Mendling, W.

Transcription

Mendling, W.
DIAGNOSTIK + THERAPIE
INFEKTIOLOGIE
Neues aus der gynäkologischen Mykologie
Werner Mendling
In den letzten 20 Jahren ist das Wissen über Hefepilzinfektionen
in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowohl detaillierter
geworden als auch – in inzwischen 180 ganztätigen Seminaren
mit mikroskopischen Übungen, an denen seit 1980 mehr als
7.000 Frauenärzte teilgenommen haben – weit verbreitet worden. Dennoch bleibt alles im Fluss: In den letzten fünf Jahren
sind weitere Erkenntnisse hinzugekommen, einige Dinge werden
differenzierter betrachtet, während andere Fragen nach wie vor
unbefriedigend beantwortet oder gänzlich offen sind. Dies in
Kürze darzustellen ist Aufgabe dieses Artikels.
Im Folgenden ist zusammengestellt,
was bereits gesichertes Wissen ist
und auf welchen Gebieten zur Zeit für
die Praxis relevante Forschungs- und
Entwicklungsarbeit stattfindet. Wer
sich ausführlicher informieren möchte, kann in den im Literaturverzeichnis angegebenen Monographien von
Mendling bzw. Tietz und Mendling
nachlesen (2, 4).
Was ist gesichert?
■ Artenspektrum
Hefepilze der Gattung Candida sind
fakultativ pathogen, d.h. neben der
Kolonisation des Menschen bedarf es
seiner lokalen oder allgemeinen Disposition, damit aus der Kolonisation
eine Infektion mit entsprechender
klinischer Symptomatik werden kann
(Abb. 1 u. 2).
In etwa 80–90 % der Fälle in der
Gynäkologie und Geburtshilfe (bei
internistischen oder onkologischen
Erkrankungen mit Immunsuppression
nur in etwa 40–70 %) wird die Infektion durch Candida albicans, in 5–
10 % der Fälle durch Candida glabrata und in 1–3 % durch Candida krusei und einige andere Candida-Arten
verursacht.
■ Kolonisation
Die Kolonisation nimmt ihren Ursprung im Mund und im Magen-DarmTrakt. Sie ist ebenfalls morbiditäts-
Abb. 1: Nativpräparat aus Vaginalsekret, Vergrößerung 400-fach,
Phasenkontrast: Candida-albicans-Vaginitis mit Nachweis von
Döderleinflora, Leukozyten und Blastospore mit beginnendem
Pseudohyphen als Zeichen der Infektion.
412
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4
abhängig: Bei kariösen Gebissen und
Zahnprothesenträgern ist die Hefepilzkolonisation des Mundes sehr
häufig; sie erreicht in Altersheimen
bis 100 %, kann aber auch bei Kindergartenkindern schon 20 % betragen. Die Kolonisation des Menschen
mit Hefepilzen ist also nicht physiologisch, wie oft behauptet, sondern
lediglich morbiditätsabhängig häufig
und stellt zunächst eine transiente
oder kommensale Kolonisation dar,
die bei entsprechender Morbidität zur
Infektion werden kann. So ist die Kolonisation des Darmes sehr häufig,
eine Darmmykose aber eine Rarität.
Häufigste Quelle einer Rekolonisation bei Frauen mit chronisch-rezidivierenden Vaginalkandidosen dürfte
der eigene Mund und Magen-DarmTrakt bzw. der des Partners sein.
Die genitale Hefepilzkolonisation der
Frau im östrogenisierten Alter liegt
bei 10 %, sofern sie immunkompetent, d.h. gesund ist. Schwangere
werden mit steigendem Schwangerschaftsalter häufiger kolonisiert, weil
als Folge der höheren Östrogen- und
Gestagenwirkung vermehrt Glykolyse
stattfindet und das Zuckerangebot für
die Hefepilze in der Scheide steigt. In
der 40. Schwangerschaftswoche sind
deshalb 25–30 % der unbehandelten
Frauen vaginal kolonisiert. Kranke
Frauen mit Abwehrschwächen werden
noch häufiger von Hefepilzen genital
besiedelt und haben ein entsprechend
höheres Erkrankungsrisiko.
Abb. 2: Candida-glabrata-Kolonisation der Vagina mit Laktobazillen und
vier kleinen Blastosporen ohne Infektionszeichen. Der mikroskopische
Verdacht muss kulturell gesichert werden. Die (asymptomatische)
Kolonisation einer immunkompetenten Frau wird nicht behandelt.
■ Genitale Infektionen
Die Infektion ist östrogen- und damit
altersabhängig auf die Scheide und
den Introitus vaginae beschränkt; bei
ausgedehnteren Fällen erfasst sie
auch in östrogenisiertem Zustand die
Vulva. Bei postmenopausalen Frauen
ist fast nie die Scheide betroffen,
sondern nur die Vulva. Bei Kindern
jenseits des Säuglingsalters und vor
der Menarche umfasst die Infektion
ebenfalls nur die Vulva. Für eine solche Erkrankung bedarf es aber einer
Abwehrschwäche, sodass eine Vulvitis beim Kind eher bakteriell bedingt
ist und im Falle einer Mykose eine ursächliche Immunsuppression gesucht
werden sollte.
■ Therapie
Die Behandlung der Candida-albicans-Vulvovaginitis ist normalerweise einfach und gelingt in etwa
80–90 % der Fälle mit jedem handelsüblichen Antimykotikum, sei es
ein Polyen, ein lokales Imidazol,
Ciclopyroxolamin oder ein orales
Triazol. Die Kurztherapie von einem
oder drei Tagen Dauer ist wegen besserer Compliance und gleicher Heilungsquote vorzuziehen.
■ Die postpartale Kandidose des
reifen Neugeborenen
Die Kandidose des reifen und gesunden Säuglings entsteht normalerweise durch peripartale Übertragung
von der Vagina der Mutter und ist eine
zwar lästige, aber eher ungefährliche
Erkrankung für das Kind. Candida albicans ist in den ersten Lebenswochen für das gesunde und reife Neu-
geborene praktisch obligat pathogen:
Im Fall einer ersten Kolonisation mit
Hefepilzen vor Ende der ersten Lebenswoche – fast immer durch die vaginale Geburt – entwickelt sich in
mindestens 90 % der Fälle im ersten
Lebensjahr – mit einem Häufigkeitsgipfel von 10 – 15 % in der zweiten
bis vierten Lebenswoche – eine Mund(„Mundsoor“) und/oder Anogenitalkandidose („Windeldermatitis“).
Was ist neu? Wozu liegen
neue Untersuchungen vor?
■ Die neonatale Candida-Infektion
des Frühgeborenen
Frühgeborene hingegen werden nosokomial infiziert und sind durch eine
Candida-Septikämie gefährdet. Aus
Deutschland stammen dazu zwei Studien aus jüngster Zeit.
In einer prospektiven Untersuchung
an 176 Müttern mit drohender Frühgeburt und deren 150 Frühgeborenen
mit einem Geburtsgewicht zwischen
550 und 2.390 g lag nur bei zwei Mutter-Kind-Paaren eine Übereinstimmung der Candida-Spezies zwischen
Mutter und Kind vor. Die meisten
Frühgeborenen, die fast immer durch
Kaiserschnitt geboren worden waren,
wurden erst in der zweiten bis dritten Lebenswoche mit Hefepilzen kolonisiert. Die Häufigkeit der Hefepilzkolonisation korrelierte eng mit
dem Geburtsgewicht, d.h. je geringer
das Geburtsgewicht war, desto häufiger war das Kind kolonisiert bzw. infiziert. Eine Candida-Septikämie entwickelt sich demzufolge vorwiegend
Eine retrospektive Studie zur Epidemiologie systemischer Pilzinfektionen bei 115 Früh- und Neugeborenen
in Deutschland ergab 63 gesicherte,
35 wahrscheinliche und 17 fragliche
systemische Infektionen. 59 der 115
Kinder hatten ein Geburtsgewicht
unter 750 g, 35 Kinder bis 1.000 g
und 15 Kinder bis 1.500 g. 22 Kinder
verstarben, davon zwölf von 81 mit
einer systemischen Candida-albicansInfektion und sieben von 25 mit einer Infektion durch eine Non-albicans-Spezies (3).
■ Diagnostik
Auswahl des Nährmediums
Für die kulturelle Diagnostik stehen
bekanntlich verschiedene feste und
flüssige Nährmedien zur Verfügung.
Flüssige Nährmedien erhöhen die
Ausbeute um einige Prozent, sind
aber in der Praxis normalerweise
nicht notwendig. Das klassische
Nährmedium für Hefepilze ist der Sabouraud-2 %-Glukose-Agar (s. Abb.
3). Ähnliche Voraussetzungen bietet
der Kimmig-Agar. Falls Hefepilzkolonien auf dem Agar wachsen, können
sie morphologisch durch den Chlamydosporennachweis nach Subkultur
auf Reis-Agar oder im Blutserum
durch den Keimschlauchnachweis als
Candida albicans identifiziert werden. Die weitere Differenzierung erfolgt biochemisch und ist somit dem
mykologischen Labor vorbehalten.
DIAGNOSTIK + THERAPIE
Abb. 3: Gelegentlich
bringt erst die Pilzkultur Licht ins
Dunkel! Geotrichum
candidum, Rhodotorula rubra und Candida
albicans auf Sabouraud-Glukose-Agar
(aus: Mendling: Die
Vulvovaginalkandidose, Springer 1987).
bei Kindern mit einem Geburtsgewicht unter 1.000 g. Sie konnte in all
den Fällen verhindert werden, in denen das Frühgeborene, sofern es mit
Antibiotika behandelt werden musste, eine orale Nystatin-Prophylaxe
erhielt. (Es erkrankten vier von sechs
kolonisierten Kindern ohne NystatinProphylaxe gegenüber einem von
acht mit Nystatin-Prophylaxe.) (1)
Seit einigen Jahren werden Agar-Arten angeboten, die auch für die Frauenarztpraxis nicht uninteressant
sind: Der Albicans-ID- bzw. Candidaselect-Agar erlaubt durch den Zusatz
eines chromogenen Substrates (He-
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4
413
DIAGNOSTIK + THERAPIE
Minimale Hemmkonzentrationen
Antimykotikum
Amphotericin B
5-Flucytosin
Clotrimazol
Itraconazol
Fluconazol
Candida albicans
0,25
1
0,03
0,03
0,5
Tab. 1: Minimale Hemmkonzentrationen von Candida albicans und Candida glabrata
gegen einige Antimykotika (µg/ml).
Empfindlichkeitstestung von Candida
Antimykotikum Empfindlich
Fluconazol
≤8
Itraconazol
≤ 0,125
Dosisabhängig empfindlich
16 – 32
0,25 – 0,5
Resistent
≥ 64
≥1
Tab. 2: Richtlinien zur In-vitro-Empfindlichkeitstestung von Candida spp (µg/ml).
MHK und Dosierung von Fluconazol
Hefeart
Candida tropicalis
Candida glabrata
Candida krusei
MHK-Schwerpunkt (µg/ml)
1,2
16 – 32
16 – 32
Fluconazol-Tagesdosis (mg)
100
400 – 800
400 – 800?
Tab. 3: MHK-Schwerpunkte und Fluconazol-Tagesdosierung.
xosamin), dass Candida albicans in
türkisfarbenen Kolonien wächst, andere Candida-Arten jedoch weiß
(auch Candida tropicalis wächst türkisfarben, kommt aber nur in 1–5 %
der Fälle vor, was therapeutisch für
die Patientin belanglos ist).
Der Chrom-Agar erlaubt durch Zusatz
eines Spezial-Chromogengemisches
individuelle Farbreaktionen für Candida albicans (grün), Candida glabrata (rot), Candida krusei (hellrot bis
rot) und Candida tropicalis (dunkelgrün mit violettem Hof) bzw. andere
Spezies, die braun bzw. farblos wachsen. Somit sind die vier klinisch wichtigsten Candida-Arten bereits weitgehend verlässlich auf der Agarplatte mit bloßem Auge zu identifizieren.
Die Speziesdifferenzierung ist wegen
des in den letzten Jahren zunehmenden Auftretens von Non-albicans-Arten bedeutungsvoller geworden. Insbesondere auf Intensivstationen, in denen eine antimykotische
414
Candida glabratra
1
0,125
2
2 (= resistent)
16 – 32 ( = dosisabh. empfindlich)
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4
Prophylaxe mit längerfristigen Fluconazolgaben notwendig ist, haben
sich fluconazolresistente Non-albicans-Arten vermehrt (Candida glabrata, Candida krusei u.a). Diese
spielen auch eine Rolle als Verursacher von Vaginalmykosen. Deshalb
wird aus mykologischer Sicht die
Durchführung einer kulturellen Artdifferenzierung auch bei Vulvovaginal-Kandidosen zunehmend für sinnvoll gehalten.
Lohnt sich eine Resistenzbestimmung?
Eine Resistenzbestimmung wurde im
Rahmen einer lokalen Polyen- oder
Azoltherapie bei Vaginalmykosen bisher nicht für sinnvoll gehalten. Allerdings hat sich diese Meinung in den
letzten fünf bis zehn Jahren unter
dem Einfluss zunehmender oraler Triazol-Behandlungen bei chronisch rezidivierenden Vaginalkandidosen und
bei Candida-glabrata- oder Candidakrusei-Vaginitis geändert, denn bei
Fluconazol- und Itraconazoltherapie
sind Candida krusei und Candida glabrata in üblichen Dosierungen wenig
oder gar nicht empfindlich.
Die von der Bakteriologie her bekannten Empfindlichkeitstests können
allerdings nicht auf die Mykologie
übertragen werden. Auch gibt es Diskrepanzen zwischen der Empfindlichkeit in vitro und der tatsächlichen
Wirksamkeit in vivo. Standardisierte
Testbedingungen sind erst in den letzten Jahren entwickelt worden. Viele
Resistenzbestimmungen, die im Rahmen der Routinediagnostik in einem
mikrobiologischen Labor durchgeführt
werden, sind nach Angaben namhafter Mykologen leider für die Praxis
nicht verwertbar und somit eine Fehlinvestition. Allerdings ist es von großer klinischer Bedeutung, zu wissen,
dass bei Candida-glabrata- und Candida-krusei-Infektionen unter oraler
Triazoltherapie eine mehrfach höhere
Dosierung von Fluconazol erforderlich
ist, während Candida albicans normalerweise gegen alle üblichen Antibiotika in normaler Dosierung empfindlich ist (s. Tab 1 und 2).
So werden bei kulturell nachgewiesener und klinisch symptomatischer
Candida-glabrata-Vaginitis 800 mg
Fluconazol für mindestens 14 Tage
empfohlen (s. Tab. 3). Neuerdings
gibt es aber erste Erfahrungen aus
der Hautklinik der Charité in Berlin
mit Ciclopyroxolamin, das gerade bei
Non-albicans-Arten Erfolg verspricht.
Insbesondere die schwierig zu behandelnde Candida-glabrata-Infektion scheint mit einer zweiwöchigen
intravaginalen Therapie preiswert
heilbar zu sein. Gleiches gilt für die
Candida-krusei-Vaginitis. Ciclopyroxolamin ist seit vielen Jahren in der
Dermatologie bekannt und bewährt,
jedoch erst kürzlich als Vaginaltherapeutikum in den Handel gekommen
(inimur myko®).
■ Candida dubliniensis
Nach der üblichen Taxonomie sind 196
Candida-Arten beschrieben, von denen etwa zehn bis 15 Arten als Erreger von Vaginalmykosen bekannt ge-
domisierte prospektive Untersuchungen haben keine eindeutige Verbesserung der Rezidivfreiheit bei Patientinnen mit akuter Vaginalkandidose ergeben, wenn deren Darm saniert wurde. In einer internationalen
multizentrischen Studie wurde 1986
bei Patientinnen mit Vaginalkandidose und Kolonisation des Rektums
durch die gleiche Hefepilzart allerdings eine statistisch signifikant größere Reduktion der Rückfallquote vaginaler Mykosen beobachtet.
■ Partnertherapie ja oder nein?
Bis vor wenigen Jahren hat die Mehrheit der Autoren eine gleichzeitige
Behandlung des symptomfreien Partners empfohlen. Die wenigen vorliegenden kontrollierten prospektiven
Studien zu dieser Frage haben jedoch
keine Verbesserung der Heilung von
Patientinnen mit akuter Vaginalkandidose ergeben, wenn der symptomfreie männliche Partner mitbehandelt
wurde. Deshalb wird heute eine routinemäßige Partnerbehandlung bei
der akuten Candida-albicans-Vaginitis für überflüssig gehalten.
Die so genannte Anti-Pilz-Diät, die
von Rieth seit den 60er Jahren vehement vertreten wurde, hat erheblich
an Bedeutung verloren, da prospektive Untersuchungen dazu fehlen.
Allerdings sollte bei chronisch rezidivierender Vaginalkandidose die Mundhöhlen beider Partner und der Stuhl
der Patientin auf gleiche Hefepilzspezies wie in der Vagina getestet
werden. Dann sollte zunächst – sofern erforderlich – eine Zahnsanierung erfolgen und anschließend eine
zwei- bis vierwöchige Behandlung mit
Amphotericin-B-Lutschtabletten sowie Nystatin zur Reduzierung der Pilze im Darm. Eine völlige Pilzfreiheit
des Mundes oder Darmes ist nicht zu
erreichen. Orale Triazole sind für die
Darmsanierung nicht geeignet.
Bei der chronisch-rezidivierenden Vaginalkandidose kann es für die Patientin nützlich sein, auch den Partner untersuchen und behandeln zu
lassen. Dabei muss aber bedacht werden, dass gelegentlich Hefepilze nur
im Sperma, nicht aber am Penis nachgewiesen werden können, sodass eine
lokale Salbenbehandlung versagen
muss. Hier sollte der Partner mit Fluconazol oral behandelt werden.
In einer eigenen prospektiven Untersuchung mit DNS-Fingerprinting
konnte der Nachweis erbracht werden,
dass in etwa der Hälfte der Fälle, in
denen Hefepilze im Sperma gefunden
wurden, diese die gleichen stammspezifischen Eigenschaften aufwiesen
wie die in der Vagina der Partnerin.
■ Ist eine Darmsanierung sinnvoll?
Im Mund und Stuhl der Patientin sowie des Partners sind häufig gleichartige Hefepilze zu finden wie bei der
Vaginalkandidose. Einige wenige ran-
Trotz dieser Maßnahmen ist bei chronisch-rezidivierender Vaginalkandidose mit einem hohen Maß von
Rezidiven zu rechnen, da letztlich
die Ursache des Problems, nämlich
die lokale immunologische Abwehrschwäche, zur Zeit nicht bekämpft
werden kann.
■ Trägt Stress zur Entstehung der
Vaginalmykose bei?
Der immer wieder diskutierte psychosomatische Ansatz, ob eine Vaginalmykose auch durch Stress verursacht
werden könne, sollte auch von den
mehr somatisch orientierten Gynäkologen und Wissenschaftlern untersucht werden. Die Zusammenarbeit
des Gynäkologen Göttlicher mit dem
Psychologen und Statistiker Meyer
und seiner Arbeitsgruppe in Bamberg
lieferte höchst interessante Ergebnisse, die diese Vermutung auf Grund
umfangreicher Befragungen von Patientinnen mit Vaginalkandidose bestätigen. Demnach können verschiedene endogene und exogene Stressoren zusätzlich zu den bekannten
somatischen Risikofaktoren eine Vaginalkandidose triggern. Das „missing
link“ zwischen der psychischen und
der somatischen Komponente dürfte
nach eigener Auffassung in einer Reduktion immunologischer Parameter
liegen. Die Erfahrungen des Alltags
der gynäkologischen Sprechstunde
scheinen dies zu unterstützen.
■ Welche Perspektiven bieten
immunologische adjuvante
Therapien?
Mit dem Ziel, die offensichtlich lokal
geschwächte Abwehr der Patientinnen
mit chronisch-rezidivierender Vaginalkandidose zu stärken, untersuchte der
Autor erstmals um 1987, ob sich die
peripheren T-Lymphozyten mit einem
geeigneten Medikament stimulieren
lassen. Es hatte sich nämlich gezeigt,
dass bei einer Reihe von Patientinnen
mit chronisch-rezidivierender Candidaalbicans-Vaginitits die peripheren
T-Lymphozyten nur im unteren Normbereich oder knapp darunter lagen und
auf die Gabe von Thymopentin positiv
ansprachen. Bei etwa der Hälfte der
Patientinnen konnte tatsächlich eine
Verringerung der Rezidive oder sogar
eine Heilung erzielt werden. Dies führte zu weiteren Untersuchungen und
Therapieversuchen durch Spitzbart in
Erfurt, der nach Bestimmungen der peripheren Candida-spezifischen Immunglobuline eine Stimulation der
T-Lymphozyten mit dem Präparat LeucoNorm CytoChemia versuchte. Dabei
berichtete auch er über ermutigende
Erfolge. Diese teuren Methoden haben
sich – auch mangels sicherer Vorhersagemöglichkeit des Erfolges – bisher
nicht durchsetzen können.
DIAGNOSTIK + THERAPIE
worden sind. Eine neue Art ist Candida dubliniensis, die mit Candida albicans nahe verwandt ist und 1995 zum
ersten Mal beschrieben wurde. Sie fiel
in der Mundhöhle von HIV-positiven
Personen auf und ist möglicherweise
weiter verbreitet als bekannt, da die
Differenzierungsmethoden gegen Candida albicans diffizil sind. Derzeit wird
in Berlin eine eigene Untersuchung
zum Vorkommen dieser Hefepilzart in
der Vagina gesunder und kranker Frauen durchgeführt.
Etwa um 1983 wurde erstmals aus der
Schweiz über eine Lactobazillus-Vakzine berichtet, mit der die bakterielle Vaginose und die Trichomoniasis
erfolgreich bekämpft werden konnten
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4
415
DIAGNOSTIK + THERAPIE
416
(siehe Artikel „Die Trichomoniasis“ in
FRAUENARZT 1/2002). Die Wirkung
wird durch eine nachweisbare Antikörperbildung (sekretorisches Immunglobulin A) gegen die injizierten
nicht H2O2-bildenden Lactobazillusstämme erklärt, sodass die „gesunden“ Lactobazillen einen „Biotopvorteil“ bekommen.
Neuerdings wird dieses Präparat von
der heutigen Herstellerfirma nach einer entsprechenden Publikation auch
bei chronisch rezidivierenden Vaginalkandidosen empfohlen. Prospektive
kontrollierte Studien stehen allerdings
noch aus bzw. haben in der eigenen
Arbeitsgruppe soeben begonnen.
■ Was tun bei chronisch-rezidivierender Candida-albicans-Vaginitis?
Die chronisch-redizivierende Vaginalkandidose ist definiert mit mindestens vier Rezidiven pro Jahr. Nach
Kenntnis des vorher Gesagten und
nach Erinnerung an die Tatsache,
dass eine Hefepilzinfektion eine opportunistische Erkrankung ist (Infektion = Kolonisation + Disposition), führt nachweisbar derzeit nur
folgender Weg zur Beschwerdefreiheit dieser geplagten Patientinnen:
– Sicherung der Diagnose durch kulturelle Diagnostik.
– Orale Gabe eines Triazols (z.B. 150
mg Fluconazol oder 2 x 200 mg Itraconazol als Ein-Tages-Therapie).
– Wiederholung dieser Maßnahme wöchentlich, dann zweiwöchentlich und
schließlich vierwöchentlich etwa zweibis viermal für die Dauer von wenigstens sechs Monaten. Nach Absetzen
dieser Therapie rezidiviert etwa die
Hälfte der Erkrankungen wie vorher!
– Gegebenenfalls nach kultureller Sicherung gleicher Candida-Arten im
Mund beider Partner und im Stuhl
Versuch der „Darmsanierung“.
– Gegebenenfalls Untersuchung des
Spermas des Partners. Bei Nachweis
gleicher Hefepilze ebenfalls Fluconazol-Ein-Tages-Therapie.
– Gegebenenfalls adjuvante Maßnahmen mit dem Ziel, die Abwehr der Patientin zu verbessern. Es existiert
keine gesicherte Methode!
FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 4
Weitere Möglichkeiten
der Therapie
Nach eigenen Voruntersuchungen erscheint es nicht uninteressant, eine
Antigentherapie mit aus der Vagina
der betroffenen Patientin stammenden Candida-albicans-Zubereitungen
zu versuchen, um spezifische Antikörper zu stimulieren.
Unspezifische Immunstimulation mit
Lichttherapie bestimmter Wellenlängen zur Stimulierung der Phagozytose werden zur Zeit in der eigenen Arbeitsgruppe unternommen.
Naturheilkundliche Versuche mit Umstellung von Körper und Seele (Konfliktbearbeitung, Stressreduzierung,
Sport und gesunde Ernährung) zeigen in Einzelfällen bei Patientinnen,
die davon berichten, Erfolge.
Literatur
1. Laskus A, Mendling W , Runge K,
Schmidt A: Ist die Candida-Septikämie
bei Frühgeborenen eine nosokomiale
Infektion? Mycoses 41 (1998) Suppl 2,
37–40.
2. Mendling W: Vaginose, Vaginitis und
Zervizitis. Springer, Berlin 1995.
3. Müller FM: Systemische Pilzinfektion in
der Früh- und Neugeborenenperiode. 34.
Wissenschaftliche Tagung der
Deutschsprachigen Mykologischen
Gesellschaft e.V., 14. – 16. September
2000, Berlin (Abstracts).
4. Tietz HJ, Mendling W: Haut- und
Vaginalmykosen. Blackwell, Berlin 2000.
Autor
Prof. Dr. med. Werner Mendling
Direktor der Vivantes-Frauenkliniken im Friedrichshain
und Am Urban
Landsberger Allee 49
10249 Berlin
Tel. (0 30) 42 21-14 42
Fax (0 30) 42 21-20 43

Documents pareils