Internationale Modeexperten befürchten, dass

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Internationale Modeexperten befürchten, dass
Internationale Modeexperten befürchten,
dass Abercrombie & Fitch ein Schicksal
wie Gap erleiden wird: von der Kultmarke
zu einem Anbieter wie so viele.
Coole Läden allein sind einfach zu wenig.
Haben wollen
Text von Dagmar Lang
Schlange stehen gehört
bei Abercrombie zum
Alltag. Die Frage ist:
Wie lange noch?
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ich die T-Shirts auf der ganzen Welt für ihn kaufen. Seit sie
hier verfügbar sind, sind sie völlig uninteressant.“ Marktforscherin Sophie Karmasin, selbst Mutter zweier altersentsprechender Buben, erklärt das Phänomen so: „Nur global
kundige Menschen kennen die Marke Abercrombie überhaupt. Wer so ein T-Shirt hat, muss im Ausland gewesen
sein. Shoppen in New York und London ist eben cool.“
Teurer Ladenbau
Stopp – Abercrombie gibt es
auch online zu kaufen: „Erstens muss man das auch
­wissen und zweitens gibt es
nicht das ganze Sortiment.“
Karmasin zweifelt auch daran, dass der Online-Store
­rasend erfolgreich ist. Denn
die Inszenierung der Marken
Abercrombie und Hollister
findet ausschließlich am
Point of Sale statt. Das gilt im
ganz besonderen Maße für
Abercrombie. Nur die besten
Lagen (Fifth Avenue, direkt
neben dem Central Park) sind
gerade mal gut genug. In
Düsseldorf musste es die
sündteure Königsallee sein,
in unmittelbarer Nachbarschaft von Louis Vuitton,
­Prada und Gucci. „Sie haben die am teuersten eingerichteten Läden der Welt“, sagt Jörg Nowicki, auf Abercrombie
und Hollister spezialisierter Fachredakteur der deutschen
TextilWirtschaft. „Sie investieren unglaublich viel in den
Ladenbau und das Ambiente.“ Dafür aber keinen Cent in
Werbung oder PR. Die einzige Kommunikation nach außen
richtet sich an die Investoren: nackte Zahlen und sonst
nichts, auf der Homepage nur für Insider auffindbar. Selbst
bei der Eröffnung des ersten Hollister-Ladens in Österreich
gab es keine Pressebetreuung, die Bilder der Schlange
­stehenden Jugendlichen sollten für sich selbst sprechen.
Bestseller 9|10 2012
Abercrombie and Fitch (3), Textilwirtschaft (3), Birgit schaller
Begehrlichkeit. November 2008, zwei Monate nach Beginn
der Finanzkrise, nimmt die IAA Lokalaugenschein in New
York. Das dicht gedrängte Programm lässt kaum Zeit für
­eigene Erfahrungen, doch eine muss sein: Ein Besuch bei
Abercrombie & Fitch in der Fifth Avenue gehört zu New
York wie das MOMA. Zumindest für Eltern halbwüchsiger
Kinder, die in gute Schulen gehen. Denn für die stand ein
Sweatshirt von Abercrombie & Fitch in der Begehrlichkeit
nahe einem iPhone. Obwohl es die Marke bis heute nicht
in Österreich zu kaufen gibt, hat sie in einer ganz bestimmten Schicht an Jugendlichen Kultstatus. Ähnliches
galt für die Abercrombie-Tochter Hollister, bevor sie im
­Donau Zentrum in Wien, im Europark in Salzburg, in der
PlusCity in Linz und in Graz-Seiersberg eigene Stores eröffnete. Brigitte Medlin, Chefredakteurin der Österreichischen
Textil Zeitung, schildert Erfahrungen mit ihrem 17-jährigen
Sohn: „Solange es Hollister in Österreich nicht gab, musste
branding
Abercrombie
& Fitch
Dafür sollen auch die halbnackten Models, die beim Eingang stehen, mehr verdienen als herkömmliche Handelsangestellte – sie heißen ja auch nicht Verkäufer, sondern
Storemodel. Weitere Merkmale der Kultmarke: Es ist stockfinster, es dröhnt laute, coole Musik („wie in der Disco“,
Karmasin), es riecht penetrant nach dem Abercrombie-Duft
und es gibt Warteschlangen. Vor dem Geschäft, vor den
Umkleidekabinen, dann noch mal vor der Kassa. Die ist
klugerweise im letzten Stock, also muss man durch den
ganzen Laden … Eltern nervt es zu Tode, die Kids finden
das cool. Oder müssen wir schon schreiben, fanden es cool?
Umsätze sinken
Im heurigen Sommer verlautete Abercrombie flächenbereinigt um acht Prozent sinkende Umsätze und die Halbierung des Gewinns. Die internationale Expansion soll zumindest für Abercrombie & Fitch überdacht werden. Die
Wenig Innovationen im Sortiment:
Das wird sich ändern müssen.
war bis 2007 nur in
den USA präsent, seit
2007 in London, heute
1.049 ­Filialen (294 A&F,
159 a&f-kids, 575 Hollister, 21 Gilly Hicks). Die
Marke kam ursprünglich aus dem Outdoor-Angel-Jagdsport. Merkmale von
Abercrombie: sündteure Ladenausstattung und 1A-Lagen, gut aussehende
Verkaufsmitar­beiter, Halbnackte beim Eingang, dröhnende Musik, schwach
­beleuchtet, s­ tarker, einzigartiger Duft. Schlangen vor dem Geschäft, vor den
Umkleide­kabinen, vor den Kassen, zum Teil auch künstlich erzeugt. Sortiment:
­durchschnittliche Freizeitmode zu höheren Preisen als der Mitbewerb.
Erwartungen in den Flagship-Stores in Düsseldorf in Höhe
von 25.000 Dollar pro Quadratmeter wurden laut TextilWirtschaft nicht erfüllt. Der Londoner Laden erzielt übrigens einen doch bemerkenswerten Jahresumsatz von
64 Millionen US-Dollar. Wien stand gerüchteweise zur Diskussion, findet sich aber auf der aktuellen Expansionsliste
nicht mehr. „Mich hat der Erfolg der Marke Abercrombie
immer schon gewundert. Immerhin bin ich alt genug, zu
wissen, woher die Marke kommt – nämlich aus dem Outdoor-Angel-Jagd-Segment“, sagt Christopher Blomquist,
Senior Features Editor von Sportswear in New York. „Es
muss daran liegen, dass die Leute gerne etwas haben
­wollen, was sie nicht haben können. In New York shoppen
hauptsächlich Ausländer bei Abercrombie, und bei Hollister ist es ähnlich“, sagt Blomquist. „Das Unternehmen
weiß, dass es modisch ein Problem hat – immer die gleichen Sweatshirts, das läuft sich auf Dauer tot“, ergänzt
­Nowicki. „Noch dazu zum dreifachen Preis“, wirft Sophie
Karmasin ein, „und das ohne jeden funktionalen Nutzen.“
Außerdem haben die häufigen Arbeitsrechtsklagen dem
Ruf des Unternehmens in der neuen Wertegesellschaft sehr
geschadet. Blomquist ist daher der festen Überzeugung,
dass Abercrombie ein Schicksal wie Gap erleiden wird. „In
fünf Jahren handelt es sich da um ein Unternehmen mit
Schwierigkeiten, das keinen mehr interessiert.“ Zumal ein
weiterer Trend dem Konzern nicht zugute kommt: Die
­gerade heranwachsende Generation hat mit uniformierter
Kleidung nichts mehr am Hut.
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