Trittenheims verstummte Stumm-Orgel

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Trittenheims verstummte Stumm-Orgel
Trittenheims verstummte Stumm-Orgel
Wer heute die Pfarrkirche Trittenheims betritt und seinen Blick auf die Empore richtet,
entdeckt dort einen in grauen Farben stehenden Orgelprospekt. Das Äußere erinnert noch
an eine Bauweise des vergangenen Jahrhunderts, doch man sieht ihm nicht mehr an,
welche angesehene Orgelbauwerkstatt das Instrument schuf. Hören kann man dieses
Werk schon seit mehr als dreißig Jahre nicht mehr. Denn aus Kostengründen entschied
man sich während der letzten Kirchenrenovation in den sechziger Jahren nicht für eine
Reparatur, sondern plädierte für die Anschaffung einer neuen elektronischen Orgel. Das
Gehäuse wurde seiner Pfeifen und Orgelmechanik entleert, damit der Prospekt den
Anblick auf die Lautsprecher verdecken sollte. Anders als dieses Zeugnis alter
handwerklicher Kunst wich die erste elektronische Orgel zwischenzeitlich einer zweiten.
Da die Pfeifen eingelagert wurden, bestand immer wieder die Hoffnung, unter günstigen
finanziellen Umständen an eine Restauration zu denken oder doch ein neues Orgelwerk
anzuschaffen. Erst die Entdeckung einiger Urkunden im Pfarrarchiv gibt Anlass, dass das
alte Werk wieder neu zu klingen gebracht werden kann. Es wird hierzu ein langer Atem
nötig sein - doch man braucht wohl kaum daran zu zweifeln, dass das Ziel von Erfolg
gekrönt sein wird, wenn ein Mosaikstein einer Orgelbauertradition wieder eingefügt
werden kann. Der nachfolgende historische Rückblick will dazu verleiten, auch die
ortsgeschichtliche Bedeutung hervorzuheben.1
1
I. Die Planung
Als Bischof Joseph von Hommer (*1760 +1836)) während seiner Visitationsreise am
23. Mai 1832 in Trittenheim einkehrt, wird dem Protokoll auf die Frage "an habet organum"
"ob eine Orgel vorhanden" sei, die lapidare Feststellung hinzugefügt: "non" "nein" (BATr
40, 125, 327r). Den musikalischen Schmuck der Gottesdienste lieferte, soweit wir
informiert sind, der Gesang der Gemeindeglieder. An Hochfesten wurden sie in
lateinischer Sprache vorgetragen, an den einfachen Festtagen und an den Sonntagen
hingegen mit deutscher Zunge gesungen. Im Revolutionsjahr 1848 erscheint erneut eine
Visitation unter Bischof Wilhelm Arnoldi (*1798 +1864). Sie erhält auf die gleiche Frage
nach einer Orgel die eindeutige Antwort "Ja" (vgl. BATr 44, 139, 263r).
Hatte man schon 1832 an die Aufstellung einer Orgel gedacht? Diesen Gedanken
kann man für jene Zeit nicht urkundlich nachweisen. Allerdings erscheinen die ersten
Anzeichen in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre und sie stehen wiederum im
Zusammenhang mit dem Namen Schue. Zum Zeitpunkt der Visitation des Jahres 1848
war aber dieser entscheidende Initiator des Orgelbaus in Trittenheim - der Domkanoniker
Engelbert Schue2 - schon seit gut einem halben Jahr verstorben.
1
2
Auch wenn ich ein Liebhaber der Orgelmusik bin, muss ich mangels eigener Fachkenntnisse darauf
verzichten, orgelbauspezifische Details zur Sprache zu bringen. Hierfür ist das Urteil eines
Sachverständigen notwendig.
Zur Person vgl. meine Beiträge in den Jahrbüchern des Kreises Bernkastel-Wittlich der Jahre 1994,
1995 und 1997.
Stumm-Orgel
Die Gemeinde, seine Heimat, die ihm nach seinem Tode mit einer Gedenkplatte ehrte,
dachte dabei wohl auch an das Orgelbauprojekt, wenn sie ihn dort als großen „Wohlthäter
Trittenheims“ titulierten.
Wann wurde der Plan gefasst? Die ersten erkennbaren Äußerungen zur Planung
finden sich im Jahre 1837. Erhalten sind aus dem Monat September u. a. ein Schreiben
des Organisten von St. Gangolf in Trier, Müller, an den Trittenheimer Pfarrer Liehl (*1801
+1870) sowie ein Brief des Trittenheimer Bürgermeisters an den Trierer Landrat Perger.
Der Trierer Organist Müller schreibt in seinem Brief, dass das „Orgelwerk [der Kirche St.
Gangolf in Trier] in jeder Hinsicht als sehr gelungen zu betrachten ist, und die Herren
Gebrüder Stumm den kontraktmäßigen Betrag dafür ad 1850 r. exclusive Gehäuse
rechtlich verdient haben“; außer dieser Empfehlung skizziert er den Tonumfang des
Werkes.3 Der in Leiwen wohnende Trittenheimer Bürgermeister Felten seinerseits schreibt
unter dem 10. September dem "Königlichen Landrath Ritter hoher Orden Herrn Perger
hochwohlgebornen", dass „Herr Dom Canonicus Schue dringt auf den Orgelbau zu
Trittenheim, wozu er 1000 rth: angeboten und bereit liegen hat. Die Gemeinde hat
Interesse denselben zu fördern und Anstalten dazu zu machen, damit die 1000 rth: in die
Communal Kasse fließen, denn man weiß nicht, was verfallen kann, eine schriftliche
Verpflichtung ist nicht vorhanden, eine solche dem Herrn Canonicus anfordern würde ihn
hoch beleidigen“. Der Bürgermeister weist darauf hin, dass er, so führt er selbst weiter
aus, schon Kontakt mit einem Orgelbauer namens Peter Rievenach4 aufgenommen hat.
Dieser habe ihm zwei Skizzen geliefert, die daraufhin dem Domkanoniker Schue vorgelegt
worden waren. Das Angebot sei, so die Ausführung Feltens, deutlich günstiger (um 400
Taler) als vergleichbare Orgelwerke. Engelbert Schue hingegen fällte eine andere
Entscheidung; er entschied sich gegen das Preisgünstigere und zugunsten des
Bewährten, d.h. für eine ihm bekannte Orgelsprache.
3
4
"Das Werk enthält:
a) Hauptmanual
1. Bourdon 16 Fuß,
2. Gedact 8 Fuß,
3. Flaute douce 4 Fuß
4. Principal 8 Fuß,
5. Octave 4 Fuß,
6. Superoctav 2 Fuß,
7. Viola di gamba 8 Fuß,
8. Salicional 4 Fuß,
9. Quinte 3 Fuß,
10. Cornett 5 Chor,
11. Mixtur 4 Chor und
12. Trompett 8. Fuß.
b. Positiv
13. Bourdon 8 Fuß,
14. Flaute douce 4 Fuß,
15. Principal 4 Fuß,
16. Octave 2 Fuß,
17. Waldflöte 2 Fuß,
18. Salicional 2 Fuß,
(letzteres repetirt im Discant)
19. Mixtur 3 Chor,
20. Cormorne 8. Fuß.
c. Pedal
21. Bordon Bass 16 Fuß,
22. Violone Bass 16 Fuß, ...".
Auch dieser Dispositionsvorschlag liegt in Kopie vor; desweiteren eine Disposition zu einer Orgel
eines Orgelbauers Hamm.
Stumm-Orgel
2
II. Der Vertrag
Das Protokollbuch des Trittenheimer Pfarrarchivs notiert wenige Monate nach diesem
Briefwechsel: „Sendamts=Beschluß vom 4ten Maerz 1838. Für den Bau einer Orgel in
unsere Pfarrkirche hat der Dom=Kanonikus Hr. Schue Hochwürden in Trier ein Geschenk
von = 1000 Thlr = angeboten, und auch noch ein Mehreres zu geben die Zusage ertheilt"
(S. 68). Auf die Anfrage des Bürgermeisters der Bürgermeisterei Trittenheim gab Landrat
Perger seine Zustimmung - unter der Auflage, daß auch der Kirchengemeinderat
zustimmen müsse. Dieser äußert sich im gleichen Protokollbuch dahingehend, dass man
diese Zustimmung „hiermit nicht nur recht gerne ertheilen, sondern auch dem
Domkanonikus Herrn Schue für seine wohlthätigen Gesinnungen gegen unsere Kirche
den verbindlichsten Danck aussprechen“ wolle (ebd.). Aus der Abschrift eines Briefes „an
Ein Hochwürdigstes General-Vikariat" in den „Pfarr-Acten, Sendbeschlüße und
Correspondenz" geht außerdem hervor, dass Schue weitere 400 Taler zur „Errichtung
einer Emporbühne“ zur Verfügung stellen wollte. Allerdings stellte er das ganze Projekt
unter die Bedingung, „daß auch die hiesige Gemeinde 1000 Thlr zum Bau der Orgel
beitragen solle. Die Gemeinde hat dieses Geschenk mit Danck angenommen und 1000
Thlr zum Bau der Orgel bewilligt, welche auch Hochlöbliche Regierung bereitwillig
genehmigt hat" (S. 75). Schon am 3. Januar 1838, also einige Zeit vor den Beschlüssen
bzw. Bewilligungen hatte Bürgermeister Feilen wohl auf Drängen Schues „mit den
Orgelbauern Carl und Franz Heinrich Stumm zu Rhaunen-Sulzbach" unter Vorbehalt der
„höheren Genehmigung" einen „Vertrag für die Bestellung einer Orgel in die Kirche zu
Trittenheim“ „um den beiderseits übereingekommenen Preiß von zweitausend Thaler
Preußisch Courant“ abgeschlossen (zitiert nach einer Mehrfertigung, Pfarrarchiv
Trittenheim o. Zählung). Der Vertrag umfasste den Bau, die Anlieferung und Aufstellung
des Werkes binnen eines Zeitraumes von zwei Jahren (f. 1r).
III. Die Disposition
Der Vertrag gibt detaillierte Auskunft über den Umfang des Orgelwerkes und über die
Materialien, die für die Klangfarbe ausschlaggebend sein sollten:
A. Hauptmanual.
1.
Principal
... acht Fuß von neuem
englischem Zinn [...]
2.
Bourdon
... sechzehn Fuß, die der tiefstem
Octaven von Holz die übrigen von
Metall
3.
Gedaeckt
... acht Fuß der Baß von Holz,
das Discant von Metall.
4.
Viola di Gamba
... acht Fuß : Alle [=Nr. 4-12]
Pfeifen von Metall
5.
Octave
... vier Fuß
und zwar
Stumm-Orgel
3
6.
Salicional
... vier Fuß
zur Hälfte aus Zinn
7.
Quint
... drei Fuß
zur Hälfte aus Blei
8.
Flaut
... vier Fuß
9.
Superoctav
... zwei Fuß
10.
Tertz
ein dreifünftel Fuß
11.
Mixtur
dreifach ein Fuß
12.
Trompete
acht Fuß
wird auf zwei Züge gestelt
5
[f. 2r]
"B. Positiv
1.
Principal
... vier Fuß
von englischem Zinn die
Gichte
2.
Gedaeckt
... acht Fuß
Der Baß von Holz, der
Discant von Metall, vier auf
zwei Züge gestelt
3.
Flaut traver -
acht Fuß, Discant von
Birnbaumholz
4.
Flaut -
vier Fuß
5.
Octav -
zwei Fuß
6.
Salicional -
zwei Fuß
7.
Flageolett -
ein Fuß
8.
Krumhorn -
acht Fuß
C.
Pedal
1.
Subbass - sechszehn Fuß
2.
Violon -
sechszehn Fuß
Diese vier Regester werden
von reinem Stammholz
gefertigt
3.
Octavbaß -
acht Fuß
4.
Posaunenbass
sechszehn Fuß
4
alle diese [=Nr. 4-8] von
Metall
"
5
Umfaßt die Nr. 4-12.
Stumm-Orgel
Vergleicht man diese Disposition mit den Angaben, die Franz Bösken in seinem
Beitrag zur Orgelbauerfamilie Stumm6 zur Orgel von Trier-St. Gangolf macht, so fällt bis
zum Preis eine fast identische Disposition auf. Der Bau dieser Trierer Orgel war schon ein
Jahrzehnt zuvor erfolgt und Schue dürfte das Werk gut gekannt haben.7
Die zweifache Klaviatur sollte je sechsundfünfzig Tasten umfassen „nämlich: vom
untern C und Aß bis zum dreimal gestrichenen G einschließlich", wobei die „diatonische[n]
Tasten [...] aus Ebenholz gefertigt" und „die chromatischen mit Weisbein belegt" werden
sollten; beide Klaviaturen sollten miteinander gekoppelt werden. An das Pedal wurden als
Erfordernisse gestellt der Tonumfang „vom niedersten C und As mit zum zweiten G
einschließlich, die Tasten müssen von hartem Holz gemacht und gehörig gefüttert werden,
damit sie nicht klappern, sie dürfen nicht zu weit und nicht zu enge gelegt und müssen so
eingerichtet werden, daß sie bei leichtem schnellen Takte die Ventillen voll aufziehen, das
Pedal muß mit dem Manual durch eine Coppel verbunden werden“. Weiterhin heißt es,
„die Orgel muß Orchester Stimmung erhalten und alle Pfeifen nach den Registern nach
gleiche Intonation und das ganze Werck eine gleichschwebende Temperatur haben“. Das
Orgelgehäuse „oder der Orgelkasten muß aus gutem fehlerfreiem, trockenem
Eichen=Holz gearbeitet, hinden mit Thüren, Schloß, Riegel und Bändern versehen
werden“. Für die drei Windladen forderte die vertragliche Vereinbarung, dass sie aus
„gutem, fehlerfreiem trockenem Eichenholze [...] angefertiget [werden], und diese mit
allem möglichem Fleiße und in ausreichender Größe so mitgearbeitet, daß das
Pfeifenwerk nicht zu enge darauf zu stehen kömt". Schließlich sollten „dem Orgelwerke
[...] drei angemessene Bälge angebracht [werden] oben und unten mit starken Rahmen
versehen, gut geheftet und so wie die Windtwärke aus gutem trockenem Tannenholz
gearbeitet, das zu den Bälgen zu verwendende Leder muß gut und dauerhaft seyn".
IV. Der Vertrag - Zweiter Teil
Die Gemeinde hatte außer der Zahlung des vereinbarten Geldbetrages noch
verschiedene Dienstleistungen zu erbringen. Für das Gestell, an dem die Bälge
aufgehängt werden sollten, sollte die Gemeinde einen Schmied einschließlich des
Materials stellen. Desweiteren wurde ein Tischler angefordert, der während des
zehntägigen Aufbaues mitwirken sollte. Hinzu kam auch der Transport, für den die
Gemeinde verantwortlich war, und zwar „von Berncastel die Mosel herauf nach
Trittenheim". Was die Modalität der Bezahlung angeht wurde geregelt, dass 400 Taler ein
Jahr nach Auftragsvergabe bzw. Genehmigung des Vertrages zu zahlen seien, weitere
1400 Taler zu dem Zeitpunkt, nachdem die Orgel in der Kirche aufgebaut worden war. Die
verbleibenden 200 Taler sollten schließlich zwei Jahre später gezahlt werden, wenn die
Revision des Orgelwerkes zu keinerlei Beanstandungen werkseitig verursachter Fehler
geführt habe. Der Vertrag wurde der Regierung in Trier am 1. März 1838 zugestellt und
schon am 15. des gleichen Monats erteilte diese die Genehmigung zur Ausführung.
Die Gebrüder Stumm ihrerseits erhielten am 20. März den Vertrag und konnten nun
mit dem Werk beginnen. Vertragsgemäß lieferten sie zwei Jahre später, genaugenommen
6
7
Franz Bösken, Die Orgelbauerfamilie Stumm aus Rhaunen-Sulzbach und ihr Werk. Ein Beitrag zur
Geschichte des Orgelbaus am Mittelrhein, Mainz 1960, S. 94.
Sie wurde 1897 veräußert und gilt als verloren.
Stumm-Orgel
5
am 12. Juli 1840 das Orgelwerk in Trittenheim an. Am 22. August stand das Werk
vollständig aufgebaut und spielbereit in der Kirche. Zur Abnahme des Werkes hatte man
zwei Orgelsachverständige eingeladen, aus St. Wendel den Organisten Johannes Joerg
und den Trierer Musiklehrer Aloys Schlick. Ihr fachkritisches Urteil lautete: „Die Orgel hat
eine ganz reine befriedigende Intonation, eine gleich schwebende Temperatur enthält alle
im Contrackt verzeichneten Regiester [...] das ganze Werck ist gut und sauber gearbeitet.
Im Allgemeinen entspricht das ganze Orgelwerk den strengsten Forderungen eines jeden
Kunstverständigen und befriediget alle Wünsche; es gereicht uns zum besonderen
Vergnügen uns hierüber auf Eid, Pflicht und Gewissen aussprechen zu können".
V. Die Orgelempore
Während der Bauzeit der Orgel blieb der Gemeinde noch genügend Zeit, den
Aufstellungsort der Orgel zu errichten. Bis zu diesem Zeitpunkt besaß die Kirche keine
Empore; sie wurde erst durch den Erwerb der ersten Orgel notwendig. Wiederum war es
der Domkanoniker Schue, der hierbei die Gesamtkosten allein trug. Errichtet wurde die
Empore (moselländisch als "Duxal" bezeichnet) an der Südwand der 1790/93 erbauten
Saalkirche. Den ersten Entwurf hierzu lieferte Kreisbauinspektor Bingler, der auch für die
Neugestaltung des Kirchturmes oberhalb des Dachfirstes verantwortlich zeichnen sollte.
Nach Aussage der „Pfarr-Acten, Sendbeschlüße und Correspondenz" waren genaue
Vorstellungen über Maß und Aussehen vorhanden: die Empore sollte nur bis an das
zweite Fenster heranreichen, da das Orgelwerk in der Raumtiefe höchstens 16,5 Fuß
bedurfte. Damit verblieben hinter der Orgel 4,5 Fuß als Durchgang. Aus dieser Notiz lässt
sich feststellen, dass der ursprüngliche und angemessene Aufstellungsort der Orgel die
Brüstung war. Gegen eine planerisch vorgesehene Bauweise der Empore, die über das
zweite Fenster hinausreichen sollte, wurde angeführt: die Orgel stehe dann im Schatten,
es werde zu viel des Kirchenschiffes von der Empore überdeckt, der Gesang der
Gemeinde und der Klang der Orgel würde durch die zu große Nähe zum Altar leiden und
die von Schue bereitgestellten Mittel (400 Taler) würden nicht ausreichen. Dem Argument,
die Empore könne noch Gemeindeglieder aufnehmen, hielt man entgegen, „so besteht
dieser Grund nicht, indem unsere Kirche groß genug ist die ganze Gemeinde und noch die
Hälfte derselben zu fassen, eher den Raum mitzurechnen der durch die Emporkirche
abgewonnen wird. Mag die Population also auch so sehr zunehmen, so ist ein Mangel an
Raum in unser Kirche nicht zu befürchten" ("Pfarr-Acten, Sendbeschlüße und
Correspondenz" S. 73). Die Empore sollte aus Holz gefertigt werden.
Wegen der richtigen Größe der Empore kam es zwischen dem Kreisbauinspektor
Bingler und der Gemeinde zu längeren Auseinandersetzungen, da unterschiedliche
Interessen verschiedene Modelle bevorzugten. Bemerkenswert ist hierbei, dass beiläufig
Sänger benannt werden - dies lässt sich wohl auf das Bestehen eines Kirchenchores am
Ort beziehen -, die auf der Empore keinen Standort haben sollen. Schließlich einigte man
sich mit der Behörde, einen weiteren Bauinspektor hinzuzuziehen.
Ein Abschlussbericht zum Bau gibt jedoch zu erkennen, dass die endgültige Planung
dem „Bauinspektor Wollf und Hr. Bau- und Regierungsrath Nobling in Trier" übertragen
worden waren. Zum ausführenden Handwerker schreibt die Quelle: „der Aufbau derselben
[wurde] von dem hiesigen Schreinermeister Aloys Welter bei öffentlicher Versteigerung um
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den Preis von 380 Thlr übernommen" („Pfarr-Acten, Sendbeschlüße und Correspondenz"
S. 93 aus dem Jahre 1840).
Es kam das Jahr 1840, das nach Aussage des Vertrages als Zeitraum der Vollendung
des Werkes vorgesehen war. Endlich erstand auf der Empore jene Orgel der Gebrüder
Stumm, die gegenwärtig in der Pfarrkirche Trittenheims ein betrübliches Schicksal,
nämlich schweigen zu müssen, erduldet.
VI. Der Organist
Da das Thema „Organist“ eine Geschichte für sich ist, wollen wir uns auf einige
Anmerkungen beschränken. Als kleine Dorfgemeinde war es selbstverständlich nicht
möglich, einen eigenen Organisten einzustellen. Von vorne herein stand fest, dass die
Orgel nur durch einen nebenamtlich tätigen Organisten 'traktiert' werden sollte. Als
geeigneten Kandidaten fanden sich bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts immer
wieder Lehrpersonen der örtlichen Volksschule. Bis in die Zeit des Nationalsozialismus
blieb es bei dieser Kombination, bevor nach einer Zwischenlösung nach dem Kriege ein
hauptamtlicher Organist (mit Küsterdienst) eingestellt wurde.
Doch schon sehr schnell erwies sich von Beginn an selbst die Honorierung eines
nebenberuflichen Organisten ein größeres finanzielles Problem zu sein. Glücklicherweise
konnte zu Beginn durch Umschichtungen von Geldern dieses Problem gelöst werden.
Allerdings wirft dies auch ein Bild auf die schwierige finanzielle Lage, unter der zeitweise
auch die Orgel zu leiden hatte.
VII. Das Schicksal der Orgel
Einige Jahre nach dem Aufbau, 1846, ließ E. Schue für die Summe von 90 Talern die
Orgel säubern, mit weißer Ölfarbe streichen und das Zierwerk vergolden.8
Die erste größere Reparatur erfolgte 1883 durch Voltmann: Hierbei wurde im Positiv
offensichtlich ein Register ausgebaut. Während des Ersten Weltkrieges wurden die
Prospektpfeifen beschlagnahmt. Im Zuge einer erneuten größeren Reparatur und
Reinigung durch den Orgelbauer Gerhard aus Boppard 1924 wurden jene wieder ersetzt.
Allerdings erfolgte bei dieser Gelegenheit auch ein massiver Eingriff in den Standort: die
gesamte Orgel wurde an die Rückwand der Empore zurückversetzt. Man wollte dadurch
Raum für drei große Bänke schaffen, die dem Kirchenchor dienen sollten. Außerdem
wurden die bisher manuell zu tätigenden Blasebälge durch ein elektrisches Gebläse
ersetzt. An die Stelle der früheren Octave 2' und Salicional 2' trat ein Salicional 8' und eine
vox coelestis; gänzlich entfernt wurde das nach zeitgenössischen Aussagen stets
verstimmte cor morne 8'. Die gesamte Aktion kostete 1.600 M. Mangel an Geld, eine in
den dreißiger Jahren eingebaute Heizung und wohl auch mangelnde Pflege liessen in den
folgenden Jahr(zehnt)en die Attraktivität des Werkes mehr und mehr sinken. Dass es sich
um ein Werkstück aus der Stumm-Orgelbauerfamilie handelte war darüber hinaus
offensichtlich auch nicht mehr bekannt. So wurde eine Entscheidung leicht gemacht, sich
für das Neue zu entscheiden. Mit der Wiederentdeckung der Baumeister der stummen
8
Vgl. PfChr I S. 66.
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Trittenheimer Stummorgel und dem Wissen um einen beträchtlichen Erhalt des Werkes
hat die Hoffnung neuen Auftrieb erhalten, dass im neuen Jahrtausend ein altes Werk Gott
und den Menschen zur Freude dienen wird.
Christoph Schmitt
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Stumm-Orgel