Möglichkeiten und Grenzen der Bilanzanalyse am Neuen Markt (Teil I)

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Möglichkeiten und Grenzen der Bilanzanalyse am Neuen Markt (Teil I)
Möglichkeiten und Grenzen der Bilanzanalyse am Neuen
Markt (Teil I)
Ÿ Auf der Suche nach neuen Wegen der Unternehmensbeurteilung1) Ÿ
I. Einleitung
Bei den Unternehmen des Neuen Marktes handelt es sich um junge, dynamische sowie überproportional wachsende Einheiten; sie unterscheiden sich grundlegend von den Unternehmen der Old Economy. Der Beitrag geht der Frage nach, ob und inwieweit die traditionelle Bilanzanalyse zur Beurteilung der Unternehmen
am Neuen Markt geeignet ist. Die Ausführungen
stützen sich auf eine empirischen Erhebung basierend auf den Geschäftsberichten der NEMAX50-Werte zum 31. 12. 1999. Während die drei
Bankkonzerne der NEMAX-Unternehmen aus
der Untersuchung ausgeschlossen wurden, kamen CPU Softwarehouse, Mensch und Maschine
sowie Micrologica zusätzlich in die Erhebung.
Die Ergebnisse der NEMAX-Unternehmen wurden den Vergleichsgröûen der Industrie- und
Handelsunternehmen der DAX-Werte gegenübergestellt. Damit wurden 24 der 30 DAX-Unternehmen in die Untersuchung einbezogen.
II. Grundlagen
1. Charakteristika des Neuen Marktes
Unternehmen des Neuen Marktes zeichnen sich
durch ein hohes Wachstumspotenzial aus, welches sowohl die zukünftige Umsatz- als auch
die Gewinnperspektive umfasst. Sie weisen als
Hauptcharakteristika eine i.d.R. lediglich kurzfristige rechtliche und wirtschaftliche Existenz
auf, die aber durch einen dynamischen Geschäftsverlauf und überproportional ansteigendes Unternehmenswachstum gekennzeichnet
ist. Dabei kann ein Unternehmen ¹dann als dynamisch angesehen werden, wenn es nicht nur
einem einmaligen, sondern nahezu kontinuierlichen Veränderungsprozessen unterliegtª2). Unternehmen, die sich den ¾nderungen der Umwelt nicht rechtzeitig oder in ausreichendem
Maûe anpassen, begeben sich in die Gefahr,
Marktanteile zu verlieren und so dauerhaft nicht
erfolgreich am Markt bestehen zu können3). Ein
weiteres signifikantes Merkmal der Unternehmen des Neuen Marktes4) stellt das überproportionale Wachstum dieser Unternehmen dar. Unternehmenswachstum kann als eine ¹positive
Gröûenänderung langfristiger Artª5) definiert
werden6). Dabei ist aber zu beachten, dass die
Unternehmensentwicklung häufig nicht stetig
verläuft, diese aber auch dann als überproportional wachsend einzustufen ist, wenn die
Wachstumsrate in einzelnen Perioden relativ
niedrig oder sogar negativ ist7). Hayn weist aber
darauf hin, dass als entscheidendes Kriterium
für die Einstufung eines Unternehmens als überproportional wachsend ¹das zukünftige Wachstumspotenzial und nicht das in der Vergangenheit bereits eingetretene Wachstumª8) anzuseFINANZ BETRIEB 10/2000
hen ist. Gerade diese Fokussierung Prof. Dr. Karlheinz Küting, Direkauf das zukünftige Wachstums- tor des Instituts für Wirtschaftspotenzial ist bei den Unternehmen prüfung an der Universität des
des Neuen Marktes aufgrund ihrer Saarlandes.
nur kurzen Lebensdauer und der
Dynamik ihres Geschäftsumfelds im Allgemeinen gegeben.
Die typischen Akteure des Neuen Marktes stellen Unternehmen aus zukunftsweisenden Branchen wie etwa der Telekommunikation, der Informationstechnologie, der Biotechnologie oder
aus dem Medienbereich dar9). Es können aber
auch Unternehmen aus traditionellen Sektoren
am Neuen Markt gelistet werden, wenn sie sich
durch neuartige Produkte oder durch eine innovative Prozessgestaltung auszeichnen. Vor diesem Hintergrund versprechen sich die Kapitalanleger überdimensionale Wachstums- und Gewinnzahlen. Und in der Tat erzielten die Unternehmen des Neuen Marktes dann auch ,Traumwerte' an der Börse und erwiesen sich im Vergleich zu den Unternehmen der ¹Old Economyª
als Höhenflieger.
All diesen Unternehmen ist gemeinsam, dass sie
aufgrund der Globalisierung der Märkte, der
weltweiten Vernetzung von Informationssystemen sowie der Verkürzung der Produktzyklen
sowohl in der Forschung als auch in der Vermarktung auf eine erhebliche Kapitalbasis angewiesen sind. Insbesondere kommt es bei der
Verbreitung der Geschäftsidee zu erheblichen
Anlaufkosten. Unternehmen stehen daher in einem stetigen Zwang, schnell und in einem ausreichenden Maûe Kapital für zukünftige Geschäftsfelder oder für die Investition in zukunftsträchtige Märkte aufzubringen.
Bis zur Schaffung des Neuen Marktes durch die
Gruppe Deutsche Börse AG im März 1997 gab es
in Deutschland keinen offiziellen Markt für Risikokapital. Der Neue Markt behob diese Vakanz
und stellt für diese Unternehmen die Plattform
1) Ich bedanke mich bei meinen Mitarbeitern, den Herren
Dipl. Kfm. Daniel Ranker, Dipl. Kfm. Frank Wohlgemuth
und Dipl. Kfm. Christian Zwirner, für zahlreiche Diskussionsbeiträge und die Mitarbeit bei der Aufbereitung des
umfangreichen Zahlenmaterials.
2) Hayn, Bewertung junger Unternehmen, 2. Aufl. 2000,
S. 17.
3) Vgl. Lochridge, in: Oetinger (Hrsg.), Das Boston Consulting Group Strategie-Buch, 1993, S. 233. Dazu äuûert sich
auch Stern, in: Oetinger, a.a.O., S. 206.
4) Vgl. zu den Merkmalen der Unternehmen des Neuen
Marktes auch Volk, StuB 2000 S. 871 f.
5) Küting, DU 1978 S. 143.
6) Zum Begriff des Unternehmenswachstums wird verwiesen
auf: Küting, Unternehmerische Wachstumspolitik, 1980,
S. 36 ff.
7) Vgl. Albach, in: Wittmann/Kern/Köhler/Küpper/Wysocki
(Hrsg.), Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 3,
5. Aufl. 1993, Sp. 4420.
8) Hayn, a.a.O. (Fn. 2), S. 22.
9) Vgl. Wullenkord, FB 2000 S. 523 f.
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Finanzmanagement
Karlheinz Küting
Finanzmanagement
dar, sich mit Eigenkapital zu versorgen, um damit neue Märkte zu erschlieûen oder neue Produktvarianten zu entwickeln oder zu vermarkten. Die Branchenzugehörigkeit der Unternehmen des Neuen Marktes zeigt sich heterogen10),
wobei der Schwerpunkt eindeutig bei den Unternehmen anzusiedeln ist, die aus dem Informations- und Technologiebereich stammen. Sie stellen fast die Hälfte der Unternehmen des Neuen
Marktes.
Der Neue Markt gilt als spezielles Handelssegment für Wachstumsunternehmen. Im Juli 2000
betrug die Anzahl der gelisteten Unternehmen
am Neuen Markt 30211), womit dieser hinsichtlich der Anzahl der Notierungen und der Marktkapitalisierung der erfolgreichste europäische
Markt seiner Art ist12). Besonders hervorzuheben ist die rasante Entwicklung hinsichtlich der
Anzahl der gelisteten Unternehmen im Verlauf
des letzten Jahres, da zum 30. 6. 1999 die Vergleichsgröûe bei 108 notierten Unternehmen lag.
Am Neuen Markt werden nicht nur inländische
Unternehmen notiert, sondern es kommt auch
zu einem Listing ausländischer Unternehmen.
Die Mehrzahl dieser ausländischen Gesellschaften stammt aber aus den Anrainerstaaten Österreich, Schweiz und den Niederlanden. Nur eine
Minderheit der Unternehmen am Neuen Markt
hat ihren Sitz in Übersee13). Als maûgebend für
den Erfolg des Neuen Marktes wird ± auch international ± das Regelwerk des Neuen Marktes angesehen14), welches eine privatrechtliche Regelung darstellt, ¹welche speziell auf junge Unternehmen in innovativen und schnell wachsenden
Branchen zugeschnitten istª15). Unternehmen
des Neuen Marktes weisen ein hohes Maû an
Unsicherheit hinsichtlich ihrer zukünftigen Entwicklung sowie ein im Vergleich zu traditionellen Branchen besonderes Chancen- und Risikoprofil auf, sodass durch das Regelwerk erhöhte
Anforderungen an die Publizität gestellt werden
müssen, um ¹Transparenz und Anlegerschutz
zu gewährleistenª16).
Die Branchenverteilung der Unternehmen des
Neuen Marktes verdeutlicht Abb. 1.
Abb. 1: Die Branchenzugehörigkeit der Unternehmen des Neuen Marktes17)
2. Veränderungen in der Bilanzierungslandschaft durch die Unternehmen des Neuen Marktes18)
Das Regelwerk des Neuen Marktes schreibt den
Unternehmen zwingend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen in Form der
International Accounting Standards (IAS) oder
der US-amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) vor19). Falls die
Unternehmen die Rechnungslegungserfordernisse des Neuen Marktes bei Zulassung nicht erfüllen, können diese auf Antrag bei der Gruppe Deutsche Börse AG im Jahr der Zulassung von der Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen befreit werden. Diese Periode soll dem Unternehmen dazu dienen, seine Rechnungslegung
auf die Rechnungslegungserfordernisse des Neuen Marktes umzustellen. Dem kann aber auch
durch eine Überleitungsrechnung (sog. reconciliation) der nationalen Normen auf die internationalen Standards nachgekommen werden20). Bei
den Unternehmen des Neuen Marktes ist eine ungefähre Gleichverteilung der angewandten internationalen Normen zu beobachten. So bilanzieren derzeit im Regelfall die Unternehmen des
Neuen Marktes in etwa zu gleichen Teilen nach
IAS- und US-GAAP-Normen21).
Bei den NEMAX-50-Unternehmen werden die
US-GAAP-Normen mit 30 Anwendungsfällen
eindeutig präferiert, während nur 16 Unternehmen nach IAS-Regeln bilanzieren. Nur in seltenen Ausnahmefällen wird nach HGB-Vorschriften bilanziert (Ricardo, Pixelpark). Bei Consumer Electronic werden gleichzeitig sowohl HGBals auch IAS-Normen angewendet, ohne dass
der Leser genau erfährt, welche Einzelnormen
konkret Anwendung finden, und bei Biodata
werden keinerlei Angaben zum verwendeten
Normensystem gemacht. Da die Anzahl der Unternehmen sprunghaft ansteigt und der Börsengang faktisch die Anwendung von IAS- oder USGAAP-Regeln voraussetzt, erklärt dieser Sachverhalt, warum der Neue Markt zu einer HauptTriebfeder der internationalen Bilanzierung in
Deutschland wurde22). Trotz dieser Feststellung
drängt sich aber nicht selten der Eindruck auf,
dass viele internationale Abschlüsse, die ein
IAS- oder US-GAAP-Siegel tragen, in Wirklichkeit ± nach wie vor ± deutsche HGB-Abschlüsse
10)
11)
12)
13)
14)
15)
16)
17)
18)
19)
20)
21)
22)
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Vgl. Spanheimer/Koch, WPg 2000 S. 307.
Vgl. http//:www.neuer-markt.de (Stand Juli 2000).
Vgl. Financial Times vom 13. 10. 1999 S. 27.
Vgl. Steffen, in: Küting/Weber, Wertorientierte Konzernführung, 2000, S. 360.
Vgl. The Economist vom 9. 1. 1999 S. 69-71; Steffen,
a.a.O. (Fn. 13), S. 356.
D©Arcy/Leuz, DB 2000 S. 385.
D©Arcy/Leuz, DB 2000 S. 385.
Modifiziert entnommen aus Arthur Andersen Corporate-Finance Studie: Arthur Andersen und der Neue Markt, Stand
31. 3. 2000, S. 6.
Siehe dazu auch Spanheimer/Koch, WPg 2000 S. 301 ff.
Zu den Transparenzanforderungen am Neuen Markt vgl.
Stenzel/Wilhelm, in: Praxisrelevante Fragestellungen aus
Investmentanalyse und Finanzierung, 2000, S. 187 f.
Vgl. Infoordner Neuer Markt, Stand 1. 7. 2000, Punkt 1.3:
Warum Transparenz und wie ?, S. 7 f.
Vgl. D©Arcy/Leuz, DB 2000 S. 391.
Vgl. zu den Motiven der Anwendung der US-GAAP oder
der IAS-Normen am Neuen Markt Spanheimer/Koch, WPg
2000 S. 308.
FINANZ BETRIEB 10/2000
FINANZ BETRIEB 10/2000
Abschluss ¹in allen wesentlichen Belangen die
Vermögens- und Finanzlage des Konzerns zum
31. 12. 1999 sowie die Ertragslage und Zahlungsströme des abgelaufenen Geschäftsjahrs
angemessen darstellt und den Standards des International Accounting Standards Committee
(¹IASCª) entsprichtª25). Bei IXOS bestätigt der
Wirtschaftsprüfer, dass die Unternehmenslage
¹in Übereinstimmung mit allgemein anerkannten Rechnungslegungsvorschriften in den Vereinigten Staaten von Amerika (US-GAAP) im
Wesentlichen angemessen wiedergegebenª26)
wird. Auch bei Adva Optical stellt der Abschluss
nur in allen wesentlichen Belangen ¹die Vermögens- und Finanzlage des Konzernsª27) angemessen dar und entspricht den US-GAAP-Normen.
Finanzmanagement
sind; denn es werden in diesen Fällen nur solche
Bilanzierungsweisen angewendet, die mit HGBVorschriften in Einklang stehen.
Ein Blick in die Geschäftsberichte der NEMAXWerte zeigt, dass die Bilanzierungs-Landschaft
zerklüfteter, bunter und vielfältiger geworden
ist. Die alte, klassische deutsche Einheitsbilanz
gibt es nicht mehr.
Im Regelfall werden Konzernabschlüsse veröffentlicht; Einzelabschlüsse sind die Minderheit (z.B. bei Ricardo und Medion). Die weit
überwiegende Mehrheit bilanziert in deutscher
Währung, es sind aber auch Abschlüsse in USDollar (z.B. Fantastic, Carrier 1, Qiagen),
Schweizer Franken (z.B. BB Biotech, Highlight
Communications) oder Euro (z.B. Adva Optical,
Aixtron, Infomatec und Intershop) zu finden.
Die Unternehmen präsentieren sich regelmäûig
in deutscher Sprache. Die Abschlüsse von Cybernet, Carrier 1 und Qiagen in englischer Sprache bilden den Ausnahmefall. Allerdings wird
häufig auch zweisprachig berichtet (z.B. Biodata, Kinowelt, Mobilcom). Von der optischen Gestaltung her betrachtet finden sich viele Aufmachungsformen. Unter diesem Gesichtspunkt
sollten die aufwendigen Abschlüsse von Brokat
und Utimaco Safeware hervorgehoben werden,
während der Annual Report von Fantastic, der
als Zeitung aufgemacht ist, für den Bilanzleser
äuûerst gewöhnungsbedürftig ist.
Auch vom Umfang her unterscheiden sich die
Geschäftsberichte erheblich. Mobilcom berichtet
auf 195 Seiten, während bei EM.TV 132 Seiten
zu finden sind. FortuneCity.com beschränkt sich
auf 8 Seiten, BB Biotech veröffentlicht 24 Seiten.
Hinsichtlich der Gliederung der Bilanz und Erfolgsrechnung unterscheiden sich die Abschlüsse grundlegend. Das Gliederungsschema der
deutschen HGB-Bilanz ist noch häufiger zu finden als die amerikanisch geprägte Staffelform.
Bei der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) dominiert bereits jetzt eindeutig das Umsatzkostenverfahren.
Während der gesamte deutsche Markt des Prüfungswesens mit mehr als 60% von der KPMG
und PwC dominiert wird23), ergibt sich bei den
NEMAX-50 Unternehmen ein ganz anderes Bild.
Mit 16 Mandanten liegt Arthur Andersen an der
Spitze, an zweiter Stelle folgt PwC mit 7 Mandaten, während KPMG lediglich in 5 Fällen als
Prüfer fungiert. Ernst & Young prüft in 6 Fällen,
Deloitte & Touch sowie die BDO haben jeweils 2
Mal testiert. Bemerkenswert ist die Feststellung,
dass 10 mittelständische Unternehmen als Prüfer fungieren. In zwei Fällen ist der Prüfer nicht
feststellbar, wohingegen Broadvision gleichzeitig sowohl von Arthur Andersen als auch von
KPMG geprüft wird24).
Beim Bestätigungsvermerk gibt es verschiedene
Berichtsmodelle. Ganzseitige Kurz-Prüfungsberichte sind ebenso zu finden wie Kurztestate,
die nur wenige Sätze umfassen. Der Bilanzanalyst ist gut beraten, den Bestätigungsvermerk
exakt zu studieren. Denn in einigen Fällen wird
herausgestellt, dass der Abschluss nicht in vollem Umfang den internationalen Normen entspricht. So heiût es z.B. bei Mobilcom, dass der
Dass die Bilanzwelt der neuen Unternehmen
zerklüfteter, bunter und vielfältiger geworden
ist, zeigt auch die Tatsache, dass nunmehr auch
Bilanzierungsweisen zum Zuge kommen, die
bislang in Deutschland ungewohnt oder sogar
verboten sind. So wenden zumindest 5 Konzerne (CPU Softwarehouse, Pfeiffer Vacuum, SER
Systeme, IDS-Scheer und STEAG HamaTech) die
percentage-of-completion method (Gewinnrealisierung nach dem Baufortschritt) an. Des Weiteren kommt bei Heyde und Teles die pooling-ofinterests method zur Anwendung. Interessant
ist auch der Abschluss von Kinowelt, denn hier
wird ein ¹negativer goodwillª offen vom goodwill auf der Aktivseite abgesetzt.
Ein Blick in die Geschäftsberichte der NEMAX-Werte
zeigt, dass die Bilanzierungs-Landschaft zerklüfteter,
bunter und vielfältiger geworden ist. Die alte, klassische deutsche Einheitsbilanz gibt es nicht mehr.
Auch in der Berichterstattung ergeben sich
grundlegende ¾nderungen. Zunächst fallen ausführliche Eigenkapitalspiegel, wie z.B. bei Fantastic, Teles, IXOS, Qiagen und Pfeiffer Vacuum,
ins Auge. Hinzuweisen ist auch auf umfassende
Ableitungen der latenten Steuern, deren Prozentsätze sich i.d.R. um 50% bewegen. Der
niedrigste Prozentsatz konnte mit 34% bei Infomatec registriert werden, der höchste Prozentsatz mit 50,4% findet sich bei Singulus Technologies. Des Weiteren erhält der Leser ± im Vergleich zur traditionellen Bilanzierung ± auûerordentlich lange Ausführungen zur Umsatz- und
Gewinnrealisierung, z.B. bei 1 & 1, Intershop sowie bei Brokat.
Die Unternehmen des Neuen Marktes mussten
sich kurzfristig mit der internationalen Rechnungslegung auseinandersetzen und verfügten
kaum über Erfahrungswerte. Daher ist es verständlich, dass sich häufig Bilanzierungsweisen
finden, die nicht mit internationalen Normen im
23) Vgl. hierzu die aktuelle empirische Arbeit von Strickmann,
Wirtschaftsprüfung im Umbruch, 2000, S. 51 ff.
24) Vgl. zum Prüfungsanteil der Big-Five Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bezogen auf den Nemax-All-Share Index
Arthur Andersen Corporate-Finance Studie: Arthur Andersen und der Neue Markt, Stand 31. 3. 2000, S. 22.
25) Vgl. MobilCom-Geschäftsbericht 1999, S. 192.
26) Vgl. IXOS-Geschäftsbericht 1999, S. 32.
27) Vgl. Adva-Geschäftsbericht 1999, S. 48.
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Finanzmanagement
Einklang stehen. Ein Beispiel hierfür findet sich
beim US-GAAP-Bilanzierer Micrologica.
Die Erfolgsrechnung wird nach dem nach USGAAP nicht üblichen Gesamtkostenverfahren
aufgemacht; die SEC verbietet sogar die Anwendung des Gesamtkostenverfahrens. Auch wurde
das handelsrechtliche Gliederungsschema der
Bilanz (§ 266 HGB) zugrundegelegt. Der Ausgleichsposten für Anteile Dritter wird ± unzulässigerweise ± im Eigenkapital ausgewiesen, und
die Anteile Dritter am Jahresfehlbetrag/-überschuss werden nach (!) dem Jahreserfolg gezeigt. Schlieûlich werden die Pensionsrückstellungen ¹auf der Basis versicherungsmathematischer Berechnungen unter Zugrundelegung eines Rechnungszinses von 6% angesetztª28). Der
Wirtschaftsprüfer erteilt ein ¹uneingeschränktes
Testatª und weist lediglich darauf hin, dass ¹die
Gewinn- und Verlustrechnung nicht vollständig
dem Umsatzkostenverfahren entsprichtª29). Auf
die konzernspezifischen Besonderheiten wird
hingegen kein Bezug genommen.
Beim Bestätigungsvermerk gibt es verschiedene Berichtsmodelle. Der Bilanzanalyst ist gut beraten, den
Bestätigungsvermerk exakt zu studieren. Denn in einigen Fällen wird herausgestellt, dass der Abschluss
nicht in vollem Umfang den internationalen Normen
entspricht.
Wer sich mit der internationalen Rechnungslegung eine Verbesserung der Aussagefähigkeit
erhofft hat, sieht sich in vielen Fällen getäuscht
und sehnt dann wieder alte deutsche HGB-Zeiten zurück. Bislang war es der Leser des Geschäftsberichts gewohnt, einen geprüften Jahresabschluss als Bestandteil des Geschäftsberichts vorzufinden. Dass dies nicht mehr
zwingend ist, zeigt der Fall Biodata. Bei diesem
Unternehmen besteht die Bilanz lediglich aus
den Posten Anlagevermögen, Umlaufvermögen,
Eigenkapital und Bankverbindlichkeiten. Die
Zahlen werden nur in Millionen DM angegeben
und darüber hinaus in bunten Säulendiagrammen dargestellt30). Einen Anlagespiegel vermisst
man ebenso wie die verbale Berichterstattung.
Hier muss die Frage erlaubt sein, ob und inwieweit diesen untestierten Daten Glauben geschenkt werden kann. Bei BB Biotech umfasst
die Bilanz nur einige wenige Posten, und auch
die Erfolgsrechnung enthält nur eine fragmentarische Gliederung31). Auch wer die GuV von Adva Optical sieht, dürfte sich gern an die alten
HGB-Zeiten zurückerinnern. Diese Sichtweise
stützt auch FortuneCity.com.
Bis dato enthielt ein Geschäftsbericht untestierte
Unternehmensinformationen und den testierten
Jahresabschluss in der gewohnten Struktur. Die
Unternehmen des Neuen Marktes gehen zum
Teil andere Wege. So veröffentlicht beispielsweise FortuneCity.com untestierte Unternehmensinformationen, in denen auch Jahresabschlussinformationen enthalten sind. Auf den ersten
Blick könnte man die Auffassung vertreten, es
gäbe keine verbale Berichterstattung. Hier liegt
aber ein Geschäftsbericht ohne testierten Jahresabschluss vor und die verbale Berichterstattung
ist im Geschäftsbericht enthalten, befindet sich
600
aber nicht hinter, sondern vor den veröffentlichten Unternehmensdaten32). Bei Fantastic und
bei Pfeiffer Vacuum hingegen ist der Anlagenspiegel überhaupt nicht oder nur fragmentarisch
dargestellt. In vielen Fällen werden die Möglichkeiten einer betriebswirtschaftlichen Erfolgsspaltung im Vergleich zur HGB-Gliederung nicht
unwesentlich eingeschränkt. So findet man z.B.
selbst bei der etablierten STEAG HamaTech die
¹sonstigen Aufwendungen und Erträgeª nur saldiert ausgewiesen33).
Bei der Auswertung der Geschäftsberichte des
Neuen Marktes zeigt sich hinsichtlich der Aussagefähigkeit der externen Rechnungslegung ein
sehr uneinheitliches Bild. Während Unternehmen wie die IDS-Scheer, Utimaco Safeware sowie SER Systeme aufgrund von sehr ausführlichen und detaillierten Anhangsangaben sowie
einer umfassenden Berichterstattung über die
Produktentwicklung und die jeweilige Forschungsarbeit in der Qualität ihrer Geschäftsberichte fast schon das Niveau groûer deutscher
DAX-Unternehmen erreichen, genügen die Geschäftsberichte von Ricardo, FortuneCity.com
und insbesondere Biodata kaum den qualitativen Anforderungen, die an eine Investor-Relation orientierte Berichterstattung gestellt werden.
Hier besteht noch ein erheblicher Nachholbedarf, um dem Anspruch einer am Kapitalmarkt
orientierten Rechnungslegung gerecht zu werden. Die These, dass ¹an die Emittenten im Neuen Markt hohe Publizitätsanforderungen gestellt
werdenª 34), trifft soweit nicht für alle Unternehmen des Neuen Marktes zu.
III. Risiken der Unternehmen des Neuen
Marktes
Den groûen Chancen der Unternehmen des Neuen Marktes stehen zwangsläufig auch höhere Risiken gegenüber.
Die neuen Unternehmen sind auf zukunftsorientierten Hochtechnologiemärkten tätig35). Mit ihnen verbinden sich auûergewöhnlich hohe
Wachstums- und Gewinnaussichten, die sich als
zukünftiges Ertragspotenzial auûerhalb des Bilanzvermögens in Geschäftswert bildenden Faktoren niederschlagen. Vielfach handelt es sich
um sog. Nischenmärkte, die ± wenn überhaupt
± nur von einigen wenigen externen Spezialisten
beurteilt werden können. Wenn die Beurteilung
aber für den Experten bereits mit groûen
Schwierigkeiten verbunden ist, dürfte es dem
externen Analysten, der gleichzeitig verschiedene Märkte verfolgen muss, sehr schwer fallen,
die Aussichten der Hochtechnologiebranche zutreffend abzuschätzen.
Zahlreiche Unternehmen des Neuen Marktes
sind Einproduktunternehmen oder stellen nur
28)
29)
30)
31)
32)
33)
34)
Micrologica-Geschäftsbericht 1999, S. 51.
Micrologica-Geschäftsbericht 1999, S. 59.
Vgl. Biodata-Geschäftsbericht 1999, S. 44 und S. 54.
Vgl. BB Biotech Geschäftsbericht 1999, S. 14.
Vgl. fortunecity.com-Geschäftsbericht 1999, S. 2 ff.
Vgl. Steag Hamatech-Geschäftsbericht 1999, S. 61.
Betsch/Groh/Lohmann, Corporate Finance, 2. Aufl. 2000,
S. 371.
35) Vgl. hierzu auch Homm, in: Korn (Hrsg.), Hightech goes
Public, 2000, S. 155-166.
FINANZ BETRIEB 10/2000
Viele Unternehmen des Neuen Marktes bestehen erst seit einer relativ kurzen Zeit. Sie befinden sich entweder noch in der Ingangsetzungsund Aufbauphase des Geschäftsbetriebs oder
am Anfang der Wachstumsphase. Auf Erfahrungswerte kann daher bei einer betriebswirtschaftlichen Beurteilung nicht zurückgegriffen
werden.
Die Unternehmen des Neuen Marktes unterliegen permanenten diskontinuierlichen Veränderungsprozessen. Rasante technische Veränderungen führen zu einer fortwährenden Verkürzung der einzelnen Produktlebenszyklen und
bringen die Gefahr des Veraltens ganzer Produktionszweige mit sich, falls die Durchführung
von Anpassungsmaûnahmen unterbleibt. Ferner
ist höchst unsicher, ob sich die technologischen
Innovationen auf Dauer am Markt durchsetzen
werden. Dadurch ergibt sich ein sehr hohes allgemeines Unternehmensrisiko.
Die kurze Dauer der Existenz und die Gefahr
des Veraltens führt im Vergleich zu etablierten
Unternehmen zu einem stark begrenzten Umfang an verfügbaren prospektiven und bewertungsrelevanten Unternehmensdaten. Die klassische externe Rechnungslegung ist (trotz ihrer)
Internationalität vielmehr primär vergangenheitsorientiert. Hinzu kommt, dass bei jungen
Unternehmen sprunghafte und grundlegende
Veränderungen auftreten. Daher kann hier keine
Repräsentativität der Vergangenheit für die Zukunft unterstellt werden36). Wenn bereits im
Rahmen der klassischen Bilanzanalyse die mangelnde Übertragbarkeit der vergangenheitsorientierten Daten auf die Zukunft kritisiert wird37),
gilt dieser Mangel erst recht für die Unternehmen des Neuen Marktes38).
Die Unternehmen des Neuen Marktes gehören
häufig Branchen an, die neu geschaffen wurden
und nur schwer überschaubar sind. Die
zukünftige Entwicklung ist mit hoher Unsicherheit behaftet39). Es besteht für dieses Marktsegment noch nicht die Möglichkeit, das Spiel
und die Wirkungsweise der Marktkräfte vorherzusagen. Die ¹Instabilität der Wettbewerbskräfte ± zu denen der Markteintritt neuer
Konkurrenten, die Gefahr durch Substitutionsprodukte, die Verhandlungsmacht der Kunden
und der Lieferanten sowie die Rivalitäten der
gegenwärtigen Wettbewerber gezählt werden
könnenª40) ± führt zwangsläufig zu einem recht
hohen Unternehmensrisiko. Porter stuft dabei
¹die groûe Unsicherheit, gepaart mit der
Gewissheit, dass Veränderungen stattfindenª
FINANZ BETRIEB 10/2000
als das ¹herausragende Merkmal junger Branchenª 41) ein.
Finanzmanagement
einige wenige Produkte her. Der zukünftige Unternehmensverlauf wird vollkommen oder maûgeblich von diesen wenigen Produkten bestimmt. Ergeben sich Veränderungen durch den
technischen Fortschritt, durch Konkurrenzbeziehungen oder Nachfrageverschiebungen, wirken
sich diese Faktoren mit einschneidenden Konsequenzen auf das gesamte Unternehmensgeschehen aus. Im Vergleich hierzu weisen die
Unternehmen der Old Economy regelmäûig eine
deutlich diversifiziertere Produktpalette auf, sodass sie Entwicklungen auf Teilmärkten ¹leichter kompensierenª können.
Unternehmen des Neuen Marktes sind sozusagen über Nacht entstanden und dann anschlieûend katapultmäûig gewachsen. Mit dieser Entwicklung konnte der Ausbau des Rechnungswesens und der Planung vielfach nicht mithalten. Regelmäûig sind diese Abteilungen bei den
Unternehmensbereichen, die die Informationen
zur Unternehmensbeurteilung liefern sollten,
entweder überhaupt nicht vorhanden oder völlig unterentwickelt. Dennoch versuchen einige
Unternehmen, den groûen Risiken durch eine
offene und zeitnahe Publizität nachzukommen.
Dies sind i.d.R. die groûen, etablierten Unternehmen des Neuen Marktes, wie z.B. Mobilcom
oder SER, deren Berichterstattung sich an den
Informationsbedürfnissen der Investoren ausrichtet.
Wer sich mit der internationalen Rechnungslegung
eine Verbesserung der Aussagefähigkeit erhofft hat,
sieht sich in vielen Fällen getäuscht und sehnt dann
wieder alte deutsche HGB-Zeiten zurück.
Es stellt sich zwangsläufig die Frage nach der
Beurteilung solcher dynamisch wachsender Unternehmen, die im Regelfall hochtechnologieorientierte Tätigkeit dieser Unternehmen ist
durch die bisher übliche vergangenheitsorientierte Rechnungslegung nur sehr schwerlich und
wenn überhaupt nur unvollständig zu erfassen.
Demzufolge ist eine auf dieses Datenmaterial
aufsetzende herkömmliche Bilanzanalyse von
vornherein zum Scheitern verurteilt. Zukunftsbezogene und damit unsichere Daten treten damit in den Vordergrund. Ist die Ermittlung dieser
Daten für das Unternehmen selbst schon mit erheblichen Problemen verbunden, so ist eine
Wertung für den externen Analysten nahezu unmöglich. Erschwerend kommt hinzu, dass die
sog. jungen Unternehmen im Regelfall noch keine Gewinne erzielen, sodass die Maximierung
der Eigenkapitalrentabilität als eigentliche Zielgröûe unternehmerischen Handelns nur langfristig an Aussagekraft gewinnt, wenn die Unternehmen einen Gewinn ausweisen42).
Bei den Unternehmen des Neuen Marktes spielt
der bzw. die Unternehmensgründer eine groûe
Rolle, denn diese Personen haben die Pionierarbeit geleistet. Die zukünftigen Erfolge und der
weitere Ausbau des Unternehmens sind somit
eng mit dem (häufig zu erweiternden) Management verbunden, sodass die Qualität und der
36) Vgl. Francioni/Gutschlag, in: Volk (Hrsg.), Going Public,
2. Aufl. 1998, S. 31.
37) Vgl. Küting/Weber, Bilanzanalyse, 5. Aufl. 2000, S. 48 f.
38) Zu den Schwierigkeiten der traditionellen Bewertungsmethoden bei Unternehmen der New Economy s. auch
Wullenkord, FB 2000 S. 522 f. Zu den Mängeln der traditionellen Bilanzanalyse s. auch Rehkugler/Poddig, Bilanzanalyse, 4. Aufl. 1997, S. 6.
39) Vgl. o.V., Aktien-Beurteilung in der ¹New Economyª, Neue
Zürcher Zeitung vom 28. 2. 2000.
40) Porter, Wettbewerbsstrategie (Competitive Strategy),
8. Aufl. 1995, S. 27 f.
41) Porter, a.a.O. (Fn. 40), S. 295.
42) Vgl. dazu auch Homm, a.a.O. (Fn. 35), S. 155-166; Wullenkord, FB 2000 S. 524 f.
601
Finanzmanagement
Ausbau des Managements als ein ganz wichtiger
Erfolgsfaktor zu werten ist43) 44).
Im Zuge des Börsengangs kann das Eigenkapital
im Regelfall um ein Vielfaches gesteigert werden. Die zukünftige Entwicklung wird daher
maûgeblich durch die Investition dieser neuen
Eigenkapitalbasis bestimmt. Hierüber bestehen
allenfalls Absichtserklärungen und vage Vermutungen, sodass damit erhebliche Risiken verbunden sind. Dass die Kapitalanlage vielfach
nicht unproblematisch ist und die Mittel aus
dem Börsengang häufig in Form von liquiden
Mitteln und angelegten Wertpapieren längere
Zeit im Unternehmen verbleiben und somit
maûgeblich das Bilanzbild der Unternehmen
prägen, darf aber nicht übersehen werden.
Eine Analyse der NEMAX-Unternehmen zeigt,
dass die liquiden Mittel und die Wertpapiere des
Umlaufvermögens eine überragende Rolle spielen. So machen die liquiden Mittel bei Fantastic
93% des Umlaufvermögens aus, während sich
bei Ricardo und Broadvision die Vergleichszahlen auf 84% bzw. 74% belaufen. Werden die liquiden Mittel und die Wertpapiere des Umlaufvermögens in Relation zur gesamten Bilanzsumme gesetzt, ergeben sich Prozentzahlen von
100% bei BB Biotech45), 89% bei Gauss Interprise und 88% bei Fantastic.
Junge Unternehmen sind häufig in solchen
(neuen) Branchen tätig, in denen sich ± zumindest in Deutschland ± noch keine branchenweit
anerkannten und kodifizierten Bilanzkonventionen herausgebildet haben. Folglich besteht gerade in diesen Sektoren die Möglichkeit und
gleichzeitig die Gefahr, dass eine interessenorientierte Auslegung der tradierten Vermögensund Gewinnermittlungsnormen das Bilanzbild
verschönert.
Abb. 2: Liquide Mittel bei den NEMAX-50- und DAX-Werten
Wie der Abb. 2 zu entnehmen ist, betragen die
liquiden Mittel bei den NEMAX-50-Werten mehr
als 35% des Umlaufvermögens. Werden die
Wertpapiere des Umlaufvermögen hinzuaddiert,
wird sogar die 50%-Marke überschritten. Auch
zeigt ein Vergleich zu den DAX-Werten, dass die
liquiden Mittel bei den NEMAX-50-Werten eine
viel gröûere Rolle spielen.
Den liquiden Mitteln ist daher bei der Beurteilung der NEMAX-50-Unternehmen eine überragende Bedeutung beizumessen. Sicherlich
brauchen die Unternehmen beispielsweise aus
dem Bereich der Softwareentwicklung ausreichend Liquidität, um ihre Entwicklung langfristig finanzieren zu können. Aus Renditegesichtspunkten ist es jedenfalls unerlässlich, überschieûendes Kapital risikoadäquat anzulegen. Da die
Unternehmen ± wenn überhaupt ± nur fragmentarisch über ihre Investitionsstrategien berich602
ten, muss hierin ein groûes Risiko gesehen werden.
IV. Sachgerechte Beurteilung junger Unternehmen
Unter Bilanzanalyse ist die Aufbereitung (Verdichtung) sowie die Auswertung erkenntniszielorientierter Unternehmensinformationen mittels
Kennzahlen, Kennzahlensystemen und sonstiger
Methoden zu verstehen. Durch ¹die Untersuchung von Jahresabschluss und Lageberichtª 46) soll ein Urteil über die wirtschaftliche
Lage und Entwicklung eines Unternehmens getroffen werden. Und auch Ballwieser schränkt
die Bilanzanalyse auf die ¹Durchsicht und Auswertung von Jahresabschluss und Lagebericht
zum Zwecke der Informationsgewinnungª47)
ein.
Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, ist diese Einschränkung des Informationsgewinns gerade für junge Unternehmen problematisch. Vor diesem Hintergrund sollte eine
sachgerechte externe Unternehmensbeurteilung
vielmehr wie folgt vorgehen48):
Ausgangspunkt einer jeden Unternehmensbeurteilung sollte stets eine Branchenanalyse
sein. Eine Branchenanalyse beinhaltet die Zerlegung und Strukturierung der Branche in einzelne Teilbranchen. In einem ersten Schritt sind
hierbei die verschiedenen Tätigkeitsfelder möglichst genau zu beschreiben und es ist anschlieûend eine Zuordnung der zu analysierenden Unternehmen zu den identifizierten Teilbranchen
vorzunehmen49). Am Beispiel der Internetbranche kann man dementsprechend zwischen Unternehmen unterscheiden, die Internet-Infrastruktur bereitstellen, solchen, die Internet-basierende Softwarelösungen anbieten, solchen,
die Internet-Serviceleistungen anbieten und
schlieûlich dem Handel über das Internet. Im
ersten Bereich sind Unternehmen anzusiedeln,
die Hardware bzw. Sicherheitstechnik anbieten.
Sie liefern die Bausteine für das Internet als
weltumspannendes Netzwerk. Dem Bereich der
Entwicklung der Internet-basierten Software
sind all jene Unternehmen zuzuordnen, die Programme zum E-Commerce erstellen (Intershop,
SER-Systeme). Zum Bereich der Internet-Serviceleistungen zählen zum Beispiel Internet-Zugangs-Provider wie Mobilcom oder T-Online.
Daneben steht die groûe Gruppe der Suchmaschinen. Als logisches viertes Glied in der
43) Vgl. Laub, in: Laub/Scheider (Hrsg.), Innovation und Unternehmertum, 1991, S. 47; Unterkofler, Erfolgsfaktoren
innovativer Unternehmensgründungen, 1991, S. 113.
44) Vgl. zur Wichtigkeit der Inhaber und deren Qualität gerade
bei Pionierunternehmen auch Kithier, WPg 1975 S. 414.
45) Der Zweck der Geschäftstätigkeit von BB Biotech besteht
in der Beteiligung an Unternehmen der Biotechnologie.
46) Baetge/Thiele, in: Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 2. Aufl. 1995, Sp. 251.
47) Ballwieser, in: Handwörterbuch des Rechnungswesens,
3. Aufl. 1993, Spalte 211.
48) Vgl. zur Branchenanalyse Porter, HBR March-April 1979
S. 137; ders., Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten, 4. Aufl. 1996, S. 20 f.; Rappaport,
Creating Shareholder Value, 2. Aufl. 1998, S. 61.
49) Vgl. Behr/Gusinde, Der Schweizer Treuhänder 1999
S. 153.
FINANZ BETRIEB 10/2000
Nachdem die Branche klar strukturiert ist, können die zu analysierenden Unternehmen den ermittelten Teilbereichen zugeordnet werden. Anschlieûend geht es darum, zu analysieren, welche Bereiche einer Branche sich als Wertreiber
herausgebildet haben. Ziel ist es, herauszufinden, ob die Branche oder Teile davon gesättigt
oder ungesättigt sind, welches Marktpotenzial
besteht und wie dieses jährlich wächst. Diese Informationen können nur aus der Beobachtung
branchenspezifischer Indikatoren gewonnen
werden, die die Entwicklung des Marktes charakterisieren. Hierzu zählen u.a. das Markt- und
Kundenpotenzial sowie das geschätzte Marktwachstum. Auf der Grundlage dieser Informationen kann beurteilt werden, wie sich diese Branche im Vergleich zu anderen verhält. Im Fall der
Internetbranche muss daher zunächst untersucht werden, wie viele Unternehmen und
Haushalte ans Internet angeschlossen sind und
wie sich die Zuwachsraten entwickeln. Dabei ist
auch die Frage zu beantworten, ob die allgemeine Konjunkturentwicklung Einfluss auf die Entwicklung der Zuwachsraten hat oder ob in den
nächsten Jahren unabhängig von der allgemeinen Konjunkturentwicklung mit einem Boom
gerechnet werden kann.
Im zweiten Schritt müssen Informationen über
die Stellung des Unternehmens im Markt gewonnen werden. Hayn führt dazu aus, dass diese Lageanalyse die ¹Ausgangsbasis zur Bestimmung der voraussichtlichen Leistungspotenzialeª50) eines Unternehmens darstellt. Hierbei
kommt es darauf an, die wirtschaftliche Lage
des Unternehmens, insbesondere die Nachfrage
nach den vom Unternehmen hergestellten Produkten sowie die Konkurrenzsituation in den jeweiligen Branchen darzulegen, in denen das Unternehmen als Marktteilnehmer auftritt51). Porter
sieht dabei das Ziel der Konkurrentenanalyse in
der Ermittlung der Inhalte und Erfolgschancen
der zu erwartenden strategischen Schritte der
Wettbewerber, der Reaktion jedes Wettbewerbers auf die strategischen Schritte der anderen
Marktteilnehmer, sowie die Reaktionen der Konkurrenten auf die Veränderungen innerhalb der
Branche und des sonstigen Umfelds52). Insbesondere geht es um die Frage, ob Markteintrittsbarrieren bestehen, die das Aufkommen
neuer Wettbewerber in der Zukunft verhindern.
In Bezug auf die Internetbranche bestehen hohe
Eintrittsschranken insbesondere hinsichtlich der
Infrastruktur. Die Entwicklung von Hard- und
Software ist langwierig und i.d.R. sehr kostspielig. Im Gegensatz dazu sind die Barrieren im Bereich des eigentlichen Internethandels wesentlich geringer. Der Aufbau einer eigenen Webpräsenz ist ohne Probleme auch in kurzer Zeit möglich. Ein Beispiel hierfür ist die rasante Zunahme von Internet-Auktionshäusern.
Auf dieser Grundlage sind Kennzahlen wie
Marktanteil (gemessen am Umsatz) oder auch
Anzahl der Kunden oder Besucher der Webseite
FINANZ BETRIEB 10/2000
zu interpretieren und hieraus Schlussfolgerungen hinsichtlich der Stellung des Unternehmens
am Markt zu ziehen. Dazu sind die genannten
Werte mit denen der Wettbewerber zu vergleichen. Zu hinterfragen ist, ob es eindeutige
Marktführer gibt und wie sich die Marktführerschaft in der bisherigen Zeit entwickelt hat53).
Um schlieûlich abzuschätzen, wie sich diese
Entwicklung in Zukunft fortsetzen wird, muss
an dritter Stelle eine Analyse der unternehmensspezifischen Wettbewerbsvorteile vorgenommen werden, die aus dem Geschäftsmodell des
Unternehmens erwachsen. Nach Identifizierung
der branchenspezifischen Werttreiber erfolgt also die Untersuchung, inwieweit das zu analysierende Unternehmen diese durch sein Geschäftsmodell abdeckt54). Auûerdem kommt dessen
Umsetzung durch das Management eine entscheidende Bedeutung zu55). Dies gilt insbesondere bei jungen, schnell wachsenden Unternehmen. Es ist schwierig und zugleich sehr wichtig,
das Wachstum eines Unternehmens zu steuern
und die richtigen Technologien und Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.
Finanzmanagement
Kette sind schlieûlich Unternehmen zu sehen,
die den eigentlichen Handel mit Produkten und
Dienstleistungen im Internet durchführen wie
beispielsweise Amazon.com.
Wenn bereits im Rahmen der klassischen Bilanzanalyse die mangelnde Übertragbarkeit der vergangenheitsorientierten Daten auf die Zukunft kritisiert wird,
gilt dieser Mangel erst recht für die Unternehmen des
Neuen Marktes.
Daher ist die Qualität des Managements anhand
von Kennzahlen und Indikatoren abzuschätzen56). Aufgrund des Fehlens bzw. der beschränkten Aussagekraft finanzieller Gewinngröûen kommen hierbei insbesondere Kennzahlen zum Tragen, die über den Geschäftsverlauf
informieren und die Risiken zukünftiger Entwicklungen abbilden. Diese Gröûen sind dem finanziellen Erfolg vorgelagert und erlauben daher eine Abschätzung des zukünftigen finanziellen Erfolgs oder Misserfolgs. Die Indikatoren
sind sehr branchenspezifisch und beziehen sich
häufig auf die F & E-Tätigkeit, Prozessqualität
und Qualität der Kundenbeziehung. Zur ersten
Kategorie zählen vor allem Kennzahlen wie
Durchlaufzeit der Produktentwicklung oder der
Umsatzanteil neuer Produkte. Über den Bereich
Prozessqualität geben beispielsweise die Fehlerquoten bei Produkt und Serviceleistungen oder
auch eine Qualitätseinschätzung der Endprodukte Auskunft. Der Grad der Kundenzufriedenheit wird u.a. dokumentiert durch Indikatoren
wie Kundenerhaltungsgrad, Anzahl der Kundenbeschwerden oder die Wiederkaufrate. An dem
Beispiel der Internetunternehmen bedeutet dies
beispielsweise auch zu beobachten, wie viele
50) Hayn, a.a.O. (Fn. 2), S. 246.
51) Vgl. Copeland/Koller/Murrin, Unternehmenswert: Methoden und Strategien für eine wertorientierte Unternehmensführung, 2. Aufl. 1998, S. 180 ff.
52) Vgl. Porter, Wettbewerbsstrategie: Methoden zur Analyse
von Branchen und Konkurrenten, 8. Aufl. 1995; Hayn,
a.a.O. (Fn. 2), S. 252.
53) Vgl. Häcker, FB 2000 S. 527 f.
54) Zur Durchführung einer Market Due Diligence vgl. Sebastian/Olbrich, FAZ vom 21. 8. 2000 S. 25.
55) Vgl. Behr/Kind, Der Schweizer Treuhänder 1999 S. 69.
56) Vgl. Wullenkord, FB 2000 S. 527.
603
Finanzmanagement
Zugriffe eine Seite in einem bestimmten Zeitraum hat (Nutzer pro Monat) oder wie hoch die
Wiederkaufrate bei Internethandelsunternehmen ist.
Auf der Grundlage dieser Indikatoren kann
zum einen die Entwicklung im Zeitablauf
beobachtet werden. Gleichzeitig können die
Gröûen z.T. auch für einen Vergleich mit
Wettbewerbern genutzt werden. So kann auch
eine Patentanalyse unter Technologieunternehmen aufzeigen, wer mit welchem jährlichen
Entwicklungsaufwand wie viele Patente bzw.
neue Technologien hervorbringt. Damit kann
die Effektivität der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit eines Unternehmens abgeschätzt
werden.
Bei einem Vergleich mit Wettbewerbern ist
darauf zu achten, dass die Unternehmen
hinsichtlich ihrer Struktur und Geschäftstätigkeit vergleichbar sind. Dies ist insbesondere bei
der Interpretation der Indikatoren zu berücksichtigen.
Die Qualität des Managements ist anhand von Kennzahlen und Indikatoren abzuschätzen. Aufgrund des
Fehlens bzw. der beschränkten Aussagekraft finanzieller Gewinngröûen kommen hierbei insbesondere Kennzahlen zum Tragen, die über den Geschäftsverlauf informieren und die Risiken zukünftiger Entwicklungen
abbilden.
Neben dem reinen Indikatorenvergleich ist es
auch möglich, Substitute für den klassischen
Unternehmenswert zu verwenden. Nachdem
± wie oben angeführt ± die Marktführer der jeweiligen Branche identifiziert sind, müssen hierzu Gröûen gefunden werden, die einen Vergleich
des Unternehmenswerts der Konkurrenten mit
dem zu beurteilenden Unternehmen erlauben.
Ein Beispiel für ein solches Vorgehen ist der Vergleich anhand des Werts pro Kunden57). Ausgangspunkt ist die Marktkapitalisierung von
Konkurrenzunternehmen, die auf die Zahl der
Kunden heruntergebrochen wird58). Durch Multiplikation mit der Anzahl eigener Kunden lässt
sich ein Vergleichswert für die eigene Marktkapitalisierung bestimmen. Dividiert man diesen Wert durch die Anzahl der Aktien, so erhält
man schlieûlich einen Vergleichskurs zum Wert
der eigenen Aktie. Die Aussagefähigkeit dieses
Vergleichs hängt allerdings entscheidend davon
ab, ob die Unternehmen vergleichbar sind.
Eventuell bestehende Unterschiede müssen bei
der Wertung der Ergebnisse berücksichtigt werden. Die oben genannten nicht-finanziellen Informationen und die Ergebnisse der Branchenanalyse sind hierbei eine Hilfe und ermöglichen
eine Einschätzung der bestehenden Unterschiede. Entsprechend sind die Kundenwert-Kennzahlen der Vergleichsunternehmen mit geschätzten Zu- und Abschlägen zu versehen.
Ein weiteres, denkbares Vorgehen ist der Vergleich anhand des Unternehmenswerts pro Mitarbeiter. Die Unterschiede zu Vergleichsunternehmen müssen wiederum anhand der zusätzlichen nicht-finanziellen Informationen erklärt
und eingeschätzt werden59).
604
Mit einer sachgerechten Branchen- und Konkurrenzanalyse sowie mit der Prüfung des Geschäftsmodells dürfte der Kaufmann alleine
häufig überfordert sein. Vielmehr ist er auf den
Rat des Spezialisten (Techniker, Chemiker und
Informatiker) angewiesen, sodass sich die Unternehmensbeurteilung zunehmend als Teamarbeit gestalten wird.
Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass die
Besonderheiten der Neuen Unternehmen und
insbesondere die mit ihnen verbundenen hohen
Risiken eine neue Form der Unternehmensbeurteilung erforderlich machen60). Eine sachgerechte Analyse muss demnach eine
l Branchenanalyse,
l Marktstellungsanalyse
l Geschäftsmodellanalyse61)
in die Untersuchung einbeziehen62).
Der handelsrechtliche Jahresabschluss erlaubt
es allenfalls in Ansätzen, derartige Problemfelder abzudecken63). Im Geschäftsbericht fehlen häufig ganz einfach die nötigen Zusatzangaben. Dabei ist zu beachten, dass die
Analysepraxis häufig die Begriffe Jahresabschluss und Geschäftsbericht gleich setzt.
Eine Untersuchung des Neuen Marktes zeigt
jedoch, dass dies nicht immer der Fall ist. Denn
zum Geschäftsbericht gehört nicht pflichtgemäû
ein testierter Jahresabschluss mit seinen einzelnen Bestandteilen. Sollten die Unternehmen auf
freiwilliger Basis informieren, muss der Analyst
vorsichtig sein, denn allzu leicht werden
überzogene und einseitige Sachverhalte abgebildet. Gerade am Neuen Markt wird ¹aggressiv
prognostiziertª 64), um letztendlich eine höhere
Marktkapitalisierung zu erzielen. Problematisch
sind hierbei auch die häufig unterschiedlichen
Ermittlungsverfahren der nicht-finanziellen
Gröûen. Daher müssen entweder standardisierte Methoden angewendet werden oder es muss
zumindest über die Ermittlung berichtet werden. Auf dieser Grundlage kann durch den
externen Analysten eine Vergleichbarkeit hergestellt werden oder nicht zu beseitigende
Unterschiede bei der Interpretation berücksichtigt werden.
Die Ausführungen zeigen auch, dass bei einer
sachgerechten Beurteilung neuer Unternehmen
zukunftsorientierte Gröûen einen viel höheren
Stellenwert erhalten. Auch hier ist ein systemimmanenter Mangel der handelsrechtlichen
Rechnungslegung festzustellen. Zwar kann gerade in den internationalen Rechnungslegungsnormen ein stärkerer Zukunftsbezug konstatiert
werden, aber durch das allen Prognosen zugrun57) Vgl. Wullenkord, FB 2000 S. 522 ff.
58) Vgl. Volk, StuB 2000 S. 873.
59) Vgl. hierzu auch Nölting, managermagazin 4/00 S.
154-165; zu mitarbeiterorientierten Kennzahlen im Bereich der New Economy, Wullenkord, FB 2000 S. 527.
60) Vgl. Behr/Kind, Der Schweizer Treuhänder 1999 S. 63 ff.
61) Zu den Merkmalen eines am Markt erfolgreichen Geschäftsmodells vgl. Arthur Andersen, Mitarbeiterzeitung
Akzente Nr. 2/2000 S. 2.
62) Zu der Vorgehensweise im Rahmen einer Market Due Diligence s. Sebastian/Olbrich, FAZ vom 21. 8. 2000 S. 25.
63) Vgl. Infoordner Neuer Markt, Stand 1. 7. 2000, Punkt 1.3:
Warum Transparenz und wie?, S. 6.
64) Steffen, a.a.O. (Fn. 13), S. 372.
FINANZ BETRIEB 10/2000
FINANZ BETRIEB 10/2000
Und auch Coenenberg bemerkt zutreffend, dass
Bilanzen ¹hierzu keine unmittelbaren Erkenntnisse hergebenª68).
Finanzmanagement
de liegende historische Datenmaterial ist der
Vergangenheitsbezug zwangsläufig sehr ausgeprägt. Weiterhin spielen nichtfinanzielle sowie qualitative Gröûen eine immer gröûere Rolle. Festzuhalten bleibt, dass die traditionelle
Rechnungslegung primär auf finanzielle (quantitative und ergänzende qualitative) Gröûen ausgerichtet ist.
Eine sachgerechte Unternehmensbeurteilung
darf sich daher nicht allein auf die Auswertung
des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und
des Lageberichts beschränken. Vielmehr muss
parallel dazu auch eine Branchen-, Marktstellungs- und Geschäftsmodellanalyse vorgenommen werden. Diese drei Teilgebiete
sollen mit Coenenberg als ¹strategische Unternehmensanalyseª65) bezeichnet werden66). ¹Sie
fragt auf der einen Seite nach den speziellen
unternehmerischen Stärken und Schwächen im
Wettbewerb und auf der anderen Seite nach
den Risiken und Chancen, denen das Unternehmen in seinen Umfeldern ausgesetzt ist.ª67)
Eine umfassende Unternehmensanalyse sollte
demnach aus folgenden Komponenten bestehen:
Abb. 3: Zum Verhältnis von Unternehmens- und Bilanzanalyse
(Fortsetzung im nächsten Heft)
65) Coenenberg, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 17. Aufl. 2000, S. 874.
66) Vgl. hierzu ganz allgemein: Coenenberg, in: Busse von
Colbe/Coenenberg/Kajüter/Linnhoff, Betriebswirtschaft
für Führungskräfte, 2000, S. 3 ff.
67) Coenenberg, a.a.O. (Fn. 65), S. 875.
68) Ebenda.
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