„Schule und Medien im Wandel der Zeit“
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„Schule und Medien im Wandel der Zeit“
Peter Kreiliger, Redaktionsleiter [email protected] „Schule und Medien im Wandel der Zeit“ Workshop an der 12. Kadervernetzung am 19.03.2016 in Wil Geschätzte Anwesende, liebe Lehrerinnen und Lehrer Es freut mich sehr, Ihnen etwas zur Rolle der Medien in der Schule erzählen – und zeigen – zu dürfen. Denn die Medien – so etwa das Schweizer Fernsehen – spielen eine wichtige Rolle in der Schule. Es gibt sogar einen Bildungsauftrag, der in unserer Konzession festgeschrieben ist. Deshalb gibt es auch ein Schulfernsehen - resp. ein Schul- und Bildungsprogramm: SRF mySchool. http://www.srf.ch/sendungen/myschool/willkommen-bei-srf-myschool Die Medien haben sich stark geändert im Lauf der Zeit. Nicht nur heute – im Zeitalter des digitalen Wandels – hat ein tiefgreifender Strukturwandel stattgefunden. Kürzlich haben wir unser 50jähriges Jubiläum feiern dürfen. Auch 1964 war das Fernsehen – diese Flimmerkiste – ähnlich revolutionär wie heute ein Tablet, Laptop oder Smartphone. Und auch damals stemmte sich die Schulwelt zuerst gegen die Idee, diesem neuen Medium auch im Schulzimmer einen Platz zu geben. Bereits die Idee, das Schulfernsehen einzuführen, weckte Widerstand auf höchster Ebene. Bundesrat Giuseppe Lepori erlaubte zwar die ersten Schulfernsehversuche, verweigerte aber eine offizielle Empfehlung. Er wies die Generaldirektion der schweizerischen Rundspruchgesellschaft sogar an "alles zu vermeiden, was den Anschein einer offiziellen Propaganda für das Fernsehen erwecken könnte". Denn Schule und Fernsehen schienen eine unvereinbare Sache zu sein. Rudolf Witschi vom Leherseminar in Bern warnte zur selben Zeit in der Lehrerzeitung: „Wird die faszinierende Wirkung des bewegten Bildes auf die Kinder nicht allzuteuer erkauft mit dem Verlust an echter Bildung, die man sich nur durch Anstrengung, im Ringen gegen Widerstände, erwirbt?“ und: „Ist die Gefahr, durch einen optisch erzeugten Phantasie-Ersatz das imaginative Vermögen des Kindes, die innere Schau, zu lähmen, heute, im Zeitalter der Bilderflut, nicht ohnehin schon gross genug?“ Das neue Medium würde also die unschuldige Kreativität der Kinder verderben und der passive Konsum der Bilder die "echte Bildung" verhindern – so die pädagogische Warte von damals. Und dennoch ging das Schulfernsehen 1964 auf Sendung. Man könnte nun sagen, dass diese wertkonservative und kulturpessimistische Haltung typisch für die Lehrerwelt sei: Sie müssen ja als Pädagoginnen und Pädagogen von Berufswegen besorgt sein um die Entwicklung unserer Kinder. Doch: Medien und Schule sind nicht gar nicht so weit entfernt voneinander. Die Skepsis gegenüber neuen Medien ist beileibe nicht auf die Lehrerwelt beschränkt: Auch Journalistinnen und Journalisten - ich gebe es gerne zu – warnten damals vor dem schädlichen Einfluss neuer Medien auf die Kinder - aber notabene nicht etwa des Fernsehens: Hier ein Ausschnitt aus einem Beitrag des Schulfernsehens von 1969: Blasengeschichten: http://www.srf.ch/sendungen/myschool/50-jahre-bildungsfernsehen Anfang der 80er Jahre stand dann aber in fast allen Schweizer Stuben ein Fernsehgerät und so durfte dieses auch seinen Platz in der Schule haben. Die Zeit war gekommen, die Verbindung zwischen Schule und Fernsehen zu institutionalisieren. Mit einem Vertrag beauftragte die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz D-EDK zusammen mit dem Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI das Schweizer Fernsehen, ein Programm für den Unterricht in der Schule zu gestalten. Ein Programm für Sie, liebe Lehrerinnen und Lehrer - ein Programm, dass heute SRF mySchool heisst. Heute kann nicht mehr von Schulfernsehen gesprochen werden: SRF mySchool ist ein Bildungsprogramm mit zahlreichen Angeboten, verschiedenen Kanälen, mehreren Technologien: http://www.srf.ch/myschool Es wird zwar immer noch täglich von 9 bis 10 Uhr eine Stunde Sendung - fünf Mal pro Woche, jeweils an den Schultagen - auf SRF 1 ausgestrahlt. Aber alle Beiträge können auch zeit- und ortsunabhängig per VOD auf der Website gestreamt werden. Insgesamt gibt es online mehr als 700 Filme zu sehen. Sie sind nach Fächern und Themen gegliedert und mit einer differenzierten Suchfunktion auffindbar. Zu einem grossen Teil der Beiträge erhalten Sie Unterrichtsvorschläge. Und da nehmen wir gerne Ihre Hilfe in Anspruch, lieber Lehrerinnen und Lehrer. Ein Pool von AutorInnen erstellt für uns Lektionsskizzen und Arbeitsblätter, welche Ihnen den Unterricht 2 vereinfacht. Falls Sie Interesse haben, auch in diesem Pool mitzuwirken, können Sie sich gerne bei mir melden. Doch zurück zu den digitalen und interaktiven Lehrmitteln: ich muss zugeben, diese stecken bei uns noch in den Kinderschuhen. Doch wir lassen uns gerne noch ein bisschen Zeit damit, denn wir fragen uns im Moment noch: Was zeichnet eigentlich ein gutes digitales Lehrmittel aus? Nur ein bisschen Multimedia und Wischen und Klicken reicht nicht! Gerne zeige ich Ihnen jedoch die ersten Angebote, die wir bei SRF mySchool anbieten und einige Beispiele zu guten interaktiven Lehrmitteln. Seit einiger Zeit bieten wir auch eine Reihe iBooks an. So etwa für den Französischunterricht http://www.srf.ch/sendungen/myschool/interaktivefranzoesisch-und-geschichtslektion oder zur Schweizer Geschichte. http://www.srf.ch/sendungen/myschool/die-schweizer Ich vermisse dabei aber die Offenheit und Vielseitigkeit eines wirklich interaktiven Lehrmittels - aber zumindest laufen die Dinger reibungslos und bieten doch einiges mehr als Aufgaben und Übungen auf Papier. Anders bei diesem interaktiven Comic, auf den ich auch ein bisschen stolz bin: "Kleine Schritte im Grossen Krieg": http://kleineschritte.srf.ch/ Es handelt sich um ein Wegbame über den 1. Weltkrieg in dem Schülerinnen und Schüler 4 Missionen erfüllen können: Sie sind Mitglied der Attentätergruppe "Schwarze Hand" in Sarajewo... Pilot eines Doppeldeckers, der einen Zeppelin abwehren muss... müssen in einem Schützengraben einen verletzten Kameraden retten, oder... sind Kapitäten eins U-Boots. Geschichte wird so zu einem Erlebnis, dies nicht zuletzt wegen einer Form und einer Sprache, die Kinder und Jugendliche verstehen. Doch vor allem müssen die Schüler in den Missionen auch Entscheidungen fällen, moralische Dilemmatas lösen. Zum Beispiel versenkt der U-Boot-Kapitän versehentlich ein Passagierschiff und muss sich entscheiden, ob er die Passagiere rettet oder seinen militärischen Auftrag erfüllt. Alle Missionen sind historisch verbürgt und lassen sich so mit den entsprechenden Quellen im Geschichtsunterricht verbinden. 3 In Vorbereitung ist im Moment ein weiteres Webgame: es heisst „4 Sprachen zum Dessert“. Es ist eine Mischung zwischen Geographie- und Kochunterricht, bei dem man mit diesen vier Kindern aus den vier Sprachregionen die geographischen und kulturellen – und natürlich die auch kulinarischen Eigenheiten der Schweiz entdecken kann. Die Kinder können spielen, entdecken und zudem ihr Hörverständnis trainieren. Dies ist unsere Unterstützung für Sie, liebe Lehrpersonen, damit der Unterricht in der zweiten Landessprache den Primarschülerinnen und –schülern mehr Spass macht. Aber das Spiel ist noch in Entwicklung, dies ist der Screenshot eines Prototyps. Es wird auf den Schulanfang im kommenden Herbst auf unserer Website zur Verfügung stehen. Unser Wunsch aber – von dem wir zwar noch einiges entfernt sind, wäre ein Videolearning-Tool, ähnlich etwa wie jenes der amerikanischen Firma Educanon/ Playposit https://www.playposit.com/ . Videos können hier mit Marken angehalten werden und mit interaktiven Elementen bestückt werden. Diese interaktiven Elemente könnte aber nicht nur die Redaktion von SRF mySchool erstellen, sondern natürlich auch die Lehrpersonen selber. Zudem könnten die Videos auch Klassen oder Gruppen zugewiesen werden. Und die Lehrperson hätten auch die Möglichkeiten eines Monitorings bei dem die Schülerinnen und Schüler individuell beobachtet und beurteilt werden können. Soweit zur Zukunft von SRF mySchool. Reicht dieses Angebot für die Schule? Auch Sie sind ja vom digitalen Wandel betroffen: Wie wir bei SRF sind auch Sie plötzlich mit einem neuen Publikumsverhalten - Wischen und Tippen statt Schreiben – konfrontiert und mit neuen, konkurrenzierenden Angeboten - werden Tutorials im Internet Sie dereinst als Lehrpersonen überflüssig machen? Klar ist, dass die Neuen Medien auch in der Schule eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Zukunft könnte etwa so aussehen wie in unserem Beitrag „der digitale Schüler“ http://www.srf.ch/sendungen/myschool/der-digitale-schueler . Das Wissen wird neu/ anders/ besser verfügbar sein. Und es wird neue didaktische und methodische Formen geben. Die Rolle der Lehrpersonen wird sich verändern. Es wird neue Orte des Lernens geben. Die Schule, die Klasse, die Stundepläne werden neu organisiert. Eine personalisierte Lernumgebung - Lerngruppen nach Eigenheiten und Bedarf der Lernenden - mehr Individualität: Man könnte meinen, mit den neuen digitalen Möglichkeiten werden endlich die alten Postulate der Pädagogik eingelöst. 4 Wenn diese Zukunftsaussichten nicht auch wieder neue Fragen auslösen würden...Letztes Jahr hat SRF mySchool über das Pilotprojekt AlpConnectarScola berichtet. Auch hier ein Projekt, dass den Austausch zwischen den Sprachregionen in der Primarschule fördern soll. Die Pädagogischen Hochschulen von GR, TI, VS haben die Idee gehabt, den Sprachunterricht teilweise per Videokonferenz stattfinden zu lassen. Hier ein Ausschnitt über diesen Austausch zwischen deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Kinder der Primarschulen von Castiel, Monthey, Pregassona: http://www.srf.ch/sendungen/myschool/3-sprachen-3-schulklassen-1-ziel-2 Die Kinder haben sich später auch real für ein Wochenende in Oberwald getroffen, wo die die Kommunikation dann einfacher war als per Videokonferenz. Man sieht also: In der schönen neuen digitalen Welt sind neben dem "collegamento tecnico" immer noch gute Orthografie-Kenntnisse wichtig, genauso wie Grundwissen über den Unterschied von Birnen und Aepfeln, von Broccoli und Krokodil. Insgesamt sehen wir bei SRF mySchool die neuen Medien als Chance – als neues Medium eben, als neues Instrument. Und da treffen wir uns mit Ihnen, liebe Lehrerinnen und Lehrer: Wir alle hier haben einen Bildungsauftrag in dem Sinn, dass wir die Kinder und Jugendliche befähigen müssen, einen guten Zugang und einen guten Umgang mit diesen neuen Instrumenten zu finden. Erlauben Sie mir, an dieser Stelle noch kurz ein politisches Statement abzugeben: Aktuell wird viel über den Service Public diskutiert und Auftrag und Stellung der SRG in Frage gestellt. Ich bezweifle, dass ein anderes Medienunternehmen als eines, dass öffentlich-rechtlich organsiert und finanziert ist und einen Bildungsauftrag hat wie die SRG, die Entwicklung, die nun ansteht proaktiv - und das heisst auch in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Partnern wie Sie als Lehrerschaft, die Erziehungsverantwortlichen - mit Verantwortung zu gestalten vermag. Im Moment jedenfalls erfüllen wir unseren Bildungsauftrag mit viel Motivation und Freude - Herzlichen Dank fürs Zuhören und Zuschauen! Alle Beispiele, die ich gezeigt habe, sind auch auf unserer Website srf.ch/myschool abrufbar. Dort können Sie auch unseren Newsletter abonnieren und sich regelmässig über unser Programm informieren lassen. 5