Psychotherapeutische Arbeit mit Angehörigen

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Psychotherapeutische Arbeit mit Angehörigen
Psychotherapeutisches Arbeiten mit
Angehörigen onkologischer Patienten
Gérard Tchitchekian
Centrum für Integrative
Psychosomatische Medizin (CIPM)
München
[email protected]
Das Gesundheitssystem und Angehörige
(van Ryn et al., 2011; Schumacher et al., 2006)
 Onkologische Erkrankungen sind heute oft chronische
Erkrankungen, deren Behandlung ambulant und
häuslich stattfindet
 Der Angehörige als kompetenter Helfer: „Family
Caregiving Skills“ (Schumacher)
 Der Angehörige als Ressource: Soz. Unterstützung
beeinflusst die Krankheitsverarbeitung d. Patienten
 Der Angehörige als „second order patient“: 21% sign.
Gesundheitsprobleme, 49% berufstätig, 21 %
versorgten weitere Familienmitglieder, 40% pflegten
ohne Anleitung (van Ryn)
Angehörige als Ressource: Spannungsfeld
 primäre u. existenzielle Kraftquelle für Patienten
 Betroffener und Angehöriger zugleich
 Krankheit rührt an eigene Ängste, Verlustängste,
Überforderung, Ohnmacht, Schuld…
 Gleichzeitig das Gefühl jetzt stark sein zu müssen
 innerpsych. Konflikt zw. eigenen Bedürfnissen und
denen des Patienten
Psychosoziale Belastungen Angehöriger
(Mc Lean, 2007; van Ryn et al., 2011)
 Ausmaß an psychosomatischen Symptomen für
Angehörige korreliert mit dem der Patienten
- vor allem für die pflegenden Angehörigen:
63 % sind
> 50jährige Ehefrauen, weitere 12% Töchter/Schwiegertöchter (van Ryn)
- Symptombelast. steigt mit Progredienz der Erkr. an
 häufigste psychosomatische Symptome:
- Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Erschöpfung,
Angst, Panikattacken, depressives Syndrom
- klinisch sign. Symptombelastung bei 15-50 %
Inanspruchnahme von Psychotherapie
durch Angehörige (Kruse 2003; Tchitchekian 2011)
 Bei 10-20 % der Angehörigen erscheint eine
fachpsychotherapeutische Behandlung indiziert
 Die geschätzte Inanspruchnahme liegt bei 3-5 %
 Diese Diskrepanz findet sich auch (wenn auch
geringer) bei der Beanspruchung von Pflegeleistungen
 Bodemann (1997) hat diese geringe Bereitschaft unter
Stress auf äußere Hilfe zurück zu greifen mit einer
Kaskadenhypothese (individuell, Dyade, dann erst
fremde Hilfe) zu erklären versucht
Ambulante psychotherapeutische
Behandlung: Zugang und Verfahren
 Aufsuchen eines Psychotherapeuten, möglichst mit
psycho-onkologischer Expertise, ohne weitere Hürden
möglich! (Allerdings: zu wenig kompetente Therap.)
 Therapeutisches Vorgehen richtet sich nach Spezifität
der Probleme („maßgeschneidert“)
 Neben bewährten KVT-Ansätzen (VT) und IPT
(Tiefenpsychologie) finden weitere Formen z.B.
existenzielle Psychotherapie (nach Yalom) oder ACT
(nach Hayes) Anwendung, wenn es um Sinn- und
Wertfragen der Angehörigen/Patienten geht
Ambulante psychotherapeutische
Behandlung
 Themen u.a.:
- Unterstützung bei der Verbalisierung belastender
Gefühle wie Ängste, Wut, Enttäuschung, Schuld
- Verminderung der emotionalen Belastung in der
Familie u. in der Partnerschaft
- Erlernen von Entspannungstechniken zur
Reduktion von Schlafstörungen, Rückenschmerzen
- Hilfestellung zur Klärung von Missverständnissen u.
medizinischen Fehlinformationen (Cave: Recht auf
Nichtwissen und Verleugnung !)
Ambulante psychotherapeutische
Behandlung: Verfahren
 In der Praxis haben sich auch nonverbale Verfahren,
z.B. Körpertherapie, vor allem konzentrative
Bewegungstherapie (KBT), Maltherapie und sanfte
sportliche Aktivitäten bewährt; zu wenig gruppentherapeutische Angebote!
 Systemisch orientierte familientherapeutische Ansätze
(z.B. Kissane, 2006), bei denen die gesamte Familie
einbezogen wird, sind oft sinnvoll (im ambulanten
Setting aber nicht abrechenbar!)
Ambulante psychotherapeutische
Behandlung
 Im palliativen Verlauf:
- Einsetzen eigener Ressourcen (Selbstfürsorge,
Achtsamkeit, Hobbies etc.) zur Pflegebewältigung
- Enttabuisierung des Sterbens
- Antizipation der Trauer
- Sinnfindung: Warum (Vergangenheit), Wozu
(Zukunft), Wie (Jetzt, Lebens-/Glaubenshaltung)
 Trauerphase: Begleitung beim Abschiednehmen, bei
der Zukunftsgestaltung
Selbstkritisches Fazit
 Die psychotherapeutische Unterstützung von hoch
belasteten Angehörigen wird trotz vorhandener
Möglichkeiten zu wenig genutzt;
 Fragen an die Psychoonkologie:
-Haben die Angehörigen selbst Unterstützungsbedarf?
- Akzeptieren sie unsere Unterstützungsangebote?
- Wie wirksam sind unsere Unterstützungsangebote?