120314 Lagebild Menschenhandel 2011
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120314 Lagebild Menschenhandel 2011
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung Lagebild Nordrhein-Westfalen 2011 www.lka.nrw.de Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ Kriminalitätsentwicklung im Überblick Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung - Anzahl der Verfahren 2011 ist der dritthöchste Wert seit 2000 und liegt über dem Durchschnittswert von etwa 90 Verfahren pro Jahr der letzten zehn Jahre Seit Einführung des Prostitutionsgesetzes 2002 keine dauerhafte Steigerung angemeldeter Prostitutionstätigkeiten Täter/innen nutzen persönliche und finanzielle Not vieler Opfer weiterhin aus – Verdienst im Vergleich zum Heimatland hoch Vermögensabschöpfung nach wie vor schwierig 2010 2011 in % Verfahren 131 95 - 27,5 % Tatverdächtige 182 148 - 18,7 % Opfer 147 113 - 23,1 % 19 595 € 131 630 € Abgeschöpfte Gewinne1 1 Siehe Erläuterungen Nr. 1.2 2 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ Inhalt 1 1.1 1.2 1.3 1.4 Lagedarstellung ............................................................................................... 4 Vorbemerkungen ............................................................................................. 4 Verfahrensdaten .............................................................................................. 4 Tatverdächtige ................................................................................................. 4 Opfer................................................................................................................ 5 2 Fazit ................................................................................................................. 6 3 Anlagen............................................................................................................ 7 Ermittlungsverfahren........................................................................................ 7 Tatverdächtige ................................................................................................. 8 Opfer.............................................................................................................. 10 Fallbeispiele................................................................................................... 13 3.1 3.2 3.3 3.4 3 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ 1 Lagedarstellung 1.1 Vorbemerkungen Das Lagebild soll wesentliche Informationen zur Entwicklung "Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" bereitstellen. Die Daten basieren auf Meldungen zu Verfahren der Polizeibehörden Nordrhein-Westfalens, die nach einem bundesweit einheitlichen Standard gesondert erhoben wurden. Dabei finden nur Verfahren Berücksichtigung, die nach dem Abschluss der polizeilichen Ermittlungen wegen des Verdachts des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) oder dessen Förderung (§ 233a StGB) im Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2011 an die Staatsanwaltschaften abgegeben wurden. Die Klammerwerte im Text beziehen sich, sofern nicht anders angegeben, auf die entsprechenden Vorjahreswerte. Fälle des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft gemäß § 233 StGB werden nicht betrachtet. Tatbegehungsweisen, Opfer- und Täterklientel pp. weichen bei diesem Delikt von denen der sexuellen Ausbeutung erheblich ab. Die Aufnahme von diesbezüglichen Informationen bietet sich daher aus fachlichen Gründen nicht an. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden polizeilich bekannt gewordene Straftaten nach einem Verfahren erfasst, das von den Kriterien des Erhebungsverfahrens für dieses Lagebild abweicht. Insoweit können sich Differenzen zwischen den Daten dieses Lagebildes und der PKS ergeben. Die Aussagekraft des Lagebildes ist dadurch eingeschränkt, dass nur der Polizei bekannt gewordene Fälle dargestellt werden können. Insofern spiegelt es einen Ausschnitt der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung im Bereich Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung wider. 1.2 Verfahrensdaten Im Jahr 2011 sank die Anzahl der gemeldeten Verfahren auf 95 (131). Dies entspricht einer Abnahme von etwa 27,5 %. 28 (62) Verfahren haben Opfer mit ihren Strafanzeigen initiiert. Hinweise und Strafanzeigen Dritter begründeten 29 (21) Verfahren. Darunter fallen auch Hinweise, die die Polizei aus laufenden Ermittlungen zum Menschenhandel gewonnen hatte und für Folgeverfahren nutzte. In 13 (48) Fällen leitete die Polizei Verfahren selbst ein. Die Abnahme der Verfahrenszahlen spiegelt nicht die Kriminalitätsentwicklung in diesem Deliktsbereich wider. Sie hängt stark von polizeilichen Aktivitäten und vom Anzeigeverhalten der Opfer ab. Die Anstiege der Fallzahlen in den Jahren 2009 und 2010 waren ausschließlich auf Verfahren zurückzuführen, die die Polizeipräsidien Bonn und Köln als OK-Verfahren bzw. nach intensivierten Kontrollen eingeleitet hatten. Die Zahl aller Verfahren lag 2011 (95) über dem Zehnjahresdurchschnitt (90,5) und war der dritthöchste Wert seit 2000. Als Indikator für die Komplexität der Verfahren dient die Anzahl der Tatverdächtigen und Opfer pro Verfahren. Im Jahr 2011 stagnierte der opferbezogene Komplexitätswert mit 1,2 (1,1), der tatverdächtigenbezogene Komplexitätswert blieb mit 1,6 zum Jahr 2010 (1,4) ebenfalls nahezu gleich. 2011 bearbeiteten Dienststellen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) 10 (34) Verfahren. 2011 schöpfte die Polizei in zwei Menschenhandelsverfahren Gewinne in Höhe von 131 630 (19 595) Euro ab. Die Beschlagnahme von Vermögen (u. a. zur Zurückgewinnungshilfe) ist schwierig, weil die Täter/innen Vermögenswerte verstecken und verschleiern und die Eigentums-/Besitzverhältnisse nicht immer eindeutig geklärt werden können. 1.3 Tatverdächtige Die Gesamtzahl der gemeldeten Tatverdächtigen sank 2011 auf 148 (182). Davon waren 32 (27) Frauen. Einige dieser Tatverdächtigen waren zunächst selbst Opfer von Menschenhandel und Prostitution. Ihnen gelang es unter verschiedenen Umständen sich von ihren Zuhältern zu lösen oder eine Beziehung mit diesen einzugehen. In der Folge nutzten sie ihre Milieukenntnisse und -kontakte zur Rekrutierung und Ausbeutung neuer Opfer. So erlangten sie einen Statusgewinn mit höherem Einkommen und konnten teilweise die eigene Prostitution aufgeben. Dieser Rollenwechsel vom Opfer zur Täterseite ist wiederholt in Vernehmungen dokumentiert, am häufigsten bei nigerianischen Menschenhändlern/innen. 4 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ 2011 meldeten die Polizeibehörden in NRW Tatverdächtige aus 21 (20) Nationen, darunter 34 (32) deutsche und 104 (134) nichtdeutsche Tatverdächtige. Drei (fünf) Tatverdächtige mit deutscher Staatsangehörigkeit wurden nicht in Deutschland geboren. Bei 10 (16) Tatverdächtigen war die Nationalität unbekannt. 1.4 Opfer 2 Gegenüber 2010 sank die Zahl der gemeldeten Opfer auf 113 (147). Das PP Köln ermittelte die meisten Opfer (17), überwiegend Süd- und Osteuropäerinnen. 2011 stellte die Polizei in NRW 88 (111) Personen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit als Opfer von Menschenhandel fest. Sie stammten, wie in den Vorjahren, überwiegend aus osteuropäischen Ländern, vor allem Rumänien mit 24,8 % (12 %) und Bulgarien mit 15,9 % (29 %). Die 2009 festgestellte auffallend hohe Anzahl nigerianischer Opfer ist erneut zurückgegangen. 2011 wurden sieben nigerianische Opfer festgestellt. Im Berichtszeitraum gab es zwei (eins) männliche Opfer. Die Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen stellte mit 71,7 % (58,5 %) den größten Anteil an den bekannt gewordenen Opfern. Für 2011 wurden 10 (21) Minderjährige als Opfer von Menschenhandel gemeldet. Von den 10 gemeldeten Opfern unter 18 Jahren waren eine Türkin und eine Rumänin erst 13 Jahre alt. Ein minderjähriges Opfer übte die Bar-/Bordellprostitution und das andere die Straßenprostitution aus. Das LKA NRW stellte bei einer Sonderauswertung in der polizeilichen Falldatenbank FINDUS fest, dass die Zahl minderjähriger Opfer tatsächlich höher war (21). Sie konnten noch nicht alle von den 3 KPB für das Lagebild gemeldet werden, da noch nicht alle Ermittlungen abgeschlossen sind . Seine Sonderauswertung hat das LKA NRW allen KPB Anfang August 2011 zur Verfügung gestellt, um auf dieses Phänomen aufmerksam zu machen. Diesbezüglich verstärkte Kontrollmaßnahmen sind ergänzend bei einer Fachtagung für Kriminalitätsbekämpfung im Herbst 2011 angeregt worden. Ein (drei) nigerianisches Opfer wurde abgeschoben/ausgewiesen. Der geringe Anteil der abgeschobenen oder ausgewiesenen Opfer der letzten Jahre ist Folge der EU-Erweiterung mit erleichterten Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen insbesondere für südosteuropäische Opfer. 29,2 % (18,4 %) reisten aus eigenem Entschluss in ihre Heimatländer zurück. 8,8 % (11,6 %) erhielten Aufenthaltsduldungen. Der Verbleib von 12,3 % (16,3 %) der ausländischen Opfer ist unbekannt. Spezialisierte Fachberatungsstellen haben 56 (79) Opfer betreut und unterstützt. Im Verhältnis zu den Verfahrenszahlen zeigt sich keine signifikante Veränderung zu 2010. 4 Die Arten der Anwerbung und Einwirkung auf die Opfer werden oft erst durch detaillierte Opferangaben oder Zeugenaussagen Dritter bekannt. 2011 fühlten sich nach eigenen Angaben 57 (44) Opfer bei der Anwerbung über die tatsächlichen Absichten der Tatverdächtigen getäuscht, 15 (29) Opfer waren unter anderen Bedingungen grundsätzlich mit der Ausübung der Prostitution einverstanden. 22,1 % (38,8 %) der Opfer gaben an, dass die Täter/innen mit physischer und/oder psychischer Gewalt auf sie eingewirkt hatten, um sie zur Prostitution zu zwingen. 8,0 % (38,1 %) aller Opfer sagten aus, bereits bei der Anwerbung mit Gewalt zur Prostitution gezwungen worden zu sein. 14,2 % (7,5 %) aller ausländischen Opfer bekundeten, dass die Täter/innen eine Zwangslage ausnutzten (z.B. tatsächliche oder angebliche Schulden für die Schleusung/Beschaffung von Ausweisen). Bei 14,2 % (10,9 %) der ausländischen Opfer machten sich die Tatverdächtigen deren Hilflosigkeit (fehlende Sprachkenntnisse, Unkenntnis der Rechtslage, Misstrauen gegenüber deutschen Behörden) zunutze. Seit 2006 wird der Aufenthaltsstatus der Opfer zum Zeitpunkt ihrer Prostitutionsausübung erhoben. Der Anteil der legal in Deutschland aufhältigen Opfer stieg stetig an, so auch 2011 auf 76,1 % (73,0 %). Den illegalen Aufenthaltsstatus erlangte ein Großteil der Opfer erst durch die (verbotene) Aufnahme von Arbeit; teilweise sind den Frauen diese rechtlichen Hintergründe nicht bekannt. 2 Bei Verfahren mit TV im Ausland, zu denen „Opferzahl unbekannt“ gemeldet wurde, ist für die Lagedarstellung ein Opfer gezählt worden. 3 Siehe Ziffer 1.1. 4 Mehrfachnennungen bei Anwerbungsart gab es zwei Mal. 5 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ 5 Die meisten Opfer 67,3 % (48,3 %) übten die Prostitution in Bar-/Bordellbetrieben aus. 1,8 % (2,7 %) boten Haus- und Hotelbesuche an. 15,0 % (12,2 %) der Frauen gingen der Wohnungsprostitution 6 und 13,3 % (32,7 %) der Straßenprostitution nach. Die Prostitutionsarten „unbekannt“ (0,9 % ) und „Sonstiges“ (5,3 %; z. B. Love-Mobil) sind wie die Haus- und Hotelbesuche eher selten. Die Möglichkeit, Prostitution als arbeitsrechtlich angemeldete Tätigkeit auszuüben, besteht seit dem in Kraft treten des Prostitutionsgesetzes am 01.01.2002. 2005 (erste Befragung) nahmen 14,4 % der Opfer diese Möglichkeit wahr. 2006 waren es 17,8 % und 2007 46,9 %. 2008 blieb dieser Wert gleich (46,8 %), sank jedoch 2009 (29,0 %) und 2010 (23,1 %) erheblich. 2011 stagnierte er bei 23,9 %. Die seit 2009 gestiegenen Zahlen und Anteile ausländischer Opfer könnten einen Teil der Entwicklung begründen, weil ausländerrechtliche Beschränkungen für Bürger/innen dieser Länder legalen Arbeitsverhältnissen entgegenstehen (für rumänische und bulgarische Staatsangehörige bis 31.12.2011). Außerdem bedeuten Opferkontakte mit der Arbeits- und Sozialverwaltung ein höheres Entdeckungsrisiko für die Tatverdächtigen und Einkommenseinbußen durch die staatlichen Abgaben. Da die Opfer von den Tätern abhängig sind und in der Regel über einen geringen Bildungsstand verfügen, ist zukünftig nicht damit zu rechnen, dass sie ihre Prostitutionstätigkeit anmelden werden. 2 Fazit Polizeiliche Aktivitäten/Kontrollen und das Anzeigeverhalten von Opfern/Dritten haben wesentlichen Einfluss auf die Verfahrenszahlen. Schwankungen sind deshalb nicht ungewöhnlich. Noch immer gelingt es den Tätern häufig, Opfer in ihren Heimatländern, oft Bulgarien und Rumänien, mit der Aussicht auf ein besseres Leben in Deutschland anzuwerben. Insoweit ist der Modus Operandi seit Jahren unverändert. Sie locken mit gutem Einkommen sowie sozialem Aufstieg und nutzen dabei den teilweise sehr geringen Bildungsstand ihrer Opfer aus. Nach wie vor sind die Aussagebereitschaft sowie die Zusammenarbeit der Opfer mit der Polizei von Scham und Angst vor Repressalien der Täter geprägt. Auch wenn den Opfern ein Mobiltelefon, Geld und eine gewisse räumliche Bewegungsfreiheit gelassen wird, ist die Gefahr für Familienangehörige in Deutschland oder im Herkunftsland nicht gebannt. Die Ausübung seelischer und körperlicher Gewalt führt nicht selten zu einer Traumatisierung der Opfer und ihnen nahe stehenden Personen. Die Vernetzung von polizeilichem Opferschutz mit Hilfsorganisationen ist auch künftig unverzichtbar. Den Opfern müssen die Verfahrensabläufe und insbesondere Hilfen für die Zeit nach einem Verfahren aufgezeigt werden. Je besser ein Opfer informiert ist, desto weniger Ängste und Unsicherheiten wird es entwickeln. Maßgeblich für die Verdachtsschöpfung sind intensive Kontrollen der Polizei- und Ordnungsbehörden. Die Bedeutung von Kontrollen nicht nur im Kontext mit der hohen Zahl minderjähriger Opfer (vgl. Nr. 1.4) ist anerkannt. Die erfolgreiche Bekämpfung von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und seiner Ursachen ist zumeist von Faktoren abhängig, die die Polizei nicht oder nur bedingt beeinflussen kann. Fehlende Zukunftsperspektiven, Armut und katastrophale Wohnverhältnisse in Teilen Bulgariens und Rumäniens veranlassen Frauen, die häufig ethnischen Minderheiten angehören, nahezu alles zu tun, um ihrem Elend zu entkommen. Generell dürften Bestrebungen, die Lebenssituation der Frauen in den Herkunftsländern zu verbessern (z. B. im Bildungswesen) und wirtschaftliche Not zu lindern, am ehesten geeignet sein, junge Frauen vor den Versprechungen von Schleusern und Menschenhändlern zu wappnen. Hierzu sind unterschiedliche Maßnahmen erforderlich, darunter: • Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidungsträgern der Herkunftsländer auf EU-Ebene • Aufklärung/Öffentlichkeitsarbeit der Behörden in den betroffenen Ländern • Kooperationen von Polizei und Hilfsorganisationen in Deutschland und in der EU • Kontrollen der Polizei (auch unter Einbeziehung von Dokumentenprüfern). 5 6 Mehrfachnennungen erfolgten vier Mal. Opfer konnte fliehen, bevor es die Prostitution aufnehmen musste. 6 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ 3 Anlagen 3.1 Ermittlungsverfahren Gemeldete Verfahren 140 131 118 120 100 117 95 95 89 80 78 75 69 68 69 2006 2007 2008 68 60 40 20 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2009 2010 2011 Komplexität der Verfahren (Anzahl der Opfer und Tatverdächtigen pro Verfahren) 3,5 3,0 3,0 2,8 2,7 2,8 2,5 2,0 2,0 2,1 2,2 2,0 2,0 1,9 1,9 1,8 1,6 1,5 1,5 1,6 1,5 1,4 1,3 1,1 1,0 1,0 1,1 1,2 0,5 0,0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Opfer 2007 2008 2009 2010 2011 Tatverdächtige 7 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ Abgeschöpfte Gewinne in € 2011 131 630 2010 19 595 2009 10 130 50 980 2008 2007 1 680 951 204 513 2006 2005 249 100 154 720 2004 2003 34 526 2002 430 911 2001 443 264 2000 487 378 200 000 400 000 600 000 800 000 1 000 000 1 200 000 1 400 000 1 600 000 1 800 000 3.2 Tatverdächtige Tatverdächtige nach Geschlecht 300 248 250 207 201 200 169 153 150 132 129 126 109 116 104 100 82 62 50 0 47 44 34 33 27 32 22 20 32 27 19 0 0 2 2 1 0 0 0 0 3 2 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Männer Frauen unbekannt 8 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ Deutsche - Nichtdeutsche Tatverdächtige 250 197 200 150 136 145 127 116 107 100 124 104 86 83 82 65 74 66 55 59 57 48 50 56 42 11 0 0 0 2000 2001 2002 12 2 2003 2004 2005 Deutsch 8 2006 Nichtdeutsch 16 3 2007 2008 34 32 29 0 134 10 2009 16 2010 10 2011 unbekannt Anteil der Tatverdächtigen nach Nationalität Unbekannt 6,8% Deutsch 23,0% Sonstige 17,6% Nigerianisch 8,8% Rumänisch 16,9% Bulgarisch 11,5% Türkisch 15,5% 9 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ 3.3 Opfer Opferanzahl 300 250 241 213 203 200 189 155 150 147 130 121 118 113 100 90 79 50 16 23 9 10 2001 2002 11 12 9 13 10 2004 2005 2006 2007 2008 16 21 2009 2010 10 0 2000 2003 Opfer Gesamt 2011 Minderjährige Anteil der Opfer nach Nationalität Sonstige 14,2% Rumänisch 24,8% Türkisch 5,3% Tschechisch 5,3% Polnisch 6,2% Nigerianisch 6,2% Deutsch 22,1% Bulgarisch 15,9% Im Lagebild 2010 war der Anteil türkischer und tschechischer Opfer im Bereich „Sonstige“ erfasst. Sie werden nun gesondert ausgewiesen. 10 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ Anzahl betreuter Opfer 2011 56 2010 79 2009 47 26 2008 2007 30 2006 37 43 2005 2004 40 2003 85 100 2001 2001 118 0 20 40 60 80 100 120 140 Betreuung durch Fachberatungsstellen Aufenthaltsstatus der Opfer Illegal 10,6% Entfällt 13,3% Unbekannt 0,0% Legal 76,1% Der Status „Entfällt“ bedeutet, dass das Opfer sich nicht im Bundesgebiet befand (z. B. Anzeigenerstattung im Ausland, Tatort in Deutschland) oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Opfer, deren Status nicht bekannt oder ungeklärt war, sind unter "Unbekannt" erfasst. 11 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ Art der Prostitutionsausübung 0,9% 1,8% Unbekannt Haus- und Hotelbesuche Sonstiges Straßenprostitution Wohnungsprostitution Bar- / Bordellprostitution 5,3% 13,3% 15,0% 67,3% 0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0% 70,0% 80,0% Durch vier Mehrfachnennungen in den Bereichen Bordell-, Wohnungs- und Straßenprostitution liegt der Gesamtanteil bei 103,6 %. Verteilung der bekannt gewordenen Fälle in NRW Kreispolizeibehörden PP Köln PP Duisburg PP Düsseldorf PP Dortmund PP Essen PP Aachen PP Gelsenkirchen PP Bochum PP Oberhausen LR Rhein-Sieg-Kreis PP Bonn LR Minden-Lübbecke PP Recklinghausen LR Viersen PP Wuppertal LR Herford PP Münster LR Soest PP Bielefeld LR Düren LR Gütersloh PP Hamm PP Krefeld LR Lippe LR Mettmann LR Rhein-Erft-Kreis Sondererhebung Lagebild 14 8 8 7 7 5 5 4 4 4 3 3 3 3 3 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 12 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ 3.4 Fallbeispiele Die folgenden Fallbeispiele aus dem Jahr 2011 unterstreichen die Bedeutung des Personenbeweises in Menschenhandelsverfahren: Fallbeispiel 1: Bundesweiter Kontrolltag unter Beteiligung von 14 Behörden aus NRW In den Abendstunden des 12.05.2011 haben in einer vom BKA organisierten Aktion über 120 Polizeidienststellen in 13 Bundesländern Bordelle und bordellähnliche Betriebe kontrolliert. Vorrangiges Ziel war, Opfer von Menschenhandel aus Westafrika zu identifizieren und Hinweise auf Menschenhändler/innen zu erlangen. Insgesamt wurden bundesweit fast 200 schwarzafrikanische Frauen kontrolliert. In NRW wurden drei mögliche Opfer erkannt. In einem Fall ergaben sich auch Bezüge nach Italien und zu der dort ansässigen „Madame“ (Zuhälterin). In einem weiteren Fall gestaltete sich die Zusammenarbeit mit dem Opfer schwierig, da es keine Aussage machen wollte. Die Frau fühlte sich nicht als Opfer und verhielt sich sehr aggressiv. Da der ihr überlassene Teil ihres Einkommens in Deutschland immer noch höher als in ihrem Heimatland war, stand für sie der befürchtete Einkommensverlust im Vordergrund. Fallbeispiel 2: Vermisstenfahndung nach einer Minderjährigen (15) Das BKA (SIRENE Rumänien) teilte dem LKA NRW am 04.05.2011 die Fahndung nach einem 15jährigen vermissten Mädchen rumänischer Staatsangehörigkeit mit, weil Bezüge nach Krefeld, in den Märkischen Kreis und nach Düsseldorf bestanden. Am 17.05.2011 ergänzte die rumänische Polizei über ihre Verbindungsbeamtin den Sachverhalt. Der OK Brigade Craiova (Rumänien) lagen Erkenntnisse über eine rumänische Tätergruppierung vor, die gezielt junge Frauen (auch Minderjährige) in Rumänien unter Vorspiegelung falscher Tatsachen anwarb, um sie in Deutschland sexuell auszubeuten. Fünf Tatverdächtige konnten identifiziert werden. Das LKA NRW richtete eine Ermittlungskommission ein, um weiterführende Ermittlungen bezüglich der rumänischen Täterorganisation zu führen. Am 18.07.2011 erschien die vermisste Minderjährige im rumänischen Generalkonsulat in Barcelona und wurde nach Rumänien zurückgeführt. Gleichwohl liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Minderjährige in Deutschland der Prostitution in verschiedenen Bordellen nachgegangen ist. Hierbei legte sie immer eine gefälschte rumänische Identifikationskarte vor, die sie als 19-jährige Rumänin auswies. Ein organisiertes Täternetzwerk konnte nicht nachgewiesen werden. Die zuständige StA prüft trotzdem weitere strafprozessuale Maßnahmen in Deutschland und in Rumänien gegen die rumänischen Tatverdächtigen. Die polizeilichen Ermittlungen sind insofern noch nicht abgeschlossen, sodass die Verfahrensdaten erst zu einem späteren Zeitpunkt in einem Lagebild berücksichtigt werden können. 13 Lagebild „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung 2011“ Herausgeber Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen Völklinger Str. 49 40221 Düsseldorf Abteilung 3 Kriminalitätsauswertung, Polizeiliche Kriminalstatistik, Kriminalprävention, Evaluation, Forschung, IT-Fachkoordination, Fahndung, MEK, Zielfahndung Dezernat 31 Kriminalitätsauswertung, Polizeiliche Kriminalstatistik, DV-Koordination, KURS NRW, Operative Fallanalyse (OFA) Sachgebiet 31.3 Rauschgift-, Arzneimittel-, Menschenhandels-, Schleusungs- und Dokumentenkriminalität Redaktion: KOKin Sonja Fengler und KOKin Carola Bezem Tel.: (0211) 939 - 3184 oder Polizeinetz 07 - 224 - 3184 Fax: (0211) 939 - 3119 oder Polizeinetz 07 - 224 - 3119 [email protected] Impressum Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen Völklinger Str. 49 40221 Düsseldorf Tel.: (0211) 939-0 Fax: (0211) 939-4119 [email protected] www.lka.nrw.de