Ostfriesische-Nachrichten, Ausgabe: ON
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Ostfriesische-Nachrichten, Ausgabe: ON
Ostfriesische Nachrichten D I S K U S S I O N U M D A S G E P L A N TE Z E N TR A L K R A N K E N H A U S U N D D I E S C H L I E ß U N G D E R U B B O - E M M I U S - K L I N I K Zentralklinik: Gemeinsame Internetseite Aurich/Georgsheil. Unter der Adresse www.zentralklinikum-georgsheil.com werben der Landkreis Aurich und die Stadt Emden jetzt gemeinsam im Internet für das Neubauprojekt in der Gemeinde Südbrookmerland. Laut einer Mitteilung der Stadt Emden wurden die wichtigsten Hintergründe, Fragen und Antworten zur Zentralklinik bisher auf den jeweiligen Webseiten der Ubbo-Emmius-Klinik Aurich/Norden und des HansSusemihl-Krankenhauses Emden veröffentlicht. Diese Informationen werden künftig auf der gemeinsamen Internetseite gebündelt. Ein wichtiger Baustein der neuen Seite ist laut der Mitteilung der Dialog mit den Einwohnern. Es bestehe die Möglichkeit des direkten Austauschs mit den Experten. Dazu kann jeder eine Frage in ein Textfeld schreiben und sie absenden. Auf der Seite werden verschiedene Informationen zu dem etwa 250 Millionen Euro teuren geplanten Zentralkrankenhaus gegeben. Es wird eine Chronologie der Ereignisse im Zusammenhang mit der Zentralklinik bis heute aufgelistet. Möglichst allgemeinverständlich werden dann laut der Pressenotiz die wichtigsten Fragen zur Zentralklinik beantwortet. Anschließend wird eine Übersicht über den Weg zur Realisierung gegeben. Die Internetseite stellt zudem die vom Kreis Aurich und der Stadt Emden in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie des Unternehmens BDO vor. DIE BERATER Knapp 1,4 Millionen Euro kostete die Beratung durch das Unternehmen Bredehorst CMM aus Düsseldorf und Subunternehmen den Landkreis als Träger der angeschlagenen Ubbo-Emmius-Klinik bis zum März 2014. Danach beriet Bredehorst die UEK weiter. Wie viel insgesamt gezahlt wurde, ist nicht bekannt. Das Unternehmen BDO empfahl dem Kreis Aurich und der Stadt Emden im Auftrag des Kreises und der Stadt 2014 den Bau einer Zentralklinik. Eine reine Fusion der Standorte in Aurich, Norden und Emden löse nicht die Probleme. Für dieses Gutachten erhielt BDO nach Angaben des Auricher Landrats 714 000 Euro. Die Ubbo-Emmius-Klinik in Aurich soll geschlossen werden. Das ist der Plan des Landkreises Aurich. Was mit den Gebäuden passiert, ist offen. Ein Heilsbringer, der keiner ist Warum das Bredehorst-Gutachten zur Sanierung der UEK nicht umgesetzt worden ist – und warum es heute niemandem mehr nutzt V O N S TE P H A N S C H M I D T Aurich/Norden. Alle Hoffnung ruhte im Frühjahr 2013 auf dem Unternehmen Bredehorst CMM. Auf einigen Hundert Seiten listete die Beraterfirma aus Düsseldorf auf, was an der Ubbo-Emmius-Klinik in Aurich und Norden alles schiefgelaufen sei und was alles verbessert werden könne. Die UEK war tief in die roten Zahlen gerutscht: 2011 mit knapp sieben Millionen Euro, ein Jahr darauf mit rund 13 Millionen Euro. Firmenchef Dr. Kay Bredehorst versprach in dieser Lage das kaum Glaubliche, an das alle so gerne glauben wollten: Statt roten Zahlen sagte er rosige Zeiten voraus. Bis zum Jahr 2015 sollte die UEK in die Gewinnzone fahren. Für 2016 sollte ein Plus von etwa drei Millionen Euro herausspringen, 2017 sogar ein Überschuss von vier Millionen Euro. Es kam bekanntlich anders. Von schwarzen Zahlen ist die UEK weit entfernt. Mehr als zehn Millionen Euro betrug das Defizit 2014. Für 2015 rechnen die Verantwortlichen mit einem ähnlich hohen Fehlbetrag. Das Bredehorst-Gutachten wird von Gegnern der Zentralklinik als Heilsbringer zur Rettung der UEK angesehen. Bredehorst ist längst nicht mehr Chef in seinem Unternehmen. Seine Firma arbeitet aber bis heute an der UEK weiter. Doch Erfolge sind kaum sichtbar. Was lief verkehrt? Schon der Einstieg war verkorkst. Die von Bredehorst angestrebte Sanierung blieb am Start stecken: Bredehorst brauchte etwa 25 Millionen Euro für Investitionen in die Häuser in Aurich und Norden, das Land Niedersachsen sollte 15 Millionen Euro davon übernehmen, also den größten Teil. Aber es gab keine Zusagen aus Hannover. Nach ON-Informationen legten Bredehorst, Vertreter des Landkreises und der UEK das frisch erstellte Sanierungskonzept noch im Frühjahr 2013 dem zuständigen Sozialministerium vor. Doch die Begeisterung in Hannover hielt sich in Grenzen. Das war nicht der große Wurf, den andere vorgemacht hatten. Dem Land schwebte eine Zentralklinik vor – wie etwa im Landkreis Schaumburg, wo sich drei Kliniken zu einer vereinen. Oder in Wilhelmshaven. Kleinere Häuser werden dort dichtgemacht. Das spart Geld – und freut das Ministerium und die Kassen. Enttäuscht fuhren die Auricher und Norder nach Hause. Das Konzept musste überarbeitet werden, damit es auf Wohlwollen des Landes stoßen konnte. An einer neuen, weitergehenden Fassung wurde gerade gearbeitet, als plötzlich ein Vorschlag aus Emden kam. Ausgehend vom Emder Chefarzt Dr. Christoph Schöttes war dort die Idee einer Zentralklinik geboren worden. Nachdem Schöttes den Emder Rat und Oberbürgermeister Bernd Bornemann (SPD) von seinen Plänen überzeugt hatte, wurden der Auricher Landrat Harm-Uwe Weber und die Fraktionsvorsitzenden im Kreistag eingeweiht und rasch ins Boot geholt. Kein halbes Jahr nach der Vorlage des Bredehorst-Sanierungsprogramms gaben Weber und Bornemann bekannt, gemeinsam eine Zentralklinik in Georgsheil bauen zu wollen. Ein Gutachten, das besagte, dass dies der richtige Plan sei, wurde im Auftrag des Kreises und der Stadt Emden von der Beraterfirma BDO gut ein Dreivierteljahr später nachgereicht. Das überarbeitete Bredehorst-Konzept wurde nie vorgelegt Das überarbeitete Sanierungskonzept von Bredehorst wurde nie vorgelegt. Geld zur Rettung war nicht mehr zu erwarten. Denn mit der Zentralklinik in Georgsheil hatte der Kreis Aurich den großen Wurf gelandet. Damit war das Ende der UEK faktisch besiegelt. Jede Bitte um einen Zuschuss für die „alten“ Krankenhäuser konnte das Land mit Hinweis auf den geplanten Bau in Georgsheil ausschlagen. Daran Ein ungeschönter Blick Aurich/Norden. Für die Gegner der Zentralklinik in Georgsheil ist es ein Leitfaden zur Genesung der siechen UEK: das 2013 vorgelegte Bredehorst-Gutachten. Was steht drin? Kopien der mehr als 200 Seiten starken Präsentation kursieren seit Monaten unter den Mandatsträgern, auch in der Stadt Aurich. Es ist ein ungeschönter Blick auf die damalige Lage der Klinik. Den ON liegt eine Kopie vor. Den Inhalt hat Firmengründer Dr. Kay Bredehorst schon in einem Pressegespräch Anfang 2013 in Grundzügen bekanntgegeben. Die UEK kranke vor allem an einem: zu hohe Kosten, zu geringe Erlöse. In Aurich und Norden würden zu wenige schwere Fälle behandelt. Verbesserungspotenzial sah Bredehorst bei der Dokumentation der Fälle. Denn nur wer Leistungen in Rechnung stellt, kann Geld erhalten. Die Zahl der sogenannten Kurzlieger sei zu hoch, ebenso die Fehlbelegungsrate. Hohe Kosten entstanden laut dem Gutachter in der UEK im Bereich Einkauf und Beschaffung, durch die alte Gebäudestruktur, durch die vielen Honorarärzte und in den Bereichen Verpflegung und Reinigung. Eines der Labors in Aurich und Norden müsse geschlossen werden, forderte Bredehorst. Doppelstrukturen sah er als Problem: Die Klinik leiste sich viele Angebote unnötigerweise an beiden Standorten, so etwa die OP-Bereitschaft in Norden, die abgeschafft werden müsse. Wenig schmeichelhaft war, was der Experte über die medizinischen Angebote der UEK sagte. Die Klinik sei unzureichend spezialisiert, biete keinen durchgängigen Facharztstandard in der Notfallversorgung, liefere kaum fachgebietsübergreifende Ansätze und biete zu wenige medizinische Zentren. Besonders umstritten: Die In- Er erstellte das Gutachten: Dr. Kay Bredehorst (links), hier mit Landrat Harm-Uwe Weber im Jahr 2013. Archivfoto: Banik tensivstationen in Aurich und Norden müssten zusammengelegt werden – und zwar in Aurich. Die UEK habe an Vertrauen und Reputation eingebüßt, diagnostizierte der Gutachter. Es gebe Streitigkeiten von Kollegen im ärztlichen Dienst, eine fehlende Qualität in der Notaufnahme, teilweise unvollständige und sprachlich mangelhafte Entlassbriefe für Patienten, einen hohen Anteil an Hono- rarärzten mit „mangelnder Qualität und Dienstleistungsauffassung“, zudem einen hohen Anteil an Berufsanfängern. Ein schlechtes Zeugnis stellte er der Klinikleitung aus. Die Kommunikation von Management und Ärzten sei verbesserungsfähig, Zuständigkeiten seien nicht ersichtlich geregelt, es fehle ein modernes Personalmanagement. Bredehorst gab externen Faktoren eine Mitschuld an ändert auch das BredehorstGutachten nichts. Von diesem war das Land ohnehin nicht überzeugt. Wenig ist von den Bredehorst-Plänen in die Tat umgesetzt worden. Das wichtigste Projekt nähert sich der Vollendung – erheblich verspätet allerdings: Ende August soll das Linksherzkatheter-Labor der UEK angeliefert werden. Es kommt im Container. Gemauert werden muss nicht. Anfang des Monats hat das Team die Arbeit aufgenommen. Philipp Wenning, der neue Geschäftsführer von Bredehorst CMM, soll noch bis Ende des Jahres die Startphase begleiten. Eigentlich sollte das Linksherzkatheter-Labor schon Anfang 2014 eröffnet werden. Jetzt kommt es möglicherweise zu spät auf den Markt. Nach Ansicht der AOK lässt sich damit nicht mehr das große Geld verdienen (die ON berichteten). Dr. Egbert Held, als Ärztlicher Direktor der UEK der medizinische Chef der Klinik, verteidigte in einem Interview mit den Ostfriesi- schen Nachrichten das Engagement von Bredehorst. So habe man der Firma etwa die Neuorganisation der zentralen Patientenaufnahme in Aurich und das Anwerben von hoch qualifizierten Chefärzten zu verdanken. Geschäftsführer Wenning selbst sprach zudem in einem Gespräch mit den ON davon, durch einen zentralen Einkauf viel Geld gespart zu haben. Die Sanierung helfe, die Klinik wirtschaftlicher zu machen. Die UEK, so der Kliniksanierer Wenning, sei aber nicht zu retten. Die Liste der BredehorstVorschläge, die nicht umgesetzt wurden, ist deutlich länger als die erfolgreichen Projekte (siehe den Artikel unten). Eine Chance, die Pläne vielleicht später zu verwirklichen, wird sich kaum bieten. Erstens hat die Mehrheit im Kreistag das Konzept abgeschrieben. Zweitens spielt das Land nicht mit. Eine Zentralklinik mit weniger Betten, weniger Personal und geringeren Kosten: Das klingt in Hannover deutlich schmackhafter. ON-KOMMENTAR Gutachter Bredehorst zeigte Schwächen der UEK auf und machte Pläne, lag aber laut Landrat mitunter daneben V O N S TE P H A N S C H M I D T Foto: Heiken der Misere, etwa der Steigerung der Tariflöhne um 16 Prozent seit 2006. Einige der Kritikpunkte von damals seien entkräftet worden, sagte Weber gestern auf Nachfrage der ON. So habe ein Subunternehmen festgestellt, dass die UEK in Sachen Dokumentation eine hohe Qualität aufweise. Viele Vorschläge seien nicht umsetzbar oder sogar schädlich gewesen, so Weber. Die Schließung eines der Labors hätte Ersatzkosten zur Folge gehabt. Die Intensivstation in Norden wäre nur mit dem gleichzeitigen Bau einer „Intermediate Care Station“ möglich gewesen, was viel Geld gekostet hätte. Die Abschaffung der OP-Bereitschaft in Norden sei schon vorher geplant gewesen, habe aber zu „erheblichen emotionalen Auseinandersetzungen“ geführt, sagte Weber. Er folgert: Der wirtschaftliche Schaden wäre bei einer Schließung viel höher als die Kosten einer Beibehaltung der Rufbereitschaft. Bürgerentscheid ist in dieser Frage gerechtfertigt Von Stephan Schmidt E igentlich ist der Zug abgefahren: Der Bau der Zentralklinik in Georgsheil ist ausgemachte Sache. Ministerin Cornelia Rundt ist dafür, Landrat HarmUwe Weber und Emdens Oberbürgermeister Bernd Bornemann auch. Große Mehrheiten im Kreistag und im Emder Stadtrat stehen hinter dem Vorhaben. Und die Kassen sowieso. Die Meinungen derer, die etwas zu entscheiden haben, sind zementiert. Daran ändern auch die 20 000 Unterschriften nichts, die gegen die Klinik gesammelt wurden – und auch nicht die ohnmächtige Wut vieler Menschen in Aurich, Norden, Emden und Umgebung. Nur eines kann den Zug stoppen: ein Bürgerentscheid. In dieser festgefahrenen Lage wäre das ein Weg, für Klarheit zu sorgen: Steht die Bevölkerung hinter dem Vorhaben oder nicht? n Festreden wird immer wieder gefordert, die Menschen „mitzunehmen“, Basisdemokratie zu leben. Der Bau einer Zentralklinik und die gleichzeitige Schließung von drei Krankenhäusern ist ein derart großer Schritt, dass ein Bürger-Beteiligungsverfahren gerechtfertigt ist. Zehn Prozent der wahlberechtigten Einwohner des Landkreises müssten im Rahmen eines Bürgerbegehrens dafür unterschreiben, den Entscheid einzuleiten. Das sind rund 15 000 Menschen. Die Gegner der Zentralklinik müssten dann 39 000 Stimmen zusammenbekommen, um die Zentralklinik zu verhindern. Nach solch einer massiven Beteiligung kann niemand mehr sagen, er sei nicht gefragt worden. I Persönlich erstellt für: L OKALES Seite 8 – Sonnabend, den 4. Juli 2015