Nachtschicht - Viking Tactics Germany
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Nachtschicht - Viking Tactics Germany
MILITÄR & POLIZEI V TAC "Night Fight er" Kurs Nachtschicht Der britische Schriftsteller George Orwell soll einmal gesagt haben, daß wir in unserer Gesellschaft nur deshalb nachts ruhig und friedlich schlafen können, weil rauhe Männer bereitstehen, um in unserem Namen Gewalt anzuwenden. D iesen "rauhen Männern" von Polizei und Militär das nötige Rüstzeug für ihre "Nachtschicht" zu geben, betrachtet Viking Tactics Gründer und US Special Forces Veteran Kyle Lamb als seine vornehmlichste Aufgabe. caliber hatte Gelegenheit vom 6. bis 8. November 2009 an einem dreitägigem Viking Tactics Night Fighter Kurs in Linden, North Carolina, teilzunehmen. Erstmalig stand dabei dieser Kurs nicht nur Militär- und Polizeiangehörigen, sondern auch amerikanischen Zivilpersonen offen. So war das Teilnehmerfeld dann auch eine interessante Mischung aus FBI Beamten, SWAT Angehörige lokaler und bundesstaatliLehrer der Krieger: Kyle Lamb kann Erfahrung im Gefecht in Krisengebieten dieser Erde vorweisen. Er schießt nicht nur hervorragend, sondern besitzt ein hohes Maß an Didaktik und kann Lehrstoffe auch theoretisch (und immer durch die Praxis untermauert) bestens vermitteln. cher Polizeibehörden, Angehörigen diverser US Special Operations Einheiten und einem halben Dutzend Zivilisten mit höchst unterschiedlichen Backgrounds. Der VTAC Night Fighter Kurs ist ein physisch und psychisch anspruchsvolles Ausbildungsseminar, das die Teilnehmer an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringt. In den drei Tagen lernen die Kursteilnehmer ihre halbautomatischen Kurz- und Langwaffen aus, in und um Fahrzeuge herum, unter eingeschränkten Sichtverhältnissen bis hin zur völligen Dunkelheit und unter Verwendung von hand- und waffengestützten Weißlichtlampen taktisch effektiv zum Einsatz zu bringen. Die Ausbildung findet dabei in einem 360 Grad Umfeld statt, was bei den Teilnehmern absolut sichere Waffenhandhabung in Bezug auf Mündungsdisziplin, Positionierung des Abzugsfingers und Einsatz der Sicherung, sowie solide Auftakt: Zum Aufwärmen und zur Kontrolle der individuellen Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Präzision wurde erst einmal im klassisch stehenden Anschlag bei Tageslicht trainiert. Karabinerkampf: Der ehemalige US Elitesoldat Kyle Lamb vermittelt in seiner Schießschule Viking Tactics (VTAC) die aktuellsten Prinzipien, Taktiken und Schießtechniken des kampfmäßigen Gewehrschießens in jeder nur erdenklichen Situation. Kenntnisse im gefechtsmäßigen Umgang mit Kurz- und Langwaffe voraussetzt. 16 caliber 4/2010 Unschlagbare Kompetenz Es verwundert deshalb nicht, daß Kyle Lamb die vorherige Absolvierung seines "Carbine 1.5"-Kurses oder eines ähnlichen Seminars zur Teilnahmevoraussetzung macht. An den drei Ausbildungstagen wurde jeweils von mittags 13 Uhr bis etwa 21 Uhr 30 nachts trainiert. Somit kann der Tag in zwei Ausbildungsmodule unterteilt werden. Dabei können zunächst alle Ausbildungselemente bei Tageslicht eingeübt werden um dann im zweiten Modul bei Dunkelheit mit Weißlichteinsatz ausprobiert zu werden. Unterstützt wurde Kyle Lamb von den beiden VTAC Instruktoren Dan Brocos und Tom "Dito" DiTomasso. Die Vita der beiden Co-Instruktoren liest sich dabei spannender als die der meisten"Head Instructors" anderer Schulen. Beide haben gemein- sam mit Kyle Lamb in "der" Special Operations Einheit der US Army gedient und verfügen über extensive Einsatz- und Kampferfahrung. Brocos ist noch im aktiven Dienst bei der 10th SFG (A) und als Ausbilder in der John F. Kennedy Special Warfare School tätig. Tom DiTomasso ist erst kürzlich im Rang eines Oberstleutnants in den "Ruhestand" gegangen. Wer glaubt, den Namen DiTomasso schon mal irgendwo gehört zu haben, dem sei an dieser Stelle die nochmalige Lektüre von Mark Bowdens Buch "Black Hawk Down" empfohlen. Am 3. Oktober 1993 war Tom DiTomasso als junger Leutnant der US Army Rangers als Zugführer von Chalk 2 an den Ereignissen beteiligt, welche später als die "Schlacht um das Schwarze Loch" in die amerikanische Geschichte eingehen sollte. Russisch Roulette Wie bei einem Viking Tactics Seminar nicht anders zu erwarten, waren alle 16 Teilnehmer 17 caliber 4/2010 Recht zügig ging es aber zu den Schießtechniken unter Nutzung von Deckung weiter, wobei hier die tiefen Anschlagsarten und deren schneller Wechsel eine gewisse körperliche Fitneß voraussetzen. MILITÄR & POLIZEI V TAC "Night Fight er" Kurs In der Aufwärmphase 18 caliber 4/2010 Kyle Lamb demonstriert die "Junkyard Prone" Schießtechnik, bei der das Gewehr mit der Seitenfläche auf dem Fahrzeug abgelegt und durch geringen Druck auf die Optik im Schuß kontrolliert wird. Mit der rückstoßarmen 5,56x45 mm können erstaunlich gute Treffer angebracht werden. mit einem AR 15 der einen oder anderen Art zum Kurs erschienen. Da drunter waren mehrere JP-15/VTAC und S&W M&P 15/VTAC, beides Co-Produktionen zwischen Viking Tactics und JP Enterprises beziehungsweise Smith & Wesson. Beide "VTAC Tactical Rifles" verfügen über einen 16-Zoll-Lauf und zeichnen sich durch den langen, runden JP/VTAC Freischwinger-Handschutz aus, der die Gasentnahme verdeckt. Der lange Handschutz ohne überflüssige Picatinny Schienen, und der weit vorne plazierte Vertikal-Handgriff sind mittlerweile schon so etwas wie ein Markenzeichen von Kyle Lamb geworden. Auf einigen ARs war auch bereits der neue VTAC/Toy Extreme Battle Rail zu sehen. Dieser "Free Floa" Handschutz ist noch leichter und schmaler als der JP/VTAC Handschutz und verfügt über eine durchgängige Schiene in der 12Uhr-Position. Dieser Handschutz wiegt in seiner längsten Ausführung (13"/33cm) gerade einmal 357 Gramm. Ansonsten war unter den AR 15 so ziemlich alles vertreten, was der umfangreiche US-Markt so hergibt: Noveske N4, Bravo Company BCM4, Smith & Wesson M&P 15, LMT, HK 416, Colt und weitere Fabrikate. Insbesondere die Smith & Wesson M&P 15 hat sich seit ihrem Erscheinen einen guten Marktanteil gesichert. Darunter waren auch zwei Waffen mit Smith & Wesson Upper im russischen Kaliber 5,45 x 39. Eine Konsequenz aus den auch in den USA ständig steigenden Preisen bei abnehmender Lieferbarkeit von Munition im Kaliber .223 Rem/5.56 NATO. Noch ist russische 5,45 Surplus Munition in großer Stückzahl und zu günstigen Preisen verfügbar, was die Anschaffung eines 5,45 "Trainings-Upper" als durchaus sinnvoll erscheinen läßt. Leider verirrte sich im Laufe des Seminars eine 5,45 x 39 Patrone in ein 5,56 x 45 Patronenlager, was die Waffe zu einem Fall für den Büchsenmacher werden ließ und den betroffenen Schützen dazu zwang, sich nach einer Leihwaffe umzusehen. Im Bereich Optik teilte sich das Teilnehmerfeld nahezu 50 zu 50 in Aimpointund EOTech-Nutzer. L3 ist es offenbar gelungen mit den neuen XPS-Modellen wieder Boden gut zu machen. Waren die früheren Modelle doch zum Teil recht störungsanfällig und von sehr kurzzeitiger Batterielebensdauer geplagt, so haben die neuen Modelle mit der quer zur Schußrichtung eingesetzten CR123 Batterie wohl endlich eine zuverlässigere und langlebigere Energiequelle gefunden. Bei den drei VTAC Instruktoren sind die L3 EOTech XPS 3-0 in der Erprobung. Auf die doch angeblich deutlich längere Batterielebensdauer der Aimpoint Modelle angesprochen, entgegnete Kyle Lamb, daß in seinen eigenen Versuchen das Aimpoint H1/T1 beispielsweise nicht einmal annähernd an die vom Hersteller angegebene Leuchtdau- er herangekommen ist. Was den Aimpoint Visieren als Defensivoptik immer noch einen kleinen Vorsprung gibt, ist die Tatsache, daß sie sich im Gegensatz zu den EOTechs nicht nach einer gewissen Zeit selber abschalten. So kann die Waffe mit eingeschaltetem Rotpunkt gelagert werden und ist im Falle eines Falles sofort einsatzbereit. Der Zwei-Punkt-Tragegurt (VTAC Padded Sling) war an allen AR 15 der Teilnehmer zu finden und erwies sich im Laufe des Kurses als äußert hilfreich und vielseitig. Bei den Dienstpistolen dominierten Glock sowie S&W M&P Modelle in den Kalibern 9 mm Luger und .40 S&W. Der Autor, der ohne eigene Ausrüstung angereist war, hatte das unverschämte Glück, seine Wahl der Waffen und des Zubehörs aus den umfangreichen persönlichen Beständen von Kyle Lamb treffen zu dürfen. An dieser Stelle muß ich leider dem Zuverlässigkeitsmythos der HK 416 einen kleinen Kratzer zufügen. Während die "Short Stroke Piston" 10,5 Zoll HK 416 eines Teilnehmers mehrfach im Laufe der 3 Tage streikte, lief die "Direct Impingement" JP-15/VTAC Leihwaffe des Autors 1.500 Schuß ohne Ölen oder Reinigen völlig störungsfrei. Der Vorteil der extrem geringen Exposition von eigener Zielfläche wird erst aus der Ferne wirklich deutlich. Neben der reinen Punktzahl auf der Präzisionsscheibe war hier die Verteilung der Treffer von entscheidendem Interesse. Dazu wurde die Scheibe mittels zweier Linien wie ein Kuchen in 4 Teile geteilt. Betrachtet man nun die Trefferverteilung und stellt fest, daß in einem Quadranten überproportional viele Treffer sind, wird entsprechend korrigiert. Je nach Anschlagsart kann es zu mehr oder minder starken Verschiebungen in der Treffpunktlage kommen, verursacht durch die unterschiedliche Waffenhaltung und die dadurch verschobene Es wurde intensiv aus dem Auto heraus oder um den PKW herum trainiert, was diese Aufnahmen auf beeindruckende Art und Weise dokumentieren. Position der Wange am Schaft und des Auges hinter der Visierung. Für das taktische Schießen ist deshalb ein aus verschiedenen Distanzen und Anschlagsarten gemitteltes Zero sinnvoller als eines, das nur auf 50 Meter sitzend aufgelegt ermittelt wurde. Hatten die Kursteilnehmer im ersten Durchgang des "400 Punkte Test" bereits Bekanntschaft mit zwei Hauptthemen der Viking Tactics Schießdoktrin, den Faktoren "Präzision" und "Zeit" gemacht, so folgte im zweiten Durchgang mit dem Schießen im linksseitigen Anschlag der Faktor "Beidhändigkeit". 19 caliber 4/2010 Nach einer kurzen, aber deutlichen Sicherheitseinweisung hatten die 16 Kursteilnehmer zunächst Gelegenheit die Treffpunktlage ihrer Selbstladebüchsen zu überprüfen. Das Einschießen erfolgte praxisgerecht auf 50 Yards im Liegendanschlag. Kyle Lamb demonstrierte, wie man dabei das 30er Magazin quasi als "Monopod" einsetzen und zusätzlich mit dem VTAC Schießriemen die Schießposition stabilisieren kann. Angestrebt wurde dabei kein Benchrest Ergebnis, sondern eine solide Basis für das praktische und taktische Schießen. Der praktische Nutzen des so ermittelten "Zeros" wurde unmittelbar im Anschluß mit dem "400 Punkte Test" überprüft. Dabei schossen die Schützen unter Beachtung des ermittelten Zeros jeweils 10 Schuß aus 100 Yards liegend, 75 Yards sitzend, 50 Yards kniend und 25 Yards stehend. Je nach verwendeter Munition also 5 cm tief bei 100 Yards und knapp 3 cm hoch bei 25 Yards anhalten. Diese Übung diente zugleich der Aufwärmung, denn sie wurde gegen die Uhr geschossen und die Schützen legten die Distanzen zwischen den Positionen im Sprint zurück. Anschließend wurden die – hoffentlich vorhandenen – 40 Treffer auf der Scheibe ausgewertet. Stetig steigende Anforderungen Nachdem alle Schützen ballistisch eingeordnet waren, ging es nach vorne an die 10 Yards Linie, wo Kyle Lamb eine kurze Einweisung in die neuen VTAC Mannscheiben gab und seine Sicht der Dinge in Sachen Ziel- und Wundballistik erläuterte. Lamb ist ein Verfechter der 5.56 NATO in Verbindung mit einer hohen Geschwindigkeit (für den Standard Außeneinsatz sollte die Lauflänge daher mindestens 14,5" besser noch 16" betragen) und präziser und multipler Trefferplazierung in Kopf, Brust oder Becken, um ein Maximum an Trefferwirkung zu erzielen. Zur Vorbereitung auf den kommenden Nachtkampf wurden nun alle Übungen grundsätzlich unter Einsatz der Waffenleuchte geschossen. So hatten die Teilnehmer nochmals Gelegenheit die Positionierung ihrer Waffenleuchte am AR zu testen und zu überprüfen. Insbesondere V TAC "Night Fight er" Kurs auch daraufhin, ob die Lampe sowohl beim rechtsseitigen als auch linksseitigem Anschlag zum Einsatz gebracht werden kann. Die nun folgenden Übungen forderten von den Schützen schnelle Zielwechsel, sowohl von Mannscheibe zu Mannscheibe, als auch von Trefferzone zu Trefferzone. Dabei wurden die abzugebenden Schußzahlen permanent zwischen 2 bis 5 Schuß pro Trefferzone variiert, um die Kursteilnehmer nicht auf eine bestimmte Schußzahl zu konditionieren. Das Schießen von Doubletten, so Lamb, sei unter taktischen Gesichtspunkten eine schlechte Angewohnheit. Zum einen bringe sie den Schützen dazu, zu glauben mit dem Abfeuern von zwei Schuß sei die Auseinandersetzung erfolgreich beendet, und zum anderen werde der Schütze dahin trainiert, daß er zwar in der Lage ist 2 Schuß schnell zu schießen, daß aber Folgeschüsse, sollten sie erforderlich sein, deutlich langsamer kommen. Geschossen werden solle, so Lamb weiter, bis Trefferwirkung einsetzt. Wenn eine Wirkung innerhalb eines 2-5 Schuß Parameters nicht eintritt, so sollte ein Wechsel der Trefferzone erfolgen. Dabei, so Kyle Lamb, muß die Waffe immer wieder in das Ziel "gelenkt" werden. Zeit wird nicht am Abzug gespart, sondern in der Bewegung zum Ziel und von Ziel zu Ziel. Hier gilt es, die Waffe mit einer aggressiven, schnappenden Bewegung von Gegner zu Gegner zu fahren. Um dies bei den Teilnehmern zu verfestigen, wurden verschiedene Übungen, wie zum Beispiel der 2x2x2 und der 1-5 VTAC Rifle Drill eingesetzt. Videoaufnahmen dieser Drills sind auf der Viking Tactics Internetseite (www.vikingtactics.com) unter der Rubrik VTAC Instructional Videos abrufbar. Weitere Trainingsschwerpunkte dieses ersten Kurstages waren das Schießen aus der Bewegung und der Waffenwechsel von Lang- auf Kurzwaffe. Auch beim Einsatz der Kurzwaffe wurde je nach Ausstattung des Schützen die Waffenleuchte oder eine handgestützte Lampe verwendet. Mit Einbruch der Nacht hatten die Kursteilnehmer dann erstmalig Gelegenheit die soeben erlernten Fähigkeiten in tatsächlicher Dunkelheit umzusetzen. Neben der sicheren Waffenhandhabung wurde nun dabei von den Instruktoren stark auf die Einhaltung der Lichtdisziplin geachtet. Wer sich zum "Kugelmagneten" machte, weil er seine Lampe unnötig lange anließ oder sich selbst anstrahlte wurde sofort ermahnt. Krönender Abschluß des ersten Tages bildete dann der "Highsmith-Drill" bei völliger Dunkelheit. Diese 26-Schuß-Übung, mit seinen unterschiedlichen Zielmedien und Entfernungen, dem Schießen aus der Bewegung und hinter Barrikaden und das sowohl im rechts- wie im linksseitigen Anschlag, ist schon unter Tageslichtbedingungen keine leichte Aufgabe. Bei Dunkelheit und der damit nötigen Lampenhandhabung potenziert sich die Schwierigkeit dieses Drills nochmals deutlich. Wer hier seine Waffenhandhabung und seine Ausrüstung nicht auf einem intuitiven Level verinnerlicht hatte und blind bedienen konnte, der hatte hier Probleme. Ballistische Blechlawine Der zweite Trainingstag begann für die Kursteilnehmer erneut an der 100-Yards-Linie. Hier standen nun drei mehr oder minder fahrbare Untersätze: eine Limousine, ein Mini Van und ein 90er Dodge Neon, welcher sich im Laufe der nächsten beiden Tage noch einen Namen machen sollte. Doch dazu später mehr. Zunächst einmal sollten die Fahrzeuge dazu dienen, die Schützen mit verschiedenen Schießpositionen rund um Fahrzeuge vertraut zu machen. Dazu waren die drei PKW in unterschiedlichen Winkeln zu den in einhundert Yards befindlichen Zielen geparkt. Dies gab den Teilnehmern die Möglichkeit, zunächst statisch und dann in einem dynamischen Umfeld verschiedene Schießpositionen rund um die Fahrzeuge auszuprobieren. Diese Positionen sollten die Deckung, die das Fahrzeug bietet, optimal nutzen, gleichzeitig schnelle und präzise Treffer ermöglichen und zudem schnell einzunehmen oder schnell zu verlassen sein. Die drei VTAC Instruktoren demonstrierten dazu verschiedene Schießpositionen. So eignet sich die "Broke Back Prone"-Position hervorragend für das Schießen unter dem Fahrzeug bei gleichzeitiger Ausnutzung der Deckung durch Rad und Achse. Die "Junkyard Prone" -Position ist dazu gedacht, unter Beibehaltung einer möglichst kleinen Silhouette über die Motorhaube hinweg zu schie- 20 caliber 4/2010 Bei diesem Schießkurs wurde keinerlei Rücksicht auf Material genommen, so daß auch interessante Ballistikexperimente in der Praxis durchgeführt wurden, um die Projektilablenkung und Trefferwahrscheinlichkeit nach Durchdringung von Glas oder Blech aufzuzeigen. Typische Ausrüstung des Autors: Brustgeschirr (VTAC MOLLE Chest Rig) für vier Magazine, Rucksack für weitere Utensilien, Handschuhe (neben Brille und Gehörschutz), Glock 22 mit SureFire X-300 Waffenleuchte und Blade-Tech Holster und Magazintaschen sowie ein praxisgerecht ausgestattetes AR-15 Gewehr. Die Entscheidung fiel auf eine JP-15/VTAC mit einem EOTech XPS HWS, einer VTAC/Surefire L4 Waffenlampe und dem neuen VTAC/Troy Vertikal-Handgriff. 1/4 ANZEIGE 2spaltig Die Dynamik kam in diesem Schießkurs keinesfalls zu kurz, so daß Übungen in unterschiedlichen Teamkonstellationen oder das schnelle Schießen aus der Bewegung auf dem Programm standen. 21 caliber 4/2010 MILITÄR & POLIZEI MILITÄR & POLIZEI V TAC "Night Fight er" Kurs 22 caliber 4/2010 Der VTC Kurs trug nicht umsonst den Titel "Nightfighter", denn es wurden anspruchsvolle und sehr praxisnahe Übungen in völliger Dunkelheit absolviert, wobei auch hier das unvermeidliche Automobil oft mit einbezogen wurde. ßen. Dabei, so Kyle Lamb, sollte sich die vertikale Achse des Gewehrs (man denke sich eine Linie durch Magazinboden, Verschlußgehäuse und Optik) der Kontur der Motorhaube anpassen. Bei beiden eben genannten Schießpositionen muß der Schütze zudem bedenken, daß sich bei einer nahezu um 90 Grad zur Seite ge- kippten Waffe bereits bei einer Entfernung von 100 Yards der Treffpunkt je nach Kipprichtung deutlich nach unten rechts oder links verschiebt. Diese Verschiebung muß der Schütze durch einen hohen Haltepunkt in Richtung Magazinseite kompensieren. Eine weitere Schießposition war das bereits durch den "Highsmith- Drill" bekannte "Barricade Kneeling". In dieser knienden Position wird das Knie auf der Waffenseite hochgezogen und dient als Unterstützung für den Waffenarm. Mit der unterstützenden Hand wird die Waffe an der Barrikade oder dem Fahrzeug angestrichen. Dadurch erhält der Schütze eine sehr stabile Position, aus der heraus er Ziele schnell und präzise bekämpfen kann. Die Ansage von Kyle Lamb, daß nun aus diesen zum Teil doch recht ungewöhnlichen Positionen heraus sowohl im rechts- wie auch im linkseitigem Anschlag 20 cm große Stahlplatten in 100 Yards Entfernung zu treffen sein, sorgte bei dem einen oder anderen Teilnehmer für eine gewisse Ungläubigkeit. Es spricht für die unglaubliche Professionalität, den Reichtum an Erfahrung und das Wissen um das Machbare von Kyle Lamb und den beiden VTAC Co-Instruktoren, daß sie binnen kürzester Zeit alle Schützen auf dieses Level gebracht haben, so daß der Rest des Nachmittags ein Stakkato aus "Plinks" war, wenn die .223er den Stahl trafen. Den Abend verbrachten die Kursteilnehmer damit bei verschiedenen Szenarien aus Fahrzeugen auszubooten und Stahl- und Papierziele in Entfernungen von 5 bis 25 Yards mit Kurz- und Langwaffe zu bekämpfen. Dabei ging es darum, die Fahrzeuge maximal als Dekkung auszunutzen. Somit wurde aus den geöffneten Fenstern auf Ziele in unmittelbarer Nähe zum Fahrzeug geschossen und nach dem Ausbooten über und unter den Fahrzeugen her geschossen. Ein Problem mit dem die Schützen dabei immer wieder zu kämpfen hatten, ist der Höhenunterschied zwischen Laufseele und Visierlinie. Bei dem Bestreben die Fahrzeuge so aggressiv wie möglich als Deckung zu nutzen, kam es immer wieder vor, das anstelle des Ziels, die eigene Deckung getroffen wurde. Größtmögliches Augenmerk wurde nun von den drei VTAC Instruktoren auf die Sicherheit gelegt, denn insbesondere beim Hantieren mit den Gewehren innerhalb der Fahrzeuge und beim Verlassen derselbigen galt es einhundertprozentige Mündungsdisziplin zu halten und nicht sich selbst oder andere mit der Waffenmündung zu überstreichen. Hier hatten die Schützen mit den 10,5 Zoll Upper einen kleinen Vorteil. Innerhalb dieser Übungen konnten die Kursteilnehmer nochmals die Plazierung ihrer Waffenleuchte am Vorderschaft überprüfen und gegebenenfalls modifizieren. Der Autor empfand die leichte und unkomplizierte VTAC/Surefire L4 mit VTAC Montage in der 4 Uhr 30 Position an seinem JP-15/VTAC in allen Anschlagsarten als sehr praxistauglich. Im Vergleich zu den früheren 60 Lumen Surefire mit Glühlampen sind die neuen 120 Lumen LED Lampen ein wahrer Quantensprung. Mit der VTAC/Surefire L4 und ihrem engen Leuchtkegel war eine sichere Zielidentifizierung auch in 2030 Metern bei völliger Dunkelheit kein Problem. Insbesondere in Verbindung mit dem aufgewirbelten Staub und dem Pulverrauch wurde deutlich, daß die klassischen 60-Lumen-Lampen im Außenbereich starke Defizite haben. Ungewöhnliche Schießpositionen und -techniken, die teilweise auch eine Verletzung eines Armes (schußstark oder schußschwach) simulieren. Bei der Wahl der Waffenlampen zeigte sich das einfacher meist besser ist. Wichtig bei der Wahl der Lampe ist zudem, daß sie über einen einfach zu bedienenden Schalter verfügt, der sowohl momentan als auch permanent zu schalten ist. Ein Umstand den mehrere Teilnehmer am dritten Tag zu spüren bekamen als sie in "Wounded Shooter Drills" versuchten, einhändig Waffe und die komplexen Schalter beziehungsweise den Kabelschalter ihrer Waffenlampen zu managen. 1/2 ANZEIGE angeschnitten MILITÄR & POLIZEI V TAC "Night Fight er" Kurs Die magische Kugel 24 caliber 4/2010 Am dritten Tag mußten die drei Fahrzeuge endgültig ihre Karosserie den ballistischen Wissenschaften spenden. Das erste Versuchskaninchen war der bereits erwähnte 90er Dodge Neon. Mit ihm führte Kyle Lamb das Seminar durch eine praktische Demonstration in Sachen Geschoßpenetration durch Karosserie und Autoglas. Eine ganze Palette an Kurzwaffenmunition der verschiedensten Kaliber und diverse Dienstmunition in .223 Remington wurde an dem Fahrzeug ausprobiert. Dabei war so ziemlich jede Dienstmunition mit jedem Geschoßtyp vertreten, welche sich in den Lokal-, Staats- und Bundespolizeien sowie den US Streitkräften im Einsatz befindet. Geschossen wurde aus verschiedenen Winkeln, durch Karosserie, Türen und Autoglas. Dabei erwies sich der Dodge Neon zur Überraschung aller als erstaunlich schußfest und mancher munkelte schon, man habe nun endlich ein kostengünstiges "Panzerfahrzeug" gefunden. Die Kursteilnehmer erfuhren so aus erster Hand, welche Teile eines Fahrzeuges gegebenenfalls tatsächlich so was wie Deckung bieten und welche Anstrengungen unter Umständen nötig sind, um ein feindliches Gegenüber hinter einem Fahrzeug zu neutralisieren. Eine magische Kugel, so fanden die Teilnehmer heraus, gibt es nicht und eine ganze Reihe von Dienstmunition der unterschiedlichsten Kaliber erwies sich als erstaunlich inadäquat wenn es darum ging, Glas oder Blech zu besiegen. Kyle Lamb wies immer wieder darauf hin, daß ein Automobil ein derart inhomogenes Ziel ist, daß die Ergebnisse bei Treffpunktunterschieden von wenigen Zentimetern oder Grad stark variieren können. Auch hier gilt es, den Feuerkampf so lange aufrecht zu erhalten bis Wirkung eintritt. An dem Minivan entkräftete Kyle Lamb die noch weit verbreitete Lehrmeinung, die da sagt, man solle beim Schießen über die Motorhaube eines Fahrzeuges Abstand halten, um nicht von Querschlägern getroffen zu werden. Gruppenbild mit Gewehren: Die Teilnehmer des VTAC Nightfighter Kurses unter Leitung von Kyle Lamb (obere Reihe ganz links). Lamb demonstrierte, daß bei einer flachen Silhouette wie beim "Junkyard Prone" die Gefahr getroffen zu werden nicht steigt, aber durch die Nähe zum Fahrzeug die Wahrscheinlichkeit aus den Flanken oder einer erhöhten Position getroffen zu werden, sinkt. Zudem erhält man durch das Fahrzeug eine stabile Waffenauflage, wodurch die eigene Trefferwahrscheinlichkeit erhöht wird. Nachdem nun das Eis in Sachen "Schießen durch Glas" gebrochen war, begannen die nächsten Übungen für die Teilnehmer in den Fahrzeugen. Nun wurden vor dem Ausbooten durch die Frontscheibe hindurch Ziele im Nahbereich bekämpft und anschließend weitere Ziele in größeren Entfernungen aus der Deckung durch das Fahrzeug beschossen oder aber der Feuerkampf wurde aus der Bewegung geführt, während der Schütze zu weiteren Fahrzeugen vordrang, um auch dort Ziele zu beschießen. Wie bei allen vorherigen Übungen geschah dies unter Zeitdruck und im Wettstreit mit den anderen Teilnehmern. Der Timer lief immer mit. Nach jedem Durchgang wurden die Treffer ausgewertet, und Ausbilder und Schüler: Kyle Lamb und der Autor. bei einer Zeitstrafe von 20 Sekunden für einen Fehlschuß war Präzision Pflicht. Ultimativer Leistungstest Abschließend sei hier noch eine Übung im Detail beschrieben, welche man wohl mit Fug und Recht als den ultimativen Leistungstest für die Schützen (und die Instruktoren) ansehen kann: Es ist Nacht, völlige Dunkelheit, der Schütze auf dem Fahrersitz eines PKW, die restlichen 15 Kursteilnehmer keine 5 Meter hinter dem Fahrzeug. Eine Verwundung simulierend, darf der Schütze nur seinen linken Arm einsetzen. Das AR-15 liegt auf der Beifahrerseite. Die Ziele sind 20 cm Stahlplatten in knapp 30 Yards Entfernung. Nach dem akustischen Startsignal durch den Timer muß der Schütze die Waffe einhändig aufnehmen, durch das geöffnete Seitenfenster in Schußposition bringen, ohne sich dabei mit der Waffenmündung zu überstreichen, seine Waffenlampe einschalten (jetzt ist ein Dauerlichtschalter unentbehrlich), die Waffe entsichern und zwei Treffer auf dem Stahlziel landen. Nun das ganze rückwärts: Waffe sichern, Lampe aus, rüber auf die Beifahrerseite, durch das Beifahrerfenster nochmals zwei Treffer auf dem Stahl plazieren (mit links!!!). Nun aus dem Fahrzeug ausbooten. Achtung mit der Waffenmündung! Die Kurskameraden stehen quasi direkt vor dir! Hinter das Heck des Fahrzeugs, in Position, Lampe an, entsichern, zwei Treffer auf Stahl rechts am Wagen vorbei. Sichern, Lampe aus, Positionswechsel und nochmals zwei Schuß links vorbei. Wer die Lichtdisziplin zwischen den Positionen vernachlässigte, wurde von den Instruktoren freundlich aber bestimmt ermahnt, wer das Sichern vergaß, wurde sehr bestimmt ermahnt. Wer trödelte wurde mit lautstarken "Hustle, hustle" Rufen zur Eile getrieben. Wer Störungen hatte, mußte auch diese einhändig beheben. Und so mancher mußte feststellen, daß "Mister Murphy" am liebsten seine häßliche Fratze zeigt, wenn es Dunkel ist und man nur eine Hand zur Verfügung hat. Text und Photos: Oliver Falk 1/1 ANZEIGE