Pferdestall für vier Pferde in der Wohnzone

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Pferdestall für vier Pferde in der Wohnzone
Bau- und Justizdepartement
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Pferdestall für vier Pferde in der Wohnzone - zonenkonform?
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Die Beachtung des rechtlichen Gehörs gebietet nach kantonalem Baurecht keine Durchführung einer mündlichen Einspracheverhandlung
(E. 2.).
-
Nur bei wesentlichen Änderungen eines Baugesuches muss das Bauvorhaben erneut publiziert werden (E. 2.).
-
Zonenkonformität eines Pferdestalles in einer Wohnzone wird aus
planungsrechtlicher Sicht im Grundsatz bejaht (E. 4. – 6.)
-
Subsidiäre Berücksichtigung der FAT-Richtlinien betreffend HobbyTierhaltung bei der Beantwortung der Frage, ob übermässige Immissionen im Sinne der Luftreinhalteverordnung vorliegen (Mindestabstand zur Wohnzone); Verletzung der Umweltschutzgesetzgebung
verneint (E. 7).
1.
Feststellungen
1.1.
Im Dezember 2001 reichten E. und A. K. bei der Baukommission
W. ein Baugesuch ein für einen Wohnhausneubau mit Aussenpferdestall
(in der Bauzone) auf ihrem Grundstück GB Nr. 0000... .
1.2.
Gegen das Bauvorhaben führten sieben Parteien Einsprache und
verlangten, das Baugesuch sei abzulehnen oder nur mit umfassenden
Auflagen zu bewilligen. Sie brachten im Wesentlichen vor, dass ein Pferdestall nicht in die Wohnzone E2 gehöre und dass mit beträchtlichen Geruchs- und/oder Lärmimmissionen zu rechnen sei, welche nicht zumutbar
wären („Verschmutzung der Luft/Lärm/Gestank und Ungeziefer“). Eine
Einsprecherin (A. aus W.) bringt insbesondere vor, dass der Pferdestall und
der Laufplatz weder der Wohnnutzung noch der landwirtschaftlichen Nutzung zugerechnet werden können. Eine der beiden Bauherrinnen sei von
Berufs wegen Bereiterin. Es sei deshalb davon auszugehen, dass sie die
Pferde gewerbsmässig in Pension nehme, dass sie Pferde bereite und züchte, Pferdehandel betreibe oder Reitstunden erteile. Der grosse Stall werde
zu gewerblichen Zwecken genutzt. Es handle sich nicht um eine rein private Pferdehaltung und auch nicht bloss um ein Hobby. Bei vier Pferden
könne erfahrungsgemäss davon ausgegangen werden, dass Geruchs- und
Lärmimmissionen entstehen würden, welche als beachtliche Belästigung
anzusehen seien (penetranter Geruch von Pferdemist und Jauche, Fliegen,
Hundegebell usw.). Aufgrund der speziellen örtlichen Verhältnisse sei daher mit übermässigen Einwirkungen zu rechnen, welche den Anwohnern/Anwohnerinnen nicht zugemutet werden können. Die gleiche Ein3
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sprecherin verweist ausserdem auf § 61 der Kantonalen Bauverordnung
vom 3. Juli 1978 (KBV; BGS 711.61).
1.3.
(.....)
1.4.
(.....)
1.5.
.... Die Baukommission W. (nachfolgend Vorinstanz) hat das Baugesuch gutgeheissen und die entsprechenden Einsprachen mit Entscheid
vom 3. März 2003 abgewiesen. ... Im Übrigen hat die Vorinstanz festgestellt, dass der Bau eines Aussenstalles für vier Pferde in der Wohnzone E2
zonenkonform sei. Die Mistmulde wurde östlich des geplanten Einfamilienhauses bewilligt (als Auflage). Weitere Auflagen waren unter anderem,
dass im bewilligten Aussenstall im Maximum vier Pferde gehalten werden
dürfen (Eintrag im Grundbuch, Ziff. 2 der Baubewilligung) und dass die
Pferdeboxen mit Gummimatten ausgelegt werden müssen (Ziff. 3 der
Baubewilligung).
1.6.
Gegen diesen Entscheid haben A., B., C., E., alle von W., und die
Erben D. der Liegenschaft XXX in W. Beschwerde geführt. Sie begründen
die identische Beschwerde im Wesentlichen wie folgt: Einerseits habe die
Vorinstanz ihr rechtliches Gehör verletzt, indem vor der Eröffnung des Entscheides keine Einspracheverhandlung stattgefunden habe. Diese hätte
nach ihren Ausführungen aber umso mehr stattfinden müssen, als sich
aufgrund der Verfügungen der Vorinstanz Änderungen ergeben hätten
(Mistmulde nun neu östlich des geplanten Einfamilienhauses). Im Weiteren
seien von der Vorinstanz die kommunalen und lokalen Sonderverhältnisse
zu berücksichtigen. Aufgrund der speziellen örtlichen Verhältnisse sei infolge der kurzen Distanz zwischen dem geplanten Pferdestall zu den Gartensitzplätzen der Nachbarn mit übermässigen Immissionen zu rechnen.
Dies habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt. Schliesslich bringen die Beschwerdeführer vor, durch die Errichtung eines Pferdestalles für vier Pferde werde die Zonenkonformität und der Wohnzonencharakter verletzt
und es sei mit unzumutbaren übermässigen Immissionen zu rechnen. Sie
beantragen, das Baugesuch sei abzulehnen oder allenfalls mit Auflagen zu
versehen.
1.7.
Am 27. Juni 2003 führte ein Vertreter des BJD vor Ort einen Augenschein mit Parteiverhandlung durch. Dem BJD wurde zur Kenntnis gebracht, dass die Beschwerdeführerin A. nun durch einen Anwalt vertreten
ist. Anlässlich dieses Augenscheines begehrten die Parteien eine Fristerstreckung bis Ende Juli 2003 mit der Absicht, sich allenfalls zu einigen.
Anlässlich des Augenscheines beantragte der Vertreter von A., es sei im
Zusammenhang mit der Problematik von Geruchsimmissionen bei Pferdehaltungen in der Gemeinde H. ein Augenschein durchzuführen. Mit
Schreiben vom 27. Juli 2003 (Bauherrschaft) bzw. vom 29. Juli 2003 (Vertreter von A.) wurde das BJD darüber informiert, dass keine Einigung zustande gekommen sei.
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1.8.
Für die weiteren Vorbringen der Parteien wird, soweit diese
rechtlich relevant sind, auf die nachfolgenden Erwägungen, im Übrigen
auf die Akten verwiesen.
2.
Erwägungen
2.1.
Die Beschwerde ist das zulässige Rechtsmittel gemäss § 2 Abs. 3
der Kantonalen Bauverordnung vom 3. Juli 1978 (KBV; BGS 711.61) und
das Bau- und Justizdepartement die zuständige Instanz. Mit Schreiben vom
28. März 2003 wurde nach § 38 Absätze 1 und 2 des Gesetzes über den
Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 15. November 1970 (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG; BGS 124.11) von den fünf beschwerdeführenden
Parteien je ein Kostenvorschuss von Fr. 300.-- verlangt unter Androhung
des Nichteintretens im Unterlassungsfalle.
Die Beschwerdeführer C. und E. haben den Kostenvorschuss nicht geleistet.
Auf diese beiden Beschwerden wird demzufolge nicht eingetreten. (..)
Mit Schreiben vom 12. März 2003 erhob die Erbengemeinschaft D. Beschwerde. (...) Auf ihre Beschwerde wird nicht eingetreten. (...)
.... Auf die Beschwerden A. und B. wird eingetreten.
2.2.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sie begründen diese Rechtsverletzung einerseits mit dem Fehlen einer Einspracheverhandlung vor der Eröffnung des Entscheides, andererseits mit einer Projektänderung (Mistmulde nun neu östlich des geplanten
Einfamilienhauses). Von der Projektänderung seien nicht nur die Beschwerdeführer, sondern insbesondere auch die Eigentümer der Liegenschaften GB W. Nrn. 00, 11 [recte: 22], 33 und 44 betroffen. Diesen hätte
Gelegenheit zur Erhebung von Einwendungen gegeben werden müssen.
Durch das Unterbleiben dieser Möglichkeit sei das rechtliche Gehör verletzt worden.
Das Baugesuchsverfahren ist grundsätzlich ein schriftliches Verfahren (§§
3, 8 Abs. 1 und 9 KBV). Einsprachen gegen das Bauvorhaben sind schriftlich
und begründet im Doppel der Baubehörde einzureichen. Diese Möglichkeit wird potentiellen Einsprechern durch die öffentliche Auflage im amtlichen Publikationsorgan der Gemeinde oder in den von ihr bestimmten
Zeitungen gewährt. Diese Voraussetzungen nach der kantonalen Bauverordnung sind vorliegend erfüllt. Machen die Beschwerdeführer darüber
hinausgehend geltend, es hätte zusätzlich eine Einspracheverhandlung
stattfinden müssen, irren sie. Die von den Beschwerdeführern zitierte gesetzliche Bestimmung in § 23 Abs. 1 VRG sagt nichts anderes. Danach haben die Parteien das Recht, sich vor Erlass einer Verfügung oder eines Entscheides schriftlich zur Sache zu äussern und an den Beweisvorkehren teilzunehmen. Dieses Recht haben sie mit ihren Einsprachen wahrgenommen.
Dem Wortlaut von § 23 VRG lässt sich nichts anderes entnehmen, was die
Durchführung einer mündlichen Einspracheverhandlung verlangen würde.
Ebenso gibt es im kommunalen Baureglement keine entsprechende Bestimmung. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht festgestellt werden.
Zu der erfolgten Projektänderung ist Folgendes festzuhalten: Baugesuche
sind zu publizieren (§ 8 der Kantonalen Bauverordnung, KBV; BGS 711.61).
Bei wesentlichen Änderungen eines Baugesuches muss das Vorhaben er5
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neut publiziert werden. Andere Abweichungen, welche den geltenden
Bauvorschriften nicht widersprechen, kann die Baubehörde ohne erneute
Publikation bewilligen (§ 12 Abs. 3 KBV). In Anwendung dieser Bestimmung hat die Baubehörde auf eine erneute Publikation des Bauvorhabens
auf GB W. Nr. 0000 verzichtet. Dies zu Recht, denn das geänderte Projekt
entsprach dem bereits im ersten Verfahren publizierten zum allergrössten
Teil. Die Verschiebung der Mistmulde hat das Projekt nicht (wesentlich)
verändert. Der neue Standort der Mistmulde konnte auch ohne erneute
Publikation festgelegt werden. Zusätzliche öffentliche oder private Interessen wurden durch diese Projektänderung nicht tangiert. Den von den
Beschwerdeführern erwähnten Nachbarn war das bewilligte Projekt aus
der ersten Publikation bekannt. Sie wären bereits dazumal zu einer allfälligen Einsprache (z.B. wegen des Standortes der Mistmulde) legitimiert
gewesen. Die Beschwerdeführer können schon gar nicht die Verletzung
des rechtlichen Gehörs von anderen Betroffenen rügen, die erforderliche
Betroffenheit fehlt ihnen diesbezüglich sowieso. Durch den Verzicht auf
die zweite Publikation infolge der Verschiebung der Mistmulde um etwa
11 Meter (notabene von den Beschwerdeführern weg) wurde das rechtliche Gehör nicht verletzt. Die Beschwerde ist diesbezüglich abzuweisen.
2.3.
...
2.4.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Zonenkonformität durch den Bau des geplanten Pferdestalles. Eine Pferdehaltung mit
vier Pferden sprenge den Rahmen einer rein hobbymässigen Pferdehaltung. Die Bauherrin beabsichtige den Stall zu gewerblichen Zwecken zu
nutzen. Darüber hinaus befürchten die Beschwerdeführer unzumutbare
übermässige Immissionen.
Vorliegend stellt sich einerseits die Frage, ob Pferdeställe in der Bau- bzw.
Wohnzone grundsätzlich zonenkonform sind. Wird diese Frage bejaht,
stellt sich die Frage nach der Umweltschutzgesetzgebung bzw. nach allfälligen unzumutbaren Immissionen. Im einen Fall sind kantonale und/oder
kommunale Vorschriften massgebend, im anderen Fall dagegen Bundesrecht. Mit Inkrafttreten der Bundesgesetzgebung über den Umweltschutz
hat das kantonale Recht betreffend den direkten Schutz vor Immissionen
seine selbständige Bedeutung verloren, soweit sich sein materieller Gehalt
mit dem Bundesrecht deckt oder weniger weit geht als dieses (vgl. Art. 65
USG, SR 814.01; BGE 118 Ib 590 E.3a). § 146 PBG verweist nur auf das Umweltschutzrecht des Bundes und des Kantons; § 61 KBV geht nicht weiter
als das Umweltschutzgesetz und die gestützt auf dieses erlassenen Verordnungen und hat deshalb keine selbständige Bedeutung.
2.5.
Aufgrund des Augenscheines hat sich folgendes Bild ergeben: Das
Grundstück GB W. Nr. 0000 liegt in der Zone E2. Laut § 2 der Zonenvorschriften (ZR) der Gemeinde W. (RRB Nr. .... vom ....) ist die Zone E2a eine
Einfamilienhauszone nach § 30 des Planungs- und Baugesetzes vom 3. Dezember 1978 (PBG; BGS 711.1). In dieser Wohnzone sind Wohnbauten und
nichtstörende Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe zulässig, welche der
Bauweise der Zone angepasst sind.
2.6.
Die Ausübung einer Freizeitbeschäftigung, wozu auch die hobbymässige Tierhaltung zählt, gehört zum Begriff des Wohnens und muss in
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der Wohnzone grundsätzlich als zonenkonform betrachtet werden. Dies
wird von den Beschwerdeführern denn auch zurecht nicht bestritten und
gar für die Haltung von zwei Pferden bejaht. Auch das Bundesgericht hat
im Entscheid 1P.570/2001 die Pferdehaltung in der reinen Wohnzone als
zonenkonform angesehen und die von der Baubehörde erteilte Baubewilligung für einen Pferdestall geschützt.
Die Beschwerdeführer bringen vor, dass es sich beim vorliegenden Bauvorhaben um eine indirekte verkappte Gewerbstätigkeit handeln könnte.
Selbst wenn dem so wäre, was das BJD aber nicht annimmt, würde das
nicht grundsätzlich gegen die Zonenkonformität des Pferdestalles sprechen. Nach § 2 ZR sind ausdrücklich auch nicht störende Gewerbe- und
Dienstleistungsbetriebe zonenkonform. Vielmehr handelt es sich bei den
Vorbringen der Beschwerdeführer, dass die Bauherrschaft wieder als Bereiterin tätig sein werde, um unbewiesene Vermutungen, die angesichts der
Zonenvorschriften bei nichtstörenden Gewerbebetrieben aber ohnehin
belanglos sind.
Die Beurteilung, dass eine Pferdehaltung in der Bau- oder Wohnzone
grundsätzlich zonenkonform ist, findet ein weiteres Argument im Bundesgesetz über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700). Danach
ist die hobbymässige Tierhaltung in der Landwirtschaftszone nicht zonenkonform (Art. 16a und 22 RPG und Art. 34 Abs. 5 der Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 [RPV/SR 700.1]). Eine Ausnahmebewilligung
nach Art. 24 ff. RPG wird in der Regel nicht erteilt mangels positiver oder
negativer Standortgebundenheit. Das Bundesamt für Raumentwicklung
(ARE) hat in seiner Wegleitung „Pferd und Raumplanung“ (nachfolgend
Wegleitung genannt) ausgeführt, dass die Zahl der in der Wohnzone gehaltenen Pferde „realistischerweise bei etwa drei oder vier Pferden liegen
dürfte“ (Wegleitung, S. 19, D. Ziff 2). Dies hänge von den in der betreffenden Zone zulässigen Aktivitäten und Immissionen ab.
Ein allfälliges Begehren um Feststellung, dass ein Pferdestall (infolge der
Immissionen) grundsätzlich nicht in die Wohnzone gehöre, wäre demzufolge unbegründet. In der Wohnzone sind nicht nur Einfamilienhäuser und
Garagen zulässig, sondern auch andere Bauten, die einen funktionalen
Bezug zum Wohnen haben. Der geplante Bau ist somit aus planungsrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht zu beanstanden. An dieser Beurteilung hat
das BJD auch in einem neueren Entscheid vom 22. Juli 2002 festgehalten.
Dort wurde ebenfalls ein Stall für vier Pferde in der Bauzone bewilligt.
2.7.
Die Beschwerdeführer rügen, insbesondere aufgrund der vorgesehenen Anzahl von vier Pferden, eine Verletzung der Umweltschutzgesetzgebung und insbesondere der Luftreinhalteverordnung (LRV, SR
814.318.142.1). Aufgrund der von ihnen befürchteten Immissionen rügen
sie eine damit einhergehende Verletzung der Zonenkonformität. Gemäss
Art. 3 Abs. 2 lit. a und Art. 7 LRV müssen sowohl neue wie bestehende stationäre Anlagen so betrieben und ausgerüstet werden, dass sie die einschlägigen, in den Anhängen 1-4 zur LRV festgelegten Emissionsbegrenzungen einhalten. Zuständige Behörde für den Erlass von Verfügungen
nach Art. 3 und 7 LRV ist das Bau- und Justizdepartement (§ 3 f. der Luftreinhalteverordnung des Kantons Solothurn/LRV-SO, BGS 812.41). Dieses
hat somit erstinstanzlich zu prüfen, ob das Bauvorhaben mit der einschlägigen Umweltschutzgesetzgebung bezüglich Luftreinhaltung übereinstimmt. (§ 2 Abs. 2 LRV-SO).
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Gemäss FAT-Bericht Nr. 476 (1995) (nachfolgend FAT-Richtlinien genannt)
haben Tierhaltungsanlagen einen Mindestabstand von 19.61 m zur Wohnzone einzuhalten. Für die Geruchsstoffe aus Tierhaltung sind keine
Grenzwerte festgelegt worden. Deshalb muss von erfahrungsgemässen
Mindestabständen ausgegangen werden. Die FAT-Richtlinien zur Berechnung des Mindestabstandes sind als Vollzugshilfe zur LRV zu verstehen. Im
Anhang 2 Ziff. 512 LRV wird ausdrücklich auf die Empfehlungen der FAT
verwiesen. Allerdings ist der Geltungsbereich dieses Anhangs auf die bäuerliche Tierhaltung und die Intensivtierhaltung beschränkt (Anhang 2 Ziff.
511 LRV). Obwohl die empfohlenen Mindestabstände nach buchstabengetreuer Auslegung hier keine Anwendung finden, zieht das BJD sie subsidiär als Hilfsmittel zur Beantwortung der Frage heran, ob eine Tierhaltung
voraussichtlich übermässige Emissionen verursache. Nach Art. 5 lit. b LRV
gelten die Immissionen als übermässig, wenn (mangels Immissionsgrenzwerten bei einem bestimmten Schadstoff) aufgrund einer Erhebung feststeht, dass sie einen wesentlichen Teil der Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden stören.
Vorliegend ergeben sich folgende Abstände zu den umliegenden Parzellen: Zur nördlichen Parzelle GB W. Nr. 11 (im Eigentum von K. stehend,
welcher seine Beschwerde zurückgezogen hat) ergibt sich vom Stallmittelpunkt bis zur Parzellengrenze ein Abstand von 13 Metern, zum nordwestlich gelegenen GB W. Nr. 22 (Eigentümer Beschwerdeführer B.) ein Abstand von rund18 Metern, zu GB W. Nr. 33 südlich des geplanten Pferdestalles ein Abstand von 19 Metern und zur ersten Parzelle östlich, welche nicht mehr im Eigentum der Bauherrschaft steht, ein Abstand von
rund 50 Metern. Nun gilt es folgendes zu bedenken: Dem Mindestabstand
von 19.61 Metern gemäss den FAT-Richtlinien liegt aus praktischen Gründen die Berechnung zugrunde, dass in jedem Fall von einem Minimum von
4 Geruchsbelastungen (GB) ausgegangen wird (weil ja eben die Anwendung der FAT-Richtlinien für die bäuerliche und Intensivtierhaltung vorgesehen ist). Die Anzahl der GB berechnet sich aus der Anzahl der Tiere mal
den Geruchsbelastungsfaktor für die entsprechende Tierart. Aufgrund der
in Frage stehenden GB wird dann der Normabstand berechnet. Diese
schematische Abstandsberechnung gilt wie erwähnt erst ab einer Geruchsbelastung von 4 GB. Bei der Haltung von sechs Pferden würde man die erforderlichen vier GB in etwa erreichen. Vorliegend handelt es sich aber um
vier Pferde, eine entsprechend zurückhaltendere subsidiäre Berücksichtigung der FAT-Richtlinien bzw. des schematischen Mindestabstandes von
19.61 Metern zur nächsten Parzellengrenze erscheint diesbezüglich nach
dem pflichtgemässen Ermessen des BJD angezeigt.
Nach den FAT-Richtlinien sind übermässige Immissionen im Sinne von Art.
2 Abs. 5 LRV zu erwarten, wenn der halbe Mindestabstand unterschritten
wird. Vorliegend ist dies nicht der Fall. Der halbe Mindestabstand beträgt
9.8 Meter, hier liegt hingegen ein Mindestabstand von rund 13 Metern
vor. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Gemeinde W. um
eine ländliche Gemeinde handelt, den Bauherrinnen ausserdem eine Fläche von rund 10‘000m2 landwirtschaftlichem verpachtetem Land gehören
und sich die Pferde deshalb nicht über zu wenig Freilauf beklagen und sich
nur ausnahmsweise und witterungsabhängig den ganzen Tag in den Stallungen aufhalten werden. Es besteht kein Anlass für das BJD, an diesen
glaubhaften Angaben der Bauherrschaft zu zweifeln. Es ist auch nicht anzunehmen, dass Fliegen- und andere Insektenpopulationen auf den benachbarten Grundstücken aufgrund des Pferdestalles erheblich zunehmen,
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wie dies die Beschwerdeführer im Einspracheverfahren geltend gemacht
haben. Erfahrungsgemäss ist in einer ländlichen Siedlung (wie in W.) mit
Fliegen und andern Insekten in und um die Wohnhäuser zu rechnen. Der
Pferdestall wird höchstens marginal zu diesem Problem beitragen. Anlässlich des Augenscheines hat der Präsident der Vorinstanz ausserdem ausgeführt, dass in W. bereits andere Pferdeställe (ebenfalls mit vier Pferden) in
der Zone W2 (dort sind ebenfalls nur nichtstörende Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe zugelassen, § 3 ZR) und in der Kernzone bestehen. Von
den Nachbarn jener Ställe sind ihm bis heute keine Klagen wegen Geruchsimmissionen bekannt, obwohl sich diese Ställe teilweise näher an Einfamilienhäusern befinden als beim vorliegenden Baugesuch. Das in der betroffenen Zone erlaubte Störungsmass eines "nicht störenden Betriebes"
im Sinne von Art. 30 PBG wird vorliegend nicht überschritten. Für den geplanten Pferdestall wurde die Baubewilligung - unter Berücksichtigung der
damit verbundenen Geruchs- und Lärmimmissionen - zu Recht erteilt.
Durch die Haltung von vier Pferden wird vorliegend der Wohnzonencharakter nicht verletzt, weil kein erheblicher Verdacht auf übermässige Immissionen besteht. Die Beschwerden sind diesbezüglich abzuweisen.
Weitere vorsorgliche Massnahmen, ausser den von der Vorinstanz bereits
verfügten Auflagen, der Boden sei mit Gummimatten zu belegen und der
Stallmist sei in einem geschlossenen Container aufzubewahren, der wöchentlich entleert werden muss, sind im Sinne von Art. 4 LRV keine zu treffen.
3.
Verfügung
3.1.
Die Beschwerden sind abzuweisen.
3.2.
... (Verfahrenskosten)
(Verfügung des Bau- und Justizdepartementes vom 4. September 2003)
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