Realismus

Transcription

Realismus
Epochenüberblick: Realismus
Realismus
1. Begriff
Realismus ist abgeleitet von lat. res - Ding, Sache, Wirklichkeit.
Der Realismus ist eine literarische Strömung im 19. Jahrhundert, die in den Jahren 1850-1890 angesiedelt
ist. Der neue Wirklichkeitsbegriff der Realisten ist auf die menschliche Gesellschaft bezogen. Der
zentrale Gegenstand in ihrer Darstellung, sind die gesellschaftlichen Verhältnisse in denen der Mensch
lebt. Die Darstellung beschränkt sich nicht auf die einfache Abbildung wirklicher Verhältnisse, sondern
sie ist Ausdruck des Konflikts mit den bestehenden Verhältnissen.
1.2 Der poetische Realismus (auch bürgerlicher oder psychologischer Realismus)
Die "Realisten" wandten sich vor allem gegen die Klassik und Romantik. Man wollte das Erfahrbare und
Überprüfbare darstellen und ächtete die Phantasie. In der realistischen Dichtung sollen selbst die Gefühle
und Meinungen des Dichters außerhalb der Darstellung bleiben. Man war daran interessiert, den
Menschen in seinem alltäglichen Leben darzustellen.
Der Realist wollte illusionsloser Beobachter sein. Die Handlung der Werke fand meistens in kleinen
Orten oder Dörfern auf dem Lande statt. Die Figuren waren häufig Handwerker, Kaufleute und Bauern.
Nicht die große Politik, sondern die kleine Welt des Privaten bildete den Hintergrund.
Kennzeichnend für die Erzählung des Realismus ist die Rahmentechnik: Ein Erzähler erinnert sich an
eine Begebenheit aus seinem Leben oder an eine alte Chronik, in der die dann folgende Geschichte
erzählt ist.
Die realistischen Erzähler beziehen sich meist ganz konkret auf die Gegenwart, auf die Realität ihrer Zeit.
Um in ihren Werken die ganze Wirklichkeit zu erfassen, beschäftigen sie sich vor allem mit dem ihnen
gut bekannten einfachen Bürgertum.
→ Aber nicht wirklichkeitsgetreue präzise Abbildung der Realität, sondern Darstellung dieser
Wirklichkeit unter spezifisch poetischer Stoffauswahl und dichterischer Gestaltung- Widerspiegelung
allen wirklichen Lebens in Elemente der Kunst, ohne diese Verklärung gibt es keine wirkliche Kunst
(Unterschied zu Nationalisten).
1.3 Der kritische Realismus
Ausgelöst wurde der kritische Realismus in Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts. Er soll ohne
persönliche Stellungnahme und ohne eine Spur von Teilnahme am Geschick der Handlungsperson
erzählen.
Das Bemühen um unbedingte, unberührte Objektivität führte notwendig zur Entdeckung des Hässlichen,
Beklemmenden, des Elends und der Kümmerlichkeit menschlichen Daseins.
Der realistische Erzähler möchte den Eindruck vermitteln, als stelle er ein Geschehen möglichst objektiv
dar. Er berichtet wie ein neutraler außenstehender Zuschauer (neutrales Erzählverhalten). Dem Leser soll
der Eindruck vermittelt werden, dass sich das Geschehen unmittelbar vor ihm abspielt, als sei er selbst
Zeuge und nicht abhängig von einem auktorialen Erzähler.
Im kritischen Realismus galt es als vorrangig, das naturwissenschaftliche Weltbild (Medizin, Biologie,
Psychologie, Soziologie, ...) als Grundlage zur Darstellung des Menschen zu nehmen.
2. Historischer Hintergrund
• Im Februar 1848 kam es in Paris zur ersten größeren Revolution. Anlass für diesen Aufstand des
Kleinbürgertums und der Arbeiter waren die Wirtschaftskrise und die Forderung nach einem
Wahlrecht für alle; bis zu diesem galt in Frankreich das Zensurwahlrecht, welches nur den
Adeligen und Wohlhabenden gestattete, an Wahlen teilzunehmen.
• Im März 1848 kam es in Österreich zu einem Aufstand. Anlass war hier, wie in Frankreich, dass
ein Großteil der Bevölkerung kein Wahl- und Mitspracherecht hatte.
• Durch den Aufstand der Bürger gelang es, Fürst von Metternich im März 1848 zu stürzen. Kaiser
Ferdinand richtete eine neue liberale Regierung ein, die eine neue Verfassung ausarbeiten sollte.
Doch auch diese Verfassung schloss die "normalen" Bürger wieder von der Wahl aus
(Zensuswahlrecht). Die neue Verfassung wurde nicht anerkannt.
• Am 18. Mai 1848 tagte das erste deutsche Nationalparlament und arbeitete eine Verfassung aus.
1
Epochenüberblick: Realismus
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Im März 1849 lehnte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die ihm vom Parlament
angebotene Kaiserwürde ab.
Das Parlament wurde vom Militär aufgelöst, Aufstände in einzelnen Kleinstaaten blutig
niedergeschlagen. Damit war das Scheitern der Nationalversammlung besiegelt.
1861 wurde Wilhelm I. König von Preußen, 1862 Otto von Bismarck preußischer
Ministerpräsident.
1864 kam es zum deutsch-dänischen Krieg, in dem die ehemaligen dänischen Herzogtümer
Schleswig und Holstein an die Siegermächte Preußen und Österreich abgetreten wurden.
1866 der Preußisch-Österreichische Krieg, der zugunsten der Preußen entschieden wurde und die
Auflösung des Deutschen Bundes zur Folge hatte.
Auch gegen Frankreich führte Deutschland Krieg (zwischen 1870-1871). Frankreich verlor den
Krieg und musste Elsaß und Lothringen an Deutschland abtreten. Bald war Deutschland zu einer
Großmacht mit 41 Millionen Einwohnern geworden
Am 18. Januar 1871 kam es in Versailles zur Reichsproklamation. Damit wurde die deutsche
Einheit vollendet. Preußische König wurde zum deutschen Kaiser, Bismarck zum Reichskanzler
Durch Bismarck wurden die Sozialgesetze geschaffen, um die durch Industrialisierung und
Wirtschaftskrise verschärften sozialen Gegensätze zu bekämpfen
Kulturkampf zwischen Staat und Kirche von 1871 bis 1878, der durch die Kampfgesetze des
Staates (Kanzelparagraph, Schulaufsichtsgesetz, Verbot der Jesuitenorden, Maigesetze,
Brotkorbgesetze, Klostergesetz, Expatriierungsgesetz) entschieden wurde.
Weiterer wichtiger Geschichtsabschnitt in der Zeit des Realismus war die Kolonialisierung des
Ostens. Frankreich, geschwächt durch seine Niederlage, versuchte durch Erwerbung neuer
Kolonien sein Ansehen in der Welt zu verbessern
Wichtigste Errungenschaft dieser Zeit ist die Errichtung des Suez-Kanals
England kolonialisierten Ägypten und später den Sudan
Ab 1880 begannen fast alle europäischen Länder, Teile Afrikas zu besetzen
3. Literarische Formen
• Dinggedicht: Wird ein Ding objektiv und distanziert betrachtet. Alles Unwesentliche entfällt bei
der Betrachtung. Das Ding wird daher nicht nur symbolisch, sondern auch subjektiv erfasst.
Häufig werden Gegenstände der bildenden Kunst zum Thema eines Dinggedichts und werden
somit neu geschaffen.
• Ballade: Greift auf geschichtliche Begebenheiten und Heldenstoffe zurück oder setzt sich mit der
modernen Technik auseinander.
• Entwicklungsroman: zeigt den Entwicklungsprozess einer Figur, die oft zum Ideal einer
Gesellschaftsschicht heranreift, in Korrespondenz mit ihrer Umwelt.
• Gesellschaftsroman: Beschreibt die zeitgeschichtlichen Verhältnisse einer Gesellschaft genau und
übt meist Kritik an ihren Missständen aus.
• Historischer Roman: Lehnt sich an historische, authentische Ereignisse und Personen an. Wie nah
dabei die Anlehnung an die Realität ist, hängt vom jeweiligen Autor ab.
• Novelle: Priorität im Realismus, soll ein bedeutungsvolles Ereignis aus dem Alltagsleben
darstellen und Aufzeigen was Menschenleben überhaupt ist. Die Novelle steht dem Drama näher
als dem Roman.
• Dorfgeschichten: Merkmale ist Klarheit und Einfachheit, die durch Volkstümlichkeit bewirkt
werden und eine Erzählperspektive aus bäuerlicher Sicht.
• Reiseliteratur: Darstellung von realen Reisen und Reiseeindrücken. Die Reiseliteratur ist an keine
bestimmte literarische Form gebunden. Sie übernimmt vielfach Darstellungsmöglichkeiten, die in
anderen Zusammenhängen entstanden sind (Reisegedicht, Briefsammlung, Tagebuch etc.).
• Realistisches Drama: Ist im Realismus am Tiefpunkt, nur vereinzelte Autoren schreiben noch
Dramen, die das literarische Programm des Realismus ablehnen.
4. Schriftsteller des Realismus
Friedrich Hebbel (1813-1863), Theodor Storm (1817-1888), Gottfried Keller (1819-1890), Theodor
Fontane (1819-1989), Konrad Ferdinand Meyer (1825-1889), Wilhelm Raabe (1831-1910)
2