Ameland-Opfer werden ungeduldig
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Ameland-Opfer werden ungeduldig
Hannover und Niedersachsen Montag, 31. Januar 2011 KURZ GEMELDET Infos für Senioren im Netz Hannover: In Niedersachsen ist jetzt das Internetportal „Senioren in Niedersachsen“ gestartet. Der Seniorenserver soll auch älteren Menschen die Möglichkeit geben, sich umfassend im Internet zu informieren, sagte Niedersachsens Familienministerin Aygül Özkan (CDU). Auf den Seiten des Informationsportals fänden Ältere die Themen wieder, die sie interessierten: Informationen zum Wohnen im Alter und zu Patientenverfügungen ebenso wie Kultur- und Bildungsangebote. lni Mit Wodka im Führerhaus Bad Fallingbostel: Ein sturzbetrunkener, stammelnder Belgier ist mit seinem Sattelzug in Schlangenlinien auf der Autobahn 7 gefahren. Als Beamte den Mann nach Hinweisen von Autofahrern auf einem Rastplatz bei Bad Fallingbostel kontrollierten, hatte der 36-Jährige deutliche Probleme beim Sprechen und mit dem Gleichgewicht, teilte die Polizei am Sonntag mit. Bei der Kontrolle am Freitagabend fanden die Beamten eine leere Flasche Wodka. lni Ganzes Badezimmer geklaut Hildesheimer Allgemeine Zeitung Ameland-Opfer werden ungeduldig Ein halbes Jahr nach Misshandlungen im Ferienlager fordern die Eltern Ermittlungsergebnisse VON B ERN H A RD R EMMERS Osnabrück. Mehr als sechs Monate sind vergangen, seitdem in Osnabrück bekannt wurde, dass in einem Ferienlager des Sportbundes Kinder sexuell misshandelt worden waren. Doch bis heute liegt das Ergebnis der Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft nicht vor. Eltern und Kinder werden nun ungeduldig: „Das ist eine Verhöhnung“, sagt im Gespräch mit dieser Zeitung eine Mutter, deren Junge an dem Ferienlager teilnahm und dort schlimmste Übergriffe beobachten musste. Die Untersuchung der Vorfälle im Haus „Silbermöwe“ auf der niederländischen Insel Ameland zieht sich hin. „Das nervt mich total“, sagt die Mutter. Die Ermittler bitten um Geduld: „Es gibt nichts Neues“, erklärt auf Anfrage der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, Alexander Retemeyer. Rückblick: Am 8. Juli 2010 kehren Kinder und Jugendliche zurück nach Osnabrück. 14 Tage waren sie in einem Ferienlager des Stadtsportbundes auf der Nordseeinsel Ameland. Bereits einen Tag später erscheint die Mutter eines der Teilnehmer auf der Polizeiwache und berichtet Ungeheuerliches: In dem mit 39 Kindern belegten Schlafsaal des Hauses „Silbermöwe“ wurden die jüngeren unter den Jungen von einigen Älteren in die Mitte des Raums gezerrt. Dort wurden ihnen die Hosen heruntergezogen. Dann versuchten die Täter den Kindern ColaFlaschen oder Besenstiele in den After zu schieben. Derartiges muss sich mehrfach wiederholt haben in dem oft überheißen Schlafsaal direkt unter dem Dach. Einige der Jungen versuchten zu fliehen. Andere versteckten sich unter Betten, hielten sich verängstigt aneinander fest, um den Quälereien durch die Älteren zu entgehen. Das Wort „Fisten“, so stellt sich später heraus, machte in dem Lager die Runden. Wer diesen Begriff in eine der Suchmaschinen des Internets eingibt, der bekommt rund 298 000 Antworten. Schon der erste Blick auf die Ergebnisliste müsste einen Betreuer von Jugendfreizeiten alarmieren. Viel ist dort von Pornografie die Rede. Warum Lagerleitung und Betreuer auf Ameland nicht eingriffen, das ist bis heute nicht geklärt. Direkt nachdem sich die ersten Eltern bei der Polizei gemeldet hatten, beginnen die Ermittler mit ihrer Arbeit, wenig später informieren sie die Öffentlichkeit. Mittlerweile ist längst wieder Ruhe eingekehrt. Die Ermittler gehen unterdessen von zehn Beschuldigten aus dem Ferienlager aus. Zwei von ihnen waren selbst Opfer, bevor sie offenbar zu Tätern wurden. Und auch einige der ehrenamtlichen Betreuer geraten in den Blick von Polizei und Staatsanwälten. Sie haben womöglich ihre Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen. Es soll rau hergegangen sein in dem Lager. Teilnehmer berichten von Liegestützen, zu denen Kinder durch ihre Betreuer verdonnert wur- den, wenn es im Schlafsaal zu laut geworden war. Mädchen wurden laut den Berichten gezwungen, mit der Nagelschere den Rasen neben dem Haus zu schneiden. Für die Ermittler ist es offenbar nicht leicht, sich ein klares Bild von den Taten im Schlafsaal zu verschaffen. Zeugenaussagen widersprechen sich. Derzeit, so die Auskunft der Polizei, würden noch Betreuer vernommen. Unterdessen spricht einer der Rechtsanwälte der beschuldigten Jugendlichen von „überschießender Pubertät“ im Ferienlager. Die Mutter im Gespräch mit dieser Zeitung ist empört: „Durch solche Zweifel werden die Opfer ein zweites Mal misshandelt und die Täter geschützt“, sagt die Frau und bekräftigt noch einmal: „Mein Sohn hat das wirklich gesehen.“ Zweimal ist der damals 13-Jährige von der Polizei ausführlich befragt worden. Zuletzt im Herbst. Seitdem haben Mutter und Sohn von den Ermittlern nichts mehr gehört. Holzminden: Bei der Reparatur eines Wasserschadens in seinem Badezimmer sind einem Hausbesitzer in Holzminden die Badewanne, zwei Waschbecken und die Kloschüssel geklaut worden. Der Mann hatte nach Polizeiangaben vom Sonntag das vollständige Inventar seines Bades ausgebaut und hinter dem Haus gelagert, um den Wasserschaden zu lokalisieren. Die Diebe hätten dann vermutlich am Freitag die Gunst der Stunde genutzt und ihre ungewöhnliche Beute mit einem Lastwagen abtransportiert. lni Jagd nach Geisterfahrer Leer: Angetrunken und im Drogenrausch ist ein 33 Jahre alter Mann am Sonnabendmorgen als Geisterfahrer auf der Autobahn 31 unterwegs gewesen. Er sei zwischen Rhede und Papenburg in Richtung Emstunnel gefahren, teilte die Polizei am Sonntag mit. Mehrere Verkehrsteilnehmer hätten sich gemeldet. Der erste Versuch, den Fahrer in Höhe der Anschlussstelle Weener zu stoppen, schlug fehl. Der Mann setzte seine Fahrt unbeirrt fort. Nach zwei Kilometern drehte er jedoch und fuhr zurück zur Anschlussstelle, wo er gestoppt und festgenommen werden konnte. lni Keine heiße Spur nach Verbrechen Göttingen (pid). Nach dem gewaltsamen Tod eines 34-jährigen Mannes in Göttingen hofft die Polizei jetzt durch die Veröffentlichung eines Bildes des Getöteten auf weitere Hinweise aus der Bevölkerung. Die Mordkommission sucht Zeugen, die den getöteten Christian L. näher kannten. Außerdem erhofft sie sich Hinweise darauf, wo sich der 34-Jährige in der Nacht vom vergangenen Dienstag auf Mittwoch aufgehalten hat. Ein Spaziergänger hatte die Leiche des 34-Jährigen am Mittwochmorgen in einer Grünanlage im Göttinger Stadtteil Leineberg entdeckt. Die Obduktion in der Rechtsmedizin ergab, dass der Mann einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war. Bislang hat die Polizei noch keine heiße Spur. Unklar ist auch, ob der 34-Jährige dort getötet wurde, wo seine Leiche abgelegt war. Spontandemo in Göttingen gegen Speichelprobe Göttingen (pid). Bei einer Spontandemonstration von etwa 300 Angehörigen und Sympathisanten der autonomen Szene ist es am Freitagabend in der Göttinger Innenstadt zu kurzzeitigen Ausschreitungen gekommen. Nach Angaben der Polizei vom Sonntag warfen Demonstrationsteilnehmer Teile eines Baugerüsts um und schleuderten angezündete Feuerwerkskörper auf Einsatzkräfte, die den Zug begleiteten. Einige Beamten seien so massiv bedrängt worden, dass diese daraufhin den Schlagstock einsetzten. Anlass für die Demonstration war die Abgabe einer von der Staatsanwaltschaft Göttingen angeordneten Speichelprobe eines 20-jährigen Linksaktivisten. Dieser hatte sich der Maßnahme zunächst zu entziehen versucht, war dann jedoch am Freitagmorgen bei der Polizei erschienen. Er soll vor einem Jahr bei einer Demonstration in Göttingen mit einem Böllerwurf einen Polizisten verletzt haben und auch bereits bei früheren Demonstrationen strafrechtlich in Erscheinung getreten sein. Die nicht angemeldete Spontandemo bewegte sich vom Markt zum Campus. Von dort aus hätten Demonstranten Steine auf Polizisten geworfen, die sich im angrenzenden Nikolausberger Weg aufhielten, sagte eine Polizeisprecherin. Dabei sei ein Streifenwagen der Polizei Northeim beschädigt worden. Außerdem hätten sie versucht, eine Mülltonne anzuzünden. Dies hätten die Beamten verhindert. Die Polizei leitete mehrere Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Zerstörung wichtiger Einsatzmittel ein. In der Scholvinstraße wird am Wochenende gefeiert wie eh und je. Donnerstagnacht kam bei einem Schusswechsel nur wenige Meter entfernt ein Mann ums Leben. Burkert (2) „Leg dir ’ne schusssichere Weste zu“ Am hannoverschen Steintor scheint die jüngste Schießerei kaum jemanden zu beeindrucken – ein Streifzug VON H EIN RICH T HIES Hannover. Die Steintorstraße ist verwaist. Kein Mensch ist in der Nacht zum Sonnabend an dem Ort zu sehen, an dem in der Nacht zuvor ein Mensch erschossen worden ist. Die kleinen Geschäfte schlafen den Schlaf der Gerechten. Auf die Teestube, in der es geschah, weist nur eine Klingel hin. Nebenan wirbt ein Internet-Café um Besucher, bleibt aber so gut wie leer in dieser kalten Nacht. Das Nachtleben am Steintor tobt woanders. Zum Beispiel in der Scholvinstraße. Die „Sansibar“ ist rappelvoll. „Es wird alles noch viel schlimmer“, tönt es aus den Boxen. Hier in der Disko aber scheint das niemand zu fürchten. „Hier schießt keiner“, sagt Jens mit verwegenem Lächeln. „Wir verlassen uns voll auf Herrn Hanebuth.“ Der 34-Jährige aus Helstorf spricht von dem legendären Kiezkönig und Hells-Angels-Präsidenten Frank Hanebuth, der unter anderem bei der „Sansibar“ Mitgesellschafter ist und mit seinen Türstehern auf seine Weise für Ruhe im Kiez sorgt. Die breitschultrigen, muskelbepackten Herren mit den schwarzen Bodyguard-Uniformen und eindrucksvollen Tätowierungen beobachten die Besucher von der Zeitung in dieser Nacht besonders argwöhnisch und einsilbig. Ob sich die Schießerei irgendwie auf den Besuch auswirkt? Antwort: „Alles okay, Junge.“ Nur auf hartnäckiges Nachfragen erläutert ein Kollege: „Hier ist nix passiert. Geht doch rüber – in die Steintorstraße.“ Auch Jens weist darauf hin, dass das Blut andernorts fließt. „Die Drei-SterneKopfschuss-Bar ist da drüben“, sagt der junge Helstorfer scherzend, und deutet zur „Columbus“-Bar auf der anderen Straßenseite, wo im Juni vergangenen Jahres ein Gast während der FußballWeltmeisterschaft zwei Männer erschossen hatte. „Da könnte es schon mal krachen, aber hier ist alles safe, keine Bedenken.“ Zum Beweis lässt Jens sich mit seiner Begleiterin Gesa auf der Mitte der Puff-und-Partymeile lachend fotografieren. Auch in der „Columbus“-Bar geht es friedlich zu. „Wenn ich hier bin, ist es immer ruhig“, sagt der Barmann, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Rabauken gibt es natürlich überall.“ Die holzgetäfelte Kneipe ist gut besucht. Kaum vorstellbar, dass hier im Sommer die tödlichen Schüsse fielen. Ob die jüngste Schießerei alles wieder aufwühlt? Der Barmann schüttelt den Kopf. „Die Ausländer sind ja unter sich, das merken wir hier gar nicht.“ Anders ist das mit dem Prozess gegen den Todesschützen aus der „Columbus“-Bar, der gerade läuft. Doch die Stammgäste kümmert auch das wenig, sie ziehen es vor, bei Schnaps und Bier über Hannover 96 zu diskutieren. Auch die meisten anderen Steintor-Besucher geben sich in ihrer Amüsierlaune zwischen zwei und drei Uhr nachts unbeeindruckt von den Gewalttaten der Vergangenheit. „War hier ’ne Schießerei?“, fragt ein schon älterer Besucher. „Hab’ ich nicht mitgekriegt.“ Eine Gruppe Jugendlicher mit spürbar erhöhtem Alkoholpegel sieht in der zurückliegenden Schießerei sogar einen zusätzlichen Kick. „Ist doch geil, geht doch wenigstens was ab hier“, sagt einer des Trupps. „Wie in Chicago, echt. Da mischen wir natürlich auch mit.“ Und dann singen sie „Hey, Baby“ und wollen sich scheckig lachen. Die Party geht weiter zwischen „Havana-Beach“ und „Bayern-Stadl“, zwischen „Sex Inn“ und „Intensivstation“, „Thai Eros“ und „Crazy Love“. Die „Drehscheibe“ wirbt wie gewohnt in stereotypen Lautsprecherdurchsagen für Striptease mit „netten, internationalen Damen“, und das „Havana“ tönt mit Karibik-Rhythmen gegen die Kälte an und hält Badelaken für die dünn bekleideten Damen bereit. „Wer hier herkommt, muss wissen, worauf er sich einlässt“, meint der 23 Jahre alte Steffen aus Peine. Und die 35-jährige Ina aus Linden findet, dass es in den vergangenen Jahren viel ruhiger geworden sei im Steintorviertel: „Man weiß natürlich, dass hier die Hells Angels für Ordnung sorgen. Aber als Frau muss man keine Angst haben.“ Das sehen nicht alle so. „Besorg’ dir ne schusssichere Weste“, raunt ein Besucher dem Fotografen zu, und weist auf die vielen Türsteher und Sicherheitsleute hin, die es angeblich gar nicht gern sehen, wenn man in ihrem Revier ungefragt fotografiert. Und dann, es geht auf drei Uhr zu, stürmen plötzlich zwei tätowierte Herren aus einer der Bars auf den Reporter zu und stoßen rüde Beschimpfungen aus. „Verpiss dich, du Kakerlake“, gehört noch zu den nettesten Beleidigungen. Es hat den Anschein, dass die Verbalattacken jederzeit in handfeste Schläge übergehen könnten. Zum Glück nähern sich gerade zwei Polizisten, die die beiden Männer – offenkundig Sicherheitsleute – zur Räson bringen. Die Polizei hält sich im Übrigen weitgehend im Hintergrund. Bis 1.30 Uhr sind kaum Uniformierte im Rotlichtbezirk zu sehen, danach patrouilliert ein Die Polizei zeigt am Steintor Präsenz. Polizei-Kleinbus in kurzen Abständen auf der Scholvinstraße. Unversehens kommen die Beamten gegen halb drei zu einem Einsatz, als vor der „Intensivstation“ zwei Männer aufeinander losgehen. Doch die Rangelei ist schnell geschlichtet. Die Nachtschicht der Einsatzgruppe (von 21 Uhr bis 6 Uhr früh) verläuft ohne größere Zwischenfälle. Dies gilt nach Auskunft der Polizeiinspektion Mitte auch für die Fußstreifen, die in dieser Nacht unbemerkt in Zivil unterwegs sind. Was sich hinter den geschlossenen, mit Frauennamen beschrifteten Türen der Bordelle abspielt – bei Melisa oder Alexandra im „Sex Inn“ zum Beispiel – bleibt den Augen der Ordnungshüter natürlich verborgen. Maren muss auf jeden Fall mit einer Erkältung rechnen. Die junge Dame in dem ärmellosen Top hockt bei minus drei Grad mit gesenktem Kopf auf den Stufen vor dem „Havana“ und presst die Hände vors Gesicht. „Der geht es nicht so gut“, sagt eine Freundin. „Wir warten auf ein Taxi.“ Neues Steuermodell hat 170 Verlierer Innenminister Schünemann lässt Alternative zur Gewerbesteuer durchrechnen / Freiberufler werden einbezogen VON K LAUS WALLBAUM Hannover. In einem der heißesten Streitthemen zwischen Kommunal- und Landespolitikern hat Innenminister Uwe Schünemann (CDU) jetzt eine Probeberechnung vorgelegt: Wenn man bundesweit die Gewerbesteuer abschaffen und an ihre Stelle ein neues Modell mit verschiedenen Steueränderungen setzen würde, hätte das für Niedersachsen vor allem positive Auswirkungen, erklärt der Minister: „854 Gemeinden würden davon profitieren, 170 hingegen hätten Einbußen.“ Das Statistische Bundesamt hatte die Probeberechnung auf Bitten der Niedersachsen angestellt – dabei wurden die Ist-Einnahmen der Gewerbesteuer 2004 zur Grundlage für die Projektion genommen. Schünemann betont, dass er sich keineswegs bereits für diese Alternative starkmachen wolle. Es gehe lediglich um eine Vergleichsberechnung. Die Gemeindefinanzreformkommission auf Bundesebene hat nach Angaben des Niedersachsen den Vorschlag aufgegriffen und wolle ihn in die Debatte einbeziehen. In Niedersachsen zeigten sich CDU und FDP bislang grundsätzlich aufgeschlossen für eine Steuerrechtsänderung, während die SPD und vor allem der hannoversche Oberbürgermeister Stephan Weil vehement zur Verteidigung der Gewerbesteuer aufrufen und eine breitere Bemessungsgrundlage wollen – indem Freiberufler einbezogen werden. Die Gewerbesteuer richtet sich nach der Ertragskraft der Betriebe, nicht nach ihrem Gewinn. Vor allem deshalb war aus Reihen der FDP heftige Kritik laut geworden, die Koalition auf Bundesebene konnte sich bisher aber nicht auf eine gemeinsame Marschrichtung verständigen. Die Gemeinden können mit einem Hebesatz für die Gewerbesteuer bestimmen, wie stark sie die Unternehmen zur Kasse bitten wollen. Das Alternativmodell hat nun mehre- re Facetten. Zunächst sollen bei den Unternehmen nur noch die Gewinne besteuert werden – und zwar auch bei Freiberuflern, Steuerberatern, Anwälten, Land- und Forstwirten. Eine Entlastung der Großunternehmen soll vermieden werden, indem der Körperschaftsteuersatz angehoben wird. Außerdem sollen die Kommunen das Recht erhalten, ihren Anteil der Einkommensteuer mit einem Hebesatz zu steuern. Damit die Steuerzahler nicht stärker belastet werden, soll zunächst die Einkommensteuer um einen Prozent gesenkt werden. Auch an der Lohnsteuer sollen die Kommunen einen Anteil erhalten. Die Beispielrechnung für Niedersachsen zeigt, dass Steuermehreinnahmen für die Kommunen von 409 Millionen Euro im Jahr zu erzielen wären. 854 der insgesamt 1024 Gemeinden im Lande würden von dem neuen Modell profitieren. Der größte Gewinner wäre Wolfsburg mit einem Plus von mehr als 30 Prozent, ebenso könnten Emden, die Kreise Lüneburg, Ammerland, Goslar, Celle, Cuxhaven, Leer, Osnabrück (Stadt), Schaumburg, Holzminden und Göttingen besonders gut abschneiden. Braunschweig würde um 9,4 Prozent zulegen. Großer Verlierer wäre die Stadt Salzgitter mit Einbußen von mehr als 20 Prozent, außerdem die Kreise Aurich (minus 10), Diepholz (minus 5), die Stadt Wilhelmshaven (minus 4,6), Oldenburg (minus 1,9), Wolfenbüttel (minus 1,5) und Wesermarsch (minus 1). Die Region Hannover würde 1,5 Prozent verlieren. Da sie die mit Abstand größte kommunale Einheit im Lande ist, wäre dieser Betrag in absoluten Zahlen allerdings enorm. Eine Größenordnung dafür hat das Statische Bundesamt jedoch nicht angegeben. Im Innenministerium heißt es allerdings, das neue Reformmodell sei „aufkommensneutral“: Das heißt, das neue Modell gewichte zwischen den Kommunen anders, erhöhe aber nicht die Steuerbelastung für die Bürger. 21 Vorwürfe gegen Landesklinik Patienten und Personal klagen über Willkür VON M A RINA K ORM BAK I Hannover. Die Klagen von Patienten und Klinikpersonal über angebliche Missstände im Maßregelvollzug des Landeskrankenhauses Brauel (Landkreis Rotenburg) reißen nicht ab. Demnach herrsche in der psychiatrischen Einrichtung ein Klima des Misstrauens und der Angst – nicht nur zwischen Patienten und Klinikpersonal, sondern auch zwischen den in Brauel beschäftigten ärztlichen Mitarbeitern und den Pflegekräften. Gegenüber dieser Zeitung sprechen Mitarbeiter von einer „repressiven“ Klinikleitung, Patienten und ihre Angehörigen klagen über eine willkürliche Auslegung von Vorschriften. Beispielsweise sei Patienten ohne Angabe von Gründen der Kontakt zu ihren Familien bis zu acht Monate lang verboten worden. Zudem würden häufig „Kollektivbestrafungen“ vorgenommen. Die Klinikleitung wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Wegen des angespannten Verhältnisses zwischen Patienten und Personal ordnete das zuständige Sozialministerium bereits vor einem Jahr Mediations- und Supervisionsgespräche an. Zu deren Verlauf wollte Ministeriumssprecher Thomas Spieker keine Angaben machen. „Als Aufsichtsbehörde ist uns in erster Linie an der Personalsituation, dem therapeutischen Angebot und der Sicherheit der Einrichtung gelegen – hier können wir keine Mängel feststellen“, sagte Spieker. Ende vergangener Woche haben Mitarbeiter des Sozialministeriums die Sicherheitsvorkehrungen in der Klinik überprüft. Anlass dazu war die Flucht von drei Männern zu Jahresbeginn; die Patienten konnten schnell von der Polizei aufgegriffen werden. Bei der sogenannten bauplanerischen Konferenz am vergangenen Donnerstag sei man mit der Klinikleitung übereingekommen, schon bald in das Sicherheitskonzept des Krankenhauses zu investieren. So soll noch in diesem Jahr mit dem Neubau eines Pförtner- und Abfertigungsgebäudes begonnen werden. „Das Pförtnerhaus befindet sich zurzeit noch hinter der Zaunabsperrung – es soll zwischen die äußeren Zäune verlegt werden, um ein- und ausgehende Personen besser im Blick zu haben“, sagte Spieker. Die Kosten für den Neubau sollen rund 560 000 Euro betragen. Vermisster Paddler ist tot Bad Pyrmont (lni/doe). Die Leiche eines seit dem 9. Januar vermissten Paddlers ist am Sonntag in der Emmer in Bad Pyrmont entdeckt worden. Ein Spaziergänger fand nach Angaben der Polizei den Toten in der Nähe des Tierparks. Taucher bargen die Leiche. Der Kanufahrer war bei einem Bootsunfall zwischen Lüdge und Bad Pyrmont in die Hochwasser führende Emmer gestürzt und seither vermisst worden. Zuvor war das Kanu mit dem 27-Jährigen sowie zwei weiteren Insassen auf dem Nebenfluss der Weser in eine heftige Strömung geraten. Ein 17-Jähriger und ein zwölfjähriger Junge, der eine Schwimmweste trug, konnten sich ans Ufer retten. Der 27-jährige aus Bad Pyrmont trieb mit dem Boot in Richtung Kurort ab. Ein Zeuge war noch ins Wasser gesprungen, um zu helfen. Der 45-Jährige konnte jedoch nichts mehr ausrichten. Der Helfer, das Kind und der Jugendliche mussten im Krankenhaus wegen starker Unterkühlung behandelt werden. Versehentliche Schussfahrt endet im Tiefschnee Ein Pistenbulli musste das verirrte Auto aus dem Schnee ziehen. Polizei Hahnenklee (lni/doe). Da konnten sich selbst die eingesetzten Beamten ein Lächeln nicht verkneifen, nachdem sie am Sonnabendabend zu einem Einsatz auf die Skipiste gerufen worden waren: Eine 21 Jahre alte Autofahrerin aus Goslar war beim Wenden an der Bergstation der Seilbahn am Bocksberg in Hahnenklee von der Straße abgekommen. Die junge Frau hatte dort ihren Freund von der Arbeit abgeholt. Statt aber auf die Forststraße in Richtung Auerhahn einzuschwenken, fuhr sie auf die Skipiste. „Von da an ging es blitzschnell“, sagte ein Polizeisprecher in Goslar am Sonntag. „In rasanter Schussfahrt raste das Fahrzeug abwärts.“ Erst 250 Meter tiefer sei der Wagen mit der erschrockenen Frau und deren Freund im tiefen Schnee bis zum Bodenblech versunken. Da eine Bergung mit einem „herkömmlichen“ Abschleppunternehmen schlecht möglich erschien, musste das Auto von dem mit dem Walzen der Pisten beschäftigten Pistenbulli auf die Straße gezogen werden.