Landtag von Baden-Württemberg Kleine Anfrage Antwort
Transcription
Landtag von Baden-Württemberg Kleine Anfrage Antwort
Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 12 / 12. Wahlperiode 19. 03. 98 2658 Kleine Anfrage der Abg. Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen und Antwort des Innenministeriums Ausländer in Polizeihaft Kleine Anfrage Ich frage die Landesregierung: 1. Treffen Presseberichte zu, wonach am 8. März 1998 ein libanesicher Asylberechtigter auf der Polizeiwache in Crailsheim dreizehn Stunden lang (von 6.00 Uhr morgens bis 19.00 Uhr abends) in Polizeihaft festgehalten wurde, um seine Aufenthaltsberechtigung zu überprüfen? Wenn ja, wie erklärt die Landesregierung diese Bearbeitungszeit unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Inhaftierte eine Kopie seines Passes bei sich trug? 2. Wie war die Polizeistation Crailsheim am 8. März personell besetzt, und kann die Landesregierung ausschließen, daß die lange Bearbeitungszeit dieses Vorgangs auf Arbeitsüberlastung des diensttuenden Beamten zurückzuführen ist? 3. Trifft es zu, daß die Familie des Inhaftierten erst nach 11 Stunden (gegen 17.00 Uhr) und nach einem Schichtwechsel der diensttuenden Polizeibeamten aufgefordert wurde, den Paß im Original bei der nächsten Polizeidienststelle vorzulegen? Wenn ja, wie erklärt und bewertet die Landesregierung dieses? 4. Trifft es zu, daß der Inhaftierte seine Kleindung abgeben mußte, den ganzen Tag nur in Unterwäsche bekleidet in der Zelle verbringen mußte, nur bei der Festnahme gefragt wurde, ob er Frühstück und Mittagessen wolle, und spätere Bitten, etwa zu essen und zu trinken zu erhalten, abgelehnt wurden? Wie bewertet die Landesregierung gegebenenfalls diese Polizeipraxis? 5. Wie bewertet die Landesregierung diesen Vorgang im Hinblick auf die Behandlung ausländischer Mitbürger und im Hinblick auf die Tatsache, daß der Betroffene Opfer einer zu langen Speicherung unrichtiger Daten in Bayern geworden ist? 13. 03. 98 Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen Eingegangen: 19. 03. 98 / Ausgegeben: 12. 05. 98 1 Landtag von Baden-Württemberg 12. Wahlperiode Drucksache 12 / 2658 A n t w o r t *) Mit Schreiben vom 21. April 1998 Nr. 313/123 beantwortet das Innenministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Zu Frage 1: Es ist zutreffend, daß der libanesische Staatsangehörige M. O. am Sonntag, 8. März 1998, gegen 6.15 Uhr in Crailsheim von der Polizei überprüft und aufgrund einer bestehenden Ausschreibung festgenommen wurde. Herr O. wurde gegen 18.45 Uhr nach Klärung des Sachverhaltes wieder entlassen. Er befand sich somit 12,5 Std. in amtlichem Gewahrsam. Herr O. wies sich mit einem Führerschein und einer nicht beglaubigten Kopie seines Passes aus. In dieser Kopie war schlecht lesbar eine Aufenthaltserlaubnis enthalten. Eine Überprüfung beim Ausländerzentralregister ergab, daß eine Person mit den angegebenen Personaldaten seit 2. Februar 1996 asylberechtigt war. Der Widerspruch zwischen der bestehenden Ausschreibung, der Auskunft aus dem Ausländerzentralregister und der in Kopie vorliegenden Aufenthaltserlaubnis bedurfte der Abklärung. Der Polizei gelang es, eine Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde des Main-Taunus-Kreises zu erreichen. Diese erteilte die Auskunft, daß sämtliche Herrn O. betreffenden Akten an das Landratsamt Groß-Gerau abgegeben worden waren. Dort wiederum konnte kein Sachbearbeiter der Ausländerbehörde erreicht werden. Herr O. war in Begleitung eines ebenfalls libanesischen Staatsangehörigen, der die Lebensgefährtin des Herrn O. verständigte, woraufhin diese gegen 8.44 Uhr dem Polizeirevier Crailsheim einige Rechtsanwaltsunterlagen über Telefax zusandte. Auch mit Hilfe dieser Unterlagen konnte der Aufenthaltsstatus des Herrn O. nicht zweifelsfrei geklärt werden. Der Begleiter erklärte sich daraufhin bereit, den Paß des Herrn O. persönlich zu holen und bei der Polizei vorzulegen. Nachdem sich der Begleiter jedoch bis 15.00 Uhr nicht mehr gemeldet hatte, wurde erneut mit der Lebensgefährtin des Herrn O. Verbindung aufgenommen. Mit ihr wurde vereinbart, den Paß bei der nächstgelegenen Polizeidienststelle vorzulegen. Um 18.30 Uhr wurde von der Polizeistation Groß-Gerau über Telefax bestätigt, daß Herr O. bis zum 11. März 2000 bleibeberechtigt ist. Daraufhin wurde Herr O. gegen 18.45 Uhr auf freien Fuß gesetzt. Zu Frage 2: Der Streifendienst des Polizeireviers Crailsheim war zur fraglichen Zeit mit 5 Beamten und einer Praktikantin besetzt. Die lange Bearbeitungszeit ist nicht auf Arbeitsüberlastung zurückzuführen. Zu Frage 3: Die Lebenspartnerin wurde durch das Telefonat des Begleiters von der Festnahme informiert, woraufhin von ihr die bereits erwähnten Unterlagen per Telefax übersandt wurden. Die Aufforderung an die Frau, den Paß bei der nächsten Polizeidienststelle vorzulegen, erfolgte gegen 15.00 Uhr, da sich der Begleiter, entgegen der getroffenen Absprache, bis dahin nicht wieder gemeldet hatte. Dieses Vorgehen der Polizei in Crailsheim war rechtlich bedenklich. Das Regierungspräsidium ist beauftragt, den Vorgang eingehend zu prüfen. *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 2 Landtag von Baden-Württemberg 12. Wahlperiode Drucksache 12 / 2658 Zu Frage 4: Es ist zutreffend, daß Herr O. seine Oberbekleidung abgeben mußte. Der Gewahrsamsraum war über eine Fußbodenheizung beheizt. Decken waren vorhanden. Die Maßnahmen bei der Unterbringung von Personen in den Gewahrsamseinrichtungen des Polizeireviers Crailsheim richten sich nach der Gewahrsamsordnung der Landespolizeidirektion Stuttgart I. Danach sind die Beamten angewiesen, Gegenstände, die den Verwahrungszweck oder die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Gewahrsamseinrichtung gefährden können, zu beschlagnahmen. Beispielhaft aufgezählt sind unter anderem Gürtel, Hosenträger und Krawatten. Auf diese Weise soll eine Selbstgefährdung des Betroffenen vermieden werden. Eine Entkleidung des Betroffenen, wie im vorliegenden Fall, ist vor dem Hintergrund dieser Regelung und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abgesehen von einer vorübergehenden Durchsuchung der Kleidung nur dann möglich, wenn im konkreten Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung (Suizid oder Gesundheitsgefahr etwa aufgrund durchnäßter Kleidung) bestehen. Da dies nicht gegeben war, war das lang andauernde Abnehmen der Kleidung nicht zulässig. Bei seiner Einlieferung lehnte Herr O. die Einnahme eines Frühstücks ab. Er wollte auch kein Mittagessen, da er mit seiner baldigen Entlassung rechnete. Am Spätnachmittag erhielt Herr O. ein Abendessen. Den ganzen Tag über erhielt er auf Verlangen etwas zum Trinken. Ein Fehlverhalten der Beamten kann zu diesem Teilaspekt der Frage nicht festgestellt werden. Zu Frage 5: Das Innenministerium bedauert den zu den Fragestellungen 3 und 4 dargestellten Sachverhalt und hat die erforderlichen Schritte bereits in die Wege geleitet. Zur Frage der zu langen Speicherung der Daten teilt das Hessische Ministerium des Innern und für Landwirschaft, Forsten und Naturschutz mit, daß nach dortigem Erkenntnisstand die Löschung der Ausschreibung zur Abschiebung durch das Landratsamt Main-Taunus-Kreis hätte veranlaßt werden müssen, nachdem Herr O. eine Aufenthaltsgestattung o. ä. erhalten hatte, spätestens jedoch nachdem dieser als Asylberechtigter anerkannt worden war. Ob das Landratsamt Main-TaunusKreis über diese Fakten informiert war, konnte das Hessische Ministerium des Innern und für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz nicht nachvollziehen, da sich die Ausländerakte von Herrn O. derzeit auf dem Postweg befindet. Die Ausschreibung des Herrn O. wurde zwischenzeitlich durch das Hessische Landeskriminalamt gelöscht. Die Fahndungsunterlagen wurden vernichtet. Dr. Schäuble Innenminister 3