Laufbericht zum Metropol-Marathon in Fürth am 29. Juni 2014 von

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Laufbericht zum Metropol-Marathon in Fürth am 29. Juni 2014 von
Laufbericht zum Metropol-Marathon in Fürth am 29. Juni 2014
von Renate Gottschewski.
Fürth an der Pegnitz ist eine Reise wert. Hätte ich auch nicht gedacht – dass Fürth eine
Reise wert ist. Aber jetzt war ich da und weiß das. So, also – aus privaten Gründen kam
ich nach Fürth, sah und war überrascht: ganz anders als Nürnberg und Bochum und noch
viele andere Städte, die ich so andeutungsweise kenne in Deutschland. Sehr speziell, dieses Fürth und so reizvoll in seiner Schlichtheit, seiner bunten jungen Bevölkerung aus aller
Welt, angenehmen Atmosphäre und seiner Konzentration auf das Wesentliche – nix
Schnickischnacki – noch nicht mal eine Königsallee nach Bochumer Art - in der Stadt, die
so eng mit den Namen Max Grundig, Georg Schickedanz und Ludwig Ehrhardt verbunden
ist. Als ich vor Erhardts Geburtshaus in der Altstadt stand, ging mir ein Licht auf: diese
Gegend bringt Wirtschaftswunderminister hervor – geht nicht anders. Gut – ein bisschen
Gemeinsamkeit hat Fürth mit Bochum: „Sie (die Stadt) ist keine Schönheit und ihr Pulsschlag ist aus Stahl“ – denn – die erste Eisenbahn in Deutschland fuhr ja hier – von Nürnberg nach Fürth.
Und der Metropol-Marathon, der jährlich in Fürth ausgetragen wird, ist mit, laut Sprecher
im Startbereich, heuer rund 650 angemeldeten Marathonis eine vergleichsweise kleine
Veranstaltung, die aufgepustet wird auf über 3000 Teilnehmer durch andere Laufangebote, die große Resonanz finden: Kinderläufe, Halbmarathon, 10 km-Lauf, Polizeimeisterschaft und andere regionale Meisterschaften, einem Staffelmarathon der Deutschen Bahn
(wie passend!) und andere mehr – während der Veranstaltung empfinde ich die vielen
Walker als bisschen störend, weil fränkische Walker wie Bochumer sind: immer die ganze
Wegbreite nutzen – wenn’s sein muss mittels Stockeinsatz, unbedingt! Andererseits ist
das Bild dieser alle in orange gekleideten Walker im Pulk auf der vollen Straßenbreite, die
für OBI Werbung laufen, durchaus schön.
Start und Ziel, Marathon-Messe und Fressbuden sind in der Innenstadt. Geduscht wird in
der Humbser- Sporthalle, zu der ein Kleinbus-Shuttle die Verbindung herstellt (und das hat
gut geklappt). Die Familie Humbser war eine Brauer-Familie – später hat Tucher die Brauerei gekauft.
Mit den 50 € Startgebühr bin ich ausgesöhnt – die Stadt und seine Bevölkerung gibt alles,
um den Läufern ein schönes Erlebnis zu ermöglichen: Die Fürther Musikschule stellt einige feurige Samba – und Trommel-Bands, die jeden Läufer – mich zumindest – persönlich
anlächeln – ich guck ja auch immer dahin, woher Musik kommt. In einer Unterführung
spielt ein Streichquartett klassische Musik (Super-Akustik), eine Rock-Band spielt Ohrwürmer, denen ich gerne zujubele auf einem freien Gelände. Im Ziel wird jeder Finisher
von Cheerleaders eines Kunstturnvereins – was für schöne Beine! - empfangen, deren
Jubel und Gehüpfe selbst bei mir noch frisch wirkt (und ich komme ja spät an). Die Bevölkerung – 25 000 Zuschauer meldet die Polizei - klatscht aus Fenstern und an einigen Stellen gibt’s Zelte mit Sitzgelegenheiten – tolle Stimmung.
Copyright: www.wilhelmi-fotograf.de
Und ein Zug-und Bremsläufer (für 3:30h) in Lederwixn fällt mir bereits am Start ins Auge –
einfach gut drauf dieser Jochen – und „seine“ Läufer auch:
Copyright: www.wilhelmi-fotograf.de
Die Marathonstrecke besteht aus drei Runden: die Halb-Marathonstrecke überwiegend an
der Pegnitz entlang und zwei Runden die 10-km-Strecke überwiegend in der Stadt und
Altstadt samt Kopfsteinpflaster. Das Wetter ist kühl für die Jahreszeit und moderat regnerisch. Ich reihe mich zu den Zug- und Bremsläufern für 4:15 h ein und bin ganz guter Dinge, diese Zielzeit erreichen zu können. Auf den ersten Kilometern laufe ich hinter einem
Engel – eine Frau im entsprechenden Gewand samt Flügeln, die Spenden für vom DownSyndrom Betroffene sammelt. Die kleine 4:15h – Zielzeit - Laufgruppe ist freundlich, und
manche Gesprächsfetzen bleiben mir im Gedächtnis. Einer erzählt: „Also, da hab ich bei
einem Preisausschreiben den London-Marathon-Start gewonnen – fünf Tage zu zweit mit
allem Zipp und Zapp – seitdem motzt meine Frau nicht mehr, wenn ich mir was Teures für
das Laufen kaufe oder am Wochenende unterwegs bin.“ Ein anderer nach Kilometer 32:
„Poh, jetzt wird’s schwer. Also, im letzten Jahr – da war‘s noch schwerer….“ Ich unterbreche ihn bestimmt: „Du bist ein Held, verhalte dich auch so – the goal in your eyes, the devil
in your soul and the hand on your knife – meine Lieblingszeile aus einem Westernlied –
komm mir hier nicht mit Pillepalle – lass uns laufen.“ Er zieht – wahrscheinlich beleidigt –
von dannen. Aber ich will nicht hören, wie anstrengend dieses Laufen ist – ich fühle das ja
eh – ich bin freiwillig hier – wieso beschweren? Schließlich ist die Anstrengung, die
Selbstüberwindung („run to overcome“) und womöglich sogar der unvermeidliche Schmerz
der Kern der Motivation – Anerkennung hat eben seinen Preis – wie alles im Leben.
Bis Kilometer 33 bleibe ich bei meinem Grüppchen um die beiden sympathischen Zugund Bremsläufer für 4:15 h – dann fange ich das Schwächeln an. Jaja, zu wenig trainiert –
ich weiß das ja selbst. Jedenfalls brauche ich für den Halbmarathon 2:06h, für die nächsten 10 km 1:04h und für die letzten 10 km nochmal deutlich mehr. Die letzten Kilometer
vor dem Ziel plaudere ich mit einem Fürther, der seit Jahren auf Usedom arbeitet - ein
sehr angenehmer Weggefährte auf Zeit. So komme ich nach 4:23 h ins Ziel – mit mir
kommen 470 Läufer (wie der Schwund von fast 200 Läufern zustande kommt, verstehe ich
auch nicht – vielleicht lagen dem Sprecher im Startbereich falsche Zahlen vor?) ins Marathonziel, wovon lediglich 69 weiblich sind. Die Starter kommen aus 32 Ländern. Unter den
ersten zehn Männern sind nur zwei Deutsche – sowohl der männliche als auch der weibliche Sieger kommt aus Russland.
Insgesamt ist der Fürther Marathon nach meiner Einschätzung eine gelungene sympathische Veranstaltung mit gleichzeitig viel Lokalkolorit und internationalem Flair.