„Die Ems muss wieder krumm werden!“

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„Die Ems muss wieder krumm werden!“
Rinsche, H.: „Die Ems muss wieder krumm werden!“
„Die Ems muss wieder krumm werden!“
- Entwicklungen an der Ems aus der Sicht des ehrenamtlichen
Naturschutzes HEINZ RINSCHE
„Achtung, die Sensenmänner kommen, sollte
man wieder allen Vögeln an der Ems zurufen.
Denn diese Sensen bringen Tod und Verderben.
Mitten in der Brutzeit haben die staatlichen
Sensenmänner dieses Mal zugeschlagen,
schlimmer denn je. Die Emsufer wurden
abrasiert, und zwar bis in das Wasser hinein.“1
Heute kaum vorstellbar, wie man noch vor 16
Jahren mit unseren Fließgewässern umging. Die
Ems wurde - auch mitten in der Brutzeit - bis zu
fünfzehnmal pro Vegetationsperiode gemäht. Dafür
hatte man besondere Maschinen angeschafft:
Ungetüme, die auf einem extra dafür geschaffenen
Unterhaltungsstreifen alles abrasierten. Die Landwirte wurden gezwungen, ihre Nutzflächen um
mehrere Meter zurückzunehmen, um diese völlig
überzogene und widernatürliche „Pflege“ des Ufers
durchführen zu können. Zuvor hatte man den Fluss
entsprechend zurechtgestutzt: Einheitsprofil, d.h.
aus dem malerischen Fluss mit seinen Steilufern,
Sandbänken, Kolken und vielfältigen Windungen
wurde ein steriler Kanal, eine Rinne in der Landschaft, einer Autobahn ähnlich: überall gleich breit
und gleich tief. Die Ufer versuchte man mit Plastiknetzen und Rollrasen zu fixieren: maschinengerecht, dilettantisch (denn bereits nach dem ersten
Hochwasser war die Uferbefestigung teilweise
Abb. 1: Zum Kanal degradierte Ems bei Warendorf.
Alle Fotos: H. Rinsche
1
Abb. 2: Ems zwischen Emsdetten und Greven.
wieder zerstört). Der Fluss wurde auf eine einzige
Funktion reduziert: als Vorfluter Wasser abzuleiten.
Kein Wunder, dass sich unter diesen Umständen
Widerstand regte. Doch alle Proteste halfen nichts.
Die gesamte Idylle rund um den Fluss Ems wäre
vielleicht zerstört worden, wenn nicht aus Emsdetten die rettende Idee gekommen wäre. Im Jahre
1986 wurde hier die Schutzgemeinschaft Ems
gegründet. Eine Bürgerinitiative, in der sich die
unterschiedlichsten Gruppen zu einem gemeinsamen Protest zusammenrauften: Naturschutzverbände, Heimatvereine, Wassersportvereine,
Angler, Jäger und weitere Vereine einigten sich auf
ein gemeinsames Basispapier: die Resolution der
Schutzgemeinschaft Ems. Auch die Landwirte,
wichtigster Partner, weil ihnen die Flächen links
und rechts der Ems gehören, waren von Anfang an
stets dabei. Der Kontakt zu ihnen wurde bewusst
gesucht. Leider konnten sie sich als Verband nicht
entschließen, die Emsresolution zu unterschreiben.
Von allen anderen Gruppierungen unterschrieb
jeweils der Vorsitzende stellvertretend für Tausende
von Mitgliedern. Insgesamt hatten sich somit
Zehntausende von Bürgern für eine „andere“ Ems
ausgesprochen. In dieser Weise den Rücken
gestärkt, zogen die Emsschützer zum Regierungspräsidenten nach Münster, um ihm persönlich das
Unterschriftenpaket zu überreichen. Auch der
Ausschnitt aus einem Leserbrief in der Emsdettener Volkszeitung aus dem Jahre 1984.
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NUA-Seminarbericht Band 6
Emsauenschutz
wichtigste Naturschutzachse im Münsterland
eingestuft. Ems und Emsaue werden als
„Modellprojekt“ besonders hervorgehoben. Ob
allerdings zum heutigen Zeitpunkt schon von
einem „erfolgreichen“ Modellprojekt gesprochen werden sollte, das als „Vorbild“ für andere
Fließgewässer dienen könnte, muss von
Naturschützern bezweifelt werden. Auf jeden
Fall wird positiv bewertet, dass mit dem neuen
Programm Landesmittel in Millionenhöhe
vorgesehen sind.
Abb. 3: Emsaue bei Emsdetten.
damalige Umweltminister in Düsseldorf, Klaus
Matthiesen, wurde aufgesucht und dringend
gebeten, dieses Anliegen zu unterstützen.
Diesem massiven Druck konnten (und wollten) sich
Behörden und Politiker nicht widersetzen. Allmählich wendete sich das Blatt, entscheidende Dinge
änderten sich.
1. Der weitere kanalmäßige Ausbau der Ems
wurde gestoppt.
2. Auch die Unterhaltung wurde gravierend
verändert. Das regelmäßige und aufwendige
Mähen der Emsufer wurde eingestellt. Man
sprach jetzt von einer „Bedarfsunterhaltung“,
um so klar zu machen, dass zum Beispiel
Uferabbrüche nur dann repariert werden, wenn
sie sich in der Nähe von Brücken befinden.
3. Grundlage dieser erfreulichen Wende war
schließlich die Novellierung des Landeswassergesetzes (1989). Danach mussten jetzt
ökologische Belange in ganz anderer Weise
bei der Gewässerunterhaltung bzw. beim
Gewässerausbau beachtet werden.
4. In diesem Sinne konstituierte sich beim
Regierungspräsidenten in Münster eine
Arbeitsgruppe „Emsuferstreifen“. Alle Institutionen bzw. Vereine, die mit der Ems zu tun
haben, sind hier vertreten: Behördenvertreter,
Landwirte, Naturschutzverbände, Angler usw.
Eine große Runde, die in regelmäßigen
Abständen tagt, um so die vielfältigen Konflikte zu entschärfen.
5. Einen wichtigen Schritt nach vorne bedeutete
es, als im Jahre 1990 das seit langem geforderte
Gewässerauen-Programm aus Düsseldorf auf
den Weg gebracht wurde. Hier wird die Ems als
NUA-Seminarbericht Band 6
6. Noch acht Jahre mussten die Emsschützer
warten, bis schließlich im Jahre 1998 die
Emsaue offiziell als Naturschutzgebiet
ausgewiesen wurde. Das über 5000 Hektar
große Naturschutzgebiet war zwar installiert,
aber - wer hätte es anders erwartet - die Verordnung war voller Kompromisse. Den Landwirten
konnte zwar abgetrotzt werden, dass das NSG
kein Flickenteppich wurde, sondern dass
wirklich die gesamte Aue in die Verordnung
aufgenommen wurde. Andererseits konnten die
Bauern durchsetzen, dass sie trotz der Verordnung so weiter wirtschaften können wie bisher.
Statt extensiv genutzter Feuchtwiesen und
Auwälder wird es also auch künftig Maisäcker
direkt neben der Ems geben.
Auch die Verhandlungen mit den Wassersportlern können aus Naturschutzsicht nicht
befriedigen. Denn eine Kontingentierung des
Bootsverkehrs, die auch während der Brutzeit
in allen Bereichen hundert Booten pro Tag die
Durchfahrt gestattet, hat mit Naturschutz wenig
gemeinsam.
7. Erfolgreich verliefen schließlich die Bemühungen der Schutzgemeinschaft Ems, als es um die
Rückstufung der Bundesems zwischen Greven
und Rheine ging. Dazu muss man wissen, dass
hier die Ems offiziell als ein schiffbares
Gewässer definiert war. Entsprechend schwierig
waren alle Bemühungen um eine Renaturierung. Seit dem 1.Oktober 1998 ist die Ems
hier nun ebenfalls ein Landesgewässer, so dass
nun auch im Kreis Steinfurt das Emsauenschutz-Programm voll zum Tragen kommen
kann. Staatssekretärin Friedrich betonte in
einer Feierstunde in Münster, dass diese
Rückstufung eines Fließgewässers ein bisher
einmaliger Akt in der Bundesrepublik sei.
Motorboote sind nun auch hier verboten. Das
Staatliche Umweltamt Münster ist nun allein
für den gesamten Bezirk Münster zuständig.
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Rinsche, H.: „Die Ems muss wieder krumm werden!“
Deswegen unsere Forderung: Ausstattung
dieser Behörde mit ökologisch geschultem
Personal, damit diese neue große Aufgabe
bewältigt werden kann.
8. Die bereits erwähnte Arbeitsgruppe Emsuferstreifen hatte sich vor allem mit einem bestimmten Emsabschnitt (Planungsabschnitte 7
und 8) bei Münster beschäftigt. Hier gab es
schon vor über zehn Jahren die ersten konkreten Pläne, wie man die kanalisierte Ems wieder
krumm machen kann. An dieser Stelle sollte
demonstriert werden, wie man mit Hilfe eines
Baggers Altarme wieder anbinden bzw. alte
Flussbetten rekonstruieren kann. Spektakulär
war vor allem die Anbindung von „Ringemanns Hals“ am 6. Juni 1999 (Tag der Umwelt). Es besteht allerdings Einigkeit darüber,
dass man künftig diese „Arbeiten“ in der Regel
der Ems selbst überlassen will. Da, wo die
öffentliche Hand die Flächen links und rechts
der Ems besitzt, braucht man ja nur die
Ufersteine in die Mitte der Ems zu schieben
dass einige Verfahren so etwas länger dauern,
aber im Endeffekt lassen sich nur so dauerhafte
Lösungen erzielen. Und das haben die Emsschützer begriffen: Nicht in zehn Jahren kann
man den ruinierten Fluss wiederbeleben,
sondern das wird deutlich länger dauern.
Allerdings - eine „unendliche Geschichte“, wie
manche Naturschützer zu Recht befürchten,
sollte es nicht werden.
10. Und in diesem Zusammenhang muss auch von
Geld gesprochen werden. Klar ist, dass viel
Geld erforderlich ist, um die Sünden der
Vergangenheit wieder gut zu machen. Umso
bedauerlicher ist es, dass im Moment alle
Finanzmittel für den Ankauf von Flächen
reduziert werden. Deswegen auch an dieser
Stelle noch mal der Appell an alle politisch
Verantwortlichen, das EmsauenschutzProgramm weiterhin zu unterstützen. Es gilt
eben auch hier die Binsenwahrheit: „Ohne
Moos nichts los“. Das gleiche gilt für den
Vertragsnaturschutz. Die Landwirte müssen
sicher sein, dass einmal gegebene Zusagen
auch wirklich gehalten werden, damit sie
langfristig planen können.
Fazit:
Abb. 4: Ems bei Telgte. Aus dem Kanal wird wieder ein
Fluss. Sandbank als Folge der Eigendynamik.
und schon wird die Ems ihr Gesicht verändern:
aus dem Kanal wird wieder ein Fluss.
9. „Kein Naturschutz auf dem Rücken der
Landwirtschaft“. Diese im Jahre 1986 formulierte Forderung der Schutzgemeinschaft Ems
ist nach wie vor gültig. Und so wurde in den
letzten Jahren bei allen Verhandlungen auch
verfahren. Die Ämter für Agrarordnung sind
also ein wichtiger Partner, wenn es um das
Emsauenschutz-Programm geht. Das bereits
von Minister Matthiesen geforderte Prinzip der
Freiwilligkeit hat sich bewährt. Es mag sein,
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Wenn Frau Ministerin Bärbel Höhn auf der Tagung
am 04.04.2000 in Münster sagt, es sei hier schon
„viel“ erreicht worden, so müssen dem die Naturschützer widersprechen. Nicht „viel“, sondern
einiges ist erreicht worden. Eine Wende ist erfolgt,
ein Umdenken hat stattgefunden. Aber - in der
Landschaft draußen sieht man noch nicht viel
davon. Nach wie vor präsentiert sich unsere Ems in
vielen Bereichen als ein monotoner, steriler
Abwasserkanal.
Ob die für 2004 angekündigte REGIONALE
„Rechts und links der Ems“ uns hier einen Schritt
weiterbringt? Die Ems steht zwar verbal im Mittelpunkt dieser Aktion, aber bei den Naturschützern
überwiegt eher Skepsis. Nur „Leuchtturmprojekte“
will man fördern, was auch immer man darunter
verstehen mag. Dabei gibt es in unserem Bereich
keinen größeren „Schatz“ als diesen von der Ems
geprägten Auenbereich.
Anschrift des Verfassers:
Heinz Rinsche, Schutzgemeinschaft Ems
Diemshoff 96
48282 Emsdetten
Tel.: 02572/4258
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