Wirtschaftswachstum

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Wirtschaftswachstum
Baudepartement
Abteilung Landschaft und Gewässer
Wirtschaftswachstum
Eine Auseinandersetzung mit den
Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit
Aarau, 3. September 2004
Autoren
Manuela Risch, Andreas Wolf
Mitarbeit
Susanna Bohnenblust, Barbara Jacober, Michael Umbricht
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung...............................................................................................................4
2 Theoretische Grundlagen ....................................................................................5
Wirtschaftstheorie ...................................................................................................5
Gesellschaftsbezogene Theorien ...........................................................................5
Umweltbezogene Theorien.....................................................................................6
Fazit ........................................................................................................................6
3 Wirtschaftswachstum...........................................................................................7
Was ist Wirtschaftswachstum? ...............................................................................7
Messung des Wirtschaftswachstums......................................................................7
Qualitatives Wachstum ...........................................................................................8
Fazit ........................................................................................................................8
4 Auswirkungen auf die Gesellschaft ....................................................................8
Bildung ....................................................................................................................8
Einkommen .............................................................................................................9
Beschäftigung .........................................................................................................9
Fazit ......................................................................................................................10
5 Auswirkungen auf die Umwelt...........................................................................11
Environmental Kuznets Curve (EKC) ...................................................................11
Flächenverbrauch .................................................................................................11
Natürliche Ressourcen .........................................................................................12
Energie..................................................................................................................12
Verkehr .................................................................................................................12
Fazit ......................................................................................................................13
6 Abschliessende Bemerkungen .........................................................................13
7 Literaturverzeichnis............................................................................................14
8 Anhang: Fact Sheets ..........................................................................................20
Wirtschaftstheorien: Neoklassik (1) ......................................................................20
Gesellschaftsbezogene Theorien: Wohlfahrtsökonomie (2).................................23
Gesellschaftsbezogene Theorien: Capability-Ansatz (3)......................................25
Umweltbezogene Theorien: Umweltökonomie (4)................................................27
Umweltbezogene Theorien: Ökologische Ökonomie (5) ......................................29
Wirtschaftswachstum: Einführung (6) ...................................................................30
Wirtschaftswachstum: Messung (7)......................................................................32
Wirtschaftswachstum: Nullwachstum (8) ..............................................................35
Wirtschaftswachstum: Qualitatives und nachhaltiges Wachstum (9) ...................37
Auswirkungen auf die Gesellschaft: Bildung (10) .................................................38
Auswirkungen auf die Gesellschaft: Einkommen (11) ..........................................40
Auswirkungen auf die Gesellschaft: Beschäftigung (12) ......................................42
Auswirkungen auf die Gesellschaft: Messung und Berechnung (13)...................44
Auswirkungen auf die Umwelt: Allgemeine Positionen (14) .................................46
Auswirkungen auf die Umwelt: Environmental Kuznets Curve (EKC) (15) ..........47
Auswirkungen auf die Umwelt: Flächenverbrauch (16) ........................................52
Auswirkungen auf die Umwelt: Natürliche Ressourcen (17) ................................55
Auswirkungen auf die Umwelt: Energie (18) ........................................................57
Auswirkungen auf die Umwelt: Verkehr (19) ........................................................60
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
1 Einleitung
Enstehungsrahmen
Diese Arbeit ist im Rahmen eines zweimonatigen Praktikums im Projekt
Nachhaltigkeit entstanden. Sie soll den Blick für die Wachstumsfrage
schärfen und als Grundlage der Diskussion dienen.
Fragestellung
Die Fragestellung lautet, welche Effekte das Wirtschaftswachstum auf die
Nachhaltigkeit, im Speziellen auf die Dimensionen Umwelt und Gesellschaft,
hat. Ziel der Abhandlung ist weder eine absolute Bewertung noch ein
allumfassender Bericht. Dazu ist das Thema zu komplex und die Fragestellung zu allgemein. Die Arbeit versteht sich als Orientierungshilfe, damit
verschiedene Positionen eingeordnet und bewertet werden können.
Aktualität
Die Diskussion um die Auswirkungen des Wirtschaftswachstums wurde vom
Ehepaar Meadows in den 70er-Jahren entfacht. Ihr Buch „Die Grenzen des
Wachstums“ prophezeite eine düstere Zukunft, in der alle Ressourcen aufgebraucht sind und unser Lebensraum zerstört ist. Dieser Aufschrei weckte
ein Bewusstsein für die Wachstumsproblematik, welches bis heute in den
Menschen vorhanden ist. Der aktuelle Diskurs in der Schweiz verläuft jedoch
in die gegensätzliche Richtung: Borner und Bodmer (2004) beklagen das
schwache Wirtschaftswachstum der Schweiz und fordern ein Umdenken,
damit der Wohlstand der Schweiz auch in der Zukunft gewährleistet ist.
Diese unterschiedlichen Meinungen zum Wirtschaftswachstum werden in
dieser Arbeit analysiert und hinterfragt.
Aufbau
Der erste Teil beinhaltet Wirtschaftstheorie (Neoklassik), gesellschaftsbezogene (Wohlfahrtsökonomie, Capability-Ansatz) und umweltbezogene Theorien (Umweltökonomie, ökologische Ökonomie). Der zweite Teil erklärt den
Begriff Wirtschaftswachstum und dessen Messung. Abschliessend folgt eine
Vertiefung in die Auswirkungen des Wirtschaftswachstums auf konkrete
Teilbereiche der Nachhaltigkeit: Auf die Bildung, das Einkommen und die
Arbeitslosenquote einerseits, auf den Verkehr, den Flächen-, Energie- und
Ressourcenverbrauch andererseits.
Der Bericht wird ergänzt durch themenbezogene Fact Sheets. Diese Beiblätter sind detaillierter und enthalten weitere Informationen, auf die im
Bericht jeweils verwiesen wird.
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2 Theoretische Grundlagen
Das folgende Kapitel versteht sich als Überblick über die verschiedenen
Theorien. Es werden jeweils das Ziel, die Hauptthese und einige Kritikpunkte
erläutert. Diese Darstellung dient als theoretische Grundlage für die spätere
Betrachtung des Wirtschaftswachstums. Die reine Wirtschaftstheorie ist mit
der dominierenden Neoklassik vertreten, bei den umwelt- und gesellschaftsbezogenen Theorien werden jeweils die aktuellsten gegensätzlichen Theorien vorgestellt. Ausführungen zur Wirtschaftstheorie, deren Annahmen und
Kritik sind im Fact Sheet 1, Vertiefungen zu den Gesellschaftstheorien in 2
und 3 und die Umwelttheorien in den Fact Sheets 4 und 5.
Wirtschaftstheorie
Das Ziel der Neoklassik ist die Herstellung eines gleichgewichtigen Wachstums und eine Analyse seiner Voraussetzungen. Um eine mathematische
Berechnung zu ermöglichen werden verschiedene Annahmen getroffen, wie
zum Beispiel der Mensch als Homo Oeconomicus, eine gewinnmaximierende Maschine. In der Neoklassik hat der Staat eine untergeordnete Funktion
(Majer 1998, 32ff.). Der Tausch steht im Vordergrund und jede Einkommensverteilung ist gerecht (Wikipedia 2004a).
Neoklassik
Es stellt sich die Frage, ob diese mathematische Modellwelt die Realität zu
stark vereinfacht, insbesondere weil sie die Aspekte Gesellschaft und Umwelt weitgehend ignoriert (Krätke 1999).
Gesellschaftsbezogene Theorien
Die neoklassische Wohlfahrtsökonomie ist eine makroökonomische Technik
mit dem Ziel, sozialen Wohlstand zu maximieren. Es wird angenommen,
dass Wohlergehen gemessen und in kardinale Nutzenfunktionen umgeformt
werden kann. Zur Vereinfachung sind die Nutzenfunktionen aller Individuen
ähnlich. Aus der Summe der Nutzenfunktionen lassen sich dann Wohlfahrtsfunktionen ableiten (Word IQ 2004a).
Es kann hinterfragt werden, ob Nutzenfunktionen aussagekräftig sind.
Zudem werden untypische Nutzenfunktionen nicht berücksichtigt (Word IQ
2004a).
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Wohlfahrtsökonomie
Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Capability-Ansatz
Der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Capability-Ansatz von Amartya Sen
soll in Zukunft das BIP als Mass für Lebensqualität ersetzen. Bei der Capability ist der für das Individuum erreichbare Fähigkeitsraum entscheidend,
denn dieser beeinflusst die Freiheit und die Möglichkeiten einer Person.
Durch Fähigkeiten ist das eigene Wohlbefinden direkt entsprechend den
Wünschen des Einzelnen erreichbar (Sen 1992, 40). Dieses Mass ist allerdings noch nicht ausgereift und kann bis jetzt nicht systematisch erhoben
werden.
Umweltbezogene Theorien
Umweltökonomie
Die Umweltökonomie übernimmt die Annahmen der Neoklassik. Ihre Vertreter sind sich aber zusätzlich bewusst, dass Umweltgüter knapp sind und
versuchen ein nachhaltiges und tragfähiges Wachstum bereitzustellen (Pfahl
2000, 33ff.). Sie entwickelten die schwache Nachhaltigkeit, welche den
Erhalt des Gesamtkapitals bedingt. Es ist jedoch möglich, natürliches mit
menschlichem Kapital zu substituieren (Haberl 2003). Kritiker bemängeln vor
allem die neoklassischen Annahmen.
Ökologische
Ökonomie
Im Unterschied zur Umweltökonomie sieht die aus der "No Growth"-Bewegung hervorgegangene ökologische Ökonomie das Nutzungspotenzial der
Umwelt begrenzter. Daraus entstand die Theorie der starken oder strengen
Nachhaltigkeit. Diese betont, dass Naturkapital weder abnehmen darf noch
durch Humankapital ersetzbar ist (Haberl 2003; Mohr 1995, 25). Es ist unwahrscheinlich, dass die starke Nachhaltigkeit, zumindest bei den nichterneuerbaren Ressourcen, möglich ist. Es wird sogar hinterfragt, ob sie
überhaupt umsetzbar ist.
Fazit
Sowohl in den Umwelttheorien wie auch in den Gesellschaftstheorien lässt
sich folgende Entwicklung erkennen: Die Neoklassik ist mathematisch ausgeklügelt und kann viele Mechanismen erklären. Um die Komplexität zu
reduzieren sind Annahmen und Vereinfachungen notwendig, welche zunehmend auf Kritik stossen. Neue Konstrukte versuchen diese Probleme zu
lösen.
Auch in Hinsicht auf das Wachstum lassen sich diese zwei Positionen vermuten: Die neoklassische Ansicht, welche Wachstum als etwas grundsätzlich Gutes betrachtet und die kritische Seite, welche nicht berücksichtigte
Folgen hervorhebt.
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3 Wirtschaftswachstum
Das folgende Kapitel bezieht sich auf die Frage der Definition und Messung
des Wirtschaftswachstums. Zusätzlich wird eine Alternative zum exponentiellen Wachstum besprochen, das qualitative Wachstum. Zur Vertiefung
dienen die Fact Sheets 6, 7 und 9, ergänzend das Thema Nullwachstum,
Fact Sheet 8.
Was ist Wirtschaftswachstum?
„Unter Wirtschaftswachstum versteht man die relative Änderung der Wirtschaftskraft einer Volkswirtschaft von einer Periode zur nächsten." (Wikipedia 2004d)
Definition
Eine Zunahme der Wirtschaftskraft erfolgt durch Produktivitätssteigerung,
angekurbelt durch physisches Kapital (z.B. Maschinen), Humankapital (z.B.
Anzahl Erwerbstätige), natürliche Ressourcen (z.B. Uran) oder technisches
Wissen (z.B. Atomphysik) (Mankiw 2001, 532ff.).
Messung des Wirtschaftswachstums
Das Wirtschaftswachstum wird durch die Zunahme des Bruttoinlandprodukts
(BIP) gemessen. Das BIP ist „[…] der Geldwert aller Güter und Dienstleistungen, die im Inland produziert werden (minus Vorleistungen).“ (Guggenbühl
2004). Das BIP ist ein Mass für das Einkommen und die Ausgaben einer
Durchschnittsperson. Da die meisten Personen mehr Einkommen erzielen
wollen, wird zur Messung des Wohlergehens das BIP betrachtet (Mankiw
2001, 50ff.).
Bruttoinlandprodukt
Dort greift auch der erste Kritikpunkt an: Das BIP beinhaltet nicht alles, was
ein gutes Leben ausmacht. Es fehlen unter anderem die Aspekte Freizeit
und Umweltqualität (Mankiw 2001, 50ff.). Hinzu kommt, dass weder Eigenleistungen der Haushalte noch Schwarzarbeit miteinberechnet sind. Hingegen werden negative externe Effekte positiv berücksichtigt. Das BIP sagt
auch nichts über die Einkommensverteilung aus (Majer 1998, 20ff.).
Alternative Messgrössen für das Einkommen sind das Nettosozialprodukt
(NGNSP) und der Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW). Alternativen für das Wohlergehen sind der Human Development Index (HDI) oder
die Capabilities.
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Alternative
Messgrössen
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Qualitatives Wachstum
Von qualitativem Wirtschaftswachstum wird gesprochen, wenn die Zunahme
der Lebensqualität der Wirtschaftlichkeit sowie der Umwelt-, Sozial- und
Internationalverträglichkeit entspricht (Majer 1998, 203). Ziel ist es, nichterneuerbare Ressourcen immer weniger zu nutzen und erneuerbare Ressourcen nur soweit abzubauen, dass sie sich regenerieren können (Mohr
1995, 87). Qualitatives Wachstum entspricht meistens dem nachhaltigen
Wachstum.
Möglich wird dies, wenn „materielle Ressourcen und physikalische Arbeit
durch geistige Arbeit ersetzt werden: Wissen, Software, ersetzt Rohstoffe,
Energie und Zeit" (Mohr 1995, 89). Das Problem liegt darin, dass sich die
Ressourcenproduktivität nicht beliebig steigern lässt und nicht vollständig auf
Ressourcen verzichtet werden kann (Mohr 1995, 89).
Fazit
Obwohl das BIP zahlreiche Mängel aufweist, wird es nachfolgend weiterverwendet. Hauptsächlich, weil die meisten Alternativen noch nicht ausgereift sind und aufgrund der Datenlage für die meisten Studien Zeitreihenbetrachtungen und Ländervergleiche mit dem BIP durchgeführt wurden.
4 Auswirkungen auf die Gesellschaft
Der nachstehende Teil arbeitet drei Beziehungen zwischen Wirtschaftswachstum und den Schlüsselbereichen der Nachhaltigkeit heraus: Bildung
(Fact Sheet 10), Einkommen bzw. Einkommensverteilung (11) und Beschäftigung (12). Ergänzend die Berechnung des verfügbaren Einkommens und
die Messung von Armut, ungleicher Verteilung, Arbeitslosenquote, Erwerbslosenquote und Ausgesteuerte (13).
Bildung
Solow-Modell
Robert M. Solow ist der Begründer der neoklassischen Wachstumstheorie.
Sein Modell erklärt die Beziehung zwischen Bildung und Wachstum. Eine
positive Korrelation gilt als bewiesen, Unstimmigkeiten ergeben sich nur bei
der Frage nach der Kausalität (Wolf 2004).
Ausgangspunkt ist folgende Funktion:
Y = F(K,N)
Die Produktion (Y) ist eine Funktion von Kapital (K) und Arbeit (N), wobei die
beiden Faktoren durch technologisches Wissen effizienter gestaltet werden
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können. Die erforderlichen Erkenntnisse werden durch Bildung erreicht
(Blanchard und Illing, 2004, 45f.). Somit ist Bildung einerseits Auslöser von
Wachstum, andererseits entsteht durch das zusätzliche Geld auch die Möglichkeit und den Wunsch, sich eine Bildung zu finanzieren (Wolf 2004). Diese
Beziehung zeigen Gewwe und Jacoby (2004) am Beispiel Vietnam.
Skeptiker der Selbstregulierung des Marktes sind der Ansicht, dass das
zusätzliche Einkommen des Wirtschaftswachstums nur in Bildung investiert
wird, wenn Strukturen und Institutionen dafür sorgen (Ranis und Stewart
2000, 198ff.).
Einkommen
Das BIP ist per Definition ein Mass für das Einkommen. Es ist folglich einleuchtend, dass im Falle von Wirtschaftwachstum auch die Einnahmen zunehmen. Interessant ist die Frage, wer wie stark davon profitiert und wer
nicht.
Lange Zeit dominierte die Lehrmeinung, dass Ungleichheit von der Stufe der
Entwicklung abhängt: In der ersten Phase kommt ein neuer, produktiver
Sektor auf den Markt und beginnt den bisherigen abzulösen. Zwischen den
Sektoren herrscht eine grössere Ungleichheit als innerhalb. Die Verteilung
wird ungleicher. Nachdem die Mehrheit der Arbeitenden den Wechsel vollzogen hat, gleicht sich das Einkommen an. Diese Beziehung wird als Kuznetskurve bezeichnet und als umgekehrte U-Kurve dargestellt (Ferreira 1999,
3f.).
Kuznetskurve
Deininger und Squire (1998, 260ff.) falsifizierten diese These in den 90erJahren durch genaue empirische Analysen.
Die Forschung konnte keinen Zusammenhang zwischen Wachstum und
Ungleichheit beweisen. Die Armen werden bei der Verteilung nicht systematisch benachteiligt. Es sind jedoch grosse Unterschiede zwischen den
Staaten vorhanden, wobei auch hier die Strukturen von Politik und Wirtschaft
entscheidend sind. Wichtige Faktoren sind beispielsweise die Anfangsbedingungen (Deininger und Squire 1998, 261), das Ausmass des Wohlfahrtsstaates und des Wirtschaftsmechanismus. Auf diesem Gebiet ist weitere
Recherche und Forschung nötig.
Forschungsstand
Beschäftigung
Eine Wirtschaftskrise bekommen wir am schnellsten durch die steigende
Arbeitslosenrate zu spüren. Dieser Zusammenhang beschreibt das Gesetz
von Okun (Blanchard und Illing 2004, 58ff.).
Ungefähr lässt sich sagen, dass zwei Einheiten Veränderung des BIP mit
einer Einheit Veränderung in der Arbeitslosenquote einhergeht (Baltensberger 2004, 3). Unbekannt ist dabei die Richtung (Eisenhauer o.J.) Die
Beziehung lässt sich dadurch begründen, dass die Firmen mehr produzieren
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Gesetz von Okun
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können und darum Leute einstellen müssen. Die Beziehung wird
unterbrochen, wenn – bezogen auf das Solowmodell – Wirtschaftswachstum
nur durch technischen Fortschritt oder Kapitaleinsatz ermöglicht wurde. Es
müssen keine neuen Arbeitskräfte eingesetzt werden, dies bedeutet „Jobless
Growth“ (Freiburghaus 1998, 2).
Spezialfall Schweiz
Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass die Schweiz trotz niedrigem
Wachstum im Vergleich zu anderen Ländern eine niedrige Arbeitslosenrate
hat. Der Hauptgrund liegt darin, dass in der Schweiz ein flexibler Arbeitsmarkt herrscht. Flexibel heisst zum einen, dass die Leute bereit sind, einen
Job ausserhalb des Wohnortes oder mit geringerem Qualifikationsanspruch
anzunehmen, zum andern, dass der Arbeitnehmerschutz nicht so stark ist.
Fazit
Seitens der Gesellschaft können einige klare Beziehungen aufgezeigt werden, welche nicht grundsätzlich reflektiert werden. Doch wie auch bei der
Umwelt wird der Wachstumsglaube hinterfragt. Beispielsweise macht Daly
(2002) darauf aufmerksam, dass Armut relativ ist. Wachstum kann nicht das
relative Einkommen von allen erhöhen, das heisst es kann nicht jeder über
dem Durchschnitt leben. Da Wachstum auf Kosten der jetzigen Armen, der
Zukunft und den Tieren basiere, würden wir sogar ärmer werden (Daly,
2002). Hirsch (1977, 27ff.) wirft den Gedanken auf, dass der Kampf um
Positionsgüter – Güter die sich nicht vermehren lassen, darunter Luxus- und
Statusgüter – auch bei einem hohen Einkommensniveau bestehen bleibt.
Wachstum fördert also die Konkurrenz und nicht Lebensqualität.
Es stellt sich die Frage, ob der Schlüsselbereich Einkommen den Belangen
der Gesellschaft angepasst ist. Vielleicht ist ein möglichst hohes Einkommen
gar nicht erstrebenswert. Eine Auseinandersetzung mit der Beziehung
Reichtum und Lebensqualität oder Glück wäre interessant, wenn auch philosophisch anspruchsvoll.
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5 Auswirkungen auf die Umwelt
In diesem Kapitel werden die Auswirkungen des Wirtschaftswachstums auf
die Umwelt dargestellt, zuerst allgemein durch die Environmental Kuznets
Curve (Fact Sheet 14 und 15). Anschliessend erfolgt eine Betrachtung der
Schlüsselbereiche Flächenverbrauch (16), natürliche Ressourcen (17),
Energie (18) und Verkehr (19). Grundlegend werden drei Thesen vertreten:
Erstens, das Wirtschaftswachstum übersteigt die Tragfähigkeit des Ökosystems Erde und führt zu einer Senkung der Umweltqualität und Wohlfahrt.
Zweitens, höheres Einkommen führt zu einer erhöhten Nachfrage nach weniger material-intensiven Gütern und verbesserter Umweltqualität. Drittens, auf
einem tiefen Entwicklungsniveau ist die Umweltbelastung zwar hoch, nimmt
aber mit steigendem Einkommen ab (sog. Environmental Kuznets Curve)
(Panayotou 2003, 45f).
Allgemeine
Positionen
Environmental Kuznets Curve (EKC)
Die Kurve setzt voraus, dass auf tiefem Entwicklungsstand die Ressourcenbasis nur leicht beeinflusst wird. Danach steigt der Ressourcenverbrauch
während der Industrialisierung stark an. Durch den strukturellen Wandel zur
Dienstleistungsgesellschaft nimmt die Umweltdegradation schliesslich ab
(Panayotou 2003, 45f.).
Es wurden Wendepunkte der Kurven bei lokalen Verschmutzungen und
FCKW gefunden. Für allgemeinere Indikatoren sind die Ergebnisse unterschiedlich. Wenn die Verschmutzung global, langsam und unsichtbar ist, so
liegt der Wendepunkt meist bei hohem Einkommen (Panayotou 2003, 51).
Der Haushaltsabfall, im Gegensatz zu industriellem Müll, korreliert mit dem
BIP und es ist kein Wendepunkt ersichtlich, ausser bei politischen Massnahmen wie dem Grünen Punkt in Deutschland (Spangenberg 2001, 181ff.).
Es wurden verschiedene theoretische Untermauerungen dieses empirischen
Phänomens vorgenommen. Trotz vielen Studien ist die EKC nicht unumstritten und starker Kritik ausgesetzt. Von den drei allgemeinen Positionen
scheint sie in den Wirtschaftswissenschaften die populärste zu sein.
Flächenverbrauch
Zwar entsteht in der Schweiz durchschnittlich pro Sekunde 0.9 m2 neue
Siedlungsfläche (Bundesamt für Statistik BFS 2003, 26f.), aber eine mögliche Korrelation mit dem BIP kann aufgrund der Datenlage nicht gezeigt
werden (Bundesamt für Statistik BFS 1999; Spangenberg 2001, 183).
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Forschungsstand
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Andere Aspekte
Es existiert wesentlich mehr Literatur zur optimalen Urbanisierung (zum
Beispiel Henderson 2003). Zudem ist fraglich, inwiefern das Wirtschaftswachstum einen Einfluss auf den stark regulierten Bereich Raumplanung
hat. Zusätzliche Faktoren sind externe Kosten beim Flächenverbrauch wie
auch beim Verkehr, "Windfall Profits" (Gewinne ohne Wertschöpfung, zum
Beispiel durch Umzonungen), Problematik des öffentlichen Gutes, A-StadtProblematik und andere mit.
Natürliche Ressourcen
Empirische Daten unterstützen die EKC für Ressourcenverbrauch nicht. Die
signifikanteste Reduktion des Ressourcenverbrauchs in den letzten Jahrzehnten beruhte auf Energie-Einsparungen. Dies angesichts der Erdölkrise
in den 70er-Jahren und der zeitweiligen Angst vor zukünftigen Knappheiten
(Spangenberg 2001, 183f.). Diese Befürchtungen sind allerdings wieder
aktuell geworden (terroristische Anschläge in Saudi-Arabien, steigender
Ölpreis).
Wasserverbrauch
Beim Wasserverbrauch wurde die Existenz einer EKC gezeigt. Wasserverbrauch scheint vom Struktur- und Technikeffekt (mehr Innovation, bessere
Technologien) zu profitieren. Die Wendepunkte liegen bei einer Einkommenshöhe, welche die meisten entwickelten Regionen überschritten haben.
Allerdings gibt es Hinweise auf extrem ineffizienten Umgang mit Wasser,
sowohl in Entwicklungs- wie Industrieländern (Cole 2004, 3f.).
Erstaunlicherweise sind zu diesem Thema eher wenige Studien zu finden.
Eine vertiefende Recherche wäre spannend.
Energie
Eine Entkoppelung von industriellem Wachstum und Energieverbrauch fand
seit den 1970er-Jahren statt. Allerdings handelt es sich um keine absolute
Senkung, sondern der Energieverbrauch blieb in etwa konstant. Für einige
Länder ist keine Entkoppelung erkennbar, z.T. ist sogar eine Wiederankoppelung möglich (Spangenberg 2001, 183).
Verkehr
Zu Auswirkungen von Wirtschaftswachstum auf den Verkehr sind kaum
Quellen vorhanden. Zusätzlich finden verschiedene Kennzahlen Verwendung. Allfällige Verkehrsprobleme werden auf die externen Kosten des Verkehrs zurückgeführt.
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Fazit
Während einige Umweltbelastungen wie lokale Verschmutzungen eine EKC
aufweisen, trifft dies für andere wie Haushaltsabfälle nicht zu. Auch bei
anderen Untersuchungen scheinen die Resultate relativ länder- und stoffspezifisch.
Bei vermutlich indirekt mit dem Wirtschaftswachstum verknüpften Schlüsselbereichen wie Verkehr und Flächenverbrauch konnten nur wenige Quellen
gefunden werden. Die meisten Studien untersuchten mögliche Optimierungen.
Obwohl einige Studien deutliche Ergebnisse lieferten, wird auch bei diesen
die Auswahl der Untersuchungsobjekte und die verwendeten Modelle hinterfragt und kritisiert. Insgesamt sind die Folgen von Wirtschaftswachstum auf
die Umwelt umstritten. Eine Verallgemeinerung dürfte nicht möglich sein.
Zudem müssen weitere Faktoren wie Umweltpolitik stärker miteinbezogen
werden.
6 Abschliessende Bemerkungen
In der theoretischen Diskussion lassen sich zwei Positionen feststellen: Auf
der einen Seite die Wachstumsgläubigen, für die Wirtschaftswachstum neue
Möglichkeiten eröffnet und negative Effekte verringert. Auf der anderen Seite
die Wachstumskritiker, welche die Nachteile gegenüber dem Fortschritt als
gravierender einschätzen. Empirisch ist feststellbar, dass Wirtschaftswachstum bei den gesellschaftlichen Schlüsselbereichen der Nachhaltigkeit zwar
durchaus positive Effekte hat, jedoch nicht alle Umweltprobleme lösen kann.
Politische Massnahmen und gesellschaftliche Wertevorstellungen bestimmen letztlich, ob Wachstum als positiv empfunden wird.
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Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
8 Anhang: Fact Sheets
Fact Sheet 1
Wirtschaftstheorien: Neoklassik (1)
Historischer
Kontext
Veränderungen im politischen Klima führten zur Schwäche der Klassik,
Widerspruch zwischen Arbeitern und Kapitalisten entstand. Deshalb waren
ablenkende Theorien erwünscht. Neoklassik ist die Theorie des aufsteigenden
Bürgertums und eine gesellschaftliche Widersprüche leugnende Sozialtechnik
(Novy 2004a).
Es handelt sich um eine Familie von Theorien (Analyse von Märkten im
Gleichgewicht), welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden
und die Klassik ablösten. Sie dominierten bis zum Keynesianismus (Wikipedia
2004a).
Der Keynesianismus entstand in den 1930er-Jahren, durch John Mayard
Keynes, aufgrund des ersten Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise. Sie
fordert eine aktive Wirtschaftslenkung durch den Staat. In den letzten
Jahrzehnten gelangte der Keynesianismus vermehrt in die Kritik (Wikipedia
2004b).
Heute ist die Neoklassik wieder das dominante Paradigma der Wirtschaftswissenschaften (Mainstream, Orthodoxie). Die Ökonomie ist dabei eine
Methode der Optimierung, nicht ein abgeschlossenes System. Sie ist auf die
gesamte Gesellschaft anwendbar (Novy 2004b).
Die Neoklassik wurde geschaffen, um mit der Klassik und ihrer Kritik aufzuräumen. Keynes' spätere Kritik betraf nur Teilaspekt der Neoklassik. Seine
Kritik wurde später "integriert" (kurzfristig keynesianisch, langfristig erholt sich
der Markt selbst). Die Neoklassik orientiert sich an den Naturwissenschaften
(Mathematik) (Krätke 1999).
Ziele
Stand 01.09.2004 9:14
Voraussetzungen herzustellen, dass gleichgewichtiges Wachstum möglich
ist, d.h. Märkte sind im Gleichgewicht und finden bei Störungen wieder dazu
zurück. Im Zentrum der Analyse, auch bei erweiterten Modellen, steht der
gewinnmaximierende Unternehmer (Majer 1998, 32ff.).
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Annahmen
Methodologischer Individualismus
Methodischer Zugang, Betrachtung der Individuen als gegeben, wie "Pilze
aus dem Boden geschossen", rational und erwachsen, homo oeconomicus.
Beschäftigung nur mit den Strukturen (gegebene Präferenzen) (Novy 2004c).
Der homo oeconomicus
Kosten vs. Nutzen, Gewinnmaximierung als höchstes individuelles Ziel.
Mensch als "perfekte Maschine", aber Menschen sind nicht perfekt genug
(z.B. fehlende Information). Deshalb ein Vorbild, an dem sich immer mehr
Menschen orientieren, auf alle Felder menschlichen Handelns anwendbar
(Novy 2004d).
Die Rolle des Staates
Staat für Neoklassiker lediglich für innere und äussere Sicherheit und Rechtsprechung ("Nachtwächterstaat"). Reine öffentliche Güter sind für die Neoklassiker relativ selten, viele können durch Märkte organisiert werden (Majer
1998, 69f.).
Thesen
Zentrale Thesen (Wikipedia 2004a):
• Ausgrenzung der Politik aus der Ökonomie.
• Paradigma ist der Tausch. Frage nach der optimalen Verteilung (Allokation)
von knappen Ressourcen.
• Jede Einkommensverteilung ist gerecht, entspricht der zugrunde liegenden
Produktivität.
• Grenznutzentheorie (Grenznutzen entscheidet über Verteilung).
• Logik und Mathematik, statisch vergleichend, nicht historisch.
• Markt ist im Gleichgewicht, Störungen sind exogen.
Methoden
Mathematik (z.B. ökonometrische Modellierungen, Statistik, Maximierungsberechnungen).
Kritik
Normativität der Neoklassik wird kritisiert, kein Bezug zur Realität vorhanden,
Kritik an den Annahmen und der Methodologie. Es handle sich um eine mathematische Modellwelt, die sich der Empirie entzieht, aber gleichzeitig Einfluss ausübt. Imperialismus und Ökonomisierung durch die Neoklassik. Die
Gültigkeit der Neoklassik sei eine Machtfrage (Krätke 1999).
Neoklassischer Ansatz entzieht sich der empirischen Überprüfbarkeit, wird
explizit als Modell für gleichgewichtiges Wachstum ausgewiesen. Dennoch,
wachstumspolitisches Paradigma durch neoklassische Theorie begründet
(Majer 1998, 41).
Neoklassik verwendet mathematische, lineare und umkehrbare UrsacheWirkungsbeziehungen. Wirkungsanalyse allerdings nur beim technischen
Fortschritt. Wirkungen auf Ökologie und Gesellschaft unbeachtet (Majer 1998,
58).
Methodologische Mängel: Rückkoppelungen (Nicht-Linearität) nicht untersucht, statischer Ansatz kann nicht evolutorische Prozesse aufzeigen (Majer
1998, 58).
Ausgrenzung von Politik und Gesellschaft mittel- und langfristig nicht sinnvoll, da sich diese mit den ökonomischen Institutionen verändern. Neoklassik
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
wendet ihre Methoden, obwohl unbestritten nützlich in vielen Fällen, auf alle
Lebensbereiche an. Wachstumsanalyse muss auch Strukturanalyse (z.B.
Verteilfrage) sein, da Wachstum auch Strukturen verändert. Qualitative
Methoden müssen gefunden werden für nicht messbare Fragen, da auch
diese existent sind (Majer 1998, 69f.).
Beim Wachstum werden die biophysischen Grenzen nicht beachtet, v.a. der
zweite thermodynamische Hauptsatz, das Entropiegesetz. Bei jeder EnergieNutzung nimmt die Entropie zu. Dies setzt dem Recycling Grenzen. Früher
wurden die Kosten für die zunehmende Entropie von der Sonne getragen
(bäuerliche Wirtschaft), heute auch von der Umwelt der Erde (Daly 1999, 54ff.;
Daly 1999, 251ff.).
Erklärung des Entropiegesetzes sowie des ersten thermodynamischen
Hauptsatzes auch bei Frey (1993, 18f.).
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Die Neoklassik ist wieder eine sehr einflussreiche, auf weiten Teilen normative
Theorie, die sich zwar auf theoretische Modelle zurückzieht, aus diesen dann
aber dennoch Empfehlungen ableitet. Die Grundlagen dieser Theorien sind
nicht besonders fundiert und wackeln teilweise (z.B. Homo Oeconomicus).
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 2
Gesellschaftsbezogene Theorien: Wohlfahrtsökonomie (2)
(Welfare Economics)
Historischer
Kontext
Die Wohlfahrtsökonomie entstand zum Teil aus dem normativ-philosophischen Ansatz des Utilitarismus.
Der Utilitarismus bedeutet die „Erhebung der Nützlichkeit zum Bewertungskriterium der sittl. Qualität einer Handlung (Nützlichkeitsprinzip); entscheidend ist
dabei ihr Beitrag zum größtmögl. Glücks einer größtmögl. Anzahl von Menschen.“ (LexiROM 1997)
Die Ökonomie verbannte aus diesem Begriff alles, was nicht mathematisch
beschrieben werden konnte. Einige Vertreter erhoben den Anspruch, Normativität auszuklammern. Daraus folgte, dass sich die Ökonomie auf Konsum
und Erwerb beschränkte (Clarenbach 1999).
Ziele
Makroökonomische Technik mit dem Ziel, sozialer Wohlstand zu maximieren
(Word IQ 2004a).
Annahmen
1. Individuen können am besten über ihr Wohlergehen bestimmen (Word IQ
2004a).
2. Menschen bevorzugen mehr gegenüber weniger Wohlergehen (Word IQ
2004a).
3. Wohlergehen kann gemessen werden (Geld oder relative Präferenz) (Word
IQ 2004a).
Thesen
Neoklassisch (Pigou, Bentham, Sidgwich, Edgeworth, Marshall): Es wird
davon ausgegangen, dass jedes Gut einen abnehmender Grenznutzen hat
und kardinal skaliert werden kann. Zusätzlich besitzen alle Individuen eine
ähnliche Nutzenfunktion. Aus der Summe der Nutzenfunktionen lässt sich
eine Wohlfahrtsfunktion ableiten (Word IQ 2004a). „Wohlfahrt ist ... der
Inbegriff der Ziele, die tatsächlich erstrebt oder verwirklicht werden sollten. Die
genaue Definition dieser Ziele und ihre relative Bedeutung im Rahmen des
Zielbündels ist gleichbedeutend mit der Aufstellung einer (Wohlfahrts-, d.
Verf.) Funktion, die es zu maximieren gilt." (Giersch in Lorenz 1988) Es gibt
verschiedene Wohlfahrtsfunktionen, beispielsweise die individuelle Wohlfahrtsfunktion, welche auf den Nutzen des Konsumenten eingeht (Lorenz
1988).
Pareto verwirft das Prinzip des kardinalen Nutzens und führt den ordinalen
Nutzen ein. Ordinaler Nutzen kann aber nicht verglichen werden. Dies führt
zum Konzept des paretianischen Optimierungskalküls: Eine Situation ist
nur dann optimal, wenn der zusätzliche Nutzen des einen nicht mehr
möglich ist, ohne dass ein anderer eine Abnahme des Nutzens erfährt.
Somit müssen keine Vergleiche erstellt werden, sondern eine Feststellung von
Zu- oder Abnahme aller Nutzen genügt (Screpanti in Novy 2004e).
Methoden
Stand 01.09.2004 9:14
Einerseits bezieht sich die Wirtschaftswissenschaft auf die ökonomische Effizienz – "Grösse des Kuchens". Die Vorgehensweise ist positivistisch und fern
von Normativität. Andererseits entstand eine philosophische Richtung, welche
sich mit der Einkommensverteilung, also die "Aufteilung des Kuchens", beschäftigt (Word IQ 2004a).
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Kritik
Kritik an der neoklassischen These: Zweifel, ob eine Nutzenkurve überhaupt
aussagekräftig ist und ob verschiedene Kurven richtig aggregiert werden
können. Zudem werden untypische Nutzenfunktionen ignoriert. Vorschlag zu
anderen Messarten von Wohlstand, ohne Preisangabe (Word IQ 2004a).
Kritik am Pareto Prinzip: John Rawls entwickelt eine strengere Ansicht über
Nutzenverteilung. Er entwirft das Differenzprinzip, das aussagt, dass soziale
und wirtschaftliche Ungleichheiten so geregelt werden sollten, dass sie den
am schlechtesten Gestellten den grössten Vorteil bringen (Wikipedia 2004c,
überprüft mit den Vorlesungsunterlagen der politischen Philosophie, Auszug
aus Originaltext "Theorie der Gerechtigkeit“, Kapitel 1-4, 11, 12, 17).
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Hinter der Wohlfahrtsökonomie steckt eine Methode, welche durch Rechnen
mit aggregierten Nutzenfunktionen das Gemeinwohl zu maximieren versucht.
Kritisiert wird einerseits die Methode selbst, d.h. ob eine Nutzenfunktion überhaupt aufgestellt werden kann, andererseits die Bewertung, dh. wann etwas
den grössten Nutzen hat.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 3
Gesellschaftsbezogene Theorien: Capability-Ansatz (3)
Historischer
Kontext
Die Mängel der öffentlichen Wohlfahrtstheorie und die Begrenztheit des
Einkommens führten zur einer neuen Theorie, welche die Verteilungsfrage
von einem anderen Blickwinkel betrachtet: Capability (Bojer 2004, 2).
Kurze Einführung in die öffentliche Wohlfahrtstheorie (Social Welfare Theory):
Das Ziel ist soziale Gerechtigkeit und gerechte Verteilung, welche mit Massnahmen des Staates zu gewährleisten sind. Folgende Bereiche sollten reguliert werden: 1. Sparentwürfe, 2. Versicherung, 3. Pensionskasse, 4. Tiefe
Pflegekosten, 5. Schulbildung und Stipendien, 6. Beschäftigungsangebote für
benachteiligte Menschen und 7. Sozialhilfe und Invalidenrente (Word IQ
2004b).
Ziele
Mass für Lebensqualität entwickeln, welches das BIP in diesem Bereich ersetzt. Verwendung findet dieses Mass bei Theorien der gerechten Verteilung.
Annahmen
Fähigkeiten sind unabhängig von den Präferenzen des Individuums. Der Einzelne allein bestimmt was ihm wichtig ist und wie er leben will. Der Staat soll
nicht das Wohlergehen der Bürger sichern, sondern die Fähigkeiten fördern,
die eigenen Ziele zu verwirklichen (Bojer 2004, 2).
These
Das Mass für die Lebensqualität ist Capability (Fähigkeit, Talent). Capability
macht den Anteil der erreichbaren Positionen aus und bestimmt den Freiheitsraum einer Person.
Durch Fähigkeiten kommt ein Mensch zu „functionings“, Funktionen, welche
das Wohlbefinden beeinflussen.
Einige Fähigkeiten führen aber auch direkt zu Wohlgefühl, zum Beispiel die
Fähigkeit zu wählen.
Diese Idee kann mit einem Vektorensystem verglichen werden:
Sämtliche Functionings
Capability-Set
Individuell erreichbare Functionings
Die gelben Punkte stehen für alle Functionings, die roten für die individuell
realisierbaren. Die Vektoren zwischen den roten Punkten spannen einen
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Freiheitsraum auf, das Capability-Set. Das Individuum entscheidet selbst, wie
es diesen Möglichkeitsraum nutzen will.
Im Gegensatz zu den Theorien der primären Güter (Rawls) oder der Ressourcen (Dworkin) wie auch des BIP, welche nur Instrumente für das Wohlbefinden sind, steht der Ansatz der Capibilities für die Freiheit, das eigene Wohlbefinden (direkt) zu erreichen.
Im Unterschied zum Utilitarismus ist Sein und Handeln nicht nur Mittel, sondern auch Ziel. Dadurch soll das Lebenswerte umfassender erfasst werden
(Sen 1992, 40).
Methoden
In erster Linie ist es im Capability-Ansatz wichtig, „value objects“, Wertmerkmale, festzulegen und zu bewerten, darum werden philosophische Ansätze im
Vordergrund stehen.
Kritik
Keine gefunden.
Fazit
Der Fähigkeit wird oberste Priorität gegeben. Dies hat Auswirkungen auf die
Verteilungsfrage, welche mit dem Capability-Ansatz von einer anderen Seite
betrachtet werden muss.
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 4
Umweltbezogene Theorien: Umweltökonomie (4)
(Environmental Economics)
Historischer
Kontext
Auf dem neoliberalen Ansatz basierend (Pfahl 2000, 31).
Vorläufer in diversen ökonomischen Disziplinen (ökonomische Klassik, Neoklassik und Wohlfahrtsökonomie, Finanzwissenschaft und Theorie der Wirtschaftspolitik, Property-Rights-Theorie, Ressourcenökonomie, Institutionalisten) (Frey 1993, 3ff.).
Drei Teilbereiche (Frey 1993, 3ff.):
• Umwelttheorie (Ursache-Wirkungsanalyse der Umweltproblematik).
• Umweltpolitik (Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten).
• Übertragung der Erkenntnisse auf einzelne Problembereiche, verschiedene
Werte möglich (theozentrisch, ökozentrisch, pathozentrisch, anthropozentrisch).
Auch Interesse der Menschen an einer intakten Umwelt heute berücksichtigt
(Frey 1993, 3ff.).
Ziele
Nachhaltiges, tragfähiges Wachstum. Tragfähigkeitskriterien aus den traditionellen Kategorien der Externalitäten. Optimale Gestaltung ökonomischer
Anreizsysteme, Verbesserung staatlicher Regulationsmechanismen. Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch. Verstärkte Umleitung von Wachstumsgewinne in nachsorgende Umweltpolitik (Pfahl 2000,
33ff.).
Annahmen
Neoklassische Annahmen, häufig auch implizit.
Thesen
Von der Cowboy- zur Raumschiff-Ökonomie: Umweltgüter entwickeln sich
zu knappen Gütern, Betrachtung als geschlossenes interdependentes System
Wirtschaft-Umwelt (Frey 1993, 14ff.).
Schwache Nachhaltigkeit: Gesamtkapital darf nicht reduziert werden, aber
Naturkapital und menschgemachtes Kapital substituierbar (Haberl 2003).
Probleme der Bewertung und Monetarisierung von Umwelt- und Sozialkosten, BIP-Wachstum kann wohlfahrtsneutral oder kontraproduktiv sein (Haberl
2003).
Methoden
Neoklassische Methoden.
Nachhaltigkeitsindikatoren: Grüne volkswirtschaftliche Gesamtrechnung,
Defensivkostenrechnung, Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW)
(Haberl 2003).
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Kritik
Allgemein, dass neoklassische Annahmen zugrunde liegen, dass Problem
nur die fehlenden Eigentumsrechte und fehlenden Internalisierung von externen Kosten sind. Nur Systemkorrekturen notwendig, nicht Systemwechsel.
Faktoren wie Gleichberechtigung, Ausbildung, Bürger- und Menschenrechte
werden nicht berücksichtigt beim tragfähigen Wachstum (Pfahl 2000, 33ff.).
In der tragfähigen Wachstumsgleichung erscheinen nur negative Umweltexternalitäten, die im ökonomisch-gesellschaftlichen Prozess wahrgenommen werden (Pfahl 2000, 33ff.).
Das Wachstum an sich wird nicht in Frage gestellt (Pfahl 2000, 33ff.).
Fazit
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Die Umweltökonomie eignet sich gut, um Fehler wie Marktversagen anzugehen. Allerdings stellt sie das Wachstumsparadigma nicht in Frage.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 5
Umweltbezogene Theorien: Ökologische Ökonomie (5)
(Ecological Economics)
Historischer
Kontext
Auch Ökologische Umweltökonomie, z.B. bei Pfahl (2000, 29).
Entstanden aus der "No Growth"-Bewegung. Schattendasein, da ihre Leitmotive dem vorherrschenden ökonomischen Ansatz widersprechen. Diese
Motive zielen zudem auf die Forderung nach persönlicher Einschränkung ab
(Pfahl 2000, 29).
Ziele
Verminderung der Unsicherheit über Wirkungen von ökonomischen und
umweltpolitischen Reaktionen, Reduktion der Ignoranz gegenüber dem realen
Umweltzustand (Costanza 1989, 3).
Leitmotive (The Group of Green Economists 1992, 3):
1. Auf Selbstversorgung ausgerichtete wirtschaftliche Entwicklung.
2. Ökologisches Gleichgewicht als Richtwert.
3. Solidarität und gleiche Ausgangsbedingungen für Entwicklungsmöglichkeiten.
4. Demokratisierung der Weltwirtschaft und der Schutz der Menschenrechte.
Annahmen
Wachstum ist selbst mit technologischem Fortschritt nicht grenzenlos möglich.
Mögliche implizite Annahmen (z.B. Menschenbild).
Thesen
Starke Nachhaltigkeit: Naturkapital darf nicht abnehmen, nicht substituierbar
mit menschgemachtem Kapital (Haberl 2003).
Strenge Nachhaltigkeit: "Jede Generation soll einen Pro-Kopf-Vorrat an
natürlichem Kapital erben, der nicht kleiner ist als der, den die vorangegangene Generation geerbt hat." (Mohr 1995, 25).
Kann bei erneuerbaren Ressourcen gelten, nicht aber bei nicht-erneuerbaren, da dieses Kapital bei Verwendung abnimmt. Weil unsere Ökonomie auf
nichterneuerbare Ressourcen angewiesen ist, nur Postulat einer eingeschränkten Nachhaltigkeit möglich (Mohr 1995, 25).
Methoden
Mathematik, Systemmodellierungen.
Nachhaltigkeitsindikatoren: Ökologischer Fussabdruck, Materialflussrechnung, HANPP. Grundidee: Nachhaltige Entwicklung kann nur über Analyse
der physischen Interaktionen Ökonomie/Umwelt verstanden werden (Haberl
2003).
Kritik
Allgemein, dass starke Nachhaltigkeit nicht umsetzbar ist.
Leitmotive sehr vage, mit vielen Unbekannten (Pfahl 2000, 29).
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Relativ klare Ziele, aber etwas undeutliche, z.T. kaum realisierbare Umsetzung der normativen Forderungen. Sind heute die einzigen Ökonomen, die
das Wachstum anzweifeln.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 6
Wirtschaftswachstum: Einführung (6)
Definition
"Unter Wirtschaftswachstum versteht man die relative Änderung der Wirtschaftskraft einer Volkswirtschaft von einer Periode zur nächsten."
(Wikipedia 2004d)
Nominales Wirtschaftswachstum: Preiserhöhung, Produktivitätssteigerung
und Wertschöpfung (Wikipedia 2004d).
Reales Wirtschaftswachstum: Inflationsbereinigt (Wikipedia 2004d).
Ursachen
Produktivität: "the amount of goods and services produced form each hour of
a worker's time" (Mankiw 2001, 533). Lebensstandard und Wachstum sind
abhängig von der Produktivität (Mankiw 2001, 532ff.).
Determinanten der Produktivität: Physisches Kapital, Humankapital, natürliche Ressourcen, Technologie-Wissen (Mankiw 2001, 532ff.).
Weitere Einflussfaktoren der Produktivität: Sparquote, Investitionen, abnehmende Grenzerträge, Aufholeffekt, Investitionen vom Ausland, Ausbildung,
Eigentumsrechte, politische Stabilität, Freihandel, Kontrolle des Bevölkerungswachstums, Forschung und Entwicklung (Mankiw 2001, 532ff.).
Wachstumsmotoren: Keine Sättigung (nachfragerseitig), technologische und
technische Fortschritt (angebotsseitig), Investitionen (indirekt angebotsseitig)
(Majer 1998, 34ff.).
Mechanismen zur Verhinderung von Sättigung (Majer 1998, 34ff.):
• Innovation.
• Gütersubstitution.
• "Aufstieg" in neue Bedarfsfelder durch Einkommenssteigerungen.
• Wertewandel.
• Bevölkerungswachstum.
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Quelle: Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD (2002, 16).
Grenzen?
Computersimulation ergibt folgendes Ergebnis: "Unser Bevölkerungs- und
Produktionswachstum ist ein Wachstum zu Tode.” Schnelle Änderung der
Gewohnheiten wird proklamiert (Geburtenkontrolle, Wiederverwendung des
Abfalls, erneuerbare Energien) (Meadows et al. 1973, "Zu diesem Buch”).
Eine Re-Analyse mit dem leicht modifizierten Computerprogramm. Grenzen
der Nutzung vieler natürlicher Ressourcen sind auf lange Sicht schon erreicht,
auch der Schadstoffausstoss kann nicht mehr abgebaut werden. Aufruf zur
Veränderung der Gesellschaft, welche langfristige und kurzfristige Zielvorstellungen unterscheidet sowie gerechte Verteilung und Vorsorgung in den Vordergrund setzt (Meadows, Meadows und Randers 1992, 13).
Ist Wachstum durch natürliche Ressourcen beschränkt? Dagegen sprechen
technologischer Fortschritt (weniger Ressourcenverbrauch), Recycling,
Substitution. Preise der meisten natürlichen Ressourcen sind stabil oder fallen, keine Anzeichen einer stärkeren Knappheit (Mankiw 2001, 536f.)
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Relativ gut erforschte Ursachen des Wirtschaftswachstums. Einige Simulationen zeigen die Grenzen des Wachstums auf.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 7
Wirtschaftswachstum: Messung (7)
Instrument
Wirtschaftswachstum wird hauptsächlich durch die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gemessen.
Bruttoinlandprodukt (BIP)
Bruttoinlandsprodukt = "[…] Geldwert aller Güter und Dienstleistungen, die
im Inland produziert werden (minus Vorleistungen)." (Guggenbühl 2004)
Verwendungsrechnung: Summe der Konsumausgaben, Investitionsausgaben, Ausgaben des Staates für Güterkäufe sowie Exporterlöse minus Importausgaben (Nettoexporte) (Wikipedia 2004e).
Nur Summe der in Geld beglichenen Leistungen, nicht Nutzen. Nicht geeignet
für Messung des Wohlstands und Lebensqualität. Zu diesem Zweck z.B. Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW) (Wikipedia 2004e).
Drei Berechnungsansätze (Produktion, Verwendung und Einkommen)
(Bundesamt für Statistik BFS 2004).
Gross domestic product (GDP): "the market value of all final goods and
services produced within a country in a given period of time" (Mankiw 2001,
496).
Das BIP sagt etwas über Einkommen und Ausgaben der Durchschnittsperson aus. Da die meisten Personen mehr Einkommen erzielen und mehr
ausgeben möchten, wird das BIP als natürliches Mass für wirtschaftliches
Wohlergehen betrachtet (Mankiw 2001, 504ff.).
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Kritik
Mängel des BIP: Beinhaltet nicht alles, was ein gutes Leben ausmacht. Beispielsweise Freizeit, den Wert aller aussermarktlichen Aktivitäten (insbesondere Arbeit zuhause), Umweltqualität. Sagt auch nichts aus über Einkommensverteilung (Mankiw 2001, 504ff.).
Zwei Hauptschwächen: Nichtberücksichtigung sozialer Kosten (Schädigung
der Umwelt), öffentliche Haushalte als Fremdkörper (da zu Marktpreisen, obwohl kein Markt vorhanden) (Bombach 1972, 44f.).
Absolutes Wachstum des BIP nach anderen Messmethoden wahrscheinlich
höher, aber schlechte relative Position der Schweiz zu anderen Ländern bleibt
(seco 2002, 7f.)
Umwelt- und Sozialfolgekosten werden im BIP positiv verbucht (qualityDatenbank Klaus Gebhardt e.K. 2003).
Index of Sustainable Economic Development (quality-Datenbank Klaus
Gebhardt e.K. 2003):
• Erfassung der im Haushalt erbrachten Leistungen.
• Soziale und ökologische Defensivkosten abgezogen.
• Korrekturposten für die Nachhaltigkeit.
• Verteilung von Arbeit und Einkommen wohlstandsrelevant und Miteinbezug
derselben.
Sozialprodukt bestimmt durch (Majer 1998, 20ff.):
• Beschränkung auf materielle Güter und Dienstleistungen, die über Märkte
laufen.
• Bewertung mit Marktpreisen, öffentliche Güter werden mit Kosten grob angenähert.
• fehlende Berücksichtigung des privaten Haushaltssektors, welcher in einer
Gesellschaft mit viel Freizeit nicht unbedeutend ist.
Unzulänglichkeiten des Sozialprodukts (Majer 1998, 20ff.):
• Nur über Märkte erfasste Güter, Schattenwirtschaft nicht berücksichtigt.
• Bewertung mit Marktpreisen. Marktpreise widerspiegeln Wertschätzung nur
wider, wenn Märkte vollkommen sind. Dies trifft auf die allermeisten Märkte
nicht zu.
• Eigenleistungen der Haushalte werden nicht miteinbezogen. Diese liegen
zwischen 40 und 60% des BSP.
• Zeitallokation, insbesondere Freizeit, wird nicht erfasst.
• Einkommensverteilung wird weder erfasst noch bewertet.
• Umweltqualität und Irreversibilitäten werden nicht berücksichtigt.
• Bei der Infrastruktur wird nicht der entscheidende, notwendige Gesamtbestand erfasst, sondern nur die Zuwachse.
Falsche Messung (Majer 1998, 20ff.):
• Öffentliche Leistungen zu Herstellungskosten bewertet, nicht nach Nutzen.
• Viele öffentliche Leistungen sind Inputs, werden aber als Outputs gemessen.
• Negative externe Effekte führen zu Sozialkosten. Diese werden als Wohlfahrtssteigerung erfasst.
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Alternative
Instrumente
(Beispiele)
Vorschlag: Anpassung des Nettosozialprodukts (Bruttosozialprodukt minus
Abschreibungen).
Nachhaltiges,
gesellschaftliches
Nettosozialprodukt
(NGNSP): Nettosozialprodukt minus defensive Ausgaben minus Abschreibung
des natürlichen Kapitals. Dadurch entsteht kein Verlust der historischen Kontinuität und Vergleichbarkeit (Daly 1999, 137ff.).
Es geht dabei nur ums Einkommen nach Hicks (maximal möglicher Konsum
in einer Periode, ohne langfristig zu verarmen), nicht um Wohlfahrt (Daly
1999, 137ff.).
Entwicklung des Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW). Aber
auch willkürliche Auswahl wie volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Wohlfahrt
stieg nach ISEW seit den 1970er-Jahren nicht mehr, trotz BIP-Wachstum.
ISEW hat ebenfalls Mängel, Grenze von Zahlen (Daly 1999, 137ff.).
Der ISEW berücksichtigt "die unbezahlte Arbeit als Pluspunkte, macht Abzüge
für Arbeitslosigkeit, Unfälle sowie den Verbrauch natürlicher Ressourcen und
gewichtet auch die Verteilung der Einkommen nach dem Muster ‚je ungleicher, desto negativer’." (Guggenbühl 2004, 23)
Erwägung, BIP abzuschaffen, durch andere Indikatoren zu ersetzen (Daly
1999, 161).
Human Development Index (HDI), Aspekte von Entwicklung (UNDP 2004,
128):
1. Gesundes und langes Leben (gemessen an Lebenserwartung).
2. Bildung (gemessen an Einschulungsrate sowie Lese- und Schreibfähigkeit).
3. Mindestmass an Lebensstandart (Kaufkraft).
Wichtige Aspekte fehlen: Partizipationsmöglichkeit am öffentlichen Geschehen, Selbstbestimmung sowie kulturelle Freiheit.
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Das BIP ist wohl der meistverwendete ökonomische Indikator. Dennoch weist
er gravierende Mängel auf, die zunehmend an Relevanz gewinnen dürften.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 8
Wirtschaftswachstum: Nullwachstum (8)
Definition
Nullwachstum bedeutet kein Wirtschaftswachstum.
Ziele
Stopp der negativen Folgen des Wirtschaftswachstums.
Annahmen
Wirtschaftswachstum hat zu weit reichende negative Folgen.
These
Nullwachstum bedeutet nicht gesellschaftlichen Stillstand (Mishan 1980, 103).
Argumente gegen Wirtschaftswachstum
1. Zerstörung der Umwelt und der Ressourcen (Bombach 1972, 42).
2. Sinnlosigkeit durch erreichte oder bald erreichte Sättigungsziele (Bombach
1972, 42).
3. Die technologischen Entwicklungen bergen mögliche technische und
gesellschaftliche Risiken, die zum Teil nicht durchschaubar sind und in
wachstumspoltischen Entscheidungen nicht zum Tragen kommen (Majer
1984, 18).
4. Konzentration der Entscheidungs- und Ausführungsmacht, einerseits in
ökonomischer Macht, andererseits durch Einfluss der Expertengremien
(Majer 1984, 18).
Mehr Schaden als Nutzen vertreten folgende, noch nicht betrachtete Autoren
(Islam, Munasinghe und Clarke 2002, 151): Daly und Cobb (1990); Jackson
und Marks (1994); Diefenbacher (1994); Rosenberg und Oegema (1995);
Hamilton (1998); Islam (1998).
Methoden
Stand 01.09.2004 9:14
Keine Angaben.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Kritik
Argumente für Wirtschaftswachstum (eher alte Literatur)
Majer (1984, 19):
1. Es entstehen neue Lebenschancen und Freiheitsspielräume für den
Einzelnen.
2. Wirtschaftswachstum steigert den materiellen Wohlstand bei den unteren
Einkommensschichten, ohne dass eine Umverteilung nötig ist.
3. Vollbeschäftigung soll erreicht werden.
4. Wirtschaftswachstum fördert gesellschaftliche und politische Stabilität.
5. Bedingung für erfolgreiche Reformpolitik, vor allem auch deren Finanzierung.
Mohr (1995, 84ff.):
1. Nachholbedarf an Wohlstand in weiten Teilen der Welt.
2. Reparaturen und Verbesserung an Umwelt und Organisationen.
3. Fähigkeit zu Innovationen und Strukturwandel, politische und ökonomische
Flexibilität.
4. Wachstum, Präferenz für technische und soziotechnische Innovationen als
Kern des ökonomischen Prozesses.
Nullwachstum führt gezwungenermassen auch zum Ende des gesellschaftlichen und politischen Fortschritts (Stasser 1977).
Fazit
Die Meinung, dass Nullwachstum zu Einschränkung der politischen Freiheiten
sowie Bremsung des gesellschaftlichen Fortschritts führt, setzt sich durch.
Deshalb soll Wirtschaftswachstum auch politisch gefördert werden.
Da keine neuere Literatur gefunden wurde, kann davon ausgegangen werden,
dass dieser Gedanke durch die Idee des qualitativen Wachstums verdrängt
wurde.
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 9
Wirtschaftswachstum: Qualitatives und nachhaltiges Wachstum (9)
Definition
Der Bericht der Legislaturplanung der Schweiz von 1987 bis 1991 beschreibt
qualitatives Wachstum als "nachhaltige Zunahme der gesamtwirtschaftlichen
und pro Kopf der Bevölkerung erreichten Lebensqualität, die mit geringerer
oder zumindest nicht zunehmender Umweltbelastung erzielt wird"
(Binswanger 1990, 23).
„Qualitatives Wachstum liegt dann vor, wenn die Strukturveränderungen der
Lebensqualität das Zielquartett WUSI (Wirtschaftlichkeit, Umwelt-, Sozial- und
Internationalverträglichkeit) erfüllen.“ (Majer 1998, 203)
Nachhaltiges Wachstum wird oft mit qualitativem Wachstum gleichgesetzt.
Ziele
Nicht erneuerbare Ressourcen sollen immer weniger genutzt werden, Umweltbelastung soll abnehmen (Mohr 1995, 89).
Erneuerbare Ressourcen werden nur soweit genutzt, dass sie sich ständig
regenerieren können (Mohr 1995, 89).
Annahmen
1. Kein Ausstieg aus der wachstumsorientierten Industriegesellschaft möglich
(Mohr 1995, 87).
2. Quantitativ-expansives Wachstum ist zukunftslos (Mohr 1995, 87).
These
Qualitatives Wachstum
Ökologisch kompensiertes Wachstum heisst: Anstieg des BIP, Verbrauch der
Ressourcen und die Belastung der Umwelt nimmt ab. Dies wird möglich, "weil
materielle Ressourcen und physikalische Arbeit durch geistige Arbeit ersetzt werden: Wissen, Software, ersetzt Rohstoffe, Energie und Zeit" (Mohr
1995, 89).
Private Investitionen führen über die Güterproduktion zu privaten Konsumgütern. Öffentliche Investition hingegen führen zu Sozialgütern für private
Haushalte. Qualitatives Wachstum bedeutet aus dieser Sicht Ausgewogenheit
zwischen privaten und sozialen Gütern (Bombach 1972, 58).
Nachhaltiges Wachstum
"Das Teilsystem Wirtschaft darf nicht über jenes Mass hinauswachsen, innerhalb dessen es vom umfassenden Ökosystem permanent aufrechterhalten
oder getragen werden kann." (Daly 1999, 47)
Methoden
Keine Angaben, Theoriegebäude.
Kritik
Grenzen: 1. Ressourcenproduktivität lässt sich nicht beliebig steigern, 2. kann
nicht vollständig auf Ressourcen verzichtet werden (Mohr 1995, 89).
Der Begriff diente in den 70er-Jahren als Schlagwort der Politiker, ohne konkrete Bedeutung von "qualitativ" (Masberg 1984, 11ff.).
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Das qualitative Wachstum ist ein Wachstum, welches ohne Abbau der Ressourcen auskommt, ist ebenso ein Wundermittel wie ein Wunschbild. Es wird
darüber geredet, aber nicht damit gelebt.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 10
Auswirkungen auf die Gesellschaft: Bildung (10)
Übersicht
Ein positive Korrelation von Bildung und Wachstum wird nicht hinterfragt.
Bildung wird in der Wirtschaftstheorie als wachstumsfördernd betrachtet. Die
Botschaft lautet: Sorgt für eine gute Bildung, dann wird das Wachstum folgen.
Die umgekehrte Beziehung – die Auswirkung von Wachstum auf Bildung –
wird jedoch kaum erforscht.
These
Solow-Modell
Robert M. Solow ist der Begründer der neoklassischen Wachstumstheorie.
Diese sagt Folgendes aus:
Produktion Y ist eine Funktion von Kapital K und Arbeit N (mit abnehmendem
Grenzertrag).
Y = F(K,N)
Eine Produktionssteigerung kann nur erfolgen, wenn entweder das Kapital
oder die Arbeit vergrössert wird. Diese beiden Faktoren können durch technischen Fortschritt optimiert werden (Blanchard und Illing 2004, 45f.).
Ursache
Kapitalakkumulation erfolgt durch sparen, dies ist nicht dauerhaft möglich.
Auch die Zahl der Einstellungen ist begrenzt. Darum ist Wirtschaftswachstum
letztlich vor allem durch den technischen Fortschritt determiniert. Technischer
Fortschritt entsteht durch Forschung und Entwicklung, dazu gehört Bildung
(Blanchard und Illing 2004, 45f.).
Kritik
Zuviel gebildete Personen konkurrenzieren sich gegenzeitig, ein Teil des
Potenzials wird im Konkurrenzkampf verschleudert (Wolf 2004). Zudem kann
die Richtung des Einflusses kann nicht festgestellt werden. „Die Beziehung ist
dynamisch und wechselseitig“ (Wolf 2004). Dies belegt auch eine Studie zu
Vietnam von Gewwe und Jacoby (2004, 49). Wachsen des Wohlstandes führte zu mehr Schuleinschreibungen. These: Jede politische Massnahme welche
die Haushalte reicher macht, führt zum Verlangen nach mehr Bildung.
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Diskussion
Struktur und Institutionen
Geht in Richtung öffentliche Wohlfahrt.
BIP kann über Haushalte, Staat, Zivilgesellschaft und Organisationen zu Bildung und Gesundheit führen. Verbindungen ergeben sich nicht automatisch:
Struktur der Wirtschaft, Gewinnverteilung, politische Entscheidungen
sind entscheidend (Ranis und Stewart 2000, 198ff.).
Vorraussetzungen für eine Strenge Beziehung zwischen diesen Faktoren des
Human Developments und des BIP (Ranis und Stewart 2000, 198ff.):
1. Gerechte Einkommensverteilung.
2. Investition des Überschusses in Bildung etc.
3. Einsatz des Geldes für staatliche Sozialprojekte.
4. Höhe der Abgabe an NGO’s.
5. Wissen über verfügbare Technologie.
Aktuell Schweiz
Von verschiedenen Seiten wird Wirtschaftswachstum gefordert. Dazu soll die
Bildung ausgebaut werden.
„Die Bildung muss wegen ihrer zahlreichen direkten, aber auch indirekten
Auswirkungen gefördert werden. So nimmt mit steigendem Bildungsniveau
die Beschäftigung namentlich bei den Frauen zu, aber auch das Lohnniveau,
während gleichzeitig die Arbeitslosenrate sinkt. Auf gesellschaftlicher Ebene
bringt mehr Bildung Bürgersinn, eine Verbesserung der Volksgesundheit und
einen Rückgang der Kriminalität, wozu noch hinzukommt, dass sie allen sozialen Klassen gleiche Chancen ermöglicht. Daher spielt die Bildung in unserer
Gesellschaft sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich eine
sehr wichtige Rolle.“ (seco 2002b, 104)
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Bildung und Wirtschaftswachstum stehen in enger positiver Beziehung. Es
stellt sich nur die Frage der Kausalität.
39/60
Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 11
Auswirkungen auf die Gesellschaft: Einkommen (11)
Übersicht
Wirtschaftswachstum wird über das BIP gemessen, das BIP wird aus dem
Einkommen berechnet (vgl. Fact Sheet 7): Wirtschaftswachstum muss folglich
das Einkommen erhöhen und umgekehrt (Blanchard und Illing 2004, 45f.).
Entscheidend ist jedoch, wie das Einkommen verteilt wird.
Kuznetskurve
Ziel ist die Erklärung verschiedener Phasen ungleicher Verteilung durch den
Entwicklungsstand.
Die Hypothese von Kuznets als dominierende Lehrmeinung von den 50erJahren bis zur Mitte der 90er.
Wachstum bedeute einen Anstieg der Ungleichheit in der Anfangsphase
einer neuen Entwicklung, später eine Abnahme. Die Kurve hat die Form
eines umgekehrten U (Ferreira 1999, 3f.).
Wahrscheinlich neoklassisch, weil schlussendlich der Markt selbst das Problem der Ungleichheit löst.
Grafik: Stilisierte Kuznetskurve
Ursache
Ein wenig produktiver Sektor, wie beispielsweise die Landwirtschaft, wird
durch einen produktiveren Sektor, Industrie, abgelöst. Zwischen den Sektoren herrscht mehr Ungleichheit als innerhalb (positive Steigung der Kurve).
Die Kurve sinkt wieder, wenn mehr Leute den Wechsel vollzogen haben
(Ferreira 1999, 3f.).
Oder: Der über das Wirtschaftswachstum hinzugewonnene Gewinn wird durch
den Sozialstaat umverteilt (Spangenberg 2004, 77).
Stand 01.09.2004 9:14
40/60
Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Kritik
Die Kuznetskurve beschreibt zwar einen Langzeiteffekt, wurde jedoch bis
Mitte der 90er-Jahre nur mit Länderstudien geprüft.
Neue Daten (Ländervergleiche und Langzeitstudien) ermöglichen, die Kuznetshypothese zu verwerfen. Es gibt arme Länder, die ein enormes Wachstum
hatten, ohne dass sich Ungleichheit verstärkt hat, wobei Länder ohne Wirtschaftswachstum nicht immun dagegen waren. Nur in einigen wenigen Ländern war die Beziehung signifikant, von denen konnten etwa die Hälfte die
Kuznetskurve bestätigen (Deininger und Squire 1998, 261).
Diskussion
Zudem konnte bewiesen werden, dass auch die Armen in der mittleren Frist
vom Wachstum profitieren können. Dies hängt von weiteren, länderspezifischen, Faktoren wie Landverteilung und Investitionsverteilung ab. Somit kann
die Annahme verworfen werden, dass die Armen systematisch ärmer und die
Reichen immer reicher werden (Deininger und Squire 1998, 261; Dollar und
Kraay 2002, 218f.; Weder und Oschinski 2004, 19ff.).
Die Verteilung des Wirtschaftswachstums ist von Staat zu Staat verschieden
und hängt stark von den politischen und wirtschaftlichen Strukturen ab. Beispielsweise von den Anfangsbedingungen einer Gesellschaft (Deininger und
Squire 1998, 261), vom Ausmass des Wohlfahrtstaates und vom Wirtschaftsmechanismus, u.a. ob die Exportgüter in einer offenen Ökonomie arbeits(weniger Ungleichheit) oder kapitalintensiv sind (Goudie und Ladd 1999, 181).
Damit Wirtschaftswachstum einen gemeinnützigen Nutzen hat sind folgende
Punkte wichtig: Anfängliche Verteilung von körperlichen und menschlichem
Kapital, Grad der wirtschaftlichen Offenheit, die Wirksamkeit von staatlichen
Verteilungsmassnahmen (Lipton und Ravallion in Goudie und Ladd 1999,
181)
Dollar und Kraay (2002, 219) fanden jedoch keinen Hinweis darauf, dass hohe
Abgaben eines Wohlfahrtstaates einen Einfluss auf das Einkommen der Armen haben.
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Nachdem die Kuznetskurve in den 90er-Jahren durch empirische Untersuchungen falsifiziert wurde, sucht die Wissenschaft nach Möglichkeiten, wie der
zusätzliche Gewinn des Wirtschaftswachstums gerecht verteilt werden kann.
Dabei wird nicht mehr auf Marktregulierungen zurückgegriffen, sondern ein
Eingreifen des Staates gefordert. Wie stark der Staat in Verteilungsfragen Einfluss nehmen kann müsste weiter recherchiert, vielleicht auch noch erforscht
werden.
41/60
Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 12
Auswirkungen auf die Gesellschaft: Beschäftigung (12)
Übersicht
Eine Wirtschaftskrise bekommen wir am schnellsten durch die steigende Arbeitslosenrate zu spüren. Arbeitslosigkeit gilt als „Fiebermesser“ des Wachstums.
Gesetz von Okun
1960 von Arthur Okun: Wachstum des BIP führt in der Regel zu weniger Arbeitslosen, bei weniger Wachstum steigt die Arbeitslosenrate (Blanchard
und Illing 2004, 58ff.). Die Grössenordung variiert in den verschiedenen
Quellen. Ungefähr eine Einheit Veränderung in der Arbeitslosenquote hängt
mit zwei Einheiten Veränderung im BIP zusammen (Baltensberger und Heller
2004, 3).
02
20
00
20
96
98
19
19
19
5
4
3
2
1
0
-1
94
Rate
Diagramm: Erwerbslosenrate / Wirtschaftswachstumsrate in der Schweiz
Jahr
Erwerbslose
Wachstum
Die Grafik zeigt, dass diese Tendenz (zeitlich verschoben) vorhanden ist.
Quellen: Erwerbslosenquote: OECD (2004, 293), Wachstumsrate Schweiz:
seco (2003).
Ursache
Ein hohes BIP bedeutet, dass die Firmen mehr produzieren und darum
Leute einstellen müssen. Bei einer Rezession werden Arbeiter entlassen.
Daraus wird abgeleitet, dass Arbeitslosigkeit nur durch Wirtschaftswachstum
abgebaut werden kann (Blanchard und Illing 2004, 58ff.).
Kritik
Durch Solow-Modell: Produktion = F(Kapital, Arbeit, technischer Fortschritt).
Wenn das Wachstum nur durch technischen Fortschritt - also Effizienzsteigerung - ermöglicht wurde, bleibt der Einsatz von Kapital und Arbeiter gleich.
Dasselbe gilt wenn das Wachstum nur durch Einsatz von Kapital entstanden
ist. Dies wird als „jobless growth" (Freiburghaus 1998, 46) bezeichnet.
Stand 01.09.2004 9:14
42/60
Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Diskussion
Die Schweiz hat im Vergleich zu anderen Ländern, trotz niedrigem Wirtschaftswachstum, eine niedrige Arbeitslosen-, bzw. Erwerbslosenrate.
Erklärungen finden sich durch:
• Berechnung: Die Schweiz berechnet die Arbeitslosenquote. Die meisten
anderen Länder erheben die Erwerbslosenrate.
• Flexible Frauen: Wenn die Arbeitslosenrate steigt, ziehen sich die Frauen
aus dem Berufsleben zurück und sind in der Statistik nicht mehr sichtbar.
Dies lässt sich damit begründen, dass Frauen stärker von der Arbeitslosigkeit betroffen sind (Schader-Stiftung, 2004).
• Flexibler Arbeitsmarkt: Flexibel heisst, dass die Leute bereit sind, einen
Job ausserhalb des Wohnortes oder mit geringeren Qualifikationsansprüchen anzunehmen, der Lohn der Konjunktur angepasst werden kann, etc.
Auch geringes Wirtschaftswachstum wirkt sich somit sofort positiv auf dem
Arbeitsmarkt aus (Freiburghaus 1998, 46).
• Relativ geringer Kündigungsschutz erlaubt bessere Anpassungen an Konjunktur.
In der EU wird die Arbeitslosenrate hochgehalten durch:
• Mindestlöhne und hoher Arbeitnehmerschutz (Blanchard und Illing 2004,
58ff.): Einstellung eines zusätzlichen Arbeiters ist mit hohen Kosten und
Verpflichtungen verbunden.
• Hohe Arbeitslosenunterstützung: Für einige Arbeitnehmer lohnt es sich
nicht, einer Beschäftigung nachzugehen (Blanchard und Illing 2004, 58ff.).
• Die offizielle Arbeitslosenrate ist hoch, weil Schwarzarbeit nicht angegeben
wird (Freiburghaus 1998, 46).
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Eine Steigerung der Produktivität ist durch Kapital, Arbeit und Technologie
möglich. Wie stark sich Wirtschaftswachstum auf den Arbeitsmarkt auswirkt
hängt davon ab, wie gut sich der eine Faktor durch den anderen substituieren
lässt und wie flexibel die Arbeiter auf eine neue Situation reagiert.
43/60
Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 13
Auswirkungen auf die Gesellschaft: Messung und Berechnung (13)
Berechnung des
verfügbaren
Einkommens
Um vom BIP zum verfügbaren Einkommen der Haushalte zu gelangen müssen folgende Berechnungen durchgeführt werden:
Das Bruttoinlandprodukt (BIP) wird zum Bruttoinländerprodukt (neu BNP für
Bruttonationalprodukt statt BSP), indem das Einkommen der Inländer berechnet wird, d.h. Grenzgänger abgezogen, inländische Firmen im Ausland
hinzugefügt werden.
Durch Abziehen der Abschreibungen gelangt man zum Nettonationaleinkommen, dem NNE. Schlussendlich werden die indirekten Steuern und Importabgaben subtrahiert und die Unternehmenssubventionen addiert. Es ergibt
sich das Volkseinkommen.
Werden nun noch die direkten Steuern abgezogen und die Transfereinkommen (Rente, IV-Gelder) addiert, resultiert das verfügbaren Einkommen der
privaten Haushalte für den Konsum und das Sparheft (Blanchard und Illing
2004, 45f.).
Messung
von Armut
Auf Länderebene wird die Armut gemessen durch die Festlegung einer Armutsgrenze, bei der Konsum oder Einkommen die Grundbedürfnisse nicht
decken kann. Diese Bedürfnisse wandeln sich mit der Zeit und von Land zu
Land (Weltbank 2002).
Weltweit wird die Anzahl Menschen bestimmt, welche weniger als 1 Dollar
pro Tag zur Verfügung haben (Weltbank 2002).
Messung
ungleicher
Verteilung
Die Lorenzkurve ist die grafische Darstellung der Verteilung von Einkommen
in einer Bevölkerung. Gleichverteilung herrscht dann, wenn beispielsweise
50% der Bevölkerung 50% des Einkommens erwirtschaftet, grafisch die
(grüne) 45° Kurve. Bei der mittleren roten Linie erhalten 50% ca. 25 % des
Einkommens, bei der unteren blauen nur noch ca. 10% (Wikipedia 2004f).
Grafik: Schematische Lorenzkurve
Einkommen in
%
Lorenzkurven
Gleichverteilung
Haushalte in %
Der Gini-Koeffizient errechnet sich aus der Fläche zwischen der 45°- Linie und
der Kurve, geteilt durch die Fläche unter der 45° Linie. Der Wertebereich
reicht von 0 bis 1, wobei 1 vollkommene Ungleichheit bedeuten würde
(Wikipedia 2004g).
Stand 01.09.2004 9:14
44/60
Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Arbeitslosenquote Die Arbeitslosenquote errechnet sich aus den Arbeitslosen, dividiert durch die
Gesamtzahl der arbeitenden und arbeitssuchenden Personen (Blanchard und
Illing 2004, 58ff.).
Erwerbspersonen = Beschäftigte und gemeldete Arbeitslose
Arbeitslosenquote = gemeldete Arbeitslose/Erwerbspersonen
Die gemeldeten Arbeitslosen werden durch eine Vollerhebung aller regionalen Arbeitsvermittlungszentren ermittelt (seco 1999).
Erwerbslosenquote
Anstelle der Arbeitslosen werden in der oben stehenden Gleichung die Erwerbslosen eingesetzt. Erwerbslose sind definiert als: „Arbeitsfähige Leute
(ausgenommen vorübergehende Krankheit), welche in der letzten Woche
keine Arbeit hatten und in den letzten vier Wochen Anstrengungen machten,
Arbeit zu suchen oder auf Rückmeldungen warten.“ (OECD, 1997) Diese
Daten werden in einer Zufallsstichprobe erhoben. Dadurch werden auch
Leute erfasst, welche nicht (mehr) beim Arbeitslosenamt angemeldet sind,
trotzdem aber Arbeit suchen.
Ausgesteuerte
Ausgesteuerte sind Personen, welche kein Arbeitslosengeld beziehen können. Sie haben entweder den Höchstanspruch auf Taggelder ausgeschöpft
oder die zweijährige Frist ist abgelaufen.
Eine ausgesteuerte Person erscheint in der Arbeitslosenstatistik, wenn sie
den Kontakt mit dem Arbeitsvermittlungszentrum aufrechterhält (seco 1999).
Stand 01.09.2004 9:14
45/60
Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 14
Auswirkungen auf die Umwelt: Allgemeine Positionen (14)
Übersicht
Es gibt drei mögliche Entwicklungen der Umweltdegradation in Verbindung
mit Wirtschaftswachstum: 1. Monotone Zunahme, 2. monotone Abnahme, 3.
zuerst ansteigend, dann abnehmend (Panayotou 2003, 45f.).
Dies hat unterschiedliche Implikationen für die Umweltpolitik (Panayotou
2003, 45f.):
1. Strenge Umweltregulationen, begrenztes Wirtschaftswachstum.
2. Wachstumsfördernde Massnahmen, keine Umweltpolitik notwendig.
3. Frage nach Wendepunkt, Schadensverhinderungsmöglichkeiten, Irreversibilitäten.
These 1
Wirtschaftswachstum bedeutet mehr Energie- und Materialinput und mehr
Abfall. Vermehrter Entzug von natürlichen Ressourcen, Abfallanhäufung und
Verschmutzungskonzentration wird die Carrying Capacity des Ökosystems
übersteigen und zu einer Senkung von Umweltqualität und Wohlfahrt
führen, trotz steigenden Einkommens. Auch ökonomische Aktivitäten werden
zunehmend bedroht sein. Dies führt zu einer skeptischen Haltung gegenüber
Wirtschaftswachstum (Panayotou 2003, 45f.).
Vertreter: Georgescu-Roegen, Meadows et al. (Panayotou 2003, 45f.), ökologische Ökonomie.
Lösungsvorschlag: Stopp des Wirtschaftswachstums, "Steady-State Economy" (Panayotou 2003, 45f.).
These 2
Die konträre Extremposition zu These 1: Erhöhtes Einkommen führt zu einer
erhöhten Nachfrage von weniger materialintensiven Gütern sowie von verbesserter Umweltqualität. Einige gehen soweit, wachstumssenkende Umweltregulationen als umweltschädlich zu betrachten (Panayotou 2003, 45f.).
Vertreter: Umweltökonomie, neoklassische Ökonomie.
Lösungsvorschlag: Wirtschaftswachstum als Lösung der Umweltprobleme
(Panayotou 2003, 45f.).
These 3
Die Beziehung zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltqualität ist flexibel,
abhängig vom Einkommensniveau, auch bekannt als "Environmental Kuznets
Curve". Unterschiedliche Erklärungsansätze (Panayotou 2003, 45f.).
Vertreter: Diverse.
Lösungsvorschlag: Je nach Erklärungsansatz Förderung von Wirtschaftswachstum und/oder umweltpolitische Massnahmen.
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Die drei Thesen decken sämtliche möglichen Auswirkungen ab.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 15
Auswirkungen auf die Umwelt: Environmental Kuznets Curve (EKC) (15)
Environmental degradation
These
Pre-industrial
economies
Industrial
economies
Post-industrial
economies
Stages of economic development
Quelle: Nach Panayotou (2003, 46).
Auf tiefem Entwicklungsstand sind die Quantität und Intensität an Umweltdegradation niedrig, weil die Wirtschaftsaktivitäten die Ressourcenbasis nur
leicht beeinflusst und schädliche Abfälle selten sind (Panayotou 2003, 45f.).
Mit der zunehmenden Intensität in der Landwirtschaft und der Ressourcenentnahme, v.a. wenn die Industrialisierung einsetzt, steigen der Ressourcenraubbau und die Abfallproduktion (Panayotou 2003, 45f.).
Auf hoher Entwicklungsstufe findet ein struktureller Wandel statt. Mehr
Informationen und Dienstleistungen, effizientere Technologien, erhöhte Nachfrage nach Umweltqualität verlangsamen, stoppen und verringern die Umweltdegradation (Panayotou 2003, 45f.; Spangenberg 2001, 178).
Empirische
Studien
Vor allem Beschäftigung mit fünf Fragen (Panayotou 2003, 47):
1. Existenz der EKC, Robustheit, Verallgemeinerung.
2. Rolle von weiteren Faktoren wie z.B. Bevölkerungswachstum, Einkommensverteilung, internationaler Handel, Zeit-Ort-Abhängigkeiten.
3. Relevanz der statistischen Beziehung für den Verlauf in einem einzelnen
Land, wahrscheinlichste Verläufe für Entwicklungs- und Schwellenländer.
4. Implikationen von ökologischen Schwellen und irreversiblen Schäden.
5. Rolle der Umweltpolitik: Als Erklärung für die Kurve und für Möglichkeiten,
den Preis (die Kurvenhöhe) für Wirtschaftswachstum zu senken.
Die Modelle entsprechen "Black Boxes" (nur empirische resp. statistische
Beobachtung). Es gibt Bemühungen, die empirischen Modelle auf ihre theoretischen Grundlagen zu überprüfen, z.B. Aufteilung in Skalen-, Struktur- und
Bekämpfungseffekte. Aber getestete theoretische Modelle sowie eine Analyse
der Effektzusammensetzung fehlen (Panayotou 2003, 47).
Panayotou (2003, 47ff.) gibt eine knappe, vertiefte Darstellung von verschiedenen theoretischen Untermauerungen der empirischen Resultate (FreeRiding, Utility Functions mit Konsum und Verschmutzung, Einkommenselastizität der Nachfrage nach Umweltqualität, Gleichgewichtsbeziehung,
Internalisierung, Konsumbündel Good/Bad mit unterschiedlichen Erträgen).
Wendepunkte wurden bei lokalen Verschmutzungen und FCKW gefunden.
Für allgemeinere Indikatoren sind die Ergebnisse unterschiedlich. Wenn die
Verschmutzung global, langsam und unsichtbar ist, so liegt der Wendepunkt
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
meist bei hohem Einkommen (Panayotou 2003, 51). Der Haushaltsabfall, im
Gegensatz zu industriellem Müll, korreliert mit dem BIP. Kein Wendepunkt
ersichtlich, ausser bei politischen Massnahmen wie dem Grünen Punkt in
Deutschland (Spangenberg 2001, 181ff.).
Spezialfall: Transportverursachte Schadstoffe haben einen wesentlich
höheren Wendepunkt als die Gesamtmenge des gleichen Schadstoffs. Der
Wendepunkt für Energie liegt zwar über dem aktuellen Einkommensniveau,
dennoch nimmt der Energie-Verbrauch langsamer zu (aufgrund verbesserter
Energie-Effizienz). Aber der Energie-Verbrauch des Transportsektors steigt
linear mit dem Einkommen pro Kopf. Hauptsächlich durch das steigende
Verkehrsaufkommen (Cole 1999, 94).
Der Verbrauch an Primärenergie wurde seit den 1970er-Jahren nicht absolut
gesenkt, es gab lediglich eine Abschwächung im Energiekonsum. Z.T. gibt es
Trends zu einer Wiederankopplung an das Wirtschaftswachstum. Beim gesamten Materialbedarf gibt es je nach Land unterschiedliche Entwicklungen.
Bei Substanzen, die bekämpft werden können, existieren EKCs resp. Abnahmen. Diffuse Emissionen nehmen aber weiter zu (Spangenberg 2001, 181ff.).
Die signifikanteste Abnahme von Materialdurchflüssen in den letzten Jahrzehnten war aufgrund von Energie-Einsparungen. Die Triebkräfte dafür sind
aber nicht länger effektiv: Hohe Energiepreise und Angst vor zukünftiger
Energie-Knappheit (70er-Jahre, Erdölkrise) (Spangenberg 2001, 181ff.).
Untersuchung der Konsummuster der heutigen Reichen als Prognose für
das zukünftige Verhalten der heute weniger Reichen bei einem Anstieg des
Einkommens. Daten aus Deutschland, Indikatorensystem für umwelt-nachhaltigen Haushaltskonsum. Drei umweltrelevante Sektoren des Haushaltskonsums: Wohnen, Essen, Mobilität. Resultat: Signifikant höhere Umwelteinflüsse bei der bestverdienenden Gesellschaftsgruppe (nicht signifikant:
Essen, allerdings wenig Daten) (Spangenberg 2001, 181ff.).
Ursachen
Zerlegung der Einkommens-Umwelt-Beziehung
Das Einkommen repräsentiert
(Panayotou 2003, 52f.).
verschiedene
unterliegende
Einflüsse
Die beobachtete Umweltqualität ist ein lokales Zusammenspiel von Emissionen und Bekämpfung (Panayotou 2003, 52f.).
Aufteilung des EKC-Effekts in drei Kräfte (Panayotou 2003, 52f.):
1. Höhe der ökonomischen Aktivität (Skaleneffekt).
2. Zusammensetzung oder Struktur der ökonomischen Aktivität (Struktureffekt).
3. Einkommenseffekt auf Nachfrage und Angebot von Verschmutzungsbekämpfung (Bekämpfungseffekt).
⎡ Umgebender ⎤
⎢
⎥
⎢ Verschmutz −⎥ =
⎢ ungslevel ⎥
⎣
⎦
⎡Re gionales ⎤
⎢
⎥
⎢ BIP pro ⎥ ×
⎢ Person ⎥
⎣
⎦
⎡Struktur ⎤
⎢
⎥ ⎡Bekämpfung s −⎤
⎢ des ⎥ × ⎢ anstrengun gen ⎥
⎦
⎢ BIP ⎥ ⎣
⎣
⎦
Skaleneffekt: Monoton steigend
Struktureffekt: U-förmig
Bekämpfungseffekt: Monoton fallend
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Die Einkommensvariable, Skalen- und Struktureffekt abgezogen, zeigt den
puren Einkommenseffekt auf Nachfrage und Angebot von Umweltqualität.
Dabei sind Angebot und Nachfrage der Bekämpfung jeweils im Gleichgewicht
(Panayotou 2003, 52f.).
Umweltpolitik spielt dabei ebenfalls eine Rolle, da bei höherem Einkommen
i.R. bessere Monitoringmöglichkeiten vorhanden sind und sich damit die
Lücke zwischen Umweltveränderung und sozialer Veränderung verkleinert
(Panayotou 2003, 52f.).
Hypothese, dass der Skaleneffekt den Struktureffekt überkompensiert.
Schlussendlich führen dann politische Massnahmen zu einer Reduzierung
(Spangenberg 2001, 178).
Strukturveränderungen (Gesetz von Fourastié)
Struktur von Volkswirtschaften verändert sich mit der Entwicklung der Länder.
Vom Industrie- zum Dienstleistungssektor. Allerdings Expansion der Industrie in Entwicklungsländer. Daher Verschiebung statt Senkung der Schadstoffe zu vermuten. Das legt nahe, dass die Entwicklungsländer nicht denselben
U-förmigen Kurven folgen können (Cole 1999, 94f.).
Internationaler Handel
Andere Erklärung für den abfallenden Kurventeil: Reicher werdende Länder
stossen verschmutzungsintensive Produktion in Länder mit tieferen Vorschriften ab ("Pollution Heaven Hypothesis"). Allerdings wäre diese Weiterreichung irgendwann beendet (Panayotou 2003, 53f.).
Geringe Anzeichen, die für diese Hypothese sprechen. Allerdings gibt es Hinweise, dass eine solche Produktionsflucht bei einer Anhebung von Regulationen zutrifft. Zudem entsteht solche Produktion verstärkt in Ländern mit
hohen Zöllen und Kontingenten auf verschmutzungsintensive Produkte
(Panayotou 2003, 53f.).
Mit Einbezug der Globalisierung ist allerdings die ländermässige Trennung
von Konsum und Produktion möglich. Untersuchung mit einem konsumbasierten Indikator ergab keine EKC. Allerdings waren in diesem Indikator viele unähnliche Indikatoren aggregiert, die vermutlich Co-Varianzen mit dem Einkommen eliminiert haben (Panayotou 2003, 53f.).
Schlussfolgerung von Panayotou: Es braucht noch mehr Forschung. Allerdings zeigen zunehmend mehr Studien, dass zwar die Produktion in entwickelten Länder verbessert wurde, nicht aber der Konsum (Panayotou 2003,
53f.).
Schwellen und Irreversibilitäten
Das Sinken der EKC bei höherem Einkommen könnte durch die Umweltpolitik verzögert oder vorgezogen, geschwächt oder gestärkt werden (Panayotou
2003, 54ff.).
Es könnte noch Jahrzehnte dauern, bis die einkommensschwachen Länder
die Wendepunkte überschreiten. Die akkumulierten Schäden könnten den
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Barwert (zukünftiger Wert, abgezinst auf heute) zukünftigen hohen Wirtschaftswachstums bei weitem übersteigen. Heutige Prävention könnte kosteneffektiver sein als solche in der Zukunft, sogar mit Barwerten (Panayotou
2003, 54ff.).
Die Höhe der EKC widerspiegelt die Umweltkosten für Wirtschaftswachstum.
Sie hängt einerseits vom Einkommenslevel ab, aber auch stark von der Effizienz von Märkten und politischen Massnahmen. Stichworte: Marktversagen
und Subvention von schädlichen ökonomischen Aktivitäten. Je höher die EKC,
desto eher werden ökologische Schwellen überschritten und irreversible Veränderungen ausgelöst (Panayotou 2003, 54ff.).
Bloss weil die EKC z.T. empirisch nachgewiesen wurde, heisst das noch lange nicht, dass sie optimal ist (Panayotou 2003, 54ff.).
Arrow et al. Machen darauf aufmerksam, dass unbegrenztes Wachstum nicht
in einer begrenzten Welt (Carrying Capacity) stattfinden kann. Dabei ist die
Carrying Capacity aber nicht fix. Allerdings führen falsche (zu tiefe) Preise für
Knappheit zu Produktivitätsschäden bei der Ressourcenbasis. Er mahnt zu
besseren Kenntnissen über die Ökosysteme und eher vorsichtigen Massnahmen, angesichts der Unsicherheiten und Diskontinuitäten (Panayotou 2003,
54ff.).
Kritik
Das Bestehen von Wendepunkten für Schadstoffkonzentrationen bei tiefem
Einkommen muss nicht bedeuten, dass die Gesamtmenge an Schadstoffen
abnimmt. Liegt das Einkommen der Mehrheit unter dem tiefen Wendepunkt,
so kann die Schadstoffgesamtmenge zunehmen, da die Zunahme in ärmeren
Ländern die Abnahme in entwickelten Ländern überkompensiert (Cole 1999,
94).
Die EKC läuft nur in eine Richtung, ohne Rückkopplungen von der Umwelt
zur Ökonomie. Sie spricht auch die Nachhaltigkeit nicht an, welche lange
zeitliche Verzögerungen und ein dynamisches Modell mit reziproker Kausalität
beinhalten müsste. Ein Ansatz: Wachstum als "intensity-of-use". Nachhaltig
wäre ein Wirtschaftswachstum, welches in Richtung Null Emissionen führt
(Panayotou 2003, 56f.).
Viele Studien beziehen Politikvariablen nicht mit ein. Vermutlich häufig ein
Datenproblem. Panayotou selbst plädiert dafür, dass sich Umweltreformen auf
die Qualität von Institutionen konzentrieren sollen, anstatt Wirtschafts- oder
Bevölkerungswachstum zu verlangsamen. Grund könnten verbesserte Monitoringmöglichkeiten sein (Panayotou 2003, 56f.).
Es können auch Einflussgrössen auf die Politik betrachtet werden. Dabei ist
die Umweltqualität in nicht-demokratischen Länder eher schlechter
(Panayotou 2003, 56f.).
EKC-Beziehung nur gezeigt für Schadstoffe mit lokalen kurzfristigen Kosten,
nicht für akkumulierte Abfallbestände oder Schadstoffe mit langfristigen, verteilteren Kosten (Arrow et al. 1995, 92ff.).
Die U-förmige Beziehung wurde für Schadstoffemissionen gezeigt, nicht aber
für Ressourcenbestände. Die Beziehung dürfte für Ressourcen mit Rückkopplungseffekten weniger gelten, z.B. für Boden und Bodenbedeckung, Wälder (Arrow et al. 1995, 92ff.).
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Die EKCs sagen nichts aus über die systemweite Konsequenz der Emissionsreduktionen. Es könnten auch Transfers in andere Länder oder Substitution mit anderen Schadstoffen vorliegen (Arrow et al. 1995, 92ff.).
In den meisten Fällen hing der Schadstoffrückgang mit lokalen Reformen der
Institutionen zusammen. Solche Reformen ignorieren aber internationale und
intergenerationelle Folgen. Anreize, Probleme zu lösen, dürften gering ausfallen, wenn die Umweltkosten von Wirtschaftsaktivitäten von Armen, zukünftigen Generationen oder anderen Ländern getragen werden (Arrow et al. 1995,
92ff.).
Wirtschaftswachstum ist kein Allheilmittel, es ist nicht einmal das Hauptproblem. Was eine Rolle spielt, ist der Inhalt des Wachstums, die Zusammensetzung der Inputs (inkl. Natürliche Ressourcen) und der Outputs (inklusive
Abfall). Diese hängt u.a. von den ökonomischen Institutionen ab (Arrow et al.
1995, 92ff.).
Die bisher untersuchten Schadstoffe liessen sich deshalb untersuchen, weil
Daten vorhanden waren. Dies aber bedeutet, dass sie als umweltrelevant erkannt wurden und politische Massnahmen eingeleitet wurden (Spangenberg
2001, 177ff.).
Schadstoffemmissionen können politisch mit Verboten in effektiven, aber ineffizienten End-of-pipe-Massnahmen enden. Oder die Politik kann Anreize für
Substitutionen und eine Verringerung des Materialdurchlaufs schaffen. Letzteres führt auch zu Kosteneinsparungen, hängt aber ab von Ressourcenpreisen (z.B. Ökosteuer) (Spangenberg 2001, 177ff.).
Nach Spangenberg (2001, 177ff.) spielt viel mehr die subjektive Wahrnehmung der Erschwinglichkeit von Umweltmassnahmen eine Rolle, als das
absolute Einkommensniveau. Doch inwieweit hängt diese Wahrnehmung vom
Einkommen ab?
Die Rolle der Erschwinglichkeit führt dazu, dass die EKC nur für End-of-pipeMassnahmen gilt, nicht aber für Materialdurchlaufverringerungen (da gleichzeitig Kosteneinsparung). Die EKC zeigt also nur den Verlauf einer spezifischen Technologie und die politischen Massnahmen darauf, nicht Wachstum
und Umwelt im allgemeinen (Spangenberg 2001, 177ff.).
Der Fokus auf einige spezifische Schadstoffe ist zu eng. Bei substituierten
Schadstoffen werden die Substitute nicht miteinbezogen. Wirtschaftswachstum als unabhängige Variable ist falsch. Umweltpolitik, Verteilungsfragen,
öffentliches Bewusstsein, etc. spielen ebenfalls eine wichtige Rolle
(Spangenberg 2001, 188).
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Die EKC-Hypothese wurde stark erforscht. Obwohl einige Resultate eindeutig
zu sein scheinen und mehrere gute Erklärungsansätze vorliegen, ist die EKC
nicht unumstritten. Besonders kritisiert werden die ausgewählten Untersuchungsobjekte.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 16
Auswirkungen auf die Umwelt: Flächenverbrauch (16)
These
Wirtschaftswachstum hat Auswirkungen auf den Flächenverbrauch, möglicherweise in Form einer Environmental Kuznets Curve.
Empirische
Studien
Pro Sekunde entsteht in der Schweiz durchschnittlich 0.9 m2 neue Siedlungsfläche, hauptsächlich zulasten von landwirtschaftlichen Nutzflächen (Bundesamt für Statistik BFS 2003, 26f.).
397 m2 Siedlungsfläche pro Person, regionale Unterschiede zwischen 131
m2 (eher Land) und 711 m2 (eher Stadt). Auch die Industriefläche ist gestiegen, ebenfalls trotz Rezessionsperioden. Gleichzeitig lag viel ältere Industriefläche brach (Bundesamt für Statistik BFS 2001, 14).
"244'000 ha ausgeschiedene, aber zu 40% unüberbaute Bauzonen und unternutzte Altliegenschaften und Areale". Konzentration der Wirtschaftsentwicklung auf wenige grosse Zentren (Bundesamt für Raumentwicklung ARE
2002).
Direkter statistischer Zusammenhang BIP und Flächenverbrauch aufgrund der
Datenlage nicht möglich.
Arealstatistiken wurden in der Schweiz nur 1912, 1923/24, 1952, 1972,
1979/85, 1992/97 erstellt. Unterschiedliche Methoden, Zeiträume (falls bekannt), verschiedene Nutzungsarten des Bodens. Vergleichbarkeit nur zwischen den letzten beiden Arealstatistiken (1979/85 und 1992/97) möglich
(Bundesamt für Statistik BFS 1999).
Daten über Landnutzung reichen für eine eindeutige Analyse der EKC-Hypothese nicht aus (Spangenberg 2001, 183).
Versuch, unterliegende Gründe der Landnutzungsänderungen resp. für den
Wildnisverlust in Norwegen zu identifizieren. Allerdings nicht möglich, das
BIP pro Kopf als Grund statistisch zu belegen. Datenprobleme: Frühere grobe
Schätzungen, Unregelmässigkeit der Erhebungen (Skonhoft und Solem 2001,
289ff.).
Resultate für 1988-1994: Je höher die Bevölkerungsdichte, desto weniger
Wildnis. Eine negative, lineare Beziehung zwischen Wachstum des BIP pro
Person und Wildnisverlust. Je weiter die Definition von Wildnis gefasst wird,
desto grösser der Einfluss von wirtschaftlicher Aktivität auf den Konsum von
Wildnis (Skonhoft und Solem 2001, 289ff.).
Die Studie unterstützt die EKC-Beziehung nicht. Möglicher Grund ist die Irreversibilität von Wildnisverlust (Skonhoft und Solem 2001, 289ff.).
Viel Literatur zu Urbanisierung, allerdings meist, wie generell bei Wachstumsfragen, nach umgekehrter Kausalität gefragt: Optimale Grösse von
Städten/Clustern, um Wachstum zu generieren. Oder Frage nach Einflussfaktoren auf Cluster, die sich positiv in Wirtschaftswachstum niederschlagen,
z.B. Henderson 2003.
Untersuchte Stadtkonzentration ("urban concentration") und Urbanisierung.
Dazu gibt es zwei Literaturstränge (Henderson 2003, 47ff.):
1. Hypothese, dass Stadtkonzentration am Anfang der ökonomischen Entwicklung nützlich ist, aufgrund von Infrastruktur, Informations-Spillovers und
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
akkumuliertem Wissen. Später kommt es zu einer Ausdehnung/Abwanderung, weil sich die Ökonomie eine Ausweitung der Infrastruktur leisten kann
und in den Städten hohe Kosten (z.B. Stau) anfallen, welche die Effizienz
senken.
2. Hypothese, dass politische Institutionen und Massnahmen zu Unter- und
Überkonzentrationen führen können, beispielsweise bei der Favorisierung
einer Stadt durch die nationale Regierung.
Bei beiden liegt die Frage nach einer optimalen Grösse der Urbanisierung
und Stadtkonzentration zugrunde. Bis zu diesem Papier gab es allerdings
keine empirischen Untersuchungen dazu (Henderson 2003, 47ff.).
Resultate (Henderson 2003, 47ff.):
1. Eine optimale Stadtkonzentration, welche das Produktivitätswachstum maximiert, existiert.
2. Diese variiert je nach Entwicklungslevel und Landgrösse.
3. Unter- und Überkonzentration kann sehr viel kosten.
Optimale Urbanisierung möglich, aber Datenprobleme vorhanden und mehrere Kausalitäten möglich (z.B. Armut, die z.T. in Afrika Leute in die Städte
treibt) (Henderson 2003, 47ff.).
Ursachen
Einflussfaktoren auf regionaler Ebene (Bayerisches Staatsministerium für
Landesentwicklung und Umweltfragen StMLU 2003, 2):
• Gesellschaftliche Trends
- Wohnfläche / Einwohner
- Anteil der Single-Haushalte
- Wohnmodelle
- Motorisierung der Haushalte
• Demografische Entwicklung
• Flächenverfügbarkeit <-> Grundstückpreise
• Raum-/Siedlungsstruktur (Stadt-Umland-Verhältnis)
• Kommunale Konkurrenz um Bevölkerung / Gewerbe
Ursachen der Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke
in Deutschland (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR 2004):
• Strang 1: Sozio-ökonomischer Wandel
- Zunahme der spezifischen Flächenansprüche (qm pro Person) für Wohnen, Produktion, Handel, Bildung, Freizeit.
• Strang 2: Siedlungs-Strukturkonzepte/Planungsleitbilder
- Wohnen im Eigenheim, im Grünen, autogerechte Stadt.
- Disperse, flächenaufwendige Siedlungsstruktur.
• Strang 3: Öffentliche Förderung
- Eigenheimbau, Strassenbauprogramme, steuerliche Vergünstigungen
("Entfernungspauschale").
- Flächenaufwendige Siedlungs- und Verkehrsformen.
• Strang 4: Bodenökonomie, Bodenpreisgefälle in der Stadtregion
- Fehlen ökologischer Inwertsetzung der endlichen Ressource Bodenfläche im Bodenpreis.
- Neuer Flächenverbrauch statt Revitalisierung innerstädtische Siedlungsbrachen.
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Vom österreichischen Umweltbundesamt (o.J.) genannte Ursachen für den
Flächenverbrauch:
• Gestiegene Lebensstandards (Traum vom "Haus im Grünen").
• PW-Verfügbarkeit.
• Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen lohnend für Landwirte (für
produktionssteigernde Investitionen auf den verbleibenden Flächen).
• Einkaufszentren und grossflächige Freizeitzentren (und dazu gehörende
Verkehrsflächen).
• Ansiedelung von Gewerbe für Gemeinden finanziell lohnend, Standorteignung tritt in den Hintergrund.
• Viele Neuwidmungen (dürfte Umzonungen in der Schweiz entsprechen)
werden gesprochen, vorhandene Baulandreserven werden gehortet.
Kritik
Häufig Verwendung von Schlagworten, z.B. bei Siedentop (2003, 75): "Von
einer Entkoppelung des Flächenverbrauchs von der wirtschaftlichen Entwicklung kann dennoch keine Rede sein". Allerdings konnte eine solche Koppelung statistisch mangels Daten bisher gar nicht gezeigt werden.
Weitere Aspekte
Ohne Ausführungen und Vollständigkeit.
Politisch regulierter Bereich (Raumplanung), Anreize zur Umzonung durch
"Windfall Profits", externe Kosten (z.B. mehr Verkehr für Anrainer, auf Allgemeinheit abgewälzte Erschliessungskosten), externer Nutzen (ökologischer
Nutzen, Erholungsfunktion), Landschaftsschutz vs. Konsum als Inputfaktor,
Problematik des öffentlichen Gutes beim Landschaftsschutz (kein Anreiz,
Zahlungsbereitschaft zu zeigen; Freeriding), A-Stadt-Problematik, …
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Die Datenlage erlaubt keine empirischen Untersuchungen. Zudem wäre fraglich, ob Wirtschaftswachstum einen direkten Einfluss auf den politisch stark
regulierten Bereich Raumplanung hat.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 17
Auswirkungen auf die Umwelt: Natürliche Ressourcen (17)
These
Wirtschaftswachstum hat Auswirkungen auf natürliche Ressourcen, möglicherweise in Form einer Environmental Kuznets Curve.
Empirische
Studien
Wie bei den empirischen Studien zur Environmental Kuznets Curve (EKC)
erwähnt, Entwicklung von Ressourcenverbrauch auf Einkommen bezogen je
nach Land unterschiedlich, von zunehmend bis abnehmend. Empirische Daten unterstützen die EKC für Ressourcenverbrauch nicht. Die signifikanteste
Reduktion des Ressourcenverbrauchs in den letzten Jahrzehnten beruhte auf
Energie-Einsparungen. Dies angesichts der Erdölkrise und der Angst vor zukünftigen Knappheiten, die in der Zwischenzeit wegfielen (Spangenberg 2001,
183f.). Diese werden allerdings wieder aktuell (islamistische Anschläge in
Saudi-Arabien, steigender Ölpreis).
Existenz einer EKC bei Wasserverbrauch und Einkommen. Wasserverbrauch scheint vom Struktur- und Technikeffekt (mehr Innovation, bessere
Technologien) zu profitieren. Die Wendepunkte liegen bei einer Einkommenshöhe, welche die meisten entwickelten Regionen überschritten haben. Allerdings gibt es Hinweise auf extrem ineffizienten Umgang mit Wasser, sowohl in
Entwicklungs- wie Industrieländern (Cole 2004, 3f.).
Möglicherweise relativ wenige Studien dazu gefunden, weil es vermutlich oft
wichtiger scheint, die Wachstumsfaktoren (u.a. natürliche Ressourcen) herauszufinden, um gemäss dem neoklassischen Paradigma noch mehr Wachstum zu generieren. Werden Probleme festgestellt, wird entsprechend lösungsorientiert geforscht (z.B. Ressourcenmanagement).
Ursachen
Keine Quellen gefunden, denkbar wären:
• Bevölkerungswachstum.
• Ressourcen-intensive Technologien.
• Gestiegene Erwartungen der Konsumenten.
Kritik
Stand 01.09.2004 9:14
Keine spezielle Kritik, siehe Kritik zur Environmental Kuznets Curve (EKC).
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Weitere Aspekte
Hypothese "Fluch der Ressourcen"
Dies ist zwar keine Auswirkung von Wirtschaftswachstum, aber dennoch ein
beachtenswerter Zusammenhang.
Die Nachhaltigkeitstheorie würde nahe legen, dass ressourcenreiche Länder
sparsam mit ihren Ressourcen umgehen und Erlöse aus dem Ressourcenabbau für die Zukunft investieren (Atkinson und Hamilton 2003, 1793ff.).
Empirischer, signifikant negativer Zusammenhang zwischen natürlichen Ressourcen und Wirtschaftswachstum. Diese Hypothese wird "Fluch der Ressourcen" genannt (Atkinson und Hamilton 2003, 1793ff.).
Von 65 ressourcenreichen Ländern schafften von 1970 bis 1998 nur vier Länder langfristige Investitionen und ein Wachstum ähnlich von ressourcenarmen
Industrieländer (Gylfason 2001, 848ff.).
Erklärungsansätze (Gylfason 2001, 848ff.):
1. "Dutch Disease": Ressourcenboom und damit verbunden Ressourcenexport erhöhen den realen Wechselkurs und schaden damit anderen Exporten. Z.T. derart, dass die Gesamtexporte abnehmen. Manchmal verändert dies auch die Zusammensetzung der Exporte: Weniger High-Tech,
Fertigungsprodukte und Dienstleistungen.
2. Rent-Seeking: Viele Formen, z.B. Protektionismus. Kann auch Korruption in
Unternehmen und Regierung führen, was wiederum zu Ineffizienzen und
ungleichere Verteilung führt.
3. Falsche Sicherheit: Die Regierungen und die Bevölkerung fühlen sich in
falscher Sicherheit und machen keine ansonsten wachstumsfreundliche
Politik (z.B. Freihandel, bürokratische Effizienz, Qualität der Institutionen).
4. Falsche Prioritäten: Die Länder sind überzeugt, dass die natürlichen Ressourcen ihr wichtigstes Vermögen sind und vernachlässigen die Entwicklung der Humanressourcen.
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Relativ wenige Studien gefunden, unterschiedliche Resultate.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 18
Auswirkungen auf die Umwelt: Energie (18)
Annahmen
Wirtschaftswachstum hat Auswirkungen auf Energie, möglicherweise in Form
einer Environmental Kuznets Curve.
Empirische
Studien
Frage nach der Kausalität zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch. Das Ergebnis hat grosse Auswirkungen auf politische Massnahmen.
Keine Resultate, die bestätigen würden, dass Energie und Einkommen neutral
zueinander stehen würden. Ein hohes Niveau des Wirtschaftswachstums führt
zu einem hohen Niveau der Energienachfrage und umgekehrt (Asafu-Adjaye
2000, 623).
Quelle: Bundesamt für Statistik BFS (1998).
Erdölschock von 1974/76 sichtbar. Zwischen 1978 und 1990 steigt das BIP
pro Kopf weniger schnell als der durchschnittliche Energieverbrauch. Allerdings bei Schrumpfung des BIP 1991-1995 Stagnierung des Energieverbrauchs pro Person (Bundesamt für Statistik BFS 1998).
Der umgekehrte Zusammenhang gilt nicht. Pro Person mehr Energie verbrauchende Länder (z.B. Russland) müssen nicht reicher sein als weniger
verbrauchende (z.B. Schweiz). Allerdings ist extrem niedriger Energieverbrauch ein Zeichen für Mangel, Armut und Elend (Erbrich 2004, 128f.).
Die Diskussion um verbesserte Energie-Effizienz vermeidet die Diskussion um
effiziente Energiepreise, v.a. um die Internalisierung von externen Kosten
(Howarth 1997, 1ff.).
Theoretisch kann verbesserte Energie-Effizienz langfristig zu mehr Energieverbrauch führen. Energie-Effizienz senkt die Kosten von Energie-Dienstleistungen. Tiefere Preise führen zu einer erhöhten Nachfrage. Falls die Nachfrage genug kostenelastisch ist, kann daraus ein höherer Energieverbrauch
resultieren. Andere sehen eher den kritischen Punkt in der Elastizität der Subsitution zwischen Energie und einem aggregierten Index aus Arbeit- und
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Kapitalinputs. Howarth kritisiert, dass dabei nicht zwischen Energieverbrauch
und Energie-Dienstleistung unterschieden wird. Konsumierte Energie-Dienstleistungen setzen sich zusammen aus Energie und anderen Inputs. Seine
Analyse ergibt, dass verbesserte Energie-Effizienz dann zu mehr Energieverbrauch führt, wenn a) Energiekosten die Kosten der Energie-Dienstleistungen
dominieren und b) Ausgaben für Energie einen Grossteil der wirtschaftlichen
Aktivitäten ausmachen. Dies trifft allerdings in Realität nicht zu (Howarth 1997,
1ff.).
Erwartung weiterer Zunahme der Nachfrage nach Energie, bedingt durch
weiterer Wachstum der Weltbevölkerung und steigende Ansprüche des Einzelnen. Global ist von der Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch nicht viel zu sehen (Erbrich 2004, 128f.).
Differenziertere Betrachtung, bereits erwähnt bei den empirischen Studien zur
Environmental Kuznets Curve: Entkoppelung von industriellem Wachstum und
Energieverbrauch seit den 1970er-Jahren. Allerdings keine absolute Senkung,
sondern etwa gleich bleibend. Für einige Länder ist keine Entkoppelung erkennbar, z.T. sogar eine Wiederankoppelung möglich (Spangenberg 2001,
183).
Untersuch der EKC-Hypothese, ebenfalls im Fact Sheet zur EKC zu finden:
Der Wendepunkt für Energie liegt zwar über dem aktuellen Einkommensniveau, dennoch nimmt der Energie-Verbrauch langsamer zu (aufgrund verbesserter Energie-Effizienz). Aber der Energie-Verbrauch des Transportsektors steigt linear mit dem Einkommen pro Kopf. Hauptsächlich durch das
steigende Verkehrsaufkommen (Cole 1999, 94).
EKC-Wendepunkt für Energie liegt über dem Niveau, auch von Industrieländern. Bei Einführung von Variablen für Handel steigt der Wendepunkt noch
massiv. In industrialisierenden Ländern erhöhte der steigende Export den
Energieverbrauch. Die meisten Exporte gehen dabei in die Industrieländer.
Obwohl noch kein Land den Wendepunkt erreicht haben dürfte, befinden sich
die Industrieländer auf dem flacheren Teil der Kurve (Suri und Chapman
1998, 205f.).
Stand 01.09.2004 9:14
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Ursachen
In Deutschland verringerte sich der Anteil der Industrie am Energieverbrauch
pro Person, einerseits durch den Strukturwandel, aber auch stark durch verbesserte Energie-Effizienz. Der Transportsektor-Anteil am Energieverbrauch
hingegen stieg (Erbrich 2004, 133f.).
Trotz verbessertem Wirkungsgrad keine absolute Senkung wegen (Erbrich
2004, 133f.):
• Höhere Ansprüche der Konsumenten (beheizte Wohnfläche pro Person,
Gewicht und Spitzengeschwindigkeit von Autos). Klimatisierte Busse, Büros
und Eisenbahnwagen. Neue Gebrauchsgegenstände: Geschirrspüler, Tiefkühltruhe, Videorecorder, Computer. Mode führt zu rascheren Wechseln als
technisch nötig.
• Wachsender Anteil der Energie wird verstromt, hohe Primärverluste. Der
Stromverbrauch pro Person steigt.
Länderspezifische Erklärungen, welche Einflussfaktoren aufzeigen (Erbrich
2004, 133f.):
Hoher Energieverbrauch in den USA (doppelt so hoch wie in anderen westlichen Staaten):
• Grosses Land, dünne Besiedlung, weite Transportdistanzen.
• Rationalisierte und energie-intensive Landwirtschaft.
• Verbreitete Raumklimatisierungen (zwei Maxima in der Stromproduktion).
• Niedrigste Energiepreise der westlichen Industrieländer.
Schweiz hat als nominell reichstes Land nicht den grössten Energieverbrauch:
• "Graue" Energie: Für Importgüter aufgewendete Energie, wird auf ein Viertel bis ein Drittel des aktuellen Energieverbrauchs geschätzt, dennoch unter
amerikanischem Niveau.
Kritik
In der neoklassischen Umweltökonomie wird das Problem hauptsächlich in
den externen Kosten gesehen, siehe z.B. Frey und Isenmann (1993, 233ff.).
Fazit
Diverse Aspekte zum Energieverbrauch wurden untersucht. Unterschiedliche
Resultate vorhanden. Global keine Entkoppelung vorhanden, Industrieländer
vermutlich im flacheren Teil der EKC.
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Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit
Fact Sheet 19
Auswirkungen auf die Umwelt: Verkehr (19)
Annahmen
Wirtschaftswachstum hat Auswirkungen auf den Verkehr, möglicherweise in
Form einer Environmental Kuznets Curve.
Empirische
Studien
Kaum Quellen gefunden. Möglicherweise Frage zu allgemein formuliert. Mehr
Studien zu optimalem Verkehr und optimaler Verkehrsinfrastruktur als wachstumsfördernde Faktoren. Bei Problemen allenfalls anzustrebende Internalisierung der externen Kosten resp. Kostenwahrheit im Verkehr allgemein, Vermeidung der Staukosten durch Road Pricing.
Bruttoinlandprodukt und Verkehrsleistungen (Tonnenkilometer im Güter-,
Personenkilometer im Personenverkehr) entwickelten sich in Deutschland
parallel (dargestellte Daten 1960 bis 1990) (Heibach 1998, 11).
Transport int ensität =
Verkehrsle istung
Bruttowert schöpfung
Transportintensität ist zwischen 1960 und 1990 leicht gesunken. Durch Tertiärisierung wurde eigentlich stärkere Entkoppelung erwartet. Aber seit 1990
Steigerungen der Transportintensität des produzierenden Gewerbes, vor 1990
relativ konstant. Betrachtung der Transportintensität des produzierenden Gewerbe im Strassengüterverkehr: Steigend zwischen 1960 und 1990 um fast
100% (Heibach 1998, 17ff.).
Ursachen
Keine Quellen gefunden, denkbar wären:
• Bedürfnis nach Mobilität.
• Trennung von Arbeit und Wohnen.
• Verändertes Konsum- und Freizeitverhalten.
• Grösserer Güterkonsum.
Kritik
Mobilitätsbeschränkungen (z.B. durch vermehrte Besteuerung des Strassenverkehrs) führen zu Einbussen an wirtschaftlichem Wohlstand (Behnke 1997,
183).
Vernachlässigung nicht-monetären Nutzens wie Gesundheit, ökologische
Werte und "ästhetische" Landschaften?
Die Vertreter der Umweltökonomie sehen die Probleme beim Verkehr v.a. in
den externen Kosten, siehe z.B. Frey und Isenmann (1993, 233ff.).
Weitere Aspekte
Ohne Ausführungen und Vollständigkeit.
Strukturwandel (Tertiärisierung), Produktionstechnologien (z.B. Informationsund Kommunikationstechnologien), Strukturveränderungen im Produktbereich
(z.B. Verkürzung von Produktlebenszyklen), Beschaffungs- und Distributionsmethoden (z.B. Just-in-time), Entsorgung und Recycling (z.B. Produktrücknahme), Standortwahl von Unternehmen (z.B. Nähe zu Absatzmärkten) (Heibach
1998, 33ff.).
Externe Kosten des Verkehrs, Globalisierung, Arbeitsteilung, Road Pricing, …
Fazit
Stand 01.09.2004 9:14
Kaum Quellen gefunden. Es werden unterschiedliche Kennzahlen verwendet.
Probleme werden v.a. in den externen Kosten des Verkehrs gesehen.
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