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DER KÜNSTLICHE MENSCH – EIN MENSCHHEITSTRAUM Einleitung Die Thematik Künstlicher Mensch ist komplex und vielschichtig. Das, was Literatur und Film schon seit langem zum Inhalt nehmen, ist zum Ende des 20. Jahrhunderts auch den modernen Wissenschaften nicht mehr fremd. Nicht nur die Medizin und die Gentechnologie, sondern auch die Kybernetik und die ComputerForschung beschäftigen sich mit dieser Problematik. Es ist heute schwer abzugrenzen, wann tatsächlich von einem künstlichen Menschen zu sprechen ist. Die Zeitschrift „Der Spiegel“ schrieb im April 1996 über den Tod eines Athleten, der seinen Körper mit Hilfe verschiedener Medikamente und Hormonpräparate zu einem Kunstprodukt hochstilisiert hatte. Das Titelbild wurde von der Schlagzeile „Das künstliche Leben und Sterben des Bodybuilders Andreas M.“ geziert. Auch die Schönheitschirurgie macht es möglich, einen Menschen vollkommen zu verändern und dabei sogar zu einem Kunstprodukt hochzustilisieren. Auf eine andere Weise künstlich wird der Schauspieler Brandon Lee in dem Film „The Crow“, dessen Abbild für einige Szenen per Computer reanimiert werden musste, nachdem Lee kurz vor Beendigung der Dreharbeiten ums Leben gekommen war. Damit wurde erstmals eine Vorgehensweise getestet, die es bereits jetzt ermöglicht, Filme mit nicht anwesenden, ja, sogar mit bereits verstorbenen Akteuren zu drehen. Schließlich sind auch künstliche Welten, die in Hochleistungsrechnern erzeugt werden können, Reisen im Cyberspace, die den Menschen „in perfekter Verdrahtung mit dem Computer in Software“ (Howard Rheingold) verwandeln, zu erwähnen. Der Mensch kann sich problemlos in eine unreale, artifizielle Umgebung versetzen und in ihr agieren. Das Problem, das sich daraus ergibt, ist nicht neu. Spätestens seit Descartes beschäftigen sich Philosophen damit, inwieweit der Mensch in einer 7 modernen, technisierten Gesellschaft zum Teil einer Maschinerie und damit selbst zum Automaten wird. Die oben angeführten Beispiele spiegeln die Sehnsucht des Menschen nach Vollkommenheit wider, ein Verlangen, das in der Erschaffung von wirklich künstlichen Menschen gipfelt. Eigentlich ist es irreführend, in Verbindung mit dem Wort künstlich von einem Menschen zu sprechen, denn etwas Künstliches kann doch nicht gleichzeitig menschlich sein. Oder gilt es, das Wort „menschlich“ neu zu definieren? Nach Ansicht der Theologen, für die der Mensch das vollendetste, als einziges mit einer Seele ausgestattete Geschöpf Gottes ist, und nach Meinung der Naturwissenschaftler, für die er auf der Evolutionsleiter am höchsten steht, schien es bisher unmöglich, dieses Lebewesen „Mensch“ auf künstliche Art zu produzieren. Für die Theologen wäre es schier Gotteslästerung und damit strengstens untersagt. In der Naturwissenschaft ist man da schon etwas offener, denn solange ein wirklicher Mensch das Realziel bleibt, sind auch künstliche Reproduktionsmethoden, wie zum Beispiel die In-Vitro-Fertilisation, erlaubt. Der Einfachheit halber werde ich aber im Folgenden den Begriff künstlicher Mensch weiterhin benutzen, denn wir begeben uns in die Bereiche der Phantasie und das, was die Realität nicht kennt, darf dort durchaus existieren. Trotzdem halte ich es für notwendig, eine Annäherung an die Begrifflichkeit des künstlichen Menschen zu finden. Die Wissenschaften gingen bisher davon aus, dass künstliche Dinge von Menschen hergestellt werden und dann in der Lage sind, natürliche Dinge nachzuahmen, diesen aber niemals wirklich entsprechen oder gar mit ihnen konkurrieren können. Und obwohl die Menschen seit Jahrtausenden davon träumen, es der Natur oder Gott gleichzutun, ist es auch den modernen Wissenschaften bisher nicht gelungen, einen wirklich künstlichen Menschen zu produzieren. Da gibt es zwar eine Reihe von menschenähnlichen Puppen, Androiden und Robotern, aber das, was den Menschen ausmacht, das, was in der Religion die Seele und in der 8 Psychologie Gefühle, Intelligenz und Persönlichkeit sind, weisen diese Figuren nicht auf. In Literatur und Film jedoch werden Automaten und Androiden, Roboter und Cyborgs, Replikanten und Computer lebendig. Häufig sind sie äußerlich kaum vom realen Menschen zu unterscheiden; und sind sie es doch, zeigen sie plötzlich ausgesprochen menschliche Eigenschaften, so wie der Roboter „Nummer 5“ im gleichnamigen Film, der zwar wie eine Maschine aussieht, aber im Verlauf der Handlung beginnt, Gefühle für Menschen zu entwickeln oder wie der Computer Proteus im Film „Des Teufels Saat“, der eine Vaterschaft und damit die Unsterblichkeit anstrebt. In erster Linie wird der Kunstmensch als Diener und Helfer erschaffen, kann aber durchaus auch zum gleichberechtigten Partner beziehungsweise zur Partnerin werden. In vielen Filmen wird die Angst des Menschen vor der Maschine, vor ihrer Intelligenz und vor dem, das er nicht begreifen kann, deutlich: Die künstlichen Menschen streben die Herrschaft über den Menschen an und richten sich gegen ihren Konstrukteur oder beginnen sogar, die gesamte Menschheit auszurotten. Der Schöpfer steht seinem Werk hilflos gegenüber, und obwohl er meist von vornherein das Scheitern seiner Pläne ahnt, ist der Forscherdrang größer. Aber kein Grund zur Sorge – in den meisten Filmen gibt es ja doch ein Happy-End. In seinen „Schöpfungsliedern“ schreibt Heinrich Heine: "Warum ich eigentlich erschuf Die Welt, ich will es gern bekennen: Ich fühlte in der Seele brennen, Wie Flammenwahnsinn, den Beruf." 9