DAT 2010 - Forum Junge Anwaltschaft

Transcription

DAT 2010 - Forum Junge Anwaltschaft
Anwalt der Anwälte
G 48742
02 /10
FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein
DAT 2010
Thema:
Forschung
BERICHTE UND BILDER
Wer nicht forscht bleibt dumm
Richtig posen vor Gericht – die besten Sprüche
Abmahnkanzleien und ihre Tricks
Geheimwaffe Privatgutachten
Erbenermittlung und Ahnenforschung
FORUM Junge Anwaltschaft
w w w. d a v f o r u m . d e
Editorial
Wer will was von wem woraus?
Wer kennt sie nicht – die Faustformel des gestandenen Juristen für den schnellen Weg zu
des Falles Lösung. Ob dabei allerdings sämtliche
Unwägbarkeiten und Besonderheiten des Falles
ausreichend Beachtung finden, wird von den
jeweils Beteiligten oft unterschiedlich beurteilt.
So sicherlich auch geschehen im Fall des FC Carl
Zeiss, der gegen Heidenheim verlor und deswegen vom DFB aus Gründen der Gerechtigkeit
eine menschliche Entscheidung wollte.
Dies führt uns zu der Frage, wie denn nun der theoretisch geschulte Jurist den zu regelnden Sachverhalt für den Großteil der Bevölkerung nachvollziehbar und im Einklang mit dem herrschenden
Rechtsverständnis und den einschlägigen Normen
unter Einbeziehung des vormals Erlernten einer sinnvollen und realitätsnahen Klärung zuführen kann.
Des Rätsels Lösung mag auch in dem Versuch der
Beantwortung der Frage, was Wissenschaft und
Forschung mit Anwälten zu tun hat, liegen, mit der
sich der Text unter der hierzu durchaus passenden
und für die zahlreichen Fans der Sesamstrasse er innerlichen Fragestellung: „Wer, wie, was? Wieso,
weshalb, warum?“ (Seite 4) beschäftigt.
Kommt der nach der Lösung des Falles forschende Jurist
auch hiermit nicht weiter, so sollten wohl auch Menschenkenntnis, Fingerspitzengefühl und die eigene
Intuition zur Anwendung kommen, was uns das „Lob
des Bauchgefühls" (Seite 26) eindrucksvoll nahe legt.
Wer aus unseren Reihen außer der Forschung nach
den Ursprüngen der juristischen Theorien oder deren
Begründern (Tipps zu ähnlichen Suchen gibt uns
auch die „Zeitreise in die Vergangenheit“ ab Seite 10)
anlässlich des 15-jährigen Bestehens des FORUMs
Junge Anwaltschaft und der dazugehörigen Jubi-
AdVoice
Redaktionsteam
RA
Percy Ehlert, Berlin
Redaktion und Autor
läumsveranstaltung am 05.06.2010 in Berlin auch
noch richtig zu leben und zu feiern verstanden hat,
das gibt’s ab Seite 48 sowohl anzusehen, als auch
nachzulesen.
Und wenn mich die mir bekannten Grundsätze und
mathematisch erforschten und belegten Gesetzmäßigkeiten nicht gänzlich täuschen, dann gibt es
spätestens in drei Jahren nach Vollendung der Pubertät und mit Erreichen der Volljährigkeit wieder
was zu feiern!
Eure RAin Silke Waterschek
Vorsitzende des Geschäftsführenden
Ausschusses des FORUM Junge Anwaltschaft
AUS DER REDAKTION
Rote Roben & rote Teppiche
„Sie halten für die beiden Ihre Hand ins Feuer?“
Der Wachmann am Eingang zum Gelände des Bundesgerichtshofes hat gute Laune. „Klar beide.“
Keine Frage – Herr Rechtsanwalt am BGH Dr.
Matthias Siegmann hat mindestens genauso gute
Laune und man kennt ihn hier in Karlsruhe. Gemeinsam gehen wir über einen Weg mit historischem Pflaster durch den parkähnlichen Vorplatz
in das Gebäude, in dem die Roben rot sind. Ich
muss zugeben –ein bisschen beeindruckt es mich
schon, dieses altehrwürdige Gebäude mit den roten
Teppichen im Treppenhaus. Die verleihen Flair und
dämmen das Klack-Klack meiner Schuhe. Mein
Protagonist begibt sich ins Anwaltszimmer, kommt
mit roter Robe wieder raus und folgt geduldig den
Anweisungen des Fotografen – ja, es lohnt sich,
Zeit in eine Geschichte zu investieren – auch wenn
ASM
es am Ende „nur“ eine Doppelseite ist.
RA
Tobias Sommer, Berlin
Chefredakteur
RAin
Anke Schiller-Mönch, Weimar
Redaktion und Autorin
RA
Patrick Ruppert, Köln
Redaktion und Autor
Journalistin
Stefanie Salzmann, Eschwege
Zentralredaktion
RA
Jens Jenau
Schloß Holte-Stukenbrock
Bücherforum
Andrea Vollmer, Berlin
Fotografin und Bildredaktion
ADVOICE 02/10
1
Inhalt
Thema: Forschung
Magazin
DAT 2010
4
Wieso, weshalb, warum?
Was Forschung mit Anwälten zu tun hat
26
Lob des Bauchgefühls
Akribie allein reicht nicht
38
„DAT war juut“
Junganwalt Röhl über seinen DAT
6
Ich sehe was, was du nicht siehst
Institut für Anwaltsforschung HU Berlin
28
Zwischen Dojo und Gerichtssaal
Karate und Anwalt
40
DAT in Bildern
42
8
Recht im Abseits
FC Carl Zeiss Jena bleibt in der 3. Liga
30
Rotationsguillotinen
Blick der Medien auf Rechtsfälle
Reden und Kommunikation
Ein subjektiver Streifzug durch den DAT
43
10
Zeitreise in die Vergangenheit
Menschen im Netz finden
31
Allein auf weiter Flur
Der Feld-, Wald- und Wiesenanwalt
Netzwerk, Netzwerk
Wie fanden es die RBs?
44
12
Geheimwaffe Privatgutachten
Vorteile und Kosten
32
Unterschiede bei Abmahnungen
Diskussion und Praxis
Sind vor Gericht alle gleich?
Rolle und Aufgabe der Medien
44
14
Recht im Säulendiagramm
Rechtstatsachenforschung
34
Neukölln Unlimited
Rechtsdienstleistung im Film
Verbraucherinsolvenz
Die ARGE Insolvenzrecht
16
Forschung in Zahlen
Oder: warum gibt es keine
Studentenpartei?
36
Haftungsbeschränkung
Haftung des eintretenden Partners
37
18
Ganz oben
Anwalt am BGH
Erfahrungsbericht Kanzleigründung
Auf internationaler Schiene zum Erfolg
20
Posen vor Gericht
Die besten lateinischen Imponiersprüche
22
Rechtsethik
Das Stiefkind der Juristen
25
Das erste Plädoyer zählt
Ankereffekt im Strafverfahren
2
ADVOICE 02/10
Inhalt
Euer FORUM
46
Vorteile der FORUMs-Mitgliedschaft
47
Newsticker
Traineelohn bis Frauenquote
47
Termine
48
15 Jahre FORUM
Feiern bis der Anwalt kommt
Bücherforum
58
Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess
62
Autorenverzeichnis
ZPO Zivilprozessordnung
64
Das letzte Wort
64
Impressum
Internationales Zivilprozessrecht
Das arbeitsrechtliche Mandat
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht
Cyber-Mobbing
52
Tipps und Tricks für Gründer
Bericht: Start in den Anwaltsberuf
53
Von wegen hohes Ross
Vom Pferderechtstag München
54
FORUM regional
Neue Regionalbeauftragte
für LG Stuttgart
Bundesrechtsanwaltsordnung
Münchener Kommentar
zur Insolvenzordnung
Formularsammlung gewerblicher
Rechtsschutz und Urheberrecht
Familiengerichtskostengesetz
Münchner Anwaltshandbuch Mietrecht
54
FORUM international
Länderbeauftragte stellen sich vor
Italien
55
Ich bin nicht allein
Portrait Manuela Lueck
56
FORUM vor Ort
FORUM auf der CeBIT
100 Prozent Transportrecht
Info + Service
Praxiskommentar
zum Straßenverkehrsrecht

DAT 2010
BERICHTE UND BILDER
Alles zum Anwaltstag in Aachen ab Seite 38
ADVOICE 02/10
3
Thema
Wieso, weshalb, warum? Wer nicht forscht bleibt ...
Was hat Forschung mit Anwälten zu tun? – Versuch eines Überblicks
Die Anwaltszulassung besiegelt meist den Abstieg von geistigen Höhen zu den Ebenen der Handwerkerschaft. Zwar bleibt der Anwalt Forscher, aber nicht jeder ist forschender Anwalt.
Wir haben es alle getan: Rechts-Wissenschaft
studiert. Haben uns Regeln, Deutungs- und
Auslegungsmuster eingeprägt, die etwas großspurig als „Theorien“ daherkommen. Haben eine
oder zwei Seminararbeiten geschrieben und uns
dabei im Miniatur-Format an wissenschaftlicher Arbeit versucht. Waren vielleicht am
Lehrstuhl und hatten dort hoffentlich mehr als
nur Kopier-Aufträge zu erledigen.
und selber neuen Text zu produzieren. Mag sein,
dass ein zukünftiger Arbeitgeber auch am wissenschaftlichen Ergebnis interessiert ist. In erster Linie
wird es ihm auf den Forschergeist, das Strukturierungs- und das Stehvermögen ankommen, die
der Doktortitel belegt.
Dann kam die Examenszeit, in der wir die Wissenschaft Wissenschaft sein ließen und uns (meist
mit Hilfe eines Repetitors) selbst dressierten, brav
all die Theorie-Stöckchen zu apportieren, die uns
in den Klausuren zugeworfen wurden.
Im Referendariat wird es dann sehr pragmatisch,
auch wenn am Ende eine weitere Prüfung mit
wissenschaftlichem (?) Anspruch wartet. Das ent scheidend Neue ist hier, dass der zu bewertende
Lebenssachverhalt erst ermittelt werden muss.
Wenn das geschehen ist, entsteht dem rechtswissenschaftlich geschulten Cand. iur. die zutref fende juristische Einordnung quasi von alleine.
Die Wissenschafts-Enthusiasten und die Karriereorientierten haben sich danach in das Abenteuer
Promotion gestürzt. Oder sich einen LLM erarbeitet,
oder gar beides! (Gibt es eine empirische Erfassung
und Auswertung der Motive rechtswissenschaftlicher Doktoranten?) In langen Forschertagen und
-nächten haben sie sich durch große Mengen Text
gearbeitet, sich abgemüht, den Stoff zu ordnen
4
ADVOICE 02/10
Wissenschaft ./. Handwerk
Die Zulassung zum Rechtsanwalt besiegelt den
Abschied aus den geistigen Höhen von Forschung
und Wissenschaft. Wir verwandeln uns in Hand werker – oder vielleicht etwas passender: Wortwerker – die in alltäglicher Routine die Rechtslage
1
so hinnehmen, wie die Rechtsprechung sie vorgibt.
Keine Auseinandersetzung mehr mit herrschenden
Lehr- oder Mindermeinungen: entscheidend ist die
Ansicht des BGH, mag sie einem im Einzelfall auch
absurd vorkommen. Die Aufgabe des Anwalts
scheint es, dem Mandanten die Rechtswelt so zu
erklären, wie die Obergerichte sie sehen. Selten
genug die Fälle, in denen wir die Mandanten überzeugen wollen und können, gegen eine verfehlte
obergerichtliche Rechtsprechung anzugehen und
den Versuch zu unternehmen, eine Fußnote zur
Rechtsgeschichte zu schreiben.
Das mag in größeren Kanzleien anders sein. Dort
gibt es Mandate und Mandanten, die eine umfassende Darstellung der denkbaren rechtlichen
Einordnungen verlangen.
Es geht das Vorurteil um, dass eine solche Einordnung darauf getrimmt ist, jegliches Haftungsrisiko der Kanzlei zu vermeiden. Klare Handlungsempfehlungen fehlen und der Mandant braucht
jemanden, der ihm die Stellungnahme der Großkanzlei in seine eigene Sprache übersetzt.
Foto: 1) Andrea Vollmer
Thema
Kreativität ./. Tunnelblick
Auch zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen
oder Zuarbeit – hierfür hat der Anwalt in der Großkanzlei potentiell mehr Gelegenheit (oder besser:
Pflichten?) als die Kollegen in Einzel- und Kleinkanzleien, die ihre Mandate abarbeiten müssen.
Aufsätze in Fachzeitschriften und Mitwirkung an
Kommentaren bringen wissenschaftlichen Lorbeer
oder wenigstens Fleißbienchen ein. Ganz nebenbei
steigert man den fachlichen Ruf und den Bekanntheitsgrad der Kanzlei und stellt eine missliebige
Rechtsprechung oder Gesetzeslage zur Diskussion.
Und doch, auch der Anwalt in der Einzel- oder
Kleinkanzlei ist mitten im Anwaltsleben von For schung und Wissenschaft umgeben. Im eigenen
Interesse hält er sich über die Rechtsprechung zu
seinen Tätigkeitsgebieten auf dem Laufenden. Er
mag sich damit begnügen, die Ergebnisse zur
Kenntnis zu nehmen.
Als Training der eigenen Kreativität hinsichtlich
zukünftig auftauchender Rechtsfragen empfiehlt
es sich aber, auch den Weg zum Ergebnis und eine
eventuelle Diskussion darüber nachzuvollziehen.
Je nach Tätigkeitsgebiet ist außerdem die Beschäftigung mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen
geboten. Wenn man sich darauf beschränkt, nur die
Mechanik der Rechtsvorschriften zu überblicken,
läuft man Gefahr, die Bedürfnisse der Mandanten
nicht einordnen und erkennen zu können. Oder
auch, wichtige Hilfsmittel nicht zu nutzen, um die
Interessen der Mandanten durchzusetzen.
Ein Strafverteidiger ohne kriminologische Kenntnisse ist nur bedingt einsatzfähig, ein Kapitalmarktrechtler ohne betriebswirtschaftlichen Hintergrund
wäre für den Mandanten eine Zumutung.
Tradition ./. Liberalisierung
Forscher Anwalt
Angesichts der in den letzten Jahren sich stark
ändernden Vorgaben des Berufsrechts sind wir
Anwälte auch hier auf eine wissenschaftliche Begleitung angewiesen.
Forschung betrifft uns Anwälte. Die Frage ist nur, in
welchem Umfang wir bereit sind, die Ergebnisse
zur Kenntnis zu nehmen und für unsere eigene
Tätigkeit nutzbar zu machen.
Von der Robenpflicht über die Fachanwalts ordnung zur Werbung für die eigene Tätigkeit: Müssten wir alle diese Fragen jeweils alleine für uns
ausmachen, gäbe es ein heilloses Durcheinander
und die Verunsicherung in der Anwaltschaft wäre
um ein Vielfaches höher als ohnehin schon. Hier
begleiten uns die Wissen schaftler der Anwaltsinstitute an verschiedenen Universitäten.
Forscher ist aber auch jeder Anwalt, der ein neues
Mandat auf den Tisch bekommt. Gleich am Anfang
steht die Aufgabe, den Sachverhalt und die
Interessen des Mandanten zu klären. Das klingt
banal und für den Laien selbstverständlich, ist aber
alles andere als das.
Diese haben es sich teilweise auch zur Aufgabe
gemacht, das rechtswissenschaftliche Studium auf
die Tatsache einzustellen, dass ein großer Teil der
Studierenden künftig anwaltlich tätig sein wird.
Kommunikation, Rhetorik und Verhandlungslehre
haben Einzug in den Lehrplan gehalten, um den
Studierenden die Grundlagen zu vermitteln, Berater und Vertreter der Interessen ihrer Mandanten
auch außerhalb des Gerichtssaals sein zu können.
Die sich ändernden berufsrechtlichen Regelungen
sind ein Ausdruck weit reichender gesell schaftlicher, sozialer und wirtschaftlicher Änderungen.
Demografischer Wandel, Anwaltsflut oder auch die
Liberalisierung des Markts der Rechtsdienst el istungen stellen große und kleine Kanzleien vor
bislang nicht gekannte Herausforderungen.
Das Soldan-Institut für Kanzleimanagement hat
es sich zur Aufgabe gemacht, solche Heraus forderungen wissenschaftlich zu erfassen und Handlungs em pfehlungen für die Bewältigung zu formu ileren.
Die Schwierigkeit liegt darin, dass Sachverhaltsund Interessenklärung sich vielfach gegenseitig
bedingen. Der Anwalt, der eine vom Mandanten
eingenommene Position nicht hinterfragt, riskiert
genauso eine Bauchlandung wie jener, der die
Sachverhaltsschilderung des Mandanten für die
vollständige und unbezweifelbare Wahrheit hält.
Gar nicht so selten ist, dass der Mandant vor dem
Kontakt mit seinem Anwalt selber gar nicht so
genau weiß, worauf es ihm ankommt.
So ist jeder Anwalt ein Forscher, aber nicht jeder
ist ein forscher Anwalt. Das können (müssen nicht!)
solche sein, für die Sachverhalt, Rechtslage, die
Ansichten der anderen Seite und des Gerichts völlig
unerheblich sind. Sie wissen: Die Wahrheit ist mit
den Besten und das sind Sie!
RA Percy Ehlert, Berlin
> Forscher. Forsch! Ehr? Er? Er-forsch-er.
ADVOICE 02/10
5
Thema
Ich sehe was, was du nicht siehst
Lehre für neue Blickwinkel: das Institut für Anwaltsrecht der HU Berlin
Er würde ohne weiteres als gestandener FORUMAnwalt durchgehen, hat aber die 40 schon
knapp hinter sich gelassen. Dem FORUM ist er
trotzdem verbunden, kennt die AdVoice und hat
auf dem ExistenzgründerFORUM in Nürnberg
referiert. Karl-Michael Schmidt ist einer der
Geschäftsführer des Instituts für Anwaltsrecht
der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Gespräch mit AdVoice schildert er die Arbeit des
Instituts.
Seitdem dieses berufspolitische Ziel umgesetzt
worden ist, liegt der Schwerpunkt der Institutsarbeit darin, die Studierenden auf die anwaltliche
Tätigkeit vorzubereiten.
„Es war einfach an der Zeit, zur Kenntnis zu nehmen, dass 80 Prozent der Absolventen früher oder
später als Anwälte tätig sind“, erklärt Schmidt.
Anwälte der Zukunft
Am Anfang ging es um § 5a des Deutschen Richtergesetzes. Die Bestimmung ist Richtschnur für
die Studieninhalte auf dem Weg zum Ass. Jur. „Das
frühere Leitbild der Juristenausbildung war der
habilitationsfähige Oberlandesgerichtsrat“, fasst
Schmidt zusammen.
Auch dank der Arbeit der Institute für Anwaltsrecht
u.a. in Berlin, Köln, Bielefeld, Heidelberg, Hannover,
Rostock und Leipzig nennt § 5a DRiG jetzt Studieninhalte, die Schmidt für Schlüsselqualifikationen anwaltlicher Tätigkeit hält: Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und
Kommunikationsfähigkeit.
Die Dozenten sind vielfach Praktiker. Am Institut in
Berlin haben seit seiner Gründung schon über 100
Kollegen an verschiedenen Lehrveranstaltungen
mitgewirkt. Ihre Aufgabe ist es, die Studierenden
zu einem Perspektivwechsel zu bewegen. Weg von
einem rein akademischen Gutachtenstil und hin zu
einer Betrachtung der Angelegenheit mit Blick auf
die Interessen des Mandanten.
Regelmäßig geht es dem Mandanten darum, eine
Lösung für sein Anliegen zu erhalten, und nicht,
ein mehrseitiges Gutachten vorgelegt zu bekommen, so scharfsinnig das auch sein mag. Zu
einem Perspektivwechsel müssen die Mitarbeiter
des Instituts auch manchmal den lehrenden
Praktikern verhelfen. Nicht alles, was einen Praktiker interessiert, ist auch für die Studierenden
spannend. Die sind bei der Auswahl der Lehrveranstaltungen stark nutzen orientiert. Darum
muss das Angebot so gefasst sein, dass dort Inhalte stattfinden, die auch für das Examen relevant
sind.
Rechtsgestaltung
Wer glaubt, dass die Vermittlung von Methoden der
Gesprächsführung und der Streitschlichtung einerseits und einer interessengeleiteten Betrachtung
andererseits zu einem Jura-light-Angebot des Instituts führt, hat ganz sicher die falsche Perspektive.
Der Kollege Schmidt legt großen Wert auf die Kautelar-Praxis und unterrichtet auch selber Rechtsgestaltung, etwa im Gesellschaftrecht. Das Credo
der Institutsleitung ist, dass ein Anwalt nur dann
die Interessen der Mandanten wirksam vertreten
kann, wenn er die Anliegen als Vertrag formulieren
und verbindlich machen kann. Das erfordert neben
fundierten Rechtskenntnissen auch redaktionelle
Fähigkeiten, etwa über den sinnvollen Aufbau eines
Jurastudent Mario Merget Auge in Auge mit Friedrich dem Großen und Wilhelm I. in den Räumen des Instituts für Anwaltsrecht an der Humboldt-Uni in Berlin.
6
ADVOICE 02/10
Fotos: Andrea Vollmer
Thema
Vertrages. Schließlich soll der Vertrag nicht nur
vollständig, sondern auch lesbar sein. Auch das
müssen die Studierenden lernen: Verhandlung und
Streitschlichtung sind kein Freifahrtschein für eine
oberflächliche Behandlung der aufgeworfenen
Rechtsfragen. Im Gegenteil: Eine informierte Entscheidung des Mandanten zu einem Verhandlungsvorschlag ist nur möglich, wenn sein Anwalt ihm
zuvor präzise dargestellt hat, wie die Rechtslage für
ihn und die andere Partei ist.
Das gilt nicht nur für das materielle, sondern auch
für das Prozessrecht. Denn regelmäßig definieren
die Erfolgsaussichten in einem Gerichtsverfahren
die sogenannte Beste Alternative zu einer Verhandlungslösung.
Partner Prozessanwalt
Daraus ergibt sich dann auch wieder die große Bedeutung der Prozessanwälte: Regelmäßig ist es die
weitere Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung, die
den Parteien Verhandlungsmacht verleiht und für
Einigungsdruck sorgt.
Das Angebot des Instituts richtet sich nicht nur an
Studierende, sondern durchaus auch an Referendare und Anwälte, die sich fortbilden möchten. So
bietet das Institut regelmäßig Veranstaltungen an,
die zur Fortbildung nach § 15 FAO angerechnet
werden können. Momentan ist die 6. Jahrestagung
des Instituts in Vorbereitung, die am 12. November
2010 stattfinden und sich mit berufsrechtlichen
Fragen sowie, unter Mitwirkung eines der zustän digen BGH-Richter, mit den neuesten Entwicklungen im anwaltlichen Berufs- und Haftungsrecht
beschäftigen wird. Anders als der Name erwarten
lässt, steht beim Institut für Anwaltsrecht der HU
Berlin die wissenschaftliche Bearbeitung des anwaltlichen Berufsrechts nicht im Zentrum, sondern
der Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung der
anwaltlichen Perspektive in der Lehre.
Reform der FAO?
Stellt sich die Frage, ob der Einsatz für eine rechtsgestaltende, verhandlungsorientierte und streitschlichtende anwaltliche Tätigkeit nicht auch berufspolitisch stärker begleitet werden könnte. Hierzu
besteht etwa mit Blick auf die Fachanwaltsordnung
erheblicher Bedarf. Der FAO liegt unverblümt das
Leitbild des Prozessanwalts zugrunde. Für Anwälte,
die überwiegend verhandlungsorientiert und streitschlichtend arbeiten, ist es so gut wie ausgeschlossen, den Titel des Fachanwalts zu erhalten. Ohne die
wichtige Rolle der Prozessanwälte schmälern zu
wollen: Das kann nicht richtig sein!
Aus der Perspektive des Verhandlungsanwalts muss
die FAO kritisch diskutiert werden. Der Kollege KarlMichael Schmidt nimmt gerne die Anregung aus
dem Gespräch mit der AdVoice auf, zu prüfen, ob
das Thema zu einem Gegenstand der Arbeit des
Instituts gemacht werden könnte.
RA Percy Ehlert, Berlin
K.-M. Schmidt, Geschäftsführer Anwaltsinstitut HU Berlin
Hier wird geforscht
Institut für freie Berufe Nürnberg-Erlangen
www.institut-fuer-freie-berufe.de
Soldan-Institut
www.soldaninstitut.de
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Anwaltsrecht
http://ifa.rewi.hu-berlin.de/
Universität Bielefeld
Institut für Anwalts- und Notarrecht
www.jura.uni-bielefeld.de/Lehrstuehle/Barton/
Institute_Projekte/Anwaltsinstitut/index.html
Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
Institut für Anwaltsrecht und Anwaltspraxis
www.arap.jura.uni-erlangen.de
Justus-Liebig-Universität Gießen
Institut f. anwaltsorientierte Juristenausbildung
www.uni-giessen.de/cms/iaj
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Institut für ausländisches und internationales
Privat- und Wirtschaftsrecht
www.ipr.uni-heidelberg.de
Universität zu Köln
Institut für Anwaltsrecht
www.institut-anwaltsrecht.de
Dokumentationszentrum für
Europäisches Anwalts- und Notarrecht, Köln
www.uni-koeln.de/jur-fak/dzeuanwr
Universität Leipzig
Institut für Anwaltsrecht
www.uni-leipzig.de/anwaltsinstitut
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Anwaltsrecht
www.anwaltsrecht.de
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsstelle Anwaltsrecht
www.anwaltsrecht.net
Universität Rostock
Institut für Anwaltsrecht
www.jura.uni-rostock.de/ifa
Universität des Saarlandes
Institut für Anwaltsrecht (Starterzentrum)
www.uni-saarland.de/de/fakultaeten/fak1/rewifak
ADVOICE 02/10
7
Thema
Recht im Abseits
Der Rechtsbegriff am Fall des FC Carl Zeiss Jena, der in der 3. Liga bleiben muss
Dass da was nicht stimmt, muss sogar den Heidenheimern selbst aufgefallen sein – im Verlauf der
Saison fragten sie nämlich vorsichtshalber mal
beim Verband nach, wie viele Verwarnungen der
betreffende Spieler denn nun eigentlich auf seinem
Konto habe. Die Fußball-Oberen hielten sich an die
Spielberichte (woran auch sonst?) – und nannten
prompt die falsche Zahl.
Großes Hin und Her, offizieller Jenaer Protest,
Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht. Resultat:
Es zählt nur der Spielberichtsbogen, Videomaterial
ist nach FIFA-Regeln als Beweismaterial nicht
zugelassen, Protest abgeschmettert, Spielwertung
bleibt bestehen. „Fuß-ball-ma-fia D-F-B!!!“
Wo bleibt die Gerechtigkeit?
Martin Klarer, der Stein des Anstoßes, hätte eigentlich beim Spiel gegen den FC Carl Zeiss Jena gesperrt sein sollen.
„Fuß-ball-ma-fia D-F-B!!! Fuß-ball-ma-fia
D-F-B!!!“ Die Zuschauer in Jena sind sauer. So
richtig bedient. Am letzten Spieltag der 3. Liga
verliert der FC Carl Zeiss zu Hause, kommt in der
Abschlusstabelle auf Platz 5. Aber nicht der
müde Kick der thüringischen Rasentreter ist der
Grund für das öffentliche Ärgernis. Nein –
Fußball-Jena fühlt sich betrogen um die Chance
zum Aufstieg in die 2. Bundesliga. Betrogen
vom Verband höchstselbst.
Zwei Wochen zuvor hat der Traditionsclub schon
einmal verloren – gegen den 1. FC Heidenheim. Fans
fiel danach auf, dass ein Heidenheimer Spieler gar
nicht hätte auflaufen dürfen, da er in der vorangegangenen Partie seine zehnte Gelbe Karte
kassiert hatte und damit automatisch gesperrt
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ADVOICE 02/10
Die Empörung der Jenaer Fans – sie ist genauso
gut nachzuvollziehen wie der Urteilsspruch des
DFB-Sportgerichts. Irgendwie haben sie ja beide
recht. Nur ein Beispiel von vielen für die Schwierigkeiten, die sich zuweilen auftun im Umgang mit
Begriffen wie „Recht“, „Gerechtigkeit“, „Schuld“.
Was hat hier mehr Gültigkeit – der Buchstabe des
Gesetzes (in diesem Fall der DFB-Statuten) oder das
verletzte Gerechtigkeitsempfinden der Betroffenen? War es nun rechtens, dass Heidenheim
gewann unter Einsatz eines Spielers, der nach
Faktenlage eigentlich gar nicht hätte antreten
dürfen? Traf den Club wirklich keine Schuld, nachdem der DFB ihm (unwissentlich) eine falsche
Auskunft gab? Und wo bleibt eigentlich die Gerechtigkeit, wenn der Verband selbst mal was verbockt?
gewesen wäre. Hätte Heidenheim den Spieler tatsächlich schuldhaft regelwidrig eingesetzt – die
Jenaer Niederlage hätte in einen Sieg „am grünen
Tisch“ umgewandelt werden müssen, und der FC
Carl Zeiss wäre weiter dicke drin gewesen im Auf stiegsrennen. Alles nachzulesen im Regelwerk des
DFB.
»Die normative Kraft des Gesetzes
muss die Wissenschaft (und mit ihr
der Mensch) erst selbst herstellen –
und schafft damit doch immer nur
eine Annäherung an eine umfassende
Regelung zahlloser Einzelfälle.«
Stimmt aber alles gar nicht, sagte der. Der betreffende Spieler war erst neunmal verwarnt wor den, zumindest laut den offiziellen Spielberichtsbögen. Einer davon ist aber fehlerhaft, entgegneten
die Jenaer. In einer Partie der Hinrunde habe der
Spieler eine Gelbe gesehen, die der Schiedsrichter
im Spielbericht versehentlich einem anderen Spieler zugeordnet habe. Das sei durch Videoaufnahmen klar zu belegen.
Zugleich illustriert diese – im Rückblick eher amüsante – Randnotiz aus dem Reich des Profifußballs
das Grundproblem der Rechtswissenschaft: Die
normative Kraft des Gesetzes muss die Wissenschaft (und mit ihr der Mensch) erst selbst
herstellen – und schafft damit doch immer nur
eine Annäherung an eine umfassende Regelung
zahlloser Einzelfälle. Das ist der wesentliche Unter-
Thema
schied aller Geisteswissenschaften zu den empirischen Disziplinen der Sozial- oder der Naturwissenschaften. Deren Gesetze sind quasi a priori
existent – unabhängig davon, ob irgendjemand sie
schon einmal entdeckt und formuliert hat oder
nicht. Selbst wenn Archimedes vor über 2000
Jahren nicht den statischen Auftrieb („Heureka!“)
beschrieben hätte, wäre er doch vorhanden – und
mit ihm die daraus resultierenden Konsequenzen:
Dem Schiff, das auf dem Ozean schwimmt, ist der
große Grieche reichlich egal.
Eigene Gesetze
Demgegenüber genau umgekehrt – nicht deduktiv,
also vom vorhandenen Gesetz zur Beschreibung
des Sachverhalts, sondern induktiv, also vom zu
regelnden Sachverhalt zum Gesetz – funktioniert
die Rechtswissenschaft. Der Mensch muss sich
seine eigenen Gesetze und die damit verbundenen
Konsequenzen erst mühsam schaffen – und die
Basis dafür scheint eher dünn.
»In vielen dieser Ausdrücke schwingt
in der Wortbedeutung für „recht“
unterschwellig auch die Konnotation
„richtig“ mit.«
Sicher: Man mag vermuten, dass es so etwas wie
ein dem Menschen grundsätzlich innewohnendes
Rechtsverständnis durchaus gibt. Allein ein Blick in
den deutschen Wortschatz liefert Ansatzpunkte
dafür: Da ist ein Mensch „rechtschaffen“, etwas ist
„recht und billig“, da ist einer „rechtzeitig“ am
„rechten Ort“, findet das „rechte Maß“, und deshalb
„hat er recht“. In vielen dieser Ausdrücke schwingt
in der Wortbedeutung für „recht“ unterschwellig
auch die Konnotation „richtig“ mit. Zwar haben
beide Wörter trotz ihrer Ähnlichkeit keinen gemeinsamen Ursprung – dennoch scheint es eine
gedankliche Verbindung zu geben. Etwas, das
„recht“ ist, ist irgendwie auch „richtig“.
„Richtig“ und „falsch“
Die konkrete Umsetzung solcher eher im Bereich
moralischen Empfindens denn rationaler Erkenntnis angesiedelter Maßstäbe in konkrete, objektiv
greifbare Normen und Gesetze aber – das ist und
bleibt vor allem menschliches Handwerk, das einen
immer fortwährenden Diskurs darüber erfordert,
wie der Mensch ein möglichst gedeihliches Zusammenleben erreichen kann.
»... zeigt, dass Recht, Gerechtigkeit,
Schuld und Strafe vor allem eines
sind: ein gesellschaftliches und damit
menschliches Konstrukt.«
Und dass es mit naturgegebenen Leitlinien oder
gar Wahrheiten darüber, was „richtig“ ist und was
„falsch“, nicht so weit her sein kann, weiß jeder, der
schon einmal in Norwegen in eine Radarfalle
gerast ist und bei Zahlung des entsprechenden
Bußgeldes das Gefühl hatte, damit allein den
norwegischen Staatshaushalt zu sanieren.
Will sagen: Allein die Existenz bisweilen krass voneinander abweichender Normen und (bei deren
Übertretung) Konsequenzen in unterschiedlichen
Rechtssystemen zeigt, dass Recht, Gerechtigkeit,
Schuld und Strafe vor allem eines sind: ein gesellschaftliches und damit menschliches Konstrukt.
Sportgerichte mussten die Frage der gelben Karte klären.
Was für die Rechtswissenschaft nichts anderes bedeutet, als sich weniger als dogmatische (Er-)Gründerin von Wahrheit zu verstehen, sondern vor
allem als pragmatische Gestalterin von Lebenswelt.
Folglich bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als wie
eine Art Sisyphos immer und immer wieder Rück schau zu halten auf das, was Gesetz war und ist; zu
korrigieren, was offenkundig nicht funktioniert
und zu bewahren, was allgemeiner Konsens geworden ist – und ganz nebenbei vielleicht auch ein
Stückweit schlauer zu werden darüber, wie wir
Menschen eigentlich ticken.
Womit dann auch wieder dem eigentlichen Anspruch von Wissenschaft, nämlich Wissen und
Erkenntnis zu mehren, Genüge getan wäre.
Erlegt die Rechtswissenschaft sich ein solches
Selbstverständnis auf, dann erwächst daraus sogar
die Chance, ein Rechtsvakuum wie im eingangs erwähnten – zugegeben eher trivialen – Fall nicht als
Hindernis oder verstörenden Widerspruch zu begreifen, sondern als Möglichkeit, gestaltend einzugreifen in das Gemeinwohl.
Den Fans des FC Carl Zeiss Jena allerdings, die nun
ein weiteres Jahr Burghausen statt Berlin erleben,
wird das freilich ziemlich schnuppe sein.
Journalist Sascha Mönch, Weimar
Fotos: Sascha Fromm
Und allein die Tatsache, dass unsere Sprache sich
zuweilen auf etwas bezieht, das in einem gewissen
absoluten Sinne „richtig“ sein soll, verführt zu der
Annahme, es gebe in jedem Menschen so etwas
wie einen Kompass, der uns sagt, was richtig ist
und was falsch – und damit, was Recht ist und was
nicht. Und schon sind wir mittendrin in der
schönsten Rechtsphilosophie ... Die kennt zum
Beispiel den Begriff des Naturrechts, der einige
Schnittmengen bildet mit einem hypothetischen,
uns qua Geburt gegebenen Rechtsverständnis.
Demnach sei der Mensch mit einer ganzen Reihe
vorstaatlicher „unveräußerlicher“ Rechte ausgestattet, etwa dem Recht auf Leben oder körperliche
Unversehrtheit – etwas, das wohl jeder Mensch
dem Grunde nach erst einmal „richtig“ findet.
ADVOICE 02/10
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Thema
Zeitreise in die Vergangenheit
Wo man Menschen, Ahnen und Schuldner finden kann
Die verflossene Liebe, Schulfreunde oder zahlungsunwillige Schuldner, wozu auch Ex-Mandanten gehören können.
Das Internet findet sie fast alle, wenn man es
richtig anpackt. Schwerer ist die Suche nach
entfernten Verwandten, Ahnen und Urahnen.
Fotos in Schuhkartons auf dem Speicher und
vergilbte Schriftstücke in Sütterlinschrift zeigen
anschaulich, wie unsere Urgroßeltern gelebt
haben und die Welt damals aussah.
Die Reise in die Vergangenheit sollte in der Gegenwart beginnen, und zwar bei sich selbst. Welche
wichtigen Ereignisse gab es in meinem Leben und
was kann durch Urkunden belegt werden?
Ein Diktiergerät oder ein Notebook mit Webcam
sind bei Gesprächen mit Familienangehörigen und
Verwandten hilfreich. Fotos werden eingescannt
und wieder zurückgegeben.
Oft sogar als Freeware erhältliche GenealogieProgramme erleichtern die optische Gestaltung
und den Ausdruck von Stammbäumen.
Standesämter
Die nächste Anlaufstelle bei Lücken im Stammbaum sind Standesämter. Dort kann man bei
Nachweis eines rechtlichen Interesses auch über
verschwundene Schuldner Auskünfte einholen.
Private Familienforscher erhalten Akteneinsicht,
wenn ein Verwandtschaftverhältnis besteht oder
bei Geburts- oder Heiratseinträgen nach dem Tod
der gesuchten Person mehr als 30 Jahre vergangen
sind. Örtlich zuständig ist die Gemeindeverwaltung
am Geburts-, Heirats- oder Sterbeort.
Kirchenbücher & Foren
Eine weitere wichtige Fundquelle sind - gerade für
die Zeit vor Einführung von Standesämtern im Jahr
1876 – die Kirchenbücher der Pfarreien, wo Geburten, Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle
erfasst wurden, sofern die Dokumente nicht im
Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) verbrannt oder
in späteren Kriegswirren vernichtet wurden. Die
Kirchenbücher lagern heute meist in regionalen
Kirchenarchiven und sind meist mikroverfilmt. Oft
kann man wesentliche Teile der Archivbestände
auch über das Internet einsehen. Eine weltweite
Linkliste findet man unter www.archivschule.de. Als
Einsteiger wird man ohne Unterstützung von Profis
stundenlang und meist vergeblich suchen oder an
fehlenden Lateinkenntnissen scheitern. Deswegen
sollte man Kontakte zu Familienforschern knüpfen.
In fast jeder größeren Stadt gibt es Stammtischtreffen. Die Hilfsbereitschaft dort ist riesengroß.
Dort findet man dann auch Profis wie den Erbenermittler und Genealogen Sascha Ziegler aus OberMörlen. Für ihn ist „das Internet ist ein wertvoller
Helfer, wenn man Kontakte zu anderen Familienforschern nicht nur aus der eigenen Region sucht.“
Er gründete bereits 1998 das Genealogie-Onlineportal www.ahnenforschung.net, das heute zu den
Marktführern zählt.
Internet & Nachlassgerichte
Ob gesuchte Personen verstorben sind, kann man
oft schon über www.familienanzeigen.org herausfinden, wo Genealogen Todesanzeigen (und andere
Familienanzeigen) aus Tageszeitungen sammeln
und in einer Datenbank frei zugänglich veröffent-
Dachböden sind heute längst nicht mehr die einzige Fundquelle für Ahnenforscher und Personensucher. Virtuelle Bibliotheken und das Internet haben den Suchradius enorm vergrößert.
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ADVOICE 02/10
Fotos: 1) Scan_pixelio.de 2) Henrik-G.Vogel_pixelio.de
Thema
lichen. Eine offizielle Auskunft erhält man aber nur
über das Nachlassgericht am letzten Wohnort des
mutmaßlich Verstorbenen.
Bei einem unbekannten Aufenthalt sollte man bei
dem Standesamt am Geburtsort nachfragen. Bei
einem Wegzug aus Deutschland helfen oft auch
internationale Telefonverzeichnisse weiter, wie z. B.
www.infobel.com/de/world.
Öffentliche Bibliotheken
Zeitsparende Literaturrecherchen sind auch über
die Internetkataloge Öffentlicher Bibliotheken
(Online Public Access Catalogues OPAC) möglich.
Der Karlsruher Virtuelle Katalog ist ein MetaKatalog zum Nachweis von mehr als 500 Millionen
Büchern und Zeitschriften in Bibliotheks- und
Buchhandelskatalogen weltweit (www.ubka.unikarlsruhe.de/kvk.html). Gegebenenfalls kann man
auch den kostenpflichtigen Dokumenten-Lieferdienst Subito (www.subito-doc.de) nutzen.
Wer trägt eigentlich sonst noch meinen Geburtsnamen und wo leben Vorfahren oder auch Schuldner mit einem bestimmten Nachnamen? Hierfür ist
eine interssante weltweite Übersichtskarte unter
www.publicprofiler.org/worldnames abrufbar.
Computergenealogie
Die größte Website in Deutschland zum Thema
Genalogie betreibt der in der Hansestadt Bremen
ansässige Verein für Computergenealogie e. V.
(www.genealogienetz.de bzw. www.genelaogy.net).
Das wikipedia-ähnliche Genalogie-Projekt GenWiki
http://wiki-de.genealogy.net kommt bereits auf
rund 100.000 Artikel, weitere Projekte sind die
Online-Bibliothek DigiBib und eine Mailingliste.
www.ahnenforschung.net
Forum zu Fragen der Genealogie
Der Verein ist auch Herausgeber der Zeitschrift
„Ahnenforschung – Ein Ratgeber für Einsteiger und
Fortgeschrittene“ (4. Auflage 2010 ISBN 978-3937504-42-1, € 9,80). In dem Heft werden die
ersten Schritte einprägsam erklärt.
http://wiki-de.genealogy.net/
Kategorie:Genealogiesoftware
Übersicht zu (Freeware-)Programmen zur Erstellung von Stammbäumen
Wer in das Leben seiner Verwandten und Familienangehörigen eintaucht, merkt oft, dass der Beruf
alles war und die Familie wenig zählte. Der Dank
sind dann Grabsteininschriften wie z. B. „Arbeit war
sein Leben. In Gedenken Ehefrau und Kinder.“
Spannen Sie trotz Umsatzdruck und Fristenstress
aus und erholen Sie sich. Nur so bringt man morgen
Topleistung. Niemand ist später einmal stolz, der
reichste Mensch auf dem Friedhof zu sein.
RA Martin Lang, München
Verifizierte Daten für Deutschland findet man je doch unter http://christoph.stoepel.net/geogen
oder www.verwandt.de/karten
www.cyndislist.com
Sites on the Internet
www.verwandt.de
Stammbäume und Familienkommunikation
www.historicum.net/
lehren-lernen/archiveinfuehrung/einleitung
Gebrauchsanleitung für Archive
www.bundesarchiv.de
Ziviles und militärische Archivgut des Bundes
und seiner Vorgänger
www.nachlassdatenbank.de
www.archivschule.de/service/
archive-im-internet/archive-im-internet.html
Fachhochschule für Archivwesen mit weltweiter
Archivliste
www.verwandt.de/karten
www.publicprofiler.org/worldnames
http://christoph.stoepel.net/geogen
www.gen-evolu.de
Nachnamen in Deutschland und weltweit
1/2/3/4
www.grass-gis.de/bibliotheken
Wissenschaftliche Bibliothekskataloge aus dem
deutschsprachigen Raum, Wörterbücher, Lexika,
Tageszeitungsarchive und Bücher im Volltext
www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html
Meta-Katalog zum Nachweis von mehr als 500
Millionen Büchern und Zeitschriften
http://catalog.loc.gov
USA: "The Library of Congress Online Catalog
contains approximately 14 million records representing books, serials, computer files, manuscripts, cartographic materials, music, sound
recordings, and visual materials."
www.infobel.com/de/world
Weltweites Linkverzeichnis von Telefondatenbanken im Internet
http://gov.genealogy.net
Genealogisches Ortsverzeichnis
Zusammengestellt von RA Martin Lang, München
3) hermann_pixelio.de 4) Scan_pixelio.de
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Thema
Geheimwaffe Privatgutachten
Privat beauftragte Gutachten zwingen Gerichte zur Auseinandersetzung
Sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der
Durchführung eines Bauprozesses spielen Privatgutachten eine wichtige Rolle. Fundierte technische Ausführungen, die sich der Jurist als
technischer Laie nicht selbst erarbeiten kann,
helfen bei der Formulierung von (Gegen-)Forderungen sowie der Risikoeinschätzung. Ein Privatgutachten kann auch dabei helfen, dass sich das
Gericht mit einem gerichtlich eingeholten Gutachten kritisch auseinandersetzen muss.
Ein Bauprozess ohne gerichtliches Sachverständigengutachten ist kaum vorstellbar. Die Erfahrung
zeigt, dass das Gericht, sobald es auf den Kern
der – zugegebenermaßen in technischer Hinsicht
manchmal durchaus komplizierten – Sache zusteuert, sich schnell „zurücklehnt“ und dann verlauten lässt, dazu könne es ohnehin nichts sagen, es
brauche ein Sachverständigengutachten. Sobald
dieses dann vorliegt, folgt das Gericht in der Regel
den Ausführungen des Sachverständigen und beweist insofern Konsequenz. Es konnte zuvor keine
Sachkompetenz aufweisen, so dass es willkürlich
erscheinen und auch schwer fallen würde, zu begründen, warum man den technischen Ausführungen nun nicht folgen wolle. Wer also den
Sachverständigen auf „seiner Seite“ hat, hat den
Prozess meist bereits gewonnen.
»Andernfalls – so führt der Bundesgerichtshof aus – werde der Anspruch
auf rechtliches Gehör der das Privatgutachten vorlegenden Partei verletzt.«
BGH Beschluss vom 27.01.2010, VII ZR 97/08
Ist das wirklich so? Die Möglichkeiten, die das Gesetz
vorsieht, auf ein Gerichtsgutachten zu reagieren,
helfen in der Regel nicht weiter, sondern verzögern
lediglich den Prozess. Die nachträglichen Angriffe
durch Nachfragen und die Einholung eines Ergänzungsgutachtens sind erfahrungsgemäß nicht geeignet, das Gerichtsgutachten zu erschüttern. Auch
Befangenheitsanträge bleiben in der Regel wirkungslos. Der Rechtsanwalt muss vielmehr bereits
im Vorfeld eines Gerichtsgutachtens tätig werden,
indem er versucht, auf den Beweisbeschluss Einfluss
zu nehmen und darf sich beispielsweise nicht entgehen lassen, eine Gegenvorstellung zu formulieren.
Hier zeigt sich der Vorteil eines selbständigen Beweisverfahrens, da dieses dem Rechtsanwalt ermöglicht, die Beweisfragen selbst vorzugeben und das
Beweisthema sowie dessen Umfang zu bestimmen.
Was kann helfen?
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Dem Gerichtsgutachten kann ein Privatgutachten
gegenübergestellt werden. Damit lassen sich nicht
immer Prozesse gewinnen, es kann aber zu einer
kritischen Auseinandersetzung mit dem Gerichtsgutachten führen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dem gerichtlich beauftragten Sachverständigengutachten ein in substantiierter Weise
widersprechendes Privatgutachten entgegengesetzt
wird. Das Gericht ist aufgrund aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom
27.01.2010, VII ZR 97/08) dann gezwungen, die
Streitpunkte mit dem Gerichtssachverständigen zu
erörtern und seine Abwägung und Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten in den Entscheidungsgründen zu belegen. Andernfalls – so führt
der Bundesgerichtshof aus – werde der Anspruch
auf rechtliches Gehör der das Privatgutachten vorlegenden Partei verletzt.
Was sollte beachtet werden? Der Unterschied zum
Gerichtsgutachten ist, dass das Privatgutachten auf
einem von einer Partei einseitig erteilten privatrechtlichen Auftrag beruht, weshalb Bedenken gegen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des
Privatgutachters naheliegen können. Allein aus der
privatrechtlichen Beauftragung und Vergütungspflicht heraus lässt sich eine Befangenheit des
Privatgutachters nicht begründen und auch nicht
die Annahme eines entsprechenden „Gefälligkeitsgutachtens“ rechtfertigen. Das Interesse der Partei,
die ein Privatgutachten in Auftrag gibt, muss darin
liegen, ein Gutachten zu erhalten, das einer Überprüfung und kritischen Auseinandersetzung in
jedem Falle standhält. Dies sollte, auch wenn es
sich um Selbstverständliches handelt, bei einer Auftragserteilung nachweislich zum Ausdruck gebracht
werden.
»Das Interesse der Partei, die ein
Privatgutachten in Auftrag gibt,
muss darin liegen, ein Gutachten
zu erhalten, das einer Überprüfung
und kritischen Auseinandersetzung
in jedem Falle standhält.«
Damit das Privatgutachten dem Gerichtsgutachten
erfolgreich gegenübergestellt werden kann und
entsprechende Berücksichtung bzw. Verwertung
findet, sollte bei der Auswahl des Privatgutachters
darauf geachtet werden, dass dieser die erforderliche Neutralität und die gleichen fachlichen
Qualifikationen wie der Gerichtsgutachter aufweist.
Es sollte sich beispielsweise ebenfalls um einen
öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit dem richtigen Bestellungsgebiet handeln.
Vorteilhaft ist, dass die Partei sich den Spezialisten
selbst auswählen kann. Den gutachterlichen Feststellungen sollte außerdem ein Ortstermin zugrunde liegen. Der inhaltliche Aufbau, die Form und der
Umfang des Privatgutachtens müssen mit dem des
Gerichtsgutachtens vergleichbar sein. Wichtig ist
vor allem, dass die kritischen Punkte, denen widersprochen werden soll, von dem Privatgutachter
dargestellt und diesbezüglich genaue Ausführungen gemacht werden.
Bereits in den Jahren zuvor ergingen vergleichbare
Entscheidungen auch von anderen Senaten des
Bundesgerichtshofes. So beschloss der 6. Zivilsenat
(Beschluss vom 18.05.2009, VI ZR 57/08), die Auf hebung und Zurückweisung mit der Begründung,
auch ein erst in der Berufungsinstanz vorgelegtes
und dem Gerichtsgutachten widersprechendes Privatgutachten könne nicht ohne Weiteres als unbeachtlich abgetan werden.
Mit Urteil vom 24.09.2008 (IV ZR 250/06) entschied
der 4. Zivilsenat, dass das Instanzgericht einem Gerichtsgutachter gegenüber einem widersprechenden
Privatgutachter nicht den Vorzug geben dürfe, ohne
dass es seine Entscheidung einleuchtend und nachvollziehbar begründe. Widersprüche müsse es im
Zweifel aufklären lassen.
Das Gericht kann das Privatgutachten also nicht als
„nur qualifizierten Parteivortrag“ bezeichnen und
bei seiner Entscheidungsfindung unberücksichtigt
lassen. Damit ist auch bei einem ungünstigen
Gerichtsgutachten noch nicht alles verloren und die
Bedeutung von Privatgutachten wiederholt durch
die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts hofes gestärkt.
»Auch wenn das Privatgutachten
auf einem privatrechtlichen
Auftrag beruht, so verbleiben die
dafür angefallenen Kosten nicht
zwangsläufig beim Auftraggeber.«
Wer trägt die Kosten? Auch wenn das Privatgutachten auf einem privatrechtlichen Auftrag beruht,
so verbleiben die dafür angefallenen Kosten nicht
zwangsläufig beim Auftraggeber. Vorgerichtliche
Sachverständigenkosten sind nicht nur als Scha densersatz einklagbar, sondern als Kosten des
Thema
Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig. Dies setzt voraus, dass das Privatgutachten gezielt zur Vorbereitung des Prozesses
eingeholt und auch im Prozess verwendet wurde
(vgl. BGH, Beschluss vom 04.03.2008, VI ZB 72/06).
Kommt es erst im Laufe eines Prozesses zu der
Beauftragung eines Privatgutachtens, gelten strengere Maßstäbe und es erfolgt nur ausnahmsweise
eine Kostenerstattung nach § 91 Abs. 1 ZPO. Da die
Beweisnahme grundsätzlich nur im Rahmen gerichtlicher Beweisanordnungen stattfindet, kann
eine einzelne Partei nicht ohne weiteres Dispositionen treffen, deren Kosten sie später einem anderen auferlegt sehen will. Die Einholung eines
Privatgutachtens muss daher zwingend notwendig
sein und den Prozessverlauf zugunsten der das
Privatgutachten beauftragenden Partei positiv
beeinflusst haben (OLG Bamberg, Beschluss vom
10.01.2008, 4 W 148/07).
Ist das Privatgutachten also die Lösung aller Probleme? Nein. Auch die Vorlage eines Privatgutachtens führt meistens nicht dazu, dass das Gerichtsgutachten erschüttert wird und die Entscheidung des Gerichts zugunsten der Partei ergeht.
Lassen sich die Zweifel auch bei kritischer Auseinandersetzung des Gerichts mit den widersprechenden Ausführungen des Privatgutachtens nicht
beseitigen, beauftragt das Gericht ein neues Gutachten nach § 412 ZPO, das womöglich eine dritte
Meinung kundtut. Der Gerichtsgutachter wird seine
Ausführungen jedenfalls bis zuletzt verteidigen.
Wirklich sinnvoll ist das Privatgutachten, um eine
Beweislage zu schaffen, aufgrund derer die Ersatzvornahme angeordnet werden kann. Das Bauvorhaben wird zeitnah vorangebracht und die Kosten
in einem sich anschließenden Prozess geltend
gemacht oder zur Aufrechnung gestellt. Neben dem
schriftlichen Gutachten, das vorgelegt werden
kann, steht dann auch der Privatgutachter als
sachverständiger Zeuge zur Verfügung. Das Privatgutachten ist außerdem sehr hilfreich, um ein
selbständiges Beweisverfahren vorzubereiten, bei
dem der Rechtsanwalt den Beweisbeschluss im
Vorfeld formulieren kann.
RAin Lena Rath, Frankfurt/Main
Nachschub
Sachverständigenkosten für vorgerichtliche
Privatgutachten können als Schaden ersetz bar sein, wenn das Gutachten gezielt zur
Vorbereitung des Prozesses eingeholt und im
Prozess auch verwendet wurde vgl. BGH,
Beschluss vom 04.03.2008, VI ZB 72/066
Pfusch am Bau ist häufiger Grund für die Beauftragung von Privatgutachten.
Foto: Thomas Max Müller_pixelio.de
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Thema
Recht im Säulendiagramm
Rechtstatsachenforschung der Uni Jena immer gefragter
Die Forschungsergebnisse des Instituts für Rechtstatsachenforschung an der Uni Jena werden inzwischen international angefragt. Professor Dr. Walter Bayer ist Leiter des Instituts.
Befragungsstudien, Stichproben, Regressionsanalysen, Signifikanztests – all das verbindet
man nicht zwangsläufig mit der Rechtswissenschaft. Stehen hier doch normalerweise nicht
das Messen, sondern das Ermessen und das Abwägen im Mittelpunkt. Juristen betrachten in
der Regel den konkreten Einzelfall und richten
ihren Blick weniger auf eine ganze Gruppe von
Rechtssubjekten. Rechtspolitische Diskussionen
gar finden oft fernab von empirischen Belegen
statt. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit.
Mit der Rechtstatsachenforschung halten Mittelwert und Median, Varianz und Signifikanz sowie
Kreis-, Balken- oder Säulendiagramm Einzug in die
rechtspolitische Diskussion. Ziel der Rechtstatsa chenforschung ist es, die Folgen bestehender oder
veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen in der
Rechtswirklichkeit empirisch zu untersuchen, so wie
an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, am
Institut für Rechtstatsachenforschung zum Deutschen und Europäischen Unternehmensrecht von
Prof. Dr. Walter Bayer.
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Die Arbeit seines Institutes ist in Deutschenland
einmalig: „Empirische Forschung im Recht ist nicht
neu. Doch bisher fand sie nur punktuell in einzelnen
Dissertationen statt. Wir jedoch erheben regelmäßig
und kontinuierlich Daten und werten sie aus.“ Zu
recht klingt ein wenig Stolz mit in diesen Worten
des Institutsleiters. Die Ergebnisse der Jenaer
Rechtstatsachenforschung geben Impulse und
Argumentationshilfen für rechtspolitische Diskussionen, versorgen Gesetzgeber, Rechtswissenschaft
und Rechtspraxis mit aussagekräftigem statistischem Material. Das klingt sehr theoretisch, hat
aber ganz konkreten praktischen Nutzen.
Ein Beispiel
In jüngster Zeit standen in Jena neben aktien-, mitbestimmungs- und kapitalmarktrechtlichen Untersuchungen vor allem empirische Arbeiten zum
GmbH-Recht im Fokus. Das verwundert nicht, wurde doch im Jahre 2008 mit dem MoMiG (Gesetz zur
Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Be-
1
kämpfung von Missbräuchen) die größte Reform
der Rechtsform GmbH seit Inkrafttreten des GmbHGesetzes im Jahre 1892 vollzogen. Ziel der MoMiG
war es, die GmbH gegenüber ausländischen Rechtsformen, insbesondere gegenüber der britischen
Limited, konkurrenzfähiger zu machen. Deutsche
Unternehmensgründer griffen für ihre inländischen
Geschäftsaktivitäten nämlich mehr und mehr auf
Limiteds zurück, da hier weitaus geringere Anforderungen im Hinblick auf die Gründungsformalien
und die Aufbringung des erforderlichen Mindeststammkapitals galten. Die Rechtsprechung des
EuGH zur Niederlassungsfreiheit („Centros“, „Überseering“, „Inspire Art“) setzte einen regelrechten
Boom vom Limiteds mit deutschem Gründungshintergrund in Gang. Inwieweit Unternehmensgründer die Limited als Rechtsformalternative zur GmbH
wahrnahmen und welchen Stellenwert diese ausländische Rechtsform bei Gründungsüberlegungen
in Deutschland einnahm, untersuchte eine breit angelegte Befragungsstudie des Instituts für Rechtstatsachenforschung aus dem Jahre 2007 (Bayer/
Hoffmann, GmbH-Rundschau 2007, S. 414 ff.).
Thema
Forschungsgegenstand waren auch die in die rechtspolitische Diskussion mit eingebrachten Reformvorschläge zur Attraktivitätssteigerung der GmbH
gegenüber der Limited.
»Empirische Forschung im Recht
ist nicht neu. Doch bisher fand
sie nur punktuell in einzelnen
Dissertationen statt.«
Prof. Dr. Walter Bayer
Dazu untersuchte das Jenaer Institut empirisch u. a.
die Komplexität der Satzungsgestaltungen und die
Gesellschafterstrukturen bei früheren GmbHGründungen. So ließen sich Rückschlüsse über die
Sinnhaftigkeit einer im Regierungsentwurf zum
MoMiG vorgesehenen „Mustersatzung“ für GmbHGründungen gewinnen.
„Wir haben z. B. vor der Möglichkeit einer Gesellschaftsgründung per Mustersatzung gewarnt“, erinnert sich Prof. Bayer. Politisch sei etwas anderes
gewollt gewesen, aber man habe „die Kurve“ ja
noch bekommen. Zwar ist nunmehr eine Gründung
durch ein so genanntes „Musterprotokoll“ möglich,
eine notarielle Form wurde aber zumindest festgeschrieben.
»Wir haben z. B. vor der Möglichkeit
einer Gesellschaftsgründung per
Mustersatzung gewarnt.«
Prof. Dr. Walter Bayer
„Einfluss auf ein Gesetz können wir am ehesten auf
der Ebene des Referentenentwurfes nehmen. Ist der
erst einmal im Rechtsausschuss, spielen eher politische Fragen eine Rolle.“ Die allerdings stünden
für die Rechtstatsachenforschung eher nicht im
Vordergrund. „Wir beschäftigen uns mit den Fakten“, erklärt Prof. Bayer.
Kein Ende bei Gesetzeserlass
Von Anfang an, seit dem Inkrafttreten des MoMiG
zum 01.11.2008, verfolgte das Jenaer Institut für
Rechtstatsachenforschung die Resonanz der Unternehmenspraxis auf die Gesetzesnovelle. Erst wö chentlich, dann im monatlichen Abstand, maßen
und messen die Wissenschaftler, in welchem Um fang Unternehmensgründer von der neuen Unter nehmergesellschaft Gebrauch gemacht haben. Die
stets aktualisierten Zahlen sind zu finden unter
http://www.rewi.uni-jena.de/Forschungsprojekt_
Unternehmergesellschaft.html
Die ermittelten Zahlen und Fakten zeigten schnell,
dass die Unternehmergesellschaft weit erfolgreicher aufgenommen wurde, als zunächst gedacht.
Bereits eineinhalb Jahre nach Einführung dieser
Fotos: 1, 2) Anke Schiller-Mönch
neuen Rechtsformvariante existierten schon rund
30.000 derartiger Rechtsträger in Deutschland.
Doch nicht nur die reinen Gründungszahlen, auch
die Art und Weise der Gründung, die Verbreitung
des Musterprotokolls, die Gründungsdauer und besondere Auffälligkeiten im Gründungsprozess
wurden erfasst und ausgewertet.
Das Institut für
Rechtstatsachenforschung
in Jena
Anlässlich des ersten Geburtstages des MoMiG
legte das Jenaer Institut die Studie „Ein Jahr MoMiG
in der Unternehmenspraxis. Rechtstatsachen zu
Unternehmergesellschaft, Musterprotokoll, genehmigtes Kapital“ (Bayer/Hoffmann/Lieder, GmbHRundschau 2010, S. 9 ff.) vor. Das darin vorgestellte
Zahlenmaterial liefert ein wichtiges Feedback an
den Gesetzgeber und zeigt augenscheinlich die
unmittelbaren Folgen der Reform des GmbHGesetzes auf.
»Die ermittelten Zahlen und Fakten
zeigten schnell, dass die Unternehmergesellschaft weit erfolgreicher aufgenommen wurde, als zunächst gedacht.«
Prof. Dr. Walter Bayer
Diese Ergebnisse stoßen in Politik und Wirtschaft
auf großes Interesse. Dennoch: „Wir forschen in
erster Linie aus Eigeninteresse. Ich schätze in 90
Prozent der Fälle ist das so. 10 Prozent unserer
Forschungsarbeit basiert auf Anfragen von außen“,
weiß Prof. Dr. Walter Bayer.
Eine dieser konkreten Nachfragen kam im vergang enen Frühjahr. „Man wollte wissen, wie sich die
neue Transparenz in den Gehältern der Vorstände
widerspiegelt.“ Das Ergebnis war nicht das, was die
per Gesetz eingeführte Transparenz der Gehälter
eigentlich bezwecken wollte. „Statt weniger, bekommen Vorstände im Durchschnitt nun mehr
Gehalt“, fasst Bayer das Ergebnis zusammen.
„Dennoch ist Transparenz wichtig. Und das neueste
Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung geht in die richtige Richtung.“
Auch wenn die externen Nachfragen und die damit
verbundenen finanziellen Mittel nur zögerlich kommen, dass in Jena zu den Auswirkungen eines ge planten oder bereits erlassenem Gesetz geforscht
wird, hat sich herum gesprochen, auch im Ausland.
Namentlich Österreich interessiert sich für das
Rechtstatsachenmaterial zur Unternehmergesellschaft und fragt immer wieder beim Institut nach
den neuesten Entwicklungen.
In der Alpenrepublik erwägt man ebenfalls eine
Novelle des GmbH-Gesetzes. Da kann ein Blick auf
die rechtstatsächlichen Entwicklungen in Deutsch land ganz hilfreich sein.
Friedrich-Schiller-Uni in Jena
2
Seit 2005 wird in Jena am Institut für Rechtstatsachenforschung zum Deutschen und Europäischen Unternehmensrecht Forschung auf
unternehmensrechtlichem Gebiet betrieben –
und dies interdisziplinär. Das Institut an der
Jenaer Friedrich-Schiller Universität wird geleitet
von Prof. Dr. Walter Bayer.
Nicht nur Juristen, sondern auch Wirtschaftswissenschaftler sind an den Projekten des Instituts beteiligt. Der souveräne Umgang mit großen
Zahlenkolonnen und Statistiksoftware sowie die
Programmierung von Datenbanken gehören am
Institut ebenso zur Tagesordnung wie die Auseinandersetzung mit Paragraphen und Urteilstexten. Bisher sind in Jena ein knappes Dutzend
rechtstatsächlich ausgerichtete Dissertationsschriften entstanden. Empirisch angelegte Auftragsstudien, wie für das Bundesministerium der
Justiz oder die Hans-Böckler-Stiftung, fanden
bereits ihren Abschluss. Fast einhundert kürzere
und längere Publikationen des Instituts erschienen im Laufe der letzten fünf Jahre.
Thomas Hoffmann, FSU Jena und
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
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Thema
Zahlensalat Forschung
zusammengestellt von RA Tobias Sommer, Berlin
Die allerwahrste Wahrheit aus dem Zahlenmaterial zum Thema Forschung:
Trend zur Promotion, mehr Uni-Personal pro Kopf, hoher Ausländeranteil • Mit mehr als 2
Millionen stellen Studierende einen ganz schön großen Anteil der Bevölkerung. Warum
gibt es eigentlich keine Studentenpartei? Gut 4 % studieren Jura. • Auf einen JuraProfessor kommen etwa 65 Studenten. Die Quote pro Kopf bei abgeschlossenen
Promotionen liegt bei 1,3. • Ganz schön viele schnuppern mal in Jura rein und bleiben dann
auf der Strecke. Der hohen Zahl von Studienanfängern an Unis im Jahr 2008 von mehr als
12.000 stehen weniger als 8.000 Absolventen gegenüber. • Etwa jeder 10. Jurist hat promo -
viert. • Viele Nichtdeutsche beginnen, Jura zu studieren. Anteil der Nichtdeutschen, die
Jurastudium beginnen: fast 20 %. • Es gibt viel weniger (mehr als 20 %) Jura-Studierende
als vor 10 Jahren. • Verlagerung auf Fachhochschulen: Es gibt mehr 1. Fach- als Hochschulsemester.
Ist das ein Indiz für (noch) weniger Wissenschaftlichkeit und Forschung?
•
Echte, rechtswissen-
schaftliche Forschung betreiben in Deutschland geschätzt gerade mal 4000-5000 Leute. Also Professoren
und Doktoranden, bereinigt um die Zahl der Doktoranden, die nicht wirklich forschen und die Professoren,
die nur Lehren, jedoch ergänzt um ehemalige Professoren und Doktoranden, die noch irgendwie an ihren
• Im Verhältnis zu den Absolventenzahlen promovieren mehr
Nichtdeutsche im Fach Rechtswissenschaften. • DIE ZAHL DER PROMOTIONEN STEIGT IMMER WEITER AN,
Themen weiterarbeiten.
OBWOHL DIE ZAHL DER JURABSOLVENTEN SINKT, D.H. MEHR ABSOLVENTEN ALS FRÜHER PROMOVIEREN.
Forschung in Zahlen zum Thema Rechtswissenschaft: Juristische Fakultäten an
deutschen Hochschulen: 47 / Österreich: 5 / Schweiz: 9 • Hochschulpersonal Rechtswissenschaften: 10.889 (1998: 7812) / Davon hauptberuflich 2008: 4.308 / Hauptberufliches
Hochschulpersonal 2008 für Verwaltungswissenschaft: 1.268 / Hauptberufliches Hochschulpersonal 2008 für Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften: 47.698 • Davon Profes -
soren: 1.328 (1998: 1.100)• Studierende Rechtswissenschaft 2008:
86.210 (1998: 110.366) • PROMOTIONEN 2008: 1.736 (1998: 1.439)• Masterabschlüsse 2008:
286 • Davon Deutsche: 105 • Zahl der Promotionen 1973-2008 (ohne DDR): 36.492 • Zahl
der bestandenen juristischen Prüfungen 1973-2008 (ohne DDR): 347.555 • Quote:
10,5% •
Anwaltsinstitute an juristischen Fakultäten: 12 • Anwaltsinstitute, die nicht an einer juristischen
Fakultät angegliedert sind: 1 • Durchschnittliche Semesterzahl eines Jurastudiums: 9 • 2/3
beenden
ihr Studium im 8. oder 9. Semester, etwa 5 % sind schneller •
Studierende im Wintersemester 2009/2010 insgesamt: 2.119.485 • Studienanfänger 2009: 422.705 • Wissenschaftliches und künstlerisches Personal 2008: 274.769
• Studienanfänger Rewi 2008 im 1. Hochschulsemester:
12.846 • davon Deutsche: 10.343 / im 1. Fachsemester: 16.398 • Zahl derer, die im Jahr 2008 erfolgreich ein
juristisches Staatsexamen abgelegt haben: 1. Examen: 7.865 (1998: 12.153) / 2.
Examen: 8.345 (1998: 10.397) • Zahl der Referendare am 01.01.2009: 17.764 (ohne Schleswig-
Holstein) • Zahl der Referendare, die 2008 eingestellt wurden: 7.757
16
ADVOICE 02/10
ZS E O
R
N
MINARE
Juristische Fachseminare
FACHANWALTSLEHRGÄNGE
STRAFRECHT & VERKEHRSRECHT
✔
✔
✔
✔
✔
✔
10 % Sonderrabatt für Mitglieder Forum Junge Anwälte
Hochqualifizierte und erfahrene Referenten
Kleine Arbeitsgruppen – hohe Effizienz
Tagungsgetränke sowie Kaffeepausen mit Snacks
3 Klausuren á 5 Stunden - zeitnah nach fünf Lehrgangstagen
intensive Klausurvorbereitung
1.590
1.390
1.790
250
€
€
€
€
zzgl.
zzgl.
zzgl.
zzgl.
MwSt.
MwSt.
MwSt.
MwSt.
-
RAe bis 3 Jahre nach Zulassung / Examen
Referendare
Rechtsanwälte
3 Klausuren
Termine Strafrecht
16. Fachlehrgang Stuttgart
18. Fachlehrgang Düsseldorf
20. Fachlehrgang Dortmund
17.06.10 – 11.12.10
11.11.10 – 09.04.11
08.09.11 – 10.12.11
17. Fachlehrgang Hannover
19. Fachlehrgang Berlin
21. Fachlehrgang Hannover
26.08.10 – 18.12.10
10.02.11 – 18.06.11
03.11.11 – 31.03.12
Termine Verkehrsrecht
9. Fachlehrgang Dortmund
08.09.11 – 10.12.11
10. Fachlehrgang Hannover
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Thema
Ganz oben
Dr. Matthias Siegmann ist Anwalt am BGH und vermisst das Reisen
In roter Robe auf rotem Teppich. Dr. Matthias Siegmann ist seit 2007 Anwalt am BHG.
Anwälte können heute bundesweit prozessieren,
vor allen Gerichten – fast allen. Wer dagegen
als Anwalt vor dem BGH in Zivilsachen auftreten
will, kann sich nicht einfach eine rotbraune
Robe kaufen und loslegen. Er muss gesondert
zugelassen werden. So sehen es §§ 782 Abs. 1 S,
3 ZPO, 162 ff BRAO vor. Immer dann, wenn der
BGH es für notwendig erachtet, dass es neuer
Anwälte mit BGH-Zulassung bedarf, kommt das
Ernennungsverfahren in Gang. So war es auch
im Herbst 2004. Da unterrichtete der Präsident
des BGH die Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer und der Rechtsanwaltskammer am
BGH, dass er beabsichtige, den entsprechenden
Wahlausschuss einzuberufen, um ihm die Neuwahl von Rechtsanwälten vorzuschlagen, und
bat um Vorschlagslisten.
Auf der Liste der Bundesrechtsanwaltskammer
stand auch Dr. Matthias Siegmann. Was nun folgte,
waren Gespräche mit den so genannten Erst- und
Zweitberichterstattern, das Vorlegen von Arbeitsproben und langes Warten. Warten darauf, ob und
– wenn ja – an welcher Stelle der Vorschlagsliste er
stehen wird. Der Wahlausschuss setzte 14 Anwärter
auf die Liste und meinte: Sieben neue BGH-Anwälte
sollten zugelassen werden. Dr. Siegmann hatten sie
auf Nummer acht platziert. Ein weiterer Kollege
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ADVOICE 02/10
hatte es gar nicht auf die Liste geschafft. Beide
wehrten sich (unabhängig voneinander), ließen das
Auswahlverfahren höchstrichterlich überprüfen.
Das Ergebnis: Dr. Siegmann war (noch) nicht
beschwert, da der abschließende Entscheidungsträger, das Bundesjustizministerium, ihn (noch)
nicht abgelehnt habe. Und übrigens sei das Bundesjustizministerium weder an die Anzahl der laut
Wahlausschuss benötigten Anwälte noch an die
Reihenfolge, sprich: den Listenplatz, gebunden. Davon machte das Ministerium dann auch Gebrauch,
benannte alle 13 verbliebenen Anwälte. Einer hatte
zwischenzeitlich seine Bewerbung zurückgezogen.
So wurden schließlich im Frühjahr 2007 dreizehn
neue Anwälte zum BGH zugelassen. Dr. Matthias
Siegmann war dabei, erfuhr von seiner Wahl Ende
April 2007 per Fax.
Seither fallen in seine Zuständigkeit BGH-Streitigkeiten. Und das sind nicht nur spektakuläre große
Fälle, mit denen sich Rechtsgeschichte schreiben
lässt: „Ein erheblicher Bruchteil der Fälle hat einen
Streitwert unter 1.000 €. Da sind Insolvenzsachen,
Betreuungssachen und Abschiebehaftsachen dabei“,
berichtet Dr. Siegmann. Und für manche sei das ein
Grund, sich dann doch nicht für die Zulassung beim
BGH zu bewerben.
Fotos: Sascha Mönch
BGH als Revisionsinstanz
Der BGH ist in erster Linie Revisionsinstanz. Hier
wird wissenschaftlich argumentiert, werden Grundsatzentscheidungen getroffen, wird das Recht fortgebildet. Das erfordert besondere Kenntnisse, womit sich letztendlich auch der erlauchte Kreis der
BGH-Anwältinnen und -Anwälte begründet. Wer
einmal BGH-Anwalt ist, tritt ausschließlich vor dem
BGH, den anderen Obersten Gerichtshöfen des
Bundes, dem Gemeinsamen Senat der Obersten
Gerichtshöfe, dem Bundesverfassungsgericht sowie
zwischenstaatlichen Gerichten (z. B. dem Europäischen Gerichtshof) auf.
Materiell-rechtlich sind BGH-Anwälte breit aufgestellt, entgegen dem Trend der Spezialisierung der
Anwaltschaft. „Ja, das wird durchaus kritisiert. Aber
ich arbeite ja nicht im luftleeren Raum, sondern auf
Basis der Gerichtsakten. Und das materiell rechtliche Spezialwissen haben die Instanzanwälte.“ Die
sind, jedenfalls bei Dr. Siegmann, mit Abgabe des
Mandates nicht außen vor: „Ich spreche meine
Schriftsätze mit den Instanzkollegen durch“, beschreibt Dr. Siegmann den Umgang mit den
Kollegen und ist sich nicht zu schade, Änderungsvorschläge zu übernehmen. Seine Fälle bekommt er
sehr oft durch Empfehlung gerade jener Instanzanwälte, die ihn kennen.
Thema
Nicht international zuständig
Auch der Fall, der letztendlich in der BGH-Entscheidung VI ZR 23/09 (GRUR 2010, 461 ff) mündete,
war eine solche Empfehlung. Eine Kölner Kanzlei
klingelte bei Dr. Siegmann an: „Ich hab’ einen interessanten Fall – haben Sie Lust?“
Der russische, in Deutschland lebende Kläger ging
gegen die Verlegerin der New York Times vor. Stein
des Anstoßes war ein Artikel, der ihn als „Goldschmuggler“ und „Täter einer Unterschlagung“ bezeichnete, dessen Unternehmen laut amerikanischen und deutschen Ermittlungsbehörden Teil der
russischen Kriminalität sei.
Weiter ging es in dem Artikel um vermeintliche
Verbindungen des Klägers zum organisierten Verbrechen in Russland. Der Bericht war im OnlineArchiv der New York Times weltweit abrufbar. Die
beiden Vorinstanzen hatten die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit verneint.
Ja, Rechtsanwalt beim BGH Dr. Siegmann hatte
Lust, diesen Fall zu übernehmen. Nun folgte das,
was üblicherweise folgt: Er ließ sich zunächst die
beiden vorinstanzlichen Urteile schicken, auf dessen
Grundlage er das Rechtsmittel, eine Nichtzulassungsbeschwerde, einlegte: „Die Akten fordere ich
nicht selbst bei den Instanzgerichten an. Das macht
auf entsprechenden Antrag der BGH und schickt sie
mir dann zu.“ Ich bin erstaunt. Aber so ist das.
BGH-Anwälte müssen ihre Kanzlei in Karlsruhe haben.
Hoffen auf eine Idee
Bevor es zu einer ersten Entscheidung über das
Rechtsmittel kommt, nämlich, ob die Revision zugelassen wird, vergehen Monate: „Ich habe einen
Monat Frist, das Rechtsmittel einzulegen, dann einen weiteren Monat gesetzliche Begründungsfrist
und üblicherweise wird die um weitere zwei Monate
verlängert.“ Dr. Siegmann überlegt kurz: „Dann
hoffen Sie, dass Sie eine Idee haben.“ Er lacht. Im Fall
des Artikels der New York Times im Internet gab es
zur internationalen Zuständigkeit bis dato keine
höchstrichterliche Entscheidung, aber unterschiedliche OLG-Rechtsprechung. Damit sah der BGH
grundsätzliche Bedeutung und ließ die Revision zu.
Die hatte schließlich Erfolg und Dr. Siegmann an der
Rechtsfortbildung mitgewirkt, auch wenn das für
ihn, wie er sagt, nur ein Nebenaspekt ist: „Primär bin
ich Interessenvertreter meines Mandanten.“
Obwohl – sein Mandant war es ja nicht von Anfang
an. Er tritt ja immer erst in der obersten Instanz in
den Ring. Dann, wenn andere Kollegen bereits den
Sachverhalt gestaltet und den Prozess geführt haben. Er lässt das in seiner Instanz immer nur überprüfen. „Ja, das Gestaltende fehlt schon. Dafür habe
ich oft sehr interessante Themen und mache Bekanntschaft mit interessanten und besonderen
Menschen“, resümiert Dr. Siegmann und fügt hinzu:
„Ich hab ein wenig Ausgleich, da ich auch beratend
tätig bin.“ Er überlegt kurz: „ Ganz ehrlich? Was mir
wirklich fehlt, ist das Reisen.“ Dennoch – bereut habe
er die Annahme des Mandats als BGH-Anwalt nicht.
Gericht & Richter nicht neu
Seine erste Verhandlung in der rotbraunen Robe
hatte er zwei Wochen nach seiner Ernennung. Ganz
neu waren ihm weder Gerichtssaal noch Richter.
Bereits seit 1999 war er regelmäßig auch in
mündlichen Verhandlungen vor dem BGH zugegen,
hatte als amtlich bestellter Vertreter eines Kollegen
in Verfahren mitgewirkt. Und nicht zuletzt war auch
sein eigenes Verfahren um die Ernennung nicht
ganz unbemerkt geblieben. So war an diesem ersten
Verhandlungstag als Rechtsanwalt am BGH viel
Vertrautes dabei.
Dr. Siegmann erinnert sich noch sehr gut an die
Verhandlung: „Der Vorsitzende führte aus, dass das
Berufungsurteil falsch sei, da der geltend gemachte
Anspruch bestünde. Dann meinte er: „Das ist der
Teil, der Herrn Siegmann gefallen wird. Und nun
kommt der andere Teil: Der Anspruch ist verjährt.’“
Dr. Siegmann trägt’s mit Fassung. Der Kollege aus
den Vorinstanzen sei leicht blass geworden, meint
sich Dr. Siegmann zu erinnern, weiß aber: „Natürlich
kommt es vor, dass einem der Senat zeigt, was man
hätte besser machen können. Aber im Nachhinein
ist man immer schlauer. So ein Fall entwickelt sich,
Gegebenheiten verändern sich oder sind unterschiedlich zu beurteilen. Das heißt ja nicht, dass der
vorinstanzliche Anwalt einen Fehler gemacht hätte.“
Und schließlich sei so mancher Senat immer für
eine Überraschung gut.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Fotos: Sascha Mönch
ADVOICE 02/10
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Thema
Ignorantia non est argumentum
Die schönsten lateinischen Imponier-Sprüche für die mündliche Verhandlung
Spätestens wenn der Richter die „exceptio
praesentiae mandatorum“ erklärt, darf es kein
Halten mehr geben: Ring frei für die Anwälte,
um vor den mit zum Termin angereisten Mandanten zu posen, was das Zeug hält.
Richter (und Juristen ganz allgemein) nicht rechnen
könnten. Vielmehr ist gemeint, dass für die Richter
nicht die schiere Zahl der Argumente entscheidend
ist. Sondern, dass es vielmehr auf die juristische
Qualität des einzelnen Arguments ankommt.
non est in actis non est in mundo”. Gegenstand der
gerichtlichen Entscheidung ist nur (oder besser:
sollte laut ZPO nur sein), was die Parteien schriftsätzlich vorgetragen oder zu Protokoll gegeben
haben.
Ob diese prozessleitende Maßnahme, deren Erfindung einem Richter am Arbeitsgericht Hamm nachgesagt wird, jemals in die ZPO Einzug halten wird,
muss bezweifelt werden. Schaden kann es aber in
keinem Fall, das Arsenal anwaltlichen Imponiergehabes mit ein paar lateinischen Sentenzen aufzurüsten. Wir haben in den Tiefen einer fast 3.000jährigen Rechtstradition geforscht, um – gewissermaßen mundgerecht für den heutigen Gebrauch –
einige Stücke zu präsentieren, die es ermöglichen
sollen, dem eigenen Plädoyer einen Hauch von
Cicero zu verleihen.
„Ignorantia iuris nocet“ meint eigentlich, dass Unkenntnis des Verbotsgesetzes nicht vor Strafe
schützt. Lässt sich aber auch als freundlicher Hinweis an die Gegenseite verwenden, sich doch bitte
zunächst mit der geltenden Rechtslage vertraut zu
machen. Auf jeden Fall gibt es für diesen Satz mehr
Snob-Punkte als für ein schlicht-deutsches „Wer
lesen kann, ist klar im Vorteil!“
Wenn aber auch tausend Worte die Wirkung des
unmittelbaren Eindrucks nicht ersetzen können,
fordert man das Gericht zur Einnahme des Augenscheins auf: Überzeugen Sie sich selbst – „nulla est
maior probatio quam evidentia rei”.
Für Anfänger und zum Warmlaufen ist die „conditio
sine qua non“, die nicht wegzudenkende Bedingung, die vermutlich jedermann noch aus der
Deliktsrechtvorlesung bekannt ist. Gleiches gilt für
„Pacta sunt servanda“. Dass Verträge einzuhalten
sind, scheint eine Binsenweisheit zu sein. Doch
machen gerade die zahlreichen tatsächlichen und
vermeintlichen Ausnahmen zu dieser Regel einen
Großteil der Arbeit der zivilrechtlich tätigen Anwälte
aus. Vorsicht ist geboten bei der Verwendung von
„Iudex non calculat“. Es geht nicht darum, dass
Wenn nun die Gegenseite glaubt, das Urteil des
Gerichts vorweg nehmen zu müssen, ist lässig ein
„Iura novit curia“ anzubringen, um in Erinnerung
zu bringen, dass immer noch das Gericht für die
Urteilsfindung zuständig ist. Geprägt worden ist
der Satz allerdings in dem Sinn, dass das Gericht
das Recht kennt und anwaltlicher Rechtsvortrag
daher nicht erforderlich ist. Soweit die Theorie.
Erste Aufgabe des Anwalts ist es sicher, den entscheidenden Tatsachenvortrag zu bringen, damit
das Gericht die – vom Anwalt selbstverständlich
vorher erkannte, einzig mögliche – Rechtsfolge
ausspricht: „da mihi facta, dabo tibi ius“. Denn
schließlich gilt jedenfalls im Zivilprozess: „Quod
Schön wie ein Pfau: Mit lateinischen Sentenzen wird der Auftritt in der mündlichen Verhandlung zum unvergesslichen Erlebnis.
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ADVOICE 02/10
Wo wir schon bei der Beweisaufnahme sind: Immer
wieder gibt es Zeugen und vor allem Sachverständige, die sich nicht auf ihre Wahrnehmungen zur
Sache beschränken wollen, sondern sich zu rechtlichen Einschätzungen berufen fühlen. Das „Anti dotum“ hierfür lautet: „testis non est iudicare!“
Wenn die Gegenseite (oder auch das Gericht) sich
in tollkühnen Versuchen der Rechtsfortbildung
ergeht, sei als Gegenmittel ein kühles „a verbis legis
non est recendum” empfohlen, um das juristische
Expertengespräch wieder auf den Wortlaut des
Gesetzestextes zurückzuführen.
Dem verbreiteten Irrtum, aus nichtamtlichen Überschriften der Paragraphen (etwa im BGB) einen
rechtlichen Gehalt ableiten zu können, begegnet
man am besten mit „rubrica legis non est lex”.
Thema
Wo allerdings allzu kleinkariertes Kleben am Wortlaut des Gesetzes das im Sinne des eigenen Mandanten für recht und billig Erkannte zu beeinträchtigen droht, erkläre man selbstbewusst: „Scire
leges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac
potestatem”. Der Rückgriff auf den (selbst erkannten) Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift
eröffnet weite Räume schöpferischer Rechtsfindung.
Poser-Latein – Die Übersetzung
Ignorantia non est argumentum – Unwissenheit ist kein Argument
Exceptio praesentiae mandantorum – soll heißen: Ausnahme der Anwesenheit der Mandanten
Conditio sine qua non – Bedingung, ohne die nicht
Und wo man sich der Gegenseite ohnehin in allen
Belangen überlegen und des Sieges gewiss fühlt,
garniere man den eigenen Vortrag mit einem
ironischen „Id fieri potest, ut fallar” – Mag sein,
dass ich mich täusche!
Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten.
Wir haben Cicero versprochen. Hier kommt Cicero:
„Legibus idcirco omnes servimus ut liberi esse
possimus“ – Den Gesetzen gehorchen wir nur deswegen, um frei sein zu können (Cicero, pro Cluentio 53, 146).
Die Stunde des Pathos ist angebrochen, und so
schicken wir gleich noch hinterher: „Idem ius
omnibus“ (Gleiches Recht für alle) und „Aliis ne
feceris, quod tibi fieri non vis”, denn: Was du nicht
willst, dass man dir tu, das füg auch keinem
anderen zu!
Iura novit curia – Das Gericht kennt das Recht.
Wem es mit dem lateinischem Blendwerk zu bunt
wird, der rufe aus: „Situs vilate inis et avernit!“
Bevor jetzt die Lateiner unter den FORUMsKollegen
sich verzweifelt in ihren (oder von ihrem) Kleinen
Stowasser stürzen, geben wir die Auflösung. Die
setzt allerdings eine gewisse Vertrautheit mit dem
rheinischen Sprachgebrauch voraus: Si(eh)t us wi(e)
Latein, is et aver nit!
A verbis legis non est recendum – Von den Worten des Gesetzes gibt es kein Abweichen.
RA Percy Ehlert, Berlin
Iudex non calculat – Der Richter rechnet nicht.
Ignorantia iuris nocet – Rechtsunkenntnis schadet.
Da mihi facta, dabo tibi ius – Gib mir die Tatsachen, ich werde dir das Recht geben.
Quod non est in actis non est in mundo – Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt.
Nulla est maior probatio quam evidentia rei – Es gibt keinen besseren Beweis als den Augenschein.
Antidotum – Gegengabe, Gegengift
Testis non est iudicare – Der Zeuge hat nicht zu urteilen.
Rubrica legis non est lex – Die Überschrift des Gesetzes ist nicht das Gesetz.
Scire leges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac potestatem – Die Gesetze zu kennen
heißt nicht, sich an ihren Wortlaut zu halten, sondern an ihren Sinn und Zweck (P. Iuventius Celsus).
Id fieri potest, ut fallar – Es kann sein, dass ich mich irre.
Aliis ne feceris, quod tibi fieri non vis – Tu anderen nicht, was du nicht willst, das dir geschehe.
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Fotos: 1) Herbert Pelika-pixelio.de 2) Pippa West_fotolia.com 3) Tobias Sommer
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ADVOICE 02/10
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Thema
Von Willkür, Macht und Männern
Eine Nachhilfestunde in Rechtsethik
Der Jurist im Allgemeinen und Speziellen tut sich
schwer mit dem Begriff der Rechtsethik. Hat er
doch gelernt, Gesetze, die ihm in die Hand gegeben werden, anzuwenden. Es ist ihm noch
nicht einmal übel zu nehmen, bedenkt man, dass
philosophische Fragestellungen, die rechtliches
Handeln durchleuchten und reflektieren, schon
an den Unis ein eher stiefmütterliches Dasein
fristen.
Hier täte gewiss Nachhilfe Not, denn die Gesetzesväter (es waren im Schwerpunkt Männer, was als
historische Fehlentwicklung gedeutet werden mag)
haben nämliche Rechtsethik zur Grundlage ihrer
Rechtsetzung gemacht.
Ein Blick in Nachschlagwerke wie Craifields, Brockhaus und Deutsches Rechtslexikon sorgt für Über raschung: Rechtsethik ist keinem Herausgeber ein
eigenes Kapitel wert. Hat der Studenten-Mainstream also Recht, wenn er diesen nicht examensrelevanten Vorlesungen gleich von Anfang an
fernbleibt? Nein, denn – zu früh gefreut! – will
Rechtsethik als Unterdisziplin der Rechtsphilosophie verstanden werden.
Erneutes Blättern in Enzyklopädien fördert Erfreuliches zutage. So der Brockhaus: „Wissenschaftszweig, der sowohl der Philosophie als auch der
Rechtswissenschaft sowie der Politikwissenschaft
zugeordnet werden kann und sich mit Ursprung,
Zweck und Struktur, Legitimation, gesellschaftlicher Rolle und Geltung eines Rechts befasst ...“
Ethik und Recht, zunächst wesensverschieden, fließen zusammen und werden in ein Bedingungsgefüge verwoben. Denn Recht als im objektiven Sinne
gemeinte Gesamtheit staatlich institutionalisierter
Regeln trifft auf die Vorstellung von einer sittlich
guten Lebensführung. Recht wird gewissermaßen
weiter determiniert. Das, was gemeinhin als Moral
bezeichnet wird, definiert Ethik, und zwar nicht auf
eine einzelne Lebensanschauung bezogen, sondern
auf die Summe aller Lebensentwürfe, die ein
menschliches Zusammenleben ermöglichen.
Ethik kann sowohl Lebensformen und Gewohnheiten beschreiben, so gesehen sie deskriptiv an setzt. Andererseits sie normativ, also vorschreibend
Aussagen zum menschlichen Handeln trifft. Auf
der Metaebene kann sie moralisches und unmoralisches Tun auf „richtig“ und „falsch“ analysieren und praktisch angewandt, kann sie sich mit
unterschiedlichen Handlungskontexten befassen.
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ADVOICE 02/10
Es gibt eine ganze Reihe von Berührungspunkten
zwischen juristischer Praxis und der Rechtsethik, die
in der thematischen Auseinandersetzung größeres
Verständnis für Normen und letztlich auch die daraus resultierende Rechtsprechung fördert.
Zivilrecht, § 138, 242 BGB
Echte Klassiker im Grundstudium Rechtswissenschaften sind die „Einfallstore“ der Verfassung,
nämlich jene Normen, die erst mit Grundgesetzbezug ausgefüllt werden. Bestens bekannt sind die
Paragraphen 138 und 242 BGB. Solche Rechtsgeschäfte sind nichtig, die gegen die guten Sitten
verstoßen, so § 138 Abs. 1 BGB. Leistungen sind in
der Weise zu erbringen, wie Treu und Glauben
mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern,
schreibt § 242 BGB vor.
Unbestimmte Rechtsbegriffe wie gute Sitten, Treue,
ja Glauben bedürfen der Erläuterung. Äußerst
hilfreich bei der Anwendung der Normen ist vorab
ein profundes Gespür für das, was „gut“ und was
„schlecht“ ist. Nach normativ ethischem Ansatz,
vereinfachend auf den Punkt gebracht, könnte der
Lehrsatz lauten: „Was Du nicht willst, das man Dir
tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Kantscher
Imperativgedanke ertönt in Reinform.
Der Blick in die juristischen Kurz-Kommentare zeigt,
wenn auch nur kursorisch, eine Verbindung über
verfassungsmäßige Grundsätze zu dem auf, was
gut, also ethisch vertretbar ist und was nicht. Daraus leitet sich ab, dass solche Rechtshandlungen
sittenwidrig werden, wenn sie das Anstandsgefühl
aller billig und gerecht Denkenden verletzen. So
sah es das Reichsgericht (RG 80, 221) und so sieht
es auch der Bundesgerichtshof (BGH NJW 2004,
2668/70) noch heute. Eine klare Konkretisierung
jedoch, was „richtig“ und was „falsch“ ist, kommt
damit nicht zum Ausdruck. Unter Zuhilfenahme
des im Grundgesetz verkörperten Wertesystems
werden derlei unbestimmte Rechtsbegriffe erst
handhabbarer gemacht. Die Motive, die sich hinter
den Grundgesetzartikeln verbergen, können schlussendlich nur dann vollends nachvollzogen und verstanden werden, wenn ein geschichtliches Gespür
aber auch eine ethische „Grundausbildung“ vorhanden sind.
Strafrecht
Anders als im Zivilrecht sind Strafrechtsnormen
deskriptiv klar und vermeiden jegliche Unschärfe.
Das resultiert aus verfassungsmäßigen Garantien
wie dem Analogieverbot zu Lasten des Täters und
dem Ausschluss der Rückwirkung. Dass Klarheit die
Freiheit beschränkenden Gesetze regiert, ist keine
Selbstverständlichkeit und geht unmittelbar auf
ethische Überlegungen zurück, nämlich auf jene,
die gleiche Teilhabe aller Menschen zum Inhalt
hatten. Soziale Ungleichheit aufgrund ständischer
Zugehörigkeit brachte Bürgern jahrhundertelang
ein völlig unberechenbares Strafsystem, in welchem Folter legitim und Strafmaß allein der regierenden Klasse Zeichen der Macht waren. Willkürabschaffung, Beendigung feudaler bzw. totalitärer
Strukturen und Hinwendung zu allgemeiner Gleichheit vor dem Gesetz sind ethisch-moralische Er rungenschaften der jüngeren Geschichte.
Völkerrecht
Über den Tellerrand der eigenen anwaltlichen Tätigkeit geschaut, offenbaren sich scheinbar fernliegende Rechtsthemen. Das Völkerrecht etwa tangiert
nur den vermeintlichen Kriegsverbrecher, supranational tätige Energiekonzerne oder Entwicklungshilfeorganisationen. Doch bereits bei der Festlegung
für weltweit geltende Humanstandards, in denen
die Politik in besonderem Maße gefordert ist, greifen ethische Maßstäbe, nämlich solche der angewandten Ethik. So wäre es glatt verfehlt, beispielsweise die Frage der Klimaerwärmung nur aus der
naturwissenschaftlichen Sicht zu betrachten. Darf
ein Land, dass „humanitär interveniert“ hat, wie
militärische Einsätze im UNO-Jargon bezeichnet
werden, im Nachhinein über Recht und Unrecht,
letztlich über die Konfliktparteien selbst richten?
Eine Problemstellung, die schon bei den Nürnberger
Prozessen (1945-1949) kontrovers besprochen
wurde und heute an Aktualität nichts eingebüßt
hat, was die Bildung von international agierenden
Gerichten in unserer Zeit verdeutlicht.
RA Patrick Ruppert, Köln
Preisausschreiben
Fachanwaltskurs zu gewinnen!
Mit Beitrag für die AdVoice zum FA-Kurs bei der DAA
Wir wollen
mit
Foto
ein
einer
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Geschichte
Bei der Wahl des Themas seid Ihr frei - ein gewisser Bezug auf das Leben als Anwalt sollte
aber erkennbar sein. Als Anregung können die Schwerpunkte der beiden nächsten Hefte
dienen: Alter (III/10) und Reviere (IV/10).
Das Bild brauchen wir in möglichst hoher Auflösung. Mit der Einsendung des Bildes erklärt
Ihr, über die Bildrechte zu verfügen und der Veröffentlichung in der AdVoice zuzustimmen.
Die Geschichte zum Bild darf sehr kurz, gerne aber auch eine kleine Reportage sein. Bei
etwa 8.000 Zeichen (einschließlich Leerzeichen) ist allerdings Schluss. Der Text darf
wissenschaftlich ambitioniert sein oder aus dem prallen Leben gegriffen oder einfach gut
erfunden. Der Preis wird unter allen ernstzunehmenden Einsendungen ausgelost.
Zu gewinnen ist ein Fachanwaltskurs der DeutscheAnwaltAkademie. Ort und Fachrichtung
kann der Gewinner im Rahmen der Verfügbarkeit des Angebots frei wählen.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Teilnahmeberechtigt sind Mitglieder des FORUM und alle, die jetzt schnell noch beitreten.
Bitte schickt Euren Beitrag an [email protected] | Einsendeschluss ist der 30. Juli 2010
Nach Möglichkeit werden sämtliche eingereichten Beiträge in der AdVoice veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor, die Beiträge zu bearbeiten.
> www.davforum.de
FORUM Junge Anwaltschaft
Thema
Denn das erste Plädoyer zählt
Über den „Ankereffekt“ im Strafprozess
In gerichtlichen Strafverfahren sieht es die
Strafprozessordnung vor, dass dem Angeklagten
das letzte Wort zukommt. Zumeist endet die
Erhebung aller Informationen für die Urteilsfindung des Richters mit dem Plädoyer des
Verteidigers, wenn der Angeklagte das Wort
nicht ergreift. Wie Untersuchungsreihen in der
Psychologie nunmehr belegen, beeinflusst eine
zuerst genannte Zahl, somit auch die geforderte
Strafhöhe eines Staatsanwalts, alle weiteren Ergebnisse maßgeblich. Dieses Phänomen wird als
Ankereffekt bezeichnet. Gerade für die Arbeit
von Strafverteidigern könnte die Beachtung
dieses Effektes von hoher Bedeutung sein.
In der sozialpsychologischen Grundlagenforschung
wird der Ankereffekt den sogenannten Urteilsheuristiken zugerechnet. Hinter Heuristik verbirgt sich
der Begriff, mit nur begrenztem Wissen und wenig
Zeit, praktikable Lösungen zu finden. Unter der
Ankerheuristik wird in der Kognitionspsychologie
wiederum jene Urteilsheuristik verstanden, bei der
sich das Urteil durch eine unbewusste mentale
Abkürzung an einem solchen Anker orientiert. Dieser
kann auch durchaus willkürlich gesetzt werden.
Konkret bedeutet dies, dass eine vorher gegebene
Information – hier in Form einer Zahl – zum
Ausgangspunkt für die weitere Einschätzung oder
auch Entscheidung gemacht und das Ergebnis an
diese Zahl angepasst wird. Grundsätzlich benötigen
Menschen Urteilsheuristiken, um in kurzer Zeit
Entscheidungen treffen zu können, insbesondere
wenn nur wenige Informationen vorliegen und das
Ergebnis noch nicht fest steht. Tatsächlich kann
dieser Ankereffekt zu Urteilsverzerrungen führen.
Forschungen dazu haben unter anderem die Wissenschaftler Tversky und Kahnemann betrieben und
im Jahr 2002 dafür den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten.
Mit der Wirkung dieses Ankereffektes in juristischen
Verfahren, gerichtlich und außergerichtlich, hat sich
auch die Sozial- und Rechtspsychologin Prof. Dr.
Birte Englich (Universität zu Köln) vertieft beschäf tigt und Resultate ihrer Arbeit auf dem 14. Media tions-Kongress zum Thema Empirie und Mediation
der Centrale für Mediation am 29./30. April 2010 in
Bonn vorgetragen.
Englich hat bereits eine Vielzahl von Studien und
Tests zu der Relevanz für Strafprozesse durchge führt. Im Rahmen ihrer Forschung ergab sich aus
der Analyse von Justizakten, dass es einen Zusam menhang zwischen der Forderung des Staatsan-
walts und dem richterlichen Urteil gibt, der auf den
Ankereffekt schließen lässt. Um dieser Hypothese
auf den Grund zu gehen, wurden in mehreren
Versuchsreihen Juristen jeweils ein strafrechtlicher
Fall vorgelegt, bei dem alle Probanden dieselben
Informationen erhielten – mit der Ausnahme von
unterschiedlichen Staatsanwaltsforderungen zur
Strafhöhe.
Englich vertritt die Auffassung, dass selbst bei einer
intensiven Aufklärung über den Ankereffekt dieser
nicht einfach überwunden werden könnte. Überlegenswert wäre, die Reihenfolge der Plädoyers
zugunsten des Angeklagten so zu verändern, dass
der Verteidiger das erste Wort hätte. Dies sei aber
letztlich eher eine politische denn eine juristische
Entscheidung.
Um die Komplexität zu steigern, wurde als fiktive
Straftat eine Vergewaltigung gewählt und zahlreiche schwierig zu bewertenden Zeugenaussagen
eingebracht. Die Versuchsteilnehmer sollten dann
ein Urteil fällen. Es zeigte sich, dass sich das Strafmaß bei den verschiedenen Testpersonen auffällig
an der jeweiligen Forderung der Staatsanwaltschaft
anlehnte.
Um dem Ankereffekt entgegen zu wirken, nütze
dass Wissen darum nicht allein. Stattdessen sei es
aber hilfreich, sich hinreichend mit Gegenargumenten zu beschäftigen. Dies wirke allerdings nicht
präventiv, sondern müsse nach der Nennung der
ersten Zahl statt finden. Dennoch – ganz lasse sich
diese Wirkung des Ankers nicht verhindern, so
Englich.
Bemerkenswerterweise kam es auch dann zu einem
solchen Resultat, als die Versuchspersonen die
staatsanwaltliche Forderung selbst erwürfeln mussten. Hierzu wurde ein Diebstahlsfall vorgegeben. Die
beiden Würfel waren vorher so verändert worden,
dass sie entweder eine Augenzahl von insgesamt 3
oder eine von 9 anzeigten. Die Versuchsteilnehmer
sollten zunächst einschätzen, ob sie das erwürfelte
Strafmaß für zu hoch, zu niedrig oder für
angemessen hielten und danach zu einem eigenen
Urteil kommen.
Die skizzierten Experimente zeigen einen kleinen
Ausschnitt aus der Forschung zum Ankereffekt.
Daraus lässt sich jedoch erahnen, dass es sich vor
allem für in der Strafrechtspflege tätige Rechtsanwälte lohnen dürfte, sich eingehend mit dem
Thema auseinanderzusetzen. Mandanten werden es
danken.
RAin Söhret Gök, Köln
Urteilsrisiko Ankereffekt. Foto: Dieter Kreikemeier_pixelio.de
Auch hier orientierte sich das so gefundene Strafmaß an der Zahl der erwürfelten Augen. Selbst als
die Teilnehmer bemerkten, dass die Würfel manipuliert worden waren, hatte dies dem Ankereffekt
keinen Abbruch getan. Englich unterstrich hierzu,
dass es bereits ausreichend sei, wenn irgendeine
Zahl in den Raum gestellt werde, über die einen
kurzen Augenblick nachgedacht würde.
In weiteren Versuchen, bei denen sich Verteidiger zu
dem Strafmaß äußern sollten, nachdem sie wiede rum eine – manipulierte – staatsanwaltliche Forde rung gehört hatten, war ebenfalls eine Verzerrung
durch den Ankereffekt beobachtet worden. Bei der
anschließenden Frage an die Verteidiger, welche
Verteidigungsstrategie sie verfolgt hätten, war
häufige Antwort: sie hätten versucht, das Beste für
den Mandanten herauszuholen oder es sei Ziel
gewesen, ein Gegengewicht zur Staatsanwaltsfor derung zu bilden. Bei umgekehrtem Versuchsaufbau
– der Verteidiger plädierte zuerst – war ein entsprechenden Ankereffekt sowohl beim Staatsanwalt
als auch beim Richter feststellbar – die Strafe im
Urteil orientierte sich am Verteidigervotum.
ADVOICE 02/10
25
Thema
Lob des Bauchgefühls
Kriminalistische Akribie alleine reicht nicht
Gefühl im Oberbauch: Kriminalistik und Kriminologie bieten feine wissenschaftliche Werkzeuge zur Aufklärung von Straftaten ...
War er‘s oder war er‘s nicht? Jedem von uns, der
schon einmal Strafsachen bearbeitet hat, schoss
so manches Mal diese eine Gretchenfrage durch
den Kopf. Entschuldigt bitte, dass ich bewusst
die Männerwelt als potentiellen Straftäter klassifiziere, aber nachweisbar ist der Anteil männlicher Straffälliger höher als der weiblicher.
Allerdings ist auf die wissenschaftlich erwiesene
Regel allein eben doch kein Verlass.
Auf einer Fortbildungsveranstaltung referierte ein
bekannter Detektiv, und der machte aus seiner
Meinung keinen Hehl, dass es ein Widerspruch in
sich sei, Juristen in Strafsachen verhandeln zu
lassen. Die seien nämlich weiter weg von Kriminologie oder gar Kriminalistik als der Mars von der
Erde. Was sollte das bedeuten? Hatte diese Ikone
der Kriminalistik völlig verkannt, dass Juristen sehr
wohl im Stande waren, einen Sachverhalt nicht nur
zu lesen, sondern auch tatsächlich zu durchdringen? An dem Lesen hatte er keinen Zweifel.
Große Bedenken hatte er hingegen bei dem
buchstäblichen Durchdringen des Sachverhaltes.
Seiner Meinung nach ist der Jurist dazu befähigt,
den Fall juristisch zu kategorisieren und das Kind
beim Namen zu nennen, nicht jedoch, den Tathergang zu rekonstruieren. Hierbei helfe vielmehr die
26
ADVOICE 02/10
Kriminologie als die Lehre vom Verbrechen sowie
die Kriminalistik weiter. Für all jene, die Kriminologie und Kriminalistik bisher für ein und dasselbe hielten, noch einmal kurz zur Erläuterung: Die
Kriminologie im klassischen Sinne dient der von
einem konkreten Fall losgelösten Erkenntnisgewinnung über die Ursachen und Erscheinungsformen von Kriminalität. Die Kriminalistik hingegen
befasst sich mit konkreten Fragestellungen der
Verbrechensprävention sowie der Bekämpfung und
Aufklärung von Straftaten.
Verbrechervisagen
Ins Leben gerufen wurde der Begriff der Kriminologie erstmals im Jahre 1876 von dem Mediziner
Cesare Lombroso. Zu jener Zeit veröffentlichte er
sein Werk „L‘ uomo delinquente“, zu deutsch „Der
Verbrecher“, in welchem er die These aufstellte,
Straffällige seien anhand physiologischer Merkmale
erkennbar. Doch diese Sichtweise ist glücklicherweise überholt. Man stelle sich vor, nur Dunkelhaarige mit buschigen Augenbrauen und eng zusammenstehenden Augen kämen als Täter in Betracht.
Was für eine Farce! Das Leben ist nicht in der Form
erfassbar, dass man sich den „0815-Fahrplan“ zum
Aufspüren von Tätern zugrunde legen kann.
Die verübte Tat ist vielmehr als ganz eigene, individuelle Tat zu bewerten, wobei wir sogleich bei
dem eingangs angesprochenen Bauchgefühl wären.
Hilfreich ist zunächst sicher, ein gewisses Grundraster abzuspulen, wenn man Strafsachen bearbeitet. Dazu gehören die folgenden Fragestellungen: Wer ist das Opfer, wer der vermeintliche
Täter, was ist passiert und welches ist das Motiv?
Bei dem Motiv liegt das Einfallstor für jenes Gefühl,
das sich im Bauch breit macht, wenn ich einen Fall
studiere bzw. meinen „ach so unschuldigen“ Mandanten vor mir sitzen sehe.
Wäre ich Kriminologin, so würde ich rein wissenschaftlich vorgehen: Man kreise den Täter ein,
indem man täter- und gesellschaftsorientiert vorgehe und zudem sogenannte multifaktorielle Ansätze berücksichtige. Der Kriminalist hingegen
zieht eine fertige Verbrechensmuster-Analyse aus
dem Hut. Hinsichtlich des dazugehörigen Täters
bezieht er die allgemeine Profilanalyse mit ein und
unterzieht das Zwischenergebnis sodann der aus
der Verbrechensbekämpfung stammenden Kontrollmethoden-Analyse. Das alles ist wissenschaftlich
fundiert, im Ergebnis sehr erfolgreich, allerdings
auch recht zeitaufwendig. Kurz gefasst ist die
Beantwortung der folgenden Fragen Gegenstand
der Tätigkeit der Kriminalisten: Wer? Wo? Wann?
Wen? Was? Wie? Womit? Warum?
Thema
Intuition für das „WARUM?“
Gerade das „Warum?“ kann oftmals helfen, kriminalistische Arbeit zu erleichtern bzw. abzukürzen.
Die Frage nach dem Motiv kann tiefe Einblicke in
die vorliegende Tat gewähren. Dazu benötigt die
Anwältin, deren Aufgabe es ist, den Mandanten so
effektiv wie möglich zu verteidigen bzw. dem Opfer
so gut es geht zu seinem Recht zu verhelfen, eine
große Portion an Menschenkenntnis und Fingerspitzengefühl. Diese Kompetenzen sind mindestens
bei zwei Gelegenheiten gefragt: beim Erstgespräch,
das meist kurz nach der dem Mandanten zur Last
gelegten Tat stattfindet. Und dann erneut in der
Hauptverhandlung vor Gericht.
Spätestens jetzt muss der Verteidiger zeigen, ob er
mehr kann als nur auf der juristischen Klaviatur zu
spielen. Wie glaubwürdig tritt mein Mandant als
Angeklagter auf? Welchen Eindruck machen die
Zeugen und wie oft wird der gleiche Inhalt ausgesagt? Treten Widersprüche oder sonstige Ungereimtheiten auf? Welche Beweismittel gibt es
noch? Passen diese zum Tatvorwurf? Erscheinen
diese plausibel?
Sicherlich wird es gerade in Fällen mit mehreren in
Betracht kommenden potentiellen Straftätern unter Schusswaffengebrauch in erster Linie auf Ballistiker ankommen, die rekonstruieren können, aus
welcher Waffe die tödliche Kugel stammte. Aber in
dem Gros der Fälle ist eine erste Intuition des
Strafverteidigers, die ihm sein Bauchgefühl suggeriert und sein Erfahrungsfundus im Laufe der
Tätigkeit am Fall oftmals bestätigt, völlig zutreffend. Die weiteren noch zu klärenden Umstände
eines Falles kann man über gezielte Fragetechniken
ermitteln unter Einbeziehung der Körpersprache
der befragten Personen.
2 Methoden, 1 Ergebnis
Der eingangs erwähnte Detektiv meinte, Juristen
ohne kriminalistische Vorbildung seien in der
Hauptverhandlung in Strafsachen allenfalls Statisten. Seine Arbeit schilderte er uns mit einem Fall, in
dem das vermeintliche Opfer mit beiden Armen an
das Bett gefesselt mit dem Fuß die Feuerwehr
angerufen hatte. Mein erster spontaner Gedanke,
ohne weiteres über den Fall gehört zu haben, war:
„Die Frau muss Akrobatin gewesen sein, wenn sie
ohne weiteres mit dem Fuß die Feuerwehr hat
rufen können, und dann noch in einem Zustand
nach Vergewaltigung.“ Nach dem Erleben einer
Straftat hat man schon ungefesselt unter Umständen große Probleme, überhaupt jemanden zu
alarmieren. Und dann sogleich mit dem Fuß zu
wählen, klingt zumindest sehr bemerkenswert. Und
genau das war die Schwachstelle des Falles, für
deren Ermittlung die Kriminalisten – in jenem Fall
der Detektiv – mehrere Wochen benötigt hatte, um
den Fall komplett zu rekonstruieren und die Unschuld des Angeklagten nachzuweisen.
... aber ohne Intutition angewendet, bleiben diese Werkzeuge im Unterbauch stumpf.
Man kann Straftaten wissenschaftlich auf den Grund
gehen und versuchen, jedes Detail zu rekonstruieren.
Doch ein Großteil dessen kann man bereits erahnen,
wenn man gewisse Fakten des Falles kennt und dazu
den Angeklagten bzw. die erschienenen Zeugen
buchstäblich unter die Lupe nimmt. Durch geschicktes Befragen der Betroffenen kann man dann dem
Gericht verdeutlichen, dass eine Aussage wenig
glaubhaft ist und der behauptete Sachverhalt
Widersprüche und Sprünge aufweist.
Gewusst wo’s steht!
Daher werde ich auch in Zukunft Strafsachen vor
Gericht verhandeln und halte an der Überzeugung
fest, dass wir Juristen zur gerechten Urteilsfindung
beitragen können. Schließlich sind wir durchaus imstande, bei Bedarf auch kriminologische und kriminalistische Fachliteratur zu bemühen. Da halte ich
es mit meinem früheren Klassenlehrer: „Man muss
nicht alles wissen. Man sollte allerdings wissen, wo
es steht.“ Das Wälzen dicker Bücher ist uns Juristen
ja durchaus vertraut. Aber mit gutem „Bauchgefühl“ können wir häufig darauf verzichten.
Kriminalistik und Kriminologie bieten feine wissenschaftliche Werkzeuge für die Aufklärung von
Straftaten – aber ohne Intuition und Bauchgefühl
angewendet, bleiben diese Werkzeuge stumpf.
RAin Elke Drouven, Berlin
Fotos: Andrea Vollmer
ADVOICE 02/10
27
Magazin
Zwischen Dojo und Gerichtssaal
Von den Lehren der fernöstlichen Kampfkünste zur anwaltlichen Verhandlung
Alles begann im Unisport 1996: Ohne an mein
Jurastudium zu denken, wollte ich eine Art der
Selbstverteidigung erlernen und geriet in den
Karate-Kurs für Anfänger. Das traditionelle
Dojo war die Sporthalle, der Sensei ein Mitstudent mit Dan-Graduierung.
Dort ging es gleich sehr ambitioniert zur Sache.
Vom Sensei wurde uns die japanische Etikette vermittelt, also die Verbeugung an der Eingangstür als
Zeichen des Respekts vor den Trainingspartnern,
das traditionelle Niederknien zu Beginn und Ende
des Trainings, die kurze Meditation sowie die Verbeugung vor den verstorbenen Meistern und vor
dem Sensei. Das Techniktraining, das meist an den
Anfang des Trainings gestellt wird, beinhaltete
damals wie heute genau festgelegte Fußstellungen,
Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen, eine exakt
vorgeschriebene Drehbewegung und verschiedene
Arm- und Beintechniken. Auch das Atmen ist genau zu timen, was alles zusammen unheimlich viel
Konzentration verlangt, den meisten aber wegen
der ästhetischen Bewegungen sehr viel Spaß macht.
Flug der Schwalbe
Die Bewegungen des Karate wurden lange Zeit
nicht aufgeschrieben und deshalb in festgelegten
Kata-Formen eingeübt, die nach didaktischen Prinzipien aufeinander aufbauen und nur an ausgewählte Schüler weitergegeben wurden. Sie tragen
Namen wie Halbmond (Hangetsu), Liebe und Güte
(Jion) oder Flug der Schwalbe (Empi). Die 24 KataFormen der Stilrichtung Shotokan-Karate sind auch
heute noch prinzipieller Bestandteil des KarateTrainings und Wettkampfbestandteil. Wie auch im
juristischen Studium oder in der Anwaltstätigkeit
wird dort die Perfektionierung jeder einzelnen
Technik hin zu einem stimmigen Gesamtablauf
angestrebt.
Wenn die Einzeltechniken von den Karatekas schon
einigermaßen beherrscht werden, beginnen die
Unterweisungen in den freien Kampf (Kumite), ein
bis heute trotz Schutzausrüstungen verletzungsanfälliger Bestandteil des Karate. Was man aber
darin über Finten, Ausweichbewegungen, überraschenden Gegenangriffen und Kampftaktik lernt,
ist beste Schulung in Verteidigung auch für den
Anwalt. Für jeden Kampf gilt – wie vor Gericht –
„Denke nicht ans Gewinnen, sondern ans NichtVerlieren“, weil Unbedachtheit und Nachlässigkeit
sofort vom Gegner ausgenützt werden könnten.
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ADVOICE 02/10
Nach einem kleinen Ausflug in den Judo-Sport
kehrte ich wieder zum Karate als dynamischen und
effektiven Kampfsport zurück. Dieser Sport wurde
in der Zeit der Examensvorbereitung auch immer
mehr zum Ausgleichssport für lange Stunden des
Selbststudiums und der Klausuren. Und auch das
Prinzip, sich über Gürtelprüfungen zu motivieren,
hatte bei mir gegriffen.
Ein Wochenendlehrgang in einem anderen Dojo,
das Vollkontaktkarate praktizierte, brachte mir als
Grüngurt neben unzähligen blauen Flecken jedoch
die Erkenntnis, dass Halbkontakt im Training auf
die Dauer gesünder ist. Nichtsdestotrotz war die
Mehrzahl der Trainierenden in jenem Dojo weiblich,
die mit unglaublicher Durchsetzungskraft, Ausdauer und Kondition kämpften und sportlich sehr
erfolgreich waren.
Beginn & Ende ist Respekt
Der spirituelle Hintergrund des Karates wurde von
besonders neugierigen Mitstreitern hinterbreitet:
Etwas ominös hieß es da, der verstorbene Meister
würde durch die noch lebenden Meistern zu uns
Schülern sprechen. Das klang jedenfalls exotisch,
umriss aber nur sehr verkürzt das Prinzip der Weitergabe des Karate an ausgewählte Schüler. Tatsächlich hat Meister Gichin Funakoshi, Wegbereiter
des modernen Karates, seine Prinzipien in 20 Regeln
nachvollziehbar aufgeschrieben, wovon die ersten
drei Regeln lauten: „Karate beginnt mit Respekt
und endet mit Respekt“, „Im Karate gibt es keinen
ersten Angriff“ und „Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit“.
Gerade diese Prinzipien decken sich mit der idealisierten Berufsauffassung eines Rechtsanwaltes.
Wenn es keinen Angriff wie im Karate gibt, muss
die Verteidigung dafür umso konsequenter sein,
gerade in der Justiz sollte die Gerechtigkeit letztlich
im Rechtsstreit obsiegen und die Grenze der Persönlichkeitssphäre sollte nie überschritten werden.
Nur bedingt kann aber das Zen, als weitere philo sophische Grundlage des Karate auf die moderne
Anwaltstätigkeit übertragen werden. Als Gegenpol
zu unserer europäischen Auffassung will es zur
grundsätzlichen Trennung von Körper und Geist
anleiten, was etwa durch lange Jahre der Meditation erreicht wird. Genauso wird das Prinzip der
Gemeinschaft, das dem der Ichbezogenheit vorgezogen wird und der Grund ist, weshalb sich Samu -
rais für ihren Daimon aufopferten und heutige Vereinsleiter viel Zeit und Mühe in die Nachwuchsarbeit investieren, allenfalls bei Vergleichsverhandlungen des Anwalts zum Tragen kommen.
Während der Zeit der Promotion trainierte ich in
einem Dojo, das in gleichem Maße Wettkampfund Breitensport betrieb, und Leuten aus verschiedenen Kulturen offen stand. Vom gutgelaun-
„Karate ist der Helfer der Gerechtigkeit“ lautet eine Regel.
Magazin
ten Berufskraftfahrer bis hin zur Professorin war
im Dojo alles vertreten. Gemeinsam trainierten wir,
gemeinsam ließen wir unsere strapazierten Knochen nach einem harten Training in der Sauna
aushängen. Bis zum 1. Kyu (Braungurt) und dem
Abschluss der Promotion habe ich dort sehr sym pathische Lehrmeister gefunden, die meinen Hang,
alles zu hinterfragen, geduldig ertrugen.
Selbstbewusste Kämpferinnen
Die erste Stelle als Rechtsanwältin habe ich dann in
einer auf frauenspezifische Probleme ausgerichtete
Anwaltskanzlei begonnen. Die Frauenkanzlei in
Bamberg mit vier Berufsträgerinnen arbeitet zu
den Schwerpunkten Familienrecht, Arbeitsrecht,
Sozialrecht und Strafrecht. Die entsprechenden
Erfahrungen aus der eigenen Entwicklung hinsichtlich Selbstbehauptung gegenüber der Umwelt
fließen in unsere Arbeit sicher unbewusst immer
mit ein. Eine frühere Kollegin trainierte und unter richtete nicht ohne Grund in der Freizeit ebenfalls
eine Kampfkunst – WingTsun.
Die Mandantinnen kommen zu uns, weil sie sich
in den verschiedensten Bereichen ihres Daseins
Männern unterlegen fühlen. Sie werden durch eine
Trennung von ihrem Partner meist härter getroffen,
sollen Arbeit und Kinder vereinbaren, sich mit Ämtern auseinandersetzen und finanziell klar kommen.
Oder sie sind Opfer von Missbrauch, Mobbing oder
Stalking geworden und müssen wieder Vertrauen
zu anderen Menschen aufbauen und vielleicht sogar den Glauben an den Rechtsstaat wiederfinden.
Der Respekt vor dem Gegner gilt für Anwältin und Karatekämpferin Judith Freund vor Gericht und im Dojo.
Wie auch in meinem neuen Dojo, wo das Zahlenverhältnis der Geschlechter mit 10:1 regelmäßig
eindeutig zugunsten der Männer ausgeht, arbeiten
in unserem OLG-Bezirk immer noch mehrheitlich
männliche Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte. Gegen die gilt es sich auch persönlich in der
vorbereitenden Prozessführung und den Gerichtsverhandlungen tagtäglich zu behaupten. Immer
wieder hilfreich sind dabei ein mindestens ebenbürtiger Einsatz und bisweilen eine gute Portion
Humor.
RAin Dr. Judith Freund, Bamberg
Fotos: Nicole Otto
Liebe AdVoice-Leserinnen
und -leser,
die Kollegin Dr. Judith Freund hatte den Mut,
sich auf unseren Aufruf im letzten Heft zu melden und berichtet an dieser Stelle von ihren Er fahrungen zwischen Dojo und Kanzlei. Danke!
Das nächste Heft wird als Schwerpunkt das
Thema „Alter“ haben.
Beiträge von Euch sind in jeder Form willkommen. Es braucht kein zweiseitiger Artikel
sein. Auch zehn Zeilen, in denen Ihr prägnant
eine Beobachtung oder Einsicht formuliert, sind
willkommen. Bitte nicht lange zweifeln, ob irgendwer das lesen will. Wir wollen das lesen!
Wir wollen Eure Texte und wir wollen Eure
Bilder! Denn ein schönes Magazin lebt von spannenden Bildern zu guten Texten. Unter Euch etwa
10.000 FORUMs-Mitgliedern gibt es sicherlich
viele Hundert, die gute Fotos machen, zeichnen
oder malen. Wir bitten Euch: Zeigt uns Eure
Werke!
Ihr seid das FORUM – Ihr seid die AdVoice!
> [email protected]
ADVOICE 02/10
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Magazin
Rotationsguillotinen
Aktuelle Fälle und deren Beurteilung durch und in den Medien
Der Boulevard hat gesprochen: Wetterfrosch Jörg Kachelmann war von Hyde zu Dr. Jekyll geworden.
Meine Güte, was ließe sich da ein Geld einsparen! Schafft doch die Justiz mit allem, was
daran hängt, ab und überlasst die Justiz den
Boulevardblättern. Rechtspflege per Abstimmung
am Kiosk je nach Kauf der täglichen Schlagzeilen: Wäre das nicht viel volksnäher als das
bestehende Ritual in Talaren – und zudem noch
erheblich schneller?
Rechtsstreitigkeiten, die sich zäh wie Schusterleim
über Wochen, ja Monate, hinzögen, gehörten dann
wohl definitiv der Vergangenheit an: Ein Blatt wie
die „Bild“-Zeitung braucht vom Redaktionsschluss
über Andruck, Auslieferung, Distribution, Kauf am
Kiosk und Platzierung neben der Kaffeetasse auf
dem Frühstückstisch im In- und sogar europäischen
Ausland eben nicht einmal so lang wie ein Staatsanwalt benötigt, um sich in die Aktenlage eines
mittelschweren Delikts einzulesen.
Deutsche Himmelsbefindlichkeiten mit Hochs, Tiefs,
Sonnenschein und Regen, Sturm, Blitz und Donner
sind das Revier des Kachelmann-Jörgeli, im deutschen Televischen gastarbeitende Wetter-Kassandra uus der Schwyz.
Den Himmel des Engels Aloysius mit Manna,
Ambrosia, Harfenklängen und Halleluja-Psalmodieren beanspruchte als Gärtner im Paradiesgärtlein der andere, der Mixa-Walter, bis dato Seine
bischöfliche Gnaden auf dem Thron des Oberhirten
von Augsburg.
Beide seien anderen Mitmenschen gegen deren
Willen an die Wäsche gegangen, behauptete unisono Deutschlands für jeden Skandal dankbare
Asphaltpresse – besonders, wenn es um pikante
Geschichten vom „Südpol“ und aus und über die
Kirche, die katholische zumal, geht.
»Dass beide mit dem Himmel zu tun
haben, ist dabei reiner Zufall ...«
»Das Urteil war gesprochen. Revision
nicht zugelassen.«
Nehmen wir doch der Einfachheit halber zwei Fälle
aus der allerjüngsten Vergangenheit. Dass beide mit
dem Himmel zu tun haben, ist dabei reiner Zufall,
denn im Gegensatz zum Englischen, wo unterschieden wird zwischen dem „Sky“ (als Biotop der
Astronauten und Ausbreitungsareal für isländische
Vulkanasche) und dem „Heaven“ (als dem paradiesischen Schlaraffenland für solche Gläubigen,
die sich dazu ein Entréebillet durch eifrige Beobachtung aller Gesetze in Thora und Talmud, Koran
und Bibel „verdienen“ zu können glauben) ist im
Deutschen beides „Himmel“, der Sky wie der Heaven.
Aus der vorsichtigen Möglichkeitsform, die die
deutsche Sprache für ungeklärte Zweifelsfälle
bereithält, muss man dann nur noch einen
Indikativ machen und schon ist ein bildschönes
Urteil gefällt, so, wie es auch ein höchster Kassationsgerichtshof in letzter Instanz nicht besser
fällen könnte. Dass der zu Frömmigkeit und vorbildlichem Lebenswandel angehaltene geistliche
Herr nach den akribischen Ermittlungen eines
unabhängigen Juristen von dem für einen Seelen hirten besonders peinlichen Vorwurf des Messdiener-Missbrauchs entlastet wurde, war den an
30
ADVOICE 02/10
Foto: Nils-Bentlage_pixelio.de
der Treibjagd beteiligten Blättern dann kaum noch
Druckerschwärze wert: Das Urteil war gesprochen.
Revision nicht zugelassen.
Ebenfalls in der Causa Kachelmann war eine gewisse Journaille quick bei der Hand, wenn es darum
ging, auch solche Eigenheiten aus dem Intimleben
des Wetterfroschs auszumalen, die gar nicht zur
Verhandlung anstehen sollten. Waren sie doch außerordentlich geeignet, das Bild des netten Jörgeli
zum Wüstling mutieren zu lassen: Aus Hyde war Dr.
Jekyll geworden, der Boulevard hatte gesprochen,
die Rotationsguillotine war gefallen. Wieder mal
war es bei Hubertus ein herrlicher Blattschuss!
Heißt das nun, dass die beiden am Pranger stehenden Figuren des öffentlichen Lebens keine
schlimmen Finger, sondern allzeit makellose Lichtgestalten waren?
»... über„guilty“ oder „not guilty“
kann außer dem lieben Gott nur einer
befinden, und das ist der Richter.«
Mitnichten! Aber über „guilty“ oder „not guilty“
kann außer dem lieben Gott nur einer befinden,
und das ist der Richter. Und bis dahin hat in unserer demokratischen Grundordnung nun einmal
die Unschuldsvermutung zu gelten. Sollte das bei
einer gewissen Presse in Vergessenheit geraten
sein? Es ist nicht zuletzt die Sache von Anwälten,
dies wieder deutlich in Erinnerung zu rufen.
Helmut S. Ruppert
Magazin
Allein auf weiter Flur
Der „Feld-, Wald- und Wiesenanwalt“
Mal Hand aufs Herz, wer verbindet mit dem
Attribut, ein „Feld-, Wald- und Wiesenanwalt“
(FFW-Anwalt) zu sein, etwas Positives? Genau,
vermutlich nur wenige. Und was wird ihm nicht
alles angedichtet. Er bzw. sie sei Hans Dampf in
allen Gassen, also Mädchen für alles, irgendwie
schrullig, tendenziell provinziell, eher zugeknöpft, Dünnbrettbohrer, rechthaberisch und
obendrein schlecht gekleidet.
Das ist wahrlich wenig schmeichelhaft. Doch
woher kommt dieses oftmals despektierlich gemeinte Zusatzprädikat mit all seinen Vorurteilen? Und, mal abgesehen von der spöttischen
Konnotation, gibt es noch Rechtsanwältinnen
und Rechtsanwälte, die sich als FWW-Anwälte
im positiven Sinne verstehen?
Geht man dem Begriff des FFW-Anwalts auf den
Grund, stößt man zunächst auf die „Halbgötter in
Weiß“, die Ärzteschaft. Der gemeine Landarzt, eine
aussterbende Spezies, glaubt man dem Bundesgesundheitsministerium, bewegt sich in entlegenen
Regionen der Republik kurativ von Gehöft zu Gehöft. Er ist im beinah bildlichen Sinne der Hüter
über Feld, Wald und Wiese. Er muss sehr verantwortungsbewusst erkennen, ob sein Patient eine
Sprunggelenkverletzung, eine Blinddarmreizung
oder einfach nur Redebedarf hat.
Daran anlehnend, hat sich der allgemein tätige
Rechtsanwalt in der ländlichen Region entwickelt.
Er ist das Bindeglied zwischen Bürgerinteressen
und Justizia, ist da, wo der Nachbarschaftsstreit
beginnt, das Scheidungsverfahren in eine weitere
Runde geht und die öffentliche Abgabenlast für
den Hofbetrieb drückt.
Max Weismann ist Rechtsanwalt in Bretten, einer
Kleinstadt unweit von Karlsruhe. Um die 25 zugelassenen Rechtsanwälte, sagt Weismann, seien in
seiner Umgebung tätig. Der zweifache Familienvater hat in Bielefeld und Heidelberg studiert und
ist der Prototyp des FWW-Anwalts im positiven
Verständnis. Seine Entscheidung, beinah jedes
Rechtsgebiet unvoreingenommen zu vertreten, traf
er ganz bewusst. Im Interview mit AdVoice erklärt
Weismann, wie er FWW-Anwalt wurde.
A: Kam der Entschluss zum Ende des Referendariats?
Weismann: Nein, ich habe zunächst als angestellter Rechtsanwalt in einer mittelgroßen Wirtschafts- und Steuerkanzlei gearbeitet. Nach eineinhalb Jahren Tätigkeit stand die Entscheidung für
mich fest, ganz auf mich gestellt zu arbeiten.
A: Gründe?
Weismann: Ich habe mich nach dem zweiten Examen von den vollmundigen Versprechungen mei nes alten Arbeitgebers verlocken lassen. Außerdem
dachte ich an Sicherheit. Das war, wie sich herausstellte, ein Fehler. Ich bin sehr enttäuscht worden.
Als Berufsanfänger sprang ich ins kalte Wasser und
musste gleich Sanierungen von mittelständischen
Unternehmen betreuen. Der Druck war enorm. Als
dann kurz vor meinem Abschied die Bezahlung
schleppend kam, wollte ich nur noch raus.
Max Weismann ist ein echter Feld-Wald- und Wiesen-Anwalt und fühlt sich wohl dabei.
A: FFW bedeutet tatsächlich auch alles?
Weismann: Strafrecht lehne ich ab. Aber ansonsten bin ich wirklich offen. Die Mandanten testen
einen, kommen erst mit einem kleinen Telekomfall
oder ähnlichem. Wenn du das dann gut machst,
warten größere Aufgaben auf dich.
A: Wie klappt es mit der wirtschaftlichen Seite?
Weismann: Ich habe Glück, da ich eine Ehepartnerin habe, die in Lohn und Brot steht. Anders wäre
das sicher auch nicht so leicht zu machen. Wir teilen uns die Erziehung unserer Kinder und arbeiten
ungefähr jeder zur Hälfte.
A: Worauf muss ein frischer FFW-Anwalt achten?
Weismann: Beziehungen sind alles. Du musst in die
Vereine eintreten, dich im Ort zeigen. Auch hilft der
Eintritt in eine Partei. Denn dort lernst du deutlich
die Seilschaften kennen, die im Alltag eine Rolle
spielen. Allerdings – Vorsicht Fettnäpfchen! In
jedem Fall muss man gradlinig und sauber bleiben.
A: Vor- und Nachteile des FFW-Anwalts?
Weismann: Besonders vorteilhaft ist, dass ich absolut flexibel sein kann. Das ist ideal für meine Familie. Außerdem ist es wahnsinnig interessant, sich
in neue Rechtsgebiete einzuarbeiten. Alles zu ma chen, bedeutet für mich große Abwechselung. Als
nachteilig bewerte ich den Umstand, dass dir zu nächst niemand sagt, wie Sekretariatsarbeit geht.
Da muss man sich selbst tief hinein knien. Natürlich sind es auch die schwankenden Einnahmen,
die es in der Anfangsphase schwerer gestalten. Alles
in allem war es aber der richtige Schritt.
>
Foto: Rosel Eckstein_pixelio.de
ADVOICE 02/10
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Magazin
Abmahnkanzlei = Abmahnkanzlei
> Fortsetzung von Seite 31
Andere Stimmen
Ingo Ziskoven (Rechtsanwalt in Bergisch Gladbach): „Für mich war klar, dass ich alles nehme, was
kommt. Ein befreundeter Anwalt sah das gänzlich
anders und schwor auf unbedingte Spezialisierung.
Ich habe nichts davon gehalten und immer gesagt,
ich möchte erst einmal mein Geschäft aufbauen,
bevor ich mich überhaupt spezialisieren kann.“
Jörg-Peter Horlitz (Rechtsanwalt in Joachimsthal): „Ich lebe in einem Umfeld, in denen die Versorgungsmentalität vorherrscht. Hartz IV gehört
hier leider zum Alltag. Ich bin froh, nach zehn
Jahren nicht mehr der Anwalt für alles zu sein,
denn glücklicherweise betreue ich jetzt im Schwerpunkt Nachlasspflegschaften, was eine gewisse
Verdienstsicherheit für mich bedeutet.“
Über die Unterschiede in der Abmahnpraxis
Der Beitrag „Abmahnanwälte in der Klemme“
(AdVoice 01/2010) hat gezeigt, dass die Abmahnung Einzug in die privaten Wohnzimmer gefunden hat. Im Zeitalter des Internet ist längst
jeder Internet-User vom „Damokles-Schwert“
Abmahnung betroffen. Feststellbar ist: Der
Download-Vorgang zu privaten Zwecken ist erlaubt, lediglich den Upload-Vorgang untersagt
das UrhG. Wenig erfahrenen Internet-Usern
mag man glauben, dass sie das TauschbörsenPrinzip nicht und daher das Risiko der Urheberrechtsverletzung nicht kennen.
Es gibt deutliche Unterschiede bei der Gestaltung
von Abmahnungen. Darüber hinaus sind auch
unterschiedliche „Linien“ bei der Führung der nachfolgenden Korrespondenz und deren Inhalt zu
erkennen.
Fazit
Extrem kurze Fristen
RA Patrick Ruppert, Köln
Vorteile
•
•
•
•
zeitlich und örtlich flexibel, familientauglich
inhaltlich abwechslungsreich
eigenverantwortlich, keine Sozien-Mithaftung
überschaubare regelmäßige Ausgaben
Nachteile
•
•
•
•
unregelmäßige Einkünfte bei konstanten Kosten
Zeitverlust bei der Einarbeitung
vertiefte Kenntnis in Sekretariatsarbeit und
Buchhaltung zwingend erforderlich
ggf. Wochenendarbeit
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ADVOICE 02/10
In den meisten Abmahnungen wird dem Abgemahnten nur eine sehr kurze Frist zur Reaktion
gesetzt. Vielfach fallen der Tag der „Unterzeichnung“ der Abmahnung und der Tag des Fristablaufs
zur Abgabe der Unterlassungserklärung auf denselben Wochentag, nur eine Woche versetzt. Der
Zweck ist klar: der Abgemahnte (i. d. R. Privatperson)
soll kaum Zeit für eine anwaltliche Beratung haben.
Wenn er daher in der Kürze der Zeit keinen im Urheberrecht erfahrenen Anwalt findet (im Regelfall),
wird der die geforderte Erklärung unterschreiben
und den verlangten Geldbetrag zahlen. Viele erhalten binnen weniger Tage mehrere Abmahnungen.
Foto: Cornerstone_pixelio.de
Es gibt ihn, es gibt sie, die als FFW-Anwälte meist
in kleinen Einheiten oder ganz allein arbeiten. Sie
sind durch und durch Generalisten, können sich
rasch in neue Sachverhalte einlesen und nutzen
den besonderen persönlichen Kontakt zu Mandanten. Das Gros der befragten FFW-Anwälte ist mit
der Entscheidung, so zu arbeiten, sehr zufrieden.
In Zeiten nicht enden wollender Differenzierung
der Juristerei, Stichwort Fachanwaltschaften, ist
das ein echter Kontrapunkt, über den es nachzudenken lohnt.
Einige Kanzleien erhöhen diesen zeitlichen Druck
durch den Inhalt ihres Schreibens: Dem Abgemahn ten wird auf bis zu zwölf Seiten die abstrakte
Rechtslage mit Zitierung zahlreicher Urteile – ohne
Bezug zu dem konkreten Fall – dargestellt. Teilweise
gibt sogar mittels „Links“ zu weiteren Informationen
auf der Website der Kanzlei. Man mag in diesen
Fällen von „Abmahn-AGB“ sprechen. Auch dessen
Zweck ist klar: Der Abgemahnte soll den Eindruck
bekommen, keine rechtliche Chance zu haben.
Andere Kanzleien gehen so vor: die Abmahnung ist
sechs Seiten stark, auf denen kurz gefasst die wichtigsten rechtlichen Aspekte mitgeteilt werden. Der
Abgemahnte fühlt sich dann betroffen, aber „weniger hilflos“.
Man mag die erstbeschriebene Abmahnung „hart“
und die zuletzt beschriebene Abmahnung „soft“
nennen. „Harte“ Abmahnungen sind oftmals an einem „aggressiven“ Tonfall erkennbar.
Auffällig ist, dass in „harten“ Abmahnungen deutlich höhere Beträge gefordert werden: Forderungen von bis zu 1.200,00 Euro pro Verstoß sind
keine Seltenheit. In „soften“ Abmahnungen liegen
hingegen Beträge bis zu 450,00 Euro je Vorgang
niedriger. Eine objektive Erklärung für diese Unterschiede gibt es nicht.
Die meisten Kanzleien fügen der Abmahnung eine
Kopie des landgerichtlichen Beschlusses im Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG bei. Die
die betroffene IP-Adresse enthaltene Anlage fehlt
aber. Nur sehr wenige Kanzleien reichen diese auf
Aufforderung nach.
Einige Kanzleien fügen noch eine Vollmacht bei,
andere reichen sie auf Nachfrage nach, wiederum
andere verweisen nur darauf, dass § 174 BGB nicht
(analog) anwendbar sei.
Zum Nachweis der Rechtsverletzung werden immer nur folgende Parameter genannt: Betroffenes
(Musik-/Film-)Werk, Zeitraum des Verstoßes (Datum/Uhrzeit), IP-Adresse, ggf. Hash-Wert. Im Hinblick auf weitere Nachweise wird zumeist „nebulös“
auf gerichtssichere Dokumentationen verwiesen.
Der Abgemahnte kann also nicht erkennen, ob er
einen Rechtsverstoß begangen hat.
Gleich, um welche Art der Abmahnung es sich handelt, ein in Urheberrecht erfahrener Rechtsanwalt
hilft weiter.
Magazin
FORUMs-Mailingliste
Mandanten wollen schnelle Lösungen
Nachfragen unerwünscht
Die Abmahnkanzleien reagieren häufig auf die
Nachfrage nach Beweisen mit folgenden Varianten: (1) gar keine Reaktion über mehrere Monate;
(2) Reaktion nach ein bis zwei Monaten; (3) Reaktion nach ein bis zwei Wochen; (4) Reaktion binnen
weniger Tage oder sogar Stunden.
Wer denkt, dass eine Kanzlei immer denselben Weg
wählt, liegt falsch. Büros, die in dem einen Fall sehr
schnell antworten, reagieren in einem anderen
überhaupt nicht.
Auch inhaltlich gibt es Unterschiede: Wenige Kanzleien legen nach der ersten Nachfrage Dokumente
zu Nachweiszwecken vor. Bei „harten“ Abmahnungen wird sich aber darauf beschränkt, weitere
Rechtsprechung zur „Druckerhöhung“ zu zitieren.
Bemerkenswert ist, dass zumeist auf rechtliche
Argumente des Abgemahnten nicht eingegangen
wird. Es erfolgen teilweise seitenweise Ausführungen zur Unanwendbarkeit von Normen, deren
Anwendbarkeit der Abgemahnte gar nicht behauptet hat!
Drastische Erhöhung
Was passiert mit der Forderungshöhe nach der Beweisnachfrage? Einige Kanzleien lassen die Forderung unangetastet, andere erhöhen sie drastisch,
z. B. von 1.200,00 Euro auf 1.800,00 Euro – die Erhöhung als „Straffunktion“ und weitere „Druckerhöhung“. Letzteres passiert i. d. R. bei „harten“
Abmahnungen.
Inzwischen versenden unterschiedlichste Kanzleien
Abmahnungen: Sowohl kleine, bislang eher unbe kannte Einheiten als auch die großen, renommierten Büros haben die Abmahnung in ihrem
Portfolio. Die großen renommierten scheinen hierbei den „weicheren“ Abmahnweg zu bevorzugen.
Die mittelgroßen Einheiten sind erheblich „härter“
im Umgang, während die kleineren hingegen gern
„weicher“ operieren.
Unterschiedliche abmahnende Kanzleien gehen
unterschiedlich vor. Diese Erfahrung machen
auch die Junganwältinnen und Junganwälte des
FORUM Junge Anwaltschaft immer wieder. Auszüge einer Diskussion auf der Liste Mailingliste:
Die Fragen:
Liebe Filesharing Experten, während der LiLi-Diskussionen über die geeignete Reaktion auf Filesharing-Abmahnungen lese ich sehr häufig, dass
auf eine modifizierte U-Erklärung und einen Gegenvorschlag zur Zahlung (z. B. 100 € wegen § 97
a Abs. 2 UrhG) keine Reaktion der Gegenseite erfolgt bzw. die U-Erklärung „unwidersprochen“ bleibt.
Wie verhaltet Ihr Euch, wenn monatelang keine
Reaktion erfolgt? Kollege Solmecke stellt auf seiner
Homepage den angeblich typischen Fall dar, dass
nach 2 Jahren (ohne weiteren Schriftverkehr?) eine
Zahlungsklage eingehen kann. Welche Erfahrungen
habt Ihr? Geht Ihr aktiv auf die Abmahnkanzleien
zu, wenn nichts mehr kommt? /// Florian
Meine Erfahrung ist, dass teilweise der Zugang der
Unterlassungserklärung und die Annahme des
neuen Angebots bestätigt wird von den Abmahnern, in anderen Fällen aber gar keine Reaktion
mehr erfolgt ... /// Adrian
Die Antworten:
Bei mir ist es so, dass die Mandanten meist die
Sicherheitsvariante fahren oder nicht wegen den
Schmuddelfilmchen ins Gerede kommen wollen.
Oder ich hab ... und der klagt gern. Da zucken auch
die meisten. /// Anke
Bei Abmahnungen setzen Kanzleien oft kurze Fristen.
Für die Mandanten, die weniger risikofreudig sind
und die Sache ganz weg haben wollen, versuche
ich auch immer wieder einen Vergleich auszuhandeln. Aber scheinbar gelingt mir das nicht so häufig
wie Dir. Es gibt Kanzleien, die lehnen einfach jeglichen Vorschlag ab. Oder aber sie reagieren überhaupt nicht darauf, sondern senden einfach ein
formuliertes Schreiben zurück, das gar nicht auf
meinen Vergleichsvorschlag passt und wiederholen
die Zahlungsaufforderung.
Welche Vergleichsbeträge schlägst Du denn immer
so vor? Noch vor ein paar Wochen habe ich auch
immer an die § 97a Abs. 2 UrhG gedacht und die
Zahlung von 100,- € angeraten oder aber einen
Vergleichbetrag in Höhe von 150,- € der Gegenseite vorgeschlagen. Nachdem aber nun die Rechtsanwälte zwei Urteile vor dem (nur) AG München
erstritten haben, in dem die Anwendbarkeit des §
97a Abs. 2 UrhR verneint und der Beklagte zur
Zahlung der 856,- € zzgl. Zinsen verur- teilt
wurde – also genau das, was in den Abmahnschreiben gefordert wird – bin ich mit meinen Vergleichsangeboten etwas nach oben gegangen.
Viele Grüße! /// René
Die beiden wichtigsten Eckpunkte sind: 1. / Was will
der Mandant? Eine schnelle Lösung, aus Prinzip
nichts zahlen, oder irgendetwas dazwischen? Soll
nicht (gerichts-)bekannt werden, dass er gerne
Schmuddelfilmchen guckt? 2. / Wer mahnt mit welchen (angeblichen) Kosten ab? Bei D. ist die Berechtigung zweifelhaft, bei N. habe ich mal spaßenshalber nachgerechnet. Nähme jeder Abgemahnte den Vergleich an, würde – so die Gebühren
tatsächlich entstanden wären – der Auftraggeber
913.050,00 EUR Verlust machen, bei W. ist bekannt,
dass sie in München erfolgreich klagen und § 97a
II UrhG nicht durchgeht. /// Malte
Foto: Sascha Mönch
Fazit: Abmahnung ist nicht gleich Abmahnung und
Abmahnkanzlei ist nicht gleich Abmahnkanzlei.
Wer die Unterschiede kennt, hat es bei der Beratung des Mandanten meistens leichter.
RA Guido Vierkötter, LL.M.,
Neunkirchen-Seelscheid
ADVOICE 02/10
33
Magazin
„Neukölln Unlimited“
Ein Film über die Geschichte einer 16 Jahre währenden Abschiebung
T-Shirts mit der Aufschrift „Rütli“ sind Kult in
Neukölln. Sie sind Ausdruck einer ganz eigenen
Realität, einer Parallelwelt zum gutbürgerlichdeutschen Alltag. Bereits seit dem 8. April 2010
gestattet der Dokumentarfilm „Neukölln Unlimited“ einen spannenden Einblick in diese Welt.
Einen seltenen Einblick. Ehrlich wirkt das und
real. Und sehenswert ist es.
Juristen sollten ein Gefängnis auch mal von innen
gesehen haben. Das hat seinen Grund. Es sind eben
nicht nur Akten, die auf unseren Tischen liegen, es
ist oft das ganz normale Leben und manche unserer
Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen. Wer sich mit Ausländerrecht beschäftigt, mit
Diskriminierung oder mit Sozialrecht, der kann in
„Neukölln Unlimited“ so realitätsnah wie nur möglich, eine Abschiebung miterleben und die Traumata, die das auslösen kann.
Der Film von Agostino Imondi und Dietmar Ratsch
dokumentiert die Abschiebung einer Migrationsfamilie, die sich inzwischen seit 16 Jahren hinzieht.
Irgendwann in der Mitte des Films werden sechs
Leute in aller Herrgottsfrühe von der Polizei geweckt und in ein Flugzeug gesetzt.
»Ein Leben mit der Unsicherheit,
was übermorgen passiert.
Behördenentscheidungen, die –
wie es aussieht - formal korrekt sind,
wo der unbefangene Blick jedoch nur
ein Kopfschütteln auslösen kann.«
Doch der Film setzt erst danach an. Er erzählt am
Alltag der Familie entlang, die inzwischen wieder
nach Deutschland zurückgekehrt ist, die Geschichte
eines Kampfes gegen diese Situation und gegen den
deutschen Staat. Die Familie hat es gelernt, mit der
dauerhaften Verunsicherung einer drohenden
Abschiebung zu leben. Eine Situation, die es in der
Medienwirklichkeit nach meiner Wahrnehmung nur
im Fernsehen aus Flüchtlingslagern in Afrika gibt.
In Deutschland und vor unseren Augen findet das
statt, ohne dass wir es wahrnehmen. Ein Leben mit
der Unsicherheit, was übermorgen passiert. Behördenentscheidungen, die – wie es aussieht - formal
korrekt sind, wo der unbefangene Blick jedoch nur
ein Kopfschütteln auslösen kann.
Die beiden jugendlichen Protagonisten Hassan und
Lial werden durch diese Behördenentscheidungen
vor Fragen gestellt, die eigentlich zu groß sind für
sie und ihr Alter. Sollen sie allein in Deutschland
bleiben, während ihre Familie zurück muss in ein
Land, dass sie nicht einmal kennen?
Berlins Innensenator Körting blieb im Fall der libanesischen Familie hart. Doch trotz ständig drohender Abschiebung in eine Heimat, mit der sie nichts verbindet, leben Hassan und Lial ihr Leben.
34
ADVOICE 02/10
Magazin
Was soll geschehen mit Migrantenkindern, die hier
aufgewachsen sind und die hier verwurzelt sind,
die deutsch sprechen wie du und ich? Die aktuelle
rechtliche Praxis aus Duldung und befristetem
Aufenthalt scheint jedenfalls keine gute Lösung zu
sein. Hassan und Lial können vorübergehend
bleiben, bis ihre Ausbildung beendet ist. Maradona
wiederum setzt die Hoffnung auf Preisgelder aus
einer Fernsehshow.
Das ist herrlich absurd, und das ist auch der Klassiker des Amtsschimmels, mit dem der Medienkonsument leicht polarisiert werden kann. Denn die
Behörde als Gegner, die es einem nicht leicht macht,
Bürokratie usw. – das kennt jeder aus eigener Erfahrung.
Alltag im Verwaltungs-, Ausländer- und Sozialrecht? Hassan und Lial haben einen Termin bei der
Behörde. Die Uhr tickt. Doch das Zimmer ist nicht zu
finden.
guter Amtskenntnis die Arbeit von
»Die aktuelle rechtliche Praxis aus
Duldung und befristetem Aufenthalt
scheint jedenfalls keine gute Lösung
zu sein.«
Der Film ist aber nicht nur ein Lehrstück über die
praktischen Erfahrungen, die Menschen mit der
deutschen Justiz und Verwaltung machen können.
Er ist ein wichtiger Beitrag zum Thema Menschenrechte im Film.
Zwei Schilder werden eingeblendet. Der vermeintliche Wegweiser entpuppt sich als unlesbar, jedenfalls bei kurzer Betrachtung erschließt sich nicht,
wer hier wo zu finden ist. Mit dem anderen Schild
wird sinngemäß die Hilfe bei der Reise in die Heimat
angeboten.
Der Kampf gegen Ämter, bei dem Rechtsdienstleister mit guter Amtskenntnis die Arbeit von
Anwälten übernehmen und Lösungen am Sachverhalt suchen. Ist die Familie finanziell unabhängig,
könnte durch die Eigenfinanzierung ein Bleiberecht
für alle erreicht werden.
»Der Kampf gegen Ämter,
bei dem Rechtsdienstleister mit
Anwälten übernehmen und Lösungen
am Sachverhalt suchen.«
Sehenswert ist auch, wie die Familie versucht,
unsere Amts- und Rechtssprache zu verstehen.
Verträge und Amtsbriefe werden in das reale Leben
übersetzt und kommentiert.
Der Film bezieht eine klare Position zugunsten der
betroffenen Familie. Ganz im Sinne einer journalistisch ausgewogenen Berichterstattung kommt
aber auch der Berliner Innensenator zu Wort, der
entgegen dem Votum der Behörde eine Ausnahme
für die Familie nicht genehmigt hatte. Eine gute
Figur gibt er bei der Diskussion am Brennpunkt
Neukölln nicht ab. Er argumentiert juristisch, wo es
um Emotionen geht. Auch das führt der Film damit
ganz nebenbei vor Augen: Juristische und sachliche
Argumente taugen eher für den Gerichtssaal. Wer
in der realen oder in der Medienwelt etwas erreichen will, muss den Umgang mit Emotionen und
mit Geschichten lernen.
RA Tobias Sommer, Berlin
Hassan ist einer von drei Geschwistern und als HipHop-Performer erfolgreich.
Noch mehr Informationen zum Film unter:
> www.neukoelln-unlimited.de
Fotos: INDI Film
ADVOICE 02/10
35
Magazin
Haftungsbeschränkung
Haftung des eintretenden Partners
der Haftung also nicht ankommen. Maßgeblich sei
allein, ob der in Anspruch genommene Partner
nach seinem Eintritt in die Partnerschaftsgesellschaft mit dem Mandat „inhaltlich befasst“ und
sein Arbeitsbeitrag von nicht „nur untergeordneter
Bedeutung“ war.
Der Anwalt muss das Mandat also selbst bearbeitet
oder es überwacht haben bzw. eine Pflicht zur
Überwachung haben. Mit dem Anknüpfen an das
Kriterium des „Befasstseins“ sei auch dem Umstand
Rechnung getragen worden, dass es schon für die
Anwälte oftmals schwierig ist, herauszufinden, wer
von ihnen die Fehlerursache gesetzt hat. Erst recht
sei es dann für die Mandanten problematisch festzustellen, wem der Berufsverstoß unterlaufen ist.
Herauszufinden, wer mit dem Mandat „befasst“
war, sei dagegen einfacher. Im Übrigen gebe der
Wortlaut des § 8 II PartGG auch nichts dafür her,
dass nur derjenige haftet, der für die Fehlerursache
verantwortlich ist.
Bevor ein neuer Partner in eine Kanzlei eintritt, müssen alle Seiten eventuelle Risiken prüfen.
Bei einer Aufnahme als Sozius in eine Kanzlei
sollte sich ein Anwalt im Klaren darüber sein,
welche Haftungsrisiken ihn mit Eintritt in eine
Gesellschaft erwarten können. Zu einer entsprechenden Risikoeinschätzung und - überprüfung
zählt dabei auch die Klärung der Frage, wann
ein Sozius für vor seinem Eintritt verursachte
Beratungsfehler seiner Kollegen haften muss.
Im Hinblick auf die Gefahr, auch für vor der Aufnahme in eine Kanzlei begangene Anwaltsverstöße herangezogen werden zu können, galt lange Zeit die
Partnerschaftsgesellschaft gegenüber der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als vorteilhaftere
Organisationsform. Seit 1995 können sich Freiberufler und damit auch Rechtsanwälte zur gemeinsamen Berufsausübung in dieser Rechtsform zusammenschließen. Die Vorschrift des § 8 II PartGG
sieht für eine solche gemeinsame Berufsausübung
vor, dass sich die Haftung für Anwaltsfehler nur auf
diejenigen Partner beziehen soll, die mit der Bear beitung des jeweiligen Mandats befasst waren.
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ADVOICE 02/10
CFalk_pixelio.de
Wer nun aber als eintretender Sozius aus der Regelung des § 8 II PartGG ableitet, dass er für die von
seinen Kollegen vor seiner Aufnahme in die Gesellschaft verursachten Beratungsfehler auf keinen
Fall haften muss, schätzt die Rechtslage falsch ein.
Die jüngste Rechtsprechung zur Partnerschaftsgesellschaft zeigt vielmehr, dass die Vorschrift des
§ 8 II PartGG keinesfalls dahingehend verstanden
werden darf, dass ein neuer Sozius für vor seinem
Eintritt in die Gesellschaft begangene Berufsverstöße in jedem Fall von der Haftung ausgeschlossen ist. Vielmehr hat der BGH entschieden, dass im
Falle der Haftung für Berufsfehler § 8 I S. 2 PartGG
i. V. m. § 130 HGB Geltung hat.
Danach haftet der eintretende Gesellschafter ver schuldensunabhängig auch für vor seinem Eintritt
begründete Altverbindlichkeiten der Gesellschaft
mit seinem Privatvermögen. Auf einen Verursachungsbeitrag des neuen Partners oder darauf, ob der
Fehler zum Zeitpunkt seiner Aufnahme in die
Kanzlei noch korrigierbar war, soll es für die Frage
Eine teleologische Reduktion des § 8 II PartGG auf
Berufsfehler, die sich zugetragen haben, während
der in Anspruch genommene Partner der Gesellschaft angehört, lässt sich nach Meinung des BGH
ebenfalls weder dem Wortlaut der Norm noch aus
der Gesetzessystematik entnehmen. Andernfalls
hätte der Gesetzgeber die in § 8 I S. 2 PartGG genannte Bezugsnorm des § 130 HGB für den Haftungsbereich des § 8 II PartGG ausdrücklich ausgeschlossen. Dieses ist aber gerade nicht geschehen.
Lesenswert hierzu BGH. Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR
12/09, WM 2010,139.
Die Übernahme laufender Mandate wird sich für
einen Rechtsanwalt, der sich dazu entschieden hat,
als Sozius in eine Partnerschaftsgesellschaft einzutreten, nicht vermeiden lassen. Vielmehr handelt es
sich dabei um ein mit der Aufnahme in eine Kanzlei
verbundenes typisches Procedere, für das sich jetzt
aufgrund der aktuellen Rechtsprechung das Haftungsrisiko für den neu eintretenden Gesellschaf ter deutlich erhöht hat.
Ob zukünftig nun auch bei Berufsfehlern, die sich
in Gesellschaften des bürgerlichen Rechts ereignen, der § 130 BGB Anwendung findet, bleibt abzuwarten. Die neueste Rechtsprechung zur Partnerschaftsgesellschaft lässt sich zumindest nicht ohne
weiteres auf die BGB-Gesellschaft übertragen.
RAin Katrin Spelmeyer, HDI-Gerling
Magazin
Auf der internationalen Schiene zum Erfolg
Von Wuppertal in die weite Welt - ein Gründerbericht
Mein Name ist Urs Breitsprecher, ich bin Rechtsanwalt, englischer Solicitor, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Fachanwalt für
Steuerrecht, nachdem ich neben meinem deutschen Jurastudium auch erfolgreich das kom plette englische Studium mit dem Bachelor of
Law absolviert habe.
Dem FORUM bin ich kurz nach meiner Zulassung
Anfang 2004 beigetreten. Seinerzeit hatte ich mich
in einer Hinterhauswohnung in einer Bürogemeinschaft mit einem älteren Kollegen in Wuppertal
selbstständig gemacht. Von ihm habe ich viele Dinge
lernen können, vor allem solche, die in keinem
Buch stehen.
Am Anfang habe ich, wie es wahrscheinlich jeder
Neuselbstständige tut, jegliche Mandate vom Strafrecht über Ordnungswidrigkeiten und Zivilrecht
angenommen. Hierbei hatte ich jedoch immer fest
im Blick, dass ich unbedingt internationales Wirt schafts- und Steuerrecht bearbeiteten möchte. Im
selben Jahr habe ich noch meine Zulassung als
englischer Rechtsanwalt erlangt. Anfänglich zeichnete sich ab, dass es zu einer Spezialisierung auf
das Immobilienrecht kommen würde, weil sich dort
die meisten Mandate ergeben hatten. Ich habe
jedoch nie aus den Augen verloren, dass ich eigentlich Wirtschaftsrecht anbieten möchte. Trotzdem
habe ich es geschafft, gerade über die internationale Schiene und aktive Akquise im Ausland
auch entsprechende Fälle zu bekommen.
Im FORUM habe ich von Anfang versucht, mich für
das Internationale stark zu machen. Konkreter
wurde es, als mich der damalige Vorsitzende Martin
Lang fragte, ob ich für das FORUM auf eine europäische Junganwaltskonferenz nach Belfast reisen
möchte. Seitdem kümmere ich mich für das FORUM
um Internationales. Wir haben sowohl Länderbeauftragte als auch Kontakte zu Junganwaltsorganisationen weltweit etablieren können.
Durch den Besuch mehrerer internationaler Konferenzen konnte ich im Ausland gute Kontakte
knüpfen, woraus sich nicht nur Wissen, sondern
auch entsprechende Netzwerke ergaben. Vieles lag
aber auch daran, dass ich meinen Traum von Wirtschaftsanwalt niemals aufgegeben hatte und mich
in dieser Richtung ständig fortbildete und versuchte, Mandate zu akquirieren. Selbstverständlich gehörte auch viel Glück dazu. Während der ersten
Zeit in meinem Büro in Düsseldorf belegte ich zusätzlich noch den Fachanwaltskurs für Steuerrecht.
Der Titel wurde mir Anfang 2009 verliehen.
Mitte 2009 ergab sich die Möglichkeit einer Partnerschaft in meiner heutigen Kanzlei Busekist,
Winter & Partner, einer ehemaligen OLG-Kanzlei an
einer renommierten Adresse. Diese Kanzlei ist auf
Wirtschaftsrecht spezialisiert. Dort bin ich verantwortlich für Gesellschafts- und Steuerrecht, aber
auch internationales Vertragsrecht und englisches
Recht. Hinzu kommt das Wirtschaftstrafrecht und
Compliance.
Wenn ich heute Bilanz ziehe, kann ich sagen, dass
es seit meinem Berufsstart vor fünf Jahren eine
beträchtliche Entwicklung gegeben hat.
Dabei hat neben einer gehörigen Portion Glück auch
der Wunsch nach einer internationalen Spezialisierung sowie das Festhalten an meiner Ausrichtung sehr geholfen. Gerade über die internationale Schiene, welche nach meiner Auffassung
Urs Breitsprecher in Rom.
in Deutschland noch immer von zu wenigen Anwälten bedient wird, konnte ich in kurzer Zeit
Erfolge erzielen.
Die Frage, welche Tipps ich jungen Anwälten geben
kann, ist eigentlich einfach zu klären. Man darf
niemals den Traum aufgeben, den man hat (vergleiche die Bücher „Die Möwe Jonathan“ und „Der
träumende Delphin“). Man sollte jedoch nicht einfach nur darauf los, sondern sich einen Plan machen
und daran festhalten. Man kann nicht erwarten,
dass man gleich am Anfang als Denny Crane
anfängt, sondern muss wissen, dass es erst einmal
schwierig ist.
Meine größte Herausforderung meiner Anwaltskarriere war, mich gegenüber Dritten, sei es Mandanten, Kollegen oder Gerichten, aber auch in
meinem Fachanwaltskurs Handels- und Gesellschaftsrecht zu behaupten Vor allem wegen meines Alters, aber auch meiner Größe (klein) gab es
immer wieder Zweifel an meiner Kompetenz.
Meine beste Entscheidung in meiner bisherigen
beruflichen Laufbahn war, immer an meinen Träumen festzuhalten sowie meine Zulassung in Eng land und meine beiden Fachanwälte zu machen.
Auch wenn viele gesagt haben, dass es sich als
Einzelanwalt nicht lohnt, kann ich nunmehr das
Gegenteil behaupten.
RA Urs Breitsprecher, Düsseldorf
Foto: Tobias Sommer
Nach einigen Jahren als mehr oder weniger erfolgreicher Einzelanwalt entschied ich mich 2007, nach
Düsseldorf zu ziehen. Gleichzeitig hatte ich den
Fachanwaltskurs für Handels- und Gesellschaftsrecht belegt. Ich wechselte die Kanzlei und schloss
mich der Rechtsanwaltskooperation Kleinekorte &
Kollegen in Düsseldorf an. Kurze Zeit später bekam
ich den Fachanwaltstitel für Handels- und Gesell schaftsrecht. Meine Spezialisierung nahm seit dem
mehr und mehr Gestalt an. Hierfür muss ich mich
zum Teil auch bei dem FORUM bedanken.
ADVOICE 02/10
37
DAT 2010
„DAT war juut!“
Vom Gebrauch der Schlummertaste, Falschparken und lautlosen Handys
Auf geht’s!
Morgens 6.30 Uhr, Bayern.
Der Wecker klingelt. Keine nennenswerte Reaktion
meinerseits. Schlummerfunktion tut es ja auch.
Immer noch morgens 9 Uhr, immer noch Bayern.
Schei ... Es ist 9 Uhr, der Anwaltstag hat bereits
begonnen und ich hänge immer noch zu Hause
rum. Jetzt aber Dalli. Koffer ist bereits im Auto (das
ist eine andere Geschichte). Also auf geht’s.
11.00 Uhr, immer noch Bayern.
Stelle fest, dass sämtliche Papiere in Augsburg geblieben sind. Naja, kann man nix machen, jetzt ist
es auch zu spät.
14.00 Uhr, Aachen, Eurogress.
Na endlich, bin in der Tiefgarage des Eurogresses angekommen. Auto ordnungsgemäß geparkt (Gott sei
Dank war vorne rechts was frei), und auf geht’s.
14.05 Uhr, Aachen Eingangshalle.
Stehe am Schalter des DAV und erkläre der netten
jungen Dame die Situation. Keine Papiere dabei, aber
eine Visitenkarte, die doch auch gehen müsste. Auf grund der Flexibilität der jungen Dame bekam ich
dann glücklicherweise ohne weitere Komplikatio nen das Namensschild überreicht.
14.10 Uhr, Aachen, immer noch Eingangshalle.
Der Kollege, mit dem ich mich treffen wollte hatte,
mir per sms mitgeteilt, dass er in Saal 1 zu finden
ist und wir uns doch dort treffen sollten. Alles klar,
denk ich mir, Saal 1 ist kein Problem.
Wo ist der Plan? Toll, Saal 1 gibt es gleich drei.
Na Klasse, Herr Kollege, sehr präzise. Wenn Sie so
Ihre Schriftsätze erstellen, brauchen Sie ne gute
Rechtsschutzversicherung, denke ich mir und ziehe
weiter.
14.20 Uhr, Aachen.
Anwalt Christian Röhl aus Augsburg auf dem DAT.
38
ADVOICE 02/10
Foto: Tobias Sommer
Immer noch kein Treffer. Naja, dann halt nicht. Der
Kollege wird sich schon melden. Werde mich jetzt
zum Saal der ARGE Informationstechnologie begeben und mal gucken, was dort los ist.
DAT 2010
14.23 Uhr, Aachen, Saal Berlin 3.
7.30 Uhr, Aachen, Hotel.
Die Preisverleihung.
Interessant, so ‘n Typ von einer Großklanzlei mit
nem Puma auf dem Briefkopf will uns was über
Twitter erzählen. Na dann schaun wir mal, ob der
was kann.
Der Wecker klingelt. Schlummerfunktion, aber das
kennen Sie ja bereits.
14.50 Uhr, Aachen, Saal Berlin 3.
Schei ... Schon wieder zu spät. Jetzt ab zack. Duschen, Klamotten an und ab geht’s.
Man stellt immer wieder fest, dass es Typen gibt,
die so viel geschafft haben und so eine überragende Lebensleistung erbracht haben, dass man
von sich selbst denkt, man sei eigentlich nur ein
ganz kleines Licht. Zwei solche Typen wurden heute
zurecht geehrt. Es war schön festzustellen, dass
beide sich selber auch eher als kleines Licht sehen
und nicht als die überragenden Persönlichkeiten,
die sie tatsächlich sind. Bescheidenheit ist wahre
Größe.
Ok. Der Typ kann was. Aber das Wappen ist trotzdem nix.
15.30 Uhr, Aachen, Saal Berlin 3.
Sehr interessant. Müntefering ist zurückgetreten
und ein gefälschter Twitter Account mit seinem
Namen spielte in diesem Zusammenhang eine nicht
unerhebliche Rolle. Auch weitere Promis wurden
schon Opfer von gefälschten Twittermeldungen.
Das eröffnet völlig neue Probleme in der Markenverteidigung, denke ich mir, um den Gedanken
schnellstmöglich wieder zu verwerfen. Oh Gott,
müssen wir jetzt alle Marken bei Twitter registrieren lassen oder zumindest kontrollieren, ob diese
bereits registriert sind? Und was dann? Lieber nicht
weiter drüber nachdenken.
16.30 Uhr, Aachen, Eingangshalle.
So das war s erstmal. Jetzt ‘n Bier und weiter versuchen, den Kollegen zu erreichen. Treffe zwar nicht
den Kollegen, aber den Rechtsanwalt Sommer von
der jungen Anwaltschaft. Quatsche ein wenig mit
ihm und – uups! Habe soeben zugesagt, einen
Artikel über den Anwaltstag zu schreiben. So war
das nicht geplant. Naja pacta sunt servanda.
18.00 Uhr, Aachen, Eingangshalle.
Der Kollege hat sich endlich gemeldet. Hatte sein
Telefon ausgeschaltet, weil er niemanden stören
wollte. Schon mal was von lautlos gehört, denke
ich mir.
8.30 Uhr, Aachen, immer noch Hotel.
9.00 Uhr, Aachen, Eurogress.
Ah, gerade noch pünktlich. Stelle fest, dass ich ‘ne
halbe Stunde zu früh da bin. Na super.
9.30 Uhr, Aachen, Saal Europa.
Die Hauptveranstaltung beginnt. Erstmal der Chef.
Naja, wir wollen nicht allzu kritisch sein, aber das
mit der Gebührenerhöhung hätte er ruhig noch eindringlicher behandeln können.
Frau Bundesjustizministerin.
Wie Sie richtigerweise betonten, sind Sie eine ExKollegin. Und als Ex-Kollege sage ich Ihnen, bitte
quatschen Sie nicht nur, sondern ändern Sie endlich diese haarsträubenden Regelungen Ihrer Vorgängerin.
Frau Ministerin.
Das darf doch wohl nicht wahr sein. Was ist das
denn für eine Schnarchnase! Das gibt es doch gar
nicht. Wie ist es möglich, ohne die kleinste Tonhöhenveränderung in monotonster Art und Weise
eine Rede aufzusagen, deren Inhalt mit nonsens
noch positiv beschrieben ist?
Oder anders gefragt: Ist es möglich, das Desinteresse an einer Veranstaltung besser auszudrücken, als durch eine solch unmotivierte
Vorstellung? Die Leute klatschen trotzdem.
Höflichkeit oder Mitleid?
Herr Oberbürgermeister.
Aber gut, kann ja nicht jeder in der ARGE Informationstechnologie sein (der Kollege ist bei der
ARGE Verkehrsrecht). Wir verabreden uns für den
nächsten Tag zu Hauptveranstaltung.
18.22 Uhr, Aachen, Tiefgarage.
Stelle in der Tiefgarage fest, dass der Parkplatz vorne rechts doch keine so glückliche Wahl war. 50
Euro wegen Parken auf einem Behindertenparklatz
ohne Sonderausweis. Werden mal morgen den
Kollegen fragen, was man da machen kann.
Und bei der ARGE Steuerrecht werde ich mich auch
mal erkundigen, ob man das irgendwie steuerlich
geltend machen kann als Sonderausgabe oder so?
Glaube aber irgendwie nicht wirklich dran.
Danke. Sie sind eine coole Sau. Die Rede war kurz
aber gnadenlos gut. Und auch noch mal Danke für
das gelungene Rahmenprogramm mit Länderspiel
und Karlspreisverleihung, welches die Stadt Aachen
für den DAT zu Verfügung gestellt hat. Die Rede
muss ich unbedingt dem Bürgermeister von Straßburg zukommen lassen.
Rednerwettstreit.
Eine Rede mit Bezug zur Kirche und das in dieser
Zeit. Mutig, aber hervorragend umgesetzt. Respekt
und Glückwunsch.
13.30 Uhr, Aachen, Eingangshalle.
Hunger. Stehe am Buffet an. Wie immer ganz hinten. Das hat man davon, wenn man sich taktisch
an der Eisbar anstellt, bevor man merkt, dass es die
falsche Schlange ist.
14.00 Uhr, Aachen, Konferenzraum 2.
ARGE Geistiges Eigentum & Medien. Der Vorsitzende der Wettbewerbskammer beim LG Köln spricht.
Hatte vorher gehört, er hätte einen glasklaren Stil.
Gibt es was Klareres als Glas, frage ich mich nach
seinem Vortrag.
Dann spricht die Kollegin von der Bundesnetzagentur. Ein Tipp aus Ihrem Vortrag: Falls Sie mal wieder
150 mal in zwei Stunden von einer Anrufmaschine
eines Callcenters angerufen werden und das mit
angezeigter Nummer, dann melden Sie es doch bitte
der Bundesnetzagentur.
Falls die Nummer nicht angezeigt wird, können die
leider auch nichts machen. Gut das man jetzt per
Gesetz die Nummer anzeigen muss. Falls man sie
nicht anzeigt, gibt es nämlich Bußgeld. Vorausgesetzt, man findet endlich heraus, wie man die Typen
ohne Nummer überhaupt findet!
18.00 Uhr, Aachen Tiefgarage.
Ende des Anwaltstages. Mein Auto war richtig geparkt, aber der Parkzettel war irgendwie weg.
19.00 Uhr, Aachen.
Frau Kommissarin.
Hochachtung. Eine sehr interessante und spannend vorgetragene Ausführung zu Ihren Vorstellungen. Wir können uns glücklich schätzen, dass
Sie diesen Posten innehaben, zumindest dann,
wenn Sie das umsetzen, was Sie angekündigt
haben.
Habe endlich jemanden gefunden, der mir helfen
kann. Muss nur 30 Euro Strafe zahlen. Werde den
Kollegen von der ARGE Verkehrsrecht fragen, ob er
auch ‘ne Flatrate Beratung anbietet.
RA Christian M. Röhl, Augsburg
ADVOICE 02/10
39
DAT 2010 Impressionen
Fotos: Andrea Vollmer, Andreas Burkhardt, Tobias Sommer, Patrick Ruppert
Zwischen dem Veranstaltungsmarathon –
Abspannen in der Lobby.
Wer zeigt hier wem die gelbe Karte? Niemand, das ist die Mitgliederversammlung des FORUMs.
Hier wird ordentlich abgestimmt über Haushalt, Rechnungsprüfung, Ehrenmitgliedschaften und vieles andere.
Christel Hahne wurde auf der Mitgliederversammlung
die Ehrenmitgliedschaft im FORUM verliehen.
Eintracht am Eis: GfA-Mitglied Wolfram Schlosser sowie
AdVoice-Redakteure Percy Ehlert und Stefanie Salzmann.
Stimmung bei der Stimme Junger Anwälte: Frank
Röthemeyer und Ilka Spriestersbach am Stand des FORUMs.
Blick ins Präsidium. Helge Heiner bei der Lösung
technischer Probleme.
Der große Saal im Aachner Eurogress war während zahlreicher
Veranstaltungen gut gefüllt.
Die Stimme junger Anwälte in Papierform. Die AdVoice ging
gut über den Ladentisch.
Hauptsache, er glaubt nicht alles, was auf der Tüte steht.
Kinderfreundlich: Familie Holtkamp aus Münster mit Sohn Roman.
Gute Laune am Stand des FORUMs Junge Anwaltschaft.
40
ADVOICE 02/10
Impressionen DAT 2010
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
während ihrer Rede in der Hauptveranstaltung des DATs.
Überraschungsgast bei der Mitgliederversammlung des FORUMs:
DAV-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer.
Vereinte FORUMs-Aktivisten: Oliver Allesch,
Ilka Spriestersbach und Wolfram Schlosser.
Siegerin des Rednerwettstreites: RAin Simone Hiesgen
aus Hattingen durfte ihre Rede noch einmal vor großem
Publikum halten.
FORUMs-Mitglied Dominikus Zohner bei seinem Seminar
„Rhetorik für junge Rechtsanwälte.“
Carolin Ott, im GfA zuständig für Fortbildung, hat die
FORUMs-Fortbildungen beim DAT organisiert.
Bei der Kinderbetreung: Denkt hier auch einer an die
Grundrechte des Schmetterlings und seiner Artgenossen?
Ein bisschen uniform - die Bein-Styles. Aber wenigsten
waren die Schuhe alle auf Hochglanz poliert.
Wenn andere sich schon am Rande des Nervenzusammenbruchs bewegen, behält Linda Schwarzer ihre gute Laune.
Anwältinnen lassen sich nicht eintüten.
Erleuchtung im großen Saal bei vielen guten Vorträgen.
Kurze AdVoice-Redaktionskonferenz im Pressebereich.
ADVOICE 02/10
41
DAT 2010
Gut, dass wir drüber geredet haben
Ein betont subjektiver Streifzug über den DAT in Aachen
Sehen und gesehen werden, auch das ist Kommunikation. Uwe Scherf berichtet von seiner Arbeit
mit Gehörlosen. Bei seinem ersten Vortrag vor
einem solchen Publikum hatte es ihn noch irritiert,
dass die Leute permanent an ihm vorbei guckten.
Neben ihm stand der Gebärdendolmetscher.
den Richter. Der Konflikt wird durch Entscheidung
beendet. Ist diese unbefriedigend, sind die anderen
schuld. Ein anderes Modell ist die interessenorientierte Klärung. Gelingt das, wird der Konflikt gelöst
und nicht entschieden. Die Gefahr dabei ist, dass
man selber Verantwortung für das Ergebnis trägt.
Was alles schief gehen kann beim Sprechen und
Hören, dass zeichnet Ina Pick auf. Sie schneidet Gespräche zwischen Anwalt und Mandant mit und
wertet aus, welche sprachlichen Muster kennzeichnend sind. Anwalt und Mandant können hartnäckig
aneinander vorbei reden, z. B. wenn der Mandant
nicht so genau weiß, was er möchte und der Anwalt
nicht weiß, dass seine Aufgabe auch ist, dem
Mandanten dabei zu helfen, es herauszufinden.
Auf der Bühne der Kongresshalle steht ein einsames
Männeken. Das ist Herr Kessen. Er erklärt, was es
auf sich hat mit Empathie und wie man Verständnisräume schafft und da auch rein kommt. Man
muss eine gemeinsame Wahrheit definieren, das
hat ein Herr Habermas rausgefunden. Und sollte
dem anderen Argumente bieten, die valide und neu
sind. Dann kann's was werden mit der Verständigung. Wenn der Kuchen beim besten Willen nicht
mehr größer zu machen ist, muss er verteilt werden.
Das ist eine distributive Situation und darüber
spricht Christian Duve. Er empfiehlt kompetitives
Verhandeln und die Entschlossenheit, ein möglichst
großes Stück abzubekommen. Gut vorbereitet sollte
man sein und dem anderen objektive Gründe nennen können, warum der eigene Anteil so groß zu
sein hat. Die Drohung, den Kuchen im Zweifel ganz
alleine aufzuessen, sollte man nur vorbringen, wenn
man wirklich dazu bereit und in der Lage ist.
Andere Leute gehen in den Zirkus, Anwälte gehen
zu Kleine-Cosack. Ein zorniger Clown, sein Anliegen
verschwindet in einem Feuerwerk garstiger Pointen. Die Deutschen Anwälte verstecken sich in ihrer
Fachsprache, sind empathie- und humorunfähig.
Aus Sprachunfähigkeit folgt Geistlosigkeit. Ganz arg
wird es werden mit der bloggenden und facebookenden Computergeneration. Also Leute, wir sind der
endgültige Untergang der Deutschen Anwaltschaft.
Man kann nicht …
Von der Verhüllung des ICH spricht Reiner Ponschab. Sprachliches Mittel der Entpersönlichung ist
der Fachjargon, optisches Mittel die Robe. Wer die
juristische Bearbeitung eines Konflikts wählt, wählt
Delegation: an die Rechtsabteilung, die Anwälte,
… nicht kommunizieren!
Über den Lieblings-Kuchen der Anwälte, nämlich
das Honorar, sprechen die Kollegen Kindermann
und Schwackenberg. Transparenz sei das zentrale
Stichwort. Der Anwalt solle dem Mandanten die
eigene Leistung nachvollziehbar darstellen. Die
Kommunikation im Kampf ums Recht - so der Titel des diesjährigen Anwaltstages.
42
ADVOICE 02/10
Höhe des Stundensatzes allerdings, die hat der
Anwalt festzusetzen. Er teilt dem Mandanten –
frühzeitig! – den Stundensatz mit, aber er rechtfertigt ihn nicht!
Zwischendurch AdVoice-Redaktionssitzung. Immer
reden zwei Mitglieder der Redaktion gleichzeitig. Ob
jemand zuhört, ist nicht wichtig. Ebenfalls zwei sind
auf irgendeinen Bildschirm fixiert. Jemand ist auf
dem Klo oder holt sich einen Tee. Mit aktivem Zuhören und Empathie hat das wenig zu tun. Trotzdem gibt es am Ende ein gemeinsames Konzept –
ein parapsychologisches Phänomen?
Beherrschen Computer das aktive Zuhören? Am
Stand eines Anbieters von Diktiersoftware suche ich
das klärende Gespräch und stelle fest: Einige Äußerungen interpretiert der Rechner zwar eigenwillig,
aber ich sehe mich doch weitgehend verstanden.
Würde ich noch ein wenig Zeit in die Verständnissicherung investieren, ließe sich das Ergebnis angeblich noch deutlich verbessern.
Zur Mitgliederversammlung des FORUM beehrt der
DAV-Präsident die Runde. Lebhaft wird anschließend über seine Motive spekuliert. Das Gespräch
entwickelt sich zu einer angeregten Diskussion, wie
die Interessen der FORUM-Anwälte in der Gremienarbeit noch wirksamer geltend gemacht wer den könnten. Eher unscharf bleibt, was diese
Interessen wohl sein könnten.
RA Percy Ehlert, Berlin
Fotos: Andrea Vollmer
DAT 2010
Netzwerk, Netzwerk, Netzwerk ...
Regionalbeauftragte und ihr DAT
Für mich war der 61. DAT in Aachen ein fachlich
konstruktiver Gedankenaustausch und zugleich die
Möglichkeit, nette Kolleginnen und Kollegen in
einem gut organisierten Umfeld zu treffen und
somit Kontakte und Netzwerke auszubauen.
RA Christian Semmler, Würzburg
Der Anwaltstag war für mich eine schöne Gelegenheit, Kolleginnen und Kollegen aus dem ganzen
Bundesgebiet zu treffen und gemeinsam zu überlegen, wie wir auch in Zukunft den Standard einer
unabhängigen Anwaltwaltschaft halten können
und die vielfältigen Fähigkeiten kommunizieren.
RAin Juliane Hilbricht, Solingen
auf sehr angenehme Weise seine Netzwerke ausbauen und Kontakte knüpfen. Außerdem hat mir
der Aachener Dom sehr gut gefallen, den ich bei
dieser Gelegenheit besuchen konnte …
Ergo: Der Weg zum DAT lohnt sich immer! Für alle
neuen RB´s oder die, die noch nicht da waren: Wir
sehen uns hoffentlich beim nächsten DAT!!!
RAin Elena Jeuschede, Soest
Das Abhalten eines Körpersprache-Workshops mit
aktiven Teilnehmern, das Arbeiten für die zwei besten Arbeitsgemeinschaften des DAV, das Treffen
mit drei lieben Verwandten, das volle Programm an
vier Tagen – und zahllose gute Gespräche!
RA Karsten U. Bartels LL.M.
Der DAT war auch dieses Jahr wieder eine hervorragende Gelegenheit, sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Das Motto „Kommunikation“
war also sehr passend und gut gewählt ...
RAin Silke Waterschek, Heilbronn
Wie jedes Jahr bin ich mit Vorfreude auf das Wiedersehen mit netten Kollegen hingefahren und wie
jedes Jahr kamen neue Kontakte hinzu. Ein angenehmer Rahmen für Fortbildung und Austausch.
RAin Theresa Nentwig, Arnstadt
Der Anwaltstag, aber auch die Stadt Aachen mit
ihrer Geschichte, war auf jeden Fall eine Reise wert.
Auch nächstes Jahr bin ich dabei. In vielen Einzelgesprächen mit Kollegen wurde mir deutlich, dass
offensichtlich jeder Anwalt mit bestimmten Problemen zu kämpfen hat. Das ist für mich, eine
Berufsanfängerin, ein beruhigender Gedanke. Im
normalen Anwaltsalltag ist kaum ein Kollege bereit,
über seine Schwächen zu sprechen. Beim Anwaltstag kommt man sich – spätestens am zweiten
Abend – deutlich näher. Am eindrucksvollsten in
diesem Zusammenhang ist der Kommentar eines
70-jährigen Kollegen, der lapidar meinte: „Ich habe
noch heute Angst, wenn ich vor dem OLG auftrete.“
RAin Angela Hubert, Schwäbisch Gmünd
Der Anwaltstag gibt mir Motivation, mich weiter
als Regionalbeauftragter und Vorstandsmitglied
des örtlichen Anwaltsvereins für die Belange der
Kollegen und den Berufsstand einzusetzen. Es wäre
prima, wenn beim nächsten Anwaltstag noch mehr
junge Kollegen teilnehmen.
Anwaltstag bedeutet für mich immer die Gelegen heit, mit Kollegen außerhalb des regionalen Bereiches interessante Gespräche zu führen und
diverse Kontakte zu knüpfen. Die jeweils mit pro minenter Besetzung versehenen Zentralveranstaltungen geben einen Einblick in die Arbeit der
Gremien und deren Wirkung auf die Politik. Auch
die Möglichkeit der Fortbildung nutze ich gerne.
Leider waren Karten für den Begrüßungsabend
nicht mehr erhältlich, da dieser wegen einer viel
zu gering veranschlagten Teilnehmerzahl schnell
ausverkauft war.
RA Frank Röthemeyer, Balingen
Der DAT in Aachen bot mir mal wieder die beste
Möglichkeit, Netzwerke zu bilden, auszubauen und
zu pflegen. Man traf Kollegen aus nah und fern,
führte gute Gesprächen und erhielt neuen Input
für die anstehende Alltagstätigkeit. Lediglich das
Fortbildungsprogramm riss mich nicht vom Hocker,
aber dafür gibt es ja wieder andere Angebote.
Gerade in unserem Beruf sind der Austausch mit
anderen und der Aufbau eines Netzwerkes sehr
wichtig. Beides gab es beim DAT reichlich.
RAin Astrid Ackermann, Frankfurt/M.
Für mich hatte der 61. DAT zwei Highlights und
einen Stromausfall. Highlights waren zum einen
die wirklich guten und zum Thema passenden
Schwerpunktveranstaltungen, zum anderen aber
auch die Möglichkeit, auf der Advotec iPads auszuprobieren und die Zukunft live zu erleben.
Stromausfall waren aber die Rahmenveranstaltungen. Warum man z. B. die Advo-Disco in einer
muffigen Kellerdisco abhalten muss, erschließt sich
mir bei den vielen Locations in Aachen nicht
wirklich. Bin in Straßburg wieder dabei.
RA Oliver Allesch, Essen
Für mich war es als RB aus Hagen das erste Mal,
beim DAT dabei zu sein. Mir persönlich ist die
wirklich schlechte Organisation des Events und
insbesondere die des Rahmenprogramms aufgefallen. Wie bei einer Veranstaltung, zu der rund
1.500 Gäste erwartet werden, nur so wenige Karten
für die Abend- und Rahmenveranstaltungen vor handen sein können, die allesamt längst vergriffen
waren, ist mir ein Rätsel. Viele andere RBs haben
mir bestätigt, dass die Organisation im Vergleich
zu anderen Anwaltstagen zu wünschen übrig ließ.
Die Leute vom Forum kennenzulernen und das RBEssen am Freitag waren demgegenüber wirklich
nett. Ich werde sicher wiederkommen, in der Hoffnung, dass beim nächsten DAT manches besser
läuft. Insgesamt war es ein rundes Wochenende.
RAin Sonka Mehner-Heurs, Essen
Für mich mit Abstand das Beste am DAT sind der
Kontakt und gedankliche (Erfahrungs-)Austausch
mit jungen Kolleginnen und Kollegen, sei es am
Forums-Stand oder beim Frühstück im Hotel.
Außerdem hat mich diesmal beim 61. DAT total gefreut, dass ich zwei (!) Minuten vorher durch reinen
Zufall bemerkte, dass ein sehr guter alter Freund von
mir aus Ungarn, den ich wirklich sehr selten sehe,
gleich einen Vortrag einen Raum weiter halten wird.
Anwaltstag, das bedeutet für mich: viele Leute, viele
Veranstaltungen, Anregungen und Ideen. Man trifft
alte Bekannte, E-Mails bekommen ein Gesicht, man
unterhält sich mit den verschiedensten Kollegen;
zwischen Fortbildungen, Standdienst und RB-Treff
erzählen die einen von den neuesten AdvoTecWerbeartikeln und die anderen davon, wie ihnen
der Begrüßungsabend gefallen hat. Anschließend
geht es mit RB-Treffen, -Abendessen und AdvoDisco weiter, bevor der DAT am Samstag mit einem
Gang durch die Stadt und der einen oder anderen
Besichtigung ausklingt.
RA Gerrit Binz, Trier
RA Malte Dedden, Kehl
RAin Carolin Ott, Landshut
RA Marc Y. Wandersleben, Hannover
Der DAT in Aachen hat mir aus zwei Gründen be sonders gut gefallen: Es war wie immer schön, die
„RB’s aus allen Ecken“ wiederzusehen. So kann man
Als neue Regionalbeauftragte habe ich mich sehr
gefreut, auf dem DAT so viele und so nette Kolle ginnen und Kollegen aus dem FORUM kennenzulernen.
Aus Platzgründen konnten wir leider nicht alle Beiträge
von Euch veröffentlichen. Danke für Euer Verständnis.
ADVOICE 02/10
43
DAT 2010
Sind vor Gericht alle gleich?
Großes Interesse
Rolle und Aufgabe der Medien im Recht
Junge Insolvenzrechtler
Man konnte sie spüren, die Spannung, die in der
Luft lag. Kein Wunder, saßen auf dem Podium
doch zwei Parteien, die nicht unterschiedlicher
hätten sein können. Juristen versus Presse. Da
sage noch mal einer, Recht sei öde, trocken und
langweilig.
Auf dem diesjährigen Anwaltstag hatten die Jungen
Insolvenzrechtler erstmals Gelegenheit, sich einem
größeren Publikum vorzustellen. Die neunzigminütige Veranstaltung begann mit einer Einführung,
in der Rechtsanwältin Ilka Spriestersbach über die
Gründung der Gruppe und die Motive dafür
berichtete. Anschließend erläuterte Rechtsanwältin
Gabriele Janlewing die Chancen junger Anwälte im
Bereich der außergerichtlichen Beratung und das
Thema Verbraucherinsolvenz anhand von aktuellen
Statistiken, bevor Rechtsanwalt Marco Martin den
Bereich Insolvenzverwaltung darstellte und die
fachlichen wie organisatorischen Voraussetzungen
für die Verwaltertätigkeit erläuterte. Anschließend
konnten die Zuhörer die Themen in der von
Rechtsanwalt Johannes Frenzel moderierten
Fragerunde vertiefen, wobei die rege Teilnahme ein
großes Interesse an der insolvenzrechtlichen Tätigkeit und der Arbeitsgruppe Junge Insolvenzrechtler
widerspiegelte.
Auf dem Podium haben Axel Spilcker (FOCUS), Dr.
Nicolaus Fest (Mitglied der Chefredaktion BILD),
Rechtsanwalt Johann Schwenn (Hamburg), Rechts anwalt Dr. Ferdinand Gillmeister (Freiburg – Moderator), Giesela Friedrichsen (DER SPIEGEL) und
Richter am OLG Ottmar Breidling (Düsseldorf) Platz
genommen und diskutieren zum Thema „Kontrolle
der Justiz durch die Presse“.
Wann darf in welcher Form über Ermittlungsverfahren berichtet werden? Darf Presse eigenständig
ermitteln, Zeugen befragen oder gar Täter überführen, wie in dem so genannten Holzklotzfall? Da
hatte eine Journalistin den Hauptzeugen und tat sächlichen Täter überführt, in dem sie ihn bat, mit
ihr zum Tatort zu gehen. Dort hatte sie ihn dann
gebeten, ihr doch zu zeigen, wie der Täter den
Holzklotz auf die Autobahn geworfen hatte. Das
tat der dann und zwar so echt, dass die Journalistin
fragte, ob er es nicht selber gewesen sei. Schließlich
wurde der Zeuge als Täter überführt.
Die Journalistin wurde in Ihrer Redaktion gefeiert
– sie hatte die Sensation geliefert. Nur, welchen
Einfluss haben solche „Geständnisse“ auf den Prozess? Immerhin haben Bilder, die den Täter zeigen,
wie er den Holzklotz auf die Autobahn wirft eine
viel gewichtigere Wirkung, als die bloße Aussage
im Gerichtssaal „Ja, ich war’s.“ Die, die später urteilen sollen, bekommen die ganze Schrecklichkeit der
Tat direkt via Fernsehbild präsentiert. Und – hätte
der Täter unter anwaltlicher Beratung ein Geständnis mit dieser Wirkung abgegeben? Keine Frage –
dem Gerechtigkeitsempfinden der Öffentlichkeit ist
Genüge getan. Sie verurteilt den Täter für seine
schreckliche Tat – die sie ohne Zweifel war.
„Es ist nicht unsere Aufgabe, Gehilfen der Staatsanwaltschaft und der Polizei zu sein“, distanziert sich
Gisela Friedrichsen vom SPIEGEL von der Art der
Berichterstattung bzw. dem Ergebnis. Schließlich
war der Film wichtiger Grund für das spätere Urteil.
Doch sollen vor Gericht nicht alle gleich behandelt
werden? Verdient nicht auch der Täter einen unabhängigen fairen Prozess? Oder darf es etwa bei der
Strafzumessung eine Rolle spielen, ob die Presse
einprägsame Bilder geliefert hat oder nicht?
44
ADVOICE 02/10
Der Vertreter der Richterschaft auf dem Podium,
Richter am OLG, Ottmar Breitling, berichtet, dass
er sich nicht von der Berichterstattung beeinflussen lässt. Er mache sich sein Bild in der Verhandlung. Ich glaube ihm das. Nur, welches Bild bekommt er geliefert in der Verhandlung? Wie frisch
und unvoreingenommen ist zum Beispiel ein Zeuge, der vorher in zig Interviews den Fall geschildert
hat, auf Nachfragen alles immer blumiger schilderte? Was von dem, was er dann in der mündlichen Verhandlung schildert, ist noch objektive
Wahrnehmung und was kam später hinzu. Schließlich erhalten auch Zeugen durch Medienberichterstattung Informationen. Mit Hilfe derer machen
sie sich ein Bild.
Dem gegenüber besteht das berechtigte Interesse
der Öffentlichkeit, informiert zu werden. Diesem
Auftrag folgt die Presse. Und wenn die z.B. keine
brauchbaren Informationen von Pressesprechern
der Polizei oder Justiz bekommt, müsse sie auf eigene Quellen zurückgreifen. Der Leser wolle Hintergründe. Die bekomme man eben nicht vom Pressesprecher der Polizei, so Axel Spilcker vom FOCUS.
Und noch etwas wird deutlich – Es gibt gute und
weniger gute, sowohl Juristen als Journalisten. An
der Stelle spürt man sie wieder die Spannung im
Saal. Denn RA Johann Schwenn macht keinen Hehl
daraus, was er von der Art der Berichterstattung des
Blattes des Journalisten zu seiner Rechten, Herrn Dr.
Nicolaus Fest hält: „Bei BILD wird das Schlechte zum
Prinzip.“ Er erntet Beifall. Der Angegriffene nimmt
es gelassen – noch. Einige deutliche Worte später
reicht es ihm: „Ich habe heute ziemlich viel Kreide
gefressen – aber jetzt reicht es mir langsam.“
Der Anwalt hatte die These aufgestellt, dass nicht
in der gebührenden Form über das spätere Ergeb nis berichtet werden würde, besonders, wenn es
nicht mit der vorherigen Berichterstattung konform geht. Das widerlegte der Journalist mit Fakten
und Beispielen – nur so richtig durchgedrungen ist
er damit nicht. Warum eigentlich?
Ein Erklärungsversuch: Die im Saal hatten ihr
vorgefertigtes Bild, sahen den reißerischen BILDArtikel über den Mordprozess vor sich, bei dem eine
Verurteilung des vermeintlichen Täters an erster
Stelle steht. Dass auch hinter diesem Artikel sau bere Recherche stehen soll, passt da nicht ins Bild
– so wie der Teilfreispruch des Mörders.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
RA Malte Dedden, Kehl
Horst Piepenburg, Vors. der ARGE
Insolvenzrecht und Silke Waterschek. Foto: A. Schiller-Mönch
Mitglied für 10 Euro
Für Mitglieder des FORUM Junge Anwaltschaft
bietet die ARGE Insolvenzrecht eine „Juniormitgliedschaft“ zu einem Jahresbeitrag von 10
Euro an. Weitere Voraussetzungen sind die Mitgliedschaft in einem örtlichen Anwaltsverein,
die Zulassung als Rechtsanwalt sowie das Unterschreiten der Altersgrenze von 40 Jahren. Die
Juniormitgliedschaft ist auf fünf Jahre befristet.
FORUM
Junge
Anwaltschaft
im DAV
Das FORUM ist:
Die Stimme der jungen Anwälte.
Eine der größten Arbeitsgemeinschaften
innerhalb des Deutschen Anwaltvereins
(DAV).
Das Forum bietet:
Fortbildungen. Netzwerke.
Lobby. Starthilfe.
Antworten und Hilfe
für den Berufsstart und die ersten
Berufsjahre.
Eine Mitgliedschaft zahlt sich aus:
Vorteile für alle Anwälte, Assessoren
und Referendare bis 40 Jahre
(Diese Vorteile bietet nur das FORUM
Junge Anwaltschaft.)
Kostenlos:
Anwaltsmagazin AdVoice
Mit Schwerpunktthemen,
Erfahrungsberichten
Unterhaltsames und Wissenswertes aus
der Anwaltschaft, Mitgliederinformationen
und natürlich viel Service: Checklisten,
Fachanwaltssteckbriefe, Steuerinfos, Tipps
zur Haftungsvermeidung u. v. m.
Vertretung der Interessen
der jungen Anwaltschaft in der
Berufspolitik und der anwaltlichen
Selbstverwaltung
Teilnahme an der Mailingliste,
fachliche Unterstützung durch Kollegen,
Antworten auf fast jede Frage des
Anwaltsalltags, Terminvertretungen,
Fällen von Kollegen
VORTEILE
für alle, die (noch) nicht im DAV sind
günstige Konditionen für die
Berufshaftpflichtversicherung
Mit HDI-Gerling besteht ein Abkommen
mit hohem Sparpotenzial exklusiv für
FORUMsmitglieder
Fortbildung:
eigene Seminare und günstigere
Konditionen bei anderen Anbietern
z. B. Mitglieder-Rabatt teilweise bis zu
50 % bei der Deutschen AnwaltsAkademie
Netzwerk und Erfahrungsaustausch
national
Regelmäßige Stammtische in den allen
LG-Bezirken. Kontakte zu örtlichen und
überörtlichen jungen Kolleginnen und
Kollegen. Regionalbeauftragte als
Ansprechpartner, die Euch gern vor
Ort weiter helfen.
Netzwerk international
Länderbeauftragte als Ansprechpartner bei
grenzüberschreitenden Rechtsproblemen.
Kontakte zu internationalen
Organisationen junger Anwälte und
Mitgliedschaft in der European Young
Lawyers Bar Association.
Vergünstigte Teilnahme
bei Veranstaltungen, z. B. beim Deutschen
Anwaltstag und Anwaltstagen der Länder
Kostenlos: 11x jährlich das Anwaltsblatt
günstige Konditionen des DAV
(http://anwaltverein.de/leistungen/rabatte)
· Auto & Verkehr: z.B. Sonderboni beim
Autokauf, vergünstigte Mietewagen
· Hotels: Mitgliederrabatte des
DAV in vielen Hotels
· Fortbildung/Webdienste: z.B. juris DAV
· Kommunikation: Rahmenabkommen
für Mobilfunk-Rabatte
· Versicherungen: z. B. bei der
Krankenversicherung und
Altersversorgung
Rahmenabkommen für kostenlose
Kreditkarten
NJW-Abo-Ermäßigung um 22 € jährlich
(Referendare erhalten vom Verlag weitere
Ermäßigungen)
VORAUSSETZUNGEN
für eine Mitgliedschaft:
Anwältin/Anwalt unter 40 Jahren,
Referendare und Assessoren
Jährlicher Mitgliedsbeitrag 50,00 €
Ermäßigungen auf 25,00 €:
1. bei Eintritt ab Juli eines Jahres
2. für Mitglieder eines dem DAV
angeschlossenen Anwaltvereins
Beitritt online: www.davforum.de/anmeldung
✓
Euer FORUM
NEWS
Traineelohn, Depressionen und Frauenquote
Neue Informationspflicht
Seit dem 17.05.2010 müssen auch Rechtsanwaltskanzleien bei ihrem Internetauftritt die neuen
Kennzeichnungsregeln der Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV) beachten.
Neu ist mit der Gesetzeseinführung, dass nunmehr
zwingend unter Namensnennung auf die bestehende Berufshaftpflichtversicherung hingewiesen
werden muss. Bindend ist insbesondere auch, dass
vor der Mandatsübernahme klar verständliche Angaben zum Preis der Dienstleistung dem Kunden
zugehen müssen. Es steht schon jetzt zu befürchten, dass innerhalb der Anwaltschaft die Gefahr
wächst, von Mitbewerbern bereits wegen geringfügiger Verstöße gegen die DL-InfoV abgemahnt zu
werden.
BGH: Kein Renolohn für Anwälte
Die Bedingungen für die Beschäftigung eines angestellten Anwalts sind jedenfalls dann unangemessen, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen,
welches einen objektien Verstoß gegen die guten
Sitten nach § 138 BGB begründet. Bei einem Berufsanfänger ohne besondere Spezialisierung, ohne
besondere Zusatzqualifikationen und ohne Prädikatsexamen ist das der Fall, wenn statt eines im Jahr
2006 üblichen durschnittlichen Einstiegsgehalts
von 2.300 Euro allenfalls 1.250 Euro gezahlt werden. Bei einem geringer qualifizierten Bewerber ist
das der Fall, wenn die Vergütung sogar das durchschnittliche Anfangsgehalt eines Rechtsanwaltsund RENO-Fachangestellten unterschreitet. BGH,
Beschl. v. 30. 11.2009 – AnwZ (B) 11/ 08 zu BRAO §
43 Satz 2; BORA § 26 (Leitsatz der Redaktion
Anwaltsblatt) *
Traineelohn sittenwidrig: Rechtsanwaltskanzleien
müssen Berufseinsteiger vernünftig entlohnen. Der
BGH erteilte somit den Bestrebungen einer Kanzlei
aus Hamm eine klare Absage, junge Rechtsanwälte
als Trainees einzustellen und sie kaum über
Referendarsniveau zu bezahlen. Ein angemessenes
Salär, das entschied im Vorfeld die Anwaltskammer
Hamm, liege nicht bei 1.000 € monatlich, sondern
bei rund 2.300 € (brutto). Der Kammerhinweis
orientierte sich hierbei an dem Lohn, den ausgebildete Kanzleifachkräfte im Durchschnitt erhalten. Die übliche monatliche Vergütung für solche
Fachkräfte in Deutschland liegt nämlich zwischen
1.200 € und 1.500 €.
* Im Volltext abgedruckt im Anwaltsblatt 6 / 2010,
Seite 440
Depression, aber richtig
Beruft sich ein Rechtsanwalt im Wiedereinsetzungsverfahren bezüglich Entzugs der Anwaltszulassung
darauf, dass er die ihm von der Anwaltskammer
gesetzte Frist aufgrund depressiver Erkrankung
verpasst hat, so muss er diese glaubhaft nachweisen. Vor dem Senat für Anwaltssachen des BGH
gelang dem Antragsteller nicht, dies plausibel zu
machen. Die Richter hielten seinen Vortrag für
widersprüchlich, weil der Rechtsanwalt vortrug, einerseits ohne Beeinträchtigung anwaltlich habe
arbeiten, andererseits aber nicht die Schreiben der
Anwaltskammer krankheitsbedingt habe öffnen
können. Auch hätte er sich wegen vorgeblicher Depression in speziell fachärztliche Obhut und nicht
zum Hausarzt, der Allgemeinmediziner war, begeben müssen. (BGH-Beschluss vom 31.03.2010, Az.
AnwZ (B) 107/09)
Fachanwälte erfolgreich am Markt
Die Zahl der Fachanwälte in Deutschland steigt
weiterhin stark – seit 2003 hat sich die Zahl der
von den RAKs verliehenen Fachanwaltstitel auf fast
36.000 mehr als verdoppelt. Sie agieren besonders
erfolgreich im Rechtsdienstleistungsmarkt. Dies ist
das zentrale Ergebnis einer Studie, die das Soldan
Institut für Anwaltmanagement auf dem diesjährigen Anwaltstag vorstellt. Mit dem Erwerb
eines Fachanwaltstitels verbinden Rechtsanwälte
vor allem die Ziele einer weiteren fachlichen Qualifizierung und der Durchsetzung oder Vertiefung
einer bereits vorhandenen Spezialisierung am
Rechtsdienstleistungsmarkt. Darüber hinaus versprechen sie sich auch wirtschaftlichen Erfolg in
Form der Steigerung ihrer persönlichen Honorarumsätze. Die Untersuchung zeigt, dass diese Ziele
weit gehend er- reicht werden.
Rundfunkfreiheit gilt für Newsletter Netz
Ein Newsletter, der das Ergebnis einer redaktionellen Tätigkeit ist, genießt den Schutz der Rundfunkund Meinungsfreiheit. Das hat das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, Aktenzeichen: 6 U 48/09)
entschieden. Das gilt auch in Fällen, in denen der
Newsletter zugleich Werbung enthält. Werbung sei
sowohl im Rundfunk als auch in der Presse üblich,
so die Richter. Dennoch besteht der Schutz nicht
schrankenlos. Äußerungen über einen Mitbewerber,
die außerhalb eines Wettbewerbsverhältnisses erlaubt wären, können beispielsweise trotzdem un zulässig sein. Denn neben der Rundfunkfreiheit gilt
auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Und das verbietet herabsetzende oder
verunglimpfende Äußerungen über Mitbewerber.
Schreibt uns!
Über welche Entscheidungen, die für Anwälte
interessant sind, seid Ihr gestolpert?
> [email protected]
Termine
11. September 2010
Frankfurt/Main
„Bürger und Unternehmer fragen
Anwälte“ Deutsche Anwaltsmesse
17. /18. September 2010
Göttingen
11. Deutscher Medizinrechtstag
8. September 2010
Ulm
14. Dezember 2010
Hannover
FORUM + 3
Anmeldung über:
Deutsche Anwaltsakademie
Tel.: 030 / 726153-181
[email protected]
www.anwaltakademie.de
5./6. November 2010
Düsseldorf
Berufseinsteigerforum
„Start in den Anwaltsberuf“
Anmeldung über:
DeutscheAnwaltAkademie
Tel.: 030 / 726153-181
[email protected]
www.anwaltakademie.de
2.- 4. Juni 2011
Straßbourg/Elsaß
62. Deutscher Anwaltstag
ADVOICE 02/10
47
15 Jahre FORUM
Das Netz trägt
Nach 15 Jahren kann das FORUM auf tragfähige Strukturen bauen
Nach vorne blicken oder doch zurück – stolz auf
in 15 Jahren Erreichtes? Sowohl als auch, da waren sich die Laudatoren des „Geburtstagskindes“
FORUM Junge Anwaltschaft und die Teilnehmer
am Festakt der 15-Jahr-Feier in Berlin einig. Ist
das FORUM Junge Anwaltschaft noch pubertär
oder doch schon erwachsen?
Letzteres ist richtig, und zwar seit Jahren schon.
Unter dem Dach des DAV hat es nach der Gründung
seinen festen Platz schnell gefunden. Die Strukturen
sind tragfähig und effizient. War es abzusehen, dass
das Forum Junge Anwaltschaft als ARGE des DAV so
erfolgreich werden würde? Nicht zwingend. Es gab
durchaus Skeptiker, was der ehemalige Präsident
des DAV, Rechtsanwalt Hartmut Kilger, in seiner
Rückblende freimütig einräumte. Schnell wurde er
allerdings ein echter Fan und erkannte den Wert
eines fachgebietsübergreifenden deutschlandwei ten Netzwerkes junger Kollegen.
Das FORUM Junge Anwaltschaft war dank des Engagements insbesondere der Gründungsmitglieder
von Anfang an gut aufgestellt und kann, so der
Präsident des DAV Prof. Dr. Wolfgang Ewer in seinem Grußwort, auf eine sehr erfolgreiche Bilanz in
den 15 Jahren seines Bestehens zurückblicken. Hilfreich von Anfang an war die konsequente Nutzung
der damals noch „neuen Medien“, welche direkte
Kommunikationswege eröffneten.
Konstruktiv konnte und kann zu vielen rechtspolitischen Themen und mit starken inhaltlichen Impulsen in der anwaltlichen Interessenvertretung
unter dem Focus auf die junge Anwaltschaft beigetragen werden. Von seinem Benennungsrecht und
der sonstigen Mitwirkung in den Gremien der anwaltlichen Interessenvertretung macht es intensiv
Gebrauch. Die professionelle Arbeit wird, so Ewer,
wahrgenommen und sehr geschätzt.
In der aktuell angestrebten Reform der Fachanwaltsordnung konnte sich das FORUM mit seiner
seit Jahren erhobenen Forderung auf eine Reduzierung der Anforderungen an die nachzuweisenden praktischen Kenntnisse beim Erwerb eines
Fachanwaltstitels Gehör verschaffen. Bereits 2006
hatte nach einer Umfrage unter den Mitgliedern
das FORUM Junge Anwaltschaft zu den drängenden
Problemen der Fachanwaltschaften Stellung bezogen. Die derzeit faktisch bestehende „Closed-jobSituation“ wegen der in Teilbereichen kaum zu
erreichende Fallzahlen wird durch eine Reduzierung
der z. T. zu differenzierten Anforderungen nun überwunden. Zumal, hierauf wies Ewer ausdrücklich hin,
die derzeitigen Anforderungen in vielen Rechtsbereichen die Lebenswirklichkeit nicht widerspiegeln. Durch eine Erweiterung der jährlichen Fortbildungsverpflichtung wird die Qualität der vertieften
(fach-)anwaltlichen Tätigkeit dauerhaft gewährleistet, ja sogar weiter verbessert.
Beim Festakt: Die Vorsitzende des FORUMs Junge Anwaltschaft, Silke Waterschek.
Foto: Andreas Burkhardt
Anwälte aus Leidenschaft und Überzeugung. Das
sind die jungen im FORUM Junge Anwaltschaft
organisierten Kollegen, stellte Dr. Thomas Troidl,
ehemaliger Regionalbeauftragter des FORUMs, fest.
In den rund 60 Jahren des Bestehens des DAV und
den 15 Jahren seit der Gründung des FORUMs
Junge Anwaltschaft wurde es zur drittgrößten
ARGE. Die Anwaltsgeneration „U-40“ ist die Anwaltschaft der Zukunft. Zahlenmäßig stellt sie die
größte Gruppe unter den derzeit tätigen Kollegen.
Ständige Erneuerung, nicht zuletzt wegen der
festgelegten Altersgrenze der Mitglieder, gibt Kraft
für die weitere Arbeit und ist ein Garant für die
Zukunftsfähigkeit.
Dass das Netzwerk individuelle Hilfe für Berufseinsteiger bietet, ist abzulesen am engen und direkten
Kontakt der Mitglieder untereinander. Rechtsanwalt Frank Gladisch, ehemaliger Regionalbeauftragter des FORUMs und Mitglied der Satzungsversammlung, konnte in seiner Rückschau nicht
nur über das Finden seines privaten familiären
Glücks beim örtlichen Stammtisch des FORUMs
Junge Anwaltschaft berichten, sondern auch über
substanziellen beruflichen Rückhalt. Ob durch
örtliche Stammtische, Mailinglisten oder Fortbildungsveranstaltungen – man kennt sich untereinander und wir kennen unsere Mitglieder. Netzwerk – Recht persönlich!
Das FORUM wird gehört; es ist seit langem vollwertiges Mitglied der Gesellschaft des DAV. Erwachsen und doch in stetigem Wandel. Zu Recht
verwiesen die Redner auf die zunehmende Belastung der Anwaltschaft in einer immer schneller
werdenden Zeit. Nicht nur die Mandanten der Mitglieder, auch die Gremien verlangen im Idealfall
promptes Tätigwerden und Antworten. Die Zukunft
der Anwaltschaft hat andererseits einen so hohen
Stellenwert, dass die inhaltliche Diskussion sorgfältig
geführt, stetig vertieft und deren Vermittlung ausgebaut werden muss. Neue Kommunikationswege
eröffnen hier vielfältige Möglichkeiten. Wie schon
in der Vergangenheit, wird das FORUM sich diese
zunutze machen können und seinen Ruf als größtes
nichtkommerzielles deutschlandweites Netzwerk der
(jungen) Anwaltschaft verteidigen.
Wer erfolgreich ist, hat guten Grund zu feiern. Das
taten die Mitglieder und Gäste im Anschluss an den
Festakt sowie abends bei der Geburtstagsparty im
Palais der Kulturbrauerei ausgiebig. Das Netz trägt.
RA Frank Röthemeyer, Geislingen
48
ADVOICE 02/10
15 Jahre FORUM
Aktuelles Gebührenrecht und Zugang zu Medien
Referenten Kindermann und Wolff überzeugen durch hohe Kompetenz
Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann.
Uwe Wolff bei seinem Workshop zu Grundzügen der Arbeit mit Medien.
Nach dem kurzweiligen Festakt, der einer 15Jahr-Feier in jeder Hinsicht würdig war, konnten
sich die Besucher bei einem kleinen Mittagsempfang mit Fingerfood austauschen, bestehen de Kontakte pflegen und neue knüpfen. Derart
gestärkt, bestand dann die Möglichkeit, an zwei
Workshops mit unterschiedlichen Schwerpunkten teilzunehmen.
Die verschiedensten Neuerungen und Entwicklungen wurden ausgehend von einer Zusammenstellung der aus ihrer Sicht relevanten Leitsatzentscheidungen der letzten gut zwölf Monate
erläutert, welche im weiteren Verlauf auch im internen Bereich der Homepage www.davforum.de
abzurufen sein wird.
Während Frau Rechtsanwältin und Notarin Edith
Kindermann die Seminarteilnehmer in die neuesten Entwicklungen im Gebührenrecht einführte, versuchte der Journalist Uwe Wolff, seinen
Zuhörer die Medienarbeit für Rechtsanwälte näher zu bringen.
Mit Edith Kindermann konnte eine engagierte, dem
FORUM stets wohlgesonnene und in fachlicher Hin sicht überragende Referentin gewonnen werden,
die es verstand, die Teilnehmer von der ersten bis
zur letzten Minute in ihren Bann zu ziehen.
Als Vorsitzende des Gesetzgebungsausschusses des
DAV zum Gebührenrecht konnte sie auf ein fundiertes Wissen zurückgreifen und dabei den Seminarbesuchern die wichtigsten Entscheidungen
sowohl des BGH als auch der nachgeordneten Gerichte aus den vergangenen Jahres in anschaulicher
und kurzweiliger Weise näher bringen.
Dabei war ihre Darstellung unterhaltsam und überraschte immer wieder auch durch Detailwissen bezüglich der örtlichen Praxis einzelner Amtsgerichte.
Wer schon mal selbst die Gelegenheit hatte, Edith
Kindermann zu erleben, weiß, dass ihre Zuhörer sowohl von ihrem Vortrag als auch von den vermit telten Inhalten nachhaltig beeindruckt waren und
ihr wegen ihrer unnachahmliche Art, ihrer unglaubliche Energie und ihres überzeugendes Fachwissen problemlos auch noch weitere zwei Stunden
gelauscht hätten.
Nachdem Edith Kindermann ihren Workshop gleichwohl ohne Wenn und Aber nach zwei Stunden beendete, konnte der anschließende Workshop mit
Herrn Wolff pünktlich beginnen, wobei – wegen des
unglaublich schönen Wetters durchaus verständlich – einige der angemeldeten Workshopteilnehmer
lieber die Gelegenheit für einen kurzen Abstecher
auf den nahegelegen Ku'damm nutzten.
Fotos: Andreas Burkhardt
Den Anwesenden erklärte Uwe Wolff die Grundzüge
der Medienarbeit. Dabei galt es für den Journalisten, den zuweilen skeptischen Junganwälten und
–anwältinnen die für sie fremde Welt der Presse
näher zu bringen. Zu diesem Zwecke erklärte er anhand einiger anschaulicher Beispiele seiner eigenen
Praxis und der aktuellen Presse, anhand welcher
Kriterien beurteilt werden kann, ob ein konkreter Fall
für eine Darstellung in einem lokalen oder auch
einem deutschlandweiten Printmedium geeignet ist.
Ausgehend von seinem kürzlich erschienen Buch,
welches auch jüngst in der AdVoice rezensiert wurde, fasste er anhand einer Checkliste von insgesamt
zwölf Punkten die wichtigsten Kriterien und die
probate Vorgehensweise für eine Kontaktaufnahme
zur Presse zusammen. Es bestand im Anschluss an
den knapp einstündigen Vortrag für die Anwesenden die ausführliche Gelegenheit, ihre Fragen
und Gedanken zu äußern.
Alles in allem konnte die 15-Jahr-Feier durch die
Workshops bereichert werden, wie auch das Feedback der Teilnehmer zeigte. Es bleibt zu hoffen, dass
es dem FORUM auch in Zukunft gelingt, für seine
Mitglieder zu derart günstigen Preisen vergleichbar
hochwertige Veranstaltungen anzubieten.
RAin Carolin Ott, Landshut
ADVOICE 02/10
49
15 Jahre FORUM
Fotos: Andrea Vollmer, Andreas Burkhardt
DAV-Präsident Wolfgang Ewer an der Seite von
Silke Waterschek, Linda Schwarzer, Hartmut Kilger
und Thomas Troidl beim Geburtstags-Festakt.
Feiern mit dem FORUM wie im Urlaub:
Mit einem Drink im Liegestuhl.
Tanzen, tanzen, tanzen - bis der Anwalt kommt!
Sebastian Trabhardt (RB Hamburg) und Matthew Casilla.
Kurze Tanzpause: Linda Schwarzer, Frank Gladisch,
Ilka Spriestersbach und Marc Wandersleben.
Laue Berliner Sommernacht und das Palais der
Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg.
Noch ein letztes Glas im Stehen: Alexander Birmili (r.)
aus Tübingen und Oliver Allesch, der lieber sitzen blieb.
Ein Familienunternehmen: Angela Huber (l.) aus Ellwangen
mit Schwester Maria und Mutter Daniela, die bei ihrer Ältesten
das Sekretariat führt.
Die energische Damenriege: Silke Waterschek,
Ilka Spriestersbach und Linda Schwarzer.
Zwischendurch war Zeit für Schattenspiele.
Manfred Aranowski und Tobias Sommer mit dem Ehepaar Ewer.
Jan-Boris Plantiko (l.) aus Hamburg und Referendar Martin Michaelis.
50
ADVOICE 02/10
15 Jahre FORUM
Noch vor Einbruch der Dunkelheit: Anstoßen auf das
Geburtstagskind und ein Lied singen.
Giorgio Forliano aus Berlin kam mit seiner Freundin
Mirigam Sokenou auf die Party.
FORUMs-Ehrenmitglied Axel Thönneßen und Edith Kindermann
hatten sich den ganzen Abend viel zu erzählen.
Auf ein Gläschen: Silke Waterschek
und AdVoice-Redakteur Percy Ehlert.
GfA-Mitglieder Silke Waterschek, Helge Heiner, Linda Schwarzer,
Carolin Ott danken den Helfern Ulrike Brünner, Anja Hoffmann
und Mareen Uhl.
Gala-Atmosphäre bei Kerzenschein im Palais.
Rita Schulz-Hillenbrand und ihr Mann
waren aus Würzburg angereist.
Der Berliner RB Karsten U. Barthels mit
Freundin Melanie Eulenstein.
Tatjana Chapovalova begleitete Konstantin Matzner
(RB in Mannheim) aufs Fest.
Martin Lang und Elke Hartmann-Wolff.
Manousos Zoulakis und Christiane Sommer.
Juliane Hilbricht und Tochter Lara.
ADVOICE 02/10
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Euer FORUM
Gleich noch mal! Tipps und Tricks für Gründer
Bericht über das Existenzgründerforum „Start in den Anwaltsberuf“ in Berlin
Marketing und Strategien
Weiter ging es mit den Themen „Marketing“ und
„Gründungsstrategien“. So bekamen die Teilnehmer
den Tipp, Orte aufzusuchen, an denen sich ihre
Zielmandantschaft aufhält, um dort Vorträge zu
halten. Dann gelte man dort als Experte und die
Mandate kommen von fast von allein. Ein anderer
Rat war, lieber im Internet als in Medien wie
beispielsweise den gelben Seiten zu werben. Es sei
denn, man möchte eine Zielgruppe ansprechen, die
das Internet nicht nutzt.
Berufsrecht
Am nächsten Morgen folgte bei leider nur noch
einem gut zu zwei Dritteln gefüllten Auditorium
ein Bericht über das anwaltliche Berufsrecht. Mit
viel Witz, erheiternden Geschichten aus dem
Berufsalltag, aber auch mit dem nötigen Ernst
dieses Themas berichtete RA Dr. Michael KleineCosack über seinen Kampf gegen die anwaltliche
Berufsordnung der Kammern und seine Erfolge.
Medien und Honorar
Anwaltshaftung
Anwalt und Medien.
Foto: Christian Ewertsbusch_pixelio.de
Am 9. April 2010 trafen sich im Maritim Hotel
Berlin Rund 180 Teilnehmer zum 32. Forum
„Start in den Anwaltsberuf“. Nach einer netten
Begrüßung durch RA Jürgen Widder (Vorsitzender des Vereins Deutsche Anwaltsakademie),
RA Prof. Dr. Wolfgang Ewer (Präsident des
Deutschen Anwaltsvereins) und RA Helge Heiner
(Mitglied des GFA) startete diese Tagung mit
zwei Berichten von Existenzgründern, deren Erfahrungen am Markt und deren kurze Berichte
über Ihre Art der Akquise. Danach folgte ein
kurzweiliger Vortrag von RAin Bettina Schmidt
zum Thema „Arbeitsvertrag, Versorgungswerk,
Scheinselbständigkeit“. Die Zuhörer lernten dabei, wie sie für sich vorzusorgen hätten, damit
sie auch im Alter gut leben könnten und bekamen Tipps und Tricks, worauf sie bei einem
Anstellungsvertrag achten sollten. Auch die Gefahren der Scheinselbständigkeit und ihrer Folgen wurden erläutert und offengelegt.
Nach diesem ersten Block folgte die Mittagspause
mit dem wichtigsten Tagungspunkt: Nette Kollegen
kennen lernen! Beim Essen gesellten sich die Teilnehmer unerschrocken um die Tische und tausch ten Erfahrungen aus. So berichteten einige junge
Anwälte über ihre ersten Monate und gaben Tipps
an gerade oder demnächst startende Kollegen.
52
ADVOICE 02/10
Der nächste Block war mit einer der wichtigsten, da
es um die Frage der Anwaltshaftung ging. Zu der
Frage, ab wann ein Anwalt in einer Sozietät haftet,
gab es schöne Praxisfälle. Dringend solle man auf
die Höhe seiner Berufshaftpflichtdeckungssumme
achten, damit man nicht mit seinem viel zu kleinen
Satz die Deckungssumme der Kanzlei runterzieht.
Zudem wurde darauf hingewiesen, in welcher
„Kanzleiform“ der einsteigende Anwalt lieber nicht
gleich auf dem Briefkopf erscheinen sollte, damit er
nicht für die Altbestände der Kanzlei haftet.
Nach einer kurzen Kaffeepause folgte das Thema
„Kanzleiorganisation 2.0“. Erläutert wurden OnlineHilfsmittel wie Juris und Beck-Online. Für Zuhörer
mit bereits leichten Kenntnissen und Praxiserfahrungen aber dann doch eher der langweiligste Block
der beiden Tage.
Workshops
Anschließend folgten Workshops zu folgenden
Themen: „Der Umgang mit schwierigen Mandanten
– vom gesetzlich Betreuten bis zum Lehrer“, „Praxis
der Strafverteidigung“, „Basic-Movements – Kör pereinsatz für Rechtsanwälte“.
Dozent Karsten U. Bartels, Rechtsanwalt und Tanz lehrer, brachte den Teilnehmern mit viel Geschick
bei, wie sich der eigene Körper beim Treffen auf
Mandanten und Kollegen bewegen sollte. Der Rei he nach wurden Beine, Hüfte, Oberkörper und Kopf
ausgerichtet und dann der Körpermittelpunkt ge sucht, um ausbalanciert stehen zu können. Und
wer ehrlich mit sich war, war erschrocken, wie viel
man an sich korrigieren konnte, bevor man nicht
nur gefühlt grade stand.
Das Journalistenteam RA Micha Guttmann und RA
Sven Walentowski führten durch das Thema „Der
Anwalt und die Medien – Neue Mandate durch
gute Öffentlichkeitsarbeit“. Erklärt wurden hierbei
in welcher Form die Presse angesprochen, in
welchen Zeitungen welche Berichte untergebracht
werden sollten und wie man den Arbeitsaufwand
in seine Arbeit integrieren kann.
Der letzte Block dieser Tagung mit RAin Katja
Schwackenberg bearbeitete das Thema „Methodik/Strategie der Gründungsplanung“. Besprochen
wurden Fragen wie „Wie hoch darf mein Honorar
sein oder besser: sollte es sein?“, „Wie reagiert der
Mandant auf einen Stundensatz von 350 €?“.
Fazit
Die Tagung war dermaßen kurzweilig, dass die
eineinhalb Tage viel zu schnell vorbei waren.
Dennoch konnte man sehr viel mitnehmen. Ich
kann allen Einsteigern dieses Forum nur empfehlen. Man bekommt viele Tipps und Tricks und
lernt viele nette Kollegen kennen. Die Dozenten
stehen in den Pausen für Fragen zur Verfügung.
Und da die Themen sich von Forum zu Forum
immer leicht ändern, kann und sollte man vielleicht
auch das nächste Forum noch mal mitmachen.
Nette Kollegen lernt man bestimmt auch dort
wieder kennen. Danke an das FORUM und die
Sponsoren für die Ausrichtung dieser Veranstaltung.
Nächstes FORUM „Start in den Anwaltsberuf“
am 5. und 6.11.2010 in Düsseldorf.
RA Alexander Winkel, Berlin
FORUM vor Ort
Von wegen hohes Ross
Auf dem Pferderechtstag in München traf Theorie auf Praxis
Pferderecht – wenn das meine Mandanten ohne
Pferd auf meiner Visitenkarte oder Internetseite
lesen fragen sie prompt: „Haben Pferde auch
Rechte?“ Meine Antwort ist dann: „Ja, aber das
ist mit Pferderecht nicht ganz gemeint. Vielmehr ist Pferderecht eine Spezialisierung auf
Rechtsprobleme rund um Pferde: vom Pferdekauf, über die Haftung des Reitlehrers bis hin
zum Einstellvertrag.“
Weil es für Fälle dieser Art einer ganz besonderen
Qualifizierung bedarf, organisiert der Deutsche
Pferderechtstag seit nunmehr sechs Jahren jährliche Fortbildungsveranstaltungen mit Praxisbezug.
Für mich war es im März Premiere. Ich fuhr nach
München, um mir Wissenswertes zum Thema
„Forensische Pferdemedizin" – heißt übersetzt:
„Pferdemedizin für Pferdejuristen“ anzuhören. Ich
freute mich auf Pferderecht pur, Gespräche mit
Pferdejuristen und Pferdefreunden. Obwohl, so ein
wenig beschlich mich wieder dieses mulmige Ge fühl. Ich als Anfänger unter all den Experten? Nicht,
dass ich nicht schon Pferderechtspraxis gesammelt
hätte – aber die ganz großen Namen haben bei mir
noch nicht angeklopft.
Die erste Überraschung erlebte ich beim Pferderechtsabend. Ich betrat den noch recht leeren
Veranstaltungsraum und peilte zielstrebig einen
Kurz vorm Sprung aufs hohe Ross. RAin Anke Schiller Mönch.
Tisch mit jungen Frauen an und setzte mich neben
eine Kollegin mit streng nach hinten zu einem Zopf
gebundenen blonden Haaren. Irgendwie erinnerte
sie mich an jemanden. Nur an wen? Auch sie
schaute mich fragend von der Seite an und meinte
schließlich: „Also irgendwie kommen Sie mir bekannt vor.“ „Ja Sie mir auch – wie heißen Sie denn?“
antwortete ich. „Ilka Spriestersbach vom FORUM
Junge Anwaltschaft und daher kenn ich dich auch
– beim FORUM darf ich ja du sagen.“ Ilka grinst.
Erst vor Kurzem hatten wir telefoniert. Ilka hatte
ein Pferderechtliches Problem auf die Mailingliste
gestellt. Ich wusste dazu was zu sagen. Mein Abend
jedenfalls war gerettet, zumal Ilka ebenso wie ich
„Reitanfängerin“ war und auch nicht seit klein auf
im Sattel saß. Die anderen Damen am Tisch waren
übrigens auch sehr angenehme Gesprächspartnerinnen. Wir redeten den ganzen Abend, wie sollte
es auch anders sein, über Pferde. Und welch ein
Wunder: Niemand am Tisch runzelt die Stirn oder
rollte die Augen ob dieses Themas – herrlich.
Am nächsten Morgen wurde es ernst. Ich begab
mich an die Ludwig-Maximilian-Universität München in den Hörsaal der Klinik für Pferde. Es roch
nach Formalin und Tier und der Hörsaal war klassisch, so wie man sich einen medizinischen Hörsaal
eben vorstellt, steile Reihen von Holzklappstühlen,
halbrund angeordnet, mit Klapptischen und ziem -
lich eng. Das Ganze hatte Charme. Charmant war
auch, dass die Veranstalter Mitleid mit all den einen
bequemen Bürostuhl gewohnten Kolleginnen und
Kollegen hatten und am Einlass Kissen austeilten
– danke!
Die veterinärmedizinischen Standards brachten uns
ausgewiesene Experten wie Prof. Dr. Heidrun Hehlen,
PD Dr. Bettina Wollanke und Dr. Stefan Gesell in
anschaulicher und vor allem für Juristen verständlicher Weise nahe, sowohl am lebenden Objekt als
auch mittels eindrücklichem Bildmaterial. Mit
staubtrockenem Seminarstoff hatte das jedenfalls
nichts zu tun. „Wenn du ein Pferd kaufst, schließe
die Augen und bete.“ Mit diesem toskanischen
Sprichwort begann Prof. Dr. Stephan Lorenz den
einzigen rein rechtlichen Teil des Seminars zu den
allgemeinen und besonderen Vertragsbedingungen
des tierärztlichen Kaufuntersuchungsvertrages.
Ilka und ich lauschten gespannt, saugten jedes noch
so kleine Mü an Wissen auf und wurden mal wieder darin bestätigt – ein wenig Praxis schadet uns
Juristen nicht – im Gegenteil. Deshalb sind wir auch
im kommenden Jahr wieder dabei wenn Fachtierärzte und Rechtsanwälte in einen konstruktiven
Dialog treten.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Foto: Sascha Mönch
ADVOICE 02/10
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FORUM vor Ort
Übersicht aller Regionalbeauftragten unter:
> www.davforum.de/469/
Regionalbeauftragte
stellen sich vor
Regionalbeauftragte RAin Gabriele Knöpfle
für den LG Stuttgart
„Dr hoim ischs halt am schönschtn`!“, sagt der
Schwabe. Dem kann ich, Gabriele Knöpfle, mich seit
August 2009 wieder anschließen, denn ich bin
nach sechseinhalb Jahren in Coburg wieder in
meine Geburtsstadt Stuttgart gezogen.
In Augsburg und Schweden habe ich studiert und in
Coburg Referendariat, Auslandspraktikum in London und Anwaltstätigkeit in Coburg für viereinhalb
Jahre abgeleistet. Da ich sehr gerne Leute kennen
lerne und Kontakte pflege, bot es sich an, die
Aufgabe als Regionalbeauftragte für Stuttgart zu
übernehmen.
Wir haben einmal im Monat (jeden ersten Montag
des Monats) Stammtisch um 19:30 Uhr im Grand
Café Planie am Charlottenplatz. In Planung ist ein
gemeinsames wöchentliches Mittagessen im Zen trum Stuttgarts für alle, die es einrichten können.
Wochentag, Ort und Zeit können noch beeinflusst
werden. Meldet Euch einfach bei mir per E-Mail. Ich
würde mich auch sehr über einen kurzen Willkommensgruß von einzelnen Mitgliedern freuen.
[email protected]
Länderbeauftragte
stellen sich vor
v
Länderbeauftragter Rechtsanwalt
Thomas Jurisch für Italien
Was verbindet dich mit Italien?
Ich habe an der Universität Passau die fachspezifische Fremdsprachenausbildung Italienisch absolviert und mich dann dazu entschieden, ein Erasmus-Jahr in Italien zu verbringen, um Land und
Leute kennenzulernen und meine Sprachkenntnisse
auszubauen.
Übersicht aller Länderbeauftragten unter:
> www.davforum.de/laenderbeauftragte
Wie kannst du bei Rechtsproblemen helfen?
Ich arbeite in einer deutsch-italienischen Kanzlei mit
Büros in München und Rom. Viele meine Mandanten sind Italiener. Daher kenne ich die typischen
Missverständnisse und falschen Vorstellungen über
den jeweils anderen Rechts- und Kulturkreis. Im
Rahmen der tagtäglichen Zusammenarbeit kann ich
aus einem Netzwerk deutschsprachiger „avvocati“
zurückgreifen.
[email protected]
Was sollte ein Anwalt über Italien wissen?
Foto: Rainer Sturm_pixelio.de
54
ADVOICE 02/10
Im Bereich des materiellen Rechts weichen die deutsche und die italienische Rechtsordnung von den
Grundzügen her selten stark von einander ab. Oft
liegt der Teufel im Detail. Sonderregelungen wie die
„separazione“ im Familienrecht, unterschiedliche An forderungen an die Schadensminderungspflicht im
Verkehrsrecht oder die gänzlich abweichend geregelte Bemessung von Schmerzensgeldern können dem
unbedarften deutschen Rechtsanwalt zur Falle werden. Etwas für Fortgeschrittene ist das italienische
Verfahrensrecht. Denn es sind viel mehr Formalitäten
zu beachten. Abgesehen davon, ist die italienische
Justiz für ihre sehr lange Verfahrensdauer berüchtigt.
FORUM vor Ort
Ich bin nicht allein
Ein Stammtisch-Tipp machte Manuela Lück zur Familienrechtlerin
In ihrem alten Abibuch steht als Berufswunsch
„Scheidungsanwältin“. Warum ausgerechnet
Scheidungsanwältin, daran kann Manuela Lück
sich heute nicht mehr erinnern. Denn weder war
ihr Elternhaus zerrüttet, noch erlebte sie seinerzeit in ihrem Umfeld dergleichen Dramatisches. Nur eines stand für sie schon als Abiturientin fest: „Ich fand Jura immer schon spannend und war wild entschlossen, Anwältin zu
werden.“
Heute ist Manuela Lück 38 Jahre alt, erfolgreiche
Anwältin in Bochum und seit wenigen Monaten die
dortige Regionalbeauftrage des FORUMs für den
Landgerichtsbezirk Bochum. Ihre Kanzlei, in der sie
mittlerweile zusammen mit einer von ihr angestellten Anwältin arbeitet, befindet sich in bester
Lage in der Bochumer Fußgängerzone und ist spezialisiert auf Trennung und Scheidung, Kinderschutz und Opferschutz.
Dass die engagierte Juristin da angekommen ist,
wo sie hinwollte, war nicht nur das Ergebnis eines
zielstrebig verfolgten Weges, sondern auch die Fügung einer Reihe glücklicher Zufälle. Nach ihrem
Examen jobbte sie als freie Mitarbeiterin bei einem
Anwalt, während parallel ihr Entschluss reifte, sich
selbstständig zu machen.
In der Bochumer Gerichtskantine traf sie regelmäßig junge Kollegen, mit denen sie in der Mittagspause plauderte und sich austauschte. Und eben
diese Kollegen erzählten ihr vom Stammtisch des
FORUMs.
Sie ging hin und der damalige RB erzählte ihr von
einer Familienrechtlerin, die gerade Unterstützung
suchte. „Ich bin dann tatsächlich zu dieser Anwältin
gegangen. Sie hatte dieses Büro in der Innenstadt
und dann arbeiteten wir zusammen“, erzählt sie.
Die Zusammenarbeit währte jedoch nur kurze Zeit,
denn die Kollegin wollte eigentlich etwas anderes
machen und verließ die gemeinsame Kanzlei relativ
schnell. „Da saß ich plötzlich allein in einer Kanzlei
in der Bochumer Fußgängerzone.“
Den Sprung ins kalte Wasser hat sie gut überstan den. „Der FORUMs-Stammtisch war damals schon
sehr rege und ich habe schnell gemerkt, dass alle
ähnliche Probleme haben“, erinnert sie sich. Dabei
ging es nicht selten auch um Kleinigkeiten wie die
Frage: „Wie viele Stempel kommen eigentlich auf
die Gerichtspost?“ Wichtig war für die „Anfängerin“ damals die Tatsache: „Ich bin nicht allein.“
Inzwischen ist Manuela Lück in Bochum als Familienrechtlerin fest etabliert.
2002 trat das neue Gewaltschutzgesetz in Kraft und
mit ihm das Programm „Wer schlägt, fliegt raus“.
Kommunen und Polizei waren via Gesetz beauf tragt, Frauen besser zu schützen. In vielen Städten
entstanden Netzwerke gegen häusliche Gewalt.
„Es war eine gute Zeit, um reinzukommen“, so Lück.
Heute gehört die 38-jährige zu den etablierten
Kolleginnen in Bochum. Sie und ihre Kollegin ma chen fast ausschließlich Familienrecht und gehen
immer tiefer in ihre Spezialisierung Trennung/Scheidung, Kinderschutz und Opferschutz.
Manuela Lück nimmt heute neben ihrer rein anwaltlichen Arbeit an Gesprächsrunden in Erziehungsberatungsstellen teil und versteht sich als Dolmetscher zwischen Beratungsstellen und Gericht.
Foto: privat
Nach zwei Jahren am FORUMs-Stammtisch begann es, ihr dort langweilig zu werden. „Ich war
inzwischen erfahrener und kam gut zurecht. Es
kamen immer wieder jüngere Kollegen nach, die
ähnliche Fragen und Probleme hatten wie ich
seinerzeit.“ Als vor einem halben Jahr die Anfrage
kam, in Bochum den Posten der Regionalbeauftragten zu übernehmen, musst die engagierte Anwältin nicht lange überlegen: „Jetzt kann ich wieder
etwas zurückgeben.“
Journalistin Stefanie Salzmann, Eschwege
> www.ra-lueck.de
ADVOICE 02/10
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FORUM vor Ort
Bits und Bytes
2 x Hamburg
FORUM und CeBIT
69 Anwälte + 1 Richter
Welche Chancen und Risiken bringen das WEB
2.0 mit sich? Was ist Litigation-PR und was hat
ein Anwalt damit zu tun? Wie funktioniert die
Prozessfinanzierung? Auf diese und viele andere
Fragen erhielten die Teilnehmer der Sonderveranstaltung der Regionalgruppe im LG-Bezirk
Hannover auf der CeBIT Antworten.
Mit den beiden Referenten, RAin Birte Meyer aus
München von der Allianz (Themen: „Prozessfinanzierung“ und „Litigation-PR“) und RA Michael Friedmann aus Hannover von der Firma 123recht.net
(Thema: „Social Media Marketing für Rechtsanwälte“), konnten mit Unterstützung der Firma
AnNoText wieder Persönlichkeiten gewonnen werden, die zu den erfahrenen und engagierten Rechtsanwälten im Web 2.0 und in der Prozessfinanzierung gehören.
Auch wenn die Veranstaltung recht kurzfristig
organisiert wurde, erhielt diese guten Zuspruch. Ob
es an den kostenlosen Tageskarten zur CeBIT lag?
Wie dem auch sei. Einmal mehr konnte die Erfahrung gemacht werden, dass Vorträge im und für
das FORUM auch an anderen Orten als in der
Stammkneipe oder dem immergleichen Veranstaltungsraum erfolgreich durchgeführt werden
können.
RA Marc Y. Wandersleben, Hannover
Referent RA Michael Friedmann.
1
Regionalbeauftragte
gesucht!
69 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, da von viele aus der Altersgruppe U40 und damit
zumindest potentielle Mitglieder des FORUMs
Junge Anwaltschaft, und ein Richter des Bun desgerichtshofes haben am 14. und 15. April
anderthalb interessante Tage in Hamburg bei
der Fachtagung 2010 der Arbeitsgemeinschaft
Transport- und Speditionsrecht im Deutschen
Anwaltsverein verbracht.
Los ging es am Mittwochabend mit einem Empfang
auf dem historischen Windjammer Rickmer Rickmers, auf dem bis zur Polizeistunde und anschließend in kleinen Gruppen in den Hotels kräftig
gefachsimpelt und genetzwerkelt wurde. Am Folgetag stellte der Richter am BGH, Pokrant, welcher
sich bereits am Vorabend unter die Anwaltschaft
begeben hatte, die neuere Rechtsprechung seines
Senates dar. Es folgten drei weitere Vorträge von
Kollegen aus der Praxis, welche sich teilweise kritisch und mitunter auch provokativ mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
auseinandersetzten. Dementsprechend wurde auch
in den Pausen kräftig weiter diskutiert.
Die Tagung endete mit dem Hinweis, dass es auch
2011 wieder solch eine Zwei-Tages-Veranstaltung
geben soll. Die Kosten für anderthalb Tage Fortbildung und Networking beliefen sich auf 195 € für
Mitglieder der ARGE Transportrecht und 250 €für
Nichtmitglieder. Kleiner Wermutstropfen: Einen Rabatt für Mitglieder des Forums Junge Anwaltschaft
gab es (noch) nicht. Dies sollte Interessierte jedoch
nicht davon abhalten, sich in der ARGE Transportrecht zu engagieren oder im nächsten Jahr an der
Veranstaltung teilzunehmen.
RA Carsten Vyvers, Frankfurt/Main
Nah am Kahn - die ARGE Transportrecht.
2
Regionalbeauftragte gesucht! An alle FORUMskolleginnen und -kollegen in den LG-Bezirken
Amberg, Bad Kreuznach, Bückenburg, Coburg,
Cottbus, Kleve, Memmingen, Ravensburg,
Stendal, Weiden, Zwickau! In diesen Bezirken
ist die interessante Position des Regionalbeauftragten nicht oder nur kommissarisch besetzt.
Welche engagierten FORUMs-Mitglieder möchten diese Lücken schließen? Der Regionalbeauftragte ist der Ansprechpartner des FORUM
Junge Anwaltschaft vor Ort und organisiert in
erster Linie den monatlichen Stammtisch zur
Vernetzung der Mitglieder im eigenen Landgerichtsbezirk. Als RB bist Du auch die Schnittstelle
zwischen dem geschäftsführenden Ausschuss
und den Mitgliedern vor Ort und stehst in Kontakt mit den anderen RBs im Bundesgebiet.
Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder, und der Regionalbeauftragte ist ein
wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht
Spaß und bringt jede Menge Kontakte mit sich.
Regionalstammtische
Alle Termine und Orte für die regionalen
Stammtische in den LG-Bezirken findet Ihr
unter www.davforum.de/vorort
Berlin: an jedem 3. Montag des Monats um
19.30 Uhr in der Gaststätte „Cum Laude“ (im
Salon) in der Universitätsstraße
Hamburg: an jedem 1. Montag eines Monats
um 19.30 Uhr im Parlament (www.parlamenthamburg.de) Rathausmarkt 1
Frankfurt am Main: an jedem 1. Mittwoch des
Monats um 20.00 Uhr in wechselnden Lokalen.
mail an [email protected]
Dortmund: an jedem 1. Donnerstag im Monat
ab 19.30 Uhr im Café Endlos in der Kaiserstraße/Ecke Goebenstraße
Düsseldorf: an jedem 2. Mittwoch des Monats
um 20.00 Uhr in der Gaststätte Schwan am Burgplatz in der Mühlenstraße 2
Köln: an jedem 1. Mittwoch des Monats ab
19.30 Uhr in Hellers Brauhaus, Roonstraße 33
München: an jedem 1. Mittwoch des Monats ab
19.30 Uhr in der Gaststätte „Marktwirt“ in der
Heiliggeiststraße 2 in München (Viktualienmarkt)
Schreibt uns ...
… Euer Lob, Eure Kritik und Eure Anregungen. Die
AdVoice lebt von Euch! Infos und Themen, die
Euch wichtig sind und natürlich Eure Beiträge
schickt Ihr an: > [email protected]
56
ADVOICE 02/10
Fotos: 1) Marc Y. Wanderleben 2) Karl-Friedrich-Beck_pixelio.de
Anwalt der Anwälte
Als junges Magazin und Mitgliederzeitschrift des
FORUM Junge Anwaltschaft greift die „AdVoice“
in Aufsätzen, Erfahrungsberichten und Interviews
alle Fragen rund um das Anwaltsleben auf. Vor
allem junge Anwälte, an die sich die Advoice
speziell richtet, finden hier viele nützliche Tipps
für ihren Start ins Berufsleben und den Anwaltsalltag. Als Magazin, das sich als Stimme eines
starken und aktiven Netzwerkes versteht, bedarf
es des Dialoges und Austausches mit der Leserschaft. Der ständige Dialog mit der Zielgruppe
macht die Zeitschrift zu einer lebhaften, aktuellen
und kompetenten Informationsquelle für all diejenigen, die beim Einstieg in den Anwaltsberuf auf
dem Laufenden sein wollen und Wert auf ehrliche
Informationen aus erster Hand legen.
AdVoice
die Stimme junger Anwälte
Das Magazin zum Mitmachen
und selber schreiben
DARUM:
Macht mit und gestaltet
aktiv an der AdVoice mit!
Schreibt an die Redaktion, welche Themen euch
unter den Nägeln brennen, was für Erfahrungen im
eignen Berufsalltag ihr gemacht habt oder erzählt
eure Gründergeschichte!
Die AdVoice-Redaktion könnt ihr unter folgenden
E-Mail-Adresse erreichen:
[email protected]
AdVoice-Struktur
Schwerpunkt: Die AdVoice erscheint vierteljährlich. Pro Heft fokussiert die Redaktion mit zirka
20-seitigen Schwerpunkten wie Internet, Marketing, Versicherungen, Mobilität, Fachanwälte, Büro,
Finanzen wichtige Themen aus dem Anwaltsalltag.
Magazin: Im Magazinteil sind bunte und span nende Reportagen zu allen Themen rund um die
Juristerei zu finden sowie nützliche Rubriken wie
die Haftungsbeschränkung, Gründerberichte jung er Kollegen, Steuertipps und vieles mehr.
Euer FORUM: Unter der Rubrik Euer FORUM findet ihr alle aktuellen Informationen und Termine
aus dem Verband sowie Berichte wie das FORUM
Junge Anwaltschaft vor Ort aktiv ist.
FORUM Junge Anwaltschaft
w w w. d a v f o r u m . d e
Bücher-FORUM
Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess
ZPO Zivilprozessordnung
Internationales Zivilprozessrecht
Prechtel/Oberheim
4. Aufl. 2009, 922 S., 72,00 EUR,
Luchterhand Verlag
Hans-Joachim Musielak (Hrsg.),
7. Aufl. 2009, 2.851 S., 159,00 EUR,
Verlag Vahlen
Reinhold Geimer,
6. Aufl. 2009, 1.679 S., 179,00 EUR,
Verlag Dr. Otto Schmidt
Erstmalig steht das Handbuch „Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess“
unter der Leitung von Rainer Oberheim, VRiOLG. Mit einer grundsätzlich neuen Gliederung umfasst es alle Teilbereiche des anwaltlichen Handelns, um privatrechtliche Ansprüche des Mandanten
durchzusetzen. Dabei orientiert es sich an der anwaltlichen Praxis.
Vor zehn Jahren erschien das erste Mal der ZPO-Kommentar von
Musielak und erfreut sich seitdem einer wachsenden Beliebtheit
auf dem hart umkämpften Markt juristischer Kommentierungen.
Dies mag seiner besonderen Praxisbezogenheit geschuldet sein,
die einen schnellen und effektiven Zugriff auf wichtige Rechtsfragen erlaubt. Erfreulicherweise geschieht dies jedoch, ohne die
wissenschaftliche Grundlage, die diesem Werk zugrunde liegt, zu
verleugnen. Dies lässt sowohl die Handschrift des bekannten
Herausgebers als auch die sorgfältige Arbeit des namhaften
Autorenstamms der einzelnen Kommentierungen erkennen.
Globale Verflechtungen konfrontieren zunehmend die an sich
nicht auf internationale Sachverhalte ausgerichteten Anwälte.
Schon eine Prise „Internationalität“ in einem Fall kann genügen,
vertraute Konstellationen in juristische Abenteuer zu verwandeln.
Es gilt, sich hier mit guter Literatur zu rüsten.
Ziel ist es, die Anwendung des Prozessrechts in der konkreten
Situation darzustellen. Es soll die Fähigkeit vermitteln, Handlungsoptionen zu erkennen, deren Vor- und Nachteile gegeneinander
abwägen zu können, um die optimale Alternative im Sinne des
eigenen Prozessziels einzusetzen. Die Aufmachung ist mit klarem
Druckbild, optisch hervorgehobenen Hinweisen und Beispielen,
Tabellen und Grafiken gelungen.
In neun Teile gegliedert, folgt nach der Einführung der 2. Teil zu
den prozessvorbereitenden Maßnahmen, insbesondere zu außergerichtlichen Maßnahmen. Prägnant erklärt Teil 3 den einstweiligen Rechtsschutz. Die Teile 4 (Rechtstitulierung im allgemeinen
Klageverfahren) und 5 (Beweisaufnahme) sind die Kernpunkte.
Zunächst sind die Ausführungen zu den inhaltlichen Anforderungen der Klageschrift lehrreich, in denen sich der Autor intensiv
mit der Beibringung, Schlüssigkeit und Substantiierung beschäftigt. Bei der Klagerwiderung liegt ein Schwerpunkt auf den
Bestreitensformen. Bei der Bearbeitung der mündlichen Verhandlung setzt sich der Autor akribisch mit deren Vorbereitung, der
Güteverhandlung und der Prozessleitungspflicht des Gerichts
auseinander. In Teil 5 stellt er die Beweismittel dar, bevor sich der
Autor besonderen Zugangsproblemen zuwendet. Auch Folgen
beweisrechtlicher Verfahrensfehler auf eine mögliche Berufung
sind nicht ausgespart. Teil 6 widmet sich den besonderen Verfahren. Die lesenswerten Ausführungen zum Adhäsionsverfahren
zeigen, wie mittels eines treffenden Adhäsionsantrags im
Strafverfahren ein Zivilverfahren zu vermeiden ist. Der kompakte
Teil 7 zeigt das Zwangsvollstreckungsrecht, bevor Ausführungen
zu den nachträglichen prozessualen Änderungen folgen. Der
abschließende 9. Teil zu den Rechtsbehelfen bereitet die Berufung
-mit dem ausführlichen Abschnitt zur Berufungsbegründung-,
Beschwerde, Wiedereinsetzung und Gehörsrüge auf.
Fazit: Inhaltlich überzeugt das Werk „Erfolgreiche Taktik im
Zivilprozess“ und ist zu empfehlen. Wünschenswert wären
aber mehr konkrete Antragsvorschläge. Anzumerken ist auch,
dass der praktische Nutzen des Buchs unter dem zum Teil
fehlerhaften Stichwortverzeichnis leidet.
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
Die Kommentierungen befinden sich auf dem Stand Juli 2009,
berücksichtigen an den entsprechenden Stellen aber bereits die
bevorstehenden gesetzlichen Änderungen wie etwa das Gesetz
zur Reform des Kontopfändungsschutzes, dessen Neuregelungen
erst Mitte 2010 in Kraft treten.
Ein erster Blick in den Geimer mag den Praktiker schockieren, da
das Werk im ersten Teil auf 164 Seiten mit einer einführenden
„Grundlegung“ beginnt. Dies zeigt die Eigenart der Materie, die
sich ohne Kenntnis und Verständnis des Wechselspiels der grundlegenden teils geschriebenen teils ungeschriebenen Rechtsprinzipien nicht befriedigend erschließen lässt. Die Leistung des
Werkes besteht schon darin, dass es die Themenfelder nicht nur
aufarbeitet, sondern auch verknüpft und in den notwendigen
logischen Kontext setzt. Das ist umso wertvoller, als kein abschließendes kodifiziertes Recht existiert.
Die wohl tiefgreifendste Neuerung dieser Ausgabe beruht auf
dem Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und
den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dieses
Gesetz führte zur Aufhebung des 6. und 9. Buches der ZPO sowie
zur Änderung zahlreicher Vorschriften. Regelungen, die früher in
der ZPO enthalten waren, befinden sich nun samt den übrigen
Neuerungen im FamFG. Dieser Umstand und nicht zuletzt auch
das Ausmaß der Neuregelungen veranlassten die Autoren, der
entsprechenden Kommentierung einen eigenen Band zu widmen.
Dieser Entschluss mag dazu geführt haben, die gute
Übersichtlichkeit beibehalten zu können bzw. ihren Eindruck noch
zu verstärken. Der entsprechende Band – Musielak/Borth, Fami liengerichtliches Verfahren - 1. und 2. Buch FamFG – ist seit
Dezember 2009 erhältlich und sollte nicht nur der Vollständigkeit
wegen seinen Platz neben der vorliegenden ZPO-Kommentierung
finden.
Breiten Raum nimmt das Kapitel der internationalen Zuständigkeit ein. Daneben werden u. a. dargestellt: das internationale Zustellungsrecht, das internationale Beweisverfahrensrecht, die
Anwendung ausländischen Rechts durch deutsche Gerichte,
worauf zu achten ist, wenn deutsche Urteile später im Ausland
vollstreckt werden sollen und welche Erwägungen etwa
anzustellen sind, wenn derselbe Streitgegenstand im In- und
Ausland gleichzeitig rechtshängig werden sollte. Grundsätzlich
gilt hier, dass das ausländische Verfahren Vorrang hat, wenn es
zuerst begonnen hat und dessen Urteil anzuerkennen wäre. Das
inländische Verfahren ist dann auszusetzen und der Beginn des
ausländischen Prozesses ist dabei nach dessen lex fori zu bestimmen. Weiter behandelt das Werk die Kapitel Zwangsvollstreckung, Insolvenz und die Schiedsgerichtsbarkeit. Im Anhang
werden die wichtigsten Europäischen Verordnungen und internationalen Übereinkommen erläutert.
Fazit: Abschließend lässt sich festhalten: Dieses Werk zeigt
sich informativ, sachlich und dabei immer gut lesbar. Es stellt
damit nicht nur einen weiteren Kommentar innerhalb der
ZPO-Kommentierungen dar, sondern eine echte Bereicherung,
deren Lesefreundlichkeit einen gerne zugreifen lässt. Und was
lässt sich Besseres über ein Buch sagen, denn um ein solches
handelt es sich letztlich auch immer bei einem juristischen
Kommentar.
Das Werk arbeitet die Materie umfassend auf. Die Darstellung des
Europäischen Zivilverfahrensrechts, das sich aufgrund seiner
zunehmenden Kodifizierung und der einheitlichen Rechtsprechung des EuGH inzwischen deutlich abzusetzen begonnen hat,
leidet allerdings unter dem thematischen Buchkonzept. Es versteht sich, dass die selbst gesetzte Aufgabe des Buches nicht in
ein allzu leicht verständliches Werk münden kann. Angesichts der
Abstraktheit der Materie ist es allerdings durchaus als nützliches
Praxisbuch anzusehen.
RA Sascha Brandt, Duisburg
Fazit: Das Buch ist eines der wenigen Nachschlagewerke und
der Kompass schlechthin zum Internationalen Zivilprozessrecht.
RA und FA Steuerrecht Manousos Zoulakis, Mannheim
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ADVOICE 02/10
Bücher-FORUM
Das arbeitsrechtliche Mandat
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht
Hümmerich/Spirolke (Hrsg.),
5. Aufl. 2009, 2.304 S., 144,00 EUR,
Deutscher AnwaltVerlag
Müller-Glöge/Preis/Schmidt (Hrsg.),
10. Aufl. 2009, 2.856 S., 166,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Das von Hümmerich/Spirolke herausgegebene, von einem 27köpfigen Autorenteam aus Anwaltschaft, Justiz und Lehre auf
aktuellen Stand gebrachte Werk „Das arbeitsrechtliche Mandat“
verspricht dem Nutzer, eine auf die Mandatsbearbeitung zugeschnittene Arbeitsvorlage zu sein.
Der „Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht“ liegt in der 10.
Auflage vor. Nach wie vor soll er dem Praktiker im facettenreichen
Arbeitsrecht mit seinen Spezialgesetzen neben dem allgemeinen
Zivilrecht helfen, sich zurecht zu finden. Anspruch ist es, dem
Nutzer einen strukturierten Überblick über das Arbeitsrecht,
orientiert an der höchstrichterlichen Rechtsprechung, unter
Beachtung der Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten zu
bieten.
In 21 Kapiteln werden nicht nur die arbeitsrechtlichen Grundlagen
und Nebengesetze dargestellt sowie alle Facetten des Individualund Kollektivarbeitsrechts beleuchtet, sondern einbezogen
werden auch das Prozessrecht und insbesondere die an das
Arbeitsrecht angrenzenden und mit ihm verwobenen Bereiche
des Steuer-, Gesellschafts- und Insolvenzrechts sowie die
Besonderheiten von Sozial- und Rentenversicherung. Die im Text
ausgewertete, in Fußnoten eingepflegte Rechtsprechung und
Literatur ist Beleg für das konsequente Bemühen des
Autorenteams um Aktualität des Werks.
Die einzelnen Kapitel sind durchgehend gut lesbar und durch
selektiven Fettdruck von Kernaussagen und -stichwörtern aufbereitet. Ihnen stehen detaillierte Inhaltsübersichten voran und
die Texte sind in einem klar strukturierten Stichwortverzeichnis
verschlagwortet, welches jedoch nicht den Nutzwert von VolltextCDs bietet, die einigen Arbeitsrechts-Handbüchern als Mehrwert
beiliegen. Hilfreich sind wiederum die verschiedentlich in den Text
aufgenommenen Fallbeispiele. Und auch an zahlreichen Muster formulierungen zur unmittelbaren Verwendung fehlt es nicht,
wobei diese allerdings in erster Linie Standardkonstellationen
abdecken.
Als Alleinstellungsmerkmal des Werks geeignet wären bei konsequenter Aufnahme als eigenständige Kapitelabschnitte die
Praktikerhinweise. Der besondere Wert dieses an den Nutzer
weitergegebenen Erfahrungsschatzes erschließt sich zum Beispiel
in Hilfsmitteln wie der mustergültigen Streitwertsynopse oder der
instruktiven Auseinandersetzung und Widerlegung von typisier ten Einwänden von Rechtsschutzversicherern zu Anspruchsgrund
und -höhe.
Fazit: Der Verlag verspricht, das Werk mache den Nutzer fit
für die vielseitigen Anforderungen des Arbeitsrechts – und
hält Wort. Ob Arbeitnehmer- oder Arbeitgebervertreter, ob
im Stadium der Mandantenberatung, Parteiverhandlung oder
Prozessvertretung – das Werk bietet eine umfassende Problemorientierung, die Fehler vermeiden hilft, und weiß auch
durch eine praxistaugliche Hilfestellung zur Lösungsfindung
bei der Bearbeitung arbeitsrechtlicher Mandate zu gefallen.
RA Jens David Runge-Yu, Freiburg im Breisgau
Das Autorenteam, bestehend aus Richtern, Anwälten und
Wissenschaftlern, kommentiert nahezu alle arbeitsrechtlichen
Gesetze in einem Band. Beginnend mit den entscheidenden
Normen des Grundgesetzes folgen alphabetisch z. B. die
Erläuterungen des ÄArbVtrG, über das AGG, das BetrVG, das
KSchG, die relevanten Normen der Sozialgesetzbücher bis zum
WZVG.
Bei dem Rechtsstand vom 1. September 2009 sind die wichtigen
Entscheidenden zu den Problemkreisen des Diskriminierungs- und
Kündigungsrechts sowie zur Inhaltskontrolle von Arbeitsverträ gen integriert und bewertet. Eingängig werden die Auswirkungen
des EuGH-Urteils zur Abgeltung für bei Vertragsende wegen
Krankheit nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs in der
„Schulze-Hoff-Entscheidung“ aufgearbeitet. Auch die ins BEEG
aufgenommene „Großelternzeit“ und das Pflegezeitgesetz sind
erläutert. Ebenfalls sind die Folgen der Rente mit 67 aufgezeigt.
Inhaltlicher Kernpunkt ist die Neukommentierung zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie zum Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen. Selbst die Änderungen im neuen Gendiagnostikgesetz und dem BDSG – insbesondere § 32 BDSG – zum
Arbeitnehmerdatenschutz konnten noch rechtzeitig kommentiert
werden. Schließlich werden sozialversicherungs- und steuerrechtliche Aspekte berücksichtigt.
Obwohl der Kommentar in der Reihe Beck’sche Kurzkommentare
erscheint, überzeugt er durch Vollständigkeit und mit einer gelungenen wissenschaftlichen Aufbereitung, ohne die Darstellung und
Aufbereitung für den Praktiker aus den Augen zu verlieren. Die
Verwendung von Abkürzungen ist auf ein Minimum begrenzt.
Rechtsprechungs- und Literaturhinweise sind im Text eingearbeitet. Neben dem 74-seitigen Sachverzeichnis erleichtern die
fett gedruckten Begriffe in den Texten eine gezielte Suche.
Fazit: Dem Autorenteam gelingt wiederum ein unverzichtbarer Kommentar. Ein ernsthaft im Arbeitsrecht beratender
Anwalt oder Jurist kommt am „Erfurter“ nicht vorbei. Dem
anwaltlichen Neuling ist er zu empfehlen, da sich mit dem
Werk alle Fragen der täglichen Beratung lösen lassen.
Cyber-Mobbing – Ursachen und
Auswirkungen von Mobbing im Internet
Nayla Fawzi,
1. Aufl. 2009, 140 S., 22,00 EUR,
Nomos Verlag
Keine Frage, das Internet bietet heute eine Reihe interessanter
neuer Möglichkeiten der Kommunikation. Der Nutzer 2.0 tauscht
sich in Blogs und Chatrooms mit anderen aus, archiviert seine
Urlaubsfotos bei Online-Bilderdiensten und pflegt sein Adressbuch bei Facebook und XING. Selbst die Suche nach Job und
Lebenspartner verlagert sich mehr und mehr ins Internet. Vorteil
dieser Art der Kommunikation: Alles geht einfacher und schneller.
Doch letztlich ist es in der digitalen Welt wie im richtigen Leben:
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Immer mehr Verbraucherschützer
warnen vor dem allzu leichtfertigen Umgang mit persönlichen
Daten im Internet. Auch das Phänomen Mobbing hat den Weg
ins Internet gefunden. So werden Social Communities, Weblogs
und Video-Plattformen zunehmend dafür genutzt, andere zu
schikanieren, bloßzustellen oder zu bedrohen.
Mit den Ursachen, Hintergründen und Auswirkungen dieser als
„Cyber-Mobbing“ bezeichneten neuen Spielart des bereits seit
längerer Zeit anerkannten Phänomens Mobbing beschäftigt sich
Nayla Fawzi in dem vorliegenden, Ende 2009 im Nomos Verlag
erschienenen Werk. Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Universität München, das Buch „CyberMobbing“ ist auf Grundlage ihrer Magister-Arbeit entstanden.
Um es vorweg zu nehmen: Bei „Cyber-Mobbing“ handelt es sich
nicht um ein juristisches Fachbuch. Vielmehr werden die Ursachen, Erscheinungsformen und Auswirkungen des Mobbings via
Internet aus sozialwissenschaftlicher Sicht auf der Basis von 16
Experteninterviews und vier Gesprächen mit Betroffenen beleuchtet. Sind die ersten Kapitel zunächst einer kurzen Einführung
in die Begriffe „Mobbing“, „Cyberspace“ und „Cyber-Mobbing“
gewidmet, stellt die Autorin anschließend sehr ausführlich die
Ergebnisse der von ihr durchgeführten Studie zum Thema
„Mobbing via Internet“ vor. Interessant sind diese vor allem für
die auf dem Gebiet des Internetrechts tätigen Anwälte, die sich
einen Überblick über diese neue Form des Mobbings verschaffen
wollen. Das abschließend dargestellte Ergebnis der Autorin
verschafft dem interessierten Anwalt einen Einblick in potentielle
Spannungsfelder bei der Beratung der Betroffenen und zeigt
überblicksartig Möglichkeiten der rechtlichen Behandlung des
Cyber-Mobbings auf.
Fazit: Ein Buch für alle, die sich eingehender mit den Schattenseiten des Internet und dem Themenkomplex Mobbing
beschäftigen wollen.
RAin Astrid Ackermann, LL.M, Frankfurt am Main
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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Bücher-FORUM
Bundesrechtsanwaltsordnung
Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung
Michael Kleine-Cosack,
6. Aufl. 2009, 776 S., 72,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
2. Aufl. 2008, rund 6.500 S., 585,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Die aktualisierte Auflage des Kommentars zur BRAO war geboten,
da das Verfahrensrecht der BRAO in Verwaltungssachen entscheidend reformiert wurde. Die Änderung sieht vor, dass für die
gerichtlichen Verfahren in Verwaltungssachen nach der BRAO
nicht mehr das Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
sondern die Verwaltungsgerichtsordnung gilt. Ebenfalls wurde das
Verfahren, in dem die Rechtsanwaltskammern oder Justizverwaltungen Entscheidungen in anwaltlichen Verwaltungsangelegenheiten treffen, erneuert und dem VwVfG untergeordnet.
Der „Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung“ ist die Refe renz! Weitere Großkommentare zur Insolvenzordnung sind bisher
entweder nicht vollständig erhältlich oder qualitativ nicht
vergleichbar. Die Bearbeiter sind sprichwörtlich das „Who’s who“
der deutschen Insolvenzrechtsszene. Alleine die Zahl aktueller
oder ehemaliger Mitglieder des Bundesgerichtshofs ist beeindruckend. So kommentiert etwa der aktuelle Vorsitzende des für
Insolvenzrecht zuständigen 9. Zivilsenats, Ganter, im ersten Band.
Das dürfte die ausgeprägte Beliebtheit des Kommentars in der
Justiz erklären. Folglich kommt auch der im Insolvenzrecht
forensisch tätige Anwalt an diesem Werk nicht vorbei. Denn man
kann sich sicher sein: Im Zweifelsfall wird der Berichterstatter des
erkennenden Senats den Münchener Kommentar zu Rate ziehen.
Selbst bei einer Spezialisierung im IP-Bereich erweist sich dieses
Tätigkeitsfeld als sehr umfangreich. Insofern liegt es nahe, auch
in diesem Rechtsgebiet einen Blick auf die bewährten Formularsammlungen des Beck-Verlages zu werfen.
Es macht aber auch Spaß, in diesem Werk zu lesen! Das gilt
sicherlich nicht für alle Bereiche der Kommentierung, die einen
durch ihre Informationsfülle gelegentlich auch einmal zu erschlagen droht. So etwa bei der Bearbeitung des Eigentumsvorbehalts in § 47 Insolvenzordnung mit jedenfalls für den
Rezensenten „gefühlten“ 100 Varianten. Das ist der Preis einer
auf Vollständigkeit bedachten hoch anspruchsvollen Kommentierung. Lesespaß kommt aber schon bei der Einleitung durch
Stürner auf, die eigentlich eine Pflichtlektüre für jeden Zivilrechtler – erst recht für jeden Insolvenzrechtler – darstellt. Stürner
weist dort zu Recht darauf hin, dass das aktuelle Insolvenzrecht
„nur aus seinen historischen Grundlagen heraus verständlich“ ist.
Eine Erkenntnis, die wohl aber auch für viele andere Rechtsgebiete
Geltung beanspruchen dürfte.
Das Buch umfasst rund 200 kommentierte Formulare aus dem
Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes nebst Urheberrecht. Die
einzelnen Kapitel sind aufgeteilt in die Untergebiete Patentrecht,
Arbeitnehmererfindungsrecht, Patentlizenz- und Know-how-Vertragsrecht, Geschmacksmusterrecht, Markenrecht, Produktpiraterie, Wettbewerbsrecht, Kartellrecht und Urheberrecht.
Jedem Kapitel geht eine Einführung mit einleitenden Hinweisen
voraus, die einen Überblick über die einschlägigen Gesetze und
das Rechtsgebiet liefern und damit einen hilfreichen Einstieg zur
Verfügung stellen. Die Formulare selber umfassen Vertragsgestaltungen, Anmeldeformulare sowie die gerichtliche als auch
außergerichtliche Verfolgung von Rechtsverletzungen.
Der Autor, ein absoluter Fachmann des Berufsrechts, äußert sich
oft kritisch zu anwaltsrechtlichen Fragen, u. a. im Anwaltsblatt.
Daneben gehen viele Grundsatzentscheidungen auf seine
Initiative zurück. Im Fokus seiner Kommentierung hat er die
Interessen seines Berufsstandes, insbesondere gegen die von den
Kammern geprägte Rechtsansicht. Er scheut sich nicht, Tacheles
zu reden und auf reformbedürftige Bereiche hinzuweisen.
In Zeiten steigender Zulassungszahlen sind Grundkenntnisse der
BRAO für jeden Anwalt unerlässlich. Streng ist daher der
Kommentar den Bedürfnissen der Praxis angepasst. Kleine-Cosack
stellt einen Überblick über das geltende Berufsrecht und die
Rechtsprechung zur Verfügung. Neben der ausführlichen Kommentierung der BRAO bietet das Werk kurze Kommentierungen
der BORA und der FAO (Anhang I). Im Anhang II befindet sich der
Abdruck des PartGG, der GO – Satzungsversammlung BRAK, der
Organisationssatzung BRAK und der Geschäftsordnung BRAK,
bevor im Anhang III weitere europarechtliche Vorschriften das
Werk abrunden.
Einen Schwerpunkt bilden die Ausführungen der §§ 43 ff. BRAO
über die anwaltlichen Rechte und Pflichten und die berufliche
Zusammenarbeit. Ausführlich sind die Grundpflichten des § 43a
BRAO – aus Sicht des Autors ein „Pathoskatalog“ – mit den Fragen
der Verschwiegenheit, Sachlichkeit oder widerstreitenden Interessen bearbeitet. Kritisch sieht der Autor die Einführung einer
Schlichtungsstelle bei der BRAK (§ 191 f) für Streitigkeiten
zwischen Rechtsanwälten und ihren Auftraggebern. Aus Sicht des
Autors ist BRAK nur für die Selbstverwaltung zuständig und der
Staat drücke sich mittels der Ausgliederung dieser Staatsfunktion
im Rahmen der funktionalen Selbstverwaltung vor der Verantwortung und den Kosten der Gesetzesumsetzung.
Fazit: Der Standardkommentar erklärt praxisnah, eingängig
aber auch kritisch das anwaltliche Berufsrecht. Ein Werk mit
dem es sich lohnt – auch als Berufsanfänger – zu arbeiten.
Was also sind die Nachteile? Flüchtig besehen ist es sicherlich der
Preis von 195,00 EUR pro Band. Da Gesamtabnahmeverpflichtung
besteht, folgen daraus Kosten für das Gesamtwerk von immerhin
585,00 EUR. Andererseits ist dies ein Seitenpreis von rund 9 Cent
und damit angesichts der hochkarätigen Autoren ein echtes
Schnäppchen. Bis zur Komplettierung des Gesamtwerkes vergeht
allerdings nicht selten einige Zeit. Band 1 befindet sich daher auf
dem Stand vom 01.07.2007. Wer es aktueller möchte, muss zum
neuen Uhlenbruck greifen, neu erschienen 2010. Für alle anderen
gilt: Platz schaffen im Regal und kaufen! Wer keinen Platz hat,
dem kann zum „Beck-Online Fachmodul Insolvenzrecht Plus“
geraten werden, welches auch diesen Kommentar als OnlineVersion enthält. Aber irgendwie ist das nicht dasselbe.
RA und FA Insolventrecht Matthias Hahn,
Freiburg im Breisgau
Beck’sche Formularsammlung zum
gewerblichen Rechtsschutz mit Urheberrecht
4. Aufl. 2009, 736 S. mit CD-ROM, 134,00 EUR,
Verlag C.H. Beck
Es stellt sich schnell heraus, dass diese Formularsammlung eine
große Hilfe ist. Denn insbesondere die teilweise über mehrere
Seiten führenden Anmerkungen zu dem jeweiligen Formular sind
eine große Bereicherung. Hier werden Risiken aufgezeigt und
Vorgehensweisen empfohlen sowie weiterführende Fundstellen
aufgeführt. Mit diesen Anmerkungen wird das Buch mehr als eine
reine Formularsammlung: Hier entfaltet das Werk seine volle
Praxistauglichkeit.
Die beigefügte CD-ROM ist bei der Arbeit mit dem Buch hilfreich,
da z. B. auch die Volltextsuche unterstützt wird. Auf dem Datenträger befinden sich allerdings nur die reinen Formulierungshilfen
ohne die entsprechenden Anmerkungen. Es handelt sich also
nicht um eine digitale Version des Buches. Positiv fällt hier neben
der Suchfunktion auch die Exportierfunktion der Vorlagen in ein
Word-Dokument auf.
Fazit: Dieser Band der Formularsammlungen richtet sich an
Rechtsanwälte, Notare und Rechtsabteilungen und ist damit
hochgradig an die Bedürfnisse der praktischen Arbeit ausgerichtet. Abgedeckt werden sowohl die typischen außergerichtlichen als auch gerichtlichen Tätigkeiten in den
jeweiligen Rechtsgebieten. Die Aufnahme des Urheberrechts
zusammen mit dem gewerblichen Rechtsschutz ist eine
dankbare Maßnahme des Verlages und verdeutlicht auch hier
die hohe Relevanz des Werkes für den Anwalt, der in diesem
Bereich tätig ist.
RA Sebastian Dramburg, LL. M, Berlin
RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock
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ADVOICE 02/10
Bücher-FORUM
Familiengerichtskostengesetz
Münchener Anwaltshandbuch Mietrecht
Praxiskommentar zum Straßenverkehrsrecht
Schneider/Wolf/Volpert,
1. Aufl. 2009, 959 S., 68,00 EUR,
Nomos Verlag
Hannemann/Wiegner (Hrsg.),
3. Aufl. 2010, 1.873 S., 138,00 EUR
Verlag C.H.Beck
Peter Xanke (Hrsg.),
1. Aufl. 2009, 2.741 S. mit CD-ROM, 88,00 EUR,
ZAP Verlag
Mit Einführung des FamFG sind ebenfalls zum 1.9.2009 die
Gerichtskosten im Familienrecht umstrukturiert worden. Das
FamGKG ist ein eigenständiges abgeschlossenes Gesetz, das
ausschließlich die Kosten in Familiensachen regelt. Für die
Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt das FGG, samt
Verweisen auf die KostO, weiter.
Das „Münchener Anwaltshandbuch Mietrecht“ ist eines von
inzwischen 17 Werken in der Reihe des Beck-Verlages. Das
Vorwort der ersten Auflage beschreibt das Ziel, „im Alltag des
Mietrechtsanwalts das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag
günstiger zu gestalten“. Ihren Anspruch weiten die Herausgeber
in der inzwischen dritten Auflage auch auf das Gewerberaummietrecht aus.
Das Werk bietet über 2.700 Seiten Kommentierungen, Gesetzestexte und eine CD-ROM. Abgehandelt werden die klassischen
verkehrsrechtlichen Normenkomplexe StVG, StVO, StVZO, FZV und
FeV. Daneben sind schadensbezogene Normen des BGB,
einschlägige Normen des StGB und des OWiG sowie versicherungsrechtliche Aspekte kommentiert. Der umfangreichen
Rechtsprechung werden die Autoren auf geschickte und übersichtliche Weise Herr: Die Urteile sind als geschlossene Beispielsblöcke unter Voranstellung der rechtsprechungsrelevanten
Kriterien abgehandelt.
Der neue Handkommentar aus der Reihe NomosKommentar wird
von den bekannten Gebührenrechtlern Schneider, Wolf und
Volpert herausgegeben. Bearbeiter sind neben den namhaften
Herausgebern seit vielen Jahren in der gebührenrechtlichen
Theorie und Praxis bewanderte Rechtsanwälte, Rechtspfleger
sowie Richter. Durch die Nähe der Autoren zur täglich angewandten gebührenrechtlichen Praxis ist der Kommentar beson ders wertvoll für die praktische Anwendung in der Anwaltskanzlei.
Stand des Kommentars ist der 1.9.2009. Sämtliche Gesetzesänderungen bis zu diesem Datum sind eingearbeitet, auch der
neue § 15a RVG zur Gebührenanrechnung. In Familiensachen,
insbesondere bei Scheidungen, geht es außerhalb der PKH
regelmäßig um hohe Streitwerte. Daher ist ein zuverlässiger und
praxisorientierter Leitfaden für Gebührenfragen unverzichtbar.
Gut gelungen ist der Verweis auf die bisherigen Vorschriften des
GKG und der KostO. Ebenfalls hervorragend ist das im Anhang I
aufgeführte Verfahrenswert-ABC: Mit einem Blick findet man
schnell die entsprechenden Normen des FamGKG. So findet man
allein unter dem Begriff Versorgungsausgleich sechs verschiedene
Stichworte mit Angabe der Höhe des Streitwerts sowie den
Verweisen auf die entsprechenden Paragraphen. Der Mindestwert
des Versorgungsausgleichs beträgt 1.000,00 EUR nach § 50 Abs.
1 S. 2 FamGKG. In der Kommentierung wird anhand eines
Beispiels übersichtlich die Berechnung des Verfahrenswertes er klärt: Zunächst wird das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Parteien errechnet. Zwei Anrechte zu jeweils 10 %
des errechneten Betrags ergeben den rechnerischen Verfahrenswert. Liegt der Verfahrenswert rechnerisch unter 1.000,00 EUR,
wird der Mindestwert als Verfahrenswert angesetzt.
Das Werk bietet viele Vorteile: Die Autoren haben neben dem
neuen FamFG und FamGKG mit den Änderungen bei der PKH,
die jetzt Verfahrenskostenhilfe heißt, viele Berechnungs- und
Praxisbeispiele in die Kommentierung eingearbeitet. Davon
profitieren vor allem die oft im Familienrecht tätigen An wälte, aber auch Richter und Kostenbeamte. Auch als nicht
regelmäßig im Familienrecht tätiger Anwalt findet man sich
schnell und sehr gut zurecht.
Für den praxistauglichen Umgang haben die Herausgeber einen
Aufbau in Anlehnung an eine Chronologie des Mietverhältnisses
gewählt. Praktische Hilfestellung für die Mandatsannahme erfolgt
über Formulierungsbeispiele und Checklisten, die Darstellung von
Haftungsrisiken und Hinweisen zu Kosten und Gebühren. Die
Aufzählung der mietrechtlichen Rechtsgrundlagen und ein
Schrifttumsverzeichnis zu Beginn eines jeden Paragraphen
sichern die Möglichkeit zur gezielten Vertiefung. Für besondere
Mietobjekte enthalten sowohl der erste als auch der zweite Teil
jeweils einen Abschnitt „Sonderprobleme“.
Der Leser findet zum Rechtsstand Juni 2009 Gesetzgebung und
Rechtsprechung übersichtlich und gleichzeitig kompakt aufbereitet. Die Autoren, überwiegend Kollegen aus der Anwaltschaft, erreichen das Ziel, die grundlegenden Zusammenhänge
verständlich darzustellen, ohne Einzelfragen zu vernachlässigen.
Die Rechtsprechungsdichte des für Wohnraummietrecht zuständigen VIII. als auch des sich mit Fragen des Gewerberaummietrechts beschäftigenden XII. Senats des Bundesgerichtshofes
erfordert vielfach eine Ausführlichkeit, der das Werk entspricht,
ohne weitschweifig zu werden. Das in der Beratung kleinteilige
Betriebskostenrecht ist ebenso wie die existenziellen Fragen zum
Schriftformgebot des § 550 BGB suffizient abgebildet. Dem
erfahrenen Mietrechtler längst bekannt, kennt nach der Lektüre
auch der Einsteiger die Tücken des Schriftformgebots im
Gewerberaummietrecht – im wirtschaftlichen Interesse des Mandanten und zur eigenen haftungsvermeidenden Sicherheit.
Fazit: Die dritte Auflage enthält die überfällige Darstellung
des Gewerberaummietrechts. Praxistauglichkeit für einen
schnellen und sicheren Einstieg ins Mandat ist wie von den
Herausgebern angestrebt gegeben: Einsteiger verstehen,
Fortgeschrittene finden, Profis haben verlässliches Handwerkszeug. Die Vereinigung von Praxisnähe und vertiefter
Problemorientierung rechtfertigt den Preis.
RA Peter Heink, Stuttgart
Das Autorenteam des Kommentars besteht ausschließlich aus
Rechtsanwälten, die als erfahrene Praktiker im Bereich des
Verkehrsrechts das Gesamtspektrum aus anwaltlicher Sicht kommentieren und somit die Praxistauglichkeit des Kommentars
gewährleisten. So sind zum Beispiel geeignete Mustertexte und
gebührenrechtliche Hinweise eingefügt, ohne das Werk hiermit
zu überfrachten. Für die einfache und zeitsparende Bearbeitung
können die Mustertexte aus dem 4. Teil auf der CD-ROM direkt
aufgerufen und weiterbearbeitet werden.
Besonders gelungen ist aus meiner Sicht die Gestaltung und
Gliederung des Werkes. Die einzelnen Abschnitte sind gut
hervorgehoben. Gut abgesetzt finden sich zahlreiche Kästen mit
praktischen Hinweisen und grau unterlegte Praxistipps. Auch die
Prüfungsschemata ermöglichen einen schnellen Einstieg und
Überblick in die jeweilige Materie.
Ein eigener Teil ist den verkehrsrechtlichen Mandaten mit
Auslandsbezug gewidmet.
Der Leser erhält in diesem Teil einen guten Überblick über die
Bearbeitung von Unfällen mit EU-/EWR-Bürgern und die hiermit
zusammenhängenden materiell-rechtlichen und prozessualen
Besonderheiten. Die Themen Deckung für Auslandsunfälle, internationale Vollstreckung und die Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen werden umfassend erläutert.
Fazit: Praxistest bestanden. Ein Kommentar von Anwälten für
Anwälte. Ausbaufähig sind aus meiner Sicht jedoch die
Kommentierungen zu § 7 und § 17 StVG. Gerade die Bereiche
Unabwendbarkeit und Betriebsgefahr bereiten in der Praxis
immer wieder Probleme und kommen aus meiner Sicht zu
kurz. Auch die Bereiche Schmerzensgeld und Mitverschulden
sind sicherlich erweiterbar. Der ZAP Verlag hat sich der
anwaltlichen Praxis verschrieben. Auch dieses Werk wird
diesem Anspruch gerecht und reiht sich in die Reihe der
zahlreichen unverzichtbaren Praxiswerke aus diesem Haus
ein. Ich kann den Kommentar auf jeden Fall empfehlen.
RAin Ines Müller-Baumgarten, Bielefeld
RAin Christina Münder, Northeim
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Autorenverzeichnis
Frank Röthemeyer ist seit 2004 Anwalt in Balingen in einer allgemein
ausgerichteten Kanzlei mit einem Kollegen. Er ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und RB für den LG-Bezirk Hechingen.
[email protected]
Marc Y. Wandersleben ist Wirtschaftsjurist, Rechtsanwalt und Mediator.
Er ist Partner der Kanzlei Brennecke & Partner und Geschäftsführer am
Standort Hannover. Zudem ist er Regionalbeauftragter des FORUMs für
den LG-Bezirk Hannover und seit April 2009 im Vorstand des Rechtsanwalts- und Notarverein Hannover e. V.
[email protected]
Sascha Mönch ist freier Journalist in Weimar. Er arbeitet unter anderem
Carolin Ott ist selbstständige Rechtsanwältin in Landshut und führt die
Fachanwaltsbezeichnung für Familienrecht und für Sozialrecht. Sie ist
RB für den Landgerichtsbezirk Landshut und seit Mai 2009 Mitglied im
Geschäftsführenden Ausschuss des FORUMs. Dabei betreut sie das
Ressort „Seminare und Fortbildung“.
[email protected]
für den MDR im Bereich Sport und liebt vor allem Sprache.
[email protected]
Martin Lang ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht in München.
Er ist Mitglied der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer. Von 1999 bis 2007 war er im Forum Junge Anwaltschaft zunächst
Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses und dann dessen Vorsitzender.
[email protected]
Alexander Winkel ist seit 2009 selbständiger Rechtsanwalt in Berlin und
in Bürogemeinschaft mit Steuerberater Lothar Winkel. Seine Schwerpunkte liegen unter anderem im Steuer-, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie in der Steuergestaltung und im Steuerstrafrecht.
www.ra-winkel.de
Helmut S. Ruppert war vielfältig als Nachrichten- und Rundfunkjournalist sowie Sachbuchautor tätig. Zuletzt war er Chefredakteur der
Katholischen Nachrichten-Agentur (kna).
[email protected]
Dr. jur. Judith Freund ist als selbständige Rechtsanwältin in Bamberg in
der Frauenkanzlei tätig. Sie ist überwiegend im Arbeitsrecht, Mietrecht
und Strafrecht tätig.
[email protected]
Guido Vierkötter, LL.M., ist selbständiger Rechtsanwalt in NeunkirchenSeelscheid. Er berät Unternehmen, Kanzleien und Privatpersonen schwerpunktmäßig im Gewerblichen Rechtsschutz. Zuvor war Guido Vierkötter
für eine internationale Wirtschaftskanzlei und eine Patentanwaltskanzlei
tätig.
[email protected]
Elke Drouven ist Mitglied einer dreiköpfigen Frauenkanzlei in Berlin „Im
Straf- und Betreuungsrecht sind wir in den verschiedensten Gesellschaftsschichten tätig. Niemand wird in eine ,Schublade' gesteckt. Wir behandeln
jeden gleich. Im Vordergrund steht der Mensch. Entschlossenes Handeln
und das Hören auf das so berühmte ,Bauchgefühl' führen Sie zum Erfolg.“
www.kanzlei-drouven.com
Katrin Spelmeyer ist seit 1999 angestellte Rechtsanwältin bei HDI
Gerling und dort im Bereich Vermögensschadenshaftpflicht und Heilwesen tätig.
[email protected]
Lena Rath ist Partnerin der Kanzlei Rath Rechtsanwältinnen in Frankfurt
am Main. Schwerpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit ist das private Baurecht.
www.rath-recht.de
Carsten Vyvers, Rechtsanwalt und Speditionskaufmann, Rechtsanwälte
ARNECKE SIEBOLD, Frankfurt am Main.
[email protected]
Christian M. Röhl ist vornehmlich als Rechtsanwalt im Bereich des
gewerblichen Rechtsschutzes und des Medienrechts tätig. Er ist Partner
der Kanzlei Röhl · Dehm & Partner und seit 2006 Rechtsanwalt.
[email protected]
Urs Breitsprecher ist Anwalt in Düsseldorf, aber auch als englischer
Anwalt (Solicitor) bei der Law Society of England and Wales zugelassen
und Partner in einer Kanzlei. Er ist Fachanwalt für Handels- und Gesell schaftsrecht mit Spezialisierung für Wirtschafts- und Steuerrecht. Im
FORUM ist er für internationale Fragen zuständig.
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Söhret Gök ist seit sieben Jahren als Rechtsanwältin in Köln niedergelassen und spezialisiert auf Gewerblicher Rechtsschutz und Medienrecht.
Die deutsch-türkische Juristin ist zudem ausgebildete Mediatorin. Kleine
bis mittelgroße Unternehmen profitieren bereits auf dem Gebiet der
alternativen Konfliktlösung von ihrer Expertise.
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Malte Dedden ist Rechtsanwalt in Kehl am Rhein, zivilrechtlich orientiert,
oft in Gebieten wie Internetrecht und (Verbraucher-)Insolvenzrecht unterwegs sowie Mitglied der Jungen Insolvenzrechtler.
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ADVOICE 02/10
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Service / Das letzte Wort
Das letzte Wort
Zwei Akten einer Sache
An einem normalen Dienstagmorgen hatte ich richtig gute Laune. Endlich schien
die Sonne. Die Temperaturen stimmten mit der
Jahreszeit überein. Ausnahmsweise drückten keine
Fristen. Also machte ich mich an meinem Stapel
Post, der vom Vortag, an dem ich auswärts war, auf
meinem Schreibtisch lag. Meine Laune sollt sich
schlagartig ändern. Ich hatte zwei Briefe von der
Rechtspflegerin. Ich ahnte es – Beratungshilfe-Altlasten.
Als ich noch beratungshilfeunerfahren war hatte ich
mir doch erlaubt, einfach mal anzufangen. Der
Mandantin musste doch geholfen werden. Also
stellte ich den Antrag auf Beratungshilfe im
Nachgang. Das macht der Anwalt nicht zweimal.
Schrieb mir doch die nette Rechtspflegerin, es sei ein
Verfahren anhängig und im Übrigen sei ich außergerichtlich nicht tätig geworden. Das möge ich doch
mal bitte belegen.
Ein Blick in die Akte hätte meinen schriftsätzlichen
Vortrag belegt, dass ich den unterhaltssäumigen
Beklagten mit Wohnsitz im europäischen Ausland
aufgefordert hatte, seine Einkommensverhältnisse
offen zu legen und doch bitte Unterhalt für seine
beiden minderjährigen Kinder zu zahlen. Der Brief
war in Englisch verfasst.
Die Rechtspflegerin bekam ich an dem Tag nicht an
die Strippe, also diktierte ich einen zweiseitigen Brief,
in dem ich mich rechtfertigte, weil ich gern die 90 €
Beratungshilfegebühr noch hätte und hängte brav
die Anlagen an. Die Rechtspflegerin zieht sich nun
wieder die Akte, prüft alles neu und veranlasst die
Auszahlung des Geldes oder fordert weitere Nachweise.
In Brief Nummer Zwei werde ich aufgefordert, doch
bitte einen entsprechenden Antrag zustellen. Hä,
hab ich was verpasst? Auch hier – ein Blick in die
Akte hätte einen Antrag offenbart. Diesmal bekam
Für Besucher, für Insassen, für Bewohner nebenan, für Parkende,
deren Autos fehlen? Nirgends kann man so sicher wohnen wie neben einer JVA!
ich die Rechtspflegerin an die Strippe. Ja, das käme
manchmal vor, dass man zwei Akten anlege in einer
Sache und dann die Anträge nicht mehr finde – so
in etwa war die Antwort. Mein Antrag tauchte dann
auf – ohne neuen Schriftsatz von mir. Mittlerweile
war es Mittag und ich fuhr zum Termin. Im Radio
verkündeten sie die Sparpläne von Frau Merkel – Ich
hätte an dem Tag auch gern gespart – mindestens
zwei Anwaltsstunden.
RAin Anke Schiller-Mönch, Weimar
Der Schwerpunkt der September-Ausgabe der
AdVoice beschäftigt sich mit dem Thema: ALTER.
Ihr dürft also wieder auf neuste „Entwicklungen“
gespannt sein. Lasst Euch überraschen!
Foto: Tobias Sommer
Redaktionsschluss: Heft 3/2010 (September-Ausgabe), 15.7.10
Impressum:
Redaktion: Stefanie Salzmann, RAin Anke Schiller-Mönch, RA
Patrick Ruppert, RA Percy Ehlert / Bildredaktion: Andrea Vollmer /
Bücherforum: RA Jens Jenau / V.i.S.d.P.: RA Tobias Sommer
(Chefredakteur) Anschrift wie Herausgeber
Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss
des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin
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vierteljährlich (März / Juni / September / Dezember)
Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2010
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ISSN 1437-3084
Layout/Satz: gudman design weimar, www.gudman.de
Lektorat: Nora Döring
Druck: Liebeskind Druck, Apolda
Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren
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Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wieder.
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ADVOICE 02/10

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