Leseprobe - Allitera Verlag

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Leseprobe - Allitera Verlag
in Playboy ist bereit, für sein Erbe über Leichen zu gehen – und
wenn es die seiner Frau sein sollte. Ein Priester versucht die
Aufdeckung seines schlimmsten Geheimnisses auf höchst unchristliche Weise zu verhindern. Und einem Ehemann gelingt
beinahe das perfekte Verbrechen:
»Wenn Sie bei Ihren Vertuschungen auch noch den Rand des
Weinglases gegen die geschminkten Lippen Ihrer Frau gedrückt
hätten, wäre es ein fast perfekter Mord geworden, wenn es so
etwas überhaupt gibt.« Der Kommissar setzte sich wieder und sah
ohne Mitleid auf den reglos vor ihm sitzenden Giftmörder.
Gödeckes Kurzgeschichten spielen mit den Abgründen der
menschlichen Psyche. Sie erlauben es dem Leser, sich in Opfer und
Täter hineinzuversetzen und erinnern uns daran, dass jeder zu einem
Mord fähig ist.
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ugust Gödecke lernte verschiedene Berufe, ist Verwaltungsdirektor eines Krankenhauses, war Sportflieger, Luftbildfotograf
und Fallschirmspringer. Sein mehrjähriges Belletristikstudium ergänzte er um die Ausbildung zum Drehbuchautor. Der Kriminalroman »Die Pest der Gewalt« erschien im Distel-Literaturverlag, »Trändende Herzen« im Betzel-Verlag, »Das Hochhaus an der Spree«,
»Todesart mit vier Buchstaben« im Verlag der Criminale, »Kleine
Dorfgeschichten« und zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien,
Illustrierten und Tageszeitungen.
A
August Gödecke
Ein fast perfektes
Verbrechen
und andere Kriminalgeschichten
Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:
www.verlag-der-criminale.de
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet
über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
April 2004
Verlag der Criminale
Ein Books on Demand-Verlag der Buch&media GmbH, München
© 2004 August Gödecke
Umschlaggestaltung: Bauer+Möhring, Berlin
Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt
Printed in Germany · ISBN 3-86520-028-1
Inhalt
Die gute Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Ein Steward sieht rot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Die Raumpflegerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Wem die Stunde schlägt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Ein fast perfektes Verbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Der falsche Verdacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Eine brisante Affäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Der Expo-Mörder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Das Haus des Grauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Dumm gelaufen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Ein pfiffiges Kerlchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Ein Paradies für Mörder?
(statt eines Prologes)
Wenn auf jedem Grab eine Kerze brennen würde, in dem ein Mensch
liegt, der eines unnatürlichen Todes gestorben ist, dann wären unsere
Friedhöfe hell erleuchtet …
Viel Spaß beim Lesen meiner Kurzgeschichten.
August Gödecke
Für Irmchen
Die gute Seele
ls die Haushälterin Vera Strote die schwere Eichentür des Pfarrhauses öffnete, läuteten gerade die Abendglocken der alten
Bruchsteinkirche.
Vera seufzte, stellte ihre Einkaufstasche auf den Küchentisch und
zog ihren Mantel aus.
Als sie den roten Anorak am Garderobenhaken sah, lächelte sie:
Peter Urban war wieder da, und Pater Lucas Kirchner büffelte mit
ihm Latein.
Die Eltern des Jungen hatten sie vor einem halben Jahr gebeten,
den Geistlichen doch einmal zu fragen, ob er ihrem Peter nicht Nachhilfeunterricht geben könne.
Da der Schüler schon längere Zeit Messdiener in der Kirchengemeinde war, hatte der Pater nur kurz überlegt und dann genickt. Und
seitdem kam der Junge, der mit seinen langen blonden Haaren wie
ein Mädchen aussah, zweimal in der Woche zum Unterricht.
Vera Strote freute sich, dass der Pater seinen Schüler mittlerweile
ins Herz geschlossen hatte.
Warum auch nicht, dachte die Haushälterin, der Junge war zwar
ein schlechter Schüler, aber sonst immer höflich und hilfsbereit.
Die beiden schienen sie nicht gehört zu haben, da das Glockengeläut alle anderen Geräusche übertönte.
Während Vera auf das Arbeitszimmer des Paters zuging, dachte sie
daran, den beiden Tee zu bringen, schön heiß mit Kandiszucker und
Zitrone. Aber vielleicht sollte sie vorher erst einmal fragen …
Sie klopfte und öffnete vorsichtig die Tür.
Erschrocken zog sie die Tür gleich wieder zu und lehnte sich mit
weichen Knien gegen die Zarge. Vera konnte nicht glauben, was sie
gesehen hatte, und sie verstand es auch nicht.
Ihre Hände zitterten, und sie war kalkweiß im Gesicht.
Nach einer Weile schüttelte sie heftig den Kopf und fuhr sich mit beiden Händen über die Augen, so, als wollte sie die Szene, die sie eben im
Arbeitszimmer des Paters gesehen hatte, wegwischen und vergessen …
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Das Schließen der Tür, leise, aber trotz des Glockengeläuts noch hörbar, schreckte den Pater auf und holte ihn in die Wirklichkeit zurück.
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»Vera!«, dachte er. Er knöpfte hastig seine Hose zu und gab dem
Messdiener einen Geldschein.
Lucas Kirchner war sich sicher: Seine Haushälterin hatte ihn belauscht und alles gesehen. Er wusste daher im Augenblick nicht so
recht, was er tun sollte. Einige Minuten saß er wie erstarrt auf seinem
Stuhl und starrte auf den Fußboden.
»Das musste ja einmal herauskommen«, schoss es ihm durch den
Kopf. Plötzlich hörte er sein Herz schlagen, und er spürte so etwas
wie Scham.
Gleichzeitig rechtfertigte er sein Tun damit, dass Gott ihm nicht
nur das Leben, sondern auch eine Sexualität gegeben hatte, die nun
einmal von der Normalität etwas abwich.
Aber die Mitglieder seiner Kirchengemeinde und die selbsternannten Moralisten dieser kleinen Stadt sahen das bestimmt ganz
anders …
Er konnte sicher sein, wenn seine hier im Ort geborene Haushälterin
reden würde, war er erledigt und als Seelsorger nicht mehr tragbar.
Lucas zwang sich zur Ruhe.
Noch war nichts verloren.
Sicher würde seine Haushälterin nicht sofort etwas sagen. So gut
glaubte er sie zu kennen, und seit kurzer Zeit hatte er auch das Gefühl, dass sie mehr als Sympathie für ihn empfand. Aber konnte er
sich darauf verlassen? Was geschah, wenn er sich täuschte?
Irgendwann würde sie plaudern, auch wenn sie noch so eine »gute
Seele« war.
Konnte er es seelisch verkraften, ständig auf einem Pulverfass zu
sitzen?
»Nein, das kann ich nicht«, flüsterte er mit belegter Stimme, »ich
muss etwas unternehmen, und zwar möglichst bald. Der Herr möge
mir verzeihen …«
Pater Lucas Kirchner half seiner Haushälterin in den Mantel und
lächelte ihr zu.
»Vera, ich freue mich auf den Theaterabend. Schön, dass Sie meiner
Einladung gefolgt sind. Man kann nicht nur arbeiten.«
Vera Strote schaute beschämt zur Seite.
Wieder einmal wurde ihr bewusst, dass sie für diesen gut aussehenden Priester eine tiefe Zuneigung empfand.
Sie wusste, es war eine Sünde, die ihr der Herrgott sicherlich nie verzeihen würde. Vielleicht sollte sie wieder einmal zur Beichte gehen.
Vera dachte auch kaum noch an das, was sie vor einigen Tagen im
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Arbeitszimmer des Geistlichen gesehen hatte. Sie verdrängte das Geschehene, und mittlerweile kam es ihr schon so vor, als hätte sie alles
nur geträumt.
Ohne Argwohn hatte sie die Einladung des Paters angenommen: Sie
freute sich auf den Theaterabend, und sie trug ihr schönstes Kleid.
Plötzlich fiel ihr etwas ein.
Fragend wandte sie sich an den Pater.
»Aber, was machen wir, wenn meine Schwester heute oder morgen
kommt? Sie hat doch ihren Besuch schon vor einigen Wochen angekündigt. Wenn sie ein Telefon hätte, würde ich ja sofort …«
Der Pater unterbrach sie und reichte ihr seinen Kugelschreiber.
»Da liegt ein Notizblock. Schreiben sie doch ein paar Zeilen auf.
Den Zettel heften wir dann an die Haustür.«
Vera zögerte.
»Ach, ich weiß nicht. Was soll ich denn schreiben?«
»Schreiben Sie: ›Liebe …‹ Wie heißt Ihre Schwester?«
»Klara, Klara Steffen.«
Der Pater nickte und diktierte: »Liebe Klara! Es tut mir Leid.
Deine Schwester Vera.«
Er schien eine Weile zu überlegen und fuhr dann fort: »Ja, und darunter schreiben Sie noch: ›Ich bin im Theater. Den Schlüssel zum Pfarrhaus kannst du nebenan bei unserem Nachbarn Fritz Rogge abholen.‹«
Es dauerte eine Weile, bis Vera, mit ihrer etwas ungelenkten
Schrift, die wenigen Zeilen geschrieben hatte.
Dann sah sie auf, lächelte den Pater dankbar an und riss den Zettel
vom Block.
Das schwere Garagentor klemmte, und nachdem es Pater Lucas nach
oben gestoßen hatte, hing es schief und leicht schwankend in den
Angeln.
Der Pater warf einen stolzen Blick auf den gepflegten Oldtimer mit
Weißwandreifen, den er vor einigen Jahren von seinem Onkel geerbt
hatte.
»Puh! Ziemlich stickig. Warten Sie, ich kurbele erst einmal die
Fenster nach unten.«
Der Geistliche beugte sich nach rechts, öffnete die Beifahrertür,
machte eine einladende Handbewegung und schenkte seiner Haushälterin ein verschmitztes Lächeln.
Er startete den Motor und drehte sich halb auf seinem Sitz um.
»Sehen Sie mal, wie das Tor durchhängt!«
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Vera drehte ihren Kopf nach hinten und nickte.
Der Pater zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und ließ den
Motor weiterlaufen. Er dachte daran, dass er einen Oldtimer hatte,
bei dem auch dann noch die Maschine weiterlief, wenn man den
Schlüssel abzog.
Während er die Tür vorsichtig öffnete, sagte er: »Wissen Sie, ich
möchte nicht, dass mir das Tor auf’s Dach fällt, man kann ja nie wissen. Ich werde das Tor absichern und dann …«
Ohne den Satz zu beenden, ging er nach draußen und zog kräftig
am Tor, das nun rasselnd nach unten fiel.
Dann hob er es noch einmal an und schlug es wieder zu, bis es mit
einem klickenden Geräusch einrastete.
Der Geistliche klopfte gegen das Garagentor.
»Hallo, Vera, hören Sie mich?«
»Ja, Pater.«
»Das Tor ist eingerastet und klemmt. Ich gehe nur schnell ins Haus
und hole den Schlüssel. Bleiben Sie ganz ruhig. Ich bin gleich wieder
da.«
Der Pater legte sein Ohr an das Garagentor, und als er das Motorgeräusch hörte, drehte er sich um und ging mit gemächlichen Schritten auf das Pfarrhaus zu.
Er blieb eine Weile hinter einem Apfelbaum stehen und sah sich
verstohlen um: Es war niemand zu sehen.
Ohne Hast setzte er seinen Weg fort …
Vera Strote saß entspannt in den tiefen Polstern des Beifahrersitzes.
Das monotone Brummen des Motors wirkte irgendwie beruhigend
und einschläfernd.
Sie dachte daran, dass sie nichts, aber auch gar nichts über Kraftfahrzeuge wusste. Für sie waren Autos wahre Wundermaschinen aus einer
anderen Welt, und auch sonst hatte sie für technische Dinge nicht viel
übrig. Ihre Welt waren das Pfarrhaus, die täglichen Haushaltsaufgaben
und die Sorge um das Wohl des Seelsorgers. Vera schloss die Augen
und lächelte. Sie freute sich auf den Theaterabend.
Sicherlich kam Pater Lucas gleich zurück, und dann würden sie
losfahren. Sie waren noch gut in der Zeit.
»Sie solle sich ganz ruhig verhalten«, hatte der Pater gesagt, »er
wolle nur den Garagenschlüssel aus dem Pfarrhaus holen und dann
das eingerastete Tor öffnen.«
Seltsam. Hatte er denn nicht schon vorher das Tor mit dem Schlüssel geöffnet?
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Er musste ihn doch bei sich haben. Bestimmt hatte er es vergessen,
und spätestens im Pfarrhaus würde er es merken und sich dann ärgern, dass er umsonst ins Haus gelaufen war.
Sie war müde, und das Denken fiel ihr auf einmal schwer. Vera
holte noch einmal tief Luft und kuschelte sich in die weichen Polster
des Sitzes …
Bevor Pater Kirchner die Schere ansetzte, warf er noch einmal einen
kurzen Blick auf die Mitteilung, die Vera ihrer Schwester hinterlassen
hatte. Er zündete ein Streichholz an und verbrannte den abgeschnittenen Teil der Notiz.
»Liebe Klara!«, murmelte der Pater, »es tut mir Leid! Deine Schwester Vera.«
Der Priester lächelte zufrieden und legte den Zettel auf das Bett
seiner Haushälterin.
Er warf einen Blick auf die Uhr: Es waren gerade erst zehn Minuten
vergangen. Vera lebte sicherlich noch.
Nervös lief er zurück in sein Arbeitszimmer, setzte sich an den
Sekretär, stand dann wieder auf und schaute aus dem Fenster. Sein
Blick fiel auf die Garage, deren heller Putz durch einen wuchtigen
Apfelbaum schimmerte.
Er dachte an das Drama, das sich in dem abgeschlossenen Raum der
Garage abspielte, und er hatte Mühe, an etwas anderes zu denken.
Als er dann das Läuten der Haustürglocke hörte, zuckte er heftig
zusammen.
Wer konnte das sein? Sollte er zur Tür gehen?
Es fiel ihm unsagbar schwer, seinen Blick von der Garage zu lösen.
Dann riss er sich jedoch zusammen und öffnete langsam die Haustür.
Vor ihm stand eine etwas altmodisch gekleidete Frau in mittlerem
Alter, die ihn freundlich anlächelte.
»Sie müssen Pater Kirchner sein. Ich bin Klara Steffen, die Schwester von Vera.«
»Bitte, treten Sie doch ein und fühlen Sie sich wie zu Hause. Ihre
Schwester wird sicherlich irgendwo im Haus oder im Garten sein.
Ich nehme an, sie hat auch das Läuten gehört und wird gleich hier
sein. Vielleicht sollten Sie Ihr Gepäck zunächst in das Zimmer Ihrer
Schwester stellen. Ich weiß nämlich nicht, ob das Gästezimmer schon
hergerichtet ist.«
Der Geistliche zeigte auf das Zimmer seiner Haushälterin, lächelte
der Besucherin noch einmal freundlich zu und eilte in sein Arbeitszimmer.
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