Mendling, W.
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Mendling, W.
DIAGNOSTIK + THERAPIE INFEKTIOLOGIE Neues aus der gynäkologischen Mykologie Werner Mendling In den letzten 20 Jahren ist das Wissen über Hefepilzinfektionen in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowohl detaillierter geworden als auch – in inzwischen 180 ganztätigen Seminaren mit mikroskopischen Übungen, an denen seit 1980 mehr als 7.000 Frauenärzte teilgenommen haben – weit verbreitet worden. Dennoch bleibt alles im Fluss: In den letzten fünf Jahren sind weitere Erkenntnisse hinzugekommen, einige Dinge werden differenzierter betrachtet, während andere Fragen nach wie vor unbefriedigend beantwortet oder gänzlich offen sind. Dies in Kürze darzustellen ist Aufgabe dieses Artikels. Im Folgenden ist zusammengestellt, was bereits gesichertes Wissen ist und auf welchen Gebieten zur Zeit für die Praxis relevante Forschungs- und Entwicklungsarbeit stattfindet. Wer sich ausführlicher informieren möchte, kann in den im Literaturverzeichnis angegebenen Monographien von Mendling bzw. Tietz und Mendling nachlesen (2, 4). Was ist gesichert? ■ Artenspektrum Hefepilze der Gattung Candida sind fakultativ pathogen, d.h. neben der Kolonisation des Menschen bedarf es seiner lokalen oder allgemeinen Disposition, damit aus der Kolonisation eine Infektion mit entsprechender klinischer Symptomatik werden kann (Abb. 1 u. 2). In etwa 80–90 % der Fälle in der Gynäkologie und Geburtshilfe (bei internistischen oder onkologischen Erkrankungen mit Immunsuppression nur in etwa 40–70 %) wird die Infektion durch Candida albicans, in 5– 10 % der Fälle durch Candida glabrata und in 1–3 % durch Candida krusei und einige andere Candida-Arten verursacht. ■ Kolonisation Die Kolonisation nimmt ihren Ursprung im Mund und im Magen-DarmTrakt. Sie ist ebenfalls morbiditäts- Abb. 1: Nativpräparat aus Vaginalsekret, Vergrößerung 400-fach, Phasenkontrast: Candida-albicans-Vaginitis mit Nachweis von Döderleinflora, Leukozyten und Blastospore mit beginnendem Pseudohyphen als Zeichen der Infektion. 412 FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4 abhängig: Bei kariösen Gebissen und Zahnprothesenträgern ist die Hefepilzkolonisation des Mundes sehr häufig; sie erreicht in Altersheimen bis 100 %, kann aber auch bei Kindergartenkindern schon 20 % betragen. Die Kolonisation des Menschen mit Hefepilzen ist also nicht physiologisch, wie oft behauptet, sondern lediglich morbiditätsabhängig häufig und stellt zunächst eine transiente oder kommensale Kolonisation dar, die bei entsprechender Morbidität zur Infektion werden kann. So ist die Kolonisation des Darmes sehr häufig, eine Darmmykose aber eine Rarität. Häufigste Quelle einer Rekolonisation bei Frauen mit chronisch-rezidivierenden Vaginalkandidosen dürfte der eigene Mund und Magen-DarmTrakt bzw. der des Partners sein. Die genitale Hefepilzkolonisation der Frau im östrogenisierten Alter liegt bei 10 %, sofern sie immunkompetent, d.h. gesund ist. Schwangere werden mit steigendem Schwangerschaftsalter häufiger kolonisiert, weil als Folge der höheren Östrogen- und Gestagenwirkung vermehrt Glykolyse stattfindet und das Zuckerangebot für die Hefepilze in der Scheide steigt. In der 40. Schwangerschaftswoche sind deshalb 25–30 % der unbehandelten Frauen vaginal kolonisiert. Kranke Frauen mit Abwehrschwächen werden noch häufiger von Hefepilzen genital besiedelt und haben ein entsprechend höheres Erkrankungsrisiko. Abb. 2: Candida-glabrata-Kolonisation der Vagina mit Laktobazillen und vier kleinen Blastosporen ohne Infektionszeichen. Der mikroskopische Verdacht muss kulturell gesichert werden. Die (asymptomatische) Kolonisation einer immunkompetenten Frau wird nicht behandelt. ■ Genitale Infektionen Die Infektion ist östrogen- und damit altersabhängig auf die Scheide und den Introitus vaginae beschränkt; bei ausgedehnteren Fällen erfasst sie auch in östrogenisiertem Zustand die Vulva. Bei postmenopausalen Frauen ist fast nie die Scheide betroffen, sondern nur die Vulva. Bei Kindern jenseits des Säuglingsalters und vor der Menarche umfasst die Infektion ebenfalls nur die Vulva. Für eine solche Erkrankung bedarf es aber einer Abwehrschwäche, sodass eine Vulvitis beim Kind eher bakteriell bedingt ist und im Falle einer Mykose eine ursächliche Immunsuppression gesucht werden sollte. ■ Therapie Die Behandlung der Candida-albicans-Vulvovaginitis ist normalerweise einfach und gelingt in etwa 80–90 % der Fälle mit jedem handelsüblichen Antimykotikum, sei es ein Polyen, ein lokales Imidazol, Ciclopyroxolamin oder ein orales Triazol. Die Kurztherapie von einem oder drei Tagen Dauer ist wegen besserer Compliance und gleicher Heilungsquote vorzuziehen. ■ Die postpartale Kandidose des reifen Neugeborenen Die Kandidose des reifen und gesunden Säuglings entsteht normalerweise durch peripartale Übertragung von der Vagina der Mutter und ist eine zwar lästige, aber eher ungefährliche Erkrankung für das Kind. Candida albicans ist in den ersten Lebenswochen für das gesunde und reife Neu- geborene praktisch obligat pathogen: Im Fall einer ersten Kolonisation mit Hefepilzen vor Ende der ersten Lebenswoche – fast immer durch die vaginale Geburt – entwickelt sich in mindestens 90 % der Fälle im ersten Lebensjahr – mit einem Häufigkeitsgipfel von 10 – 15 % in der zweiten bis vierten Lebenswoche – eine Mund(„Mundsoor“) und/oder Anogenitalkandidose („Windeldermatitis“). Was ist neu? Wozu liegen neue Untersuchungen vor? ■ Die neonatale Candida-Infektion des Frühgeborenen Frühgeborene hingegen werden nosokomial infiziert und sind durch eine Candida-Septikämie gefährdet. Aus Deutschland stammen dazu zwei Studien aus jüngster Zeit. In einer prospektiven Untersuchung an 176 Müttern mit drohender Frühgeburt und deren 150 Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht zwischen 550 und 2.390 g lag nur bei zwei Mutter-Kind-Paaren eine Übereinstimmung der Candida-Spezies zwischen Mutter und Kind vor. Die meisten Frühgeborenen, die fast immer durch Kaiserschnitt geboren worden waren, wurden erst in der zweiten bis dritten Lebenswoche mit Hefepilzen kolonisiert. Die Häufigkeit der Hefepilzkolonisation korrelierte eng mit dem Geburtsgewicht, d.h. je geringer das Geburtsgewicht war, desto häufiger war das Kind kolonisiert bzw. infiziert. Eine Candida-Septikämie entwickelt sich demzufolge vorwiegend Eine retrospektive Studie zur Epidemiologie systemischer Pilzinfektionen bei 115 Früh- und Neugeborenen in Deutschland ergab 63 gesicherte, 35 wahrscheinliche und 17 fragliche systemische Infektionen. 59 der 115 Kinder hatten ein Geburtsgewicht unter 750 g, 35 Kinder bis 1.000 g und 15 Kinder bis 1.500 g. 22 Kinder verstarben, davon zwölf von 81 mit einer systemischen Candida-albicansInfektion und sieben von 25 mit einer Infektion durch eine Non-albicans-Spezies (3). ■ Diagnostik Auswahl des Nährmediums Für die kulturelle Diagnostik stehen bekanntlich verschiedene feste und flüssige Nährmedien zur Verfügung. Flüssige Nährmedien erhöhen die Ausbeute um einige Prozent, sind aber in der Praxis normalerweise nicht notwendig. Das klassische Nährmedium für Hefepilze ist der Sabouraud-2 %-Glukose-Agar (s. Abb. 3). Ähnliche Voraussetzungen bietet der Kimmig-Agar. Falls Hefepilzkolonien auf dem Agar wachsen, können sie morphologisch durch den Chlamydosporennachweis nach Subkultur auf Reis-Agar oder im Blutserum durch den Keimschlauchnachweis als Candida albicans identifiziert werden. Die weitere Differenzierung erfolgt biochemisch und ist somit dem mykologischen Labor vorbehalten. DIAGNOSTIK + THERAPIE Abb. 3: Gelegentlich bringt erst die Pilzkultur Licht ins Dunkel! Geotrichum candidum, Rhodotorula rubra und Candida albicans auf Sabouraud-Glukose-Agar (aus: Mendling: Die Vulvovaginalkandidose, Springer 1987). bei Kindern mit einem Geburtsgewicht unter 1.000 g. Sie konnte in all den Fällen verhindert werden, in denen das Frühgeborene, sofern es mit Antibiotika behandelt werden musste, eine orale Nystatin-Prophylaxe erhielt. (Es erkrankten vier von sechs kolonisierten Kindern ohne NystatinProphylaxe gegenüber einem von acht mit Nystatin-Prophylaxe.) (1) Seit einigen Jahren werden Agar-Arten angeboten, die auch für die Frauenarztpraxis nicht uninteressant sind: Der Albicans-ID- bzw. Candidaselect-Agar erlaubt durch den Zusatz eines chromogenen Substrates (He- FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4 413 DIAGNOSTIK + THERAPIE Minimale Hemmkonzentrationen Antimykotikum Amphotericin B 5-Flucytosin Clotrimazol Itraconazol Fluconazol Candida albicans 0,25 1 0,03 0,03 0,5 Tab. 1: Minimale Hemmkonzentrationen von Candida albicans und Candida glabrata gegen einige Antimykotika (µg/ml). Empfindlichkeitstestung von Candida Antimykotikum Empfindlich Fluconazol ≤8 Itraconazol ≤ 0,125 Dosisabhängig empfindlich 16 – 32 0,25 – 0,5 Resistent ≥ 64 ≥1 Tab. 2: Richtlinien zur In-vitro-Empfindlichkeitstestung von Candida spp (µg/ml). MHK und Dosierung von Fluconazol Hefeart Candida tropicalis Candida glabrata Candida krusei MHK-Schwerpunkt (µg/ml) 1,2 16 – 32 16 – 32 Fluconazol-Tagesdosis (mg) 100 400 – 800 400 – 800? Tab. 3: MHK-Schwerpunkte und Fluconazol-Tagesdosierung. xosamin), dass Candida albicans in türkisfarbenen Kolonien wächst, andere Candida-Arten jedoch weiß (auch Candida tropicalis wächst türkisfarben, kommt aber nur in 1–5 % der Fälle vor, was therapeutisch für die Patientin belanglos ist). Der Chrom-Agar erlaubt durch Zusatz eines Spezial-Chromogengemisches individuelle Farbreaktionen für Candida albicans (grün), Candida glabrata (rot), Candida krusei (hellrot bis rot) und Candida tropicalis (dunkelgrün mit violettem Hof) bzw. andere Spezies, die braun bzw. farblos wachsen. Somit sind die vier klinisch wichtigsten Candida-Arten bereits weitgehend verlässlich auf der Agarplatte mit bloßem Auge zu identifizieren. Die Speziesdifferenzierung ist wegen des in den letzten Jahren zunehmenden Auftretens von Non-albicans-Arten bedeutungsvoller geworden. Insbesondere auf Intensivstationen, in denen eine antimykotische 414 Candida glabratra 1 0,125 2 2 (= resistent) 16 – 32 ( = dosisabh. empfindlich) FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4 Prophylaxe mit längerfristigen Fluconazolgaben notwendig ist, haben sich fluconazolresistente Non-albicans-Arten vermehrt (Candida glabrata, Candida krusei u.a). Diese spielen auch eine Rolle als Verursacher von Vaginalmykosen. Deshalb wird aus mykologischer Sicht die Durchführung einer kulturellen Artdifferenzierung auch bei Vulvovaginal-Kandidosen zunehmend für sinnvoll gehalten. Lohnt sich eine Resistenzbestimmung? Eine Resistenzbestimmung wurde im Rahmen einer lokalen Polyen- oder Azoltherapie bei Vaginalmykosen bisher nicht für sinnvoll gehalten. Allerdings hat sich diese Meinung in den letzten fünf bis zehn Jahren unter dem Einfluss zunehmender oraler Triazol-Behandlungen bei chronisch rezidivierenden Vaginalkandidosen und bei Candida-glabrata- oder Candidakrusei-Vaginitis geändert, denn bei Fluconazol- und Itraconazoltherapie sind Candida krusei und Candida glabrata in üblichen Dosierungen wenig oder gar nicht empfindlich. Die von der Bakteriologie her bekannten Empfindlichkeitstests können allerdings nicht auf die Mykologie übertragen werden. Auch gibt es Diskrepanzen zwischen der Empfindlichkeit in vitro und der tatsächlichen Wirksamkeit in vivo. Standardisierte Testbedingungen sind erst in den letzten Jahren entwickelt worden. Viele Resistenzbestimmungen, die im Rahmen der Routinediagnostik in einem mikrobiologischen Labor durchgeführt werden, sind nach Angaben namhafter Mykologen leider für die Praxis nicht verwertbar und somit eine Fehlinvestition. Allerdings ist es von großer klinischer Bedeutung, zu wissen, dass bei Candida-glabrata- und Candida-krusei-Infektionen unter oraler Triazoltherapie eine mehrfach höhere Dosierung von Fluconazol erforderlich ist, während Candida albicans normalerweise gegen alle üblichen Antibiotika in normaler Dosierung empfindlich ist (s. Tab 1 und 2). So werden bei kulturell nachgewiesener und klinisch symptomatischer Candida-glabrata-Vaginitis 800 mg Fluconazol für mindestens 14 Tage empfohlen (s. Tab. 3). Neuerdings gibt es aber erste Erfahrungen aus der Hautklinik der Charité in Berlin mit Ciclopyroxolamin, das gerade bei Non-albicans-Arten Erfolg verspricht. Insbesondere die schwierig zu behandelnde Candida-glabrata-Infektion scheint mit einer zweiwöchigen intravaginalen Therapie preiswert heilbar zu sein. Gleiches gilt für die Candida-krusei-Vaginitis. Ciclopyroxolamin ist seit vielen Jahren in der Dermatologie bekannt und bewährt, jedoch erst kürzlich als Vaginaltherapeutikum in den Handel gekommen (inimur myko®). ■ Candida dubliniensis Nach der üblichen Taxonomie sind 196 Candida-Arten beschrieben, von denen etwa zehn bis 15 Arten als Erreger von Vaginalmykosen bekannt ge- domisierte prospektive Untersuchungen haben keine eindeutige Verbesserung der Rezidivfreiheit bei Patientinnen mit akuter Vaginalkandidose ergeben, wenn deren Darm saniert wurde. In einer internationalen multizentrischen Studie wurde 1986 bei Patientinnen mit Vaginalkandidose und Kolonisation des Rektums durch die gleiche Hefepilzart allerdings eine statistisch signifikant größere Reduktion der Rückfallquote vaginaler Mykosen beobachtet. ■ Partnertherapie ja oder nein? Bis vor wenigen Jahren hat die Mehrheit der Autoren eine gleichzeitige Behandlung des symptomfreien Partners empfohlen. Die wenigen vorliegenden kontrollierten prospektiven Studien zu dieser Frage haben jedoch keine Verbesserung der Heilung von Patientinnen mit akuter Vaginalkandidose ergeben, wenn der symptomfreie männliche Partner mitbehandelt wurde. Deshalb wird heute eine routinemäßige Partnerbehandlung bei der akuten Candida-albicans-Vaginitis für überflüssig gehalten. Die so genannte Anti-Pilz-Diät, die von Rieth seit den 60er Jahren vehement vertreten wurde, hat erheblich an Bedeutung verloren, da prospektive Untersuchungen dazu fehlen. Allerdings sollte bei chronisch rezidivierender Vaginalkandidose die Mundhöhlen beider Partner und der Stuhl der Patientin auf gleiche Hefepilzspezies wie in der Vagina getestet werden. Dann sollte zunächst – sofern erforderlich – eine Zahnsanierung erfolgen und anschließend eine zwei- bis vierwöchige Behandlung mit Amphotericin-B-Lutschtabletten sowie Nystatin zur Reduzierung der Pilze im Darm. Eine völlige Pilzfreiheit des Mundes oder Darmes ist nicht zu erreichen. Orale Triazole sind für die Darmsanierung nicht geeignet. Bei der chronisch-rezidivierenden Vaginalkandidose kann es für die Patientin nützlich sein, auch den Partner untersuchen und behandeln zu lassen. Dabei muss aber bedacht werden, dass gelegentlich Hefepilze nur im Sperma, nicht aber am Penis nachgewiesen werden können, sodass eine lokale Salbenbehandlung versagen muss. Hier sollte der Partner mit Fluconazol oral behandelt werden. In einer eigenen prospektiven Untersuchung mit DNS-Fingerprinting konnte der Nachweis erbracht werden, dass in etwa der Hälfte der Fälle, in denen Hefepilze im Sperma gefunden wurden, diese die gleichen stammspezifischen Eigenschaften aufwiesen wie die in der Vagina der Partnerin. ■ Ist eine Darmsanierung sinnvoll? Im Mund und Stuhl der Patientin sowie des Partners sind häufig gleichartige Hefepilze zu finden wie bei der Vaginalkandidose. Einige wenige ran- Trotz dieser Maßnahmen ist bei chronisch-rezidivierender Vaginalkandidose mit einem hohen Maß von Rezidiven zu rechnen, da letztlich die Ursache des Problems, nämlich die lokale immunologische Abwehrschwäche, zur Zeit nicht bekämpft werden kann. ■ Trägt Stress zur Entstehung der Vaginalmykose bei? Der immer wieder diskutierte psychosomatische Ansatz, ob eine Vaginalmykose auch durch Stress verursacht werden könne, sollte auch von den mehr somatisch orientierten Gynäkologen und Wissenschaftlern untersucht werden. Die Zusammenarbeit des Gynäkologen Göttlicher mit dem Psychologen und Statistiker Meyer und seiner Arbeitsgruppe in Bamberg lieferte höchst interessante Ergebnisse, die diese Vermutung auf Grund umfangreicher Befragungen von Patientinnen mit Vaginalkandidose bestätigen. Demnach können verschiedene endogene und exogene Stressoren zusätzlich zu den bekannten somatischen Risikofaktoren eine Vaginalkandidose triggern. Das „missing link“ zwischen der psychischen und der somatischen Komponente dürfte nach eigener Auffassung in einer Reduktion immunologischer Parameter liegen. Die Erfahrungen des Alltags der gynäkologischen Sprechstunde scheinen dies zu unterstützen. ■ Welche Perspektiven bieten immunologische adjuvante Therapien? Mit dem Ziel, die offensichtlich lokal geschwächte Abwehr der Patientinnen mit chronisch-rezidivierender Vaginalkandidose zu stärken, untersuchte der Autor erstmals um 1987, ob sich die peripheren T-Lymphozyten mit einem geeigneten Medikament stimulieren lassen. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass bei einer Reihe von Patientinnen mit chronisch-rezidivierender Candidaalbicans-Vaginitits die peripheren T-Lymphozyten nur im unteren Normbereich oder knapp darunter lagen und auf die Gabe von Thymopentin positiv ansprachen. Bei etwa der Hälfte der Patientinnen konnte tatsächlich eine Verringerung der Rezidive oder sogar eine Heilung erzielt werden. Dies führte zu weiteren Untersuchungen und Therapieversuchen durch Spitzbart in Erfurt, der nach Bestimmungen der peripheren Candida-spezifischen Immunglobuline eine Stimulation der T-Lymphozyten mit dem Präparat LeucoNorm CytoChemia versuchte. Dabei berichtete auch er über ermutigende Erfolge. Diese teuren Methoden haben sich – auch mangels sicherer Vorhersagemöglichkeit des Erfolges – bisher nicht durchsetzen können. DIAGNOSTIK + THERAPIE worden sind. Eine neue Art ist Candida dubliniensis, die mit Candida albicans nahe verwandt ist und 1995 zum ersten Mal beschrieben wurde. Sie fiel in der Mundhöhle von HIV-positiven Personen auf und ist möglicherweise weiter verbreitet als bekannt, da die Differenzierungsmethoden gegen Candida albicans diffizil sind. Derzeit wird in Berlin eine eigene Untersuchung zum Vorkommen dieser Hefepilzart in der Vagina gesunder und kranker Frauen durchgeführt. Etwa um 1983 wurde erstmals aus der Schweiz über eine Lactobazillus-Vakzine berichtet, mit der die bakterielle Vaginose und die Trichomoniasis erfolgreich bekämpft werden konnten FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4 415 DIAGNOSTIK + THERAPIE 416 (siehe Artikel „Die Trichomoniasis“ in FRAUENARZT 1/2002). Die Wirkung wird durch eine nachweisbare Antikörperbildung (sekretorisches Immunglobulin A) gegen die injizierten nicht H2O2-bildenden Lactobazillusstämme erklärt, sodass die „gesunden“ Lactobazillen einen „Biotopvorteil“ bekommen. Neuerdings wird dieses Präparat von der heutigen Herstellerfirma nach einer entsprechenden Publikation auch bei chronisch rezidivierenden Vaginalkandidosen empfohlen. Prospektive kontrollierte Studien stehen allerdings noch aus bzw. haben in der eigenen Arbeitsgruppe soeben begonnen. ■ Was tun bei chronisch-rezidivierender Candida-albicans-Vaginitis? Die chronisch-redizivierende Vaginalkandidose ist definiert mit mindestens vier Rezidiven pro Jahr. Nach Kenntnis des vorher Gesagten und nach Erinnerung an die Tatsache, dass eine Hefepilzinfektion eine opportunistische Erkrankung ist (Infektion = Kolonisation + Disposition), führt nachweisbar derzeit nur folgender Weg zur Beschwerdefreiheit dieser geplagten Patientinnen: – Sicherung der Diagnose durch kulturelle Diagnostik. – Orale Gabe eines Triazols (z.B. 150 mg Fluconazol oder 2 x 200 mg Itraconazol als Ein-Tages-Therapie). – Wiederholung dieser Maßnahme wöchentlich, dann zweiwöchentlich und schließlich vierwöchentlich etwa zweibis viermal für die Dauer von wenigstens sechs Monaten. Nach Absetzen dieser Therapie rezidiviert etwa die Hälfte der Erkrankungen wie vorher! – Gegebenenfalls nach kultureller Sicherung gleicher Candida-Arten im Mund beider Partner und im Stuhl Versuch der „Darmsanierung“. – Gegebenenfalls Untersuchung des Spermas des Partners. Bei Nachweis gleicher Hefepilze ebenfalls Fluconazol-Ein-Tages-Therapie. – Gegebenenfalls adjuvante Maßnahmen mit dem Ziel, die Abwehr der Patientin zu verbessern. Es existiert keine gesicherte Methode! FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4 Weitere Möglichkeiten der Therapie Nach eigenen Voruntersuchungen erscheint es nicht uninteressant, eine Antigentherapie mit aus der Vagina der betroffenen Patientin stammenden Candida-albicans-Zubereitungen zu versuchen, um spezifische Antikörper zu stimulieren. Unspezifische Immunstimulation mit Lichttherapie bestimmter Wellenlängen zur Stimulierung der Phagozytose werden zur Zeit in der eigenen Arbeitsgruppe unternommen. Naturheilkundliche Versuche mit Umstellung von Körper und Seele (Konfliktbearbeitung, Stressreduzierung, Sport und gesunde Ernährung) zeigen in Einzelfällen bei Patientinnen, die davon berichten, Erfolge. Literatur 1. Laskus A, Mendling W , Runge K, Schmidt A: Ist die Candida-Septikämie bei Frühgeborenen eine nosokomiale Infektion? Mycoses 41 (1998) Suppl 2, 37–40. 2. Mendling W: Vaginose, Vaginitis und Zervizitis. Springer, Berlin 1995. 3. Müller FM: Systemische Pilzinfektion in der Früh- und Neugeborenenperiode. 34. Wissenschaftliche Tagung der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft e.V., 14. – 16. September 2000, Berlin (Abstracts). 4. Tietz HJ, Mendling W: Haut- und Vaginalmykosen. Blackwell, Berlin 2000. Autor Prof. Dr. med. Werner Mendling Direktor der Vivantes-Frauenkliniken im Friedrichshain und Am Urban Landsberger Allee 49 10249 Berlin Tel. (0 30) 42 21-14 42 Fax (0 30) 42 21-20 43