Großbritannien - Religionsfreiheit weltweit

Transcription

Großbritannien - Religionsfreiheit weltweit
GROSSBRITANNIEN
GROSSBRITANNIEN
Buddhisten
(0,4 %)
Christen
(71,1 %)
Hindus
(1,3 %)
Juden
(0,5 %)
Muslime
(4,4 %)
Sonstige Religionen
(0,8 %)
Einwohner:
Fläche:
Flüchtlinge (int.)*:
2
63.230.000
230.800 km
149.799
* Ausländische Flüchtlinge in diesem Land
Traditionelle
Religionen
(0,3 %)
Religionslose
(21,3 %)
Flüchtlinge (ext.)**:
Binnenflüchtlinge:
154
–
** Ins Ausland geflohene Bürger dieses Landes
Großbritannien hat internationale Menschenrechtskonventionen unterzeichnet, die das
Land zu Verpflichtungen bezüglich Religionsfreiheit und Glauben zwingen, wie die
European Convention on Human Rights (Europäische Menschenrechtskonvention). Die
Konvention, die das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit festlegt
(Artikel 9), wurde mit dem Menschenrechtsgesetz (1988) vom Britischen Recht übernommen, obwohl dieses Gesetz erst im Jahr 2000 voll in Kraft getreten ist.
Die Kirche von England hat als etablierte Kirche mehr als 450 Jahre das öffentliche
religiöse Leben beherrscht und wird auf verschiedene Weise immer noch vom Gesetz
bevorzugt. Beispielsweise sitzen 26 Bischöfe im House of Lords des Britischen Parlaments. Obwohl sich die Mehrheit der Bevölkerung mit dem Christentum identifiziert,
verweist eine Untersuchung darauf, dass die regelmäßigen Kirchenbesuche im späten
20. Jahrhundert dramatisch zurückgegangen sind.1 Einwanderung und demografische
Veränderungen haben zur Zunahme anderer Glaubensrichtungen, vor allem des Islam,
beigetragen.
Alasdair Crockett und David Voas, „Generations of Decline: Religious Change in 20th-Century
Britain“, in Journal for the Scientific Study of Religion, 45 (2006), S. 567–584; BBC News (online),
07.05.13, http://www.bbc.co.uk/news/uk-22426144
1
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
Diskriminierung von Christen
Am 15. Januar wurden vom European Court of Human Rights (Europäisches
Menschenrechtsgericht) Urteile über Nadia Eweida, Shirley Chaplin, Lillian Ladele
und Gary McFarlane ausgesprochen, die behaupteten, das britische Gesetz schütze nicht
ausreichend ihre Rechte auf Religionsfreiheit und Freiheit von Diskriminierung am
Arbeitsplatz.2 Von den vier Beschwerden wurde nur eine bestätigt, nämlich von Nadia
Eweida. Nadia Eweida, eine Mitarbeiterin der Britisch Airways, und Shirley Chaplin,
eine Altenpflegerin, beklagten sich, ihre Arbeitgeber hätten ihnen verboten, bei der
Arbeit sichtbare christliche Kreuze zu tragen. Im Jahr 2006 wurde Nadia Eweida, einer
koptischen Christin, erklärt, sie solle ihr kleines Kreuz nicht mehr tragen, da die Politik
der Fluggesellschaft nur religiöse Symbole erlaubte, die von der eigenen Religion vorgeschrieben waren, wie hijab oder kippa.3 Nadia Eweidas Beschwerde wurde bestätigt,
weil das Gericht meinte, die Unternehmenspolitik sei kein ausreichender Grund, um sie
vom Tragen eines Kreuzes abzuhalten. Shirley Chaplins Beschwerde wurde jedoch zurückgewiesen, weil das Gericht glaubte, die Aufforderung ihres Arbeitgebers wäre aus
gesundheitlichen und Sicherheitsgründen gerechtfertigt.
Lilian Ladele, eine Standesbeamtin, und Gary McFarlane, ein Paarberater, beklagten
sich, sie seien entlassen worden, weil sie sich weigerten, Pflichten zu erfüllen, die –
wie sie glaubten – homosexuelle Handlungen billigen würden.4 2007 informierte Gary
McFarlane, der für Relate, eine nationale karitative Organisation, das Thema Beziehung bearbeitet, seinen Leiter, „er habe aus Gewissensgründen Schwierigkeiten im Umgang mit gleichgeschlechtlichen sexuellen Praktiken und der Erfüllung seiner Pflicht,
den Lehren der Bibel zu folgen“. Er wurde wegen „schwerem Amtsvergehen und Diskriminierung“ entlassen.5 Obwohl Lillian Ladele ihren Fall vor dem Europäischen
Menschenrechtsgericht verlor, bemerkten zwei Richter, die anderer Meinung waren:
Diese und alle folgenden Informationen wurden, sofern nicht spezifiziert, vom Observatory on
Intolerance and Discrimination Against Christians bereitgestellt,
http://www.intoleranceagainstchristians.eu/
3
„Christian BA employee to take legal action over suspension for wearing cross“, in Daily Mail
http://www.dailymail.co.uk/news/article-410299/Christian-BA-employee-legal-action-suspensionwearing-cross.html
4
Dr Grégor Puppinck, Observations relating to third party intervention submitted to the Fourth Section
of the European Court of Human Rights in the case of Lillian Ladele and Gary McFarlane vs. The United
Kingdom (Anträge Nr. 51671/10 und 36516/10).
5
Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians, Europe: Legal Restrictions Affecting
Christians 2012: Cases of Intolerance or Discrimination against Christians, S. 16, http://www.intoleranceagainstchristians.eu/fileadmin/user_upload/reports/Legal_Limitations_Affecting_Christians_as_
well_as_Cases_of_2012_Webversion_of_Report_by_OIDAC.pdf
2
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
Es ist … zu beachten, dass, als [Ladele] 1992 … nach London in die Stadtgemeinde von Islington kam und sie 2002 eine Registerbeamtin für Geburten, Todesfälle und
Eheschließungen wurde, ihre Arbeit nicht umfasste, an gleichgeschlechtlichen Partnerschaftszeremonien teilnehmen zu müssen. Nichts lässt darauf schließen …, dass es zu
erwarten gewesen wäre …, dass Standesbeamte in Zukunft bei diesen Feiern anwesend
sein müssten. Im Gegenteil, sowohl das Gesetz (Civil Partnership Act 2004) als auch
die Praxis anderer lokaler Behörden lassen die Möglichkeit von Kompromissen zu, die
Standesbeamte nicht zwingen würden, ihrem Gewissen zuwiderzuhandeln. In [Ladeles]
Fall jedoch hat eine Kombination von verräterischem Verhalten ihrer Kollegen und der
engstirnigen politischen Korrektheit der Stadtgemeinde von Islington (die „Schwulenrechte“ vor den grundlegenden Menschenrechten deutlich bevorzugte) zu ihrer Entlassung geführt.6
Gesetze über „Volksverhetzung“ wurden verwendet, um christliche Prediger zu verhaften. Laut Paragraf 5 des Gesetzes über Öffentliche Ordnung (1986) ist die Verwendung
„beleidigender Worte oder beleidigenden Verhaltens“, die „Belästigung, Unruhe oder
Betrübnis verursachen könnten“, ein kriminelles Verbrechen. Diese Vorschrift hat zur
Verhaftung und Verfolgung christlicher Straßenprediger geführt (Beispiele siehe unten). Die Kampagne der „Reform Section 5“ wurde lanciert, um das Wort „beleidigend“
zu streichen. Die Regierung war damit einverstanden, dieses Wort aus Paragraf 5 des
Gesetzes über die Öffentliche Ordnung zu streichen, nachdem im Dezember 2012 im
House of Lords darüber abgestimmt worden war. Die Änderung trat im Februar 2014
in Kraft.
Im Juli 2013 verhaftete die Polizei einen Straßenprediger in Wimbledon, SüdwestLondon, unter dem Verdacht, er habe dem Gesetz über Öffentliche Ordnung durch die
vermeintliche Verwendung homophober Worte zuwidergehandelt. Tony Miano, ein
US-Bürger, wurde festgenommen, nachdem ein Mitglied der Öffentlichkeit die Polizei
gerufen hatte, und zur örtlichen Polizeistation gebracht. Nach mehr als sieben Stunden
Gewahrsam erklärte der Untersuchungsbeamte ihm, sie hätten beschlossen, ihn ohne
weiteres Eingreifen freizulassen. Er wurde um Mitternacht freigelassen. Er sagt zu dem
Vorfall:
Ich sprach nicht nur über Homosexualität als Form sexueller Sittenlosigkeit, sondern
über jede Art von Sex außerhalb der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau sowie
lüsterne Gedanken. … Es war sehr enttäuschend, verhaftet und vernommen zu werden,
Mark Hill, „Lillian Ladele is the real loser in Christian discrimination rulings“, in Guardian, 17.01.13,
http://www.theguardian.com/commentisfree/belief/2013/jan/17/lillian-ladele-loser-christiandiscrimination-rulings
6
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
nur weil ich meinen tiefsten christlichen Glauben offen ausdrückte. … Als die Vernehmung begann, wurde klar, dass es nicht nur um den Vorfall auf der Straße, sondern darum ging, was ich glaubte und denke … Es überraschte mich, dass in einem Land, das die
Magna Charta hervorbrachte, eine sonst dem Gesetz treue Person ihre Freiheit verlieren
könnte, weil eine Person durch den Inhalt meiner Worte verletzt wurde.7
Im Januar 2014 wurde Tony Miano wieder verhaftet, weil er im Zentrum von Dundee
predigte, und des Friedensbruches beschuldigt, weil er homophobe Worte verwendete.
Sein Prozess wurde für den 22. April 2014 anberaumt.8
Verbrechen aus Hass gegen Christen
Ein offizieller Bericht der Schottischen Regierung zeigte eine Zunahme schwerer
religiöser Verstöße im Zeitraum 2011–2012, mit 87 Beschuldigungen. Meist waren
Katholiken und Protestanten Zielscheibe der Vergehen. Die proportionale Aufteilung
der betroffenen Religionen war ähnlich der des Vorjahres: 58,1 % im Zeitraum 2011–
2012 für Katholizismus und 40,3 % für Protestantismus. Laut Polizeiberichten waren
31 % der Vorfälle direkt an Fußball gebunden, was beweist, dass das Sektierertum immer noch ein Problem im schottischen Sport ist.9
Gleichstellungsvorschriften
Mitglieder religiöser Gruppen haben einen Konflikt zwischen ihrem Glauben und den
Gleichstellungsvorschriften erlebt. Das Gleichstellungsgesetz (Equality Act – 2010)
verbietet Diskriminierung aus verschiedenen Gründen, einschließlich sexueller
Orientierung, bei der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen. Mike und
Susanne Wilkinson, praktizierende Christen und Besitzer einer Pension, verloren im
Oktober 2012 einen Prozess und wurden mit 3,500 £ bestraft, weil sie einem homosexuellen Paar ein Doppelbettzimmer verweigerten. Sie verloren auch im Berufungsver-
Christian Concern website, www.christianconcern.com
Alan Wilson, „US street preacher ,looking forward to day in Court‘ after Dundee arrest“, Courier,
10.01.14, http://www.thecourier.co.uk/news/local/dundee/us-street-preacher-looking-forward-to-day-incourt-after-dundee-arrest-1.174785
9
Religiously Aggravated Offending in Scotland 2011-12, http://www.scotland.gov.uk/
Publications/2012/11/7685
7
8
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
fahren im Juli 2013.10 Die Besitzer folgten einer Politik, anhand derer nur verheiratete
Paare aufgenommen werden, und weigerten sich, den Männern ein Doppelbettzimmer
zu geben, weil diese nicht verheiratet waren. Die Gerichte legten fest, es handle sich um
indirekte Diskriminierung.
Ein potenzieller Verstoß gegen dasselbe Gesetz gehörte zu den Gründen, weshalb Lord
Nash vom Unterrichtsministerium der Regierung der muslimischen Schule Al-Madinah
in Derby erklärte, sie habe gegen die Voraussetzungen der Finanzierungsvereinbarung
verstoßen.11 Besonders besorgniserregende Verstöße gegen die Gleichberechtigung
waren, dass die Schule darauf bestand, dass das weibliche Personal ein hijab trage,
dass die Schüler nach Geschlecht getrennt wurden und die Mädchen in den hinteren
Reihen des Klassenzimmers sitzen mussten.12 Bezüglich des weiblichen, hijab tragenden Personals erklärte der Schuldirektor Fasal Hussain: „Wir haben von unserem Personal niemals Beschwerden vernommen“. Der Leiter für islamische Studien, Mohammad
Burhaan, fügte hinzu, dass die Kopftücher zu den Kleidungsvorschriften der Schule
gehörten. Die Regierung ordnete der Schule an, dem weiblichen Personal zu sagen,
dass sie kein hijab tragen müssten, wenn dies mit ihrer Religion oder ihrem Glauben in
Widerspruch stünde.13
Im Juli 2013 erhielt der Gesetzesentwurf über Eheschließungen (gleichgeschlechtlicher
Paare) die Königliche Genehmigung und wurde, trotz der Besorgnis einiger religiöser
Gruppen, zum Gesetz.
Laut der Regierung „wird ‚eine vierfache Sicherung‘ rechtlicher Schutzmaßnahmen
zusichern, dass alle religiösen Organisationen gemäß ihrer Doktrinund ihrem Glauben handeln können.“14 Religiöse Organisationen mussten mit der Trauung gleichgeHayley Dixon, „Christian B&B owner ordered to compensate gay couple takes fight to Supreme Court“,
Telegraph 09.07.13, http://www.telegraph.co.uk/news/uknews/law-and-order/10168643/Christian-BandBowner-ordered-to-compensate-gay-couple-takes-fight-to-Supreme-Court.html
11
Andere von Lord Nash angesprochene Punkte waren, dass die Schule den Kindern keine Sicherheit bot,
dass sie einen nicht akzeptierbaren niedrigen Bildungsstandard aufwies und dass sie ihre Pflichten und
Verantwortung gegenüber der Leitung nicht erfüllte.
12
British Humanist Association website, https://humanism.org.uk/2013/10/09/first-muslim-free-schoolthreatened-closure-breach-funding-agreement/
13
BBC (online) 14.10.13, http://www.bbc.co.uk/news/uk-england-derbyshire-24517131
14
UK government website, www.gov.uk/government/news/equal-marriage. Diese sind: 1) Religiöse
Organisation oder Priester können gezwungen werden, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen oder solche
Trauungen in ihrem Gebäude zuzulassen; 2) Es ist rechtswidrig für religiöse Organisationen oder deren
Priester, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen, sofern ihre Leitung nicht ausdrücklich damit einverstanden ist; 3) Im Falle der Kirche von England und der Kirche von Wales ist dies spezifisch rechtswidrig,
10
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
schlechtlicher Paare einverstanden sein. Das Gesetz erlaubt es Klerikern der Kirche
von England oder ihrer Schwesterkirche in Wales jedoch nicht, gleichgeschlechtliche
Paare zu trauen, auch wenn sie laut dem Gesetz die Pflicht haben, andersgeschlechtliche
Pfarrmitglieder zu trauen. Obwohl Abänderungen im House of Lords den Schutz religiöser Gruppen verstärkt haben, spricht Baronin Warsi, eine Muslimin und Staatsministerin für Glauben und Gemeinschaften, immer noch den Zweifel aus, ob dieses Gesetz
genügend Schutz biete. Sie erklärte, sie habe nicht für den Gesetzesentwurf gestimmt,
weil sie „Vorbehalte“ habe, ob die Klauseln, anhand derer Glaubensgruppen nicht geklagt werden könnten, weil sie gleichgeschlechtliche Trauungen verweigern, in der Praxis funktionieren würden.15 Trotz der im neuen Gesetz enthaltenen Schutzmaßnahmen
kündigte der Millionär Barrie Drewitt-Barlow im August 2013 seine Absicht an, einen
Rechtsbehelf einzulegen mit dem Ziel, seinen Partner Tony in der Kirche von England
heiraten zu können.16 Anglikanischen Klerikern ist es erlaubt, nach freiem Ermessen
einen informellen Gebetsdienst anzubieten, wenn dies gleichgeschlechtliche Paare verlangen.
Diskriminierung gegen Muslime
Laut den Ergebnissen einer verdeckten Ermittlung von BBC, dem nationalen Rundfunk- und Fernsehservice, können arbeitssuchende Muslime vor einer Diskriminierung
stehen. Zwei weiße verdeckte Reporter ermittelten über 40 in den Geschäftsauslagen in
ganz Bristol ausgehängte Arbeitsangebote. Einer der beiden hieß Ian. Der andere war
ein kürzlich zum Islam übergetretener Mann, der seinen Namen von Zoltan in Mohammed gewechselt hatte und die traditionelle Kleidung shalwar kameez (Oberhemd und
Hosen) trug, die gewöhnlich in Ländern mit muslimischer Mehrheit auf dem asiatischen
Subkontinent, vor allem Pakistan, getragen wird. Obwohl die beiden eine ähnliche Berufsbildung besaßen, war Ian bei den Interviews viermal erfolgreicher als Mohammed.
Baronin Warsi erklärte: „Es macht mich besorgt, dass die Chancen einer Person aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit eingeschränkt werden.“17
sofern das Gesetz nicht geändert wird; 4) Der Equality Act 2010 wurde abgeändert, um zu gewährleisten,
dass religiöse Organisationen oder Priester wegen Verweigerung, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen,
nicht der Diskriminierung beschuldigt werden können, http://www.mirror.co.uk/news/uk-news/gay-marriage-church-of-england-will-not-1484855#ixzz2v6VSlHqH
15
Telegraph, 12.12.13, http://www.telegraph.co.uk/news/politics/10514629/Baroness-Warsis-concernover-effect-of-gay-marriage-laws-on-religious-groups.html
16
Daily Mail, 02.08.13, http://www.dailymail.co.uk/news/article-2383686/Millionaire-gay-fathers-sueChurch-England-allowing-married-church.html#ixzz2uLmRULkh
17
BBC, http://www.bbc.co.uk/news/uk-england-bristol-24584855
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
Im März 2013 brach ein Medienansturm aus, nachdem eine muslimische Gesellschaft
im University College London eine Debatte zu dem Thema „Islam oder Atheismus:
Was ist sinnvoller?“ organisiert hatte, bei der das Publikum angeblich nach Männern
und Ehepaaren in den ersten Reihen und alleinstehenden Frauen in den hinteren Reihen
getrennt wurde. Aus den Medien ging hervor, dass die Segregation bei muslimischen
Studententreffen auch auf dem Campus anderer Universitäten durchgeführt oder heftig befürwortet wurde. Universities UK, eine Organisation, welche die Rektoren der
höheren Bildungsstätten im Land vertritt, verteidigte anfänglich das Recht von Studentenvereinigungen, bei Treffen eine getrennte Sitzordnung zu haben, und erklärte,
dass dies „den einfach gelebten religiösen Glauben“ der Teilnehmer darstelle, nahm
aber die Erklärung nach weiterer Berichterstattung der Medien zurück, die diese Praxis
weitgehend kritisierten. Dies gilt auch für eine Studentenralley außerhalb des Sitzes von
Universities UK auf dem Tavistock Square, London (an der etwa 100 Studenten teilnahmen), und für eine Intervention des Premierministers David Cameron, der mit dieser Richtlinie nicht einverstanden war. Die Option einer Segregation an Universitäten
wurde nach einer Empfehlung der Equality and Human Rights Commission (Kommission für Gleichberechtigung und Menschenrechte) aufgehoben, die erklärte, dass dies,
während die Trennung nach Geschlechtern in Gebäuden erlaubt ist, die für religiöse
Zwecke verwendet werden, bei akademischen Zusammenkünften oder einer dem Publikum offenen Konferenz unzulässig wäre. Universities UK fügte jedoch hinzu, dass,
wenn Teilnehmer damit einverstanden sind, in getrennten Gruppen zu sitzen, es auch erlaubt sein sollte, solange keine Benachteiligung verursacht wird. Mit anderen religiösen
Gruppen, wie dem Orthodoxen Judentum, bei denen der Tradition nach die Personen
bei religiösen Versammlungen nach Geschlecht getrennt werden, zeigt das Problem die
Spannungen zwischen religiöser Praxis und der heutigen Auffassung von Gleichberechtigung der Geschlechter in der Gesellschaft und im welchen Ausmaß verschiedenartige
Wertvorstellungen zu einem Konflikt führen können.18
Verbrechen aus Hass gegen Muslime, besonders gegen Imame, nehmen immer mehr zu
und sind ein komplexes Problem in der Gesellschaft. Ein Imam in Birmingham wurde
angespuckt, einfach wegen seines „muslimischen Aussehens“. Ein anderer, der Gebete
auf einem Parkplatz leitete, wurde von einer Gruppe Jugendlicher beschimpft, er sei
Daily Mail, 16.04.12, http://www.dailymail.co.uk/news/article-2309737/Leicester-University-probingMuslim-group-forced-male-female-students-sit-separate-areas.html; Independent, 12/12/13, http://www.
independent.co.uk/voices/comment/as-a-muslim-i-oppose-gender-segregation-in-universities-but-itsadvocates-have-every-right-to-their-opinion-9000088.html; Guardian, 13.12.13, http://www.theguardian.
com/education/2013/dec/13/universities-uk-withdraws-advice-gender-segregation; Godlessness in Theory
(Blog), 28.12.13, http://freethoughtblogs.com/godlessness/2013/12/28/gender-segregation-on-campus-atimeline-of-opposition-in-uk-media/
18
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
„muslimischer Abschaum“. Es kam auch zu Vorfällen, bei welchen muslimischen Frauen, die oft aufgrund ihrer andersartigen Kleidung zu Opfern des Islamhasses wurden,
das Kopftuch heruntergerissen wurde.19 Im September 2012 griffen Paige Bain, 16, und
ihre Tante, Eileen Kennedy, 28, die im 5. Monat schwangere Umaimi Musa – ursprünglich aus Darfur, Sudan – an, schlugen sie und rissen ihr hijab herab, nachdem sie die
Frau und eine Freundin aus Royston, Glasgow, beschimpft hatten. Der Vorfall wurde
auf CCTV aufgegriffen, und die Frauen kamen ins Gefängnis.20
Nach der Ermordung des britischen Soldaten Lee Rigby am 22. Mai 2013 durch zwei
muslimische Männer nigerianischer Herkunft – ein Fall, der großes öffentliches Interesse erweckte – kam es zu einer Zunahme von Angriffen auf Moscheen und muslimische
Einzelpersonen. In den darauffolgenden fünf Tagen wurde von mehr als 190 Angriffen auf Muslime und 10 Anschlägen auf Moscheen und islamische Zentren berichtet.21
Dazu gehört der Brandbombenanschlag auf das Grimsby Islamic Cultural Centre durch
zwei ehemalige Soldaten, Stuart Harness, 33, und Gavin Humphries, 37. Sie wurden zu
jeweils sechs Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem CCTV sie zeigte, wie sie selbstgemachte Benzinbomben auf die Moschee schleuderten. Sie dachten, die Videokameras
wären ausgeschaltet.22 Obwohl nicht immer direkt damit verbunden, nahmen die Angriffe nach der Ermordung zu. Im Juni steckten Eindringlinge die Darul Uloom Islamic
School in Chislehurst, etwa sechs Meilen (10 Kilometer) von Woolwich entfernt, wo
Rigby ermordet wurde, in Brand.23
Antisemitische Vorfälle betrafen die gesamte jüdische Gemeinschaft, von Orthodoxen
bis zu Reformierten, und sogar Personen jüdischer Herkunft, welche die Religion nicht
praktizieren. Ein Bericht des Community Security Trust zeigte gegenüber 2011 eine
5%ige Zunahme im Jahr 2012. Die zwei höchsten monatlichen Gesamtzahlen wurden
im März und November verzeichnet, nämlich 75 bzw. 82 antisemitische Vorfälle. Beide
umfassten vorübergehende „Zuspitzungen“ der gemeldeten Vorfälle, die auf ReaktioAljazeera (online), http://www.aljazeera.com/indepth/opinion/2013/12/from-radical-clerics-victimshate-201312248633129987.html
20
Daily Mail, 22.01.13, http://www.dailymail.co.uk/news/article-2266398/Teenage-girl-Paige-Bain16-pulled-hijab-Muslim-womans-head-punched-mother-racist-attack.html#ixzz2uKsrLaP7
21
Guardian, 28.05.13, http://www.theguardian.com/uk/2013/may/28/woolwich-murder-200-islamophobic-incidences
22
Guardian, 20.12.13, http://www.theguardian.com/uk-news/2013/dec/20/soldiers-firebombed-mosquelee-rigby-murder-jailed
23
Guardian, 09.06.13, http://www.theguardian.com/uk/2013/jun/09/islamic-boarding-school-fire-bromleysuspicious; Evening Standard, 10.06.13, http://www.standard.co.uk/news/london/fire-at-london-islamicschool-four-teenagers-arrested-as-police-step-up-security-8651586.html?origin=internalSearch
19
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
nen auf externe Ereignisse zurückzuführen waren: die terroristische Schießerei an der
jüdischen Ozar-Hatorah-Schule in Toulouse, Frankreich, im März und die Eskalation
des Konflikts in Südisrael und Gaza im November.24 2013 wurden 529 antisemitische
Vorfälle gemeldet, 18 % weniger als die 2012 gemeldeten 649 Fälle. Gewalttätige Vorfälle im Jahr 2013 betrafen auch drei jüdisch-orthodoxe Studentinnen in Gateshead, die
von einer Gruppe Jugendlicher im Januar angegriffen wurden. Die Gruppe bedrohte die
Studentinnen, bevor sie zwei von diesen auf die Seite des Gegenverkehrs stießen und
zerrten.
Glaubensschulen
Die konservativ-liberaldemokratische Regierungskoalition führte Regelungen ein, dass
neue Glaubensschulen oder Akademien zumindest 50 % der Schüler mit anderem religiösen Hintergrund als der Überzeugung der Schule zulassen müssen, auch wenn sie
überfüllt sind. Dies wirkt sich auf Glaubensschulen aus, da die lokalen Behörden in
England laut dem Bildungsgesetz (2011) Vorschläge für die Gründung einer Akademie
einholen müssen, wenn neue Schulen notwendig sind. Die Katholische Kirche in England und Wales gab bekannt, dass sie aufgrund der Obergrenze der auf dem Glauben
gründenden Zulassungen keine neuen freien Schulen oder Akademien einrichten wird.
Der konservatorische Abgeordnete Mark Hoban erklärte:
Die Koalitionsvereinbarung hat die Aussicht auf neue katholische Akademien und frei
Schulen zunichte gemacht. Die Vereinbarung lautet: „Wir werden zusichern, dass alle
neuen Akademien eine inklusive Zulassungspolitik verfolgen. Wir werden mit Glaubensgruppen zusammenarbeiten, um mehr Glaubensschulen zu ermöglichen und eine
inklusive Zulassungspolitik in möglichst vielen dieser zu erleichtern.“ Dies hat dazu
geführt, dass eine Obergrenze für den Prozentsatz an Plätzen festgelegt wurde, die Kindern zugewiesen werden, die dem Glauben der Akademie oder freien Schule angehören.
Aus sozialer und ethnischer Sicht sind katholische Schulen sehr inklusiv – sie haben einen höheren Prozentsatz an Schülern aus ethnischen Minderheiten und benachteiligten
Vierteln als die durchschnittlichen Schulen, und es sind nicht immer rein katholische
Schulen. Es ist schwierig, dieselben Werte und dieselbe Ethik zu bewahren, wenn die
Kontext und Details der „zusätzlichen“, während dieser Zuspitzungen verzeichneten Vorfälle lassen
darauf schließen, dass sie auf verschiedene Phänomene zurückzuführen waren: Der Höhepunkt im März
mag eher eine vorübergehende Zunahme der Berichte seitens der Jüdischen Gemeinschaft in Großbritannien reflektieren als einen Anstieg der tatsächlichen Vorfälle, wohingegen der Höhepunkt im November
anscheinend einen effektiven Anstieg der Anzahl antisemitischer Vorfälle zeigte.
24
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
Hälfte der Schüler nicht dem katholischen Glauben folgen und diesen nicht ausüben.25
Der katholische politische Kommentator Chris Whitehouse unterstrich, dass mehr als
30 % der katholische Schulen besuchenden Schüler – mehr als 240.000 Schüler – keine
Katholiken sind.26
Im Oktober 2012 billigte der High Court (Oberster Gerichtshof) einen Antrag auf
gerichtliche Revidierung einer Entscheidung, zwei selektive katholische Schulen im
Londoner Stadtviertel Richmond-upon-Thames zu eröffnen. Der Fall wurde gemeinsam von der British Humanist Association und Richmond Inclusive Schools Campaign
eingereicht. Richmond Council billigte eher die Eröffnung freiwillig unterstützter katholischer Schulen als freier Schulen oder Akademien.27 Der Rat behauptete, er sehe
keinen „Bedarf“ (im rechtlichen Sinne des Wortes in der Gesetzgebung) an neuen Schulen im Stadtteil, und daher wäre er nicht verpflichtet, zu Vorschlägen für freie Schulen
oder Akademien aufzufordern. Das Gericht lehnte den Einwand ab, und die erste dieser
Schulen, St. Richard Reynolds Catholic College, wurde im September 2013 eröffnet.28
Nach diesem Fall wurde eine allgemeine Opposition gegen Glaubensschulen mobilisiert, und im Juni 2013 wurde die Fair Admissions Campaign lanciert, um sich für alle
staatlich subventionierten Schulen in England und Wales einzusetzen, „damit diese in
gleicher Weise allen Kindern ohne Berücksichtigung ihres religiösen Glaubens offen
seien“, d. h., es wird versucht, den Schulen ein Ende zu setzen, die ihre Schüler anhand
religiöser Kriterien auswählen. Laut Professor Ted Cantle, eines leitenden Befürworters
der Kampagne, wären Schulen, die Schüler anhand religiöser Anforderungen aufnehmen, „automatisch eine Quelle der Trennung”.29 Im November sprach der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, von der Notwendigkeit, dass Glaubensschulen eine inklusivere Politik verfolgen sollten, obwohl sie „die derzeitige Politik
für Schulen unterstützen, die eigenen Aufnahmekriterien, einschließlich des Glaubens­
kriteriums festzulegen.“30
Conservative home website, http://www.conservativehome.com/platform/2014/02/from-markhobanmpthe-cap-on-admissions-to-faith-schools-should-be-scrapped.html
26
Chris Whitehouse, „Send Gove a Message over Catholic Schools“, Universe, 18.02.14,
http://www.thecatholicuniverse.com/send-gove-message-catholic-schools/
27
British Humanist Association website, https://humanism.org.uk/2012/10/04/news-1122/
28
UK human rights blog, http://ukhumanrightsblog.com/2012/12/15/high-court-rejects-humanist-associations-challenge-to-faith-school-proposals-in-richmond/
29
Fair Admissions Campaign website, http://fairadmissions.org.uk/about/
30
Daily Mail, 14.11.13, http://www.dailymail.co.uk/news/article-2506970/Archbishop-Canterbury-saysfaith-tests-CofE-schools-longer-best-way-choose-students.html
25
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014

Documents pareils