadelphia. The classrooms are real, physical classrooms (not virtual classrooms), fully “wired” and networked together with the main facility in Pennsylvania through broadband multi-media communications links. Each classroom is equipped with remote-controlled cameras, microphones and audio-visual display systems; and each student has a personal computer networked with the whole system. Wharton’s instructors in Philadelphia give lectures in a manner not unlike normal classroom lectures, and students clustered across the country in the special wired classrooms receive a live broadcast of the lecture. What differentiates this system from normal broadcast lectures is the degree of interactivity incorporated in to the program. Throughout the classroom session students may send questions or comments to the instructors by email, in real time, analogous to the manner in which students in normal classrooms raise their hands to ask questions. A team of trained 209 teaching assistants at Wharton answers the students’ questions immediately, by email, as the lecture is in progress. However, at the behest of either a teaching assistant or the main instructor, a question from a particular student may be selected for special attention. The instructor, who has access to a console from which the whole system may be controlled, may choose to focus a camera on the student in the remote location who asked the question. All of the students, in the several different locations, are able to hear and see both the speak, and the instructor respond. The instructor may also use the computer network to take instant polls from the students, or to administer live quizzes, during the session. In addition to the synchronous multi-media communication that takes place throughout the distributed electronic classrooms, the Wharton system also involves the use of asynchronous web-based learning during the periods between live physical-cum-virtual classroom lectures. In short, the Wharton system is an exciting example of distributed education (distance education) that combines real classroom contact between students with both asynchronous virtual learning and synchronous virtual learning. It is a sophisticated system that manages to allow an extraordinary level of real-time interaction between students and between students and the instructor. Currently, the system has been deployed to only a limited extent, mainly for price-elastic corporate-sponsored audiences. The constraints of the system are that to fulfill its extraordinary potential it requires an extraordinary level of infrastructure, support staff, coordination, marketing and managerial ability. It is also expensive to establish and operate. In short, it requires resources and a skill set not normally found among faculty in a typical academic setting. In conclusion, the Wharton experiments in mixed-mode, multi-media virtual learning, along with the other examples of technological virtualization described above, reveal three key lessons. First, it is already technologically feasible to mount virtual learning programs that rival conventional classroom programs, more or less, in educational quality and interactivity. Second, the challenge for educators is no longer to discover whether or not such programs are feasible; but, rather, to develop prowess at matching the mode and mix of technologies to the particular goals and circumstances of the institution and its students. Third, embarking on the technological virtualization of an educational program requires the prudent assembly of complementary assets and services, such as adequate funding, organizational capability, technical support, and managerial acumen. VARIETIES OF GEOGRAPHICAL VIRTUALIZATION While the desire by university leaders to provide distance education to students is often the primary reason used to justify experiments with technological virtualization, the technological virtualization of education and the geographical virtualization of education are conceptually distinct modalities. As we have seen, technological virtualization can, and does, happen in programs where the students and the university are co-located. All students at Wake Forest University, in North Carolina, for ex210 ample, receive laptop computers and are required to interact in a virtual classroom space as an integral part of their studies. Geographical virtualization, which occurs when physical space mediates the relationship between the students and the primary faculty and facilities of the university, may happen with or without technological virtualization. Herriot-Watt University, as we earlier observed, has conducted a paper-based MBA program internationally for a number of years prior to the introduction of technological learning media. Before proceeding to analyze the nature of the relationship between geographical virtualization and geographical virtualization, we will briefly survey the variety of ways in which universities can organize the geographical distribution of their students. Single Integrated Campus (Not Virtual) The simplest form of geographical organization of educational services is the conventional approach to university education in which instructors, students and most basic educational resources are co-located on one campus, or in one central location. In fact, this form of organization is so ubiquitous and so well established that the word “university” is often used synonymously to describe both the institution and the place. Recent developments in higher education, worldwide, are prompting more care with nomenclature. The word “university” should denote the institution, not to the physical space where the institution has historically been headquartered. University with a Main Campus and Some Satellite Facilities, Under Single Public Jurisdiction A variant of the conventional single-location “university” is the university with a single main campus and one or more satellite facilities, organized under one public jurisdiction. In this approach academic systems are largely centralized on the main campus, and student enrolments are generally centrally organized, but a variety of activities or programs are distributed at specialized facilities (not full campuses) at remote locations. A typical example would be Technische Universität München, operating under the auspices of the State of Bavaria. It has a main “campus” — or facility — in central Munich, and some subsidiary facilities at Garching and Weihenstephan, both also located in Bavaria. Another example would be Cornell University, with its main campus in Ithaca in upstate New York; it also has branch facilities elsewhere in New York State, including an agricultural field station on Long Island and a medical complex in Manhattan. A third example would be the Prince of Songkla University, in Thailand. PSU’s main campus is located in the southern city of Hat Yai, with specialized branch facilities in Phuket and Pattani, also in southern Thailand. 211 Multiple-campus University, Under Single Public Jurisdiction Another model is the centralized university with multiple campuses in, each located in a different place and each covering a broad array of academic fields and programs. In some cases each campus may develop a special set of competencies unique to that campus, but in all cases the scope of academic expertise on each campus is wide. Each campus co-locates students, instructors and basic educational resources. Each campus has a degree of autonomy (in some cases great autonomy) but certain managerial functions remain at a central campus, or central location. This model is basically that of the single integrated campus, replicated in more than one place, but governed through a centralized system. Typically, the multiple campuses are located within one common geographical territory, such as a state or province, under a single public jurisdiction such as a provincial government. A shining example of this model is the University of California. The University of California is a state university consisting of ten discrete campuses and several specialized academic centers (such as the Hastings Center for the Laws, a law school located in central San Francisco). Some of the campuses, such as U.C. Berkeley and U.C.L.A., are extraordinary centers of learning with an international reputation that transcends the system within which they are located. All of the campuses (including U.C. Irvine, U.C. San Diego and U.C. Davis, etc.) are quality comprehensive research “universities” in their own right. The university also manages a number of prominent federal research laboratories, such as the Lawrence Berkeley Laboratory and the Lawrence Livermore Laboratory. While each U.C. campus effectively operates as an independent university, certain policies and procedures, such as tuition levels, admissions policies, financial rules, or intellectual property management functions, are centralized in the University of California System-wide Administration, headquartered in Oakland. The System-wide administration also manages selected academic and quasi-academic activities, such as the University of California Agricultural Issues Center, which is physically located on the Davis campus. Similar examples in the United States can be found in the multi-campus systems of the University of Colorado, the University of Wisconsin, the University of Texas, or the University of Maryland. Typically, the central university administration in each of these systems plans and manages the whole system to fulfil state government educational policies. These policies may involve distributing quality higher education equitably across the state, ensuring that areas of academic specialty are clustered in appropriate locations to ensure that a critical a mass is reached, or seeking to ensure that certain regional community needs are properly addressed. An extreme example of the multi-campus university system under a single public jurisdiction is the State University of New York. The University, known by its acronym “SUNY,” consists of over 60 separate campuses controlled from the central SUNY administration in Albany (the seat of the New York State government). The remarkable thing about the SUNY system, besides its size, is that it encapsulates a full spectrum of higher-education institutions. These range from the elite research universities, such as SUNY Stony Brook or SUNY Buffalo, to specialized educational institutions such as the Fashion Institute of Technology, in Manhattan, and a huge array of colleges, institutes, and specialized facilities throughout the State of New 212 York, in both remote and metropolitan locations. The incredible variety of organizations within the State University of New York creates very interesting managerial and political challenges, as the State seeks to maintain unity within diversity. Multiple campus universities have also emerged in other countries, such as Australia, in recent years in response to changes in government education policies and new opportunities in the education market. Central Campus with Wide Geographical Distribution of Students A third form of geographical virtualization is the university with a single, or primary, campus, but with students distributed over a wide geographical territory. In this case students are not clustered in particular locations, but are dispersed spatially in a random or semi-random manner. Under these circumstances, students tend by necessity to be connected to the main campus through distance-education systems and technologies. The Open University in the United Kingdom is probably the best example of this kind of virtualization. A small sample of other representative examples in this category include: Deakin University (Geelong, Australia), Athabasca University (Alberta, Canada), Arizona State University (Tempe, Arizona), Auburn University (Alabama), Washington State University (Pullman, Washington), The University of London (London, England), The Empresarial University of Costa Rica (San Jose, Costa Rica), The University of Guelph (Ontario, Canada), or Rochester Institute of Technology (Rochester, New York). In this form of spatially distributed education it is almost impossible to create the kind of complex multi-dimensional learning experiences associated with conventional campus based learning. Central Campus with Students Clustered in One or More Remote Locations In another model there is one central campus, or primary campus, and remote students are clustered in certain distinct satellite locations. The geographical clustering of remote students means that some conventional classroom-based pedagogical methods may be employed in the educational process in addition-to, or instead-of, various distance-education technologies and systems. There are at least four variants of this model that universities may follow in delivering educational services to remote clusters of students: (a) one or more satellite locations with no dedicated facilities; (b) one or more satellite locations with modest facilities, dedicated to one program only; (c) one or more mini-campuses at satellite locations, with a variety of programs; and (d) one or more substantial campuses in satellite locations. We will review each one of these variants. 213 Central Campus with Satellite Locations but No Dedicated Facilities In this model a university offers one or more educational programs in specific remote locations, but no serious capital outlay is made, and no investment is made in dedicated facilities under the control of the university. This is not distance education, in the sense in which the term is normally understood; it is conventional classroom instruction in remote locations. Classroom space and office space may be leased from another educational institution, or may even be rented from corporations, hotels, or other kinds of organizations. In addition, the university may purchase educational support services and logistical support services from local suppliers. A typical example of this model is the Helsinki School of Economics and Business Administration (which offers a series of specialized MBA degree programs in Seoul, Korea). Other examples include: the New York Institute of Technology (which offers MBA degrees in Taiwan and Egypt); Utah State University (which offers an MBA degree in Taiwan); the State University of New York at Stony Brook (which offers a Master of Science degree in Seoul, Korea); and the University of Western Australia (which offers a variety of management degrees, including the MBA, in Singapore and Jakarta, Indonesia). Central Campus with Modest Facilities at Satellite Locations, One Program Only at Each Facility In this model a university offers one program only (e.g., an MBA program), or a set of programs in one field (e.g., business or technology management), in a specific remote location. Modest investment is made in a dedicated facility of the university in that location. It may consist of classrooms, office space, and dedicated support staff under the employ of the university. This approach requires more commitment and more investment by the university than required under the previous model; nevertheless, it is narrow in scope, thereby limiting risk and allowing the university to experiment in a relatively low key manner. An excellent example of this approach is the recent establishment of facilities in Singapore and Barcelona by the Graduate School of Business of the University of Chicago, primarily for its MBA degree program. Related examples, also in the field of business administration, include: the establishment of a facility in Santa Clara County, California (“Silicon Valley”) by the Harvard Business School; the establishment of a facility in San Francisco by the Wharton School; the establishment of a facility by INSEAD in Singapore. Examples in a field other than business administration might include the Paris and Tokyo facilities of the Parsons School of Design, or the Milan facility of the Fashion Institute of Technology. Central Campus with a Mini-campus and Multiple Programs at One or More Satellite Locations 214 In this model the university seeks to provide something of a more balanced and rounded educational opportunity for its students in remote locations. It does so by offering multiple academic programs, probably in complementary or related fields, in a specific remote location. Mid-level investment is made in a dedicated facility of the university in that location, capable of accommodating a wide variety of educational activities and pedagogical methods. The investment may consist of classrooms, office space, and other facilities designed to house an array of activities other than simple instruction. Dedicated support staff will be employed by the university, and a modest level of services and facilities required across academic fields will be provided in the satellite location. This model differs from one other model discussed above (a “university with a main campus and some satellite facilities, under single public jurisdiction”) in one respect. It involves operating across the boundaries of at least two public jurisdictions. This fact brings with it a number of legal, diplomatic, administrative and managerial challenges. However, it also brings with it some potentially valuable opportunities for cross-cultural educational enrichment. It is difficult to find successful examples of this form of geographical virtualization, probably because the risk-benefit trade-offs are so great. The Tokyo campus of the Philadephia-based Temple University is probably the best example. The proposed venture by Technische Universität München to establish a science and engineering oriented campus in Singapore may be another example. Central Campus with One or More Substantial Campuses in Remote Locations, Multiple Public Jurisdictions This model is similar to another model discussed above (“multiple-campus university, under single public jurisdiction”). However, in this case the remote campus, or campuses, may be located in a different country, or within a different public jurisdiction, subject to different laws, different educational traditions, or different market conditions. Typically, the remote campus will cater for a full range of academic activities (not just teaching) and will be provided by the University with a substantial repertoire of support services and infrastructure, catered to the activities of the satellite campus. There are few fully-fledged examples of this mode of virtualization. However, it is entirely plausible that the current wave of international collaborations and experiments between universities (as evidenced by the recent activities of prominent institutions such as Columbia University, the London School of Economics, New York University, HEC Paris, and Duke University, may lead to some interesting multinational universities in the not so distant future. At present the two best examples of this ambitious category of geographical virtualization lie with RMIT University, in Australia, and the Monterrey Institute of Technology, in Mexico. RMIT University (based in Melbourne, Australia, and previously known as the “Royal Melbourne Institute of Technology”) is currently establishing two full satellite university campuses in Vietnam, one in Ho Chi Minh City and one in Saigon. 215 The most exciting, and most well developed, example is the Monterrey Institute of Technology. Its official name, “Instituto Tecnológico y de Estudios Superiores de Monterrey,” is often abbreviated to its acronym, “ITESM.” In Mexico it is known colloquially as “Tec de Monterrey.” ITESM is a high quality private university with 26 full campuses in 25 cities throughout Mexico. These campuses are spread throughout multiple public jurisdictions (states and cities). ITESM also has a total of nine campuses in other Latin American countries (including Brazil, Chile, Peru, Colombia, Venezuela, Ecuador, and Panama), and two in Europe (Dijon, France, and Maastricht, The Netherlands). Campuses are also under development in Vancouver, Canada, and in the United States (in Boston and Washington, D.C.). The ITESM system is headquartered at the university’s main campus in Monterrey, Mexico. The remarkable national and international expansion of the Monterrey Institute of Technology presages what will probably be a new phenomenon in spatially dispersed education: multi-mode education in multiple locations, combining the best of traditional classroom instruction with the best of contemporary technology-mediated learning. Multiple-campus University, Under Multiple Public Jurisdictions (No Central Campus) The final category of geographical virtualization is the university with multiple campuses across multiple public jurisdictions but with no obvious hierarchy between programs in the main campus and programs in the satellite campuses. The only example we have identified in this category is the University of Phoenix, which currently has 106 campuses throughout the United States (including Hawaii and Puerto Rico) and one in Canada. As we discussed above, the University of Phoenix offers a variety of programs online (though its University of Phoenix Online, subsidiary) but its main business (at least until recently) has been in providing classroom-based, oncampus education for full-time working adults. While the university does indeed have a campus is Phoenix, Arizona, that may in some formal manner qualify as a primary campus, that campus really has no more priority from the students’ experience than do any of the other campuses. It is not clear whether the model created by the University of Phoenix will be imitated elsewhere. It is currently almost exclusively American in style and scope. In addition, the range of subjects covered is currently rather limited, suggesting that the model might not work so well for universities seeking to offer a more comprehensive scope of academic subjects, or a traditional liberal education. The verdict is still out. VARIETIES OF ORGANIZATIONAL VIRTUALIZATION Integrated Sole-Venture (Conventional University Management System) The university (the core university, or primary university) operates its activities in each location entirely in its own right, without a venture partner. This principle may be applied at any location, whether core campus or satellite venture. 216 Sole-Venture, with Some Non-academic Services Contracted-out The university operates its activities in each location, whether the core campus or a satellite venture, entirely in its own right, without a venture partner. However, it chooses to purchase certain non-academic services (e.g., supply of physical space, secretarial services, marketing services, accounting, janitorial work, and perhaps even record-keeping) from outside organizations. In some cases a sole-source provider may be used; in other cases, a different supplier may be chosen for each service. Sole-Venture, with Some Academic Services Contracted-out The university operates its activities in each location, whether the core campus or a satellite venture, entirely in its own right, without a venture partner. It probably chooses to purchase certain non-academic services from outside organizations. It also contracts-out some academic activities, such as certain teaching assignments, evaluating (or pre-evaluating) student applications for admission, grading student work, providing counseling services to students, or day-to-day organization of classroom activities. In this model, the university maintains formal control over all academic functions, but allows other persons or organization to conduct some of the university’s normal academic business, under supervision. For example, while it may recruit faculty from local universities to teach courses in an adjunct capacity, the university will retain full control of the curriculum; or, while it may recruit teaching assistants from the local community to grade student papers or exams, those assistants would be supervised by university faculty. Joint-Venture with Another University, Subservient Venture Partner The university (the primary university) operates its activities in a satellite location as a joint venture with another university. The secondary university may own a campus at that location which it makes available to the primary university for the delivery of that university’s satellite programs. The secondary university will probably provide administrative services and various kinds of logistical assistance to the primary university. The secondary university may provide academic faculty to teach courses, and the primary university may even incorporate courses from the secondary university into its own program. However, the degree remains the property of the primary university; and the primary university carefully guards the control of its curriculum, or curricula, and its academic standards. Under this model, the secondary university is a subservient partner who is prepared to enter in to the relationship because of certain financial advantages, access to expertise that would otherwise not be available, or because of some perceived academic prestige associated with the primary university. 217 Joint-Venture with Another University, Equal Venture Partners The university (the primary university) operates its activities in a satellite location as a joint venture with another university. The secondary university may own a campus at that location which it makes available to the primary university, or the two universities may decide to pool resources to establish a new facility. Under this model the two universities consider themselves to be academic equals, even if the academic and practical repertoires of the two institutions are not identical. The two universities may offer a joint degree of some kind, officially cross-articulate their respective degrees, or agree upon some kind of structured protocol for addressing matters of curriculum design, entrance requirements and performance standards. Joint-Venture with a Non-Academic Institution, “Equal” Venture Partners The university operates its activities in a satellite location as a joint venture with another organization. It may be an industrial company, a non-profit institute, a government instrumentality, or some other kind of business enterprise. However, it must not be an academic organization. Even though the two organizations may be quite different in style—in terms of assets, capabilities, public image, or ways of doing business—they must be equal partners, in the sense of vesting equal stakes in the venture, taking similar or equivalent risks, and expecting equivalent returns. The key advantage of this model of cooperation is that the risk of conflict over academic authority and territory is almost non-existent. It also has the advantage that each organization contributes something to the partnership that represents its strongest asset, e.g., educational prowess, university brand-name, financial capital, or logistical and management expertise. Meta-program Based on a Group of Geographically Distributed Universities In this model, no new campus is created and no new facility is constructed. Rather, each member-university of a group of geographically dispersed universities, makes its resources (tangible and intangible) available to contribute to a “virtual university” that transcends the boundaries of each individual university, yet draws upon the assets of each member in each place. In other words, a meta-university is created in which one or more academic programs are delivered in multiple locations simultaneously—drawing upon the equivalent academic capabilities (or, at least, complementary academic capabilities) of each university in each location. In one variant of this model there would be a “lead university” in a primary management role; in another variant there would be some kind of flat or distributed management structure. Joint-Venture Between Co-located but Academically Distinct Universities In this model, no new campus is created and no new facility is constructed. Rather, each member-university of a pair (or group) of academically dissimilar uni218 versities, contributes resources to build a new program that would otherwise not be possible. For example, a university with a strong medical school may collaborate with a university with a strong engineering school to develop a new joint program in bioengineering. Alternatively, a university with excellent technology-oriented faculty could collaborate with a university with excellent management faculty to create a joint program in management of technology. i Betty Collis and Marijk van der Wende, Eds., The Use of Information and Communication Technology in Higher Education (Enschede, Netherlands: Center for Higher Education Policy Studies, Universiteit Twente, 1999). ii W. Earl Sasser, quoted by William C. Symonds in “Giving it the Old Online Try,” Business Week (December 3, 2001), 80. iii The 50 platforms reviewed for this study are: WebCT, BlackBoard, Learning Space, IntraLearn, Top Class, eCollege, Click2learn ToolBook, Authorware, First Class, Docent, LearnLinc, Virtual-U, SiteScape Forum, Generation 21, Phoenix Pathlore, Saba Learning Enterprise, Knowledgesoft, VCampus, EduSystem, Serf, LUVIT, Mentorware, The Learning Manager, QuestionMark, Eloquent, Trainersoft, WebBoard, Convene.com, Quest, PlaceWare, Embanet, Educator, IVLE, Integrity eLearning, InterWise Millennium, Theorix, Jones eeducation, Prometheus, Anlon, Class Act!, Colloquia, Southrock, U4all.com, Yahoo! Education, Centra Symposium, Trivantis Lectora Publisher, MaxIT LearnerWeb, Learning Vista Express, Manager`s Edge, and Designer`s Edge. Data source: Center for Curriculum, Transfer & Technology (British Columbia, Canada), Online Educational Delivery Applications: A Web Tool for Comparative Analysis, November 2001 (http://www.ctt.bc.ca/landonline/). 219