Harenberg: Lepirudin bei heparininduzierter Thrombozytopenie

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Harenberg: Lepirudin bei heparininduzierter Thrombozytopenie
135/61
© 2004
Schattauer GmbH
Lepirudin bei heparininduzierter
Thrombozytopenie
Grundlagen und aktueller Erkenntnisstand zur klinischen Anwendung
J. Harenberg, I. Jörg, S. Koch, T. Fenyvesi
IV. Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Mannheim
Schlüsselwörter
Keywords
Heparininduzierte Thrombozytopenie, Plättchenfaktor 4,
Heparin, Lepirudin
Heparin-induced thrombocytopenia, platelet factor 4,
heparin, lepirudin
Zusammenfassung
Summary
Die heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) Typ II ist
eine antikörpervermittelte unerwünschte Arzneimittelwirkung auf Heparin, die paradoxerweise mit einem
Abfall der Thrombozytenkonzentration und einem
erhöhten Risiko für thromboembolische Komplikationen
einhergeht.
Die Antikörper reagieren gegen ein Neoepitop des
Plättchenfaktors 4 nach Bindung mit Heparin. Die
Inzidenz der HIT II ist geringer unter niedermolekularem
Heparin im Vergleich zu unfraktioniertem Heparin und
bei nicht operierten Patienten im Vergleich zu Patienten
nach großen operativen Eingriffen. Bei der HIT II ist die
unverzügliche Einleitung einer alternativen Antikoagulation wegen der hohen, durch Antikörper vermittelten
Thrombogenität erforderlich. Das rekombinante Hirudin
Lepirudin (Refludan®) ist Antikoagulanz der Wahl. Eine
langfristigere Antikoagulation kann in Abhängigkeit von
begleitenden Faktoren mit subkutanem Lepirudin und
mit oralen Antikoagulanzien erfolgen.
Heparin-induced thrombocytopenia (HIT) type II is
an antibody mediated severe adverse event to heparin
with a paradoxical decrease of platelet count and an
increased risk for thromboembolic complications.
The antibodies are directed against a neoepitop of platelet factor 4 after its binding to heparin. The incidence
of HIT type II is lower with low-molecular-weight heparin
compared to unfractionated heparin and lower in not
operated patients compared to those after major surgery. In patients with HIT type II alternative anticoagulation has to be performed immediately due to the high
thrombogenicity of the antibodies. The recombinant
hirudin lepirudin (Refludan®) is the anticoagulant drug
of choice. A long-term anticoagulation has to be performed depending on the concomitant risk factors,
intravenous administration followed by subcutaneous
lepirudin overlapping with vitamin K antagonists.
Lepirudin for therapeutic use in heparin-induced
thrombocytopenia
Hämostaseologie 2004; 24: 135–43
D
ie heparininduzierte Thrombozytopenie vom Typ II (HIT II oder
auch HIT) ist eine durch Antikörper-vermittelte paradoxe Reaktion auf
Heparin mit schwerer Thrombozytopenie,
bei der ein hohes Risiko für schwerwiegende thromboembolische Komplikationen
besteht. Die Antikörper können anhand
einer positiven Reaktion in einem Test
auf Heparin/Plättchenfaktor-4-Antikörper
nachgewiesen werden. Abzugrenzen ist die
HIT von der nicht immunologischen, vorübergehenden Thrombozytopenie mit Werten für die Thrombozytenkonzentration
zwischen 100 000/µl und 150 000/µl, bei der
keine thromboembolischen Komplikationen zu erwarten sind (HIT vom Typ I).
Pathophysiologie der HIT
Bei der HIT bzw. HIT vom Typ II handelt
es sich um eine erworbene, immunmodulierte Thrombophilie (Abb. 1). Die heparinabhängige, plättchenaktivierende Bildung
von Immunglobulinen, in der Regel der
IgG-Klasse, führt zu einer verstärkten
Thrombinbildung mit Freisetzung von Fi-
brinopeptid A (30). Dies verdeutlicht die
hohe Thrombogenität des multimolekularen Komplexes aus Heparin mit Plättchenfaktor 4 (PF4) und Antikörpern in Gegenwart von Thrombozyten (32) (Abb. 1).
Typischerweise fällt die Thrombozytenzahl bei der HIT innerhalb von 4-14 Tagen
nach Beginn der Heparingabe auf weniger
als 50% ihres Ausgangswertes oder unter
60 000/µl. Patienten mit vorangegangener
Verabreichung von Heparin, bei denen sich
weder klinisch noch aufgrund der Laboruntersuchungen ein Hinweis auf HIT ergab, können auch ab Tag 1 nach Reexposition von Heparin eine Thrombozytopenie
oder Antikörper gegen Heparin/PF4 entwickeln. Diese Antikörper zirkulieren aufgrund ihrer langen Halbwertszeit über
etwa drei Monate (20). Es wurden auch
Fälle beschrieben, bei denen die Thrombozytopenie verspätet auftrat, d. h. ca.
5-10 Tage nach Therapieende mit Heparin
(34).
Die Größenordnung des Thrombozytenabfalls kann unterschiedlich sein
und liegt im Mittel bei 50 000-60 000/µl
(33). Nur bei etwa 10% der Patienten fällt
die Thrombozytenzahl auf weniger als
20 000/µl ab. Selten bleiben die Thrombozytenzahlen auch unverändert (16). In der
postoperativen Phase sinken in der Regel
die Thrombozytenzahlen im Rahmen des
Blutverlustes initial ab und steigen anschließend physiologischerweise auf Werte
oberhalb des Referenzbereichs. In dieser
Phase wird ein Abfall der Thrombozytenzahl um mehr als 50% des Ausgangswertes
als Hinweis auf eine HIT bewertet.
HIT-Patienten haben ein 37fach erhöhtes Risiko zur Entwicklung venöser oder
arterieller Thromboembolien (35). Bei
etwa der Hälfte von ihnen wird die HIT
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Harenberg et al.
Abb. 1 Pathogenese der heparininduzierten Thrombozytopenie
1: Bindung von exogenem oder endogenem Heparin an die Tetramere von PF4, der aus der
Alfagranula der aktivierten Thrombozyten freigesetzt wird.
2: Bildung der Neoantigene auf PF4 mit Opsonierung der B-Lymphozyten, die Antikörper in
der Regel von der IgG-Klasse produzieren.
3: Expression der heparininduzierten Antikörper und Komplexbildung mit dem FcRIIaRezeptor der Thrombozyten. Die Thrombozyten werden durch diesen Mechanismus weiter
aktiviert und sezernieren PDFs (platelet coagulation factors), u. a. plättchenaktivierenden
Faktor (PAF). Das Komplementsystem wird aktiviert (C, Ca).
aufgrund thromboembolischer Ereignisse
unter der Heparintherapie erkannt. Die
übrigen Patienten weisen zunächst eine
Thrombozytopenie auf und entwickeln
danach häufig eine thromboembolische
Komplikation. Möglicherweise ist die Zunahme des Schweregrades einer ThromboHämostaseologie 2/2004
4: An den Endothelzellen befinden sich Proteoglykane, deren extrazellulärer Anteil
Heparansulfat darstellt. Dieser enthält heparinähnliche Fragmente mit dem Oktasaccharid,
das an zirkulierenden PF4 binden kann. Es werden sowohl die Tetramere von PF4 mit dem
Neoantigen in die Lymphozyten aufgenommen sowie die Antikörper in den Pathomechanismus einbezogen, in dem diese an Heparansulfat der Endotheloberfläche binden.
5: Es entsteht klinisch eine Thrombozytopenie mit oder ohne Thromboembolie. Modifiziert
nach Wang et al. (32).
zytopenie mit der Wahrscheinlichkeit einer
zusätzlichen thromboembolischen Komplikation verbunden.Thromboembolische Ereignisse manifestieren sich als
● tiefe Venenthrombose,
● Lungenembolie,
● Verbrauchskoagulopathie,
●
●
Thrombose an zentralen Venenkathetern oder
arterielle Thrombose (z. B. Schlaganfall,
Herzinfarkt).
Die Thromben sind plättchen- und leukozytenreich und werden als weiße Gerinnsel
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Lepirudin bei HIT
(white clots) bzw. die Erkrankung als
White-clot-Syndrom bezeichnet. Andere
Symptome können sich als Hautnekrosen,
Nebennierenrindennekrosen mit Einblutung (Shwartzmann-Sanarelli-Phänomen)
oder Hirnvenenthrombosen manifestieren.
Die Häufigkeit einer HIT hängt von
der Art des applizierten Heparins und der
Patientenpopulation ab (36). Unfraktioniertes Heparin verursacht häufiger eine
Thrombozytopenie, eine Antikörperbildung gegen Heparin/PF4 und eine klinische HIT im Vergleich zu niedermolekularem Heparin (NMH) (35). Patienten in der
postoperativen Phase neigen häufiger zur
Entwicklung einer HIT als internistische
Patienten (35).
Die Häufigkeit von Antikörpern ist
etwa dreifach höher als die Präsenz des
klinischen Bildes einer HIT. In der Herzchirurgie bilden etwa 50% der Patienten
Antikörper gegen Heparin/PF4, die nur bei
5% dieser Patienten eine klinische Symptomatik hervorrufen. Die Aktivierung der
Hämostase durch fremde Oberflächen
führt zu einem sehr hohen Risiko der
Entwicklung von Heparin/PF4-induzierten
Antikörpern.
Nachweismethoden,
Differenzialdiagnostik
Eine große Zahl von Nachweismethoden
wurde in den vergangenen Jahren ent-
Abb. 2 Bedeutung der Kombination eines Konzentrations- und Aktivierungsassays zum Nachweis von HIT-Antikörpern, modifiziert nach Harenberg et al. (20) mit
freundlicher Genehmigung des Verlags.
In diesem Beispiel beträgt die Spezifität 100%, wenn die
Assays 7 Tage lang wiederholt wurden.
Tab. 1 Empfehlungen zum Monitoring der Thrombozytenzahl zur HIT-Frühdiagnose, modifiziert nach Greinacher et al.
(13)
Bei allen Patienten muss die Thrombozytenzahl vor der
Behandlung mit Heparin bestimmt werden. Typischer
Beginn der Thrombozytopenie zwischen Tag 4-14 nach
Therapiebeginn mit Heparin (Tag 0 entspricht erstem
Tag der Heparingabe). Die höchste Thrombozytenzahl
ist als so genannte Baseline für die Berechnung des relativen Thrombozytenabfalls zu werten. Gemäß Fachinformationen der Heparine sollten Thrombozytenkontrollen grundsätzlich alle 3-4 Tage bis zum Tag 21
durchgeführt werden. Als Grundlage für eine differenziertere Vorgehensweise wurden Patienten drei HIT-Risikogruppen zugeordnet und spezielle Situationen definiert:
1. höchstes HIT-Risiko von 1 bis 5% (nach großen orthopädischen oder chirurgischen Eingriffen bei Gabe von
unfraktioniertem Heparin): Thrombozytenkontrollen
jeden zweiten Tag von Tag 4-14 oder bis zum Ende
der Heparingabe
2. mittleres HIT-Risiko von 0,1 bis 1,0% (internistische
und gynäkologische sowie postoperative Patienten
mit Katheterspülungen bei Gabe von unfraktionier-
wickelt. Als Goldstandard gilt der Nachweis von 14C-Serotonin oder die Freisetzung von Serotonin aus Thrombozyten in
Gegenwart von HIT-Antikörpern und PF4
aus dem Patientenserum sowie Heparin
bzw. NMH (24). Die Sensitivität und Spezifität aller Methoden liegt zwischen 80 und
95%. Durch wiederholte Testung über etwa
7 Tage werden Sensitivität und Spezifität
erhöht, da Heparin/PF4-Antikörper auch
nach dem Thrombozytenabfall entstehen
können (Abb. 2)(20). Bei negativem Testergebnis und fortbestehendem Verdacht
auf HIT sollte daher der Antikörpertest
wiederholt werden.
Der Aufwand für die HIT-Früherkennung wird sich künftig an Risikogruppen
orientieren. Dabei sind von Bedeutung
● das verwendete Heparin (unfraktioniertes oder niedermolekulares Heparin)
und
● der Patient (z. B. Patienten mit extrakorporaler Zirkulation, Patienten aus der
Orthopädie oder internistische Patienten).
Vorschläge bzw. Empfehlungen zum Monitoring der Thrombozytenzahl sind in
Tabelle 1, die Empfehlungen für die Laboranalysen in Tabelle 2 dargestellt. Ein
Flussschema zur laboranalytischen Diag-
3.
4.
5.
6.
tem Heparin; Patienten nach großen orthopädischen
oder chirurgischen Eingriffen bei Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin): Thrombozytenkontrollen
jeden zweiten bis dritten Tag von Tag 4-14; sofern
durchführbar, auch bis zum Ende der Heparingabe
niedriges HIT-Risiko <0,1% (Katheterspülungen mit
unfraktioniertem Heparin bei internistischen Patienten; internistische und gynäkologische Patienten
sowie solche nach kleinen chirurgischen Eingriffen
bei Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin):
kein Routinemonitoring
Reexposition mit Heparin innerhalb von 100 Tagen:
Kontrolle der Thrombozytenzahl innerhalb von
24 Stunden, anschließend alle 2 Tage (dreimal/Woche) bis Therapieende.
Bestimmung der Thrombozytenzahl zusätzlich bei
Entwicklung einer thromboembolischen Komplikation oder ungewöhnlichen Reaktionen wie Hautläsionen unter Heparin
Kontrolle der Thrombozytenzahl bei Abfall um mehr
als 50%, auch wenn die Werte >150 000/µl bleiben.
nostik der HIT ist in Abbildung 3 wiedergegeben.
Jede akute Erkrankung, die mit einer
Thrombozytopenie einhergehen kann, fällt
in die Differenzialdiagnostik der HIT. Dies
betrifft beispielsweise
● Infektionen,
● maligne Erkrankungen,
● Therapien mit anderen Medikamenten,
die eine Thrombozytopenie auslösen
können,
● autoimmunologische Erkrankungen.
● posttransfusionelle
thrombozytopenische Purpura mit Alloantikörpern, die
ca. 7-14 Tage nach Transfusion auftreten,
● Verbrauchs- oder Verlustkoagulopathien,
Tab. 2 Empfehlungen zur Testung auf HIT-Antikörper
nach Greinacher (37)
1. HIT-Antikörper sollten untersucht werden bei klinischem Verdacht auf HIT, wenn eine Thrombozytopenie oder thromboembolische Komplikationen
während oder kurz nach Heparintherapie auftreten.
2. HIT-Antikörper sollten sofort bestimmt werden,
da sie temporär gebildet werden.
3. Ein Antigenassay sollte durch einen Aktivierungsassay (höherer Stellenwert) bestätigt werden.
4. Gewaschene Plättchen weisen die höchste Sensitivität für HIT-Antikörper auf.
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Harenberg et al.
Abb. 3
Flussschema bei Verdacht
auf HIT mit Therapieoptionen und Rezidivprophylaxe bei akuter HIT, aus Harenberg (21) mit freundlicher Genehmigung des
Verlags.
●
Antiphospholipidsyndrom, das wie die
HIT mit einem erhöhten Thromboserisiko und in ca. 30% der Fälle mit einer
Thrombozytopenie verbunden ist.
Bei der Differenzialdiagnostik ist außerdem die Pseudothrombozytopenie als Laborartefakt in Erwägung zu ziehen.
Ein wichtiges diagnostisches Kriterium
ist der bei HIT zu erwartende Wiederanstieg der Thrombozytenkonzentration
nach Absetzen von Heparin. Bei fortbestehender Thrombozytopenie ist bei Gabe von
Lepirudin im Gegensatz zur Antikoagulation mit Danaparoid eine Testung auf
Kreuzreaktivität nicht erforderlich, sondern das Vorliegen einer anderen Ursache
für die Thrombozytopenie wahrscheinlich.
unverzügliche Absetzen jeglicher Medikation mit Heparin und heparinähnlichen
Substanzen. Dies betrifft auch Spüllösungen für Venenkatheter und heparinhaltige
Salben.
Da die Heparin/PF4-Antikörper in Gegenwart von endothelständigem Heparin
und in Gegenwart von zirkulierenden aktivierten Thrombozyten thrombogen sind, ist
auch ohne Vorliegen einer Thromboembolie die zügige Einleitung einer Antikoagulation mit einem Nicht-Heparin-Antikoagulanz erforderlich. Relevante alternative
Antithrombotika zur Therapie der HIT
sind Lepirudin und Danaparoid. In der Regel wird im weiteren Verlauf nach Normalisierung der Thrombozytenzahlen überlappend mit der oralen Antikoagulation ohne
Initialdosis begonnen.
Therapie bei HIT
Lepirudin
Wichtigste therapeutische Maßnahme bei
Verdacht oder Vorliegen einer HIT ist das
Lepirudin, (Leu1,Thr2)-63-Desulfohirudin,
ist ein rekombinantes Hirudin, das von
Hämostaseologie 2/2004
Hefezellen biosynthetisiert wird. Das Polypeptid besteht aus 65 Aminosäureresten
und hat ein Molekulargewicht von 6979,5
Dalton. Natürliches Hirudin wird in den
Speicheldrüsen des medizinischen Blutegels als Familie von homologen Isopeptiden produziert. Seine Proteinstruktur ist
bekannt und wird gentechnologisch als rekombinantes Hirudin hergestellt.
Die Inhibition von Thrombin als Schlüsselenzym am Ende der Gerinnungskaskade
ist ein wirksamer Weg, um sowohl die Fibrinogenspaltung (und damit das Thrombuswachstum) als auch die Generierung von
neuem Thrombin zu hemmen. Im Gegensatz zu Heparinen können Hirudin und
seine Derivate fibringebundenes Thrombin
ebenso hemmen wie Thrombin im Plasma
(3). Anders als bei Heparinen und niedermolekularen Heparinen, die Antithrombin
als Kofaktor zur Wirkentfaltung benötigen,
übt Lepirudin eine direkte Hemmwirkung
auf Thrombin aus. Dies geschieht zum
einen über Bindung des aminoterminalen
Polypeptidanteils an das aktive Zentrum
(und an die benachbarte apolare Region)
von Thrombin, zum anderen über die Bindung des carboxyterminalen Endes an die
Fibrinogenerkennungsstelle (Anionenbindungsstelle) (8).
Lepirudin verteilt sich nach intravenöser Gabe rasch im Extrazellulärraum.
Maximale Plasmakonzentrationen werden
etwa 10 Minuten nach einem intravenösen
Bolus erreicht. Lepirudin wird zu mehr
als 90% renal eliminiert: 33 bis 65% einer
Dosis werden innerhalb von 24 Stunden
im Urin ausgeschieden, etwa 35% davon
unverändert. Die Metabolisierung findet
ebenfalls in der Niere statt. Lepirudin wird
in der Leber nur gering verstoffwechselt,
wobei die Metaboliten biologisch aktiv
sind. Bei jungen Freiwilligen betrug die
terminale Eliminationshalbwertszeit 1 bis
2 Stunden. Die renale Elimination eines
großen Teils der Dosis führt zu verlängerten Halbwertszeiten bei Niereninsuffizienz.
Die Wirksamkeit von Lepirudin bei
HIT-Patienten wurde in zwei großen multizentrischen Studien mit historischen Kontrollen belegt. Die Zulassung von Lepirudin zur Behandlung der HIT beruht auf
diesen beiden Studien (11, 14). Eine Vielzahl von umfangreichen Kasuistiken (18)
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Lepirudin bei HIT
Tab. 3
Lepirudindosierungen bei HIT-Patienten, modifiziert nach Greinacher (37) (HLM: Herz-Lungenmaschine)
Behandlungssituation
Bolus
Erhaltungsdosis
aPTT-Ratio
ECT-Bestimmung
der Hirudinkonzentration
HIT mit Thromboembolie
HIT ohne Thromboembolie und HIT in der
Anamnese
Hämodialyse jeden 2. bzw. 3. Tag
oder kontinuierliche Hämofiltration
0,4 mg/kg
kein Bolus
0,15 mg/kg/h i.v.
0,1 mg/kg/h i.v. oder
2 x 25 mg s.c.
1,5-2,5
1,5-2,0
0,75-1,5 µg/ml
0,3-0,6 µg/ml
2,0-3,0
0,5-1,2 µg/ml Bestimmung vor
der Dialyse, nach 30 Minuten
und am Ende
>2,5 µg/ml vor HLM Start,
unter HLM 3,5-4,5 µg/ml
Bypass-Operation
Kinder mit HIT
Prophylaxe bei Bridging zur oralen
Antikoagulation
0,1 mg/kg i.v.;
weitere Boli gemäß aPTT bzw.
Hirudinspiegel
0,25 mg/kg i.v. und
0,2 mg/kg in der Startlösung
0,2 mg/kg i.v.
0,5 mg/min bis 15 Min. vor
Ende der HLM
0,1-0,7 mg/kg/h
2 x 15 – 2 x 25 mg s.c.
1,5-2,5
und weitere Fallberichte runden das Bild
der wirksamen Therapie der HIT mit
Lepirudin ab.
Danaparoid
Danaparoid ist in der Therapie der HIT belegt, weist jedoch bei 10-20% der Patienten
eine so genannte Kreuzreaktion mit Heparin/PF4-Antikörpern auf (Abb. 4).
Labormonitoring der
Lepirudin-Antikoagulation
Die Steuerung der Lepirudin-Antikoagulation erfolgt anhand der aPTT, die auf das
1,5- bis 2,5fache der Norm verlängert sein
soll (Tab. 3). Sollte die aPTT diesen Wert
unterschreiten, ist die Infusionsrate um
20% zu erhöhen. Im Falle der Überschreitung des oberen Wertes (3,0faches der
Norm beim Actin-FS- oder NeothrombinReagenz bzw. 2,5faches der Norm bei anderen Reagenzien) sollte die Infusion für
2 Stunden unterbrochen und die Dosis
danach um 50% reduziert werden. Nach
der Dosisanpassung ist die erneute Messung der aPTT nach 4 Stunden erforderlich
(Tab. 4a).
Ab einer aPTT von ca. 70 Sekunden
flacht die Kurve zur Korrelation zwischen
aPTT und Hirudinkonzentration deutlich
Abb. 4
Kreuzreaktion von Danaparoid mit HIT-Antikörpern
20% der Patienten (n =
15) zeigten eine Kreuzreaktion mit FITC-Heparin.
Tab. 4
Hirudindosis (Fachinformation zu Refludan®)
Anpassung an Gerinnungsparameter (a) und bei Niereninsuffizienz (b)
a)
aPTT oder Hirudinspiegel
zu hoch
1. aPTT kontrollieren
2. Infusion für 2 h unterbrechen
3. Neustart mit halber Dosis
4. aPTT-Kontrolle 4 h nach Neustart
1
zu niedrig
1. aPTT kontrollieren
2. Infusionsrate um 20% erhöhen
3. aPTT Kontrolle nach 4 h
4. ggf. weitere Anpassung1
Dosis nicht über 0,21 mg/kg/h erhöhen ohne nach anderer Gerinnungsstörung
zu suchen
b)
Kreatinin-Clearance
ml/min
Serumkreatinin
mg/dl (µmol/l)
angepasste Infusionsrate
45-60
30-44
15-29
<15ml/min
1,6-2,0 (141-177)
2,1-3,0 (178-265)
3,1-6,0 (266-530)
>6,0 (>530)
Dosisreduktion auf 50%
Dosisreduktion auf 30%
Dosisreduktion auf 15%
keine Infusion bzw. Stopp
der laufenden Infusion
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ab, so dass bei darüber hinausgehenden
aPTT-Werten die Möglichkeit von starker
Überdosierung in Betracht zu ziehen ist.
Beträgt die aPTT-Verlängerung bei der
HIT-Therapie mehr als 2,5- bzw. 3,0fach, ist
von einem erhöhten Blutungsrisiko auszugehen (10). Bei besonders hoher Dosierung
(z. B. im Rahmen einer Bypass-Operation)
ist die Bestimmung der Ecarinzeit bzw.
ECT (ecarin clotting time) ein geeignetes
Verfahren zur Bestimmung der Hirudinkonzentration (28).
Bei einem engen Monitoring der aPTT
(erste Bestimmung spätestens 4 Stunden
nach Therapiebeginn) und der frühzeitigen
Anpassung der Lepirudindosis liegt das
Blutungsrisiko deutlich unter den Blutungsinzidenzen, die bei Analysen basierend auf früheren Studien angegeben wurden (7, 37). In Abhängigkeit vom Schweregrad der HIT und eventueller weiterer
gerinnungshemmender Therapie kann die
Einleitung der Behandlung mit verschiedenen Lepirudindosierungen bis hin zum
vollständigen Verzicht auf den initialen Bolus erfolgen (Tab. 3). Aufgrund der kurzen
Halbwertszeit ist die Lepirudin-Antikoagulation gut steuerbar und kann beispielsweise bei Notfalloperationen kurzfristig
reduziert werden.
HIT-Therapie mit Lepirudin:
klinische Erfahrungen
Bei 23 HIT-Patienten wurden eingehende
Untersuchungen zum Verlauf der Thrombozytenzahl, der PF4/Heparin-Antikörper
und den Gerinnungswerten nach Absetzen
von Heparin durchgeführt (4). Unter alternativer Antikoagulation mit Lepirudin
stieg die Thrombozytenzahl von 70 000/µl
im Nadir am Tag 1 nach Absetzen von Heparin auf über 200 000/µl etwa drei Tage
später. Es folgte eine passagere Thrombozytose als Zeichen einer akuten Phase der
Erkrankung im Rahmen der HIT. Die
Konzentration der PF4/Heparin-Antikörper steigt initial an, um dann im Verlaufe
von etwa 60 Tagen in den Referenzbereich
Abb. 5
Thrombozytenzahl und der
PF4/Heparin-Antikörper
unter der Therapie mit
Lepirudin und anschließender Antikoagulation mit
Vitamin-K-Antagonisten
Abb. 6
Dosierung von Lepirudin
bei Patienten mit HIT Typ II
(n = 23) Ecarinzeit und
aPTT im therapeutischen
Bereich (Mittelwert und
Standardabweichung)
Hämostaseologie 2/2004
der Antikörperkonzentration zu fallen
(Abb. 5).
Die intravenöse Antikoagulation mit
Lepirudin erfolgte im Mittel über 22 Tage.
Überlappend wurde die anschließende
Dauerantikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten eingeleitet. Die Dosis bei der
aPTT-adjustierten kontinuierlichen Lepirudininfusion betrug stündlich durchschnittlich 0,11 mg/kg Körpergewicht über
eine mittlere Therapiedauer von drei Wochen. Dabei verlängerte sich die aktivierte
partielle Thromboplastinzeit (aPTT, Dade
Behring Marburg) im Mittel auf das zweifache der Norm. Die Ecarinzeit verlängerte
sich unter dieser Behandlung auf das 3- bis
5fache der Norm mit einem geringfügigen
Anstieg am Ende der Therapiezeit (Ecarinreagenz, Pentapharm, Basel) (Abb. 6). Die
Kreatinin-Clearance aller Patienten lag im
Referenzbereich.
Bildung von Antikörpern unter
Lepirudintherapie
Da Lepirudin ein Protein ist, kann es als
Antigen wirken. Entsprechend entwickeln
etwa 50-70% der Patienten unter einer
langfristigen Antikoagulation Antikörper
gegen Lepirudin (4, 29). Die B-Lymphozyten produzieren polyklonale IgG-, IgModer IgA-Antikörper. Antikörper vom
Typ IgE wurden bisher für Lepirudin nicht
nachgewiesen. Die klinische Einordnung
der kürzlich publizierten anaphylaktischen
Reaktionen (12) erfordert eine differenzierte Betrachtungsweise. In keinem dieser Fälle wurde der Nachweis einer durch
IgE-Antikörper vermittelten Immunreaktion erbracht. Die Einordnung als Sofortreaktion nach Lepirudingabe bleibt daher hypothetisch. Dagegen können die
nachgewiesenen Anti-Hirudin-Antikörper
die Lepidurinwirkung neutralisieren oder
verstärken; sie können die Wirkung aber
auch völlig unberührt lassen (19) oder die
Halbwertszeit von Lepirudin verlängern
(9).
Von 23 Patienten unter einer Behandlung mit Lepirudin entwickelten 14 Patienten Antikörper (4).Ab Tag 6 zeigt sich, dass
die Patienten ohne Antikörperbildung im
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Lepirudin bei HIT
Mittel eine Dosissteigerung von Lepirudin
benötigten, um die aPTT und die Ecarinzeit im therapeutischen Bereich zu halten.
Patienten mit Antikörperbildung benötigten dagegen im Mittel keine Dosiserhöhung für therapeutische aPTT- und
ECT-Werte (Abb. 7). Mit aPTT- oder ECTKontrollen kann bei der Entwicklung von
Anti-Hirudin-Antikörpern die Dosis problemlos gesteuert werden. Bei keinem Patienten traten klinische Symptome auf, die
mit einer allergenen Reaktion in Zusammenhang zu bringen waren. Keiner der Patienten erlitt eine Komplikation, die wegen
ihrer Schwere auf der Intensivstation zu
behandeln gewesen wäre.
Konzept der subkutanen
Lepirudintherapie
Als überlappende Therapie zwischen einer
intravenösen Verabreichung von Lepirudin
und der oralen Antikoagulation wurde das
Konzept der Subkutangabe von Lepirudin
entwickelt (23). Es wurde eine um zwei
Drittel höhere Dosis als zur postoperativen
Thromboembolieprophylaxe in der Hüftchirurgie eingesetzt (5). Dies entspricht
zweimal 25 mg/d Lepirudin subkutan. Eine
Kontrolle der antikoagulanten Effekte auf
die aPTT und die Ecarinzeit findet sich in
Abbildung 8. Während sich die aPTT nur
gering und mit größerer Streuung verlängert, findet sich bei der Ecarinzeit 2 und
6 Stunden nach subkutaner Gabe eine Verlängerung auf etwa das zweifache des Ausgangswertes. 12 Stunden nach der abendlichen Verabreichung von Lepirudin war
die Ecarinzeit auf 60-70 Sekunden verlängert. Eine Kumulation fand sich über einen
Beobachtungszeitraum von wenigen Tagen
nicht.
Besondere Behandlungssituationen
Auch während der Schwangerschaft kumulierte Lepirudin mit zweimal 15 mg/d ab
der 25. SSW (22) bzw. zweimal 25 mg/d
während der gesamten Schwangerschaft
nicht (17). In Tabelle 3 finden sich neben
Angaben zur subkutanen Gabe weitere
Abb. 7
Patienten unter Lepirudintherapie mit (positiv, n =
14) und ohne Antikörperbildung (negativ, n = 9)
a) Dosierung, b) aPTT, c)
Ecarinzeit (ECT)
Dosierungsangaben zu Behandlungssituation, die von der zugelassenen Indikation
für Lepirudin geringfügig abweichen.
●
●
●
●
Interaktion mit Azetylsalizylsäure
●
Esslinger et al. (6) untersuchten in einer
Studie die Auswirkungen von PEG-Hirudin auf Gerinnungsparameter und Thrombozytenfunktion sowie die Interaktion mit
Azetylsalizylsäure (ASS) bei Gesunden.
Beurteilt wurden
● Blutungszeit (BT),
●
CIPA (collagen-induced platelet aggregation),
Thrombozytenadhäsion,
ECT,
ACT (activated clotting time),
Plasma-Antifaktor-IIa-Aktivität (aIIa)
und
aktivierte partielle Thromboplastinzeit
(aPTT).
In der Interaktionsstudie hemmte ASS die
CIPA signifikant. Die Blutungszeit wurde
nach 6 Stunden bestimmt und betrug nach
Gabe von
Abb. 8
Ecarinzeit (ECT) und aPTT
(Mittelwert, Standardabweichung) bei HIT-Patienten zur langfristigen Antikoagulation mit Lepirudin
(zweimal 25 mg/d subkutan)
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●
PEG-Hirudin als Monotherapie 6,5 Minuten,
● ASS als Monotherapie 18,2 Minuten und
● nach kombinierter Gabe von PEGHirudin und ASS 39,2 Minuten.
PEG-Hirudin allein oder in Kombination
mit 325 mg ASS erwies sich als sicher bei
Gesunden. Bei kombinierter Anwendung
verlängerte sich die Blutungszeit signifikant. Kein anderer Gerinnungstest oder
Thrombozytenfunktionstest zeigte einen
Zusammenhang wie bei der Verlängerung
der Blutungszeit.
einer Generierung von Thrombin zur Bildung eines stabilen Fibringerinnsels führt.
Hierzu werden sehr hohe Konzentrationen
an FVIIa benötigt, die den physiologischen
Gehalt des Blutes an FVIIa um mindestens
das 10fache überschreiten. Die Halbwertszeit des Präparates ist kurz, so dass bei fehlender Blutstillung rFVIIa-Verabreichungen
alle zwei bis drei Stunden notwendig sind.
Die Kontrolle der Behandlung erfolgt
primär klinisch. Es wird jedoch empfohlen,
bei Risikopatienten für Thromboembolien
oder DIC, engmaschig
● aPTT und INR
Schwere Blutungskomplikationen
sowie die Konzentrationen von
● Fibrinogen,
● Thrombozyten und
● D-Dimeren
Aufgrund der kurzen Halbwertszeit kann
bei Blutungen häufig mit einem Infusionsstopp adäquat reagiert werden. In schweren Fällen lässt sich Lepirudin aufgrund
seines Molekulargewichtes (6979,5 Dalton)
mit bestimmten Dialysemembranen aus
der Zirkulation eliminieren. Dies ist zur
Behandlung von schweren Blutungskomplikationen und Lepirudin-Überdosierungen therapeutisch ebenso relevant wie für
die Wahl adäquater Filter bei einer mit
Lepirudin durchgeführten Hämodialyse
oder Hämofiltration. Zur Elimination von
Hirudin sind High-flux-Dialysatoren mit
einem Cut-off von 60 000 Dalton wirksam.
Hierbei handelt es sich um Polysulfon-,
Polymethacrylat- oder Polyarylethersulfon-Membranen (1).
Bei lebensbedrohlichen schweren Blutungskomplikationen unter Lepirudin
kann auch die Gabe von rekombinantem
Faktor VIIa (rFVIIa) in Erwägung gezogen
werden. Der rFVIIa war bereits bei Blutungskomplikation unter einer Therapie
mit Vitamin-K-Antagonisten oder bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen wirksam (3, 27) und wird üblicherweise zur Behandlung von Blutungskomplikationen bei
Hämophiliepatienten mit Alloantikörpern
gegen Faktor VIII und IX angewandt. Es
handelt sich um ein gentechnologisch in
tierischen Zellen (BHK-Zellen) hergestelltes, virusfreies Produkt. Der rFVIIa wirkt
spezifisch am Ort der Gefäß- oder Gewebsverletzung über die Bildung eines TissueFaktor-FVIIa-Komplexes, der über Aktivierung von Faktor X zu Faktor Xa und
Hämostaseologie 2/2004
zu kontrollieren. Aktuell werden in mehreren großen Multizenterstudien die Daten
für eine Zulassungserweiterung von rFVIIa
unter anderem für schwere Blutungen in
der Traumatologie und Chirurgie erhoben.
Hirudin bei eingeschränkter
Nierenfunktion
Hirudin wird fast vollständig über die Niere eliminiert. Es besteht daher eine starke
Abhängigkeit von der Nierenfunktion und
der Kreatinin-Clearance. Bei Gesunden
mit einer Serumkonzentration von Kreatinin im Referenzbereich und einer Kreatinin-Clearance >100 ml/min beträgt die
Halbwertszeit von Hirudin 1,7 Stunden
und die Hirudin-Clearance 170 ml/min
(2). Bei Patienten mit Niereninsuffizienz
und einer Serumkreatininkonzentration
>5 mg% (entspr. einer Kreatinin-Clearance
<10 ml/min) betrug die Halbwertszeit von
Hirudin 52 Stunden über einer HirudinClearance von 3 ml/min (31). Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:
1. Eine Antikoagulation mit Hirudin bei
eingeschränkter Nierenfunktion erfordert eine regelmäßige Kontrolle des
Serumkreatinins sowie der Wirkung von
Hirudin mittels aPTT oder Ecarinzeit.
2. Die Frage der Dosisreduktion von Hirudin ist differenziert zu betrachten: der
initiale Bolus von 0,4 mg/kg Körpergewicht muss mindestens auf 50% reduziert werden. Die ursprüngliche Infusionsrate (pro Stunde 0,15 mg/kg Körpergewicht) wird bei einer KreatininClearance
– von 45-60 ml/min auf 50%,
– von 30-44 ml/min auf 30%
– von 15-29 ml/min auf 15% gesenkt.
– <15 ml/min dürfen nur intravenöse
Bolusgaben von 0,1 mg/kg Körpergewicht und keine kontinuierlichen Infusionen erfolgen (Tab. 4b).
3. Bei einer Kreatinin-Clearance <5 ml/
min führt eine Bolusinjektion von 0,07
bis 0,1 ml/kg Körpergewicht bereits zu
einer effektiven Antikoagulation während der Dialyse und zwischen den
beiden Dialysephasen. Vor operativen
Eingriffen ist daher die Elimination von
Hirudin im interdialytischen Bereich
durch Hämofiltration zu diskutieren.
Ausblick
Die intravenöse Verabreichung von Lepirudin stellt bei der HIT Typ II die sicherste
Form der Antikoagulation dar. Sie lässt sich
über aPTT und Ecarinzeit steuern. Die potenziellen Auswirkungen von Anti-Hirudin-Antikörpern werden über die Dosisadjustierung mittels aPTT oder Ecarinzeit
korrigiert. Die fehlende Kreuzreaktion mit
PF4 macht Lepirudin derzeit zu dem Therapeutikum der ersten Wahl bei HIT. Bei
Niereninsuffizienz sind aufgrund der verlängerten Halbwertszeit Dosisanpassungen
erforderlich. Lepirudin kann durch geeignete Hämofilter eliminiert werden. Wenn
auch kleinmolekulare Thrombininhibitoren oder Faktor-Xa-Inhibitoren als alternative Therapeutika geeignet erscheinen,
ist deren Anwendung bei der HIT zum aktuellen Zeitpunkt aufgrund unzureichender Datenlage und fehlender Zulassungen
nicht gerechtfertigt.
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Lepirudin bei HIT
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Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. J. Harenberg
IV. Medizinische Klinik
Universitätsklinikum Mannheim
Theodor-Kutzer-Ufer
68167 Mannheim
Tel. 06 21/3 83-33 78, -27 89
Fax 06 21/3 83-38 08
E-Mail: [email protected]
Hämostaseologie 2/2004

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