nummer 8 frühjahr 2005 - Städtische Galerie Nordhorn
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nummer 8 frühjahr 2005 - Städtische Galerie Nordhorn
NUMMER 8 FRÜHJAHR 2005 D A S K U LT U R M A G A Z I N F Ü R D I E G A N Z E F A M I L I E D A S K U LT U R M A G A Z I N F Ü R D I E G A N Z E F A M I L I E THEMENHEFT Adrian Schiess – Andreas Gefeller PORTRAIT Dieter Hansmann – Der Wüstensohn KUNSTSCHULE Fünf-Jahres-Bilanz 3 Editorial Willkommen! IMPRESSUM Inhalt n3 n4 n6 n8 n9 11 n 12 n 13 n 25 n 26 n 29 n 30 n 31 n 32 n 34 n Herausgeber Städtische Galerie Nordhorn Vechteaue 2, 48529 Nordhorn Tel.: (0 59 21) 97 11 00 Fax: (0 59 21) 97 11 05 [email protected] Editorial Lieblingsbilder Helena Hoon und Hans-Joachim Naber Reportage So reich und doch so arm – Nordhorns Kultur geprüft Standpunkt Claudia Herstatt: Malen, malen, malen Was ist eigentlich… Pop Art? Portrait Der Wüstensohn – Dieter Hansmann schöne Tipps Themenheft Adrian Schiess – Andreas Gefeller kunstwegen „Caprimoon” von Tobias Rehberger Redaktion Daniel Klause (verantwortlich) Andre Berends Inge Kaiser Thomas Kern Roland Nachtigäller Dagmar Thiel Fotos Jürgen Lüken (S. 1, 4, 5, 10, 11, 12, 26, 28, 29, 32, 33, 34) Werner Westdörp (S. 1, 7, 27) Andre Berends (S. 6, 27) Walter Hundehege (S. 24) Titel Freigabe des vorletzten Teilstücks der A31 von Ochtrup-Nord bis Schüttorf im Sommer 2004. Kunstschule Kinderkram? Die Fünf-Jahres-Bilanz Illustrationen Frank Ulmer Galerie Zwei Regialogen in Nordhorn Gestaltung Lorena Volkmer Kochkünstler Druck A. Hellendoorn KG, Bad Bentheim Gerdine Frenck: Beist-Mehlpüt Bücherecke Der andere Blick … vor die Wand Die bunte Seite „schön”erscheint mit freundlicher Unterstützung des Landes Niedersachsen. Die Reden sind gehalten, die Champagnerflaschen geleert, die Lachshäppchen verzehrt. Nun ist er also endlich geschafft, der Lückenschluss! Und was kommt jetzt? Geht es nach den Tourismusstrategen im Nordhorner Kreishaus, sollen künftig Scharen urlaubsreifer Ruhrgebietler auf dem schönen neuen Asphaltband gen Norden rollen, das Münsterland links und rechts liegen lassen und die Grafschaft ansteuern. Der passende Werbeslogan ist bereits gefunden: „Die Grafschaft – einfach näher“. Ein wichtiges Verkaufsargument für einen Kurztrip an Vechte und Dinkel soll dabei die Kunst sein. schön zeigt, dass Kunst und Tourismus bereits heute mit dem Projekt „Regialog“ gemeinsame Wege gehen. Der kunstwegen-Tipp beschreibt eine besonders ruhige und verborgene Station der Skulpturenreihe: den Caprimond in Lage. Fragt man Kulturtouristen nach ihren Eindrücken, so sind die meisten begeistert vom kulturellen Angebot in der Grafschaft. Aber was denken eigentlich junge Grafschafter über Kunst und Kultur in ihrer Heimat? Was wünschen sie sich und auf was könnten sie genauso gut verzichten? schön hat diese Fragen angehenden Abiturienten aus Nordhorn gestellt. Viel Spaß Daniel Klause Lieblingsbilder 4 5 Dieses Bild finde ich gut … Helena Hoon Alter 55 Familienstand verheiratet, 2 Kinder Beruf Industriekauffrau m Flur von Helena Hoon begrüßt die Besucher ein Bild von Otto Pankok. Doch um den berühmten Gildehauser Maler, dessen Museum sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindet, geht es diesmal nicht. Das Lieblingsbild der stellvertretenden Bentheimer Bürgermeisterin ist ein ganz persönliches und hat einen Ehrenplatz im Wohnzimmer: Das Ölgemälde zeigt die Großmutter ihres Mannes, Ottilie Hoon, die bis zu ihrem frühen Tod 1912 in der Familien-Villa am Neuen Weg gelebt hat. Ende des 19. Jahrhunderts kam Ottilie Hoon aus der Nähe von Dortmund als Hausmädchen I nach Gildehaus. Sie war sehr kunstbeflissen und literarisch interessiert, was vor über 100 Jahren im Dorf eher ungewöhnlich war. Der Weberei-Besitzer Wilhelm Hoon verliebte sich in die junge mittellose Frau und heiratete sie. Trotz aller Standesunterschiede führten sie eine glückliche Ehe, bis Ottilie Hoon 1912 im Alter von etwa 40 Jahren an Tuberkulose starb. Nach vielen Umwegen und Stationen bei anderen Familienangehörigen fand das Portrait vor zehn Jahren den Weg zurück in die Heimat. „Es war in einem desolaten Zustand“, sagt Helena Hoon. Sie und ihr Mann ließen das Bild damals komplett restaurieren. Es zeigt eine Frau vor dunklem Hintergrund, deren helles Gesicht hervortritt, während der Unterkörper wie ins Nichts verläuft. Wer das Ölbild malte, ist unbekannt. „Ein bisschen erinnert es an den Stil Lenbachs“, ergänzt Ehemann Wilhelm Hoon. Der 1904 gestorbene Maler Franz von Lenbach war berühmt für seine Portraits, die das Antlitz aus einem dunklen Raum hervorleuchten ließen. Helena Hoon lässt sich auch im Alltag gern von Kunst inspirieren. Sie mag insbesondere Toulouse-Lautrec und Feininger. Ihre Ahnin, die Kunstliebhaberin Ottilie Hoon, würde sich über folgendes Detail vermutlich freuen: Ihr Portrait hängt neben einem Sekretär, auf dem Helena Hoon stets ein Bild aus einem Kunstband aufgeschlagen liegen lässt. „Das Motiv wechselt und hängt immer von der Jahreszeit oder der Stimmung ab“, sagt sie. Während es draußen schneit, kündigen an diesem Tag die Seerosen von Monet schon den Frühling an. Bei allem Interesse für große Künstler hat das Bild ihrer Schwiegergroßmutter eine besondere Bedeutung. Für Helena Hoon geht auch nach rund 100 Jahren etwas Magisches, Faszinierendes von dem Portrait aus: „Die Großmutter gehört zu uns und wacht über uns“, sagt sie. „Es ist einfach schön, dass sich der Kreis nach so langer Zeit schließt und OttiDagmar Thiel lie Hoon wieder Zuhause ist.“ Hans-Joachim Naber Alter 59 Familienstand verheiratet, 3 Kinder Beruf Kaufmann as Telefon klingelt und eine freundliche Stimme fragt, ob denn der Interviewtermin um 10 Uhr mit Herrn Naber von mir noch wahrgenommen werden könne. So freundlich gelingt es manchen Menschen, dem Gesprächspartner die Peinlichkeit eines versäumten Termins zu ersparen. Natürlich soll das Gespräch stattfinden! Zu neugierig bin ich D auf die Sammlung der Kuriositäten, der Plakate und Unikate. Zu viel schon habe ich von der Sammelleidenschaft meines Gesprächpartners gehört. Also, nichts wie hin! Im Betrieb angekommen fällt sofort die intensive Farbgebung auf: ein kräftiges Gelb, aufgehelltes Mintgrün. Dazwischen Bilder, Plakate und Vitrinen mit Miniaturen sowie Indus- Lieblingsbilder trieprodukte vergangener Jahrzehnte: Radios, Haartrockner, kurzum: Dinge, die eine Vergangenheit haben! Dann betreten Hans-Joachim Naber, wenig später seine Frau Ingrid den Raum – und sofort herrscht eine entspannte, sehr ‚erzählerische’ Atmosphäre. Von gemeinsamen Reisen berichten sie, von Erfahrungen und Erlebnissen, die sie und ihre Weltsicht prägten. Schnell wird klar: Dieses Weltbild ist facettenreich, ist reich an positiven Erfahrungen mit anderen Menschen. Anders formuliert: Die Welt der Nabers ist lebendig, sie ist im positiven Sinne ‚bunt’. Und in diesem Zusammenhang stellt sich natürlich auch hier die Frage, welches „Lieblingsbild”, welches Objekt ausgewählt und vorgestellt werden wird. Hans-Joachim Naber weist auf die vor ihm auf dem Tisch liegenden Kataloge: Alchimia! Memphis! Na klar – diese Entscheidung ist folgerichtig. Und sofort wird verständlich, warum sich in den Firmenräumen keine tristen weißen Wände, kein so genannter Klassiker und damit keines der – für Büros – schon fast obligatorischen Bauhausmöbel befinden. Ettore Sottsass und Alessandro Mendini, die mit ihrem Radical Design das Erscheinungsbild und die Formensprache der siebziger und achtziger Jahre prägten, sind für Hans-Joachim Naber maßgebend. Jene Protestbewegung des Designs, welche schon Mitte der sechziger Jahre begann, die verstaubten und verkrusteten Gestaltungsstrukturen der europäischen Nachkriegsgesellschaften aufzurütteln. Hinzu kommt, dass Hans-Joachim Naber persönlich mit Michele de Lucchi bekannt ist, der mit seinen Lampen Designgeschichte schrieb. Von daher ist das Verständnis für das revolutionäre Denken dieses ‚schrägen’ Designs, für die ausgefallene Farbkomposition und das ungewöhnliche Detail natürlich besonders nachvollziehbar. Der als Lieblingsobjekt ausgewählte „Tisch Brasil“, 1981 von Peter Shire entworfen, steht im Wohnzimmer. Nicht isoliert, nicht präsentiert, keine Ikone: ein farbenfrohes Gebrauchsobjekt, das im Alltag unentbehrlich geworden ist. Alltag und Design, Leben und Kunst – kein Widerspruch, sondern Selbstverständlichkeit! Thomas Kern Reportage 6 7 Reportage So reich und doch so arm Jugendliche stellen Kunst und Kultur in Nordhorn auf den Prüfstand unst ist nicht messbar“, sagt Karin Heidinger-Pena, Mitarbeiterin der Städtischen Galerie Nordhorn. Aus diesem Grund erhielten die Kinder und Jugendlichen in der Kunstschule auch kein Zeugnis. Klingt verlockend: Eine Schule ohne schlechte Noten – dafür aber mit vielen Vorteilen: Kein Schüler muss sich an einem Projekt aufhalten, das ihn langweilt und anödet. Niemand wird unter Leistungsdruck gesetzt. Genie und Wahnsinn zwängen sich nicht in ein enges Korsett aus Aufgaben, sondern können sich völlig frei entfalten. Ein tolles Angebot sei das, das die Städtische Galerie Kindern und Jugendlichen unterbreite, meint Kirsten Wilmink, Schülerin des Kunstleistungskurses am Gymnasium Nordhorn. Eigentlich schade, dass sie selbst fast schon ein wenig zu alt für den Besuch der Kunstschule sei. Denn dass Kreativität durchaus einer Bewertung unterworfen sein kann, bekommt die 18-Jährige schwarz auf weiß mitgeteilt – nicht jedes Haus hat sich so konsequent vom Zensurensystem emanzipiert wie die Kunstschule in der Städtischen Galerie Nordhorn. Nun werden in der „Alten Weberei“ aber auch keine Abiturzeugnisse ausgestellt. Vielmehr geht es dem Team um Karin HeidingerPena darum, den Nachwuchs auf Kunst auf- K Stellten sich den Fragen von „schön”: die Schüler des Kunstleistungskurses am Gymnasium Nordhorn merksam zu machen, den Blick für das Besondere zu schärfen und Kultur erleben zu lassen. Das biete wohl nicht jede Kommune vom Kaliber der Vechtestadt ihrem Nachwuchs – ein Pluspunkt für Nordhorn, findet Kirsten Wilmink und erntet dafür die Zustimmung ihrer zehn Mitschülerinnen im alten Zeichensaal des Gymnasiums. Müssten sie der gesamten Kunst und Kultur in Nordhorn allerdings ein Zeugnis ausstellen, würde es nicht nur Lob und Anerkennung regnen. Zwar gebe es ausreichend Angebote für Kinder und Jugendliche, jungen Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren falle es aber schwer, in Nordhorns kleiner Kulturwelt Fuß zu fassen. „Es liegt vielleicht daran, dass wir keine Universitätsstadt sind“, munkelt Katharina Scholten – dort sei das Angebot viel ausgewogener. So vermissen die Schülerinnen zum Beispiel ein schönes Szene-Café mit guter Musik und Die Pluspunkte im Nordhorner Kulturprogramm: Veranstaltungen im Konzert- und Theatersaal (links) und das Straßenkulturfest in der Fußgängerzone. gelegentlichen Ausstellungen. Kein hipper Schülerschuppen, keine antike Rentnerbude – lediglich eine nette Bleibe mit angenehmer Atmosphäre für gute Gespräche unter jungen Menschen. Das fehle in Nordhorn nun schon seit längerem. Genau wie ein breitgefächertes Kinoprogramm, das nicht nur aus Blockbustern bestehe, sondern auch kleinen Filmen eine große Chance gebe. Dennoch gehe von den Lichtspieltheatern Nordhorns allein optisch ein architektonischer, im Detail versteckter Reiz aus, sagt Andrea Arends. Besser als das Leinwandprogramm schneiden die Aufführungen der Nordhorner Bühnen ab, allen voran die Angebote des Konzert- und Theatersaals und der Theaterwerkstatt. In guter Erinnerung ist den Gymnasiastinnen dabei noch die Aufführung des Musicals „Good Bye Klein Amerika“, das sich um die Textilgeschichte der Region dreht. Überhaupt sehe man in der Vergangenheit Nordhorns noch eine große Chance schlummern. Mit dem Povelturm und der „Alten Weberei“ habe die Stadt lediglich einen Grundstein gelegt. Aber diese Chance könnte leichtfertig verspielt werden. „Es wäre schade, wenn die alten Fabrikgebäude auf dem Rawe-Gelände abgerissen werden“, warnt Katharina Lindschulte. Schließlich verberge das frühere Textilimperium auf der Cityinsel sicher noch ein paar architektonische Leckerbissen. Eine Entdeckungstour durch die gespenstischen Ruinen am Ufer der Vechte würde die Klasse nicht ablehnen – ganz im Gegensatz zu den Plänen, das historische Industrieviertel einem neuen Einkaufszentrum zu opfern. Wie schnell ein intaktes Stadtbild empfindlich Schaden nehmen kann, zeige schließlich der Brunnen in der Hauptstraße. Die ursprüngliche Konstruktion sei zwar bei den Nordhornern nur auf wenig Gegenliebe gestoßen, sei aber immer noch besser als der Felsenteich, der nun die Fußgängerzone ziere, kritisiert Inga Biel. Allerdings wäre ein pompöser Springbrunnen auch keine bessere Lösung für ein neues City-Wahrzeichen: „Ich stelle mir etwas Schlichtes vor: Vielleicht nur ein paar Steinplatten, über die das Wasser läuft.“ Ein weitaus erfolgreicheres Kapitel Grafschafter Kulturgeschichte sei da schon eher mit dem Kleinkunstfestival „Nordhorn staunt und lacht“ geschrieben worden, meint Melanie Hutzen. Es sei für eine Stadt wie Nordhorn nicht selbstverständlich, regelmäßig ein so überregional anerkanntes Straßenfest auf die Beine zu stellen. In diesem Zusammenhang erinnert die 19-Jährige auch an Musiknächte, die sich wohltuend an ein junges Publikum richteten, das Diskotheken und Jugendzentrum bereits entwachsen sei. Aktionen wie diese seien allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein – Nordhorn dürfe insbesondere jungen Menschen gerne noch etwas mehr bieten. Da sind sich die Schülerinnen einig. Betrachte man allerdings das Kunstund Kulturangebot für alle Altersgruppen, so stehe die Kreisstadt im Vergleich zu anderen Städten in der Region ziemlich gut da. „Solide Leistung. Könnte besser sein, wenn die Hausaufgaben erledigt werden. Auf Beschluss der Konferenz versetzt.“ Und darauf kommt es bei Andre Berends einem Zeugnis ja an. Standpunkt 8 9 Malen, malen, malen von Claudia Herstatt ilder lassen sich in der zeitgenössischen Kunst heutzutage auf vielerlei Arten erzeugen: am Computer, mit der Digital- oder Videokamera, mit Licht, aus dem Internet heruntergeladen und bearbeitet. Hatten die beiden letzten documenta-Ausstellungen 1997 und 2002 suggeriert, das seien nun die angesagten künstlerischen Medien neben großräumigen Installationen, da drehte sich bereits wieder das Rad. Der Siegeszug der immer wieder turnusmäßig todgesagten Malerei begann fast parallel zur documenta 11. Dort war aber kein Neo Rauch zu sehen, kein Eberhard Havekost, nicht einmal ein Martin Kippenberger. In einem Seitenkabinett allenfalls der Belgier Luc Tuymans. Aber die Saat des eigentlich erst postum akzeptierten Kippenberger und der Erfolg der so genannten Leipziger Schule um Neo Rauch ging in einem Maße auf, wie es wohl niemand so recht erwartet hätte: Es wird gemalt auf Teufel komm raus. Und es scheint wieder einmal so zu sein, dass man sich streiten kann, was denn nun zuerst da war: das Bedürfnis nach dem malerischen Gestus oder die schnelle Reaktion der Vermarkter auf den Bedarf der angesagten „Flachware“. Die Sammler griffen schnell zu und verhalfen ihren frischen Ankäufen auch nicht minder schnell zu musealen Ehren. In der Ausstellung „Heißkalt“ mit aktueller Malerei aus der Sammlung Scharpff in der Hamburger Kunsthalle hingen 2004 erst zwei Jahre zuvor gemalte großformatigen Trolle und Ungetüme in einer abenteuerlichen Mischung aus Edvard Munch, Cobra und Comics des 1973 in Stuttgart geborenen André Butzer. B Von der Akademie weg wurde Jonathan Meese zum Superstar. Dabei war seine TrashMalerei mit verquaster Runenbeschriftung durchaus gewöhnungsbedürftig.Andere junge Maler bekennen sich inzwischen offen zum Kitsch, so nach der Devise: weg mit den schweren ökologischen und politischen Themen, her mit den süßen Kuscheltieren, die etwa ein Martin Eder in großen Formaten in Öl badet. Erst kürzlich waren seine großformatigen Gemälde auch im Kunstverein in Lingen zu sehen. Zu den Shootingstars gehören auch die beiden Baselitz-Schüler Norbert Bisky und die Koreanerin SEO. Er fasziniert eine hippe Sammlerklientel mit seinen wie Lichtgestalten am Meer plantschenden Boys in aufgehellten Ferienfarben, sie verwebt fernöstliche Inhaltlichkeit mit expressivem Pinselstrich. Das zu beobachten ist interessant. Prognostizieren mag zwar keiner, was morgen davon noch Bestand haben wird. Die Auswirkungen der schnell hingepinselten, auch finanziell erfolgreichen Blitzkarrieren, beispielsweise einer Elisabeth Peyton einerseits und der aktuellen Hinwendung des einflussreichen Sammlers Charles Saatchi zur Malerei andererseits, wird wohl den Trend weiter beflügeln. Die Menge der auf den Markt flutenden, teils noch feuchten Leinwände, ist indes kein Kriterium für Qualität. Lange sah man nicht so viel schlechte Malerei im Kometenschweif der Stars. Das hat auch zur Folge, dass im Malereirausch andere, vielleicht zeitgemäßere Techniken weniger beachtet werden. Dabei faszinieren die Ausnahmen umso mehr: Noch bis zum 28. März zeigt die Schirn Kunsthalle Frankfurt das Werk von Carsten Nicolai im Spannungsfeld von Wissenschaft und Kunst. Eines seiner „Bilder“ ist so Was ist eigentlich ... Pop Art? Claudia Herstatt, 56, lebt als freie Kunstjournalistin in Hamburg und schreibt u. a. eine wöchentliche Kolumne für „Die Zeit” verführerisch schön wie die weiß in weiß geschlämmten, mit Watte, Baumwolle, Filz und Glaswolle strukturierten und unterfütterten „Flächen der Freiheit“ von Piero Manzoni in den 50er Jahren.Aber die strukturierte, reliefartige Oberfläche ist Form gewordene Musik in einer Wellenwanne mit Milch. Die in das Becken eingeleiteten Sinusschwingungen lassen immer neue Strukturvarianten entstehen. Ralf Peters, Kunstpreisträger der Stadt Nordhorn 1995 und dort erst vergangenes Jahr in Kooperation der Städtischen Galerie Nordhorn und dem Kunstverein Grafschaft Bentheim mit neuen Arbeiten zu sehen, setzt konsequent auf die Untersuchung gesellschaftlicher Phänomene, wie den Traumurlaub oder das Wohnen in anonymen Silos.Am Computer bearbeitet er vorgefundenes „plastisches Bildmaterial“, wie es im Katalog heißt, so virtuos, dass Illusion und Realität zu skeptischen Projektionen gerinnen. Man kann hier nur die Frage stellen, warum eben derzeit die analytischen Denkmodelle und ihre künstlerischen Resultate weniger gefragt sind als die Bilder mit dick aufgetragener Farbe und Motiven aus Phantasiewelten, wie bei Daniel Richter. Der Grund könnte sein, dass sie einen sozusagen mehr anspringen, als dass man sich in sie hineindenken müsste. Es könnte auch sein, dass viele sie deshalb gerne um sich versammeln, weil sie eine geradezu körperliche Präsenz verströmen. Das ganz im Gegensatz zu dem offensichtlich satt gesehenen Aufstieg der zeitgenössischen Fotografie und den Black Boxes mit Video-Arbeiten.Aber auch wenn die Malerei nun wieder ganzen oben zu stehen scheint – die Nebenwege des allseits Gepriesenen können gelegentlich viel interessanter sein. [ pop-a’t; amerik.: populäre Kunst ] George Segal The Restaurant Window I (Das Restaurantfenster I), 1967 Figuren aus Gips, Restaurantfenster, Holz, Metall, Plexiglas, Neonröhren, Stuhl, Tisch Roy Lichtenstein I Know …, Brad (Ich weiß …, Brad), 1963 Öl und Magna auf Leinwand itat Karin Thomas: Die Pop Art „integriert in den sechziger Jahren die Eigenschaften moderner Verbrauchskulturen in die Bildsprache und benutzt dafür die ästhetische Dimension der Reklameglamour mit grellen und psychologisch wirksamen Effekten und Figurationen, um den optischen Reiz moderner Umwelt mit sachgerechter Klarheit zu artikulieren.“ Verstanden? Also noch einmal: Z Sechziger Jahre? Klar! J. F. Kennedy, dann Johnson! Vietnam, Martin Luther King, Rassenunruhen … Moderne Verbrauchskulturen? USA vor allem, Großbritannien, aber natürlich auch in anderen Teilen der Welt: Kaufen, kaufen, Autos, essen, Mode, Urlaub, Beatles, Rolling Stones: Leben, genießen, komme, was wolle! Ästhetische Dimension? Malerei, Skulptur, Environment, Happening, Siebdruck, Film, Collage, Musik … Reklame- ? o.k. – Werbung, Werbeplakate, Werbespots: grelle Farben, Frauen mit Hochfrisuren, „… mein Hüfthalter bringt mich um!“ „Die große weite Welt der Stuyvesant“ … Campell’s Suppen! -glamour? Schick, edel, blendend, auffällig – da wird einem doch etwas vorgemacht! Oder etwa nicht? Psychologisch wirksame Effekte? Oho! Jetzt passiert etwas, ohne dass wir es merken! Figurationen? Wird da etwa eine Figur dargestellt! Vom Menschen? Na klar, und wie: Comics! Comics! Comics! Optischer Reiz? Interessant ist nur, was sichtbar ist! Die Oberfläche zählt! Richard Hamilton, Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Claes Oldenbourg, George Segal, Robert Rauschenberg, James Rosenquist, Ed Ruscha, Andy Warhol oder Tom Wesselmann, sie alle wollen „ohne jede Illusion die Dinge selbst zu Wort kommen lassen“ (Andy Warhol). Das geschieht mit seriellen Siebdrucken berühmter Zeitgenossen, mit ‚Malen nach Zahlen’, mit überdimensional vergrößerten Comic Strips oder mit gemalten, rasterartigen Vergrößerungen trivialer Bildgegenstände, mit grellen Collagen, mit so genannten Combine-Paintings (Malerei kombiniert mit Objekten) oder mit Repliken von Campell’s Suppendosen, einer allseits beliebten Mahlzeit. Nichts ist zu banal, nichts ist zu simpel, um nicht dargestellt zu werden. Die zeitgenössische Zivilisation, geprägt von Konsum und Krieg, von einsetzender Hippie-Kultur und Gewalt wurde mit scharfem Blick obduziert und mit den geadelten Techniken der Alltagskultur ins Bild gesetzt. Thomas Kern Portrait 10 11 Der Wüstensohn Reisen ins Nichts inspirieren den Nordhorner Künstler Dieter Hansmann n klaren Nächten kann Dieter Hansmann aus dem kleinen Dachfenster seines Ateliers den Sternenhimmel sehen: Im Giebel seines Hauses auf dem Povelgelände träumt er sich dann weit weg. Seit fast 20 Jahren lebt der Künstler in Nordhorn, den Blick in ferne Welten möchte der 49-Jährige aber nicht missen. Zweimal hat sich der Studienrat am Nordhorner Gymnasium deshalb für längere Zeit vom Schuldienst beurlauben lassen: für ein Jahr 1995 und für sechs Monate 2000/2001. „Zeiten fürs Reisen“ nennt Hansmann diese Abschnitte, in denen er im Ausland gelebt und gearbeitet hat. Während dieser Auszeiten zieht es Hansmann meist in die Wüste. Einöden im Himalaja, in Indien, Namibia, Botswana und den USA hat er bereits besucht. „Ihre Stille, Weite und Kargheit zieht mich an“, sagt er. Je einsamer, desto besser: Hansmanns Lieblingswüste ist die Kalahari in Botswana, die trockenste Wüste der Welt. „Da ist überhaupt nichts“, lautet seine kurze Formel des Glücks. Die Leere dient zur I Inspiration, zur Ideenfindung. „Bilder zur Wüste“ heißen Zyklen, die aus diesen Erlebnissen entstanden sind. In karger Farbigkeit versuchen sie, die Wüsten zu fassen. Hansmann arbeitet dabei nicht aus irgendeiner Lust oder einer Zufälligkeit heraus: Ein ganzer Zyklus entsteht vorher fertig im Kopf und wird dann konsequent umgesetzt. „Als Künstler muss man etwas von der Welt sehen“, sagt er über die Anregungen zu seiner Arbeit. Und trotzdem ist Hansmann mit seiner Frau und den beiden Söhnen in der Grafschaft längst heimisch geworden. Hansmanns abstrakte Malerei entsteht meist in Öl- oder Acrylfarbe. Aber auch als Bildhauer von Skulpturen aus Beton, Holz und Metall hat er sich in der Grafschaft einen Namen gemacht. Aus seiner Hand stammen zum Beispiel so unterschiedliche Werke wie die Lärmschutzmauer als Betongroßplastik an der Nordhorner Parkpalette, die sieben Holzstelen für das anonyme Gräberfeld auf dem Südfried- hof oder die Installation „Über die Sonne“ im Nordhorner Marienkrankenhaus. Ein Ort, den Hansmann immer wieder gerne besucht, ist das Marientor, eine Großskulptur aus Beton, Blattgold und Marienfigur. „Mein Lieblingswerk“, nennt er die durch eine schnurgerade Allee weithin sichtbare Wallfahrtsstation zwischen Lohne und Wietmarschen. Seit 1986 arbeitet der gebürtige Einbecker als Studienrat am Gymnasium Nordhorn. Hansmann hat Kunst an der Universität Osnabrück und der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig studiert. Als Lehrer ist er sich des Privilegs bewusst, nicht ausschließlich mit seiner Kunst Geld verdienen zu müssen. Seine überwiegend abstrakten Werke zeichnet ein spezieller Blick auf die Wirklichkeit aus. Ein Beispiel dafür ist ein Exponat, das er für den Kunstverein Neuenhaus anlässlich dessen zehnjährigen Jubiläums 2003 geschaffen hat. „Bilder zeigen, die man nicht zeigt“, nennt Hansmann das Motto dieser Arbeit: Bilder in Dieter Hansmann an seinem Lieblingswerk: dem Marientor auf dem Walfahrtsweg zwischen Lohne und Wietmarschen In der Lingener Johanneskirche gestaltete Dieter Hansmann den Altarraum, die Malereien an der Empore und die Fenster im Kirchenschiff. 28 Keilrahmen stehen wie Bücher in einem Bücherregal – und sind also nicht wirklich anzuschauen. Sehen und Nichtsehen, Realität und Imagination heißen Hansmanns Themen. Auch in der Johanneskirche in Lingen, in der Hansmann unter anderem den Altarraum, Malereien an der Empore und die Fenster im Kirchenschiff gestaltete, findet sich eines seiner bevorzugten Motive, der gebrochene Blick auf die Wirklichkeit: Die farbigen Fenster aus gebrochenem Glas verzerren die Sicht, sodass eine neue Wahrnehmung beim Blick nach draußen entsteht. „Ich möchte die Sinne für die Kluft zwischen eigener Wahrnehmung und der Realität schärfen“, so Hansmann. Der Mensch sehe die Wirklichkeit immer mit eigenen Augen – und deshalb manchmal nur das, was er sehen will. Aus diesem Grund hat sich Dieter Hansmann bewusst für die abstrakte Malerei entschieden, die die Möglichkeit einer freieren Interpretation bietet. Er ist aber zugleich Portrait bestrebt, verschiedene Ebenen in der Kunst zu vereinen. Sein auf einer Italienreise entstandener Zyklus „Blumenbilder“ umfasst monochrome Bilder in den Farben italienischer Balkonpflanzen. Zu jedem Bild gehört auch eine erklärende Tafel, auf der die jeweilige Blume naturkundlichen abgebildet ist: Abstrakte und abgebildete Wirklichkeit stehen sich direkt gegenüber. Bilder aus diesem Zyklus sind im Altenheim Uelsen zu sehen. Dem hintergründigen Künstler ist es wichtig, dass seine Kunst unaufdringlich im Raum steht. „Ein Künstler soll nicht sich selbst präsentieren, sondern einer Räumlichkeit huldigen, ihr ein bestimmtes Licht und eine spirituelle Atmosphäre geben“, sagt er. In Kirchen arbeitet Hansmann deshalb besonders gerne: „Einer der wenigen Orte, wo Ruhe und Besinnung ist.“ Seine sakrale Kunst ist an vielen Orten der Region zu finden: In der gotischen Katharinenkirche in Osnabrück hat er die Deckenmalerei gestaltet, in der Kapelle in Wettringen ist die Installation „Über den Himmel“ zu sehen: Ein über sechs Meter langes Bild, das den Himmel in unterschiedlichen Abstraktionsgraden zeigt: Wolken und Himmelsfarben in Schattierungen und Nuancen. Die Ausstellung „Konjunktionen“ beschäftigte sich 1994 mit der 600-jährigen Geschichte des Klosters Frenswegen, ebenfalls entworfen hat er den Marienaltar der St.-Elisabeth-Kirche in Nordhorn. Nicht zuletzt der Kirche verdankt Hansmann den Zugang zur Kunst: „Durch die katholische Erziehung habe ich meinen Blick für Bilder erhalten“, sagt er, der als Kind fasziniert vor dem Kreuzweg stand, wenn der Pastor die zwölf Stationen und Bilder erklärte. Auch seine Vorliebe für Zyklen, die zwischen fünf und 20 Einzelbilder umfassen, führt Hansmann ebenso auf diese Kreuzweg-Erfahrungen zurück wie seine Methode des „Schritt-für-Schritt-Arbeitens“: Drei oder vier übereinander liegende dünne Farbschichten führen zu Modulationen des Bildes. Das Auge des Betrachters entdeckt manchmal nur bei genauem Hinsehen Nuancen, die bei einem flüchtigen Eindruck verborgen bleiben: Erst ein so gebrochener Blick erfasst alle Dimensionen. Dagmar Thiel schöne Tipps 12 25 kunstwegen Abstraktes nimmt Gestalt an er die Räume des Meppener Kunstkreises im Kunstzentrum Koppelschleuse betritt, wird derzeit mit den Werken zweier freischaffender Künstlerinnen aus der Region konfrontiert. In vier aufeinander folgenden Räumen zeigen Carola Rümper und Heidrun Kohnert großflächige Bildkreationen und keramische Ziegelgefäße und Skulpturen. Carola Rümper, geboren in Bremerhaven mit Studium in Kunst- und Literaturwissenschaften und Malerei ist seit 1999 als freischaffende Künstlerin tätig. Ihre eigenwilligen Fantasiegestalten entstehen aus Zeichnungen, die sie im Freien anfertigt, dann jedoch formverändert auf ihre großflächigen Bilder aufbringt. Auf unifarbenem, grundiertem Hintergrund, der noch die Pinselführung erkennen lässt, werden dem Betrachter schwarze Gestalten und Formen augenfällig, die teilweise an Schatten- oder Comicfiguren erinnern, jedoch auch eigene Assoziationen zulassen. Selbst die Leinwand an sich verwendet sie als gestalterisches Element, indem Rümper mehrere kleinere, in Acrylfarben gesetzte Untergründe zusammensetzt und aus der Vielzahl dieser Einzelelemente ein großes Ganzes kreiert. Schwarze Figuren in vielfältigem Formenreichtum fügen sich aneinander, ergänzen und berühren sich und bilden so ein harmonisches Ganzes. Heidrun Kohnert, geboren in Aachen mit Studium der Bildhauerei und Keramik, arbeitet seit 1989 in ihrer eigenen Werkstatt. Die freischaffende Künstlerin verwendet sie für ihre Objekte in erster Linie Ziegelstein, dem sie durch Zerschneiden, Verformen und durch Umkehrung der Innen- und Außenwände Form und Gesicht gibt. So entstehen architektonische Werke wie Häuser, Hausboote und Gefäße in Kleinformat. Diese erinnern an in Felswände geschlagene Wohnungen mit kleinen W Fenster- und Türöffnungen. Andere wirken wie italienische Palazzi mit Arkaden und Innenhöfen. Beiden gemeinsam ist der Eindruck, vor einer uneinnehmbaren Festung zu stehen. Die doppelwandigen Vasen und Schalen fordern dagegen dazu auf, langsam mit der Hand die Formen nachzufühlen und die Gefäße zum Klingen bringen zu wollen. Scheinbar Abstraktes und Unbestimmtes nimmt in Kohnerts Werken Form und Gestalt an. Inge Kaiser Die Ausstellung ist noch bis zum 28. März geöffnet. Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ n Kunstverein Lingen Kunsthalle, Kaiserstraße, bis 20. März: „Cross Border NL–D“, Installationen von Saskia Boelsums und Peter Veen, Malerei von Rudy Lanjouw, dienstags, mittwochs, freitags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 11 bis 17 Uhr. n Meppener Kunstkreis Koppelschleuse, bis 28. März: „Kunst aus der Region“ mit Werken von Carola Rümper (Malerei) und Heidrun Kohnert (Keramik); 1. bis 22. April: „Erde-Wasser-Feuer-Luft“; 30. April bis 29. Mai: Werke von Svenja Ritter in der Serie „Junge Kunst“, dienstags und donnerstags 14.30 bis 17 Uhr, freitags und sonnabends 14.30 bis 17.30 Uhr, sonntags 11 bis 17 Uhr. n Stadthaus Meppen bis 4. März, „Menschen und Leid“, Bilder von Piotr Sylwester Wolfram, montags bis mittwochs von 8 bis 16 Uhr, donnerstags von 8 bis 17.30 Uhr, freitags von 8 bis 12.30 Uhr. n Otto-Pankok-Museum im Alten Rathaus, Gildehaus, bis Ende Mai, „Zigeunerbilder“ – Kohlezeichungen, Holzschnitte und Plastiken von Otto Pankok. mittwochs 15 bis 17 Uhr, sonnabends und sonntags 14 bis 17 Uhr. n Kunstverein Grafschaft Bentheim Neuenhaus, Hauptstraße 37, mittwochs bis sonnabends, 15 bis 18 Uhr, sonntags, 11 bis 18 Uhr; März bis 17. April: „Siegfried Hentke – Objekte“; 20. 5. bis 31. 7.: „Stadtlandschaften“ – Malereien von Megan Craig. n Kloster Bentlage Rheine, bis 6. März, „Reiner Hanke – Zeichenhaft“, sonnabends und sonntags von 10 bis 17 Uhr. n Städtische Galerie Nordhorn Alte Weberei, 22. Mai bis 10. Juli: „Modellräume – Bühnen, Spielfelder, Versuchsanordnungen”, dienstags bis freitags von 14 bis 17 Uhr, sonnanbends von 14 bis 18 uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr. „Caprimoon ’99“ Tobias Rehberger och ein letzter Blick auf den Lageplan: Am Ende der Eichenallee ein paar hundert Meter geradeaus, dann rechts abbiegen und noch einmal hundert Meter geradeaus – nicht weiter schwierig. Wenn aber das Licht der Autoscheinwerfer erlischt, ist man an einem dunklen Winterabend heilfroh, den Wagen mit einer zuverlässigen Taschenlampe verlassen zu haben. Im Wald von Lage sind Autos tabu. Und Straßenlaternen offensichtlich auch. Der Mondschein nimmt hinter dicken Wolken eine Auszeit. Es ist finster, fast gruselig. Der Wind rauscht durch die kahlen Äste, der dünne Lichtkegel der Leuchte wandert an dicken Baumstämmen entlang. Dann ein abgeerntetes Feld. Der schmale Fußweg schmiegt sich an den Ackerrain, Büsche knistern sanft. Zwischen den Bäumen ebnet auf der rechten Seite plötz- N lich eine Lücke den Weg zur kunstwegenStation „No Peep Hole“. Die Streben des Stahlgerüsts ächzen im Wind. Hinter der breiten Fotowand macht der Pfad eine Biegung. Die Taschenlampe scannt eine Anhöhe: Große Bäume, hohes Gras, strohiges Schilf. Am Ende der bizarren Feldoase steht auf einer grün schimmernden Betonplatte eine Bank, etwa zwei Meter breit, mit einladender Sitzhöhe. Als Rückenlehne dient ein Streifen Beton, der aus dem Fundament wie mit großer Kraft und gegen alle Materialgesetze nach oben gebogen worden zu sein scheint. Über dem Sitzmöbel pendelt eine runde Kugel. Doch ähnlich seinem älteren Kollegen am Firmament nimmt der „Mann im Mond“ auch in Lage gelegentlich einen Abend frei: Das weiße Glas bleibt dunkel. Nicht, weil die Birne kaputt wäre. Vielmehr hat es damit zu tun, dass es vor exakt sechs Jahren auf der italienischen Mittelmeerinsel Capri am Golf von Neapel ebenso zappenduster war, wie an diesem Winterabend in Lage. Tobias Rehbergers „Caprimoon“ wiederholt die Mondzeiten des Jahres 1999 auf den Tag genau. Es ist eine Herausforderung, die Gedanken im fahlen Schein der Taschenlampe in warme Gefilde schweifen zu lassen. Der Wind pfeift eiskalt. Im Sommer dürfte es etwas leichter sein, die Augen zu schließen und sich in den Süden zu träumen. So richtig spannend ist die Nachtwanderung aber wohl nur im Winter – und mit etwas Glück geht auch bei Schnee, Eis und Sturm der Mond von Capri über der Niedergrafschaft auf. Andre Berends Kunstschule 26 27 Kunstschule Kinderkram? Kunstschule der Städtischen Galerie Nordhorn besteht seit fünf Jahren rgendwo hier muss es doch sein“, murmelt Karin Heidinger-Pena und blättert in einem dicken Aktenordner. Zeitungsartikel, Protokolle, Konzeptzettel – nichts geht verloren. Es dauert ein paar Sekunden, dann ist die Leiterin der Kunstschule im Jahr 1998 angekommen. „Kindergarten Martin Luther / Skulpturenweg“ ist das Blatt überschrieben, das sie aus dem Ordner zieht. Fast sieben Jahre ist es her, dass die Städtische Galerie Nordhorn eine erste Aktion für junge Menschen angeboten hat. Damals ging es in den Stadtpark. Mit 20 Fünfjährigen war Karin HeidingerPena zur Station „III – IV / 86“ von Robert Schad gelaufen. Ein Schiff, eine fliegende Untertasse oder einfach nur sonderbares Gewirr erkannten die Kinder in dem rostigen Vierkantstahl, den der Schwarzwälder 1986 im Stadtpark aufgestellt hatte. Mit Holzhämmern und Plastikrohren rückte die Gruppe dem Ungeheuer schließlich zu Leibe und tat genau das, was die Nachwuchsarbeit der Galerie immer ausgezeichnet hat: Kunst hautnah mit allen Sinnen erleben. Da wird geguckt, gefühlt, geschnuppert, gehört und manchmal auch geschmeckt. Die frisch gewonnenen Eindrücke verarbeiten die Kinder dann in eigenen kleinen Kunstwerken – und die sind im Herbst 1998 noch im Künstlerhaus am Rand des Stadtparks entstanden. Erst ein Jahr später bezog die Galerie die Räume in I Die kleinen Laborwühlmäuse in Aktion (oben), ein Blick ins Mal- und Zeichenlabor. der Alten Weberei. Dort setzte der damalige Leiter Martin Köttering seine Vision einer Kunstschule um. Genügend Platz war über dem neuen Museum für alte Textilmaschinen ja vorhanden. Karin Heidinger-Pena und Sabine Liese konnten ihre Arbeit im Konzert- und Theatersaal beenden. Dort hatte es nach einem Konzept von Rahel Puffert schon Werkstattnachmittage gegeben. „Wir haben unsere eigene Ideologie entwickelt“, erinnert sich Karin Heidinger-Pena. Noch heute drehe sich in der Kunstschule alles um die Vermittlung zeitgenössischer Kunst. Die Grundlage ihrer Arbeit bildeten neben den Ausstellungen in den Galerie-Pavillons vor allem die vielen kunstwegen-Stationen. Es sei die kreative Beschäftigung mit junger Kunst, die das Angebot in ganz Niedersachsen einzigartig erscheinen lasse – immerhin sind 43 weitere Einrichtungen dem Landesverband der Kunstschulen angeschlossen. „Doch wir sind die einzigen, die sich in dieser Form mit zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen“, sagt Karin Heidinger-Pena. Sie selbst kann die Arbeit der Kunstschule schon lange nicht mehr allein bewältigen: Gemeinsam mit Guido Mews hat sie das Konzept der Kunstschule weiterentwickelt und mittlerweile ein Team von zwölf nebenberuflichen Dozenten um sich versammelt. Und die stehen in der Alten Weberei nicht in einem Klassenraum, sondern arbeiten mit den Sechs- bis 18-Jährigen in Laboren – schließlich + + + + Kunst gratis genießen, heißt es seit diesem Jahr in der Städtischen Galerie Nordhorn. Hintergrund: Im vergangenen November hat der Stadtrat beschlossen, für Kinder und Jugendliche keinen Eintritt mehr zu erheben. Darüber hinaus ermöglicht der Förderkreis während einer einjährigen Testphase, dass auch Erwachsenen der kostenlose Ausstellungsbesuch gewährt werden kann. + + + + Zur Finissage der Ausstellung von Adrian Schiess bietet die Galerie wieder ein spannendes Programm: Neben kostenloser Führung durch die Ausstellung, einem Café der Farben Das Team von Kunstschule und Städtischer Galerie Nordhorn mit freien Mitarbeitern: (stehend, von links) Roland Nachtigäller, Arzu Sevimli, Heike Bluhm, Manfred Stedtler, Karin Heidinger-Pena, Franziska Kaplan, Monika Müller, Jessica Müller, Silvia Tyrrell, (sitzend, von links): Ulrike Skutta, Astrid Nellner, Guido Mews, Andreas Bernhardt, Amke Brüning und Hilmar Hermens. Es fehlen Ingrid Berkemeyer, Janette Johannink und Marita Möllers wird dort geforscht und experimentiert, ohne am Anfang zu wissen, was am Ende herauskommt. Der Kreativität sind dabei kaum Grenzen gesetzt, einen inhaltlichen und organisatorischen Rahmen steckt Karin Heidinger-Pena allerdings ab: Das jeweilige Semesterprogramm ist in einem Flyer nachzulesen, der sich ausdrücklich an die Eltern der Kinder und Jugendlichen wendet. Sie können sich in Ausstellungen über die Arbeiten und Projekte ihrer Kinder informieren. Am Ende eines jeden Halbjahres lädt die Kunstschule zu einem Abschlussfest ein. Ein Zeugnis erhalten die Schüler nicht. Karin Heidinger-Pena: „Es gibt grundsätzlich keine Bewertung der Arbeiten, da Kunst überhaupt nicht messbar ist.“ Die Kinder erleben das Gefühl, etwas geschafft und geschaffen zu haben. In den Ferien, zumindest im Sommer, ist die Kunstschule dennoch an vielen Tagen geöffnet: Schnupperkurse locken Kinder und Jugendliche mit ihrem Ferienpass in die Alte Weberei. Trotz des gut gefüllten Jahresprogramms, Aktionen vor Ort und eigener Ausstellungen in den Pavillons der Städtischen Galerie Nordhorn sind viele Grafschafter aber auch nach fünf Jahren noch oft überrascht, wenn sie erfahren, dass es in Nordhorn eine Kunstschule gibt. Karin Heidinger-Pena räumt ein, dass es die Musikschulen sind, die in der öffentlichen Wahrnehmung die Nase vorn haben. Trotzdem beobachte sie, dass die Akzeptanz der Kunstschule in der Vergangenheit deutlich zugenommen habe. Dies zeige sich allein schon an den Teilnehmerzahlen und dem breit gefächerten Angebot von zurzeit sieben KunstschulLaboren. Andre Berends Das Musical „Als die Raben noch bunt waren” mit dem Kindergarten von Behring-Straße und einem kleinen Videoprogramm gibt es auch die Ergebnisse eines Acryl-Workshops zu bestaunen, eine große Kindermalaktion und vorgelesene Geschichten für die Kleinen im Lichtpavillon von Adrian Schiess. Beginn ist am 13. März um 15 Uhr. Zwei Tage vorher bietet die Kunstschule dazu einen Acryl-Malerei-Workshop für 9–13-Jährige vom 11. bis 13. März an. Die Teilnahme kostet 25 Euro. + + + + 27 Kunstinteressierte haben an der ersten Galerie-Exkursion im neuen Jahr nach Herford teilgenommen. In Begleitung von Galerieleiter Roland Nachtigäller lernten sie das Galerie 28 29 … und ein Fest als Gesellenstück Erstes Regialogen-Gespann berichtet von seinen Erfahrungen in der Grafschaft Bentheim it der Organisation des kunstwegen-Fests im vergangenen September haben sie ihr Gesellenstück abgeliefert: ein gemeinsam und selbständig realisiertes Projekt. „Wir haben kunstwegen den Menschen wieder ein Stück näher gebracht“, erinnert sich Manfred Stedtler stolz. Der 32-Jährige aus Leipzig ist die eine Hälfte des ersten Grafschafter RegialogenPaars. Die andere Hälfte heißt Monika Müller. Beide haben den akademischen Grad des Magister Artium erlangt und standen nach ihrem Studium ohne Chance auf eine dauerhafte Anstellung da. Der Historiker Stedtler fand hin und wieder eine zeitlich befristete Beschäftigung in Museen, die 36-jährige Kunsthistorikerin aus Pforzheim hatte es noch schwerer. Nach dem Abschluss der elfmonatigen Weiterbildung zum „Fachreferenten für Kulturtourismus und -marketing“ hoffen Müller und Stedtler nun, dass sie zu den 75 Prozent der Absolventen gehören, die eine feste Anstellung finden. Katrin Rodrian kannte die Schwierigkeiten arbeitsloser Akademiker. Speziell für Kulturwissenschaftler mit Abschlüssen in den Fachbereichen Kunstgeschichte, Geschichte, Volks- und Völkerkunde, Archäologie, Geographie, Niederlandistik und verwandten Fachbereichen hat die Mitarbeiterin des in Emden ansässigen M Vereins zum Erfassen, Erschließen und Erhalten der historischen Sachkultur im Weser-EmsGebiet daher vor zwei Jahren das Projekt Regialog ins Leben gerufen. Rodrians Idee: Die Kreise, Städte und Gemeinden in der WeserEms-Region brauchen Experten, um ihre touristischen und kulturellen Angebote besser zu vermarkten. Der Kunstbegriff „Regialog“ bedeutet nichts anderes als „Region im Dialog“. Das Geld kommt von den Arbeitsagen- turen, aus dem europäischen Sozialfond und vom Land Niedersachsen. Damit die Tourismusinstitutionen und die Museen gleichermaßen von dem Projekt profitieren, werden im Vorfeld Regialogen-Paare gebildet. Beide Regialogen arbeiten jeweils die Hälfte ihrer elfmonatigen Projektzeit in der Tourismus- und die andere Hälfte in der Kultureinrichtung. Bei Halbzeit wird gewechselt. In der Grafschaft fanden sich mit dem in der Städtischen Galerie Nordhorn angesiedelten „offenen Museum kunstwegen“ und dem Fremdenverkehrsverband Grafschaft Bentheim unter dem Dach der Kreisverwaltung ein Museum und eine Tourismusinstitution. Galerieleiter Roland Nachtigäller erinnert sich an die Überlegungen im Vorfeld der Teilnahme an Regialog. „Wir haben zunächst mit der Geschäftsführerin des Fremdenverkehrsverbands, Manuela Westhuis, überlegt, wo die Berührungspunkte unserer Einrichtungen sind. Die Antwort hieß kunstwegen“, so Nachtigäller. Die Galerie wünschte sich, die Skulpturenreihe regional und überregional bekannter zu machen und der Fremdenverkehrsverband, Arbeiteten wechselseitig beim Fremdenverkehrsverband und in der Städtischen Galerie: Monika Müller und Manfred Stedtler. Museum MARTa Herford kennen, das zurzeit nach den Plänen des amerikanischen Stararchitekten Frank Gehry entsteht. Außerdem besuchten sie die aktuelle Ausstellung mit Bildern von James Ensor. Nach einem Vortrag über Gehrys Position innerhalb der Architekturmoderne stand noch eine kurze Begegnung mit dem Museumsdirektor Jan Hoet auf dem Programm. + + + + Auch in diesem Jahr gibt es wieder eine lange Galerienacht. Nach dem großen Erfolg der Premiere im vergangenen Jahr wird hinter den Kulissen der Städtischen Galerie Nordhorn bereits Mit der Organisation des kunstwegen-Fests im vergangenen September in Emlichheim lieferte das erste Regialogen-Gespann sein Gesellenstück im Fach Kultur- und Tourismusmanagement ab. kunstwegen in sein touristisches Leitbild von einem sanften Fahrradtourismus einzubauen. Die Aufgaben der Regialogen Stedtler und Müller waren vielfältig. Die Kunsthistorikerin setzte sich während ihrer Zeit beim Fremdenverkehrsverband beispielsweise mit Grafikern einer Nordhorner Werbeagentur zusammen und aktualisierte den kunstwegen-Flyer. Stedtler schrieb während seiner sechs Monate in der Galerie Texte für die neu gestaltete kunstwegen-Homepage. Und er entwickelte neue Tagestouren, die er zunächst selbst abfuhr, bevor er sie als neue Angebote für Tagestouristen ins Internet stellte. Der Gebrauch des Mediums Internet, insbesondere das Programmieren eigener Seiten, lernten die beiden Grafschafter Regialogen mit den emsländischen Teilnehmern bei einem wöchentlichen PC-Tag im Meppener Kreishaus. In Oldenburg standen bei neun so genannten Kompaktseminaren Themen wie BWL, Museumsmanagement und Marketing auf dem Stundenplan. Neben den üblichen Bürotätigkeiten halfen Stedtler und Müller beim Aufbau und der Eröff- Galerie nung von Ausstellungen der Städtischen Galerie Nordhorn und übernahmen sonntägliche Führungen. Im Zusammenhang mit der Gruppenausstellung „Daheim in der Fremde – Fremd in der Heimat“ waren der Historiker und die Kunsthistorikerin an der Organisation des umfangreichen Rahmenprogramms mit mehreren Diskussions- und Vortragsveranstaltungen beteiligt. Höhepunkt ihrer elfmonatigen Weiterbildung zu „Fachreferenten für Kulturtourismus und -marketing“ war das kunstwegen-Fest am 18. September vorigen Jahres. „Als wir den Auftrag erhielten, das Fest zu organisieren, hatten wir anfangs schon Bedenken, ob wir das überhaupt schaffen“, berichtet Monika Müller. Doch während der dreimonatigen Vorbereitung hätten sie immer mehr Stärken an sich entdeckt. So fiel denn auch ihre eigene Einschätzung, ob sie es schaffen können oder nicht, positiv aus. Was die beiden Regialogen an der Grafschaft überrascht und gefreut hat, waren die kurzen Wege zu Behörden und Firmen. „Der Umgangston war meistens familiär und freundlich“, erinnert sich Manfred Stedtler, der wie seine Kollegin sagt, dass er durch das Gelingen des Fests am Kanal in Emlichheim neues Selbstvertrauen gesammelt habe. Dass sich die Teilnehmer von Regialog wieder etwas zutrauen, weil sie alleine etwas auf die Beine gestellt haben, ist eines der Ziele des bundesweit angebotenen Projekts Regialog. Auch für die teilnehmenden Institutionen hat sich Regialog ausgezahlt, wie Galerieleiter Nachtigäller berichtet. „Wegen des direkten Drahts zu den Touristikern ist Regialog ein echter Gewinn für uns. Wir machen auf jeden Fall weiter mit“, versichert er. Die beiden Nachfolger, die im April in Nordhorn ihre Arbeit aufnehmen, können dabei vom ersten Regialogen-Paar profitieren. Manfred Stedtler und Monika Müller haben ihre Erlebnisse und Erfahrungen während der elf Monate in Nordhorn aufgeschrieben, ausgewertet und mit praktischen Tipps versehen. Daniel Klause eifrig am Programm gearbeitet. Die Besucher erwarten u. a. wieder rund um die beiden Galeriepavillons ein großer Kunstbuch-Basar, Lesungen, Performances, Filme, Infostände, Musik und die Eröffnung des neuen Galerie-Foyers. Auch der Termin steht bereits fest: 29. April 2005. + + + + Und auch die nächste Ausstellung wirft schon ihre Schatten voraus, die ersten Künstler treffen für Vorbereitungsgespräche in der Stadt ein. „Modellräume – Bühnen, Spielfelder, Versuchsanordnungen“ eröffnet am Sonntag, den 22. Mai um 11 Uhr. Kochkünstler 30 31 Beist – Mehlpüt von Gerdine Frenck as Rezept habe ich von meiner Tante Gerdine von der ostfriesischen Nordseeinsel Borkum erhalten. Und wie sie sagt: „Es gelingt, oder es gelingt nicht …“ D Für 2 Personen benötigt man: 3 Eier 1/2 Liter Milch einer Kuh, die gerade gekalbt hat (erste Milch nach dem Kalben) 1/2 Pfund Mehl etwas Salz einen genähten länglichen Beutel aus Leinen oder aus einem Kunstdarm vom Schlachter Ähnlich wie bei einem Pfannkuchenteich werden 3 Eier geschlagen und etwas Salz dazu gegeben. Dazu kommt die Milch, die dickflüssiger ist als normale Milch. Das Mehl wird noch einmal durchgesiebt, damit keine Klumpen entstehen. Wenn das Mehl hinzugegeben wurde und alles vermengt ist, muss man die Konsistenz testen. Der Teig ist nur dann richtig, wenn er „schwer fließend“ ist. Ansonsten muss noch etwas Flüssiges oder etwas Festes von den Zutaten beigefügt werden. Beim Befüllen des Beutels stellt man ihn am besten in ein schmales hohes Gefäß (z. B. eine Kanne). Beim Verschließen müssen oben ca. 2 cm Luft gelassen werden, da der Teig sich ausdehnt. In einen Topf mit Wasser wird nun ein umgekehrter Teller oder ein Stück Stoff gelegt. Dies verhindert das Anbrennen des BeistMehlpüts am Topfboden. Eine Stunde etwa kocht der Beutel nun im Wasser vor sich hin. Mit einer Stricknadel sticht man schließlich in den Beutel. Bleibt kein Teig an der Nadel zurück, ist das Gericht fertig. Der Beutel wird aufgeschnitten und heraus kommt ein weißes Gericht. Es wird in etwa 1–2 cm dicke Scheiben geschnitten und mit Sirup oder Butter und Zucker serviert. Guten Appetit! Gerdine Frenck hat ein feines Gespür für merkwürdige Geschichten. Für ihre künstlerische Arbeit ist sie ständig auf der Suche nach bemerkenswerten Ereignissen, seltsamen Fotos, historischen Momenten, an denen ihre Aufmerksamkeit hängen bleibt. Mit ihren sogenannten „Nachstellungen“ begibt sie sich gerne in die Rolle von WerbeModels, Filmschauspielern oder anderen öffentlichen Personen, um mit augenzwinkerndem Blick das Absurde, Ungewöhnliche oder Künstliche der jeweiligen Posen überdeutlich hervorzukehren. Für das „schön”-Rezept entwickelte sie exklusiv eine Gegenüberstellung von Anthony Perkins und der schwangeren Künstlerin. Gerdine Frenck wurde 1965 in Varel geboren, lebt heute in Braunschweig und war in der Städtischen Galerie Nordhorn 2003 mit einer bemerkenswerten Rauminstallation für die Ausstellung „Plastik, Plüsch und Politik“ zu sehen. Wenn die Bilder Versteck spielen er Wettstreit der antiken Maler Zeuxis und Parrhasios ist Legende: Der eine malte Kirschen so täuschend echt, dass die Vögel das Bild zerpickten; der andere bat den Kollegen, den Vorhang vor einem seiner Bilder zur Seite zu ziehen. Der versuchte es und stellte fest, dass der Vorhangstoff nur gemalt war. In fast allen Epochen findet man Beispiele dieser Kunst, für die um 1800 der Begriff „Trompe-l'oeil“ aufkam, die Täuschung des Auges. In einem opulenten und liebevoll arrangierten Bildband haben Eckhard Hollmann und Jürgen Tesch gemalte Augentäuschungen von der Antike bis zur Gegenwart zusammengetragen. Die kleinen Zauberstücke täuschen Räume und Gegenstände, Menschen und sogar Landschaften vor – zum Greifen nah und doch nur Illusion. Auf 96 Seiten offenbart sich die Kunstfertigkeit aller Maler, die dreidimensionale Welt gekonnt ins Zweidimensionale zu übertragen. Sie lassen die Betrachter immer wieder in die Falle laufen: Das gilt für Jan van Eyck, Paolo Veronese oder René Magritte ebenso wie für die zeitgenössischen Künstler Duane Hanson oder Hans-Peter Reuter. „Die Kunst der Augentäuschungen“ ist ein richtig schönes „Bilder-Buch“ und bietet dank der kurzen und gut geschriebenen Erklärungen zu jeder Abbildung hintergründigen Lesegenuss. Dagmar Thiel D Eckhard Hollmann, Jürgen Tesch: Die Kunst der Augentäuschung. Verlag Prestel. Gebunden, 40 farbige und 20 s/w Abbildungen, 24,95 Euro Original oder Fälschung? an Vermeer ist einer der rätselhaftesten Maler der Kunstgeschichte. Erst 200 Jahre nach seinem Tod wächst sein Ruhm ins Maßlose. Deshalb ist die Empörung groß, als man Ende Mai 1945 in den Niederlanden entdeckt, dass ein Werk Vermeers in Hermann Görings Privatsammlung gelangt ist. Als Drahtzieher des Verkaufs wird der Maler und Kunsthändler Han van Meegeren verhaftet. Dieser gesteht, das Bild gefälscht zu haben, und zwar nicht nur das eine, sondern noch sechs weitere, unlängst wiedergefundene Vermeers, mit denen sich die bedeutendsten Museen der Zeit schmücken. Eigentlich ein Held des Vaterlands, der die Nazis an der Nase herumgeführt hat, wird ihm der Prozess gemacht. Die Kunstwelt ist erschüttert: Wie konnten sich die Experten so täuschen lassen? Wie gelang es ihm, alle technischen Analysen auszutricksen? Selbst nach seinem Geständnis glauben viele, ihr van Meegeren sei in Wahrheit doch ein echter Vermeer. Luigi Guarnieri erzählt in seinem Buch „Das Doppelleben des Vermeer“, das im März im Verlag Antje Kunstmann erscheint, eine ebenso spannende wie entlarvende Geschichte aus der Welt der Galerien, Sammler und des offiziellen Kunstbetriebs. Sein eleganter mit feiner Ironie durchsetzter Stil macht die Lektüre zu einem schadenfrohen Vergnügen. Daniel Klause J Luigi Guarnieri: Das Doppelleben des Vermeer. Verlag Antje Kunstmann 2005 ANTHONY PERKINS, Don Ornitz, 1960 Gerdine Frenck Bücherecke Der andere Blick 32 LÖCHRIG Ob groß oder klein: Riskieren Sie ruhig einmal einen Blick. FUNKTIONAL Ab in den Trog und a’ Ruah is. Straßen können so schön sein, wenn man sie nicht hört und sieht. ... vor die Wand TRUTZIG Ganz Belgiae ist von den Römern besetzt. Ganz Belgiae? Nein, an der Grenze zu Germania leistet ein Dorf voller unbeugsamer Ureinwohner den Eindringlingen erfolgreich Widerstand. GROßSTÄDTISCH Welcher Bahnreisende kennt ihn nicht, den Blick vor die Wand, die Rückseite der Städte. KULTIG TRANSPARENT Wo sich Siedlungen hinter meterhohem Beton verstecken, fällt der Blick ungehindert über Fluss, Wiesen und Äcker. Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen. Weltgeschehen mitten in Nordhorn. Die bunte Seite 34 Alte Meister SCHONE Fragen ... Gerhard Kortmann Pastor der reformierten Kirchengemeinde in Nordhorn Was gefällt ihnen an der Grafschaft am Besten? Das Plattdeutsch mit seinem Witz. Etwas, das Sie sammeln: Geschichten und viel Musik. Ein Künstler oder eine Künstlerin, die Sie sehr schätzen: Den Kabarettisten und Christenmenschen Hanns-Dieter Hüsch, der das Schwere leichter sagen kann. Ein Kunstwerk in der Grafschaft, das Sie berührt hat: Der „Schwarze Garten“ in Nordhorn, weil er dem traurigen Ort die richtige Farbe gibt. Eine Ausstellung, ein Konzert oder Theaterstück, das Sie nachhaltig beeindruckt hat: Ein Konzert mit Reinhard Mey in Osnabrück: ein Mann, eine Gitarre, ein Mikro vor 2000 Zuhörern und alles glasklar zu verstehen. Einen Ort in der Grafschaft, den Sie lieben: Den Spöllberg – mit und ohne Kette. Wer oder was hätten Sie sein mögen? Ein guter Fußballspieler wie Günter Netzer, der Gitarre spielt wie Eric Clapton und schlagfertig ist wie Harald Schmidt. Von welchem Künstler hätten Sie am liebsten ein Bild im Wohnzimmer? Rita Rossi: “Vivalencia”. Etwas, was Ihnen an der Religion gefällt: Die Ahnung, dass es mehr gibt, als das was unsere Augen meinen zu sehen. Eine Sache, die Sie gerne putzen: Mein Auto. In der Waschstraße. In der Grafschaft fehlt mir immer noch … Ein Bahnhof in Nordhorn mit guten Anbindungen. Ein Grund, weshalb Sie aus der Grafschaft wegziehen würden: Nur wenn die Liebe es will oder der Meeresspiegel steigt. Sind Sie Mitglied in einem Verein? Ja, in viel zu vielen ... Yves Klein: Autobahn 31 Eine schöne Tradition ist … Der Gottesdienstbesuch am Sonntag. Sind Sie schon Mitglied? Seit vielen Jahren wird die Arbeit der Städtischen Galerie Nordhorn von einem engagierten Förderkreis ideell wie finanziell begleitet. Er ist ein unverzichtbarer Partner der Galerie für alle kulturellen und künstlerischen Aktivitäten, die über das gewohnte Maß hinaus gehen. Im Gegenzug bezieht die Städtische Galerie Nordhorn die Mitglieder besonders eng in ihre Arbeit mit ein: Angeboten werden Sonderführungen, Essen und Gespräche mit Künstlern im kleinen Kreis, Reisen zu besonderen Ereignissen außerhalb Nordhorns, Vorabinformationen oder auch die kostenlose Zusendung des Magazins »schön« direkt nach Erscheinen. Allen Mitgliedern wird ein reduzierter Eintrittspreis in die Galerie geboten, und auf die hochwertigen Kataloge erhalten sie im Erscheinungsjahr einen Sonderrabatt von mindestens 30%. Rücken Sie näher an die Städtische Galerie Nordhorn heran und stoßen Sie zu einer interessanten, vielfältigen und aufgeschlossenen Gruppe kulturinteressierter Menschen. Mit einem Jahresbeitrag von 30 (Schüler u. Studenten 10 ) helfen Sie aktiv mit, dass Kunst und Kultur in Nordhorn weiterhin lebendig und abwechslungsreich bleiben und Außergewöhnliches zu bieten haben. dabei sein neugierig, aufgeschlossen, interessiert, engagiert förderkreis städtische galerie nordhorn e. v. herrn dr. hans michael schulz vechteaue 2, 48529 nordhorn tel. 05921-97 11 00, fax 97 11 05