Gesang an der Grenze der Stille Von Jens
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Gesang an der Grenze der Stille Von Jens
Gesang an der Grenze der Stille Von Jens-Uwe Sommerschuh Marie-Claude Chappuis und Il Giardino Armonico loten in der Frauenkirche Dresden emotionale Grenzen aus. Bittere Tränen des Bedauerns mögen alle vergießen, die Barockmusik in Vollendung lieben, es aber geschafft haben, Marie-Claude Chappuis und Il Giardino Armonico in der Frauenkirche zu versäumen. Die jüngst in Salzburg gefeierte junge Schweizerin hat an CD-Aufnahmen mitgewirkt, die mit Preisen überschüttet wurden: Mozarts "La Clemenza di Tito", Telemanns "Brockes-Passion". Dass sie ihren geschmeidigen Mezzosopran nuanciert in den Dienst des Werkes und seiner Botschaft zu stellen vermag, bewies sie am Sonnabend zunächst mit Monteverdis "Pianto della Madonna", einer späten Sakralversion des "Lamento d'Arianna" von 1608. Chappuis sang dieses "Tränenlied", von Luca Pianca auf der Laute begleitet, hoch oben auf der Orgelempore: "Möge ich doch sterben, mein Sohn. Denn wer könnte eine Mutter trösten ..." Die Sängerin ließ die Qualen tiefer Trauer als ein dunkles Band auswehen, das für Maria nie enden wird, das sie weder zerreißen noch loslassen kann. Publikum seufzt mit In Francesco Contis "Ich fühle schon die Kräfte schwinden" verschmolz ihr zartes Legato mit Giovanni Antoninis Spiel auf dem Chalumeau, einer Urform der Klarinette. Höhepunkt war dann die halbstündige Kantate "Il Pianto di Maria" von G. B. Ferrandini. Der Mut der Sängerin, ihre Stimme in einem so gewaltigen Klangraum bis an die Grenze zur Stille zurückzunehmen, ließ viele den Atem anhalten, sodass die mächtigen Töne, mit denen sie dann Affekten des Aufbegehrens und Zorns die Pforten öffnete, vom Aufseufzen des Publikums mitgetragen wurden. Diese Sängerin hat das geschmeidige Wesen italienischer Barockmusik tief verinnerlicht.. Ein Fest der Zwischentöne Das von Antonini dezent geleitete 14-köpfige Ensemble, das zum zweiten Mal einen KlassikEcho erhält, trug das auf Feinabstimmung ausgerichtete Konzept wesentlich mit. Faszinierend, wie die Italiener ihr Temperament zugunsten der Zwischentöne zu zügeln wussten. Mit instrumentalem Silber von Caldara, Marini, Vivaldi und dessen Dresdner Schüler Pisendel fassten sie die sanft leuchtenden Gesangsjuwelen kongenial. Antonini ließ die Stücke elegant ineinander fließen, was dem feierlichen Flair zugute kam. Eines der bislang bewegendsten Konzerte in der Frauenkirche endete im rauschenden Beifall derer, die eine Vorahnung für das Besondere hergelockt hatte. Als Zugabe hörten sie "Mein Heiland" aus Telemanns "Brockes-Passion". Mit der CD-Box (Harmonia mundi) können sich die trösten, denen dieses Erlebnis entgangen ist. [email protected]