Die Julikrise 1914

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Die Julikrise 1914
46 / 55 11041 Der Erste Weltkrieg
Arbeitsblatt 2 / Seite 1/5
Die Julikrise 1914
Wie im Film zu sehen ist, greifen nach dem Attentat von Sarajewo auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie die wechselseitigen Bündnisverpflichtungen. Die Situation verschärft sich erheblich.
Bildet fünf etwa gleich große Gruppen und bearbeitet eure jeweilige Gruppenaufgabe zur Julikrise
1914. Ihr werdet so zu Spezialisten für eine bestimmte Kriegspartei. Stellt euch nach der Quellenarbeit eure Erkenntnisse gegenseitig vor.
Aufgabe Gruppe 1: Österreich-Ungarn
a) Erläutert die Einschätzung des Attentats von Sarajewo durch Kaiser Franz Joseph I.
b) Stellt die politischen Ziele Österreich-Ungarns gegenüber Serbien kurz dar.
c) Überlegt, welche Forderung Franz Joseph im letzten Absatz an Wilhelm II. stellt.
Q1: Kaiser Franz Joseph I. über das Attentat von Sarajewo
aus dem Handschreiben an Kaiser Wilhelm II. vom 02.07.1914
Das gegen meinen armen Neffen verübte Attentat ist die direkte Folge der von den russischen und serbischen Panslawisten betriebenen Agitation, deren einziges Ziel die Schwächung des Dreibundes und die Zertrümmerung meines Reiches ist.
Nach allen bisherigen Erhebungen hat es sich in Sarajewo nicht um die Bluttat eines
einzelnen, sondern um ein wohlorganisiertes Komplott gehandelt, dessen Fäden nach Belgrad reichen, und wenn es auch vermutlich unmöglich sein wird, die Komplizität der serbischen Regierung nachzuweisen, so kann man wohl nicht im Zweifel darüber sein, dass ihre
auf die Vereinigung aller Südslawen unter serbischer Flagge gerichtete Politik solche Verbrechen fördert, und dass die Andauer dieses Zustandes eine dauernde Gefahr für mein Haus
10 und für meine Länder bildet […]
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Das Bestreben meiner Regierung muss in Hinkunft auf die Isolierung und Verkleinerung Serbiens gerichtet sein […] [Es könnte sich] unter der Patronanz des Dreibundes ein
neuer Balkanbund bilden, dessen Ziel darin bestehen würde, dem Vordringen der panslawis15 tischen Hochflut ein Ziel zu setzen und unseren Ländern den Frieden zu sichern.
Dies wird aber nur dann möglich sein, wenn Serbien, welches gegenwärtig den
Angelpunkt der panslawistischen Politik bildet, als politischer Machtfaktor am Balkan ausgeschaltet wird.
Auch Du wirst nach dem jüngsten furchtbaren Geschehniss in Bosnien die Überzeugung haben, dass an eine Versöhnung des Gegensatzes, welcher Serbien von uns trennt,
nicht mehr zu denken ist, und dass die erhaltende Friedenspolitik aller europäischen Monarchen bedroht sein wird, solange dieser Herd von verbrecherischer Agitation in Belgrad ungestraft fortlebt.
(zit. nach: Schönbrunn, Günter: Weltkriege und Revolutionen 1914-1945, München 1961, (= Geschichte in Quellen; 5), S. 13.)
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Aufgabe Gruppe 2: Russland
a) Erläutert die Haltung Russlands zu Österreich-Ungarn. Geht dabei auch auf die vom russischen
Außenminister genannten Kriegsgründe ein.
b) Stellt die Argumente des russischen Außenministers für den Kriegseintritt Russlands kurz dar.
c) Beurteilt die Rolle, die der russische Außenminister seinem Land gegenüber anderen Ländern
zuteilt.
Q2: Die Haltung der russischen Regierung zum Kriegsausbruch
Rede des russischen Außenministers Sergej Dimitrijewitsch Sasonow vor der Duma (8.8.1914)
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Ist es nötig, all die Versuche Österreich-Ungarns, um Russlands Stellung auf dem Balkan zu
untergraben, in Ihr Gedächtnis zurückzurufen? Die Stunde ist gekommen, wo ich rückhaltlos
erklären kann, dass Österreich-Ungarn es gewesen ist, das den Bruderstreit zwischen Bulgarien und seinen Verbündeten herbeigeführt hat. Aber, obwohl sie schwere Prüfungen zu
bestehen hatte, wird die Einigung der orthodoxen Balkanvölker, so Gott will, einmal Wirklichkeit werden.
Sie kennen den Anlass zum Kriege. Durch innere Unruhen zerrissen, suchte Österreich einen Schlag zu führen, der gleichzeitig seine Kraft beweisen und uns demütigen soll10 te. Dafür musste Serbien herhalten, dieses Serbien, mit dem uns die Bande der Geschichte
sowie gemeinsame Abstammung und Glauben vereinigen.
Sie kennen die Umstände, unter welchen das Ultimatum an Serbien gerichtet wurde.
Hätte sich Serbien diesen Bedingungen unterzogen, so wäre es Österreichs Vasall gewor15 den. Ein gleichgültiges Verhalten unsererseits hätte die Aufgabe unserer Jahrhunderte alten
Rolle als Beschützer der Balkanstaaten bedeutet. Gleichzeitig hätten wir damit zugegeben,
dass der Wille Österreichs und des hinter ihm stehenden Deutschlands für Europa Gesetz
wäre; Weder wir, noch Frankreich, noch England konnten es geschehen lassen.
(zit. nach: Peters, K. H.: Reden die die Welt bewegten. Stuttgart 1959, S. 230f.)
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Arbeitsblatt 2 / Seite 3/5
Aufgabe Gruppe 3: Deutsches Reich
a) Stellt das Hauptziel der deutschen Politik nach von Jagow kurz dar. Geht dabei auch auf seine
Einschätzung der Bereitschaft Russlands zu einem Krieg ein.
b) Erläutert die Haltung von Jagows zu einem möglichen Krieg.
c) Beurteilt von Jagows Einschätzung von Österreichs Vorgehen.
Q3: Von Jagow, Brief an Lichnowsky
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, von Jagow, schrieb in einem Privatbrief vom 18.Juli 1914
an den deutschen Botschafter in London.
Wir müssen sehen, den Konflikt zwischen Österreich und Serbien zu lokalisieren. Ob dies gelingen kann, wird zunächst von Russland und in zweiter Linie von dem mäßigenden Einfluss
seiner Ententebrüder abhängen. Je entschlossener sich Österreich zeigt, je energischer wir
es stützen, umso eher wird Russland still bleiben. Einiges Gepolter in Petersburg wird zwar
nicht ausbleiben, aber im Grunde ist Russland jetzt nicht schlagfertig. Frankreich und Eng5
land werden jetzt auch den Krieg nicht wünschen. In einigen Jahren wird Russland nach aller
kompetenten Annahme schlagfertig sein. Dann erdrückt es uns durch die Zahl seiner Soldaten, dann hat es seine Ostseeflotte und seine strategischen Bahnen gebaut. Unsere Gruppe
wird inzwischen immer schwächer. In Russland weiß man es wohl, und will deshalb für einige
10 Jahre noch absolute Ruhe.
Ich glaube gern Ihrem Vetter Benckendorff, dass Russland jetzt keinen Krieg mit uns will.
Dasselbe versichert auch Sasonow, aber die Regierung in Russland, die heute noch friedliebend und halbwegs deutschfreundlich ist, wird immer schwächer, die Stimmung des Slawen15 tums immer deutschfeindlicher. Wie Russland uns im Grunde behandelt, zeigt der vorige
Herbst. Während der Balkankrise konnte es uns nicht genug danken für unsere beruhigende
Einwirkung. Kaum war die akute Krise vorbei, begannen die Unfreundlichkeiten […] Lässt
sich die Lokalisierung nicht erreichen und greift Russland Österreich an, so tritt der casus
foederis ein, so können wir Österreich nicht opfern. Wir ständen dann in einer nicht gerade
proud zu nennenden Isolation. Ich will keinen Präventivkrieg, aber wenn der Kampf sich bietet, dürfen wir nicht kneifen.
Ich hoffe und glaube auch heute noch, dass der Konflikt sich lokalisieren lässt. Englands Haltung wird dabei von großer Bedeutung sein. Ich bin vollständig überzeugt, dass die
öffentliche Meinung sich nicht für Österreichs Vorgehen begeistern wird und erkenne all ihre
Argumente in dieser Hinsicht als richtig an.
(zit. nach: Geiss, Imanuel: Juli 1914. Die europäische Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, München 1986, (dtv ;
2921), S. 104.)
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Aufgabe Gruppe 4: England
a) Erläutert die Haltung Russlands und Frankreichs zum Ultimatum durch Österreich-Ungarn, die
der britische Botschafter nach London telegrafiert.
b) Überlegt, vor welchem Dilemma England steht und wie es dies lösen könnte.
Q4: Die englische Haltung in der Julikrise
Die englische Politik in der Julikrise 1914 kann man u. a. aus einem Telegramm erkennen, das der britische Botschafter in St. Petersburg, Buchanan, an seinen Außenminister schickte (24.07.1914).
Minister des Äußeren teilte mir heute Morgen telephonisch mit, dass er eben Wortlaut des
gestern von Österreich in Belgrad überreichten Ultimatums erhalten habe, das eine Antwort
binnen 48 Stunden verlange. Dieser von Österreich getane Schritt bedeute den Krieg und er
bat mich, ihn auf der französischen Botschaft zu treffen […]
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Minister des Äußeren drückte die Hoffnung aus, Seiner Majestät Regierung werde
sich mit Frankreich und Russland solidarisch erklären. Er bezeichnete Österreichs Verhalten
als unmoralisch und herausfordernd. Einige der von ihm erhobenen Forderungen seien vollkommen unannehmbar und es hätte niemals so gehandelt, ohne Deutschland vorher befragt
10 zu haben. Der französische Botschafter gab mir zu verstehen, dass Frankreich Russland
nicht nur diplomatisch energisch unterstützen, sondern im Notfall auch alle ihm durch sein
Bündnis auferlegten Verpflichtungen erfüllen werde.
Ich bemerkte, dass ich nicht im Namen Seiner Majestät Regierung sprechen könne,
15 dass ich Ihnen aber alle ihre Äußerungen telegraphieren würde. […] Wir seien an Serbien
nicht unmittelbar interessiert und öffentliche Meinung Englands würde seinetwegen niemals
einen Krieg gutheißen. […]
Da mich beide weiterhin drängten, wir sollten uns vollständig solidarisch mit ihnen
20 erklären, bemerkte ich, Sie möchten meines Erachtens geneigt sein, Wien und Berlin eindringlich vorzuhalten, dass ein österreichischer Angriff auf Serbien europäischen Frieden
gefährden würde. Sie dürften vielleicht darauf hinweisen, dass dies aller Wahrscheinlichkeit
nach Russland zur Intervention zwingen, dass dadurch Deutschland und Frankreich hineingezogen würden und dass es bei einem etwaigen allgemeinen Krieg für England schwierig
sein würde, neutral zu bleiben. Minister des Äußeren sprach Hoffnung aus, dass wir
jedenfalls scharfe Missbilligung über Österreichs Schritt ausdrücken würden. Wenn der Krieg
ausbräche, würden wir früher oder später hineingezogen, und wenn wir nicht von Anfang an
gemeinsam mit Frankreich und Russland vorgingen, würden wir den Krieg nur wahrscheinlicher gemacht haben und hätten keine „beau rôle“ gespielt.
(zit. nach: Geiss, Imanuel: Juli 1914. Die europäische Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, München 1986, (dtv ;
2921), S. 184-186.)
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Aufgabe Gruppe 5: Zusatz
a) Erläutert die Haltung Kaiser Wilhelms II. bzgl. eines möglichen Krieges. Geht dabei auch auf die
Einschätzung Russlands durch Kaiser Wilhelm II. ein.
b) Überlegt euch, welche Schlussfolgerungen der österreichische Kaiser aus der Haltung Wilhelms
II. für seine eigene Entscheidung ziehen wird.
Q5: Unterredung mit Wilhelm II.
Graf von Szögyényi, 1892-1914 österreichisch-ungarischer Gesandter in Berlin, telegraphierte am 5.
Juli 1914 an seinen Außenminister über Äußerungen Wilhelms II.
Als ich nochmals den Ernst der Situation mit großem Nachdruck betonte, ermächtigte mich
Seine Majestät, unserem Allergnädigsten Herrn zu melden, dass wir […] auf die volle Unterstützung Deutschlands rechnen können […] Insbesondere gelte dies betreffend eine Aktion
unsererseits gegenüber Serbien. Nach seiner [Kaiser Wilhelms II.] Meinung muss aber mit
dieser Aktion nicht zugewartet werden. Russlands Haltung werde jedenfalls feindselig sein,
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doch sei er hierauf schon seit Jahren vorbereitet und sollte es sogar zu einem Krieg zwischen
Österreich-Ungarn und Russland kommen, so könnten wir davon überzeugt sein, dass
Deutschland in gewohnter Bündnistreue an unserer Seite stehen werde. Russland sei übrigens […] noch keineswegs kriegsbereit und werde es sich gewiss noch sehr überlegen, an
10 die Waffen zu appellieren.
Doch werde es bei den anderen Mächten der Tripleentente gegen uns hetzen und am Balkan
das Feuer schüren. Er begreife sehr gut, dass es Seiner k. und k. Apostolischen Majestät bei
seiner bekannten Friedensliebe schwer fallen würde, in Serbien einzumarschieren; wenn wir
aber die Notwendigkeit einer kriegerischen Aktion gegen Serbien erkannt hätten, so würde er
[Kaiser Wilhelm II.] es bedauern, wenn wir den jetzigen, für uns so günstigen Moment unbenützt ließen.
(zit. nach: Geiss, Imanuel: Juli 1914. Die europäische Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs,
München 1986, (dtv ; 2921), S. 52.)