Eduard-Pfeiffer-Haus
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Eduard-Pfeiffer-Haus
Eduard-Pfeiffer-Haus Heusteigstraße45 Eduard-Pfeiffer-Haus Heusteigstraße45 Einführung E in Mann und ein Haus haben Geschichte geschrieben. Der Mann ist der Bankier und Sozialreformer Geheimer Hofrat Dr. Eduard von Pfeiffer. Das geschichtsträchtige Haus steht in der Heusteigstraße 45 im Stuttgarter Süden und wurde als Eduard-Pfeiffer-Haus bekannt. Im Jahre 1863 trat Eduard Pfeiffer in den Arbeiter-Bildungsverein (heute Allgemeiner Bildungsverein) ein. Kurze Zeit danach gründete er den „Verein zum Wohle der arbeitenden Klassen“ (heute Bau- und WohnungsVerein Stuttgart). Mit Hilfe beider von ihm geleiteten Vereine gründete Eduard Pfeiffer 1888 die Stiftung Arbeiterheim, Eigentümerin des 1890 fertig gestellten Hauses in der Heusteigstraße. Der Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen war Pfeiffers wichtigste Unternehmung in einem ganzen Netzwerk von Vereinen, deren gemeinsames Ziel die Hilfe zur Selbsthilfe für minderbemittelte Klassen war. Dazu gehörte die Beschaffung von Wohnraum. Dr. Karl Epple Vorsitzender des Stiftungsrats Stiftung Arbeiterheim 1890 wurde in der Heusteigstraße 45 das Arbeiterheim eröffnet. Es bot 240 ledigen Arbeitern in Einzel- und Doppelzimmern eine Unterkunft, dazu eine Volksküche, eine Wäscherei und einen Saal für kulturelle Veranstaltungen, der später Landesgeschichte geschrieben hat. Das Männerwohnheim wurde Frauenwohnheim und schließlich ein gemischtes Wohnheim. Bis ins Jahr 2008 wurden 100 Zimmer günstig an Bewohner aus allen Bevölkerungsschichten vermietet, inklusive der Nutzung von Gemeinschaftsduschen und einer gemeinschaftlichen Küche, Hausmeisterund Reinigungsdienst. Der Bedarf an günstigem Wohnraum auf Zeit ist bis heute aktuell geblieben. Doch der Zahn der Zeit hat dem Gebäude beträchtlich zugesetzt und die Ansprüche an das Wohnen haben sich geändert. Der Stiftungsrat der Stiftung Arbeiterheim hat daher eine grundlegende Sanierung beschlossen, um Wohnheimapartments für zeitgemäßes Wohnen in diesem historischen Gebäude zu errichten und gleichzeitig ein Stück Landesgeschichte zu erhalten. Denn das Gebäude Heusteigstraße 45 war und ist nicht nur Wohnheim und Kulturstätte. Es ist ein Haus, das Landesgeschichte geschrieben hat. Der Saal bot im Sinne des Gründervaters Raum für viele kulturelle und bürgerschaftliche Aktivitäten, auch eine Theatergruppe des ArbeiterBildungsvereins hatte dort ihr Domizil. Noch heute ist ein Zimmertheater im Kellergeschoss des Gebäudes beheimatet. Als Stuttgart nach dem Zweiten Weltkrieg zu mehr als 80 Prozent in Schutt und Asche lag, bot sich der unzerstörte Saal als Provisorium für Plenarsitzungen des württembergisch-badischen und des baden-württembergischen Landtags an. Statt Theaterbühne tagte hier der Landtag des deutschen Südwestens bis zur Eröffnung des neuen Landtagsgebäudes an der KondradAdenauer-Straße im Mai 1961. Hier wurde die erste Landesverfassung verabschiedet, dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zugestimmt und das Land BadenWürttemberg gegründet. Seit 1986 dient der Saal der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste als Unterrichtsraum für das Fach Bühnenbild. Mit der Sanierung des Gebäudes Heusteigstraße 45 wird eine Tradition fortgeschrieben und in eine zeitgemäße Sprache übersetzt. Die bedeutende und wechselvolle Geschichte bleibt durch Schautafeln in den einzelnen Stockwerken lebendig. Auf den folgenden Seiten wollen wir Ihnen Geschichte und Gegenwart des Hauses vorstellen. Dr. Karl Epple Vorsitzender des Stiftungsrats Stiftung Arbeiterheim Grußwort des Landtagspräsidenten D as Eduard-Pfeiffer-Haus ist gleichsam das Geburtshaus des Landes Baden-Württemberg. Die Verfassunggebende Landesversammlung besiegelte hier am 25. April 1952 um 12:30 Uhr die „Fusion“ der drei südwestdeutschen Nachkriegsländer durch die Wahl des ersten Ministerpräsidenten und die Bildung des ersten Landeskabinetts. Und am 11. November 1953 folgte die Verabschiedung unserer Landesverfassung. So gesehen, steht das Eduard-Pfeiffer-Haus in einer Reihe mit dem legendären Museum Koenig in Bonn, wo der Parlamentarische Rat am 23. Mai 1949 das Grundgesetz feierlich verkündet hat. Und diese Einordnung lässt zutage treten: Nicht nur bei berühmten Persönlichkeiten übt die buchstäblich „erste“ Adresse eine doppelte Faszination aus. Peter Straub MdL Präsident des Landtags von Baden-Württemberg Zum einen gilt auch für die Heusteigstraße 45: Wer an einem derart bedeutsamen Ort innehält, der überbrückt die vergangene Zeit und spürt eine eigentümliche Nähe. Und dieses Empfinden wird nicht allein den Kundigen zuteil. Sogar Passanten sind wenigstens kurz berührt, wenn ihnen die Gedenktafel ins Auge fällt. Zum anderen fühlen sich die politischen Nachfahren der Gründermütter und Gründerväter – ähnlich den Abkömmlingen illusterer Geistesgrößen – ihrem „Stammhaus“ auf spezifische Weise verbunden: Sie wollen das Gebäude in gutem Zustand wissen, selbst wenn der „Familienname“ nicht im Grundbuch auftaucht und die einstige „Wohnung“ nicht mehr frei betreten werden kann. Deshalb bekunde ich der „Stiftung Arbeiterheim“ höchsten Respekt für die außerordentlich gelungene Erneuerung des Eduard-Pfeiffer-Hauses. Nichts wurde „kaputtsaniert“. Weder baulich noch im „Wesen“. Sensibilität war erkennbar die oberste Maxime, und zwar in jeder Beziehung: gestalterisch, handwerklich, historisch. Die ursprüngliche Identität des Gebäudes ist modern, doch treffend interpretiert worden. Der politische Genius loci zählt weiterhin zu den Mitbewohnern. Nicht als verborgenes Phänomen. Sondern eingängig dokumentiert. Das „neue“ Eduard-Pfeiffer-Haus bejaht seine Vita, ohne darin zu verharren. Es ist ein Baudenkmal. Und ein „Denk mal“, sprich eine Aufforderung, sachlich zu reflektieren, dass Geschichte beides heißt: Geschehenes und Geschichtetes. Das Vorhandene will ein Fundament sein, das wir – im Wortsinn – „rücksichtsvoll“ weiterentwickeln sollen. Der wohl prominenteste Gast im Eduard-Pfeiffer-Haus war Bundespräsident Theodor Heuss. Im Januar 1954 besuchte er offiziell den baden-württembergischen Landtag. Dabei bezeichnete er unser Land als „Modell deutscher Möglichkeiten“. Diese Charakterisierung ist schnell zu einer oft zitierten Redewendung geworden. Mehr noch: Sie formt unsere kollektive Mentalität. Der baden-württembergische Regionalpatriotismus speist sich aus dem erfolgreich praktizierten Selbstanspruch, die eigenen Potenziale im richtigen Moment zukunftsgerecht „aufzustellen“ – wie man neudeutsch sagt. Nicht zuletzt dieser Impetus leitete die „Stiftung Arbeiterheim“ bei der Renaissance des Eduard-Pfeiffer-Hauses. Und das Ergebnis ist wirklich präsentabel als „Modell“ für das Wahrnehmen der Eigentümerpflichten bei zeitgeschichtlich relevanten Immobilien. Hoffentlich sind die künftigen Mieter ein bisschen stolz, dass sie im Geburtshaus des Landes Baden-Württemberg wohnen. Vielleicht wird dieses „Privileg“ sogar zum Impuls, die aktuelle Landespolitik mit gesteigerter Aufmerksamkeit zu verfolgen. Es würde mich sehr freuen. Peter Straub Präsident des Landtags von Baden-Württemberg Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Stuttgart D as sogenannte Eduard-Pfeiffer-Haus in der Heusteigstraße 45, in den Jahren 1947 bis 1961 Sitz des Landtags, ist nicht nur mit der Geschichte des Südweststaates, sondern auch eng mit der Stadtgeschichte Stuttgarts verknüpft. Insbesondere ist es ein bemerkenswertes Zeugnis für das sozialreformerische Engagement des späteren Ehrenbürgers Eduard Pfeiffer. Sein Interesse galt neben der Arbeiterbildung der Verbesserung der Wohnverhältnisse der Arbeiterschaft; hier war er weit über Stuttgart hinaus Richtung weisend. So war das Arbeiterheim in der Heusteigstraße die erste umfassende Einrichtung ihrer Art im damaligen Deutschen Reich. Später folgten die Siedlung Ostheim sowie die in Ansätzen realisierten Kolonien Südheim und Westheim, Anfang des 20. Jahrhunderts die von Pfeiffer geförderte Sanierung der Altstadt. Nachdem das Gebäude Mitte der 1980er Jahre renoviert und der historische Festsaal in alter Pracht wiederhergestellt werden konnte, belegt die nunmehrige Sanierung durch die von Pfeiffer gegründete Stiftung Arbeiterheim, dass dieses Engagement nachhaltig ist und bis heute Früchte trägt. Zur gelungenen Generalsanierung spreche ich der Stiftung Arbeiterheim namens der Landeshauptstadt Stuttgart Dank und Anerkennung aus. Dr. Wolfgang Schuster Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart Dr. Wolfgang Schuster Sanierung eines Denkmals Unklare Statik, unzulängliche Sanitärausstattung und zu kleine Zimmer, so stellte sich die Situation des Wohnheims am 21. Oktober 2004 dar. Die Stiftung Arbeiterheim hatte zu einer Begehung das Architekturund Ingenieurbüro Kottkamp & Schneider, die Ingenieurgesellschaft Schneck-Schaal-Braun, das Ingenieurbüro ebök und die Heimleitung eingeladen, um eine Grundlage für Sanierungs- und Umbaumaßnahmen zu erarbeiten. Festgestellt wurde ein guter Zustand der Grundsubstanz und der technischen Anlagen. Aber auch, dass die Dachform nicht dem Baugesuch von 1889 entspricht. Das äußere Erscheinungsbild des aus dem Jahr 1889 stammenden Gebäudes war damals und ist bis heute noch weitgehend erhalten. Die Außenfassade – auf der Rückseite Industrieklinker, auf der Frontseite Sandstein – wurde 1970/1971 für rund 100.000 Mark restauriert, denen „keine Mehrerträge gegenüber stehen“, wie im Protokoll der damaligen Sitzung des Stiftungsrates festgehalten. Das Haus befand sich 2004 im Innern im Wesentlichen im Zustand von 1961, als es vom Architekturbüro Aldinger umgebaut wurde. Damals, nach dem Auszug des baden-württembergischen Landtags aus dem Eduard-Pfeiffer-Haus, machte man sich über die zukünftige Nutzung Gedanken. Das Haus sollte wieder seinem ursprünglichen Zweck als Arbeiterwohnheim zugeführt werden. Doch anstelle eines Männer- wurde ein Frauenwohnheim daraus, „weil Frauen ihr Zimmer selber herrichten und damit Bedienungspersonal eingespart werden kann“. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass in einem Frauenwohnheim mehr Koch- und Waschgelegenheiten sowie Abstellräume geschaffen werden müssen. Die je zirka 12 m2 großen Zimmer wurden mit fließendem Wasser ausgestattet und neu eingerichtet. Statt Platz für über 200 Männer, die teils in Mehrbettzimmern schliefen, entstanden 101 Einzelzimmer. Vom 1. bis ins 4. Obergeschoss wurden je Etage bis zu 27 Zimmer mit Waschgelegenheit eingerichtet. Es blieb bei gemeinschaftlichen Sanitäreinrichtungen und Gemeinschaftsküchen, jeweils mit Münzautomaten. Rund 600.000 Mark betrugen die Aufwendungen für die Umbaumaßnahmen. Dazu kamen die Kosten für Außenanlagen, Möblierung und Ausstattung der Zimmer und Küchen, so dass der Gesamtkostenaufwand bei rund 910.000 Mark lag. Die Besichtigung im Jahr 2004 zeigte auch, dass beim Umbau 1961 alte Wände entfernt und neue Wände eingebracht wurden, teils ohne Beachtung der Statik. Da die Originalpläne nicht vorlagen, war unklar, wel- che Wände aussteifend sind und nicht entfernt werden dürfen. Auch der Aufbau der tragenden Flurwände war nicht bekannt. Untersuchungen zeigten, dass es sich um eine am Ende des 19. Jahrhunderts neue Stahlbauweise handelte, die so genannte Monier-Konstruktion für Scheidewände, die ab dem 4. Obergeschoss wieder durch Holzfachwerk-Bauweise abgelöst wurde. Da die Bauzeit bis zur Eröffnung des Hauses im November 1890 nur ein Jahr betrug, würde man heute sagen, es wurde schnell, aber nicht qualitätsbewusst gebaut. Zwar fanden bei der Ausfachung Klinker Verwendung, doch der Mörtel dazwischen war in einem schlechten Zustand. Das Eduard-Pfeiffer-Haus wurde am 3. September 1990 in die Liste der Kulturdenkmale der Landeshauptstadt Stuttgart eingetragen. Die Sachverständigen des Denkmalamtes BadenWürttemberg fassten damals zusammen: „An der Erhaltung des Gebäudes besteht wegen seiner gestalterischen Qualitäten, seiner Unverzichtbarkeit der zeitgenössischen Bebauung der Heusteigstraße, seiner landes-, lokal-, kultur- und sozialgeschichtlichen Bedeutung aus – auch städtebaulicher Hinsicht – künstlerischen, heimatgeschichtlichen und wissenschaftlichen Gründen besonderes öffentliches Interesse“. Moderne Apartments statt schlichter Wohnzellen Deshalb wurde bei der aktuellen Sanierung des 5-geschossigen langgestreckten Gebäudes eng mit der Denkmalbehörde zusammen gearbeitet. Ein Vorgutachten für die Umbauplanungen legte das Büro Kottkamp & Schneider im Jahr 2005 vor. 2007 erfolgte der Auftrag für Werkplanung und das Baugesuch. Der Baubeginn unter Bauleitung des Architekturbüros Keck und Lorch datiert auf den Juli 2008 und startete zunächst im Erdgeschoss im Bereich des Restaurants mit statischen Ertüchtigungsarbeiten, welche erst nach Freilegung der vorhandenen Trägersubstanz genau berechnet werden konnten. Im Zusammenhang mit der statischen Ertüchtigung des Gebäudes sowie notwendigen Sanierungsarbeiten in allen Bereichen der Gastronomie, wurden dabei auch umfangreiche Brandschutzauflagen berücksichtigt. Darauf folgten die Abbrucharbeiten im Innern des Gebäudes, vom 2. Kellergeschoss bis zum Dach. Teilweise wurden Rückbauten vorgenommen, um den Status von 1890 wieder zu erreichen und die Statik zu verbessern. Die gebäudetechnischen Anlagen mussten komplett erneuert werden. Dazu zählt die Heizung (Fernwärme) mit neuen Heizkörpern samt dem Verzug von Leitungen, auch für die Sanitärbereiche (Schmutz- und Trinkwasser). Die Elektrik wurde ebenfalls vollkommen neu installiert. In allen Bereichen, in denen Veränderungen notwendig waren, wurden die heutigen brandschutztechnischen Anforderungen umgesetzt. Die Wohnungen im Dachgeschoss wurden ebenfalls grundlegend saniert und neu gestaltet. Das Gebäude erhielt – soweit nur irgendwie möglich – eine innen liegende Wärmedämmung nach heutigen Anforderungen. Zu den größeren Eingriffen gehörte die Restaurierung des Haupttreppenhauses, wo alte Granitstufen und der ursprüngliche Anstrich wieder hergestellt wurden. Gemäß den Vorgaben des Denkmalschutzamtes wurden auch die neuen Fenster zur Heusteigstraße mit grünen Fensterrahmen versehen, wie sie aus historischer Zeit belegt sind. Der alte kleine Aufzug für zwei Personen wurde im Rahmen der Neugestaltung durch einen neuen für bis zu 15 Personen ersetzt, der auch für den Liegendtransport geeignet ist und vom Kellergeschoss bis ins 4. Obergeschoss reicht. Durch die Erreichbarkeit über die Hofeinfahrt ist nunmehr nahezu das gesamte Gebäude barrierefrei zugänglich und nutzbar. An das Foyer schließt sich eine Rezeption an, die nach Bedarf besetzt werden soll. Hinter dem Foyer wurde die bisherige Zwei-Zimmerwohnung für den Hausmeister ebenfalls saniert. Hauptzweck der Umbaumaßnahmen war die zeitgemäße Umgestaltung der Wohnräume. Heute haben die 36 entstandenen Wohnapartments und die 3 Wohnungen jeweils 28 m2 bis 42 m2. Auf der Fläche von ehemals vier Zimmern gibt es nach dem Umbau nur noch ein Apartment mit Badezimmer und Kochnische. Teils mit einem fulminanten Blick auf die Stuttgarter Innenstadt dank der großzügigen Fensterflächen. Für die innen liegenden Sanitärbereiche wurde ein Be- und Entlüftungssystem installiert. Je Stockwerk ist eine Lounge als Treffpunkt eingeplant. Innen liegende Räume ohne Tageslicht stehen als Archiv- und Lagerräume zur Verfügung. An der Fassade zur Heusteigstraße erinnert über dem linken Eingang die Inschrift „Arbeiterhalle“ an die ursprüngliche Nutzung des Saales. Die ehemalige Inschrift „Arbeiterheim“ über dem rechten Eingang wurde durch den Schriftzug „Eduard-PfeifferHaus“ ersetzt. Denn unter diesem Namen ist das Haus bekannt geworden. Das gesamte Nutzungskonzept nimmt in zeitgemäßer Form die Ideen seines Gründervaters wieder auf: angemes- sener, moderner Wohnraum und Privatsphäre einerseits und andererseits Gemeinschaftsräume und kultureller Austausch. Die Apartments sollen teilweise auf Zeit, teilweise langfristig neu vermietet werden. Das Kellergeschoss steht wie zuvor dem Zimmertheater des Allgemeinen Bildungsvereins im Prinzip unentgeltlich zur Verfügung. Auch das Restaurant mit gehobener Küche im Erdgeschoss ist weiterhin ein fester Bestandteil der Heusteigstraße 45. Es wurde renoviert und erhielt eine moderne Küche. Unberührt von den Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen blieb der große Saal. Er wurde 1986 aufwändig restauriert und wird seitdem von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste für das Fach Bühnenbild genutzt. Vom Arbeiterheim zum Landtagsgebäude – Die Geschichte des Eduard-Pfeiffer-Hauses 1889 – 1892 Eduard Pfeiffer hatte ein klares sozialpolitisches Ziel vor Augen, nämlich die Kluft zwischen arm und reich zu überwinden. Die Epoche war durch eine intensive Industrialisierung geprägt. Stuttgart entwickelte sich zur Großstadt und hatte einen kräftigen Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen. Pfeiffer trat in den Arbeiterbildungsverein (ABV) ein und gründete 1866 mit anderen Gleichgesinnten den Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen. Die für Kultur- und Bildungsveranstaltungen angemieteten Räumlichkeiten des Arbeiterbildungsvereins erwiesen sich als zu klein. Und eine Umfrage über die Wohnverhältnisse in Stuttgart im Jahr 1887 brachte hinsichtlich der gesundheitlichen und sozialen Lage im Wohnungsbereich erschreckende Zustände zu Tage. Am 15. Juni 1887 gab Pfeiffer erste Anregungen für den Bau eines Arbeiterheims. Sein Vorschlag stieß zunächst auf Skepsis. Doch im Dezember 1887 kam man auf der Generalversammlung des Arbeiterbildungsvereins überein, zusammen mit dem Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen ein Arbeiterheim zu bauen. Es sollte Räumlichkeiten für die Bildungsaufgaben des Vereins und einen Saal für Versammlungen und andere Veranstaltungen mit 1.200 Sitzplätzen erhalten. Die Entscheidung fiel am 16. Februar 1888 zugunsten eines Bauplatzes mit rund 18 ar an der Heusteigstraße. Der Baugrund kostete fünf Mark je Quadratmeter. Text Eduard Pfeiffer war überzeugt, die Missstände der Schlafkammerbelegung bei vielen Wohnungen in der Stadt durch den Bau eines Arbeiterwohnheims mildern und gleichzeitig durch die Bereitstellung von Räumen für Unterricht, belehrende Vorträge und Unterhaltung die jungen Leute von häufigen Wirtshausbesuchen abhalten zu können. Er sah es als zweckmäßigste Lösung an, die Aufgaben durch beide Vereine gemeinschaftlich zu lösen und zwar durch die Errichtung einer eigenen Stiftung Arbeiterheim. Im Stiftungsrat erhielt der Arbeiterbildungsverein drei, der Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen fünf Sitze. Zum Vorsitzenden des Gremiums wurde Eduard Pfeiffer gewählt. Wilhelm Keil, 1947 bis 1952 Präsident des Landtags von Württemberg-Baden, bezeichnete das Arbeiterheim als „die Geburtsstätte der neuzeitlichen Arbeiterbewegung“ in Stuttgart und im Land Württemberg. Das Startkapital für das Projekt lieferten die beiden Vereine mit jeweils 100.000 Mark, teils als Schenkung, teils als unverzinsliches Darlehen. In der Sitzung vom 18. Juni 1888 wurden die Baukosten mit 330.000 bis 340.000 Mark veranschlagt. Es bedurfte noch der Ergänzung der Statuten, bis „Seine Königl. Majestät“ durch Verfügung vom 22. August 1889 der Stiftung Arbeiterheim mit Sitz in Stuttgart „aufgrund der vorgelegten Statuten die juristische Persönlichkeit in Gnaden verliehen“ hat. Von der Königin von Württemberg erhielt der Verein als Finanzierungshilfe eine Spende in Höhe von fünfhundert Mark. Zwischen beiden Vereinen wurde am 17. Juni 1889 ein Hausvertrag geschlossen, der die räumlichen Nutzungsrechte für den ABV festlegt. Dieses Hausrecht wurde am 1. Juli 1919 dinglich im Grundbuch abgesichert, weil es bis dahin immer wieder Differenzen zwischen den beiden Vereinen über die Nutzung des Hauses gegeben hatte. Vom Arbeiterheim zum Landtagsgebäude – Die Geschichte des Eduard-Pfeiffer-Hauses 1889 – 1892 Die Baukosten steigen Probleme mit Hausordnung, Mietzahlungen und Elektrik Ein Backsteinbau war vorgesehen, die Zimmerwände als Riegelwände konstruiert. Die Gestaltung der Fassade führte zu einer langen Diskussion. Es sollte nach Meinung von Gremienmitgliedern eine reine Backsteinfassade ausgeführt werden, weil sie kostengünstiger war als eine Sandsteinfassade, die Eduard Pfeiffer und auch die beauftragte Architektengemeinschaft Louis Wittmann und Friedrich Stahl sich wünschten. Pfeiffer konnte sich schließlich durchsetzen. Wenige Monate nach dem Erstbezug, im Februar 1891, wird berichtet, dass das Haus vollständig belegt ist. In 125 Zimmern beherbergt es 215 Bewohner, davon 190 in Zweibett-Zimmern und 25 in Einzelzimmern. Doch es gibt auch ersten Ärger bezüglich der Mietzahlungen. „Die Erfahrung lehrt, das in den letzten Monaten durchschnittlich etwa 25 bis 30 Mark pro Woche als uneinbringbar abgeschrieben werden mussten, weil viele Mieter, auf die Bestimmung der Hausordnung pochend, welche 14-tägige Zahlung zulässt und 8-tägige Kündigungsfrist bestimmt, 3 Wochen und mehr im Hause blieben und schließlich entweder heimlich das Haus verließen oder, da sie nichts zahlen konnten, ausgewiesen werden mussten“. Daraufhin wurde die 8-tägige Mietzahlung obligatorisch und der Hausverwalter angehalten, „nach und nach diejenigen Elemente, welche nicht in das Heim passen, auszuscheiden und ordentliche Verhältnisse herzustellen“. Auch eine Haus- und eine Ordnungskommission wurden einberufen. Erstere mit der Aufgabe, die bauliche Instandhaltung zu überwachen, letztere solle die Ordnung und die Reinhaltung des Hauses sowie den Hausverwalter kontrollieren und auch nach Wäsche und Inventar schauen. Am 25. August 1889 wurde mit dem Bau begonnen und der Architekt glaubte, dass in rund einjähriger Bauzeit das Haus fertig gestellt werden könnte. Die Bauarbeiten kamen tatsächlich gut voran und am 10. November 1890 konnte der Arbeiterbildungsverein mit dem Umzug in seine neuen Räume beginnen. Die offizielle Einweihung des Gebäudes fand am Sonntag, den 23. November 1890 statt. Der Vorabend des 55. Geburtstags des Mitbegründers und Gönners Dr. Eduard Pfeiffer. Wie es heißt, war es eine „würdige Feier, die der Bedeutung des Werkes angepasst war“. Dies wird auch daraus ersichtlich, dass man für dieses Einweihungsfest 774,61 Mark aufwendete, von denen der Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen 400 Mark übernahm. Die Verdienste und die Einsatzfreude von Pfeiffer wurden auf dem Fest gebührend dargestellt und er zum Ehrenvorstand des ABV ernannt. Im Juni 1891 legte der Architekt eine provisorische Bauabrechnung vor. Die Bausumme einschließlich der Inventaranschaffungen belief sich demnach auf 530.000 Mark, also rund 200.000 Mark mehr als für den ursprünglich kleiner konzipierten Bau veranschlagt. Eine Deckungslücke von zirka 100.000 Mark war entstanden. Und es sollten noch weitere Arbeiten vorgenommen werden, wie der Bau eines neuen Dampfkamins und der Ausbau einer Wohnung für den Diener des ABV. Deshalb beschloss der Stiftungsrat, eine erstrangige Hypothek über 120.000 Mark aufzunehmen. Die endgültige, am 29. Dezember 1891 vorgelegte Bauabrechnung wies Gesamtkosten von 506.154,69 Mark aus. In der Folgezeit ergab die Vermietung der Zimmer keine größeren Probleme, wenn man davon absieht, dass in der Sitzung des Stiftungsrats vom 25. Mai 1892 die Hauskommission berichtet, „es haben bei einer Inventarkontrolle 62 Gläser, 12 Leuchter, 3 Seifenhalter, 9 Nachttöpfe, 4 Handtuchhalter, 4 Stühle, 1 Kleiderhalter und 12 Handtücher gefehlt“. Mehrfach wird auch von Klagen des Gaststättenwirtes wegen Umsatzeinbußen berichtet, weil von Privat Waren und Bier im Haus verkauft werden. Daraufhin verbietet der Stiftungsrat den Warenverkauf im Heim. Umgekehrt beschweren sich die Hausbewohner über die Preisgestaltung und das Geschäftsgebaren des Wirtes. Schließlich wird ihm gekündigt und die Leitung der Wirtschaft von der Tivoli-Brauerei übernommen. Zu unliebsamen Zwischenfällen kam es immer wieder wegen Lichtausfällen, insbesondere bei Veranstaltungen in der Gastwirtschaft. Grund waren Defekte in der eigenen Kraftanlage. Der Stiftungsrat überlegte, ein Ersatz-Lokomobil anzuschaffen oder alternativ das Haus an das neu errichtete Elektrizitätswerk anzuschließen. Nach vielen Reparaturen wurde schließlich „die Gesamtheit der Beleuchtung als Missstand angesehen“ und die eigene Elektrizitätserzeugung zugunsten eines Anschlusses an die städtische Elektrizitätsversorgung aufgegeben. Da es zuvor immer wieder zu Differenzen über die Höhe des Strompreises und den Verbrauch in den verschiedenen Hausteilen gekommen war, wurde gleichzeitig auf eine klare Verbrauchstrennung zwischen ABV und Stiftung Wert gelegt. Die Kosten für die Umstellung von rund 12.000 Mark können nicht aus eigenen Mitteln bestritten werden, beim Kreditverein muss ein Darlehen aufgenommen werden. Vom Arbeiterheim zum Landtagsgebäude – Die Geschichte des Eduard-Pfeiffer-Hauses 1914 – 1932 Sorgenkind Finanzen Seit dem Gründungsjahr 1890 begleiten Finanzierungsprobleme das Objekt Heusteigstraße 45 und damit die Stiftung Arbeiterheim. Sorgenkind ist insbesondere der ABV. Die bescheidenen eigenen Überschüsse der Stiftung werden zur Kredittilgung verwendet, jedes Jahr wird ein entsprechender Teil der unverzinslichen Schuldscheine ausgelöst. Mehrfach musste wegen mangelnder Zahlungsfähigkeit des ABV die Stiftung für Zahlungen von Wasser, Licht und Telefon in Vorlage gehen. Während des 1. Weltkriegs (1914 – 1918) sind von der Stiftung Arbeiterheim „keine besonderen Vorkommnisse“ festgehalten. Die Vereinsaktivitäten waren weitgehend eingestellt worden. Nach dem Krieg erfolgte eine Neuorientierung in der Vereinsarbeit, da verschiedene Bildungszweige von anderen Organisationen aufgebaut wurden. Im Frühjahr 1921 kam eine neue Abteilung hinzu: „Die Theaterfreunde, dramatische Abteilung des ABV 1863 Stuttgart“, die im Saal ihren Spielbetrieb aufnahmen. Ab dem Jahr 1920 werden in Folge des verlorenen Krieges die inflatorischen Kostensteigerungen bemerkbar und zwingen zu Mietanpassungen. Gründungsvater Eduard Pfeiffer stirbt am 13. Mai 1921 im Alter von 86 Jahren. Erst im darauffolgenden März wird der Fabrikant Dr. Robert Bosch zum neuen Vorsitzenden des Stiftungsrates gewählt. Aufgrund der steigenden Kosten und der dadurch bedingten Mietanpassungen gab es im Jahr 1922 auch viele Mietstreitigkeiten. Insgesamt mussten 25 Mieterhöhungen ausgesprochen werden, zuletzt Woche um Woche, um die Mieten dem Geldwert und den steigenden Kosten anzupassen. Der Höhepunkt dieser Entwicklung war im Januar 1923 mit einer Billion Mark je Woche und Zimmer. Die Mieteinnahmen im Jahr 1923 betrugen insgesamt 1.322 Billionen Mark, der Wäschereibetrieb im Hof erwirtschaftete im gleichen Jahr einen Überschuss von 347,6 Billionen Mark. Die Vermögensbilanz zum 31.12.1923 enthält Gold- und Papiermark nebeneinander, so dass kein Überblick über den tatsächlichen Vermögensstand möglich war. In diesem Jahr hielt der Stiftungsrat wegen der außerordentlichen Verhältnisse keine Sitzung ab. 1924 beantragte der ABV, das Ledigenheim zukünftig nach dem langjährigen Vorsitzenden „Eduard-Pfeiffer-Haus“ zu benennen. Nach ausführlicher Debatte lehnte der Stiftungsrat diesen Vorschlag ab, da Pfeiffer stets Wert auf die Bezeichnung Arbeiterheim gelegt habe. Dem ABV wurde aber freigestellt, die in seiner Nutzung befindlichen Räume statt bisher „Arbeiterhalle„ künftig „Eduard-Pfeiffer-Haus“ zu nennen. Im selben Jahr ersuchte der ABV von der Stiftung ein Darlehen wegen dringender Instandsetzungsarbeiten. Der Antrag musste abgelehnt werden, denn die Stiftung hatte aufgrund der neuen Währung selbst kein Geld und eine Kreditaufnahme war wegen der damaligen Geldknappheit nicht möglich. Nach der Inflation waren im Jahr 1926 noch 146 Schuldscheine im Nennwert von insgesamt 73.000 Mark im Umlauf, von denen 122 Schuldscheine (61.000 Mark) vom früheren Vorsitzenden nach dessen Tod auf die Eduard-Pfeiffer-Stiftung übergegangen waren. Von den restlichen Schuldscheinen entfielen 7.500 Mark auf den Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen, 3.500 Mark auf den ABV und 1.000 Mark auf einen Privatmann. Entsprechend der Bestimmungen des Aufwertungsgesetzes wurden die Schuldscheine mit 25 % des Goldmarkbetrages aufgewertet und zum 1. Januar 1932 zur Auszahlung fällig. Auf Bitten des ABV wurde der Aufwertungsbetrag diesem Verein sofort einschließlich Zinsen ausbezahlt, damit dringende Reparaturen an dessen Räumen durchgeführt werden konnten. Noch im September 1926 beschloss der Stiftungsrat, die Sanitäranlagen im Gebäude zu renovieren und „die Aborte an die neue Entwässerung“ anzuschließen. 1928 standen wieder größere Sanierungsmaßnahmen an. Der Stiftungsrat entschied, die desolate Dampferzeugungsanlage für die Wäscherei zu erneuern, im Gebäude Zentralheizung einzurichten und die elektrische Anlage zu erweitern. Der Gesamtaufwand einschließlich verschiedener Reparaturen in Höhe von 34.000 Reichsmark konnte dank der seit der Inflation angesammelten Rücklagen aus eigenen Mitteln bestritten werden. Doch die finanziellen Turbulenzen nahmen in den 1930er Jahren noch zu. Vom Arbeiterheim zum Landtagsgebäude – Die Geschichte des Eduard-Pfeiffer-Hauses 1933 – 1945 Die Nationalsozialisten bestimmen den Kurs Mit der zunehmenden Einflussnahme der Nationalsozialisten musste der Arbeiterbildungsverein (ABV) seine erfolgreiche Bildungsarbeit einstellen. 1930 hatte er sich in Allgemeiner Bildungsverein umzubenennen. Nachdem der Verein 1939 endgültig seine politische Neutralität aufgegeben hatte, wurde in der Hauptversammlung vom 26. März eine weitere Umbenennung beschlossen. Der ABV wurde zum „Sportverein 1863 Stuttgart jur.Pers“. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 hatte auch für die Stiftung Arbeiterheim Auswirkungen. Der Vorsitzende, Bankier Dörtenbach, gab seinen Rücktritt bekannt. Der Vorstandsvorsitzende des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen, Verwaltungsdirektor Fritz Laib, wird im März 1933 zum neuen Stiftungsratsvorsitzenden gewählt. Auch der bisherige Geschäftsführer Karl Jann räumt seinen Posten, sein Nachfolger wird der Kaufmann Hinderer. Im Juni 1934 muss der ABV die Stiftung wieder um ein Darlehen bitten. Diesmal geht es um 14.800 Reichsmark für Reparaturen im Saalgebäude. Die Unterlagen lassen unklar, warum zwischen Juni 1934 und Dezember 1936 keine Sitzung des Stiftungsrates abgehalten wurde. Doch die Dezembersitzung von 1936 scheint recht turbulent gewesen zu sein und brachte finanzielle Unregelmäßigkeiten an den Tag. In Verhinderung des Stiftungsratsvorsitzenden Fritz Laib wurde unter der Leitung von Herrn Fehrle die Sitzung abgehalten. Die Unregelmäßigkeiten betrafen die Geschäftsführung von Hinderer, „wobei der Geschäftsführer sich seiner Verantwortung durch Freitod entzog“, wie es in Unterlagen heißt. Neuer Geschäftsführer wurde wieder Karl Jann. Auf der Sitzung wurde festgestellt, dass entgegen dem Beschluss des Stiftungsrates vom Juni 1934 die Erneuerungsarbeiten nicht vom ABV, sondern vom Geschäftsführer zu Lasten der Stiftung bezahlt wurden und deshalb offensichtlich das laufende Konto bei der Girokasse ganz erheblich überzogen wurde. Die Abrechnungssumme für die Modernisierungsarbeiten lag bei rund 71.000 Reichmark und damit weit über dem Kostenvoranschlag. Zu dem Sachverhalt gab es verschiedene Darstellungen und weder gegen den früheren Geschäftsführer noch gegen den Architekten konnten Haftungsansprüche durchgesetzt werden. Schließlich wurde ein Kompromissvorschlag des Sitzungsvorsitzenden Fehrle akzeptiert. Er sah vor, dass der ABV „entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ 30.000 der insgesamt 71.000 Reichsmark Baukosten übernimmt und diese in Monatsraten von 250 Reichsmark tilgt. Die Restkosten wurden von der Stiftung Arbeiterheim übernommen, obwohl die Renovierungen im Saal, der Wirtschaft und der sanitären Anlagen ausschließlich im Nutzungsrecht des ABV lagen. In derselben Sitzung wurde der Wunsch der NSDAPKreisleitung Stuttgart auf Umwandlung des Arbeiterheims in ein Lehrlingsheim besprochen. Anscheinend waren die Verhandlungen langwierig und hart und es stand mehrfach die Auflösung der Stiftung zur Diskussion. Schließlich einigte man sich darauf, den § 2 der Satzung (Zweckbestimmung) so abzuändern, dass der Nutzung des Hauses als Lehrlingsheim nichts mehr entgegensteht. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass die Geschäftsführung zukünftig dem Gemeinnützigen Bau- und Wohlfahrtsverein Stuttgart in Rechtsnachfolge des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen endgültig übertragen wird. 1938 bemühte sich sowohl die Hitlerjugend als auch die Ortsgruppe Fangelsbach der NSDAP um Anmietung von günstigen Räumen im Arbeiterheim. Gleichzeitig wurde nahe gelegt, das Eduard-Pfeiffer-Haus umzubenennen. Statt der Ortsgruppe Fangelsbach Räume zu geben, wurde vorgeschlagen für die Heeressanitätsstaffel Stuttgart im Fall der Mobilisierung eine Sanitätsanlage im Stiftungsgebäude einzurichten. Im Protokoll der Stiftungsratssitzung vom April 1940 wird ausführlich dargestellt, dass das nun Fangelsbachhaus genannte Gebäude an die Deutsche Arbeiterfront (DAF), den Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitsgeber, und das Sozialwerk für Handwerker vermietet werden soll. Von der Kreisleitung Stuttgart wird mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die jungen Lehrlinge geschlossen untergebracht und im dortigen Hause im nationalsozialistischen Sinne erzogen werden sollen. Doch letztlich ist die DAF von ihren Plänen zur Umwandlung des Hauses in ein Lehrlingsheim abgerückt. Erst nach dem Tod des Stiftungsratsvorsitzenden Fritz Laib am 14. Juni 1942 nahm sein Nachfolger, Herr Fritz, der auch Vorstand des Sozialwerks der DAF war, den Gedanken der Umwandlung wieder auf, „um unterstützungsbedürftige und förderungswürdige Gehilfen und Lehrlinge des Handwerks und der Kleinbetriebe, die nicht in der Lange sind, eigene soziale Maßnahmen zu erfüllen, zusammenzufassen, um die in den Großbetrieben durchgeführten sozialen Maßnahmen auch den Gefolgschaftsmitgliedern in Kleinbetrieben zuteil werden zu lassen“. Nachdem vom Sozialwerk der DAF bereits Teile des Hauses belegt sind, wird in der letzten Sitzung des Stiftungsrates während des Krieges (5. März 1943) dem Abschluss eines Mietvertrages mit dem Sozialwerk zugestimmt. Allerdings drängt man darauf, dass aufgrund der Nutzungsänderung keine Besteuerung der Stiftung entsteht. Doch es kam anders. 1944 wurden Gebäude und Einrichtungen beschlagnahmt und die Stiftung wegen Wegfall des Stiftungszweckes steuerpflichtig. Zum Ende des Krieges zog die Geheime Staatspolizei (Gestapo) in der Heusteigstraße ein, weil der vorherige Standort, das Hotel Silber in der Dorotheenstraße mit seinem gefürchteten Gestapo-Keller, zerstört waren. Reinhold Maier, 1945 – 1952 Ministerpräsident von Württemberg-Baden, erinnert sich in seinen Tagebuchaufzeichnungen, dass er am 28. März 1945 zur Gestapo in die Heusteigstraße geladen wurde. Da sein Erscheinen für ihn ein „Risiko auf Leben und Tod“ dargestellt hätte, zog er sich nach Westhausen zurück. Vom Arbeiterheim zum Landtagsgebäude – Die Geschichte des Eduard-Pfeiffer-Hauses 1945 – 1961 Die Wiege des Südweststaats Über die Zeit direkt nach Kriegsende ist nur wenig bekannt. Die Räume und der Saal standen unter der Verwaltung der Militärregierung. Das Gebäude, das im Bombenkrieg kaum beschädigt wurde, war von verschiedenen Behörden belegt. Die Stiftung wurde unter Treuhandverwaltung und Vermögenskontrolle gestellt, ein Herr Schneider von der Besatzungsmacht zum Treuhänder bestellt. Im Saal war das Revuetheater „Hollywood“ eingezogen und versuchte etwas Zerstreuung im kriegszerstörten Stuttgart zu bieten. Vereidigung des Kabinetts Gebhard Müller im Landtag von Baden-Württemberg in der Heusteigstraße 45 (1956). Damit der Verein seine Aktivitäten wieder aufnehmen konnte, musste die Neugründung bei der Militärregierung beantragt werden. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Arnulf Klett unterstützte den Verein. Mit seiner Hilfe konnte die am 20. Dezember 1945 unter Auflagen erteilte Genehmigung am 28. März 1947 auf den heutigen Vereinsstatus zurückgeführt werden. Stuttgart lag nach schweren Luftangriffen bei Kriegsende zu über 80 % in Schutt und Asche. Auch der Landtag hatte keine Bleibe mehr. Das eigentliche Landtagsgebäude war zerstört und die Unterbringung des Parlaments im Furtbachheim erwies sich als unzureichend. Da bot sich der unversehrte Saal des ABV im Arbeiterheim, auch Arbeiterhalle genannt, ideal als günstige Mietunterkunft an, um einen politischen Neubeginn zu wagen. Am 18. Juli 1947 eröffnete Landtagspräsident Wilhelm Keil die 35. Plenarsitzung des ersten Württembergisch-Badischen Landtags in der Heusteigstraße 45. Berühmte Namen des ersten Landtages sind Reinhold Maier, Gebhard Müller, Elly Heuss-Knapp sowie Theodor Heuss, der spätere erste Bundespräsident. Trotz der für ein Parlament bescheidenen Räumlichkeiten wurden in der Heusteigstraße wesentliche politische Entscheidungen getroffen. Rund 14 Jahre lang, zwischen dem 18. Juli 1947 und dem 19. Mai 1961 – an dem der 3. Landtag von BadenWürttemberg seine 31. Plenarsitzung abhielt – diente das Eduard-PfeifferHaus den Landtagen von Württemberg-Baden und Baden-Württemberg als Tagungsstätte. „Hier wurden nicht nur Gesetze gemacht, sondern auch die Geburtswehen der Verfassung für Baden-Württemberg durchgestanden“, betont Landtagspräsident Erich Schneider im November 1986 anlässlich der Wiedereröffnung des Saales. Der Landtag von Baden-Württemberg ratifiziert das Grundgesetz in der Heusteigstraße 45 (1949). 80 Abgeordnete stimmten dafür (CDU, SPD, DVP), 10 Abgeordnete dagegen (KPD). Das Plenum des Württembergisch-Badischen Landtags stimmte am 18. Mai 1949 in diesem Saal der Annahme des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu. Nach der Berufung der ersten Landesregierung des Südweststaates durch Ministerpräsident Reinhold Maier wurde in diesem Raum am 25. April 1952 um 12.30 Uhr das neue Bundesland BadenWürttemberg offiziell als gebildet erklärt. Damit waren die 1945 durch die amerikanische und französische Besatzungsmacht ins Leben gerufenen drei Länder Baden, Württemberg-Baden und WürttembergHohenzollern zum neuen Bundesland Baden-Württemberg vereinigt. Staatsbesuch von Bundespräsident Theodor Heuss in in Stuttgart (1954). Landtagspräsident Neinhaus bittet den Gast ans Mikrofon, im Plenum des Landtags von Baden-Württemberg in der Heusteigstraße 45. Vom Arbeiterheim zum Landtagsgebäude – Die Geschichte des Eduard-Pfeiffer-Hauses 1945 – 1961 Politik des Augenmaßes Die Verfassunggebende Landesversammlung des Südweststaates unter Ministerpräsident Gebhard Müller und seiner Allparteienregierung verabschiedete am 11. November 1953 die Landesverfassung von BadenWürttemberg in der Heusteigstraße. Die Zukunft vorwegnehmend, bezeichnete Bundespräsident Theodor Heuss bei seinem ersten Staatsbesuch am 26. Januar 1954 in diesem Saal das Land Baden-Württemberg als „Modell deutscher Möglichkeiten“. Am 17. Dezember 1958 wählte der 2. Landtag von Baden-Württemberg in der Heusteigstraße 45 den bisherigen CDU-Bundestagsabgeordneten Kurt Georg Kiesinger zum dritten Ministerpräsidenten des Landes. „Die einfache und beengte Unterkunft gereicht den damaligen Abgeordneten auch heute noch zur Ehre. Sie praktizierten damit die sprichwörtliche schwäbische Sparsamkeit“, erläutert Erich Schneider die Tatsache, dass der „Rock“ dieser Tagungsstätte für den Betrieb eines Landesparlaments recht eng war. Nicht von ungefähr wurde in Presse und Öffentlichkeit über das „parlamentarische Armenhaus“ gespöttelt, wenn man die Parlamentsgebäude anderer Bundesländer zum Vergleich heranzog. Der langjährige Finanzausschuss-Vorsitzende Alex Möller (SPD) erinnerte daran, dass eben erst nach der verfassungsrechtlichen und wirtschaftlichen Konsolidierung des Landes mit der Planung und Errichtung des neuen Landtagsgebäudes im ehemaligen Akademiegarten an der Konrad-Adenauer-Straße (früher Neckarstraße) begonnen werden konnte. „Im Eduard-Pfeiffer-Haus wurde von unseren Abgeordneten und unseren Landesregierungen eine Politik des Augenmaßes und des Ausgleichs für den Bürger gestaltet“, stellte Erich Schneider beim Festakt 1986 fest. Letzte Plenarsitzung des Landtags von Baden-Württemberg in der Heusteigstraße 45 am 19. Mai 1961. Während der Nutzung als Plenarsaal wurden im Zuge von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen leider auch die Decken, Säulen und das Emporengeländer verkleidet beziehungsweise zugeputzt. Auf alten Bildern sieht man, dass der Saal nüchtern geweißelt war. An der Stirnseite hingen lediglich die Wappen des alten und des neuen Landes. Kein Wunder, dass schon Mitte der 1950er Jahre die Pläne für ein neues Landtagsgebäude reiften. Nicht so spektakulär wie auf der politischen Bühne, aber ebenfalls bedacht und kontinuierlich, verlief während dieser Zeit die Arbeit der Stiftung Arbeiterheim. Am 19. April 1948 wurde erstmals wieder eine Sitzung des Stiftungsrates abgehalten. Dort wurde bekannt gegeben, dass es nach vielen Verhandlungen mit dem Finanzministerium und dem Amt für Vermögenskontrolle gelungen sei, die Freigabe der Stiftung Arbeiterheim mit Wirkung vom 15. März 1948 zu erreichen. Doch das hatte seinen Preis. Die Stiftung musste eine Erklärung abgeben, in der sie auf sämtliche Regressansprüche an die Militärregierung, das Finanzministerium, das Amt für Vermögenskontrolle und den Treuhänder der Besatzungsmacht verzichtet. Obgleich dieses Verlangen den guten Sitten widerspreche, sei von der Stiftungsverwaltung darauf eingegangen worden, um zu einer raschen Beendigung der Vermögenskontrolle zu kommen, heißt es in dem Protokoll. In der Sitzung wurde auch beschlossen, dass die Geschäftsführung des Bau- und Wohlfahrtsvereins (heute Bau- und WohnungsVerein Stuttgart) auch die Geschäfte der Stiftung Arbeiterheim mitbesorgt. Diese Regelung hat noch heute Gültigkeit. 1952 möchte der ABV wieder ein Darlehen der Stiftung zur Finanzierung des Neubaus eines Sportheims. Es wurde daher beschlossen, dass das dingliche Nutzungsrecht des ABV in ein obligatorisches Nutzungsverhältnis umgewandelt wird. Dafür werden die Darlehen von zusammen 90.000 Mark auf dem Grundstück des Arbeiterheims dinglich gesichert. Im Jahr 1954 wurde die Zentralheizung auf Ölfeuerung umgestellt und die Heizanlage dem entsprechend erweitert, sowie das Wäschereigebäude mit einem Aufwand von rund 40.000 Mark umgebaut. Und der ABV fragt nach einem weiteren Kredit über 30.000 Mark. Man einigt sich nach langer Diskussion darauf, diesen Betrag als Abfindung für die Räume im 1. Stock einschließlich der zugehörigen Gänge und der Kammer im Dachstock von der Stiftung Arbeiterheim zu gewähren. Bereits im Dezember 1956 macht sich der Stiftungsrat ausführlich Gedanken über die künftige Nutzung des EduardPfeiffer-Hauses nach dem Auszug des Landtags. Laut dem Sozialamt der Stadt besteht ein dringender Bedarf zur Unterbringung lediger Arbeitnehmer in Stuttgart. Daraufhin beschließt der Stiftungsrat, das Gebäude wieder auf seine ursprüngliche Nutzung als Arbeiterwohnheim zurückzuführen. Die Zimmer sollen allerdings mit fließendem Wasser versehen und gut ausgestattet werden. Doch noch immer kann nicht über das ganze Haus verfügt werden. Zwar ziehen die Mitarbeiter des Sozialamtes und des Ausgleichamtes aus dem 3. und 4. Obergeschoss aus, dafür werden die Räume an das Polizeipräsidium zur Unterbringung der Kriminalpolizei vermietet. Obwohl die Nutzung des Gebäudes für den ABV eingeschränkt war, konnte das in Eigenleistung erstellte erste Zimmertheater am 4. Mai 1957 eröffnet werden. Im November 1960 entscheidet der Stiftungsrat, dessen Vorsitz mittlerweile Rudolf Hagmann hat, Vorsitzender des Verwaltungsrates des Bau- und Wohlfahrtvereins (BWV), dass anstelle des Männerwohnheims das Haus zukünftig als Wohnheim für ledige Frauen geführt werden soll. „Weil Frauen ihre Zimmer selbst herrichten und damit Bedienungspersonal eingespart werden könnte“. Dafür sollten mehr Koch- und Waschgelegenheiten sowie Abstellräume geschaffen werden. Zur Finanzierung der auf rund eine Mio. Mark geschätzten Kosten einschließlich der Instandsetzungen stand ein Darlehen der Landeskreditbank und des Landesarbeitsamtes in Aussicht. In dieser Sitzung legte der Stiftungsrat auch fest, dass das Wohnheim künftig in eigener Verwaltung geführt und keiner anderen Organisation übergeben wird. Den im Haus befindlichen Mietparteien, ausgenommen der Lederhandlung Hoffmann, wird mitgeteilt, dass nach dem Auszug des Landtags das Gebäude wieder dem Stiftungszweck zugeführt wird und von den Mietern geräumt werden muss. Doch der Saal konnte, nachdem der Landtag 1961 in seinen Neubau umgezogen war, aufgrund von feuerpolizeilichen Auflagen nicht mehr der ursprünglichen Nutzung dienen. 1962 – 2009 Wiederbelebung der Gründeridee Der Umbau in ein Frauenwohnheim erfolgt nach den Plänen des Architekten Aldinger. Auf vier Etagen wurden jeweils bis zu 27 Zimmer à 12 m2 und mit Waschgelegenheit eingerichtet, dazu gemeinsame Sanitärbereiche. Zu den 600.000 Mark für die Baumaßnahmen kamen Kosten für die Außenanlagen, die Möblierung und Ausstattung der Zimmer und die Küchen. Der Gesamtkostenaufwand wurde auf rund 910.000 Mark berechnet. Die Finanzierung gelang durch ein Darlehen der Landeskreditbank (LKB) in Höhe von 257.000 Mark und ein Darlehen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung mit 463.000 Mark. Der Rest musste aus eigenen Mitteln bestritten werden. 1970/71 wurde die Außenfassade des Gebäudes für 100.000 Mark gründlich überholt. Da die finanziellen Mittel der Stiftung nicht ausreichten, räumt der BWV, wie bereits in früheren Jahren, der Stiftung einen Zwischenkredit ein. Auch in den folgenden Jahren wurden jährlich entsprechend den finanziellen Möglichkeiten Renovierungen vorgenommen. Dazu gehörten neue Fenster und Böden und die Erneuerung der technischen Einrichtungen. Der Allgemeine Bildungsverein (ABV) war nach dem Auszug des Süddeutschen Rundfunks als Zwischennutzer des Saales und aufgrund der Folgekosten aus dem Bau des Sportheims an der Waldau in Degerloch nicht in der Lage, die Mittel für die Wiederherstellung des historischen Saales aufzubringen. Architekten errechneten für alle vom ABV genutzten Räume Instandsetzungskosten von 1,6 Mio. Mark. Um zusätzliche Einkünfte zu erzielen, vermietete der ABV den Saal. Mieter wurde eine Kunstledergroßhandlung. Das Mietverhältnis wurde im Jahr 1983 gelöst und der Saal danach von November 1983 bis Mai 1984 vom Württembergischen Staatstheater genutzt. 1984 werden auch die Küche und die Sanitäranlagen der Gaststätte, die im Bereich des Nutzungsrechts des ABV liegen, erneuert. 1983 und 1984 werden vom Landtag BadenWürttemberg und von der Landesgirokasse Gedenkplaketten am Gebäude angebracht, um auf die frühere Tagungsstätte des Landesparlaments aufmerksam zu machen und das Gebäude damit in den „stadthistorischen Lehrpfad“ einzubeziehen. Zwischenzeitlich konnte mit dem Land Baden-Württemberg ein Mietvertrag für die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart vereinbart werden. Durch die langfristige Laufzeit von 25 Jahren und durch die Mietvorauszahlung sollte die Instandsetzung des Saales finanziert werden. Da dies die einzige Möglichkeit scheint, um eine ordentliche Nutzung des Saalgebäudes zu erreichen, gibt der Stiftungsrat der Stiftung Arbeiterheim seine Zustimmung zur Nutzungsänderung. Die Umbauarbeiten zogen sich über mehrere Jahre hin und waren 1986 abgeschlossen. Mit Unter- stützung des Denkmalamtes Baden-Württemberg wurde besonders Wert darauf gelegt, die ursprüngliche Saalkonstruktion wieder freizulegen. Dazu gehören die rechteckige Bühne und ein auf Stucksäulen ruhender Emporenumgang mit dekorativen Schmiedeeisengittern, die Kassettendecke und die buntfarbige 1962 – 2009 Wiederbelebung der Gründeridee Ausmalung, die nach alten Fotodokumenten aus dem Jahr 1912 wiederhergestellt wurde. Der Saal sei in seiner Grundform das letzte Beispiel eines Versammlungs- und Theaterraumes aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Stuttgart, betont das Denkmalamt. Am 28. November 1986 wurde der Saal des Eduard-Pfeiffer-Hauses in einer Festveranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei würdigten der Landtagspräsident Erich Schneider und der Vorsitzende des Stiftungsrates, Dr. Felix Waldraff, eingehend die sozial- wie stadtgeschichtliche Bedeutung des Hauses und der Stiftung, wie auch die landespolitische Bedeutung durch die langjährige Unterbringung des Landtages und der in der Heusteigstraße gefassten Beschlüsse. Seit dem 3. September 1990 ist das Objekt Heusteigstraße 45 in die Liste der Kulturdenkmale der Landeshauptstadt eingetragen. Die Sachverständigen des Denkmalamtes Baden-Württemberg heben neben dem Saal als Besonderheiten hervor: die mit hellgelblichem Sandstein verblendete, in Form der Renaissance bzw. des strengen italienischen und französischen Barock nach Art eines Schlosses gegliederte Fassade; Kolossalsäulen und Pilaster an den Portalen, ein mittiger Dreiecksgiebel sowie ein französisches Dach, aus denen insgesamt der Anspruch öffentlicher Repräsentation abzulesen sei. So lautet das Fazit: „An der Erhaltung des Gebäudes besteht wegen seiner gestalterischen Qualitäten, seiner Unverzichtbarkeit der zeitgenössischen Bebauung der Heusteigstraße, seiner landes-, lokal-, kultur- und sozialgeschichtlichen Bedeutung aus – auch in städtebaulicher Hinsicht – künstlerischen, heimatgeschichtlichen und wissenschaftlichen Gründen besonderes öffentliches Interesse“. Doch der Saal ist in der Öffentlichkeit in Vergessenheit geraten. Nur selten gibt es öffentliche Aufführungen der Kunstakademie. In seiner Rede anlässlich der Wiedereröffnung 1986 äußerte sich Landtagspräsident Schneider noch optimistisch, dass „der ehemalige Plenarsaal künftig musischen Zwecken dienen und das kulturelle Leben unserer Landeshauptstadt bereichern wird“. Seither wurden im Landtag immer wieder Anfragen zur derzeitigen und zukünftigen Nutzung des alten Landtagssaales in der Heusteigstraße gestellt. Zuletzt Ende April 2009 durch Mitglieder der Fraktion Die Grünen. Bis Anfang März 2008 blieb das Eduard-Pfeiffer-Haus ein gemischtes Wohnheim. Die Zimmer waren im Prinzip im Zustand von 1961: Bett, Schrank, Schreibtisch, Waschgelegenheit. Aber dafür wurden die Räume günstig vermietet: 150 Euro pro Monat inklusive Nebenkosten, Nutzung der Gemeinschaftsduschen und Gemeinschaftsküche, Hausmeister- und Reinigungsdienst. Waren früher die Bewohner überwiegend gewerbliche Arbeitnehmer, aber auch Schüler der Baugewerkschule sowie Kaufleute, lebten in den letzten beiden Jahrzehnten Menschen verschiedener Nationen und Kulturen miteinander: vom Geringverdiener über den Richter bis zum Arbeitnehmer aus dem Management. Alle schätzten die preisgünstige und zentrale Unterkunft auf Zeit. Nicht umsonst wurde die Heusteigstraße 45 das „Haus der vereinten Nationen“ genannt. Die Nachfrage zeigte: der Bedarf an günstigem Wohnraum, auch auf Zeit angemietet, besteht heute wie vor über 120 Jahren. Doch die Ausstattung muss stimmen, besonders ein eigener Sanitärbereich und eine private Kochmöglichkeit gehören heute zum erwarteten Standard. Das Heusteigviertel mit seiner reichen kreativen Szene gehört mittlerweile zu den beliebtesten Wohngegenden im Innenstadtbereich. Von dort kann die City zu Fuß erkundet werden, in der Nachbarschaft befinden sich kleine Läden und ein vielfältiges gastronomisches Angebot. Eduard Pfeiffer hätte seine Freude, wenn er sehen könnte, wie sich die Wohnqualität im ehemaligen Arbeiterheim und im ganzen Stadtquartier entwickelt hat. Eduard Pfeiffer 1835-1921 1835 1866 1883 geboren am 24. November als 13. Kind des Hofbankdirektors Max Gründung des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen. Verleihung des Titels Hofrat durch König Karl Pfeiffer. Mutter Pauline Wittersheim, dritte Ehefrau von Max Pfeiffer Parallel dazu entsteht als Tochterunternehmung der Verein 1850 – 1852 zur Fürsorge für Fabrikarbeiterinnen. 1887 Mitbegründer der nationalliberalen Deutschen Partei Planungen zum Arbeiterheim in der Heusteigstraße 45 Studium an der Polytechnischen Schule Stuttgart. Fächer 1868 1889 – 1890 1857 – 1862 Wahl als erster jüdischer Bürger in den Württembergischen Bau des Arbeiterheims durch den Arbeiterbildungsverein Landtag. Bis 1876 mit einem Sitz in der Zweiten Kammer, einschließlich eines großen Saales Abschluss des Studiums an der Ecole Centrale des Arts et Manufactures was davor für jüdische Bürger gesetzlich verboten war in Paris mit dem Diplom als Ingenieur der Fachrichtung Chemie. Bis 1862 weiteres Studium in Leipzig, Heidelberg und Berlin der 1869 1891 – 1901 Nationalökonomie und Finanzwissenschaft. Zahlreiche Reisen innerhalb Eröffnung der von Eduard Pfeiffer mit gegründeten arbeitenden Klassen mit 1.267 Wohnungen Deutschlands, nach Frankreich, Italien und England Württembergischen Vereinsbank, die wiederum im selben 1862 Jahr an der Gründung der Deutschen Bank beteiligt ist 1894 „Ingenieur“ und „Kauffmann“. Anschließend Auslandsstudium Bau der Kolonie Ostheim durch den Verein für das Wohl der 1870 Ernennung zum Geheimen Hofrat in Anerkennung der Besuch der Weltausstellung in London. Kontakt zur Genossenschaftsbewegung Bau der Stuttgarter Waschanstalt zur Förderung der 1863 Volkshygiene. Erneute Wahl in den Landtag 1900 Verdienste 1872 Ehrenkreuz des Ordens des Württembergischen Königshauses. Nach der Wiederansiedlung in Stuttgart Tätigkeit als freier Schriftsteller. Das erste Buch „Über Genossenschaftswesen“ erscheint. Heirat mit Julie Benary, Witwe eines Pariser Bankiers zum Namen Bis 1867 Veröffentlichung von vier volkswirtschaftlichen Schriften Gründung des Consum- und Ersparnisvereins, der zum Modell für 1874 1901 – 1904 die meisten Konsumgenossenschaften in Deutschland wird Gründung der Stuttgarter Volksküche, die täglich rund 300 entsteht die Siedlung Südheim mit 140 Wohnungen 1864 Essen ausgibt 1902 – 1904 Wahl zum Vorsitzenden des Consum- und Ersparnisvereins und 1876 – 1921 Mitgliedschaft im Arbeiterbildungsverein Vorsitzender des Vereins für das Wohl der arbeitenden 1865 Klassen Damit verbunden ist der Personaladel und der Zusatz „von“ die Siedlung Westheim mit 100 Wohnungen wird errichtet 1904 – 1906 Wahl zum Hauptkassier des Arbeiterbildungsvereins. Das Büro für 1877 Verleihung weiterer hoher württembergischer Orden in Arbeitsnachweis, die erste, nicht kommerzielle Arbeitsvermittlung, Rückzug aus der Politik. Wahl zum Vorsitzenden des Vereins Wohnsituation in Stuttgart wird vom Arbeiterbildungs- und Gewerbeverein geschaffen für das Wohl der arbeitenden Klassen Anerkennung der Leistungen für die Verbesserung der Eduard Pfeiffer 1835-1921 1906 Beginn der Altstadtsanierung von Stuttgart durch den Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen. 36 Neubauten mit Läden, Geschäftsräumen und 141 Wohnungen entstehen 1909 Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Stuttgart in Anerkennung der Altstadtsanierung 1910 Benennung einer neu angelegten Straße in Stuttgarter Halbhöhenlage am Kriegsberg nach Eduard Pfeiffer 1910 – 1912 Säuglingsheim und Ledigenheim werden erbaut 1911 – 1913 Bau der Siedlung Ostenau mit 260 Wohnungen 1913 Ernennung zum Ehrenbürger von Madonna di Campiglio in Südtirol, dem bevorzugten Urlaubsort 1917 Gründung der Eduard-Pfeiffer-Stiftung für wohltätige Zwecke durch das kinderlose Ehepaar Pfeiffer. König Wilhelm II verleiht Pfeiffer den selten vergebenen Titel „Exzellenz“ 1921 Ernennung zum Ehrenpräsidenten des Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen. Am 13. Mai stirbt Eduard Pfeiffer nach langer Krankheit und wird vier Tage später in aller Stille auf dem Pragfriedhof bestattet. Plan für die Kolonie Ostheim, zwischen 1891 und 1901 durch den Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen erbaut. Die Baubeteiligten Bauherren/ Stiftung Arbeiterheim Bauauftraggeber 70188 Stuttgart Baubetreuung Bau- und WohnungsVerein Stuttgart Bauphysik GN Bauphysik 70372 Stuttgart Vermesser 70188 Stuttgart Siegel + Östermann Ingenieurbüro für Vermessungswesen 71364 Winnenden Kunst am Bau Kaiser & Könige Werbeagentur 71334 Waiblingen-Beinstein Restaurator Erwin Raff in Zusammenarbeit mit Freier Restaurator VDR Dagmar Lange Public Relations 73770 Denkendorf 70437 Stuttgart Fotograf SchwabenFilm Falge, Matschke GbR Altlasten/ Wehrstein Geotechnik Schadstoffe 71394 Kernen Abriss Gottlob Rommel GmbH & Co. KG 70197 Stuttgart Architekten Architekten Kottkamp & Schneider (Planung) 70180 Stuttgart 70188 Stuttgart Gerüst Architekten, Architekten Keck und Lorch (Ausschreibung, 70195 Stuttgart Vergabe, Bauleitung) Rienth GmbH & Co. KG 71364 Winnenden Rohbau Wilhelm Keller GmbH & Co. KG 73770 Denkendorf Statik Ingenieurgesellschaft Tompert mbH 70178 Stuttgart Naturstein Schönfeld GmbH 70190 Stuttgart Elektro Paul + Gampe + Partner GmbH Beratende Ingenieure 73730 Esslingen Schlosser O. Graf GmbH & Co. KG 70188 Stuttgart Haustechnik, Heizung, Haustechnik Ralf Appel Lüftung, Sanitär 71732 Tamm Gaukler + Herdrich GmbH 70825 Korntal-Münchingen 2.280 m Heizleitungen + + + 1.805 m Wasserleitungen + + + 980 m Abwasserleitungen + + + 205 m Lüftungsrohre + + + 30.000 m elektr. Leitungen + + + 1.000 Steckdosen + + + 250 Elektro-Schalter + + + Die Baubeteiligten Dachdecker Labudda GmbH 70188 Stuttgart Metallbau, Stahltüren Nothacker GmbH 71686 Remseck Abdichtung Erbis F + W GmbH 70435 Stuttgart Maler Maler Biber 70794 Filderstadt Flaschner Fritz Sanitärtechnik GmbH 70372 Stuttgart Trockenbau Ullrich & Schön GmbH 70736 Fellbach-Schmiden Nassputz A. + J. Huss GmbH 70599 Stuttgart Kellertrennwände Gerhard Braun Kellertrennwandsysteme GmbH 74321 Bietigheim-Bissingen Fliesen Fliesen Kugel GmbH 71154 Nufringen Sanitär / Heizung Heinrich Weinbuch GmbH 73079 Süssen Fliesen Restaurant Willi Müller GmbH 71336 Waiblingen Lüftung Gustav Rentschler GmbH 74372 Sersheim Gussasphaltarbeiten Fa. Thannhäuser & Ulbricht Gußasphalt und Estrich GmbH 86742 Fremdingen Küchen Weinmann Einrichtungen 70794 Filderstadt-Bonlanden Elektro Holzfenster Trefz GmbH 71543 Wüstenrot F + E Elektroanlagen GmbH 70736 Fellbach LED Leuchten Schreiner Fa. Georg Ströhle 73312 Geislingen Richter lighting technologies GmbH 73540 Heubach Aufzug Parkett Babschanik GmbH 73061 Ebersbach/Fils Stricker Aufzüge GmbH 71522 Backnang Schließanlage Pfeffer Sicherheitstechnik Schloss + Schlüsseldienst 76571 Gaggenau Metallbau, Stahl/Glaselemente Metallbau Mayer GmbH 71364 Winnenden 200 Tonnen Gussasphalt + + + 220 Fensterelemente + + + 1.500 m 2 Parkett +++ 4.500 m 2 Tapeten + + + 11.500 m 2 Wand- und Deckenanstrich + + + 2.250 m 2 Wandausbau + + + 350 m 3 Bauschutt Impressum / Bildnachweise Herausgeber: Stiftung Arbeiterheim und Bau- und WohnungsVerein Stuttgart Schwarenbergstraße 64 70188 Stuttgart Text & Konzeption: Dagmar Lange Public Relations, Stuttgart Grafik & Herstellung: medialink GmbH, Stuttgart Druck: Format Druck GmbH, Stuttgart Bildnachweise: A. Weber & Co. Bau- und WohnungsVerein Stuttgart Burkhard Hüdig Dr. Bernd Langner Kottkamp & Schneider Freie Architekten Land Baden-Württemberg Landeshauptstadt Stuttgart Landesmedienzentrum Baden-Württemberg SchwabenFilm Falge Matschke GbR Stiftung Geißstrasse 7 Stuttgarter Zeitung - Michael Steinert