23 DAS KROKODIL, Mannsbilder in Frauenzimmern - Tete

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23 DAS KROKODIL, Mannsbilder in Frauenzimmern - Tete
Lesebuch 23
Tete-H.Tetens
Das Krokodil
. . . was längst ihm
in sein freies Blickfeld fiel,
sind bunte Bilder,
tropisch warmes Meer . . .
PROLOG IM HIMMELBETT
MadameMonsieur bespiegeln sich in Allen.
MadameMonsieur sind haargenau ein Halb.
MadameMonsieur beäugen sich im Stillen.
MadameMonsieur begreifen nie so ganz.
MadameMonsieur gedenken zu gefallen.
MadameMonsieur spiel´n Kuh und Ochs mit Kalb.
MadameMonsieur belieben sich zu killen.
MadameMonsieur bestehn auf Totentanz.
MadameMonsieur erlegen sich im Bett.
MadameMonsieur verschlafen ohne Qual.
MadameMonsieur traun sich in sieben Himmel.
MadameMonsieur erregen sich so nett.
MadameMonsieur bestrafen gern sich mal.
MadameMonsieur weiß Gott gleich Hirngebimmel.
1
ABRUTSCHER
Monsieur ist Geistesmensch sprich: Menschenkundler,
hat seinen Stall mit Kindern reich gefüllt,
heilt kranke Zeitgenossen ganzheitlich,
im großen Ganzen mit sich selbst zufrieden,
als Hausarzt ein begabter Schmutzbefundler,
hat bei Madame nen Schandfleck just enthüllt,
setzt an zu einem säuberlichen Stich,
sieht von Madame sich menschlich grundverschieden,
muß nun Madame die Wahrheit injizieren,
weiß mit dem Weltgeist sich zutiefst vereinigt,
fühlt sich als Mann gestärkt für alle Zeit,
möcht nun auch gar nicht weiter insistieren,
Madame hat es ihm zweifelsfrei bescheinigt:
tief abgerutscht in nackte Sinnlichkeit.
2
ANGEBER
Monsieur erzählt zum wiederholten Mal
die Lustgeschichte dumm verpatzter Liebe
in offnem Segelboot auf breitem Fluß
dank Klatschkonzert von hohem Kaffeedampfer,
die Wiederholung wird zu stiller Qual,
Monsieur scheint stolz auf einst gesunde Triebe
und übersieht gewissen Überdruß,
Verbalerotik schmeckt wie Sauerampfer,
Mesdames sind obendrein auch noch dabei,
mein Gott, könnt sich Monsieur doch nur bezähmen,
es scheint ne Kunst, die Lust zu überleben,
Monsieur gibt souverän sich, witzig, frei,
um seinen Hirnverstand per Mund zu lähmen
und tiefre Gründe wortlos anzugeben.
3
AUF DER RÜCKBANK
Monsieur ist jung vermählt, fährt mit der Frau
in rotem Entlein durch die sonn´gen Lande,
auf Rückbank hockt Madame, zutiefst erfahren,
und plaudert frisch von heißer Urlaubsnacht,
im Nachbarzelt erspähte sie genau,
wie Mensch genoß die allerliebsten Bande,
Madame ist just in allerbesten Jahren,
und das Erspähte hat sie scharf gemacht,
der Gatte weilt an stillem Ozean,
es stört sie nicht, sie ist beim Lieblingsthema
und schwärmt begeistert von versteiften Dingern
und fühlt den Frischvermählten auf den Zahn
und meint, sie halte sich an gar kein Schema,
hätt´ sie nen Mann erst wieder in den Fingern.
4
AUFSCHNEIDER
Monsieur hat seinen Herrensitz gefunden,
Gestüt auf Geest mit Blick bis hin zum Meer,
das Leder duftet aus den Sattelkammern
samt Lustgeruch von scharfem Ammoniak,
Monsieur hat familial sich neu gebunden,
Madame hat Geld von reicher Mutter her,
man hat als Mann, weiß Gott, nichts mehr zu jammern,
steht früh in speckig altem Anorak
auf großem Reitplatz, an der Longe die Stute,
die herrlich geht, wie man es ihr befiehlt,
so soll es sein, man darf am Glück sich weiden,
bringt sicher mal nen großen Preis, die Gute,
ein Leben lang hat man danach geschielt
und hat´s im Blut, wenn nötig, aufzuschneiden.
5
BELLA BELLISSIMA
Madame schaut in den Spiegel, der sie fragt,
was nun der Preis für einst´ge Schönheit sei,
da kommt ne Jüngre, Stella, ihr dazwischen,
nach der sich alle Männer einmal drehten,
worüber leise sich Madame beklagt,
denn Bella ist vor Stella manchmal frei,
um Stella böse lachend aufzutischen,
wie Viele lieb um Gnade bei ihr flehten,
die sie zwar nahm, doch gottlob nur ein Mal,
obwohl, sie hätt´ sie auch behalten können,
was sie nicht tat, weil sich´s nie ernstlich lohnte,
Madame nennt Stella eine hohe Zahl,
sich vor der Schönheit nen Triumph zu gönnen,
mit dem sie stets schon über Stella thronte.
6
BLANKA VON UND ZU BRÜCHLER
Madame hat was Besonderes zu sein,
nein, frau gehört nicht zum Gewöhnlichen,
macht nicht gemein sich mit dem Niederen,
das ist frau ihrem teuren Namen schuldig,
und folglich wahrt frau den besondren Schein,
ja, frau gehört zu den Versöhnlichen,
hilft stets den Schwachen, Schlichten, Biederen,
ist voll Verständnis für Monsieur, geduldig,
natürlich voll Kultur, vom Blute her,
frau trägt den Führungsanspruch fest im Kerne,
es ist das niedre Volk doch recht labil,
Madame hat sich im Griff, Gott, bitte sehr,
die edle Näse hoch, Blick in die Ferne,
es ist die niedre Welt doch recht fragil.
7
BLUMENKINDERTRAUM I
Madame war stolz und protzte gern herum
mit freiem Blumenkinderliebesglück,
das für Monsieur scharf nach Kanickeln roch
und süßlich auch nach glühend heißem Gras,
Madame spricht nicht mehr drüber, findet´s dumm,
blickt nur klammheimlich noch auf sich zurück,
da munter sie in fremde Betten kroch,
nachdem frau leerte manches volle Glas,
der Blumenkindertraum ist längst verdorben,
nen Kindergarten wollt Madame sich bauen,
Gottmütterchen mocht spielen sie darin,
die Blumenkinderfreiheit ist gestorben,
Madame wagt nach Monsieur nicht auszuschauen,
der gibt sich munter offnem Lachen hin.
8
BLUMENKINDERTRAUM II
Madame war stolz und machte gern sich lustig
in Sachen offener Verklemmungen,
darin Monsieur sich liebend gern verfing,
von Tuten wie von Blasen keine Ahnung,
Madame spricht nicht mehr drüber, viel zu frustig,
denn bei Monsieur gab es Enthemmungen,
ein denkbar garstig lästig blödes Ding,
weil eng verbunden mit ner klaren Mahnung,
die Freiheit hat noch andere Facetten
als die des Blumenkindergartensegens,
Gottmütterchen ist nicht mehr recht gefragt,
es geht auch ohne falsche Suffragetten,
Madame wagt keinen Schritt des Selbstbewegens,
wirkt leicht gelähmt, ihr Ich scheint hübsch verzagt.
9
BLUMENKINDERTRAUM III
Madame war stolz und fühlte gern sich stark
in ihrem Möchtegernemanzenwahn,
an dem Monsieur sich gründlichst reiben sollte
in still belachter Angst vor freier Liebe,
Madame spricht nicht mehr drüber, denn autark
erwies Monsieur sich, fühlt ihr auf den Zahn,
was sie doch immer strikt vermeiden wollte,
nein, Witzchen über ausgelebte Triebe
aus Männermund sind ihr zutiefst zuwider,
das Blumenkind hat schweigsam sich vermummt,
Gottmütterchen sitzt sicher auf dem Töpfchen,
von fern erklingen leis Bob Dylan´s Lieder,
Madame wagt kaum nen Laut mehr, ist verstummt,
verdächtig hohl tönt es im leeren Köpfchen.
10
CALIFAX
Monsieur hat die Geschichte neu geschrieben,
es mußte sein, die alte taugte nichts,
zumindest nicht für all die jungen Leute,
die gerne lust´ge Sachen lesen wollen,
die Wahrheit wird nun leise untertrieben,
man schrieb im Schein des milden Kerzenlichts
und mehr auch mit dem Blick auf Hier und Heute,
weil ja die Leser Hoffnung fassen sollen,
und man verschweigt die Sache mit dem Kranken
zu Californien, wo es lieblich krachte
vor heißen Faxen mittels strammem Max,
auch Wahrheit kennt, fürwahr, gesunde Schranken,
man weiß ja längst, wie frau ihn fertigmachte,
und nennt das Ganze lachend: Califax.
11
DAS KROKODIL
Monsieur sitzt still in einem Krokodil
an einer Theke, rundum menschenleer,
und harret stumm vor einem Glase Bier
ner Menschbegegnung, blut´ger Überschwang,
was gleich ihm in sein freies Blickfeld fiel,
sind bunte Bilder, tropisch warmes Meer,
in dem sich tummelt gähn´ndes Raubgetier
und wartet auf nen blut´gen Untergang,
falls Einer nah sich an die Zähne wage,
die woll´n bedrohlich scharf und weißlich blitzen,
da kommt Madame, worauf man lachend spricht
von beider aussichtsreicher Seelenlage,
frau möchte fernen Gatten wörtlich schlitzen,
schon spürt man scharf, daß es an Lust gebricht.
12
DATENBANK
Monsieur bestaunt die freie Offenheit,
mit der Madame die Liebe kommentiert,
und hält sich selbst für liebevoll gehemmt
und weiß nicht recht, wie man zu Freiheit findet,
Madame lacht über die Betroffenheit
und freut sich, daß Monsieur brav reagiert,
und hält den Mann für hoffnungslos verklemmt,
weil er sich an die Ehegattin bindet,
wie kann man nur, der Mann ist einfach krank,
sie muß den Schwager wohl mal locker machen,
eh der erstickt in lauter Mief und Muff,
Monsieur erfährt von Liebesdatenbank,
und ihm vergeht vor Schreck beinah das Lachen,
man kommt sich langsam wirklich vor wie in nem . . .
13
DER TUCKERER
Monsieur ist eignem Vorteil auf der Spur
und kommt mit dem Prinzip recht gut zurecht
und findet Mittel stets und auch die Wege,
sein gutes Recht zu jeder Zeit zu wahren,
ne gradeaus gestrickte Ichstruktur
bewahrt vor lästigem Problemgeflecht,
man ist bedacht auf die Gesundheitspflege,
drum liebt man es, im eignen Boot zu fahren,
um vor Madame sich männlich abzusichern
und fraulich festem Zugriff zu entfliehn
und übern breiten Strom mit Lust zu tuckern,
vor Inselstrand zu ankern und zu kichern,
die Flasche aus dem Seesack rasch zu ziehn
und kurz ein edles Wässerchen zu schluckern.
14
DIALOG IM CAFÉ
Monsieur läßt auf sich warten, Uhr schlägt drei,
der Pianist beginnt um vier zu spielen,
der freie Stuhl scheint an die kalte Leere,
da er Kaffeehausstuhl ist, stumm gewöhnt,
Monsieur kommt kurz nach fünf und ist so frei,
in jene Ecke unverwandt zu schielen,
darin, den ewig Liebenden zur Ehre,
der Pianist soeben sich bekrönt
mit siebtem Traumduett aus „La Paloma“,
und da Monsieur begeistert applaudiert,
was eigentlich Madame entsprechen sollte,
spricht sie: „Ich werde grade wieder Oma!“ worauf Monsieur entgeistert konstatiert:
„Ach , ja, was ich Sie grade fragen wollte . . . !“
15
DONNA POTENTIA VON DEN SCHWESTERN
Madame war ungewöhnlich kompetent
in Sachen allerlieblichster Potenzen
und präsentierte gern ihr tiefes Wissen
und verbelustigte sich laut daran,
wie sich die Jüngren, lachhaft konsequent,
in immer länger werdenden Sequenzen
auf ihren selbstgenähten Sofakissen
verzehrten nach nem lustgemäßen Mann,
nein, nichts war schöner doch als jener Spaß,
der Jüngren Lustbarkeiten zu entsichern
und an den tiefen Früsten sich zu weiden,
und wenn der Spaß einmal so richtig saß,
dann konnt Madame so richtig lieblich kichern,
um sich von Jüngren scharf zu unterscheiden.
16
ELEFANTENBETT
Monsieur ist Elefant und liebt das Zaudern,
es ging um alles oder auch um nichts,
man kam und frau sich deutlich spürbar näher,
es lief auf nichts hinaus sprich: Wortgefecht,
man hörte ewig noch ein lockndes Plaudern
und sah das Flackern eines fernen Lichts,
befürchtete den Sieg der bösen Späher
und hatte, leider Gottes, allzu recht
und hätte lieber sich´s ersparen sollen,
denn kalt und leer blieb jenes breite Bett
und denkbar stark ein wahrlich heißer Stamm,
und wo die Träume sich nicht retten wollen,
dort reift das Lachen, macht die Rachlust wett,
Gott, ja, man bleibt ein Elefant, Madame.
17
ERNSTE AUFGABE
Madame trug schwer an frauschaftlicher Größe
und wollte hin und wieder hörbar stöhnen,
beschied Monsieur, sie sei mit Ernst dabei,
wo sie als Älteste das Glück verwalte
für alle jüngren schwesterlichen Schöße,
sie lasse ihre Frauschaft nicht verhöhnen,
Monsieur sei nachweislich ein weiches Ei,
woran das Schwesterglück zutiefst erkalte,
Madame sei tief besorgt um arme Schwester,
Monsieur ermangle es an Leidenschaft,
an Lust sowohl wie männlicher Erfahrung,
Madame sei tief bemüht um heiße Nester
und hart am Ball mit frauschaftlicher Kraft
und zwinge ihn, Monsieur, zu Offenbarung.
18
FADER NACHGESCHMACK
Monsieur schmeckt leise noch mit wacher Zunge,
was ihm zu schmecken streng verboten war,
als dem Geschmack es offen sich erbot
und in ihn drang aus Madame´s warmem Mund,
ja, ja, er schmeckt´s noch, Gott, der dumme Junge
bot seine lockre Zunge offen dar,
und die ward blutdurchpulst und feuerrot,
der Blutfluß quoll aus wahrlich wahrem Grund,
man hat wahrhaftig gleichsam wollen müssen
und sollt nicht wirklich und auch wieder doch,
und alles war so falsch und auch so richtig,
man durft des Herzens Weisheit innig küssen
und fand sich wieder in nem schwarzen Loch,
der fade Nachgeschmack scheint lebenswichtig.
19
FEIGHEIT
Monsieur lädt ein zu großer Freundesfeier,
gegebner Anlaß dient als äußrer Grund,
man will sein Dasein rund um sich vereinen
sprich: Zeitgenossen, die bedeutend sind,
es kommen Hinz und Kunz und Knorz und Mayer,
die Runde ist wahrhaftig kunterbunt,
doch insgeheim will es Monsieur so scheinen,
daß man darunter eine Frau nicht find´t,
die sich als seelverwandte Freundin gab,
voll Angst vor offen Freigedachtem bebte,
in Fremdheit floh bis hin zur bittren Neige,
es sieht Monsieur recht klar der Freundschaft Grab
und ahnt, daß man ne Feindin überlebte,
und denkt: Für Offenheiten viel zu feige.
20
FREUNDSCHAFT
Madame schien ältre Freundin ihm zu sein,
Monsieur war stolz und glaubte fest daran,
Madame war fraulich haushoch überlegen,
Monsieur noch unerfahren, voller Träume,
Monsieur ließ tief sich auf die Freundschaft ein,
Madame war´s recht, daß Einblick sie gewann,
Monsieur konnt nie sich selbst dazu bewegen,
Madame zu bitten in gewisse Räume,
Madame genoß die Attraktivität,
mit der sie falsch ihn an sich kettete,
ihn, der nie eine Grenze überschritt,
Monsieur erkannte gottseidank noch spät,
wie er in Täuschung tief sich bettete,
da sie das falsche Freundschaftsband zerschnitt.
21
GANZ AUGE
Monsieur vertraut nem ganz gewissen Typ,
der voller Sanftmut mit gedämpfter Stimme
in Offenherzigkeiten ihn geleitet
und selbst an Offenheit im Traum nicht denkt,
frau fischt im Liebesleben denkbar trüb,
gespannt darauf, daß da ein Lichtlein glimme,
Monsieur in liebliche Gefilde schreitet
und seinen Schritt nah an den Abgrund lenkt
und voller Lust nen weiten Ausblick tut
und für nen Augenblick sich selbst vergißt,
nun denkt Madame, daß er zum Eingriff tauge,
nein, solches tut Monsieur nicht wirklich gut,
Monsieur vergißt des Glückes knappe Frist,
Madame greift ein, fürwahr, ganz Ohr, ganz Auge.
22
GRIECHISCHE NACHT
Monsieur bekennt in griechisch warmer Nacht
und unter milchig weißem Sternenhimmel,
daß an Madame man nicht mehr wirklich glaubt,
sich in Gedanken auf der Flucht befindet,
scharf gibt ein Jüngrer auf die Worte acht
und sieht Monsieur bereits auf jungem Schimmel,
was ihn des eignen Bodens kurz beraubt,
weshalb man umso fester sich verbindet
mit allem, was Monsieur als Freund bedeutet,
Ideenwelten, Kunst, Musik, das Schöne,
die Zukunft birgt für solches kaum wohl Raum,
das Freundschaftsende wurde eingeläutet,
der Jüngre hört verdächtig kalte Töne,
trifft einen Fremden bald darauf im Traum.
23
HARTE WIRKLICHKEIT
Monsieur weilt zu Besuch, im Nebenraum
bespricht Madame sich mit der großen Schwester,
es geht dabei um einen andern Mann,
nen menschlich offen ausgegrenzten Schwager,
Madame wagt selbst ein leises Sätzlein kaum,
es wird berichtet über Schwagernester,
rasch kommt die Große an den Kern heran,
der Schwester Eheleben ist recht mager,
der Schwager ein Versager in der Liebe,
die Schwester hat sich lange ausgeweint,
frau darf als Frau nicht weiter schweigend warten,
der Schwager ist Verächter wahrer Triebe
und dies nun leider wirklich echt gemeint:
der Mann bekommt nicht einmal mehr nen Harten.
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HAUSIERERIN
Madame war Teil des Daseins einst gewesen,
ein Sonnenkind mit dicken blonden Zöpfen,
Gespielin einer andern blonden Kleinen,
mit der man schicksalhaft verkettet war,
Monsieur hat seelisch ungenau gelesen
als Sonnenforscher in den Menschgeschöpfen
und sich zutiefst geirrt, so will es scheinen,
denn in Madame wird Dunkles offenbar,
Madame geht mit gewissen Neuigkeiten
in einer lüstern wachen Welt hausieren,
die insgeheim Monsieur mit Freude schadet,
Madame zählt zu gewissen Wesenheiten,
die voller Lust und Wonne intrigieren,
auf daß Monsieur als Mann in Schaden badet.
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HERR IM EIGENEN HAUS
Monsieur kommt mit Madame hübsch ins Gespräch,
und frau spricht lächelnd über eigne Ehe,
die nun doch ein recht lustiges Geschäft
und gar ein häuslicher Turnierplatz sei,
und wo es Herrchen hier und dort gebräch
an Überblick in Sachen Wohl und Wehe,
dort nehme frau ganz still des Schwertes Heft
in feste Hände für so mancherlei,
nun, wichtig sei, die Herrschaft zu bestallen,
daß sich der Herr als Herr im Hause fühle
und als der schlauste Fuchs des eignen Baus,
und um sich selber fraulich zu gefallen,
läßt lächelnd noch Madame den Rest der Kühle
des klaren Kopfs zu Mutter´s Mund hinaus.
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KALTES ERBGUT
Madame hat menschlich alles fest im Griff,
sich selbst, Monsieur wie auch die beiden Söhne,
das Vorbild eigner Mutter scheint vergessen,
frau steht mit beiden Beinen auf der Erde,
Madame hält´s Steuer selbst auf eignem Schiff
und haßt die selbstmitleid´gen Frauentöne,
um klar des Schicksal´s Stärke zu ermessen,
frau wünscht, daß frau nie Mutter ähnlich werde,
der Vater hat sich spät davongemacht,
weil er in Eiszeit fast erfroren war,
es half ne Jüngre ihm, sich aufzutauen,
nie hätte solches frau von ihm gedacht,
Gott, kaltes Erbgut wurde offenbar,
nicht leicht, auf Eltern warm zurückzuschauen.
27
KOSTPROBE
Monsieur fühlt sich als Männlein denkbar klein,
da ihn Madame buchstäblich kosten läßt
und man von ihrer Lebenskunst probiert
und tief in ihre Seelenweisheit schaut,
Madame lädt kurz das Männlein dazu ein,
daß es nen Blick wagt in ihr Liebesnest,
darin die Liebe lustbeglückt passiert,
weil frau auf nichts als auf Orgasmus baut,
Madame entzündet eignen Wesens Licht,
Monsieur empfindet peinlich stumme Qual
und tief im Herzen einen kalten Pflock:
ob sie nun schwanger werde oder nicht,
das sei im Ernstfall ihr doch scheißegal,
hätt sie als Frau just mal so richtig Bock.
28
KRANKER TRIEB
Monsieur hat grade still Madame umarmt,
ein wahrlich todesnaher Augenblick,
da sich ein nächster Mensch in sich verzieht,
schon bricht´s hervor aus tiefstem Wesensgrund,
und wenn sich in Monsieur etwas erbarmt
mit fraulich seelenhaftem Mißgeschick,
dann ist´s die Ahnung, daß Madame geschieht,
was man sich selbst nicht wünscht, ja, der Befund
erweist sich klar an einem leisen Stöhnen,
der Ton verrät Madame´s tiefschwarze Nacht,
man fühlt sich angefaßt von krankem Triebe
und wird sich niemals je daran gewöhnen,
daß sich Madame stets häßlich lustig macht
grad über´s Lustgestöhn gesunder Liebe.
29
KUNST DER LIEBE I
Monsieur hängt innig an gewissen Sinnen,
auf die man äußerst ungern nur verzichtet,
weil sie des Daseins sauren Grund versüßen,
der sich gewissermaßen selbst erhebt,
der Untergrund möcht Oberhand gewinnen,
da er sich schwerer als der Kopf gewichtet,
um ihn von unten her mit List zu grüßen,
was eine Mitte lustvoll miterlebt,
gewiß ist Liebe eine große Kunst,
es zeigt sich daran, daß sie rasch vergeht,
wenn man die Fingerübungen vergißt,
die Kunst verwandelt gerne sich in Brunst,
von derem Zweck man nur etwas versteht,
sofern man kunst- und sachverständig ist.
30
KUNST DER LIEBE II
Monsieur möcht stets an jenem Punkt beginnen,
wo sich die Liebe in der Kunst einrichtet
vom kühlen Kopf bis zu den kalten Füßen
und Innerliches heiß nach draußen strebt,
es bleibt das Wesentliche dennoch drinnen,
wehrt sich dagegen, daß man es belichtet,
den grellen Schein hat offen man zu büßen,
wo da ein Inneres vor Kälte bebt,
gewiß ist Kunst der Liebe wahrster Dunst,
es zeigt sich daran, daß er rasch verweht,
wenn man die Häßlichkeiten schön bemißt,
die Kunst ist wahrer Liebe höchste Gunst,
man weiß bei ihr sich stumm im Selbstgebet
wie in des Glückes knapper Gnadenfrist.
31
LA DOUCE
Monsieur kennt eine ganz besonders Süße,
sie kann die schönsten Wörtermuster stricken,
um glatt auf Schleimgeschichten auszurutschen
von braven Mägdelein und bösen Schurken,
und sendet ganz besonders inn´ge Grüße
an die, die sie in lust´gen Traumgeschicken . . .
Gott, ja, sie liebt´s nun mal, sich sattzulutschen
an süßen Träumen wie an sauren Gurken,
Monsieur zufällig nur darauf zu stoßen,
daß lebenslänglich sie auf linkem Fuß
durch ihren Laden hinke, gern erschau´re
in gläub´ger Angst vor Phallusus dem Großen,
denn er, der Herrscher über Gurk und Douce,
bewacht vom Himmel hoch die süßlich Saure.
32
LA PETITE TÊTE
Monsieur trifft mit Madame sich wieder mal
und findet´s schön, daß alles bestens steht,
und fährt zu zweit ein wenig lustspazieren
auf einem moorig schwarzen Flußgewässer,
Gedanken dehnen rückwärts sich, fatal,
weil wie Monsieur es auch Madame ergeht,
man möcht das Boot auf eine Sandbank fieren,
gleichwohl: die tiefen Wasser wären besser,
ein Sprung, und fest steht man auf eignem Strand,
und sie erstaunt ganz offensichtlich doch
und raunt etwas von einstmals kleinem Tröpfchen,
das man sprich: frau unheimlich niedlich fand,
da es in Angst sich wand vor einem Loch
in seinem stets schon gern zu großen Köpfchen.
33
LEUCHTTURMWÄRTERIN
Madame bewohnt ein Leuchtturmwärterhaus
von festem Holz auf rötlich braunem Sand
und steigt des Abends hoch auf ihren Turm,
um nach den Schifflein Ausschau scharf zu halten,
zur Mitternacht geht die Laterne aus,
Madame sieht nun bei Vollmond festes Land,
es naht vom Meere her ein kräft´ger Sturm,
Madame will auf der Plattform tief erkalten,
ergreift zur Vorsicht lieber rasch die Flucht,
um über steile Stufen zu entweichen,
erblickt für´n Augenblick im Mondenschein
dort in der Ferne die geschützte Bucht,
wo just die Schifflein ihre Segel streichen,
schlägt fest die Türe zu und ist allein.
34
LOVESTORY
Madame fand ihn verlockend attraktiv,
ein Mann im engren Sinne sprich: erotisch,
und nichts vermocht´ Madame daran zu hindern,
ihm nachzuschwimmen über´n großen Teich,
Madame lag menschenkenntnismäßig schief,
das Glück war kurz und dauerhaft chaotisch,
die Ehe konnte Schwulität nicht mindern,
Herr Vater saß zuhause stumm und bleich,
man sah´s voraus, die Tochter war schlicht toll,
wo Mannsbild lockte, schwoll frau auf der Stell,
mein Gott, wann frau bloß an zu denken fing?
frau hielt den Akt allein für liebevoll,
des Geistes Sonne schien nicht allzu hell,
die Nacht brach an, als Jimmy Walker ging.
35
LÜSTLING
Monsieur ist ein gefürchtet starker Mann
sprich: Muskelprotz, Schulrektor, Geistesriese
von Zwergenwuchs, wollt gerne hoch hinaus,
blieb leider hängen an der Himmelsleiter,
Monsieur nimmt sich der schwachen Frauen an
und spielt Herrn Petrus auf der Glaubenswiese,
Gebetshaus ist sein großes Hauptschulhaus,
Christ, Demokrat, er, wacker und so weiter,
Monsieur wird böse, wenn ein böser Bube
mit lust´gen Sachen sich den Geist versaut,
tief überzeugter Feind der frechen Lust,
Monsieur wird böse, wenn in guter Stube
ein Mägdelein in schmutz´ge Heftlein schaut,
nimmt sich den Schmutz so richtig mal zur Brust.
36
MAUERBLÜMCHEN
Madame war ganz der Mauerblümchentyp,
erfüllt von Sehnsucht nach der großen Liebe,
die sie nur mal von ferne locken sah,
durch Menschgemächte fraulich irrgeleitet,
Madame sah stets das Dasein grau und trüb,
sie litt an Qualen unterdrückter Triebe,
weil das Ersehnte niemals je geschah,
durch Menschgemächte fraulich falsch begleitet,
Madame konnt nie den Dauernotstand lindern,
per Ehelos verdammt zu Fehlversuch,
durch Menschgemächte fraulich fast entmündigt,
Madame wußt nie das Unglück selbst zu mindern,
die Einsamkeit blieb wahrer Schicksalsfluch,
durch Menschgemächte fraulich frech verkündigt.
37
MAUSETOT
Monsieur wurd offiziös zum Freund erkoren
und fühlte sich am Bäuchlein leis gekitzelt
und glaubte, daß Madame an alles glaubte,
was man ihr freundschaftlich sprich: menschlich bot,
ein offnes Wort, und alles war verloren,
und männerfeindlich wurde man bespitzelt,
weil man Madame um Freundschaft frech beraubte,
Vertrauen sei zerstört und mausetot,
man hatte nichts getan als auszudrücken,
daß man Madame genauso hinterfragte,
wie man es mit sich selbst gewöhnlich machte,
Grund für Madame, buchstäblich zu entrücken,
worauf Monsieur im Stillen zu sich sagte,
daß man sich Ähnliches schon lange dachte.
38
MOMOTYPIE
Madame ist ehelich geheim verbunden,
Monsieur entstammt ner fernen Fremdkultur,
ist dunkelhäutig, dunkeläugig, hell,
was seinen Sinn für diese Welt betrifft,
Monsieur hat seine Nische still gefunden,
Madame ist wahrlich weiblicher Natur,
frau denkt gemächlich, man begreift recht schnell,
hat in Nordafrika sich eingeschifft,
Typ Lebenskünstler aus nem Teil der Welt,
wo dieses Leben noch echt spannend ist,
man nicht den Abend kennt schon in der Früh,
und das ist, was Madame an ihm gefällt,
Monsieur plant gern für knapp bemessne Frist,
gemahnt ein ganz klein wenig an Camus.
39
ORTUNG
Monsieur hat spät gedankenvoll belichtet,
was sich vor Zeiten tief verdichten sollte
und was die Welt rundum entzücken konnte
und was Monsieur nicht unbedingt beglückte,
und auch Madame hat manches still gesichtet,
das tief im Nebel sich verbergen wollte,
bis sich ein Dasein wieder hell besonnte
und das Gewesne in die Ferne rückte,
man war und frau sich zweifellos begegnet,
um mit des Andern Hilfe sich zu finden,
und weiß die Dankbarkeit in sich zu horten,
die Welt war zweifellos damit gesegnet,
zwei Menschen glaubhaft sauber zu entbinden,
die Welt ist glücklich, fremden Schmutz zu orten.
40
PAPA GALLI I
Monsieur erspäht von weitem sie am Strand
und riecht sofort gewisse Offenheit
und nähert sich und talkt gezielt und schmal
und spürt, daß man heut nacht ins Tor einfährt,
Madame ist nicht allein, zur linken Hand
sitzt jungfernhaft verklemmte Fraulichkeit,
Gott, Mauerblümchen, Papa´s tiefste Qual,
weshalb er ihr nen einz´gen Blick gewährt,
und Galli lädt Mesdames ein in die Bar
und weiß, daß Mauerblümchen schamvoll lächelt
und es nicht wagt, man kann in Ruhe sprechen
und kocht Madame sich männlich schon mal gar
und sieht, wie frau sich scheinbar Wind zufächelt,
nein, Widerstand gibt es da nicht zu brechen.
41
PAPA GALLI II
Madame sitzt einsam in der Morgensonne,
Hotelterrasse ist noch kaum belebt,
frau hat nicht gut geschlafen, schwer geträumt,
die Schwester kam erst lang nach Mitternacht
und schläft sich aus, der Preis für Lust und Wonne,
Madame ist innerlich zutiefst bestrebt
um gute Urlaubsstimmung, scheinbar aufgeräumt,
hat über vieles nächtlich nachgedacht,
allein gewacht, sich Fried gemacht, wie immer,
die Schwester Nymphomanin, menschlich krank,
frau hat den Mut nicht, offen zuzugreifen,
der Liebesrausch bleibt fremder Seelenglimmer,
Messieurs als Lustmagd dienen? besten Dank,
an Papa Galli wollt kein Glück je reifen.
41
PAPA GALLI III
Madame erscheint zum Frühstück, abgedeckt
wurd schon der Tisch, die kleine Schwester wartet,
es gibt nicht einmal mehr ein weiches Ei,
der Kaffee kalt, hübsch trüber Urlaubsmorgen,
Monsieur war mäßig, gründlich abgeschleckt,
das Übliche, zuletzt zum Bock entartet
und nur an sich gedacht, frau kennt derlei,
es läuft doch stets hinaus auf Triebentsorgen,
mein Gott, und nun die Schwester, Mauerblümchen,
nur stiller Vorwurf, lüstern stumme Fragen,
was ist die Kleine doch total verklemmt,
an Lebensmut besitzt sie nicht ein Krümchen,
ihr Spießertum ist schwer nur zu ertragen,
dann lieber Papa Galli, ungehemmt.
43
PARDON, MADAME I
Monsieur hat lang Madame zutiefst verehrt
als Wunder selbstbewußter Fraulichkeit,
die frei sich nahm, was männlich ihr gefiel,
bereit, bar jeder Hemmung zuzugreifen,
die Lust hat sich ins Gegenteil verkehrt,
dem Alter fehlt es an Vertraulichkeit,
man hat entwickelt eignen Lebensstil,
um selbst zu Andersartigkeit zu reifen,
frau schweigt von ferne, weiß nichts mehr zu sagen,
hat Überlegenheiten eingebüßt,
man liefert kostenloses Psychogramm,
gewillt, Frauschaftlichkeit zu hinterfragen,
die man buchstäblich munter lachend grüßt,
Monsieur hat sich geirrt, pardon, Madame.
44
PARDON, MADAME II
Monsieur hat es für Freundschaft lang gehalten,
sich um Madame gesorgt wie um ne Schwester
und tiefste Tiefen gründlichst mitdurchlebt,
nein, Höhen möcht frau wen´ger gern erklimmen,
zu mühsam, lieber Weltschmerz ausgestalten
vom Neujahrsfest bis pünktlich zu Silvester,
an Unglück stets in höchster Lust geklebt,
die Welt ist schlecht, fort will das Gute schwimmen,
mit Lebensfreude sucht man zu betören
und überspielt, wie man sich selbst belügt,
Gott, Theodora lautet Anagramm,
frau liebt´s, die Lebensfreude zu zerstören,
bis lachend man der Wahrheit selbst genügt,
Monsieur hat sich geirrt, pardon, Madame.
45
PARDON, MADAME III
Monsieur hat lang versucht, sich anzupassen
an streitgelüstet sücht´ges Frauenwesen
und es Madame, wenn möglich, recht zu machen,
sie herrfrauschaftlich zu bestätigen,
um solches schließlich besser sein zu lassen
und auszukehrn mit großem Wörterbesen
und scharf die eigne Stalltür zu bewachen,
gedanklich frei sich zu betätigen,
auf Geistesschranken offen zu verweisen
und urgesunde Grenzen klar zu ziehn,
am Mittelmaß liest frau ihr Monogramm,
man darf in eignes Dasein spät verreisen
und lachend fremder Niederung entfliehn,
Monsieur hat sich geirrt, pardon, Madame.
46
QUELLENFORSCHUNG
Madame fror an der Mutter, Leidensquell,
frau suchte Rettung selbst im Muttersein
und fand sie nicht, versuchte es mit Kunst
und blieb in Anfangsgründen kläglich stecken,
Monsieur sprach´s offen aus, gedankenhell,
durchforschte künstlerisch den kranken Schein,
Madame entzog Monsieur der Freundin Gunst,
um vor der Wahrheit kalt zurückzuschrecken,
frau brauchte Wärme, statt sie zu vergeben,
und wünschte, daß die Sache sich verkehrte,
und litt zutiefst, wo frau durchschaut sich fühlte,
auch sah Madame Monsieur in Wärme leben,
man ahnte, wie frau sich danach verzehrte
und wie das Ausgezehrtsein unterkühlte.
47
RACHSUCHT
Madame sinnt unbewußt auf tiefe Rache
für das kaputtgegangne Elternhaus
sprich: für die leider willensschwache Mutter
wie für den willentlich entfloh´nen Vater,
es bleibt die Rachsucht tiefste Herzenssache
und wahrhaft giftig kleine Seelenlaus,
ein fremdes Elternhaus ist Schmerzensfutter,
erinnert an den eignen bösen Kater,
als frau erwachte, um ihn zu erkennen,
das fremde Elternhaus ist unerträglich,
wollt es doch wenigstens kaputter sein,
frau darf die Sache nicht beim Namen nennen
und leidet an der Krankheit schlicht unsäglich,
weiht nie Monsieur in ihr Geheimnis ein.
48
RAUSHALTEN
Monsieur macht gerne Späßchen, Witzchen, Sprüche,
die durchaus richtig schräg mal klingen können,
um auch Monsieur von unten zu beleuchten,
von hinten oder gar direkt von innen,
ja, man hat Spaß am Wesen scharfer Brüche,
mag gerne sich das offne Lachen gönnen,
freut sich, wenn fremde Wangen sich befeuchten,
und läßt wohl auch einmal das Blut gerinnen,
doch was man auf den Tod nicht leiden kann,
ist, daß Madame sich´s wörtlich nicht verkneift,
mit schmutz´gem Schmiergeschleim zu vergewalten
und lachend anzumahnen dann und wann,
wo man sich auf nen Standpunkt selbst versteift,
den Seinigen da bitte rauszuhalten.
49
REIFEPRÜFUNG
Madame prüft ungewollt die eigne Reife,
erwählt zum Lover nen geschiednen Vater,
mit dessen Sohn die eigne Tochter geht,
die den geschiednen eignen Vater meidet,
Madame wünscht, daß auf Wunsch man sich versteife,
Herr Lover zeigt sich als ein alter Kater,
der noch auf mehr als Männlein´s Pflicht besteht,
weshalb Madame für Abgang sich entscheidet,
auch trennt die Tochter sich von Lover´s Sohn,
der wohl wie Vater war sprich: Fehlversuch,
Madame zeigt mit der Lösung sich zufrieden,
es stirbt der Ex, frau spricht von ihm voll Hohn,
der Tochter Glück schreibt sich ins Schicksalsbuch,
fortan bleibt sie von Männlichkeit geschieden.
50
RESONANZKÖRPER
Monsieur forscht lebenslang nach Resonanzen,
sieht alle Harmonie der Welt geteilt
in Spieler, die die weichen Seiten streichen,
und Instrumente, deren süßer Klang
im Allgemeinen sprich: im großen Ganzen
die Menschheit ganz von ew´gem Irrtum heilt,
daß wahre Laute Sphärentönen gleichen,
nachdem ein Spieler in den Corpus drang,
der Instrumentalist sich schwitzend müht,
dem Instrument mit wohlgeübten Sinnen
Urmusikalisches froh zu entlocken,
bis es in Jubelrufen tief erglüht,
um selber die Reprise zu beginnen,
man klar vernimmt: "Klingt mir noch viel zu trocken!"
51
SANTA BEATA
Monsieur steht vor ner blankgeputzten Scheibe,
die spiegelt ihn bei selbstverkürzter Sichtung,
man freut sich innig an den Innereien
der offen ausgelegten Fraulichkeit,
die jedem weiblich wohlgeformten Leibe
Betonung geben in gezielter Richtung,
lacht über eigne Sinnesspinnereien
und Frau Beata´s Urvertraulichkeit,
spürt plötzlich eisig kalt in heißem Nacken
nen scharfen Durchblick aus zwei Augenpaaren,
vernimmt ein weiblich tief empörtes Zischen,
fühlt sich fürwahr im eignen Saft gebacken,
gerupft an seinen borstig grauen Haaren,
Gott, Usus, harmlos pfeifend zu entwischen.
52
SAUBERMÄNNCHEN
Monsieur hat alle Blößen sich gegeben,
die man als Mann sich eben geben kann,
und macht sich selbst nicht allzu viel daraus
und lacht und sieht als Mensch sich, basta, amen,
Monsieur beliebte kaum sich auszuleben,
gehörte nie den Schwerenötern an ,
betrachtet vor verschloss´nem Freudenhaus
die saubren Herrn mit ihren feinen Damen
und weiß, was sich da menschlich vor ihm tummelt,
weshalb er still das weise Köpfchen schüttelt
ob alles dessen, was sich offenbart,
mein Gott, denkt er, wird da herumgefummelt,
gezerrt, geplärrt, gestoßen und gerüttelt
von Saubermännchen allerfeinster Art
53
SCHLACHTHOF
Madame spielt Ob´rin einer irren Anstalt,
darin die christlich bürgerliche Ehe
der Seelenfleischbeschau sich offen bietet
und sich in einen Schlachthof selbst verwandelt,
Monsieur spielt christlich bürgerlichen Anwalt
der Ehe, folglich Todfeind, wehe, wehe,
Madame hat kleinste Schwester ihm vermietet,
es wird die Oberaufsicht nicht verhandelt,
Madame ist fest entschlossen, sich zu wehren
und schwesterlichen Handlungsraum zu retten,
der Ehebund gehört ins Mausoleum,
Madame haßt Männlein, die ihr Recht begehren,
und liebt es, kleine Schwestern umzubetten,
Monsieur nennt solches Spiel Christianizeum.
54
SCHNAPSIDEE
Monsieur ist jung und trinkt noch gerne Sachen,
die wässrig und nach Lebensfeuer schmecken,
Madame trinkt mit, man findet´s urgemütlich,
das klare Obst fließt eiskalt aus der Flasche,
Madame vermeidet allzu offnes Lachen,
wo sich Intimitäten leis entdecken,
der Obstler zeitigt Wirkung, denkbar gütlich,
Monsieur läßt manche Wahrheit aus der Tasche,
Madame gewärtigt fehlnde Sicherheiten,
das Lieblingsthema wird bereits umkreist,
es läßt Monsieur sich in die Tiefe blicken,
Madame sieht hübsche kleine Heimlichkeiten,
hat ne Idee als lieben Flaschengeist:
das Wichtigste sei´n offne Worte über´s . . .
55
SCHWACHSINNIG
Wortscheiße hat Monsieur von sich gegeben . . .
so wird man durch Madame per Brief beschieden,
die Reaktion auf dichterisches Werk
sprich: Mahnung an totales Hirnverbot,
Gott, nein, Monsieur mag sich nicht laut erheben,
Madame wird fortan menschlich still gemieden,
die Zwerge lachen hinterm siebten Berg,
MenschMenschBeziehung ist wortwörtlich tot,
Madame hat selbst sich schwachen Sinn verbrieft,
nie wieder traut frau sich zu nah heran
wie andre Wesen auch von gleicher Sorte,
Monsieur hat sie aus seinem Sein gehievt,
weil er buchstäblich eignen Spaß gewann
an saubren Reimen auf beschissne Worte.
56
SELBSTBEFRIEDIGUNG
Monsieur war einmal bei Madame gefragt
im engren Sinne sprich: im still Geheimen,
Monsieur war an die Schwester schon vergeben,
frau mußte sich mit Patenschaft bescheiden,
in dieser Rolle bös sich abgeplagt,
es wollten heimlich Neid und Mißgunst keimen,
in Eifersucht begann Madame zu beben,
in Haß und Rachlust und in stummem Leiden,
das Patenkind war Bindeglied den Süchten,
frau machte früh sich ans Erziehungswerk,
in Kinderseelen läßt sich alles pflanzen,
das Patenkind sollt vor dem Vater flüchten,
Madame hielt voll Geschick sich hinterm Berg,
zufrieden mit sich selbst im großen Ganzen.
57
SUNSHINE
Monsieur fliegt jung an stillen Ozean
zum ersten Mal, die mächtig große Schwester
lebt tief in Blumenkinderseligkeit,
die ihn umfängt mit liebevollen Armen,
frau ist von Männlein rundum angetan,
es locken Blumenkinderliebesnester
und reife frauliche Erfahrenheit,
um sich des Männleins liebreich zu erbarmen,
und Schwester´s Freundin Sun wagt zuzugreifen,
macht aus nem Männlein etwas richtig Echtes,
frau tut der Freundin gerne den Gefallen,
das Männlein darf zum Manne nächtlich reifen,
denkt über Schwester künftig nie noch Schlechtes,
Madame hält Bruder sicher in den Krallen.
58
TRAUTE ZEUGIN I
Monsieur erkennt: getriebnes Steurungswesen,
Orgasmus als des Menschseins höchste Stufe,
egal mit wem, wenn´s nur wild zucken will,
die Mutterschaft beiseite kurz gelegt,
Monsieur erkennt: in sich nur Lust gelesen,
Typ Nymphomanin, quasi von Berufe,
und jederzeit bereit zu Seelenkill,
wo sich ein Widerstand in Mannsbild regt,
Monsieur erkennt: nie Männer ernst genommen,
die still im Kopf die muntren Schwänze tragen,
brutal zur Sache gehn heißt Saft und Kraft,
Monsieur erkennt: jung auf den Hund gekommen,
Hirn zwischen Beinen, traulich alles wagen
als Zeugin, die an Ehebrüchen schafft.
59
TRAUTE ZEUGIN II
Monsieur erkennt: nie selbstbewußt gewesen,
die Lüge als der Wahrheit letzte Stufe,
wenn das Gesicht sich nur noch wahren will,
der Mensch auf schönen Schein sich ganz verlegt,
Monsieur erkennt: die Trümmer aufgelesen,
daß ja sich niemand ernstlich drauf berufe,
zu sprechen klar von kaltem Killekill,
daran sich heißer Wonnerausch erregt,
Monsieur erkennt: sich stumm zurückgenommen,
zu krank im Kern, Verantwortung zu tragen,
es fehlte stets gesunde Lebenskraft,
Monsieur erkennt: am Ende angekommen,
zu feige nun, Vertraulichkeit zu wagen,
die überzeugen will und Wärme schafft.
60
TRÜFFELN
Monsieur ist jung und fraulich unerfahren,
hat größten Spaß an allerliebstem Spiel,
darin man mit Madame sich eifrig übt,
um sich als Lustmolch ungehemmt zu zeigen,
Madame weiß eine Grenze nicht zu wahren,
erzählt in allzu offenherz´gem Stil
den lieben Schwestern, was das Lustspiel trübt,
Monsieur ist in der Liebe denkbar eigen
und haßt nichts mehr als lüstern geiles Schnüffeln
in streng Privatem und Intimität,
verzichtet gerne auf Claqueurinnen
und auf ihr Grunzen über fremde Trüffeln,
Monsieur´s Empfehlung: menschliche Diät
für hemmungslose Voyeurinnen.
61
URLAUBSMITBRINGSEL
Madame hat sich aus eignen Ehequalen
befreit und kümmert sich um fremdes Glück,
hat nen Erfahrungsschatz fürwahr zu bieten,
der, weiß Gott, nicht von schlechten Eltern ist,
Madame läßt gern sich fremdes Glück auszahlen,
entsichert´s, heimlich, leise, Stück um Stück,
versteht´s, in fremdem Glück sich einzumieten,
und untergräbt´s mit frauschaftlicher List,
kehrt aus dem Urlaub heim und zeigt den Schwestern,
was alles sie im Ehebett verpassen
und fördert bildhaft die Getriebekräfte,
es ist nichts los in schwagerlichen Nestern,
frau kann die Schwestern doch nicht darben lassen,
erläutert fachgerecht die Bilderhefte.
62
VERGEWALTIGT
Madame fühlt Haß auf Vater´s Hausgewalt,
die sie gezwungen hat, Monsieur zu nehmen,
von dem sie aus Versehn sich schwängern ließ,
worauf des Vater´s Auge glutete,
Madame fühlt Haß auf Mutter´s Machtgestalt,
sollt häuslich sich zu Sturzgeburt bequemen,
bei der sie an des Todes Pforte stieß,
da um ein Haar sie kalt verblutete,
Madame fühlt Haß in sich auf jene Drei,
die jeden Daseinstraum vernichteten,
Madame haßt sie mit schrecklichem Gewissen,
Madame fühlt Haß in sich auf vielerlei,
auf die, die die Gewalt belichteten,
Madame haßt alle weichen Ruhekissen.
63
VIKTOR UND VIKTORIA
Monsieur im Schlafanzug am Kaffeetisch,
man liest die Morgenzeitung, ganz, von hinten,
und hält die kalte Tasse warm umfaßt.
Madame wischt in der Küche Staub und fragt:
„Heut ist Karfreitag. Magst du frischen Fisch?“
Monsieur kennt wahrlich alle ihre Finten
und weiß, wie sie das Zeitunglesen haßt,
weshalb er, ohne aufzusehen, sagt:
„Der eingelegte Hering wär nicht schlecht.
Ich geh gleich raus. Der Zaun muß Farbe kriegen.
Will den Kulturteil rasch zu Ende lesen.
Ach, übrigens, du hattest völlig recht.
Man kann lastminute nach Mallorca fliegen.
Wir sind schon ewig nicht mehr dort gewesen.“
64
WACKER
Monsieur ist offenkundig fest gewillt,
sich um Madame´s Bedenken nicht zu kümmern
und auf ne Feindin zu sich zu bewegen,
Madame sieht sich mißachtet, tief beleidigt,
in Ehe liebesmäßig ungestillt,
beschließt, Monsieur´s Belieben zu zertrümmern,
ihm eine Todesfalle lieb zu legen,
Monsieur hat nie sich auf Madame vereidigt,
ahnt nichts von tief geheim verborgnen Dingen,
macht aus dem Herzen keine Mördergrube
und landet menschlich auf nem Schinderacker,
Monsieur hört fromme Glaubenslieder singen,
ein Weltgericht wie aus ner Wagnertube,
Madame ist Christin, aufrecht, sauber, wacker.
65
WAHRE GRÖSSE
Monsieur sieht sie die Stirne drohend runzeln
und ihren Mund sich urgenüßlich spitzen
und ihre Zunge sich am Gaumen wetzen
und ihre neuen Zähne sich entblößen
und ihren Geist als Stallaterne funzeln
und ihre Äuglein rachedurstig blitzen
und fühlt die Worte scharfgezielt verletzen,
und man vernimmt, daß menschlich wahre Größen
gesichert sind vor häßlicher Kritik
sprich: alles wohlgemeint und richtig machen,
um väterlich die Töchter zu umhüllen,
und man entnimmt Madamen´s stierem Blick,
daß jene Größen mit den Töchtern lachen,
um für Messieurs das Schicksal zu erfüllen.
66
WANDINSKY´S KUNSTKABINETT
Monsieur muß immer noch darüber lachen,
wie man die Kunstausstellung boykottierte,
in der Wassily´s Leinwandprosa störte,
und man mit künstlerisch erregten Sinnen
Wandinsky´s Lädchen, lauter feine Sachen,
auf gradem Weg zur Parkbank nah passierte,
und wie ein Blick ins Fenster tief betörte,
man wollte fast nen Kunstvortrag beginnen,
und wie man leise durch die Zähne pfiff,
als auf das schwarze Torselett sie zeigte,
das seine langen Strapse grüßen ließ,
und wie man fein die Antwort sich verkniff,
als sich Madame nach links ganz leise neigte
und fragte, ob der Künstler Torso hieß.
67
ZWILLINGSSCHWESTERN
Monsieur war einst ein ziemlich schöner Mann,
vergab die Schönheit fast zu gleichen Teilen
an seine beiden großen Zwillingsmädchen,
von denen eines etwas klüger galt,
und beide kamen bei den Männern an
und durften früh in Lustgefilden weilen,
da ihres Glückes liebes Riesenrädchen
zum Ein- und Ausstieg bot so manchen Halt,
und als sie lieblich junge Mütter waren,
schlug forsch die Ältere der Jüngren vor,
nen Lustausflug zum Eiffelturm zu machen,
und noch nach vielen trüben Ehejahren
lag kläglich ihr die Jüngere im Ohr,
sie habe nie getaugt zu dummen Sachen.
68
EPILOG IM SCHLAFWAGEN
Monsieur bewacht Madame, Madame Monsieur.
Was Frauchen ist, kann man von außen sichten.
Was Mutter kann, ist Vater anzusehn.
Was Tochter ist, kann Söhnlein kaum wohl wissen.
Madame belacht Monsieur aus sichrer Höh.
Was Herrchen will, möcht frau nicht gern berichten.
Was Opa möcht, will Oma nicht verstehn.
Was Bruder will, möcht Schwester, weiß Gott, missen.
Das Fleisch bleibt willig, doch der Geist wird schwach.
Die Seligkeit pflegt sich im Traum zu schützen.
Der Liebespakt glückt nur an Feiertagen.
Monsieur liegt gern bei Vollmond sinnend wach.
Madame will kaum ein Einzelfahrschein nützen.
Mensch darf im Schlafabteil das Ganze wagen.
69
INHALT
Prolog im Himmelbett 1
Abrutscher 2
Angeber 3
Auf der Rückbank 4
Aufschneider 5
Bella Bellissima 6
Blanka von und zu Brüchler 7
Blumenkindertraum I 8
Blumenkindertraum II 9
Blumenkindertraum III 10
Califax 11
Das Krokodil 12
Datenbank 13
Der Tuckerer 14
Dialog im Café 15
Donna Potentia von den Schwestern 16
Elefantenbett 17
Ernste Aufgabe 18
Fader Nachgeschmack 19
Feigheit 20
Freundschaft 21
Ganz Auge 22
Griechische Nacht 23
Harte Wirklichkeit 24
Hausiererin 25
Herr im eigenen Haus 26
Kaltes Erbgut 27
Kostprobe 28
Kranker Trieb 29
Kunst der Liebe I 30
Kunst der Liebe II 31
La Douce 32
La petite tête 33
Leuchtturmwärterin 34
Lovestory 35
Lüstling 36
Mauerblümchen 37
Mausetot 38
Momotypie 39
Ortung 40
Papa Galli I 41
Papa Galli II 42
Papa Galli III 43
Pardon, Madame I 44
Pardon, Madame II 45
Pardon, Madame III 46
Quellenforschung 47
Rachsucht 48
Raushalten 49
Reifeprüfung 50
Resonanzkörper 51
Santa Beata 52
Saubermännchen 53
Schlachthof 54
Schnapsidee 55
Schwachsinnig 56
Selbstbefriedigung 57
Sunshine 58
Traute Zeugin I 59
Traute Zeugin II 60
Trüffeln 61
Urlaubsmitbringsel 62
Vergewaltigt 63
Viktor und Viktoria 64
Wacker 65
Wahre Größe 66
Wandinsky´s Kunstkabinett 67
Zwillingsschwestern 68
Epilog im Schlafwagen 69

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