Positionspapier - Oekom Research
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Positionspapier - Oekom Research
oekom Position Paper Juni 2014 Steueroasen Auf einen Blick Durch die Nutzung von Steueroasen entgehen allein den Ländern der Europäischen Union jährlich bis zu einer Billion Euro an Steuereinnahmen. Damit fehlen den Staaten Mittel für hoheitliche Aufgaben wie die Bildung, das Gesundheitswesen und die Verkehrsinfrastruktur. Noch stärker betroffen sind die (rohstoffreichen) Entwicklungs- und Schwellenländer, in denen durch die Verschiebung von Gewinnen in Steueroasen durch Unternehmen dringend benötigte Steuereinnahmen fehlen. Neben dem Verlust von Steuereinnahmen sind die Gefährdung der Stabilität des internationalen Finanzsystems sowie die Unterstützung krimineller und terroristischer Aktivitäten negative Auswirkungen der Existenz und Nutzung von Steueroasen. Die Finanzindustrie hat eine zentrale Rolle bei der Nutzung der steuerlichen Vorteile von Steueroasen. Zum einen stellt sie den Kunden die Infrastruktur zum Transfer von Kapital in Steueroasen zur Verfügung, zum anderen ist sie dort mit eigenen Niederlassungen vertreten und wickelt beispielsweise in großem Umfang die Emission von Anleihen über entsprechende Standorte ab. Vor dem Hintergrund der negativen Auswirkungen der Nutzung von Steueroasen wird über Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerflucht diskutiert. Auf Branchenebene sind hier insbe sondere Aktivitäten im Rohstoffsektor wegweisend, etwa die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). Auf politischer Ebene wird unter anderem über den Automatischen Infor mationsaustausch und das Country-by-Country-Reporting diskutiert. Aufgrund der negativen finanziellen und sozialen Auswirkungen von Steueroasen bewertet oekom research die Nutzung der Möglichkeiten zur Steuervermeidung kritisch und unterstützt die Verbesserung der Transparenz zu Unternehmensgewinnen und Steuerzahlungen im Rahmen eines Country-by-CountryReportings. Von Banken und anderen Finanzdienstleistern erwartet oekom research eine klare und verantwortungsvolle Strategie, die auf einen Rückzug aus den Steueroasen abzielt. Einleitung Mehr als 80 Journalisten von 38 Zeitungen, Hörfunk- und Fern sehstationen aus 46 Ländern waren erforderlich, um die riesigen Datenmengen zu sichten, die im April 2013 im Rahmen des „Offshore-Leaks“ an die Öffentlichkeit gekommen sind. Die Dokumente zur Gründung und Verwaltung von Trusts an Offshore-Finanzplätzen enthielten Daten zu etwa 130.000 Personen aus zahlreichen Ländern und belegten auch die Beteiligung vieler Großbanken an diesem Geschäft. Nach einer auf Daten des Internationalen Währungsfonds ( IWF ) basierenden Studie vom Tax Justice Network aus dem Jahr 2012 verstecken Superreiche weltweit mindestens 21 Billionen Euro Finanzvermögen in Steueroasen. Die EU nimmt an, dass aufgrund der Nutzung von Steueroasen durch Privatpersonen und Unterneh men in der EU jährlich zwischen 836 Milliarden und einer Billion Euro an Steuern verloren gehen. Neben den „klassischen“ Steueroasen wie den Kanalinseln, den Cayman Islands oder den Bahamas bieten seit vielen Jahren auch Industrieländer wie etwa die Niederlande oder Irland bestimmte Steuervorteile für internationale Un- ternehmen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht davon aus, dass ein großer Teil des Welthandels innerhalb der Konzerne stattfindet, d. h. zwischen Unternehmen, die zum gleichen Konzern gehören. Ziel ist hier, Gewinne mit Hilfe interner Verrechnungspreise in Steueroasen zu verschieben und so die Steuerlast zu reduzieren. Auch in Folge der geschilderten Enthüllungen ist die öffentliche Aufmerksamkeit für die Rolle von Offshore-Finanzzentren und Steueroasen in der jüngeren Vergangenheit noch einmal deutlich angestiegen. Dabei werden verschiedene Instrumente diskutiert, um die Steuerflucht zu bekämpfen, u. a. der Automatische Informationsaustauch (AIA) und das Country-by-Country-Reporting. Das vorliegende oekom Position Paper geht umfassend auf die aktuellen Entwicklungen ein und stellt dar, wie oekom research die relevanten Aktivitäten der Unternehmen im oekom Corporate Rating bewertet. Zu Beginn geht es um die Frage, was eigentlich Steueroasen sind und welche negativen Auswirkungen die Nutzung von Steueroasen hat. Merkmale von Steueroasen Die Bezeichnungen sind unterschiedlich – Steueroase, OffshoreFinanzplatz oder Schattenfinanzzentrum – das Grundprinzip ist das gleiche: Es handelt sich jeweils um Staaten oder Gebiete, die es Personen und Unternehmen aufgrund niedriger Steuern und rigi den Einhaltens des Bankgeheimnisses ermöglichen, ihre Steuerschuld in dem Land zu verringern, in dem sie eigentlich voll steuerpflichtig sind. Die US-Bundesstaaten New Jersey und Delaware gelten als Vor läufer der Steueroasen. Sie lockten bereits im 19. Jahrhundert Unternehmen mit Steuervergünstigungen an. Delaware gehört nach Angaben der französischen Nichtregierungsorganisation (NGO) ccfd-terre solidaire gemessen an der Zahl der Niederlassungen europäischer Großunternehmen noch immer zu den beliebtesten Steueroasen. 791 europäische Unternehmen hatten hier im Jahr 2013 Niederlassungen, eine höhere Zahl erreichten nur die Niederlande (943). Auf Rang drei kam Irland mit 444 Niederlassungen. In den 1920er Jahren entschieden britische Richter, dass ein in Großbritannien registriertes Unternehmen von Steuern befreit ist, wenn der Vorstand seine Sitzungen regelmäßig im Ausland ab hält und die Geschäftstätigkeit ebenfalls vollständig im Ausland erbracht wird. Durch diese Regelung entstand die räumliche Trennung von Firmen- und Steuersitz, ein Konzept, das auch heute noch die Grundlage der meisten Steueroasen bildet. Lange Zeit hat man sich bei der Identifizierung von Steueroasen an Leitplanken der OECD orientiert. Laut OECD sind Steueroasen unter anderem gekennzeichnet durch • niedrige oder keine Steuern, • ein geringes Maß an Finanzmarktregulierung, • ein gut funktionierendes Bankgeheimnis, • einen relativ hohen Bildungsstandard der Bevölkerung, • wenig Korruption sowie • Rechtssicherheit und politische Stabilität. Die OECD hat im Jahr 2000 eine Liste mit über 30 Staaten erstellt, die sie als Steueroasen identifiziert hatte, da sie sich nicht an von der OECD festgelegte Transparenz-Standards hielten. Inzwischen enthält diese „schwarze Liste“ der OECD keinen einzigen Staat mehr. In den vergangenen Jahren haben diese Staaten und Gebiete eine große Anzahl an Abkommen zum Informationsaustausch von Steueraspekten (Tax Information Exchange Agreements, TIEA) nach dem Standard der OECD abgeschlossen. Damit qualifizierten sich die meisten für die „weiße Liste“ der OECD und vermarkten das als kooperatives, respektables und transparentes Verhalten. Finanzplätze qualifizieren sich für die weiße Liste, wenn sie TIEAs mit mindestens zwölf anderen Staaten oder autonomen Gebieten abgeschlossen haben. Da es dabei keine Rolle spielt, um welche Staaten oder Gebiete es sich handelt, ist ein Platz auf der „weißen Liste“ relativ einfach zu erreichen, ohne dass mit den wirklich relevanten Staaten oder Gebieten entsprechende Abkommen abgeschlossen werden müssen. Das Tax Justice Network bezeichnet entsprechende Staaten und Gebiete als „Schattenfinanzzentren“ und hat mit dem Schatten finanzindex (Financial Secrecy Index, FSI) ein komplexes und vergleichsweise strenges Instrument geschaffen, um Länder als Schattenfinanzzentren zu identifizieren. Der FSI nutzt dabei eine Kombination aus qualitativen und quantitativen Daten, um den Anteil eines Gebietes oder Landes am globalen Problem der Schattenfinanzwirtschaft darzustellen. Der Index setzt sich aus zwei Elementen zusammen: dem sog. Geheimhaltungswert und dem Anteil des Gebietes oder Landes am globalen Markt für grenzüber schreitende Finanzdienstleistungen. Dabei spielen zahlreiche Indikatoren eine Rolle, darunter Transparenz von wirtschaftlichem Eigentum (z. B. Existenz eines Bankgeheimnisses), Schlüssel aspekte von Unternehmenstransparenz (z. B. gesetzliche Offen legungspflichten), Effizienz der Steuer- und Finanzregulierung (z. B. Informationsaustausch zwischen nationalen und internationalen Finanzinstituten) und internationale Standards und Kooperationen (u. a. Einhalten von Empfehlungen zur Bekämpfung von Geld wäsche). Im FSI 2013 belegen die Schweiz, Luxemburg, Hongkong, die Cayman Islands und Singapur die ersten fünf Plätze, die USA landen auf Platz sechs, Deutschland auf Platz acht. Übersicht über die Staaten / Regionen, die die vorderen Plätze im FSI belegen; Stand: 2013; Quelle: Tax Justice Network (2013) Die größten Steueroasen weltweit Eine allgemeingültige Liste über Steueroasen gibt es derzeit aufgrund der unterschiedlichen Standards und Definitionen, die dem Begriff Steueroase zugrunde gelegt werden, nicht. Während der FSI 2013 insgesamt 82 Schattenfinanzplätze auflistete, verweist oekom Position Paper Steueroasen das Government Accountability Office der Vereinigten Staaten auf 50 und das Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes der OECD auf nur 14 Steueroasen. Seite 2 Finanzielle und soziale Folgen der Steueroasen Die Nutzung von Steueroasen durch Privatpersonen und Unternehmen hat verschiedene negative finanzielle und soziale Auswirkungen, die grundsätzlich in drei Kategorien eingeteilt werden können: Verlust von Steuereinnahmen Steuern stellen die Haupteinnahmequelle eines Staates dar und bilden damit die Basis für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben etwa in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, innere Sicherheit sowie Sozialleistungen. Von vielen dieser Leistungen profitieren auch die Unternehmen, die in den jeweiligen Staaten ihr Geschäft betreiben. Die Unternehmenssteuern, insbesondere Einkommenssteuer und Grundsteuer, spielen dabei eine wichtige Rolle. Im Jahr 2012 zahlten Unternehmen beispielsweise in Deutschland nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) insgesamt 112 Milliarden Euro Steuern, bis 2017 wird dieser Betrag nach Berechnungen des BDI auf 134 Milliarden Euro steigen. Steuerausfälle durch die Nutzung von Steueroasen durch Unternehmen müssen durch andere Steuerquellen ausgeglichen werden. Dies kann zu einer Verschiebung der Steuerlast auf Privatpersonen sowie kleine und mittelständische Unternehmen bzw. einer stärkere Besteuerung von Arbeitseinkommen und Konsum führen. Besonders betroffen von Steuerausfällen beispielsweise durch die Verschiebung von Gewinnen in Steueroasen (vgl. Abschnitt Strategien der Steuervermeidung) sind die Schwellen- und Entwicklungsländer und hier vor allem rohstoffreiche Länder. Derzeit sind nach Expertenschätzungen fast 60 Entwicklungs- und Schwellenländer von den Einnahmen aus dem Erdöl-, Erdgas- und Bergbausektor abhängig. Laut einer aktuellen Studie der NGO European Network on Debt and Development (Eurodad) entgehen den Entwicklungsländern jährlich zwischen 660 und 870 Milliarden Euro an Steuereinnahmen, insbesondere durch die Steuerpraktiken multinationaler Unternehmen. Nach Aussagen der NGO Attac ist die internationale Steuerflucht mittlerweile ein wesentlicher Faktor für die Zunahme von Armut und Hunger. Die Länder der zentralafrikanischen Region beispielsweise gehören zu den rohstoffreichsten Ländern des Kontinents, rangieren aber gleichzeitig größtenteils am Ende der Länderliste des Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nationen und im unteren Viertel des Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International. Begünstigung krimineller und terroristischer Aktivitäten Die von den Steueroasen gewollte Intransparenz über Kontoinhaber und Finanzbewegungen begünstigt kriminelle und terroristische Aktivitäten. So können Gelder, die aus kriminellen Aktivitäten wie dem Drogen- und Menschenhandel, dem illegalen Waffenhandel oder aus Korruption stammen, mittels Geldwäsche in Steueroasen in den legalen Kapitalverkehr zurückgeführt werden. Gefährdung der Stabilität des internationalen Finanzsystems Von Steueroasen gehen unterschiedliche Gefahren für die Stabi lität des Finanz- und damit des Wirtschaftssystems aus. So erlaubt es beispielsweise die fehlende Regulierung und Transparenz an diesen Finanzplätzen, besonders risikoreiche und spekulative Finanzgeschäfte zu konzipieren und umzusetzen. Nach Einschätzung von Experten konnten beispielsweise in den Steueroasen „toxische“ Kredite in komplexe Finanzprodukte verpackt und dann weiterverkauft werden. Diese Pakete werden als eine Ursache für die Finanzkrise angesehen, deren Auswirkungen die Finanzwirtschaft noch immer spürt. Ein anderes Problem ist die Möglichkeit von Bankinstituten, Risikopositionen in ihren Bilanzen zu verbergen, indem sie Verbindlichkeiten in Zweckgesellschaften mit Sitz in Steueroasen auslagern. Dadurch entziehen sie sich der Verpflichtung, Risikopositionen mit Eigenkapital zu unterlegen. Strategien der Steuervermeidung Grundsätzlich muss zwischen legaler Steuervermeidung und ille galer Steuerhinterziehung unterschieden werden. Eine Steuer hinterziehung liegt regelmäßig dann vor, wenn den zuständigen Steuerbehörden zu steuerlich relevanten Tatsachen, beispielsweise Umsatz oder Gewinn, falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder diese über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden. Folge ist, dass der Steuerpflichtige weniger Steuern entrichtet als er müsste. Bei der Steuervermeidung (auch Steueroptimierung) geht es den Unternehmen darum, die eigene Steuerschuld unter Nutzung legaler Möglichkeiten und Verfahren zu verringern. Die Steuervermeidung ist grundsätzlich bei allen Steuerarten möglich, im Vordergrund stehen jedoch meist Ertragsteuern. Die Steuerlast ergibt sich als Produkt aus Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz. Folglich ist im Rahmen von Steuervermeidungsstrategien das Ziel, die Bemessungsgrundlage zu minimieren und/oder den auf diese anzuwendenden Steuersatz. Letzteres geschieht insbesondere im Rahmen der Standortwahl durch Nutzung von Steueroasen. Laut Schätzungen der Europäischen Kommission entgehen den EU-Staaten durch Steuerhinterziehung und -vermeidung wie erwähnt jährlich bis zu einer Billion Euro Einnahmen. Die Steuervermeidung über Verrechnungspreise (Transfer Pricing) ist dabei bei den Unternehmen eine der beliebtesten Steuervermeidungsmethoden. Hierbei „verkauft“ beispielsweise die Nie- oekom Position Paper Steueroasen derlassung eines Konzerns in einem Staat mit hohen Steuern ihre Produkte an eine andere Niederlassung in einem Staat oder Gebiet mit niedrigen Steuern – zu einem Preis, der unter dem wahren Wert liegt. Dann fallen in der Hochsteuerland-Niederlassung geringere Gewinne an und dementsprechend auch geringere Steuern. Entwickelte Länder können diese Anpassungen nach oben oder unten noch am ehesten begrenzen, da sie die Preise für solche Transaktionen innerhalb von Konzernen genau untersuchen, aber diese Taktik bleibt beispielsweise in Afrika ein akutes Problem, wo die Steuerbehörden das nicht können. Rohstoffkonzerne beispielsweise verschieben Gewinne von Tochtergesellschaften in Staaten wie Sambia an eine Holding im Ausland. Der Einkauf von Materialien und Maschinen wird dabei viel zu teuer verrechnet, während der Verkauf der geförderten Rohstoffe an die Holding zu einem zu tiefen Preis erfolgt. Am Ort der Förderung fallen so kaum Gewinne oder sogar Verluste an, und die Besteuerung entfällt. Gleichzeit verbucht die Holding hohe Gewinne, die aber vergleichsweise gering besteuert werden, wenn die Holding ihren Sitz in einer Steueroase hat. Zusammen mit anderen Steuertricks sorgt das Transfer Pricing so dafür, dass in den rohstoffreichen Entwicklungsländern ein großer Teil der dringend benötigten Staatseinnahmen ausbleibt. Während beispielsweise in Norwegen siebzig Prozent der Gewinne aus dem Rohstoffexport in die Staatskasse fließen, bleiben in Sambia nur fünf Prozent im Land. Seite 3 Die Rolle der Finanzwirtschaft Banken und andere Finanzdienstleister haben eine zentrale Rolle bei der Nutzung der steuerlichen Vorteile von Steueroasen, wobei man zwei Aspekte unterscheiden kann: Zum einen sind Banken und Finanzdienstleister mit eigenen Niederlassungen in diesen Ländern vertreten, wie folgende Zahlen illustrieren: • Die fünf größten deutschen Banken unterhalten rund 1.700 Tochtergesellschaften in Steueroasen. • Die sechs größten Schweizer Banken haben über 40 Prozent ihrer Tochtergesellschaften in Steueroasen registriert. • Mehr als 11.000 Hedgefonds mit einem verwalteten Vermögen von über zwei Billionen US-Dollar sind in der Steueroase Cayman Islands ansässig. • Über Steueroasen werden mehr als 80 Prozent aller inter nationalen Bankgeschäfte und Anleiheemissionen gesteuert. Zum anderen unterstützen Banken vermögende Privatkunden und Unternehmen mit Beratungsleistungen und speziellen Produkten bei der Ausnutzung der Steuervorteile von Steueroasen und sind damit in einer Grauzone tätig. Im Mai 2014 hat sich beispielsweise das Schweizer Bankhaus Credit Suisse vor der US-Justiz schuldig bekannt, US-Bürgern dabei geholfen zu haben, Steuern zu umgehen. Es wurde dafür von den US-Behörden zu einer Strafe von rund 1,9 Milliarden Euro verurteilt. Insgesamt ermittelt das US-Justiz ministerium wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bereits seit mehreren Jahren gegen 14 Schweizer Großbanken. Die Banken stehen damit bei der Bekämpfung der negativen Folgen der Steuervermeidung durch die Nutzung von Steueroasen in einer besonderen Verantwortung (vgl. hierzu Abschnitt oekom Standpunkt). Initiativen und Maßnahmen zur Vermeidung von Steuerflucht In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Schritte diskutiert bzw. bereits unternommen, um die geschilderten negativen Folgen der Nutzung von Steueroasen zu reduzieren. Dabei kann grundsätzlich zwischen branchenbezogenen Initiativen und branchenübergreifenden Instrumenten unterschieden werden. Auf Branchenebene stand wegen der geschilderten großen wirtschaftlichen Bedeutung der Rohstoffsektor im Fokus der Bemühungen um mehr Transparenz. Hier sind insbesondere folgende Initiativen hervorzuheben: Die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) wurde auf Initiative des Weltwirtschaftsgipfels 2003 ins Leben gerufen. Zweck dieser Initiative ist es, die Korruption in Entwicklungsländern zu bekämpfen und die „Good Governance“ zu stärken, indem man Zahlungsströme, die aus rohstofffördernden Unternehmen als Abgaben an den Staat gehen, und deren Verwendung transparent macht. Ziel ist, mittels Transparenz Korruption zu bekämpfen und zu verhindern, dass diese Gelder an öffentlichen Haushalten vorbeigeleitet, unterschlagen oder für Zwecke verwendet werden, für die aus gesamtwirtschaftlicher Sicht keine oder nur geringe Priorität besteht. Derzeit umfasst die Initiative 37 Staaten und 70 der wichtigsten in der Rohstoffindustrie tätigen Unternehmen. Die Staaten verpflichten sich, Zahlungseingänge von Rohstoffunternehmen in die Staatskasse offenzulegen und die dort operierenden Unternehmen zu verpflichten, diese Zahlungen ebenfalls offenzulegen. So können Diskrepanzen und mögliche Veruntreuungen aufgedeckt werden. Ein Gremium von Staaten, Unternehmen und NGOs legt auf internationaler Ebene fest, in welcher Form und in welchem Detailgrad Informationen und Daten offengelegt werden sollen. Die eigentlich korruptionsrelevanten Daten ermöglichen auch Aussagen über die Steuerehrlichkeit bzw. -flucht von Unternehmen. Allerdings sind beispielsweise besonders korruptions anfällige Länder oftmals keine EITI-Mitglieder. Abgesehen vom Ausschluss eines Landes aus der Initiative stehen der EITI auch keine Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Ebenfalls auf den Rohstoffsektor zielt die Initiative Publish What You Pay (PWYP), ein globales Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich gemeinsamen für einen transparenten und verantwortungsvollen Rohstoffsektor aussprechen. Sie wollen erreichen, dass Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung sowie aus dem Bergbau in rohstoffreichen Ländern das Leben der dortigen Bevölkerung verbessern. Zur Erreichung dieses Ziels hat sich die Initiative unter anderem bei EITI engagiert. Eine dritte rohstoffbezogene Initiative ist das Natural Resource Governance Institute (NRGI), ein gemeinnütziges Institut, das die effektive, transparente und verantwortungsvolle Verwaltung von oekom Position Paper Steueroasen Bodenschätzen wie Öl und Gas unterstützt. Mittels Kapazitätsaufbau, technischer Unterstützung, Forschung und Beratung hilft das Institut Staaten, Nutzen aus ihrem reichen Rohstoffvorkommen zu ziehen, Gewinne zu realisieren und somit gleichzeitig Korruption zu verringern. Auf einer übergeordneten Ebene werden vor allem die folgenden Instrumente als geeignet angesehen, die negativen Folgen der Existenz und Nutzung von Steueroasen zu vermindern: Automatischer Informationsaustausch (AIA) und Beneficial Ownership Als zentral wird die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit von Steuerbehörden angesehen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei der Automatische Informationsaustausch (AIA) zwischen den Ländern. Bisher gilt in den meisten Fällen, dass Informationen zu Steuersubjekten nur auf Anfrage an andere Staaten weiterge geben werden. Im April 2013 haben die Finanzminister der sechs größten Staaten der Europäischen Union ihre Bereitschaft signa lisiert, den AIA über Kapitaleinkünfte durchzusetzen. Auch die OECD hat eine Initiative zur Einführung des AIA gestartet. Die Standards, auf denen die Erklärung der OECD basiert, gehen dabei im Wesentlichen auf das US-Gesetz Foreign Account Compliance Act (FATCA) zurück, mit dem die Vereinigten Staaten Finanzinstitute auf der ganzen Welt dazu bringen wollen, ihnen die persönlichen Daten und Erträge von Kunden, die in den USA steuerpflichtig sind, zu übermitteln. Mit einer Realisierung des Vorhabens wird frühestens 2016 gerechnet. Eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des AIA ist die Bereitstellung von Informationen zum so genannten „True Beneficial Ownership“. In diesem Kontext sollen alle juristischen Körperschaften, – Kapitalgesellschaften, Trusts und Stiftungen – bei der Registrierung in Unternehmensregistern auch in Steueroasen dazu verpflichtet werden, Informationen über die natürlichen Personen zu erheben und bereitzustellen, die Eigentümer der Körperschaft sind. Country-by-Country-Reporting Im Hinblick auf den Umgang mit dem Problem des Transfer Pricing wird das Country-by-Country Reporting als Lösung favorisiert. Dafür muss ein Unternehmen in seinem Unternehmensbericht Eckdaten für alle Staaten ausweisen, in denen es selbst oder über Tochter firmen tätig ist oder in die es Waren verkauft. Diese Eckdaten be inhalten mindestens die Vermögenswerte, die Lohnsumme, die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze und die Umsätze in dem jeweiligen Staat. Um das E-Commerce zu berücksichtigen, werden die Umsätze immer dem Standort des Käufers zugeordnet. Für einige Seite 4 Branchen werden Sonderregeln vorgesehen. So werden Transportmittel wie Schiffe oder LKW anteilmäßig den Standorten zugerechnet, zwischen denen sie verkehren. Unitary Taxation Das Country-by-Country Reporting ist zentrale Voraussetzung für die Unitary Taxation (UT) bzw. die Gesamtkonzernbesteuerung, die als Alternative zum heute international üblichen Verfahren zur Besteuerung von multinationalen Unternehmen angesehen wird. In der EU-Kommission wird UT als „Gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage (GKKB)“ bezeichnet. Die USA und Kanada benutzen das Verfahren der UT schon seit Längerem, um intern die Steuererhebung zwischen den Bundesstaaten abzustimmen. Auch NGOs wie das Tax Justice Network, Attac und WEED sehen in der UT eine Möglichkeit, die massive Steuervermeidung von multinationalen Konzernen zu verhindern und Entwicklungsländern überhaupt erst eine Erhebung von relevanten Unternehmenssteuern zu ermöglichen. Die UT bei der Besteuerung multinationaler Konzerne erfolgt in drei Schritten. Zunächst wird ein Konzern als eine Einheit betrachtet, für die auf Basis von getrennt ausgewiesenen Aktivitäten all seiner Tochtergesellschaften ein Gesamtgewinn ermittelt wird (Countryby-Country-Reporting). Im zweiten Schritt wird mit Hilfe einer Formel der Gewinn des Konzerns nach diesen realen Aktivitäten den einzelnen Ländern zugeordnet. Im dritten Schritt wird dann der auf diese Weise dem jeweiligen Land zugeordnete Gewinn mit dem nationalen Steuersatz belastet. Die UT soll die Gewinne dort ausweisen, wo die realen Aktivitäten der multinationalen Unternehmen stattfinden, also wo produziert, geforscht und verkauft wird. Auf diese Weise ist es beispielsweise unerheblich, in welchem Land die Gewinne des Konzerns ausgewiesen werden, welche internen Verrechnungspreise der Konzern benutzt und wie viele Zinsen oder Lizenzgebühren von einem Land in das andere überwiesen werden. Insbesondere der Ausweis von Gewinnen in Steueroasen, in denen die Unternehmen sonst nicht wirtschaftlich tätig sind, hätte keine Vorteile mehr. oekom Standpunkt Aufgrund der geschilderten negativen finanziellen und sozialen Folgen der Nutzung von Steueroasen steht oekom research der Nutzung dieser Steuervermeidungsmöglichkeiten durch die im Rahmen des oekom Corporate Ratings bewerteten Unternehmen kritisch gegenüber und unterstützt insbesondere die Verbesserung der Transparenz zu Unternehmensgewinnen und Steuerzahlungen. Eine besondere Verantwortung sieht oekom research bei den Finanzinstituten, die durch ihre Infrastruktur in den Steueroasen und ihre entsprechenden Dienstleistungen häufig die Steuervermeidung erst ermöglichen. Für das oekom Corporate Rating gelten daher im Hinblick auf die Steuervermeidung bzw. die Nutzung von Steueroasen folgende Regelungen: Berücksichtigung im oekom Corporate Rating Im oekom Corporate Rating steht insbesondere das Thema der transparenten Berichterstattung im Vordergrund. Bei der Bewertung der Unternehmen orientiert sich oekom research am Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der Global Reporting Initiative (GRI). Er gibt vor, dass Unternehmen Zahlungen an öffentliche Stellen in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgeschlüsselt nach Ländern angeben, sofern sie in mehr als einem Land tätig sind. Die konsequente Umsetzung eines entsprechenden Countryby-Country-Reportings führt bei oekom research zu einer besonders guten Bewertung. Die Beteiligung an branchenbezogenen Initiativen wie etwa der EITI wird als positiver Ansatz bewertet. oekom research erwartet von den Unternehmen zudem, dass sie sich beispielsweise in ihren Code of Conduct zur Frage der Steuervermeidung durch Verrechnungspreise (Transfer Pricing) äußern und entsprechende Praktiken ausschließen. Wegen der besonderen Rolle der Banken und Finanzdienstleister bei der Steuervermeidung über Steueroasen legt oekom research an diese im Corporate Rating besondere Kriterien an. Bewertet wird hier unter anderem, welche Strategie diese im Hinblick auf die Nutzung von Steueroasen verfolgen und inwiefern sie den geschilderten Transparenzanforderungen genügen. Die bestmögliche Bewertung können nur Banken erreichen, die sich ganz aus Steueroasen zurückziehen. Berücksichtigung als Ausschlusskriterium Steuerbezogene Kontroversen und Verstöße werden von oekom research bei den Ausschlusskriterien für alle Branchen im Bereich „Kontroverse Wirtschaftspraktiken“ erfasst. Bei Unternehmen aus der Finanzbranche geht es in der Regel um die Unterstützung von Kunden bei der Steuerflucht und Steuerhinterziehung sowie um das Angebot von Dienstleistungen, die wie beispielsweise das Dividendenstripping auf die aggressive Ausnutzung von Grauzonen in der Steuergesetzgebung ausgelegt sind. Berücksichtigung im oekom Country Rating In das oekom Country Rating fließt die Bewertung eines Landes im FSI des Tax Justice Networks ein. Ein hoher Wert im Index führt zu einer schlechteren Bewertung im Bereich „Korruption und Geld wäsche“. Hintergrund ist, dass Länder mit höherem Geheimhaltungswert über weniger effektive Mechanismen zur Bekämpfung von Geldwäsche verfügen und damit illegale Geldflüsse begünstigen. Quellen Studien und Positionspapiere ActionAid (2011) Tax Responsibility ccfd-terre solidaire (2013) Aux paradis des impôts perdus: Enquete sur l’opacité fiscal des 50 premières entreprises européennes Christian Aid (2013) Hunger: the hidden cost of tax injustice oekom Position Paper Steueroasen Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (2013) Post 2015: Die internationale Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -vermeidung; Analysen und Stellungnahmen 7/2013 Erklärung von Bern (2012) Steuern und Entwicklung Erklärung von Bern (2013) Fragen und Antworten zur Zahlungstransparenz im Rohstoffsektor und der Rolle der Schweiz Seite 5 Eurodad (2013) Giving with one hand and taking with the other: Europe’s role in tax-related capital flight from developing countries 2013 Netzwerk Steuergerechtigkeit (2009) Der Schattenfinanzindex und die Schwarze Liste der OECD Europäische Kommission (2013) Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Beitrag der Kommission zur Tagung des Europäischen Rates am 22. Mai 2013 Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland (2011) Informationsbrief des Netzwerks Steuergerechtigkeit Deutschland Facing Finance (2013) Dirty Profits 2 Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes (2013) Tax Transparency 2013 – Report on Progress Global Reporting Initiative (2006) Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung Merten, Hans-Lothar (2014) Steueroasen, Ausgabe 2014 – Wandel in der Offshore-Welt OECD (2012) Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes – Information Brief SOMO (2013) Private Gain – Public Loss. Mailbox companies, tax avoidance and human rights Tax Justice Network (2013) Financial Secrecy Index 2013: Methodology Transparency International Deutschland e.V. (2013) Scheinwerfer, Themenschwerpunkt: Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor Links Agitano – Wirtschaftsforum Mittelstand www.agitano.com/steuerflucht-aus-entwicklungslaendernbetraegt-das-10-fache-der-entwicklungshilfe/21825 Süddeutsche Zeitung www.sueddeutsche.de/geld/initiative-gegensteuerhinterziehung-ende-der-grauzone-1.1953922 Business & Human Rights: Tax Avoidance www.business-humanrights.org/Documents/Taxavoidance Tackle Tax Havens www.tackletaxhavens.com Die Zeit www.zeit.de/2013/16/steueroasen-offshorefinanzzentrenreformvorschlag www.zeit.de/wirtschaft/2012-11/steuertrickstechnologiekonzerne Tagesschau www.tagesschau.de/wirtschaft/steueroasen112.html Extractive Industries Transparency Initiative www.eiti.org Natural Resource Governance Institute www.resourcegovernance.org Österreichischer Gewerkschaftsbund www.oegb.at/cs/Satellite?c=Content&cid=1342540325564&n= S06_5.a&pagename=S06/index Tax Justice Network www.taxjustice.net The New York Times www.nytimes.com/interactive/2012/04/28/business/Double-Irish-WithA-Dutch-Sandwich.html?_r=1& Wallstreet Online www.wallstreet-online.de/nachricht/6321713-bdi-studieunternehmenssteuern-deutschland oekom research AG Die oekom research AG zählt zu den weltweit führenden RatingAgenturen im Bereich des nachhaltigen Investments. Die Agentur analysiert Unternehmen und Länder hinsichtlich ihrer ökologischen und sozialen Performance. Als erfahrener Partner von institutionellen Investoren und Finanzdienstleistern identifiziert oekom research diejenigen Emittenten von Aktien und Rentenpapieren, die sich durch ein verantwortungsvolles Wirtschaften gegenüber Gesellschaft und Umwelt auszeichnen. Mehr als 100 Asset Manager und Asset Owner aus zehn Staaten beziehen das Research der Rating-Agentur regelmäßig in ihre Anlageentscheidungen ein. Die Analysen von oekom research beeinflussen dadurch aktuell rund 600 Milliarden Euro Assets under Management. Mehr Informationen unter www.oekom-research.com Disclaimer 1. Die oekom research AG analysiert und bewertet die ökologische und soziale Performance von Unternehmen und Ländern auf der Basis eines wissenschaftlich fundierten Rating-Konzepts. Dabei orientieren wir uns an den höchsten Qualitätsstandards, die im Bereich des Nachhaltigkeits-Research weltweit üblich sind. 2. Dennoch weist die oekom research AG darauf hin, dass sämtliche in diesem Research Report dargestellten Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität erheben, von Seiten der oekom research AG wird dafür keine Gewähr übernommen. Jegliche Haftung im Zusammenhang mit der Nutzung dieses Rating Reports, der dort angebotenen Informationen und ihrer Nutzung ist ausgeschlossen. 3. Sämtliche von uns abgegebenen Beurteilungen und Werturteile stellen grundsätzlich keine Kauf- oder Anlageempfehlungen dar. 4. Wir weisen darauf hin, dass dieser Research Report, insbesondere die darin befindlichen Bilder, Texte, Grafiken, das Layout und das Logo der oekom research AG dem Urheberund Markenrecht unterliegen. Jegliche Nutzung bedarf der ausdrücklichen vorherigen schriftlichen Zustimmung der oekom research AG. 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